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German Pages 1126 [1136] Year 1997
de Gruyter Lehrbuch mit Repetitorium Chirurgie
Mit Beiträgen von U. Baer, K.-J. Bauknecht, W. O. Bechstein, H. G. Beger, H.-P. Berlien, R. Bickeböller, C. Blöchle, J. Boese-Landgraf, B.Bouillon, H.-P.Bruch, J. C. Bruck, J. v.Bülow, S.Bünte, F. Daschner, R. Dennhardt, A. Dietrich, M. Ehrenfeld, R. Eisele, M. Ernst, G. Federmann, R. Fitzner, Ch.-Th. Germer, G. Görtz, I. Guggenmoos-Holzmann, R. Häring, R. U. Häring, K. Hager, B. Hamm, W. Hepp, A. Hirner, G. Hohlbach, J. R. Izbicki, D. Jonas, Th. Junginger, B.Kaden, C.Käufer, D.Kaiser, U.Kania, I.Kappstein, F. Köckerling, W. Konertz, W. Kramer, D. Krause, R. Lefering, H. Lode, D. Lorenz, W. Lorenz, R. Meffert, S.Mutze, M.Nagel, E.Neugebauer, RNeuhaus, R. R. Olbrisch, B.-D. Partecke, M. Probst, H.-D.Saeger, Th. Schiedeck, M-. H. Schoenberg, N. Schwenzer, N. Soehendra, B. Stallkamp, R. Stellmach, E. Thiel, H. Troidl, L. C. Tung, J. Waldschmidt, R. Wolff, A. Wondzinski, M. Ziegler, H. Zilch, C. Zornig, H. Zühlke
Chirurgie Herausgegeben von R. Häring und H. Zilch 4., völlig bearbeitete und erweiterte Auflage
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G
Walter de Gruyter Berlin • New York 1997
Herausgeber
Prof. Dr. med. Dr. h. c. R. Häring ehem. Direktor der Chirurg. Klinik Univ.-Klinikum Benjamin Franklin der FU Berlin Im Dol 66 14195 Berlin Prof. Dr. med. H. Zilch Klinik f. Unfall-, Wiederherstellungs- u. Handchirurgie Harzklinik Kösliner Straße 12 38642 Goslar Dieses Buch enthält 936 überwiegend zweifarbige Abbildungen und 59 Tabellen
Die Deutsche Bibliothek
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CIP-Einheitsaufnahme
Chirurgie / hrsg. von R. Häring und H. Zilch. - 4., völlig neu bearb. und erw. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1997 (De-Gruyter-Lehrbuch mit Repetitorium) ISBN 3-11-014988-5 Gb.
© Copyright 1997 by Verlag Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Printed in Germany Didaktisches Konzept: Dr. U. Herzfeld, Gaiberg Typografie: D. Plake, Berlin Zeichnungen: H. R. Giering-Jänsch, Berlin Umschlagentwurf: Rudolf Hübler, Berlin Satz und Druck: Appl, Wemding Bindung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin
Herrn Prof. Dr. med. Dr. h. c. R. J. A. M. van Dongen, Amsterdam in Verehrung und Freundschaft gewidmet
Vorwort zur 4. Auflage
„Alles fließt", alles ist ständiges Werden, stetige Bewegung. Auch für die Chirurgie trifft dies zu! Der Fortschritt in der Chirurgie ist unaufhaltsam! Für die Herausgeber des Lehrbuches „Chirurgie mit Repetitorium" ist dies Anlaß und Verpflichtung nach dem Erfolg der bisherigen Auflagen und im zehnten Jahr nach der 1. Herausgabe eine neuerliche Überarbeitung und Erweiterung des Buches vorzunehmen und es unseren Studenten, Ärzten im Praktikum, jungen Assistenten in der chirurgischen Weiterbildung, aber auch dem Facharzt zur Auffrischung und zum Nachschlagen von längst Gewußtem wiederum vorzulegen. In dieser 4. Auflage wurden alle Beiträge erneut gründlich überarbeitet und dem wissenschaftlichen Fortschritt angepaßt. Der Text erfuhr - wo notwendig - eine Straffung, um den erweiterten Wissensstoff und die vielen zusätzlichen Abbildungen aufzunehmen; das „Repetitorium" in der Marginalie wurde noch detaillierter gefaßt. Der zukünftigen Entwicklung des chirurgischen Fachgebietes haben wir nicht zuletzt unter dem Einfluß der aktuellen Gesundheitspolitik und der demographischen Veränderungen entsprechend Rechnung getragen. Dazu mußten eine Reihe von Kapiteln wie z. B. „Minimal-invasive-Chirurgie" (MIC), „Qualitätssicherung in der Chirurgie", „Alterschirurgie", „Chirurgische Verbandlehre", „Begutachtungsfragen" und - zum raschen
,panta rhei" Heraklit
Nachschlagen - eine Zusammenstellung der wichtigsten „Labordaten" neu eingefügt werden. Der Wissensstoff wurde im Detail erheblich vermehrt, denn dieses Buch soll nicht nur Examenswissen vermitteln, sondern zugleich eine Orientierung für die anschließende praktische ärztliche Tätigkeit sein. Wir hoffen, mit dieser neuen Auflage einige Lücken im Stoffangebot geschlossen zu haben. Den vielen interessierten Studenten sei für ihre kritischen Anregungen und Verbesserungsvorschläge, mit denen sie unsere Arbeit beflügelt haben, vielmals gedankt. Den Autoren des Buches danken wir herzlich für Zuverlässigkeit, Kompetenz und Engagement bei der Neustrukturierung unseres Buches. Herr H. R. Giering-Jänsch hat wiederum in bewährter Weise die vielen zusätzlichen Zeichnungen angefertigt. Danken möchten wir auch Frau Dr. med. Maria-Luise Häring für die Hilfe bei der Erstellung des Sachregisters. Wir danken allen Mitarbeitern der Medizinabteilung des de Gruyter Verlages, Herrn Verlagsdirektor Priv. Doz. Dr. R. Radke, Frau I. Grünberg und Frau I. Ullrich von der Herstellung für die wie immer bewährte Zusammenarbeit. Berlin und Goslar, im April 1997
Rudolf Häring Hans
Zilch
Vorwort zur 1 .Auflage
„ Wissen zu erwerben, ohne über das Erlernte nachzudenken, ist sinnlos. - Nur nachzudenken, ohne zu lernen, führt zu gefährlichen Überlegungen." Konfuzius
Die vorangestellte Aphorisme des Konfuzius hat nichts an Aktualität verloren. Unreflektiertes Lernen, ohne das Erarbeitete zu bedenken, bleibt frustran. Nachdenken, das sich nicht auf den sicheren Fundus soliden Wissens stützt, führt auf Irrwege. Mit diesem Lehrbuch für Chirurgie hoffen die Herausgeber, dem Studenten und jungen Arzt ein geeignetes Hilfsmittel für die Erarbeitung des umfangreichen Wissensstoffes des Fachgebietes „Chirurgie" zu liefern und sie gleichzeitig zum Nachdenken über die noch offenen Probleme dieses Faches anzuregen. Der Abfassung dieses Lehrbuches liegt ein besonderes Konzept zugrunde. Zwei Ziele wurden angestrebt: Primär ist der gesamte Stoff des Fachgebietes „Chirurgie" ausführlich dargestellt und durch klare schematische Zeichnungen erläutert, so daß der Leser Antwort auf in Vorlesung oder Praktikum angeschnittene Fragen findet. Zum anderen enthält das Buch auch ein Kompendium, das in Form einer „Marginalie" den ausführlichen Text begleitet und jederzeit die schnelle Rekapitulation oder Orientierung über ein Gebiet erlaubt. Der Text umfaßt mehr als nur den Stoff des Gegenstandskataloges und versucht, in dieser Art der Darbietung einen neuen Weg zu gehen. Die Herausgeber erhoffen sich hiervon Vorteile für den Studenten und Erleichterung des Lernens im Sinne des Goethewortes „Zur Einsicht in
den geringsten Teil ist die Übersicht des Ganzen nötig". Dieses Buch will nicht nur Prüfungswissen vermitteln, sondern auch Hinweise und Zusammenhänge zur Pathogenese und Pathophysiologie, zur Indikationsstellung und Wahl der konservativen und operativen Behandlungsverfahren ausführlicher erläutern. Dem Verlag Walter de Gruyter und seinen Mitarbeitern gebührt unser besonderer Dank, vor allem Herrn Dr. med. A. Bedürftig für sein stets verständnisvolles Entgegenkommen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir danken auch Herrn Dr. U. Herzfeld für seine Idee des „kombinierten" Lehrbuchs und Kompendiums, für die vielen didaktischen Anregungen und die Erstellung des Hinweisindex für die Gegenstandskataloge der chirurgischen Fachgebiete. Für die sorgfältige und klare Ausführung der Abbildungen danken wir Herrn Giering-Jänsch, für die Überlassung der Röntgenbilder Herrn Prof. Dr. J. Wolf, Leiter der Klinik für Radiologie im Klinikum Steglitz der Freien Universität Berlin, und Frau Dr. Maria-Luise Häring für ihre vielseitigen kritischen Hinweise und ihre Hilfe beim Lesen der Korrekturen. Nicht zuletzt möchten wir allen Mitautoren für ihre engagierte Zusammenarbeit herzlich danken. Berlin, Frühjahr 1986
Rudolf Häring Hans Zilch
Anschriftenverzeichnis der Autoren
Prof. Dr. med. U.Baer Chirurgische Abteilung Wenckebach-Krankenhaus Wenckebachstraße 23,12099 Berlin Prof. Dr. med. K.-J. Bauknecht Abteilung Allgemeine Chirurgie Auguste-Viktoria-Krankenhaus Rubensstraße 125,12157 Berlin Prof. Dr. med. H.-G.Beger Chirurgische Universitätsklinik mit Poliklinik Steinhövelstraße 9,89070 Ulm Prof. Dr. med. H.-P.Berlien Lasermedizin Krankenhaus Neukölln Rudower Straße 48,12313 Berlin
Dr. med. S. Bünte Abteilung für Hämatologie und Onkologie der Medizinischen Klinik im Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Hindenburgdamm 30,12200 Berlin Prof. Dr. med. F. Daschner Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene Klinikum der Albert-Ludwigs-Universität Hugstetterstraße 55,79106 Freiburg Prof. Dr. med. R. Dennhardt Klinik für Anaesthesiologie und Intensivmedizin Nordwest-Krankenhaus Steinbacher Hohl 2-26,60488 Frankfurt am Main
Dr. med. R. Bickeböller Klinik für Urologie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt Dr. med. Ch. Blöchle Abteilung für Allgemeinchiurgie Universitäts-Krankenhaus Eppendorf Martinistraße 52, 22457 Hamburg Priv. Doz. Dr. med. J. Boese-Landgraf Chirurgische Abteilung Klinikum Chemnitz Flemmingstraße 2,09116 Chemnitz Dr. med. R. Bouillon Klinikum Merheim, Chirurg. Lehrstuhl der Universität zu Köln Ostmerheimerstr. 200, 51109 Köln Prof. Dr. med. H.-P. Bruch Chirurgische Universitätsklinik Ratzeburger Allee 160,23562 Lübeck Dr. med. J.C. Bruck Abteilung für Plastische Chirurgie, Zentrum für Brandverletzte Krankenhaus am Urban Dieffenbachstraße 1,10967 Berlin Dr. med. J. von Bülow Abteilung f. Laboratoriumsmedizin Evang. Waldkrankenhaus Spandau Stadtrandstraße 555-561,13589 Berlin
Dr. rer. medic. J. Dietrich Qualitätssicherung, Klinikum Leverkusen gGmbH Dhünnberg 60, 51375 Leverkusen Prof. Dr. med., Dr. med. dent. M. Ehrenfeld Klinik u. Poliklinik f. Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie Lindwurmstraße 2 a, 80336 München Prof. Dr. med. R. Eisele Allgemein-Chirurgische Klinik Klinik am Eichert 73006 Göppingen Priv. Doz. Dr. med. habil. M. Ernst Klinik f. Allgemeinchirurgie Baidingerstraße, 35033 Marburg Dr. med. G. Federmann Chirurgische Klinik Kreiskrankenhaus Völklingen Richardstraße 5-90,66333 Völklingen Dr. med. R. Fitzner Institut für klinische Chemie und klinische Biochemie Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Hindenburgdamm 30,12200 Berlin Dr. med. Chr.-Th. Germer Abteilung f. Allgemein-, Gefäß- u. Thoraxchirurgie Univ.-Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Hindenburgdamm 30,12200 Berlin
X Priv. Doz. Dr. med. G. Görtz Chirurgische Klinik I St. Marienhospital Altstadtstraße 23, 44534 Lünen Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Irene Guggenmoos-Holzmann Abteilung für Informatik Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Hindenburgdamm 30,12200 Berlin Prof. Dr. med., Dr. med. h.c.R.Häring Im Dol 66,14195 Berlin Dr. med. R. U. Häring Abteilung für Allgemeinchirurgie mit Poliklinik der Chirurgischen Universitätsklinik Hugstetterstraße 55, 79106 Freiburg Dr. med. Katja Hager Chirurgische Universitätsklinik Ratzeburger Allee 160, 23562 Lübeck Prof. Dr. med. B. Hamm Institut für Röntgendiagnostik Charité Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstraße 20-21,10117 Berlin Prof. Dr. med. W.Hepp Fachbereich Gefäßchirurgie St. Josef-Krankenhaus Robert-Koch-Straße 16, 42781 Haan Prof. Dr. med. A. Hirner Klinik und Poliklinik für Chirurgie Rheinische-Friedrich-Wilhelms-Universität Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 Bonn
Anschriftenverzeichnis der Autoren Prof. Dr. med. C.Käufer Chirurgische Abteilung der Henrietten-Stiftung Marienstraße 80-90, 30171 Hannover Prof. Dr. med. D. Kaiser Abteilung für Thoraxchirurgie Lungenklinik Heckeshorn Zum Heckeshorn 33,14109 Berlin Prof. Dr. med. U. Kania Chirurgische Klinik Krankenhaus Maria Hilf GmbH Sandradstr. 43,41061 Mönchengladbach Priv. Doz. Dr. med. I. Kappstein Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene Albert-Ludwigs-Universität Hugstetterstraße 55, 79106 Freiburg Prof. Dr. med. F. Köckerling Chirurgische Universitätsklinik Maximiliansplatz 1, 91054 Erlangen Prof. Dr. med. W. Konertz Univ.-Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie Universitätsklinikum Charité Schumannstraße 20/21,10117 Berlin Priv.-Doz. Dr. med.W. Kramer Klinik für Urologie Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main Prof. Dr. med. D. Krause Griegstr. 40,14193 Berlin
Prof. Dr. med. G. Hohlbach Chirurg. Klinik d. Ruhruniversität Bochum im Marienhospital Herne Hölkeskampring 40, 44625 Herne
R. Lefering, Dipl.-Mathematiker Biochemische & Experimentelle Abt. II. Chirurgischer Lehrstuhl der Universität zu Köln Ostmerheimerstr. 200, 51109 Köln
Prof. Dr. med. J. R. Izbicki Abteilung für Allgemeinchiurgie Universitäts-Krankenhaus Eppendorf Martinistraße 52, 20246 Hamburg
Prof. Dr. med. H. Lode Pneumologie I Lungenklinik Heckeshorn Zum Heckeshorn 33,14109 Berlin
Prof. Dr. med. D.Jonas Klinik für Urologie Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main
Prof. Dr. med. D. Lorenz Univ.-Klinik und Poliklinik für Chirurgie Friedrich-Loeffler-Straße 23 b, 17497 Greifswald
Prof. Dr. med. Th. Junginger Klinik u. Poliklinik f. Allgemein- u. Abdominalchirurgie, Univ.-Klinikum Langenbeckstraße 1, 55131 Mainz Priv. Doz. Dr. med. B. Kaden Abteilung für Neurochirurgie Krankenhaus Bethesda Hainstraße 35,42109 Wuppertal
Prof. Dr. med. W. Lorenz Institut für Theoretische Chirurgie Zentrum für Operative Medizin der Universität Baidingerstraße, 35043 Marburg Dr. med. R.Meffert Marienhospital Chirurgische Univ.-Klinik, Ruhr-Universität Hölkeskampring 40,44624 Herne
Anschriftenverzeichnis der Autoren Dr. med. S. Mutze Institut für Röntgendiagnostik Charité Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstraße 20-21,10117 Berlin Dr. med. M. Nagel Klinik u. Poliklinik f. Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Fetscherstraße 74,01307 Dresden Prof Dr. med. E. Neugebauer Biochemie und Experimentelle Abteilung 2. Lehrstuhl für Chirurgie Ostmerheimer Straße 200,51109 Köln Prof. Dr. med. P. Neuhaus Klinik für Allgemeinchirurgie im Univ.-Klinikum R. Virchow Augustenburgerplatz 1,13353 Berlin Prof. Dr. med. R. R. Olbrisch Klinik für Plastische Chirurgie Diakonissenwerk Kaiserswerth Kreuzbergstraße 79, 40489 Düsseldorf Priv. Doz. Dr. med. B.-D. Partecke Abteilung für Handchirurgie, Plastische- und Mikrochirurgie BG-Unfallkrankenhaus Bergedorfer Straße 10,21033 Hamburg Priv. Doz. Dr. med. M. Probst Chirurgische Klinik, Kreiskrankenhaus Rintelner Straße 85, 32657 Lemgo Prof. Dr. med. H.-D.Saeger Klinik u. Poliklinik f. Viszeral-, Thorax- u. Gefäßchir. Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Fetscherstr. 74,01307 Dresden Dr. med. T. H. Schiedeck Chirurgische Universitätsklinik Ratzeburger Allee 160,23562 Lübeck Prof. Dr. med. habil. M. H. Schoenberg Chirurgische Universitätsklinik mit Poliklinik Steinhövelstraße 9,89070 Ulm Prof. Dr. med. Dr. med. dent. N. Schwenzer Zahn-, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie Universitätsklinikum Osianderstr. 2-8,72076 Tübingen Prof. Dr. med. N. Soehendra Endoskopie der Abt. f. Allgemeinchirurgie Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik Martinistraße 52,20251 Hamburg Prof. Dr. med. B. Stallkamp Abt. f. Allgemein-, Thorax- und Gefäßchirurgie im Marienhospital Johannisfreiheit 2-4,48074 Osnabrück
XI Prof. Dr. med., Dr. med. dent. R. Stellmach Schweinfurthstraße 11,14195 Berlin Prof. Dr. med. E.Thiel Abteilung f. Hämatologie u. Onkologie Medizinische Klinik im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin der FU Berlin Hindenburgdamm 30,12200 Berlin Prof. Dr. med. Dr. h.c. H.Troidl II. Lehrstuhl f. Chirurgie d. Universität Köln Klinikum Merheim Ostmerheimerstraße 200, 51109 Köln Prof. Dr. med. L. C.Tung Abt. f. Allgemein-, Gefäß- u. Thoraxchirurgie Chirurgische Klinik u. Poliklinik Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Hindenburgdamm 30,12200 Berlin Prof. Dr. med. J. Waldschmidt Abt. f. Kinderchirurgie d. Kinderklinik u. Poliklinik Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Hindenburgdamm 30,12200 Berlin Prof. Dr. med. R. Wolff Institut für Sportmedizin/Sportwissenschaft der Humboldt-Universität Konrad-Wolf-Str. 45,13053 Berlin Dr. med. A. Wondzinski Abt. f. Allgemein-, Gefäß- u. Thoraxchir. Chirurgische Klinik u. Poliklinik Universitätsklinikum Benjamin Franklin Freie Universität Hindenburgdamm 30,12200 Berlin Dr. med. M. Ziegler Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Sigmund-Freud-Straße 25,53127 Bonn Prof. Dr. med. H.Zilch Klinik f. Unfall-, Wiederherstellungs- u. Handchir. Harzklinik Kösliner Straße 12,38642 Goslar Prof. Dr. med. C. Zornig Abteilung für Allgemeinchirurgie Chirurgische Universitätsklinik Martinistraße 52, 20246 Hamburg Prof. Dr. med. H. Zühlke Chirurgische Klinik im Paul-Gerhard-Stift Akadem. Lehrkrankenhaus Universität Halle-Wittenberg Paul-Gerhard-Straße 42^15,06886 Wittenberg
Inhalt
1.
Spezielle chirurgische Krallkenuntersuchung R. Höring
1. 1.1 1.2 1.3 1.4
Untersuchungsgang Anamnese Körperliche Untersuchung Laboruntersuchungen Röntgenuntersuchungen, E K G und Sonographie Endoskopische und instrumenteile Untersuchungen Dokumentation der Untersuchungsbefunde . .
1.5 1.6
2.
1. 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
4 5 5
Bildgebende Verfahren in der chirurgischen Diagnostik S. Mutze, B. Hamm Grundlagen Indikationen und Wertigkeit Gehirnschädel, Spinalkanal Gesichtsschädel, Hals, Thorax, Mamma, Gefäße Abdomen Haltungs- und Bewegungsapparat Interventionelle Sonographie und CT
6 7 7 8 10 12 12
3.
Chirurgische Endoskopie N. Soehendra
4.
Medizinische Dokumentation I. Guggenmoos-Holzmann
1.
Qualität und Auswahl der Daten, Dokumentationsarten Klassifikation von Daten EDV-gerechte Datenerfassung Qualitätssicherung, Fehlerkontrolle
2. 3. 4.
1 2 3 4
5.
Chirurgische Forschung E. Neugebauer, W. Lorenz, H. Troidl
1. 2. 2.1 2.2
Chirurgie und chirurgische Forschung heute Methoden, Organisationsformen Methoden Organisationsformen
14
.
19 20 21 22
24 26 26 33
6.
Qualitätssicherung in der Chirurgie E. Neugebauer, A. Dietrich, R. Lefering, B. Bouillon
1.
Qualitätsnotwendigkeit, -definition, -meßbarkeit Notwendigkeit der Qualitätssicherung Was ist Qualität? Qualitätsmeßbarkeit Qualitätssicherungsprogramm Umfassendes Qualitätsmanagement
1.1 1.2 1.3 2. 3. 7.
Wunde: Behandlung, Heilungsstörungen, Tetanusprophylaxe K.-J. Bauknecht, J. Boese-Landgraf
1. 2. 2.1 3. 4. 4.1 4.2 5.
Wunde, Wundformen Wundheilung Phasen der Wundheilung Wundheilungsstörungen Wundbehandlung Technik der Wundbehandlung Wundverschluß Tetanusprophylaxe
8.
Verbandlehre G. Hohlbach, R. Meffert
1. 1.1 1.2 2.
Allgemeine Verbandlehre Wundverbände, Verbandbinden, Gipsverbände Schienenverbände Spezielle Verbände
9.
Verbrennungen J. C. Bruck
1. 2.
Pathogenese Verbrennungstiefe und -ausdehnung, Verbrühung Verbrühungen, spezielle Verbrennungen . . . . Therapie Erste Hilfe, stationäre Erstmaßnahmen . . . . Lokale Behandlung Rehabilitation, Prognose, Begutachtung . . . .
2.1 3. 3.1 3.2 4. 10.
Chirurgische Infektionslehre G. Görtz
1. 1.1
Allgemeine Infektionslehre Infektion, Therapie, Prophylaxe
35 35 36 37 38 40
42 44 44 46 47 47 48 49
50 50 57 58
62 64 65 67 67 68 71
72 72
XIV
Inhalt
2. Spezielle Infektionslehre 2.1 Bakterielle Infektionen 2.1.1 Aerobe Infektionen 2.1.2 Anaerobe Infektionen 2.1.3 Tuberkulose, Aktinomykose, Tollwut 2.2 Parasitäre Infektionen
11.
1. 2. 2.1 2.2 3.
Asepsis, Antisepsis, Hospitalismus I. Kappstein, F. Daschner Risikofaktoren, Erreger Allgemeine und spezielle Präventionsmaßnahmen Allgemeine Maßnahmen zur Prävention nosokomialer Infektionen Spezielle Präventionsmaßnahmen in der Operationsabteilung Desinfektion und Sterilisation
12.
Antibiotikatherapie H. Lode
1. 2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2
Lokale Therapie, Prophylaxe Antibiotika, Dosierung bei Niereninsuffizienz . Antimikrobielle Substanzen Penicilline Cephalosporine Aminoglykoside Weitere wichtige Antibiotika Antibiotika und Niereninsuffizienz
13.
HIV-Infektion und Chirurgie Ch.-Th. Germer, R.Häring
1. 2. 2.1 3. 3.1 3.2 3.3
Pathogenese, Epidemiologie, Infektion Diagnostik, Klassifikation, Stadieneinteilung . Klinische Manifestationen Prophylaxe, HIV-Inokulation, Transfusion . . . Infektionsprophylaxe Postexpositionelle Maßnahmen Transfusion
14.
Die Operation B. Stallkamp
1. 2. 2.1
Vorbereitung, Lagerung des Patienten Instrumente, chirurgische Naht Instrumentarium, Nahtmaterial, Knotentechnik Chirurgische Naht Operative Eingriffe, Komplikationen Punktionen, Injektionen Operative Maßnahmen Operationsverlauf, Drainagen Komplikationen
2.2 3. 3.1 3.2 3.3 3.4
75 75 75 79 81 82
15.
Indikationen und Kontraindikationen des operativen Eingriffs B. Stallkamp
1. 1.1 1.2 2.
Indikationen Rechtliche Situation, Aufklärung Operationsziele, Operabilität Kontraindikationen
16.
Pathophysiologie des operativen Eingriffs R. Eisele
1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2
Metabolismus, Endokrinium, Vitamine Metabolismus bei Trauma und Operation . . . Endokrine Auswirkungen des Traumas Vitamine in der Chirurgie Säure-Basen-, Wasser-Elektrolyt-Haushalt . . . Säure-Basen-Haushalt (SBH) Wasser-Elektrolyt-Haushalt
17.
Prä- und postoperative Behandlung R. Eisele
1. 1.1
Präoperative Phase Psychologische und somatische Vorbereitung, Sofortmaßnahmen Postoperative Therapie, Komplikationen . . . . Postoperative Therapie, Ernährung Postoperative Komplikationen
84 85 85 86 88
90 91 91 92 93 95 96 97
99 100 101 103 103 104 105
2. 2.1 2.2 18.
Klinische Transfusionsmedizin E. Thiel, S. Bünte
1. 1.1 1.2 1.3 2. 3. 3.1 3.2
Blutgruppen ABO-System Rhesus- und andere Blutgruppensysteme . . . . HLA-System Blutprodukte und ihre Indikationen Komplikationen der Bluttransfusion Hämolytische Transfusionsreaktion Nichthämolytische Transfusionsreaktion, Allergie Graft-versus-host-Krankheit (GvHD) Massivtransfusion Hypervolämie, Siderose Transfusion und Infektionskrankheiten Autologe Transfusion
3.3 3.4 3.5 3.6 4.
106 107
19.
Hämostase, Thrombose, Embolie U. Baer, J. Boese-Landgraf
107 108 112 112 113 114 116
1. 1.1 1.2 2. 2.1 2.2 2.3
Hämostase, Fibrinolyse Hämostase Fibrinolyse Hämostasestörung, Thrombose, Embolie . . . . Störung der Hämostase Thrombose Embolie
118 118 121 125
126 126 127 128 130 130 132
135 136 139 139 146
151 151 152 153 155 157 157 158 158 159 160 160 162
163 163 165 166 166 168 170
XV
Inhalt 3. 3.1 3.2
Thromboseprophylaxe Allgemeine und physikalische Maßnahmen . . Medikamentöse Thromboseprophylaxe . . . .
20.
Anästhesie und Schmerzbehandlung R. Dennhardt
1. 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 2.
Anästhesie Vorbereitung des Patienten, Verfahren Patientenvorbereitung Anästhesieverfahren Muskelrelaxanzien Lokalanästhesie Schmerzbehandlung
21.
Erstversorgung von Notfallen, Schock und Wiederbelebung
1.
Erstversorgung von Notfällen R. Häring Notfalldiagnostik Therapie Notfälle, die eine sofortige Therapie erzwingen Notfälle, die Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens erfordern Notfälle, die eine aufgeschobene Therapie erlauben
1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2
....
Schock und Wiederbelebung R. Dennhardt Schock . Formen, Ätiologie, Pathophysiologic Symptome, Therapie Wiederbelebung Ätiologie, Pathophysiologic, Klinik Wiederbelebungsmaßnahmen
22.
Physikalische Medizin und Rehabilitation D. Krause
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Atemtherapie Krankengymnastik Hydrotherapie Mechanotherapie Thermotherapie Elektrotherapie
23.
Laser in der Chirurgie H. -P. Berlien
1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3
Grundlagen Lasertechniken, -verfahren Applikationsarten Laserverfahren Indikationsfelder Plastische Chirurgie Angiologie Organresektion
172 172 173
175 175 175 176 181 181 184
186 186 187 188 189
3.4 3.5
Endoskopische Chirurgie Tumortherapie
24.
Chirurgie im Alter R. Häring
1. 2.
Spezielle Probleme des alten Menschen . . . . Chirurgische Strategien und Erkrankungen im Alter Chirurgische Strategien Spezielle Erkrankungen
2.1 2.2
211 212
215 215 215 217
25.
Chirurgische Onkologie J. Boese-Landgraf, K.-J. Bauknecht, R. Häring
1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 4. 4.1 4.2 4.3
Definitionen Entstehung und Einteilung von Tumoren . . . Tumorentstehung Tumoreinteilung Ausbreitung und Grading von Tumoren . . . . Tumorausbreitung Stadien und Gradeinteilung Diagnose, Therapie, Krebsverhütung Diagnostik Therapie Therapieergebnisse, Krebsverhütung
26.
Transplantationschirurgie P. Neuhaus, W. O. Bechstein
1. 1.1 1.2 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3 3.4
Organspende, Spenderoperation Organspende Organspenderoperation, -konservierung . . . . Immunologie Spender-Empfänger-Matching Immunsuppressive Therapie Spezielle Organtransplantationen Nierentransplantation Lebertransplantation Pankreastransplantation Dünndarmtransplantation
27.
Minimal-invasive Chirurgie (MIC)
1.
Allgemeine Aspekte F. Köckerling
255
2.
Thorax D. Kaiser Indikationen Komplikationen
257
220 221 221 224 224 224 227 229 229 231 236
192 192 192 193 195 197 197 198
202 203 204 204 205 206
207 208 208 209 210 210 211 211
2.1 2.2 3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3
Abdomen und Retroperitoneum F. Köckerling Abdominale Laparoskopie Laparoskopische Cholezystektomie Laparoskopische Appendektomie Laparoskopische Fensterung von Leber- und Milzzysten, Splenektomie
239 239 240 242 243 243 245 245 247 252 254
257 261 261 261 261 263 264
XVI 3.1.4 3.1.5 3.2
Inhalt Laparoskopische Eingriffe am Magen, Darm, Leistenbruch Abdominaltrauma, Staging Retroperitoneale Laparoskopie
28.
Kopf, ZNS, periphere Nerven B. Kaden
1. 1.1 1.2 2. 2.1 2.2 3.
Raumforderungen, Gefäßerkrankungen . . . . Raumfordernde intrakranielle Prozesse . . . . Gefäßfehlbildungen,-krankheiten des ZNS . . Schädel-Hirn-Verletzungen (SHV) Offene Schädel-Hirn-Verletzungen Geschlossene Hirnverletzungen Spaltfehlbildungen, pathologisches Kopfwachstum Spaltfehlbildungen Pathologisches Kopfwachstum Spinalkanal Raumfordernde Prozesse Wurzelkompressionssyndrome Rückenmarkverletzungen Periphere Nerven, Schmerzsyndrome Periphere Nerven: Verletzungen, nichttraumatische Schädigungen, Tumoren Schmerzsyndrome Epilepsie, Bewußtseinsstörungen
3.1 3.2 4. 4.1 4.2 4.3 5. 5.1 5.2 6. 29.
Gesicht, Mundhöhle, Kiefer N. Schwenzer, M. Ehrenfeld, R. Stellmach
1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 5. 5.1
Fehlbildungen, Formanomalien Verletzungen, Frakturen, Luxationen Symptome, Diagnose, Therapie Luxation der Kiefergelenke Entzündungen, Zahnerkrankungen, Zysten . . Odontogone Entzündungen Chirurgische Erkrankungen der Zähne Zysten Speicheldrüsen, Kiefergelenk, Tumoren . . . . Chirurgische Erkrankungen der Speicheldrüsen Chirurgische Erkrankungen der Kiefergelenke Geschwülste Rekonstruktiv-plastische Verfahren Rekonstruktiv-plastische Chirurgie bei Gesichts- und Kieferdefekten Gesichtsepithesen, Resektionsprothesen . . . . Ästhetisch-plastische Gesichtschirurgie . . . .
5.2 5.3 30.
Hals (ohne Schilddrüse) H. Zühlke
1. 1.1 1.2 2.
Fehlbildungen, benigne Tumoren Kongenitale Fisteln und Zysten Benigne Tumoren Skalenussyndrom, Lymphknotenerkrankungen, Entzündungen Skalenus-oder Halsrippensyndrom Lymphknotenerkrankungen Entzündungen
2.1 2.2 2.3
264 265 265
266 266 273 276 277 278 283 283 284 286 286 289 295 297 297 299 302
304 309 309 314 316 316 319 320 321 321 323 324 328 328 329 329
332 332 336 337 337 337 340
31.
Mammachirurgie M. Probst
1. 2.
Entwicklung, Anatomie Entwicklungsvarianten, gutartige Mammaerkrankungen Entzündungen Gutartige und potentiell maligne Himoren . . . Mammakarzinom Einteilung der Karzinome, Stadien, Metastasierung Symptome und Diagnostik Therapie
2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.3
32.
Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum R. Höring, R. U. Häring
1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2 2.3
Brustwand Form Veränderungen Entzündungen Geschwülste Zwerchfell (Diaphragma) Hernien Tumoren, Zysten, Entzündungen Funktionelle Störungen, Zwerchfellkrampf (Singultus), Relaxatio diaphragmatica Pleura Pneumothorax Pleuraerguß Pleuratumoren Lungen Anatomie, Funktion, Funktionsuntersuchungen, -Störungen Leitsymptome bei Lungenerkrankungen, spezielle Untersuchungen Operative Zugangswege, Verfahren, Komplikationen Fehlbildungen der Lunge Entzündliche Erkrankungen Tumoren Mediastinum Untersuchungsverfahren Lageveränderungen, Verletzungen, Entzündungen Erkrankungen des Ductus thoracicus: Chylothorax Tumoren und Zysten
3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 5. 5.1 5.2 5.3 5.4
342 342 343 344 345 346 347 350
355 355 355 356 357 357 359 359 360 360 362 365 366 366 369 370 372 373 380 390 390 391 392 392
33.
Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße W. Konertz
1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2. 3. 3.1
Methoden in der Herzchirurgie 395 Herz-Lungen-Maschine (HLM) 395 Assistierte Zirkulation, Myokardprotektion . . 397 Zugangswege, Monitoring 399 Herzchirurgische Intensivmedizin 400 Zeitpunkt und Art der Operation 401 Angeborene Herzfehler 402 Azyanotische Herzfehler 402
XVII
Inhalt 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 5. 5.1 5.2
Zyanotische Herzfehler Univentrikuläres Herz Erworbene Herzerkrankungen Koronare Herzkrankheit (KHK) Erworbene Herzklappenfehler Erkrankungen der thorakalen Aorta Herzschrittmacher und Herzrhythmusstörungen Erkrankungen des Perikards Tumoren des Herzens Verletzungen des Herzens Transplantation von Thoraxorganen Herz-Lungen-Transplantation Orthotope Herztransplantation
409 413 415 415 420 424
2.
426 428 428 428 429 429 430
3.
2.1 2.2 2.3
3.1 3.2 4. 4.1 5.
34.
Gefaßchirurgie W.Hepp
1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 3. 3.1 3.2 4. 4.1 4.2
Arterien Arterielle Verschlußkrankheit (AVK) Angeborene Fehlbildung: Coarctatio aortae . . Arterielle Aneurysmen Akuter Arterienverschluß Arterielle Verschlußkrankheit (AVK) der unteren Extremität Läsionen der supraaortalen Arterien Nierenarterien Viszeralarterien Arteriovenöse Fisteln Dialyseshunt Vaskuläre Tumorchirurgie Venen Variköse Akute Bein- und Beckenvenenthrombose . . . Akute Thrombose der V. axillaris/V. subclavia Akute Thrombose der V. mesenterica superior Rekonstruktive Eingriffe am Venensystem . . Lymphgefäße Klinik, Diagnostik und Differentialdiagnose . Therapie Amputationen Minoramputationen Majoramputationen
35.
Chirurgie des Verdauungstraktes
1.
Ösophagus R. Häring Klinische Anatomie Diagnostik Motilitätsstörungen Hiatushernien Divertikel Perforation, Ruptur, Verätzungen Fremdkörper, Fehlbildungen, Dysphagia lusoria Seltene Ösophaguserkrankungen: Ringe, Webs, Arzneimittelulzera, Infektionen Thmoren
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9
5.1 5.2 5.3 432 432 446 446 450 453 458 465 467 468 469 469 470 471 474 477 477 477 478 479 480 481 481 481
483 483 485 488 495 497
Dünndarm (Jejunum, Ileum) D. Lorenz Anatomie, Physiologie Erkrankungen
552
510 512 514
552 553
Kolon und Rektum H.-P.Bruch, Th. Schiedeck Erkrankungen von Kolon und Rektum
565 567
Ileus M. Ernst, A. Wondzinski Ileusformen Ogilvie-Syndrom Gallensteinileus
602 602 611 611
Anus A. Wondzinski, R. Häring 6.1 Pilonidalsinus, Strikturen, Prolaps 6.1.1 Anal- und Rektumprolaps 6.1.2 Pruritus ani, Thrombosen, Hämatome, Marisken 6.1.3 Hämorrhoiden („innere Hämorrhoiden") . . . 6.1.4 Analfissur, Papillitis, Kryptitis 6.1.5 Analabszeß,-fistel, pelvirektale Fistel 6.1.6 Schmerzzustände, Verletzungen, Fremdkörper 6.1.7 Tumoren 6.1.8 Inkontinenz
611
7.
Akutes Abdomen II. -D. Saeger, M. Nagel Definition, Häufigkeit, Ursachen Symptome Schmerz Motilitätsstörungen Schock Diagnostik, Differentialdiagnose Anamnese und Untersuchung Akutes Abdomen des Kindes und der Schwangeren Akutes Abdomen des Kindes Akutes Abdomen der Schwangeren Präoperativ-therapeutische Maßnahmen . . . .
623
Peritonitis, intraabdominale Abszesse J. R. Izbicki, C. Blöchle Peritonitis Pathophysiologic Ätiologie, Einteilung und Epidemiologie Symptomatik und Diagnostik Richtlinien für die Therapie, Prognose Intraabdominelle Abszesse
637
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.4 7.4.1 7.4.2 7.5
8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.2 9.
499 499 500
510
6.
8. 483
Magen und Duodenum Th. Junginger Klinische Anatomie Klinische Physiologie von Magen und Duodenum Erkrankungen von Magen und Duodenum . .
9.1 9.1.1 9.1.2
Gastrointestinale Blutungen und portale Hypertension R. Häring Ursachen und Klinik der Blutungen Ursachen, Formen, Lokalisation Allgemeine klinische Zeichen
. . .
612 613 614 615 616 618 620 620 622
623 626 626 627 629 630 630 634 634 635 636
637 637 638 640 642 645 647 647 647 647
XVIII
Inhalt
9.2
Portale Hypertension: Ösophagus- und Magenfundusvarizen 9.2.1 Pathophysiologie der portalen Hypertension . 9.2.2 Diagnostik 9.2.3 Therapie von Varizenblutung und Pfortaderhochdruck 9.3 Blutungen aus Magen und Duodenum 9.3.1 Akute Ulkusblutung 9.3.2 Akute Schleimhautläsionen 9.3.3 Blutungen beim M. Osler, Hiatushernie, Divertikel 9.3.4 Maligne und benigne Tumoren, Hämobilie . . . 9.4 Blutungen aus dem Dünn- und Dickdarm . . . 10. 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 11. 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 12. 12.1 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.2.5 12.2.6
Leber L. C. Tung, R. Häring Diagnostik von Lebererkrankungen Operative Verfahren Verletzungen Leberzysten Leberabszesse Lebertumoren
649 650 651 652 659 659 660 660 661 661 662 663 663 664 666 669 671
Gallenblase und Gallenwege 674 R. U. Häring Diagnostik von Gallenwegserkrankungen . . . 675 Cholelithiasis 678 Therapie 685 Cholezystopathie, Fehlbildungen 689 Maligne Tumoren der Gallenwege 690 Verschlußikterus 693 Pankreas M. H. Schoenberg, H. G. Beger Klinische Anatomie und Physiologie Pankreaserkrankungen Diagnostik Pankreasfehlbildungen: Pancreas anulare, divisum, aberrans Pankreasverletzungen Entzündungen Zysten und Pseudozysten Pankreastumoren
695 695 697 697 700 701 703 710 712
36.
Milz R. U. Häring
1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
Klinische Anatomie und Physiologie 716 Symptome, Diagnostik, Erkrankungen 717 Erkrankungen, Verletzungen, Splenektomie . . 717 Lokale Milzerkrankungen 718 Systemerkrankungen mit Milzbeteiligung . . . 719 Verletzungen der Milz 719 Operationstechnik 722 Folgen des Milzverlustes 723
37.
Chirurgie des Retroperitonealraumes, Peritoneums und Mesenteriums C. Käufer
1. 1.1
Retroperitoneale Fibrose, Tumoren Ormond-Syndrom
1.2 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2
Retroperitoneale Tumoren Verletzungen, Abszesse Verletzungen Abszesse Mesenteriale Lymphadenitis, Tumoren Mesenteriale Lymphadenitis Mesenteriale Tumoren
38.
Hernien B. Stallkamp
1.
Häufigkeit, Symptomatik, Diagnostik, Komplikationen Therapie Spezielle Hernienformen Direkte und indirekte Leistenhernie Femoral- und Nabelhernien Epigastrische Hernie, Rektusdiastase Spieghel-, Lumbal-, Narbenhernie Brüche des kleinen Beckens Innere Bauchbrüche, Zwerchfellhernie
2. 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
730 732 734 734 737 739 739 741 741
39.
Weichteiltumoren C. Zornig
40.
Endokrine Chirurgie
1.
Schilddrüse G. Görtz Struma Ätiopathogenese, Pathophysiologie der Struma Häufigkeit, Symptome und Diagnostik bei Schilddrüsenerkrankungen Therapie bei Schilddrüsenerkrankungen . . . . Spezielle Erkrankungen Schilddrüsenentzündungen Blande euthyreote Struma Hyperthyreose Hypothyreose Tumoren der Schilddrüse Rezidivstruma
747
Nebenschilddrüsen (NSD) A. Hirner, M. Ziegler 2.1 Hypo- und Hyperparathyreoidismus, Karzinom 2.1.1 Hyperparathyreoidismus 2.2 Diagnostik und Therapie 2.2.1 Diagnostik 2.2.2 Chirurgische Therapie und Ergebnisse
770 770 771 772 772 774
3.
775
1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 2.
724 724
725 726 726 727 728 728 728
3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3
Nebenniere (NN) A. Hirner, M. Ziegler Nebennierenmark-Krankheiten Phäochromozytom MEN und andere NNM-Tumoren Nebennierenrinden-Krankheiten Conn-Syndrom (primärer Hyperaldosteronismus, PH) Cushing-Syndrom Adrenogenitales Syndrom (AGS) und sonstige NNR-Tümoren
742
749 749 750 753 755 755 757 757 760 762 769
775 776 778 779 779 781 783
XIX
Inhalt 4.
Endokrines Pankeas (GEP-System) . . . . . . A. Hirner, M. Ziegler 4.1 Unter-und Überfunktion 4.1.1 Glukagonom, Insulinom 4.1.2 Somatostatinom, Verner-Morrison-Syndrom, Gastrinom 4.1.3 Allgemeine Diagnostik und operative Maßnahmen
41.
1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2 2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 5.
Ösophagus, Thorax, Diaphragma Erkrankungen der Speiseröhre Erkrankungen von Lungen und Thorax . . . . Angeborener Zwerchfelldefekt Bauchwanddefekte, Leistenbruch, Hydro-Varikozele Nabelbruch, epigastrische Hernie, Omphalozele Gastroschisis und mediane Bauchwandspalten Leistenbruch, Hydrozele und Varikozele . . . Ileus, Analatresie, Pylorusstenose Ileus Anal- und Rektumatresie Hypertrophische Pylorusstenose Leber, Gallenwege, Peritoneum Erkrankungen der Leber und Gallenwege . . . Peritonitis im Kindesalter Angeborene Gefäßerkrankungen
Urologie D. Jonas, W. Kramer, R. Bickeböller
1.
Pathomechanismen, allgemeine Symptomatologie und Therapie Niereninsuffizienz Störungen des Harntransportes Blasenfunktionsstörungen Urologische Leitsymptome Urologische Untersuchungen Harn, Serum, Sekrete Funktions- und radiologische Diagnostik . . . Transurethrale Diagnostik, Punktionen . . . . Urologische Therapie Nephrektomie, plastische Eingriffe Harnableitung Endoskopische Eingriffe Fehlbildungen Nieren-, Harnleiteranomalien Kongenitale Fehlbildungen der Harnblase und Harnröhre, Zwitterbildungen Entzündungen Niere und Nierenhüllen Harnleiter Blase Prostata, Samenblasen, Harnröhre, Nebenhoden, Hoden Tbc und Bilharziose Tumoren des Urogenitalsystems Nierenkarzinom
6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7. 7.1
785 786 787 789
Kinderchirurgie J. Waldschmidt
42.
1.1 1.2 1.3 2. 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 5. 5.1 5.2
784
790 790 792 795 798 798 800 801 803 803 812 814 815 815 818 822
824 824 826 828 829 830 830 832 833 835 835 836 837 838 838 840 841 841 844 844 845 847 849 849
7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 8. 8.1 8.2 8.3 9. 10. 11. 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 12. 13.
Nierenbecken-, Harnleitertumoren Harnblasentumoren Peniskarzinom Hodentumoren Prostatatumoren Urolithiasis Nierensteine Harnleiter-, Blasensteine, Metaphylaxe . . . . Prostatasteine Verletzungen der Urogenitalorgane Sterilisierung des Mannes, Induratio penis plastica Urologische Erkrankungen des Kindes Harnabflußstörungen Harnblasenentleerungsstörungen Vesikoureteraler Reflux (VUR) Phimose, Balanoposthitis, Hodendystopie . . . Tumoren Neurogene Blasenentleerungsstörungen . . . . Urologische Notfallsituationen
43.
Plastische Chirurgie R. R. Olbrisch
1. 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6
Operationsindikationen, -techniken Operationsindikationen Operationstechniken Schnittführung, Wundverschluß Lappenplastiken Mikrochirurgie Transplantationen Implantate, Biomaterialien Spezielle Techniken
44.
Unfallchirurgie
1.
851 852 854 854 857 860 861 862 863 864 866 867 867 868 868 869 871 871 872
874 874 876 876 877 879 879 881 881
Thoraxverletzungen J. Boese-Landgraf, L. C. Tung 1.1 Stumpfes Thoraxtrauma 1.1.1 Prellung, Quetschung 1.1.2 Rippen- und Sternumfrakturen 1.1.3 Traumatischer Pneumo-und Hämatothorax . . 1.1.4 Verletzungen von Lunge, Trachea, Bronchien . 1.1.5 Verletzungen des Ösophagus 1.2 Offenes Thoraxtrauma, Zweihöhlen Verletzungen
882 883 883 884 886 888
2.
Abdominalverletzungen K. Hager Stumpfes Bauchtrauma Symptome und Diagnose Therapie, Prognose Verletzungen von Abdominalorganen Perforierende Abdominalverletzungen
889
Gefäßverletzungen U. Kania, R. Höring Arterien Direkte scharfe Arterienverletzung Direkte stumpfe Arterienverletzung Indirekte Arterienverletzung
900
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3
882
888
889 890 892 893 898
900 900 900 901
Inhalt
XX 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.2
Diagnostik der Arterienverletzungen Therapie der Arterien Verletzungen Folgezustände nach Arterienverletzungen . . . Venen und Lymphgefäße
902 902 904 905
4.
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre . . H. Zilch (unter Mitarbeit von R. Wolff und G. Federmann) Erste Hilfe und Diagnostik Einteilung der Brüche Allgemeines zu Gelenkverletzungen Örtliche und allgemeine Auswirkungen . . . . Heilungsmodi Prinzipien der Knochenbruchbehandlung . . . Hygienische Anforderungen bei Operationen am Bewegungsapparat Komplikationen nach Frakturen und Luxationen
906
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 5.
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
906 913 917 919 920 922 929 929
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen 939 H. Zilch Traumatologic der oberen Extremitäten . . . . 939 Traumatologic der Wirbelsäule . 957 Traumatologic des Beckens . 968 Traumatologic der unteren Extremitäten . . . . 972 Extremitätentraumatologie im Kindesalter . . 1003
6.
Polytrauma H. Zilch
45.
Hand- und Mikrochirurgie B.-D. Partecke
1.
Untersuchungstechnik und operative Vorbedingungen 1011 Erkrankungen, Verletzungen, Infektionen . . . 1014 Erkrankungen der Hand 1014 Dupuytren-Kontraktur 1014 Ganglion, schnellender Finger, de Quervain . . 1016 Karpaltunnelsyndrom 1016 Aseptische Knochennekrose: M. Kienböck . . . 1017 Verletzungen der Hand 1018 Sehnen 1018 Knochen und Gelenke 1022 Nerven 1027 Replantation 1029 Infektionen der Hand 1030 Angeborene Fehlbildungen 1031
2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 3.
. 1005
46.
Chirurgie der Sehnen, Bursen und Ganglien H. Zilch
1. 1.1 1.2
Sehnenrupturen Achilles-, Bizepssehnenriß Quadrizepssehnenriß, RotatorenmanschettenRuptur Paratendinosen, Bursitis, Ganglien
2.
1033 1033 1035 1036
H. Zilch 1. 2. 2.1 2.2. 2.3 3.
Klassifizierung, Diagnostik, Therapie 1038 Spezielle Onkologie 1041 Benigne Knochentumoren 1041 Maligne und semimaligne Knochentumoren . . 1042 Geschwulstähnliche Erkrankungen 1046 Knochenmetastasen 1048
48.
Nachbehandlung von Verletzungen und Operationen am Bewegungsapparat . . . . 1052 H. Zilch
49.
Versicherungen und Begutachtungen H. Zilch
1. 2. 3. 4.
Soziales Versorgungswesen Gesetzliche Unfallversicherung Private Versicherungen Grundlagen der Begutachtung
50.
Anhang: Labormedizinische Diagnostik R. Fitzner, J. von Bülow
1. 2.
Alphabetischer Normbereichsleitfaden 1058 Umrechnungsfaktoren SI-/konventionelle Einheiten 1064 Abkürzungsverzeichnis 1064
3.
1054 1055 1055 1056
Weiterführende Literatur
1067
Sachregister
1069
1. Spezielle chirurgische Krankenuntersuchung R. Häring
Die Basis der Krankenuntersuchung bildet das ärztliche Gespräch, die Anamnese und die klinische Untersuchung. Die exakte chirurgische Krankenuntersuchung sollte sich an ein festgelegtes Schema und eine bestimmte Reihenfolge der einzelnen Untersuchungsgänge halten. Dieses Prinzip ist vor allem für den jungen, noch wenig erfahrenen Arzt wichtig, damit er keinen Befund übersieht. Darüber hinaus ist neben der Anamnese die Untersuchung meist die erste Kontaktaufnahme zwischen Arzt und Patient und damit die Basis für das im Hinblick auf eine eventuelle Operation notwendige Vertrauensverhältnis zwischen beiden „Partnern". Die Chirurgie bedient sich in erster Linie naturwissenschaftlicher Methoden zur Diagnosefindung, jedoch spielen auch Menschenkenntnis, persönliche Erfahrungen, Intuition und der sog. „klinische Blick" eine große Rolle. Dabei wird man auch immer wieder aus Analogieschlüssen früher gesehener Krankheitsfälle und -Verläufe Nutzen ziehen.
Basis der Krankenuntersuchung: • ärztliches Gespräch • Anamnese • Status praesens Untersuchungsschema festlegen, Anamnese erheben
Kant leitete seine „Kritik der reinen Vernunft" mit den Worten ein: „Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist kein Zweifel". Dies gilt auch für die Medizin als Wissenschaft, denn sie ist eine „Erfahrungswissenschaft".
Medizin als Wissenschaft ist eine Erfahrungswissenschaft. Erfahrung spielt in der Chirurgie eine besonders wichtige Rolle.
Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufbauen.
Der Arzt sollte sich bei der Erhebung der Anamnese und der Untersuchung - falls nicht besondere Dringlichkeit geboten ist - Zeit nehmen und mit dem Patienten ohne Hektik in entspannter Atmosphäre sprechen. In diesem ersten Gespräch liegt sehr viel Verantwortung. Es kann eine vertrauensvolle Basis schaffen oder die völlige Ablehnung des Arztes und der von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen bewirken. Dabei nimmt heutzutage nicht zuletzt die ausführliche aber behutsame Aufklärung des Patienten über sein Leiden und die geplanten Therapiemaßnahmen breiteren Raum ein. Diese wichtige, auch gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe kann bereits nach Abschluß der ersten Untersuchung eingeleitet werden. In diesem Rahmen ist der Kranke auch über mögliche Risiken einer Behandlung, insbesondere eines operativen Eingriffes und damit verbundenen Folgeerscheinungen aufzuklären (s. Kapitel 14). Bei Kleinkindern, Säuglingen und natürlich auch bei bewußtlosen und schwerstkranken Patienten wird man sich allerdings auf die Angaben von Angehörigen stützen müssen. Alles in allem erfordern Befragung und Untersuchung des Patienten neben Erfahrung und Wissen viel Geduld und Einfühlungsvermögen durch den Arzt.
Gesetzlich vorgeschriebene Aufklärung des Patienten über • diagnostische und therapeutische M a ß nahmen • mögliche Komplikationen und • Folgeerscheinungen
1. Untersuchungsgang
Untersuchungsgang
Im Rahmen einer rasch voranschreitenden technischen Entwicklung muß der Chirurg heute auch spezielle diagnostische Verfahren wie Endoskopie und Sonographie beherrschen. Er muß radiologische, nuklearmedizinische und laborchemische Befunde deuten können. Darüber hinaus muß er abwägen, ob spezielle invasive und auch kostspielige Untersuchungsverfahren notwendig oder verzichtbar sind. Basis ist eine verläßliche interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die zunehmende medizinische Spezialisierung verlangt, daß der Patient immer häufiger von mehreren Ärzten verschiedener Fachrichtungen beurteilt wird. Das ärztliche Konsilium ist wichtig, ja es besteht gewissermaßen eine „Konsiliarpflicht". Die Einholung einer Zweitmeinung („second opinion") ist gesetzlich vorgeschrieben, wenn der Patient dies fordert.
Einfühlungsvermögen des Arztes beim ersten Gespräch ist sehr wichtig!
• Endoskopie • Sonographie • Konsiliarpflicht
1. Spezielle chirurgische Krankenuntersuchung Schema des Untersuchungsganges • Anamnese, Status praesens • Puls, RR, Temp., Gewicht • Sonographie, Röntgen • Endoskopie, Laparoskopie • diagnostische Eingriffe
Obligate Untersuchung
Anamnese soll zur richtigen Diagnose leiten. Bei Notfällen nur das Wichtigste und Dringlichste erfragen.
Familienanamnese Eigenanamnese Beschwerdebild = jetzige A n a m n e s e
Leitsymptome erfragen: • Schmerz ist wichtiges Kriterium. M a n unterscheidet den - somatischen Schmerz, gut lokalisierbar, vom - viszeralen Schmerz, der über vegetatives Nervensystem vermittelt wird und nicht genau zu lokalisieren ist.
• -
Zeichen: kolikartig dumpf stechend brennend Patient kauert sich zusammen, windet sich
• Erbrechen bei akuten abdominellen Erkrankungen - Überlauferbrechen bei Pylorusstenose und Ileus
Die Untersuchung des chirurgischen Patienten erfolgt schrittweise je nach der speziellen Situation (s. Abb. 1-1): • Anamnese und klinische Untersuchung • Messung von Blutdruck, Puls, Temperatur und Gewicht • Laboratoriumsuntersuchungen (Blut, Urin, evtl. Stuhl u. a.) • Sonographie, Endosonographie, Röntgenuntersuchungen („Leer"-Aufnahmen, Kontrastdarstellungen, Angiographie, CT, evtl. MRT (Magnetresonanztomographie) • Endoskopie (Ösophagogastroduodenoskopie, Proktorektokoloskopie, ERCP mit Biopsie) • Laparoskopie, Punktionen, evtl. durch Sonographie oder CT gesteuert • Diagnostische Eingriffe, wie Exzisionen, Eröffnung von Körperhöhlen, Probefreilegungen usw. Obligat ist bei jedem Patienten, der älter als 40 Jahre ist, die rektale Untersuchung (Rektumkarzinom!, Prostatavergrößerung!) und bei der Frau die Palpation der Brust (Mammakarzinom!).
1.1 A n a m n e s e Die Erhebung der Anamnese ist ärztliche Kunst. Allein die gezielte Fragestellung läßt oft schon die richtige Diagnose herauskristallisieren. Der Patient soll in Ruhe, ohne Hetze seine Beschwerden mit den eigenen Worten schildern können, wobei der Arzt ihn leiten und Überschwengliches regulieren darf. Die Ausführlichkeit der Anamneseerhebung hängt von der Dringlichkeit des Falles ab. Bei einem Notfall wird man nur das für den Augenblick Wichtige erfragen. Die Anamnese setzt sich zusammen aus der • Familien-, Eigen- und Sozialanamnese, • Erfragung des aktuellen Beschwerdebildes, das den Patienten zum Arzt führt. Dabei wird man sich natürlich zunächst über die aktuelle Situation informieren und erst hinterher auf frühere Erkrankungen usw. zu sprechen kommen. Entscheidend ist es, die „Leitsymptome" für ein Krankheitsbild richtig zu erfragen und in das Gesamtgeschehen einzuordnen. Schmerz: Das Symptom „Schmerz" führt den Patienten meist als erstes zum Arzt. Der Schmerz ist ein wichtiges Kriterium, weil aus seiner • Intensität, • Zeitdauer, • Lokalisation, • Ausstrahlung und seinem • Charakter diagnostische Schlüsse auf das erkrankte Organ gezogen werden können. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem somatischen und viszeralen Schmerz. Die somatische Schmerzempfindung, z.B. bei einer arteriellen Durchblutungsstörung, ist gut lokalisierbar, während die viszerale über das vegetative Nervensystem vermittelt, nur diffus und nicht exakt zu orten ist. Daneben steht noch die sog. „übertragene" Schmerzempfindung (referred pain nach Head), die von einem viszeralen Entstehungsort auf Hautareale, sog. Dermatome oder Headsche Zonen, projiziert wahrgenommen wird. Der viszerale Schmerz kann in seinem Charakter unterschiedlich sein: kolikartig, dumpf, stechend, brennend. Oft verhält sich der Kranke bei viszeralen Schmerzen in typischer Weise: Er kauert sich zusammen, windet sich, sucht Schmerzerleichterung durch Lagewechsel. Erbrechen: Es ist ein wichtiges Symptom bei akuten abdominellen Erkrankungen und wird meist über vago-vagale Reize ausgelöst. Anders dagegen das sog. „ Überlauferbrechen" bei der Pylorusstenose oder beim Ileus. Das Erbrechen von Darminhalt wird als „Miserere" bezeichnet, kenntlich an
Untersuchungsgang dem fäkulenten Geruch des Erbrochenen. Bluterbrechen (Hämatemesis) finden wir bei Blutungen verschiedenster Ursache aus dem oberen Gastrointestinaltrakt. Unregelmäßigkeiten des Stuhlgangs: Sie können Leitsymptom für Dünnund Dickdarmerkrankungen sein. Die Stuhlverstopfung (Obstipation) findet sich bei Passagestörungen, wie Tumoren, Adhäsionen, Invagination, idiopathischem Megakolon, als chronische habituelle Obstipation oder bei Divertikulitis. Diarrhoen sind Ausdruck entzündlicher oder infektiöser Darmerkrankungen oder Folge einer exokrinen Pankreasinsuffizienz, eines Kurzdarm-Syndroms oder einer Gastrektomie. Die „paradoxe Diarrhoe" im Wechsel mit Obstipation ist Zeichen eines stenosierenden Prozesses, meist beim Kolontumor. Blut im Stuhl, vermischt oder aufgelagert, hellrot oder dunkelrot, ist von Bedeutung für die verschiedensten Differentialdiagnosen, beispielsweise Rektumkarzinom oder Hämorrhoiden. Der Blutabgang per anum (Melaena) kann massiv sein. Bei Blutungen aus dem oberen Gastrointestinaltrakt finden wir „Teerstuhl" (schwarz-klebrig), aus dem Dünn- und Dickdarm normales hell- oder dunkelrotes Blut (Hämatochezie). Miktionsstörungen: Sie sind Leitsymptom bei Erkrankungen der Harnwege, Dysurie, Harnverhaltung, Brennen beim Wasserlassen usw. sind wichtige Kriterien, ebenso wie Farbe und Geruch des Urins oder Blutbeimengungen. Erkrankungen der Atmungsorgane: Wichtige Leitsymptome bei Erkrankungen der Atmungsorgane sind: Atemnot (Dyspnoe), Zyanose, Stridor (in- oder exspiratorisch), Husten, Auswurf, evtl. mit Blutbeimengungen (Hämoptysis) oder eitrig. Störungen der Kreislaufregulation: Leitsymptome für Störungen der Kreislaufregulation sind Herzjagen, Schwindel, Schweißausbruch, Kopfschmerzen, Sehstörungen usw. Weitere Leitsymptome können sein: Lähmungen, Gangstörungen, Wadenschmerzen (Claudicatio intermittens), Parästhesien, schmerzhafte und eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit.
1.2 Körperliche Untersuchung Sie gliedert sich in die allgemeine Befunderhebung und spezielle Untersuchung des lokalen Krankheitsgeschehens. Ebenso wie bei der Anamnese wird man sich nach der Dringlichkeit der Situation richten müssen, d. h. im akuten Falle interessiert zuerst der Lokalbefund und erst dann die allgemeine gründliche „Statuserhebung". Die allgemeine Untersuchung verläuft in fester Reihenfolge (Abb. 1-1). Sie beginnt mit der Inspektion, es folgen Auskultation, Perkussion, Palpation und E r h e b u n g von Meßdaten. Mit einfachen Untersuchungsmethoden, die aber alle Sinne und den kritischen, geübten Verstand des Arztes zur Voraussetzung haben, läßt sich oft schon ein klares Bild des Krankheitsbefundes entwickeln. Grundlegende Prinzipien der chirurgischen Befunderhebung sind: • die vergleichende Untersuchung gesunder und erkrankter Körperabschnitte, • Vermeidung von Schmerzen bei der Untersuchung, • schmerzhafte Regionen erst am Schluß der Untersuchung palpieren, • das Schamgefühl des Patienten nicht verletzen. Die spezifischen und unspezifischen Befunde, die bei den Erkrankungen erhoben werden können, sind in den entsprechenden Kapiteln beschrieben.
3 - Erbrechen von Darminhalt (Miserere) - Bluterbrechen (Haematemesis) Stuhlverstopfung (Obstipation) bei Passagestörungen und bei der chronischen habituellen Obstipation.
Diarrhoe bei entzündlicher oder infektiöser Darmerkrankung, bei KurzdarmSyndrom und exokriner Pankreasinsuffizienz. Paradoxe Diarrhoe oft bei Kolontumor. Blut im Stuhl bei sehr verschiedenen Diagnosen (Karzinom, Hämorrhoiden etc.). Teerstuhl bei Blutung aus oberem Gastrointestinaltrakt, helles oder dunkelrotes Blut aus Dünnund Dickdarm. Miktionsstörung bei Erkrankung der Harnwege (bes. Prostata), auch Farbe, Geruch und Blutbeimengungen sind wichtige Kriterien. Dyspnoe, Zyanose, Stridor, Husten, Auswurf Hämoptysis bei Erkrankungen der Atemwege Herzjagen, Schwindel, Schweißausbruch u.a. bei Kreislaufstörungen
• weitere Leitsymptome
Körperliche Untersuchung gliedert sich in 2 Teile: 1. allgemeine Befunderhebung
Reihenfolge der allgemeinen Untersuchung (Abb. 1-1): - Inspektion - Auskultation - Perkussion - Palpation - Meßdaten Chirurgische Befunderhebung
2. spezielle Untersuchung
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1. Spezielle chirurgische Krankenuntersuchung
lnspektion
Allgemein Allgemein- u. Ernährungszustand Hautfarbe, Skleren, Exantheme Zunge Dyspnoe, Zyanose Bewußtseinslage Lokal Rötung Schwellung Verletzungen Narben Ödeme Thorax Lunge Herz Abdomen Darmgeräusche Gefäße A. carotis Afemoralis Thorax Lunge Herz Abdomen z. B. Aszites Tympanie Haut Weichteile Lymphknoten Mamma Gefäße (Arterienpulse) Innere Organe (Schilddrüse, Leber, Milz, gesamtes Abdomen) Körperöffnungen Mund, Rektum, Vagina Puls, RR, Atemfrequenz Temperatur, Gewicht Länge u. Umfang Gelenkbeweglichkeit, Funktionsprüfungen (Schellongtest, Ratschowtest etc.)
Abb. 1-1: Reihenfolge der körperlichen Untersuchung
Laboruntersuchungen zur Abgrenzung einzelner Krankheitsbilder gezielt ansetzen! Standarduntersuchungen vor Operationen unerläßlich.
1.3 Laboruntersuchungen Sie können zur differentialdiagnostischen Abgrenzung der verschiedenen Krankheitsbilder beitragen, sollten aber gezielt angesetzt werden und nicht zur Polypragmasie verleiten. Laboruntersuchungen ergänzen die klinischen und röntgenologischen Befunde. Gewisse Standarduntersuchungen sind insbesondere vor einer geplanten Operation unerläßlich. Dies wird vor allem vom Anästhesisten verlangt, z.B. Blutbild, Elektrolyte (Kalium!) im Serum, Blutzucker und die wichtigsten Gerinnungsparameter.
1.4 Röntgenuntersuchungen, EKG und Sonographie Standard der Röntgenuntersuchung ist die Thoraxaufnahme in 2 Ebenen
Als Standard-Röntgenuntersuchung ist grundsätzlich eine Thoraxaufnahme in 2 Ebenen notwendig, um entzündliche und degenerative Prozesse an den Lungen und Größe sowie Form und Lageveränderungen des Herzens zu beurteilen.
Untersuchungsgang Ansonsten werden je nach Operationsziel bestimmte Röntgentechniken (Kontrastmitteluntersuchung des Magen-Darm-Traktes, der Nieren, die Angiographie, das CT, die MRT usw.) gezielt eingesetzt. Ebenfalls zur Standarduntersuchung gehört ein EKG mit Brustwandableitungen, vor allem zur Narkosevorbereitung. Die Sonographie ist für den Patienten nicht belastend, schnell durchgeführt und liefert auch bei akuten abdominellen Erkrankungen (Abszeß, Gallenblasenerkrankungen, Pankreatitis, Adnexprozeß, Aortenaneurysmen, Organverletzungen usw.) wichtige Informationen, so daß in vielen Situationen auf die Röntgenuntersuchung verzichtet werden kann. Kostengründe spielen heute mehr denn je eine Rolle. Nuklearmedizinische Untersuchungen haben ihren speziellen Anwendungsbereich, beispielsweise in der Schilddrüsen- und Nebennierendiagnostik, bei Knochen- und Lebererkrankungen.
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EKG gehört ebenfalls zum Standard. Oft ersetzt die Sonographie die Röntgenaufnahme. Anwendung bei: Abszeß, Gallenblasenerkrankung, Pankreatitis, Adnexprozeß, Aortenaneurysma u.v.a. Nuklearmedizin in speziellen Bereichen.
1.5 Endoskopische und instrumentelle Untersuchungen Je nach Verdachtsdiagnose werden endoskopische und instrumentale Untersuchungsverfahren herangezogen. Diese Methoden (s. Kap. 3) sind heute standardisiert und weitgehend gefahrlos für den Patienten. Bei der Endoskopie kann gleichzeitig bioptisches Material zur histologischen Untersuchung entnommen werden. Bei Verdacht auf maligne Tumoren allerdings gibt die negative Biopsie keine absolute Sicherheit, da bei der Gewebeentnahme die Geschwulst nicht erfaßt worden sein kann (z.B. beim Ösophaguskarzinom). Wie vor jeder Operation, so ist auch bei diesen invasiven Untersuchungsverfahren die Aufklärung des Patienten und seine schriftliche Einwilligung unerläßlich.
Endoskopische Methoden sind standardisiert. Gleichzeitig Materialgewinnung für histologische Untersuchung
Aufklärung und Einwilligung des Patienten bei invasiven Untersuchungsverfahren
1.6 Dokumentation der Untersuchungsbefunde
Dokumentation
Die Anamnese und jeder Befund, insbesondere der Operationsbericht, müssen schriftlich fixiert und genauestens beschrieben werden, entweder im Krankenblatt oder auf gedruckten Formblättern:
Krankenblatt ist ein wichtiges Dokument
zum Vergleich der in verschiedenen Zeitabschnitten erhobenen Befunde, zur Information anderer Ärzte, aus gutachterlichen und forensischen Gründen und für eine wissenschaftliche Auswertung (s. Kap. 5). In der Klinik ist für jeden Patienten eine Krankenakte anzulegen. Diese enthält die Anamnese, den Untersuchungsstatus, die Fieberkurve, Bögen für die Eintragung der Laboruntersuchungen und des Krankheitsverlaufs. Ferner werden in der Akte Operationsberichte, spezielle Untersuchungsbefunde (Röntgen, Endoskopie etc.) und der ärztliche Schriftverkehr gesammelt. Nach Entlassung des Patienten muß ein Arztbrief oder eine Epikrise den Hausarzt informieren.
Krankenakte sorgfältig führen!
Arztbrief bzw. Epikrise sind unerläßlich!
2. Bildgebende Verfahren in der chirurgischen Diagnostik S. Mutze, B. Hamm
1. Grundlagen Schnittbildverfahren sind: • Sonographie • Computertomographie (CT) • Magnetresonanztomographie (MRT)
Schnittbildverfahren. Sonographie, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie-MRT (Synonym: Kernspintomographie) sind moderne, nicht-invasive bildgebende Verfahren. Sie ergänzen und verbessern die Aussagen der konventionellen Röntgendiagnostik. Da man mit den 3 genannten Untersuchungsmethoden überlagerungsfreie Schnittbilder des menschlichen Körpers erstellen kann, bezeichnet man sie auch als Schnittbildverfahren.
Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
D i e digitale Subtraktionsangiographie (DSA) als invasives Verfahren kommt nur in ausgewählten Fällen vaskulärer Diagnostik und Therapie zum Einsatz.
Sonographie Vorteile: • nicht-invasiv • keine Strahlenexposition • relativ kostengünstig • geeignet für Verlaufskontrollen • Darstellbarkeit von Bewegungsabläufen und Flußinformationen (Doppler!) • Steuerverfahren für gezielte Gewebepunktionen Nachteile: - nicht für alle Körperregionen einsetzbar (Knochen/Luft!) - diagnostische Treffsicherheit sehr abhängig von der Erfahrung des Untersuchers
Computertomographie (CT) Vorteile: • nicht-invasiv • gute morphologische Darstellbarkeit aller Körperregionen • Steuerverfahren für gezielte Gewebepunktionen • Spiral-CT mit neuen Aussagen (z. B. Angio-CT) Nachteile: - Strahlenexposition - kostenintensiv
Die rasante technische Entwicklung der Systeme macht eine ständige kritische Überprüfung von Indikationen zu den jeweiligen Untersuchungstechniken auch im Hinblick auf Strahlenschutzaspekte notwendig. Die Sonographie (Ultraschalltomographie) beruht auf der Reflexion von Schallwellen an den unterschiedlichen Grenzflächen im menschlichen Körper. Im Schallkopf werden mittels piezoelektrischem Effekt Schallwellen mit einer Frequenz zwischen 3 und 10 MHz generiert und in den Körper abgegeben. Nach Reflexion entsprechend der jeweiligen Impedanz im Körper fungiert der Schallkopf als Empfänger, und das Ultraschallgerät ordnet jedem Signal entsprechend der Laufzeit und der Amplitude einen Bildpunkt mit einer bestimmten Helligkeit zu. So entsteht ein Real-time-Bild (Echt-Zeit-Bild) als dynamisches Schnittbildverfahren, bei dem der Untersucher variabel und individuell die Abbildungsebene wählen kann. Je nach den Schalleitungseigenschaften der Gewebe entstehen charakteristische Bilder.
Flüssigkeiten erscheinen z. B. echofrei („schwarz"), während kalkdichte Materialien (Gallen- und Nierensteine, Knochen) den Schall vollständig absorbieren und Schallschatten erzeugen, die man sich als diagnostisches Kriterium zunutze macht. Sonographisch nicht beurteilbar sind Regionen des menschlichen Körpers, die von Luft oder Knochen überlagert sind (Totalreflexion des Schalls an der Luft bzw. Absorption am Knochen). Die Ausnutzung des Doppler-Effektes in Duplex-Ultraschallgeräten ermöglicht die Ableitung von Flußkurven aus bestimmten Gefäßabschnitten. Flußrichtung und -geschwindigkeit sind meßbar. Diese Flußinformationen sind mit Hilfe der Farbkodierten Duplexsonographie (FKDS) im gesamten Schnittbild verfügbar. Mittels FKDS können Aussagen zu Flußrichtungen, Stenosierungen von Blutgefäßen und Durchblutungsverhältnissen in Organen getroffen werden. Mit diesen neuen Optionen verknüpft die Sonographie morphologische und funktionelle Informationen. Computertomographie. Bei der CT wird der Patient von einer um den Körper rotierenden Röntgenröhre durchstrahlt. Der Röntgenstrahl wird dabei so fokussiert, daß nur die zu untersuchenden Schichten erfaßt werden. Die Schichtdicke beträgt je nach Fragestellung zwischen 1 und 10 mm. Gegenüber der Röhre befinden sich Detektoren, die die Absorption der Röntgenstrahlung im Körper messen. Im Zusammenhang mit der Geometrie der Rotation läßt sich so für jeden Bildpunkt eine Strahlendichte (HounsfieldEinheit) berechnen und als Grauwert darstellen. Primär entstehen in der CT immer Transversalschnittbilder, wobei die Wiedergabe so erfolgt, als ob der Betrachter den liegenden Patienten von den Füßen aus ansieht. Sagittale oder koronale Ebenen können mit einem gewissen Qualitätsverlust sekundär rekonstruiert werden. Zur Erhöhung des Kontrastes zwischen ver-
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Indikationen und Wertigkeit schiedenen Gewebestrukturen werden häufig Kontrastmittel oral und i.v. appliziert. Die modernste Entwicklung auf dem Gebiet der CT ist die Spiral-CT (synonym: Helix/Volumen-CT). Hierbei rotiert die leistungsstarke Röhre ununterbrochen bei kontinuierlichem Tischvorschub um den Patienten, so daß keine Einzelbilder akquiriert werden, sondern ein Volumendatensatz einer ganzen Körperregion, aus dem retrospektiv bestimmte Schnittebenen rekonstruiert werden können. Vorteile sind eine vollständige Erfaßbarkeit aller Strukturen im untersuchten Bereich, kürzere Untersuchungszeiten, optimale Kontrastmitteldynamik, bessere Möglichkeiten der Nachrekonstruktion und potentiell eine Reduktion der Strahlenexposition. Magnetresonanztomographie. Das Prinzip der MRT ist weitaus komplexer als das der Sonographie und der CT. Substrat der Methode ist das Wasserstoffproton im Magnetfeld. Daher ist der Weichteilkontrast wesentlich besser als in der CT. Der andere Vorteil ist die freie Wahl der Schnittebenen. Auch in der MRT werden i.v. Kontrastmittel appliziert. Praxishinweis: Patienten mit Herzschrittmachern oder eisenhaltigen Implantaten können und dürfen nicht untersucht werden!
2. Indikationen und Wertigkeit 2.1 Gehirnschädel, Spinalkanal CT. Sie ist Methode der Wahl beim Schädelhirntrauma und bei der Klärung intrakranieller Raumforderungen; sie gibt erste Hinweise auf eine mögliche Gefäßerkrankung im Bereich des ZNS. Die Vorteile basieren auf der nicht-invasiven, raschen und überlagerungsfreien Darstellung des Schädelinhaltes, mit guter Differenzierung der Strukturen. Ein Hirnödem erkennt man an einer Verschmälerung des Ventrikelsystems sowie an einem Verstreichen der Sulci. Sehr empfindlich ist die CT im Nachweis von intrakraniellen Blutungen (intrazerebral, subarachnoidal, sub-/epidural), da das ausgetretene Blut eine höhere Dichte besitzt als das Nervengewebe (Abb. 2-1). Raumfordernde Prozesse sind häufig durch den Nachweis einer umschriebenen intrakraniellen Strukturstörung zu entdecken, gleichzeitig weisen sekundäre Veränderungen wie z.B. die Kompression und Verlagerung eines Seitenventrikels auf eine Raumforderung hin. Eine artdiagnostische Beurteilung der Raumforderung ist jedoch meist schwierig. Neben tumorösen
Abb. 2-1: CT. Intrazerebrale Massenblutung links. Die Blutung ist von hoher Dichte, gleichzeitig sieht man ein umgebendes Ödem (hypodens) sowie eine deutliche Verdrängung der Mittellinie zur kontralateralen Seite
MRT Vorteile: • Weichteilkontrast besser • freie Wahl der Schnittebenen Nachteile: - teuer - Kontraindikation 4 = -
Indikationen und Wertigkeit moderner bildgebender Verfahren Gehirnschädel CT: - wichtigste Untersuchungsmethode, - indiziert bei intrakranieller Blutung, Trauma, Tumoren, Infarkt, Ödem. - bei Kontrastmittelapplikation Aufschluß über gestörte Blut/Hirnschranke
Abb.2-2: CT. Mediolateraler Bandscheibenvorfall links (=>) mit Verdrängung des Duralsackes
2. Bildgebende Verfahren in der chirurgischen Diagnostik
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Prozessen muß an ein entzündliches Geschehen oder auch an Kreislaufstörungen (z.B. Infarkt) gedacht werden. Für die Differentialdiagnose ist die Berücksichtigung der klinischen Symptomatik erforderlich. Die intravenöse Applikation eines jodhaltigen Kontrastmittels (erhöhte Dichte) gibt Aufschluß über Perfusionsverhältnisse sowie gestörte Blut-/ Hirnschranken und kann somit die Entdeckung kleinerer Läsionen erleichtern und weitere differentialdiagnostische Informationen bieten. MRT: - ergänzendes Verfahren zur CT, - sehr hohe Sensitivität, - indiziert bei Verdacht auf kleine Läsionen, bei unklaren Befunden und im Rahmen der Operationsplanung.
MRT. Aufgrund des noch höheren Weichteilkontrastes und der freien Wahl der Schnittebene ist die MRT als weiterführende diagnostische Methode anzusehen. Die gute dreidimensionale Darstellung intrakranieller Tumoren bietet eine wichtige Zusatzinformation für die Operationsplanung. Die MRT ist für die Diagnostik des Schädelinhaltes derzeit die Methode mit der höchsten Sensitivität und mit der besten morphologischen Auflösung. Die Sonographie des Neurocraniums gelingt nur bei Säuglingen und Kleinkindern, da hier die Fontanelle als Schalleintrittsfenster genutzt werden kann. Die Angiographie ist weiterhin indiziert vor operativen Eingriffen am Gehirn zur exakten Information über den Verlauf der Arterien sowie bei Verdacht auf eine Gefäßfehlbildung (z. B. Angiom, Aneurysma).
Spinalkanal CT: - wegen axialer Schichttechnik nurfürdie Untersuchung umschriebener Areale einsetzbar, - Methode der Wahl beim Bandscheibenvorfall. MRT: - ideales Verfahren zur Darstellung des Spinalkanals in Längsrichtung, - gute Differenzierung der verschiedenen Strukturen, - indiziert bei intraspinalen Raumforderungen, spinalen Fehlbildungen oder entzündlichen Erkrankungen des Rükkenmarks. Gesichtsschädel CT: • häufigste Untersuchungsmethode • Indikationen: komplizierte Frakturen, Tumoren, vor Nasennebenhöhlenchirurgie Hais Sonographie: • Schilddrüsendiagnostik: Volumen, Lokalisation fokaler Veränderungen • Tumorstaging (Lymphknotensuche!) • entzündliche Veränderungen • FKDS: extrakranielle Hirngefäßdiagnostik
Spinalkanal. Die häufigste Indikation für die bildgebenden Verfahren ist der Verdacht auf eine intraspinale Raumforderung mit Kompression des Rückenmarkes bzw. einer Nervenwurzel. CT. Der Bandscheibenvorfall kann mit der CT sicher erfaßt werden (Abb. 22), nur bei unklaren Situationen ist eine zusätzliche Myelographie erforderlich. Das Rückenmark selbst läßt sich mit der CT nur unter großem Aufwand beurteilen. MRT. Bei der Frage nach einem intraspinalen Tumor wurde bisher die Myelographie und auch die aufwendige Angiographie gewählt. Diesen beiden Verfahren kann heute die MRT vorgeschaltet werden, da der Spinalkanal in Längsrichtung dargestellt werden kann. Es gelingt eine gute Differenzierung von Rückenmark, Liquor und umgebenden Strukturen und auch kleinere Läsionen des Rückenmarks sind zu erkennen.
2.2 Gesichtsschädel, Hals, Thorax, Mamma, Gefäße Gesichtsschädel. Dominierend ist die CT: Hauptindikationen sind entzündliche Veränderungen in den Nasennebenhöhlen, insbesondere vor geplanter endoskopischer Chirurgie, komplizierte Frakturen und Tumoren: knöcherne Destruktionen und die Bestimmung der Infiltrationstiefe (präoperatives Staging). Hals (inkl. Schilddrüse). Die Halsweichteile sind ein Haupteinsatzgebiet der Sonographie. Die oberflächliche Lage der Strukturen ermöglicht die Verwendung hochfrequenter Schallköpfe mit guter Bildauflösung: - entzündliche Speicheldrüsenerkrankungen (Frage: Entzündung, Abszeß, Konkrement) - Staging maligner Tumoren, insbesondere Lokalisation von Lymphknotenmetastasen - Schilddrüsenbeurteilung, Nebenschilddrüsenadenomdiagnostik. Sonographisch werden das Schilddrüsenvolumen bestimmt und fokale Läsionen lokalisiert (Abb. 2-3). Zysten sind eindeutig zu diagnostizieren. Solide Tumoren sind allein von der Sonomorphologie artdiagnostisch nicht sicher einzuordnen, sondern bedürfen immer der komplexen Abklärung im Zusammenhang mit Laborparametern, Szintigraphie und ggf. ultraschallgestützter Feinnadelpunktion mit Zytologie. FKDS. Die Screening-Diagnostik der extrakraniellen hirnversorgenden Arterien ist eine Domäne der FKDS. Stenosen können mit hohen Treffsicherheiten erkannt und quantifiziert werden. Die Indikation zur DSA leitet sich oft aus dem Ultraschallbefund ab.
Indikationen und Wertigkeit
Abb.2-3: Sonographischer Nachweis einer solitären, teils soliden, teils zystischen Raumforderung der Schilddrüse (+-+). (Szintigraphie und Punktionszytologie: autonomes Adenom)
Abb.2-4: CT. Ausgedehnte mediastinale Lymphome (=>) eines Mammakarzinoms mit Kompression der V.cava superior(klinisch: obere Einflußstauung). Das i.v. applizierte Kontrastmittel fließt über oberflächliche Venen (=>) der Thoraxwand als Kollateralkreislauf (CT, Einstellung im Weichteilfenster)
Thorax. Die Standarduntersuchung des Thorax bleibt die konventionelle Röntgenübersichtsaufnahme. Hiermit sind im Sinne einer Screening-Untersuchung kardiopulmonale Erkrankungen wie z.B. Herzvitien, Flüssigkeitseinlagerungen, Pleuraergüsse, pneumonische Infiltrationen oder größere Raumforderungen zu erkennen. Für die weiterführende Diagnostik, insbesondere bei chirurgischen Patienten, benötigt man die CT: Nach i. v. Kontrastmittelapplikation können insbesondere mit der Spiraltechnik alle thorakalen Organe detailliert beurteilt werden: Tumorausdehnung, Lymphknotenmetastasen, Gefäßinfiltrationen und Verlegungen des Bronchialsystems sind im Rahmen der präoperativen Planung von großer Bedeutung (Abb. 2-4). Eine spezielle CT-Technik, das HR (high resolution)-CT, ermöglicht eine subtile Beurteilung des Lungenparenchyms, was insbesondere für interstitielle Lungenveränderungen zusätzliche Informationen ergibt. Die sonographische Diagnostik konzentriert sich im wesentlichen auf das Herz: Im Real-time-Verfahren lassen sich Morphologie, Kontraktilität der Ventrikel sowie unter Zuhilfenahme der Doppler-Technik der Blutfluß in den Herzkammern beurteilen. Die Endosonographie kann jeweils mit speziellen Sonden zur Herzdiagnostik genutzt werden (transösophageale Echokardiographie) oder den Ösophagus und seine Umgebung untersuchen helfen, v.a. beim Staging von Ösophagus- und Bronchialkarzinom. MRT und CT sind bei speziellen Indikationen ebenfalls für die Herzdiagnostik einsetzbar. Gefäße. Die klassische Untersuchungstechnik für vaskuläre Erkrankungen ist die Angiographie. Meist wird sie als intraarterielle DSA durchgeführt. Für orientierende Untersuchungen ist auch eine i. v. Kontrastmittelapplikation sinnvoll. Außer der diagnostischen Gefäßdarstellung ermöglichen spezielle Kathetertechniken auch therapeutische Eingriffe: Ballondilatationen von Stenosen oder Tumorembolisationen. Anomalien, Stenosen, Verschlüsse, Thrombosen, Dissektionen und mitunter unklare Blutungen sind die wichtigsten Indikationen. Während angiographisch die intraluminalen Verhältnisse ausschließlich zu beurteilen sind, können Schnittbildverfahren gleichzeitig die Gefäßumgebung abbilden. Besonders die CT-Spiral-Technik hat in Form des Angio-CT eine neue Qualität der Gefäßdiagnostik bewirkt (Abb. 2-5). Die M R T kann sogar ohne Kontrastmittelapplikation Flußphänomene darstellen. Beide Techniken befinden sich in einer schnellen Entwicklungsphase, sind jedoch zunehmend in die klinische Routine eingeführt und geben Anlaß zur kritischen Überprüfung der Indikationen zur invasiven Angiographie.
Thorax Röntgenübersichtsaufnahme
CT: wichtigstes Schnittbildverfahren • Abklärung konventionell-röntgenologisch unklarer Befunde • indiziert zum Staging von Mediastinalund Bronchialtumoren Sonographie: • Echokardiographie zur Herzdiagnostik • pleurale Prozesse (Pleuraerguß, Tumor) • Endosonographie MRT zur Herzdiagnostik
Endosonographie - transösophageale Echokardiographie - Staging: Ösophagus- oder Bronchuskarzinom Gefäße • Angiographie (DSA) - invasiv • zunehmend MRT und Angio-CT • Duplexsonographie
2. Bildgebende Verfahren in der chirurgischen Diagnostik
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Abb. 2-5: Spiral-CT (Angio-CT): Dissezierendes thorakales Aortenaneurysma mit teilthrombosiertem falschen Lumen nach i.v. Kontrastmittelgabe und multiplanarer Rekonstruktion entlang der Aorta
Abb. 2-6: Sonographischer Nachweis einer tumorverdächtigen, unregelmäßig begrenzten Läsion (=>) der Brustdrüse (histologisch: Mammakarzinom)
Die FKDS hat ihren festen Stellenwert als Screening-Methode in der Gefäßdiagnostik. Mamma Sonographie: - wichtige ergänzende Untersuchung zur Mammographie - Entdeckung tumorsuspekter Herde in sehr dichten Drüsenkörpern - Differenzierung solider Tumoren und Zysten
Mamma. Die Mammographie ist die etablierte Screeningmethode zum Ausschluß eines Mammakarzinoms. Die Aussage einer Mammographie wird jedoch bei sehr dichtem Drüsengewebe eingeschränkt. Die Sonographie ist eine ideale Ergänzung, um in sehr dichtem Drüsengewebe tumorverdächtige Läsionen zu entdecken (Abb. 2-6) oder Mammazysten von soliden Tumoren zu unterscheiden (identische Dichte im Röntgenbild!).
2.3 Abdomen Sonographie
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Die Sonographie ist die primäre bildgebende Methode bei abdominellen Erkrankungen. Viele Fragen können sonographisch definitiv beantwortet werden, bei anderen folgen Endoskopie und Röntgenkontrastmitteluntersuchungen (Magen-Darm-Trakt) bzw. CT und in selteneren Fällen MRT.
Peritonealraum
2.3.1 Peritonealraum
Hepatobiliäres System Sonographie: • Cholelithiasis, Cholezystitis • Suche nach fokalen Leberläsionen • Verlaufskontrollen in der Onkologie CT: • ergänzend zurTumorsuche/-staging • Artdiagnostik fokaler Leberläsionen MRT: • Artdiagnostik fokaler Leberläsionen
Hepatobiliäres System. Sonographie und CT eignen sich gut zur Detektion von raumfordernden Prozessen in der Leber. In der Kombination der Verfahren und unter Zuhilfenahme dynamischer Kontrastmitteluntersuchungen in der CT gelingt häufig eine Artdiagnostik. Bei Problemfällen kommt die MRT zum Einsatz. Zu unterscheiden gilt es die benignen Läsionen Zyste, Hämangiom (Abb. 2-7), fokal-noduläre Hyperplasie (FNH) und Adenom (Tendenz zur Entartung) von den malignen Tumoren: hepatozelluläres Karzinom (HCC), Metastasen und Cholangiozelluläres Karzinom (CCC). Ultraschall- oder CT-gestützte Punktionen verdächtiger Läsionen können die Diagnose sichern. Das Gallengangsystem ist eine Domäne der Sonographie. Cholezystolithiasis und Cholezystitis sowie die Erkennung und weitere Eingrenzung der Ursachen erweiterter intra- und extrahepatischer Gallenwege sind wichtige Einsatzgebiete des Ultraschalls. Der distale D. choledochus ist wegen Darmgasüberlagerungen mitunter schwierig einsehbar. Dann kommen ERCP und CT zum Einsatz.
Pankreas/Milz Sonographie: • orientierende Pankreasdarstellung • Milzbeurteilung CT: • Methode der Wahl zur bildgebenden Pankreasdiagnostik (Entzündung, Tumor)
Pankreas. Akut entzündliche Pankreaserkrankungen sind sonographisch infolge ausgeprägter Darmatonie mit Luftüberlagerung oft nur eingeschränkt beurteilbar. Zur exakten Einschätzung von entzündlichen Umgebungsinfiltrationen, Exsudationen und eventuellen Organnekrosen ist die CT mit i. v. Kontrastmittelgabe unerläßlich. Chronisch-entzündliche Veränderungen wie Pseudozysten und Kalzifizierungen sind mit beiden Methoden erfaßbar. Das präoperative Staging des Pankreaskarzinoms erfolgt mittels CT (Abb. 2-8).
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Indikationen und Wertigkeit
Abb.2-7: Dynamische CT: 3 typische Leberhämangiome mit peripherem Enhancement in der arteriellen Frühphase nach i. v. Kontrastmittelapplikation
Abb.2-8: CT. Inoperables Pankreaskarzinom (*) mit tumoröser Ummauerung der Mesenterialgefäße (=>) sowie prästenotischer Dilatation von Ductus pancreaticus (=>) et choledochus (=>). (CT unter i. v. Kontrastmittelgabe)
Zur Größenbestimmung der Milz und zum Ausschluß von Infiltrationen bei hämatologischen Erkrankungen kommt die Sonographie zum Einsatz. Akutes Abdomen. Die Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen zeigt Spiegelbildungen und stehende Darmschlingen bei Ileus. Die Sonographie erfaßt freie intraabdominelle Flüssigkeit (Aszites, Blut). Organrupturen von Leber und Milz sind ebenfalls erfaßbar. Zur weiteren detaillierten Abklärung der genannten Erkrankungen ist die CT indiziert.
Akutes Abdomen
2.3.2 Retroperitonealraum
Retroperitonealraum
Die Sonographie ist die erste zum Einsatz kommende bildgebende Methode zur Beurteilung der Nieren und des harnableitenden Systems: Raumforderungen, Erweiterungen von NBKS und Ureter sowie größere Konkremente sind sicher zu erkennen. Eine i. v. Urographie wird häufig ergänzend angefertigt. Die CT ist indiziert zur Diagnostik von Nierentumoren, insbesondere zur Darstellung von Lympknotenmetastasen und evtl. Tumorthromben in der V. renalis bzw. in der V.cava inferior. Traumatische Nierenrupturen lassen sich sonographisch nachweisen, sollten präoperativ jedoch immer durch eine kontrastmittelunterstützte CT dargestellt werden. Die Beurteilung der Nebennieren gelingt am besten mit der CT. Sie ist indiziert zum Ausschluß bzw. zur Darstellung eines Nebennierentumors.
Sonographie: • häufigste Untersuchungsmethode • indiziert zum Tumorscreening und bei Verdacht auf Urolithiasis und Harnstau. CT: • indiziert zum Tumorstaging, bei unklaren Befunden, Nierenruptur • Nebennierenraumforderungen • retroperitoneale Lymphknotenmetastasen
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2. Bildgebende Verfahren in der chirurgischen Diagnostik Auch für die überlagerungsfreie Darstellung der retroperitonealen Lymphknotenstationen ist die CT die Methode der Wahl. Im Rahmen des Tumorstagings hat die CT die Lymphographie vollständig ersetzt.
Kleines Becken Sonographie: • v. a. als Endosonographie (vaginal/rektal) • Screeningmethode • lokales Staging CT: • Tumorstaging im kleinen Becken, wird zunehmend ersetzt von MRT: • sehr gute Tumordarstellung im kleinen Becken, Staging
2.3.3 Kleines Becken und Skrotum Tumoren im kleinen Becken stellen wichtige Indikationen für die modernen Schnittbilduntersuchungen dar. Zur Beurteilung des inneren weiblichen Genitale erfolgt zu Beginn eine Sonographie, oft seitens des Gynäkologen in Form der transvaginalen Endosonographie. Im männlichen Becken ermöglicht die transrektale Endosonographie eine subtile Diagnostik der Prostata. Tumorerkennung und lokales Staging sind möglich. Die CT dient der weiterführenden Diagnostik und präoperativen Planung. Sie wird jedoch zunehmend von der MRT abgelöst, die auf Grund ihres hohen Weichteilkontrastes Tumoren besser abgrenzt. Das lokale Tumorstaging von Rektumund Sigmakarzinomen erfolgt zunehmend ausschließlich endosonographisch.
Skrotum Sonographie: • Methode der Wahl bei unklarem Palpationsbefund • FKDS zur Durchblutungsbeurteilung
Skrotum. Bei unklarem klinischen Untersuchungsbefund - wie z.B. einer tumorverdächtigen Resistenz oder einer Hydrozele - gibt die Sonographie eine zuverlässige Information: paratestikuläre Flüssigkeitsansammlungen, entzündliche Nebenhodenschwellungen (Epididymitis) und fokale Hodenläsionen (Tumoren) können unterschieden werden. Die FKDS erlaubt zusätzlich Durchblutungsmessungen bei der Differentialdiagnose Hodentorsion/Entzündung.
Haitungs- und Bewegungsapparat
2.4 Haitungs- und Bewegungsapparat
Sonographie: - geeignet zur Untersuchung der gut zugänglichen Muskelgruppen, - indiziert bei Verdacht auf Ruptur (z. B. Achillessehne, Supraspinatussehne) sowie gelenknahen Zysten (z. B. BakerZyste). - Standarduntersuchung beim frühkindlichen Screening von Hüftgelenksdyspiasien. CT: - sehr gute Darstellung der knöchernen Strukturen, - indiziert bei komplizierten Frakturen sowie primären Knochentumoren.
Die konventionelle Röntgenuntersuchung bleibt weiterhin eine ideale Methode zur Beurteilung des knöchernen Status, insbesondere bei Frakturen, degenerativen Gelenkveränderungen, primären Knochentumoren oder ossären Metastasen. Aufgrund des guten Kontrastes zwischen Knochen und umgebenden Weichteilen und der exakten überlagerungsfreien Abbildung findet die CT ihren Einsatz bei komplizierten Frakturen wie instabilen Bekkenringfrakturen, Wirbelkörperfrakturen (Einengung des Spinalkanales!) sowie Frakturen des Gesichtsschädels (Abb. 2-9). Bei tumorösen Knochenläsionen ist die CT vor therapeutischen Eingriffen indiziert. Mit computerberechneten 3 D-Rekonstruktionen lassen sich inzwischen individuelle Prothesen als Knochenersatz anfertigen. Die sonographische Diagnostik konzentriert sich auf Weichteilveränderungen. Hierzu zählen traumatische Veränderungen wie Rupturen (Achillessehne, Supraspinatussehne) und Hämatome. Bursititiden können als umschriebene Flüssigkeitsansammlungen diagnostiziert werden. Ein großes diagnostisches Potential liegt in der MRT. So können Knochen, Knorpel, Gelenkflüssigkeit, Bänder, Muskulatur und Fettgewebe anhand ihrer unterschiedlichen Signalintensitäten differenziert werden. Die Darstellung von Gelenken und Extremitäten in variablen Schichtebenen verbessert die diagnostische Aussage. Indiziert ist die MRT vor allem zur frühzeitigen Erkennung von ischämischen Knochennekrosen sowie zur Beurteilung von primären Knochen- und Weichteiltumoren.
MRT: - sehr gute Darstellung von Gelenkstrukturen, Knorpeln, - indiziert: bei Verdacht auf ischämische Knochennekrosen, Staging bei primären Knochen- und Weichteiltumoren.
interventionelle Sonographie und CT
2.5 Interventionelle Sonographie und CT
Diagnostische Eingriffe • Gewinnung von Biopsiematerial durch gezielte (Sonographie, CT) Punktion.
Unklare Raumforderungen in Hals, Thorax, Abdomen und Becken sowie am Skelettsystem können mit Hilfe von Sonographie oder CT punktiert werden, um eine zytologische oder histologische Sicherung herbeizuführen. Wenn der raumfordernde Prozeß sonographisch einsehbar ist, sollte der Ultraschall als Steuerverfahren dienen. Die Punktionsnadel kann in Realtime-Kontrolle geführt werden, und es besteht keine Strahlenexposition. Lunge (Abb. 2-10), Knochen oder luftüberlagerte intraabdominelle Struk-
Indikationen und Wertigkeit
Abb. 2-9: CT. Wirbelkörperfraktur nach Fenstersturz mit Dislokation eines kleinen knöchernen Fragmentes in den Spinalkanal
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Abb. 2-10: CT-gestützte Punktion eines peripheren Bronchialkarzinoms zur Gewebeentnahme. Der Schlitten der Punktionsnadel liegt regelrecht im Herd
turen sind der CT zugänglich. Außer diagnostischen Punktionen können therapeutisch z.B. folgende Eingriffe unter Sonographie/CT-Kontrolle erfolgen: Abszeßdrainagen, Pseudozystendrainagen, Alkoholverödungen bei kleineren Leberzysten und Sympathikolysen.
Therapeutische Eingriffe • Abszeßdrainagen • Pseudozystendrainagen • Alkoholverödung kleinerer Leberzysten • Sympathikolysen
3. Chirurgische Endoskopie N. Soehendra
Endoskope: - starre - flexible (Fiberendoskope, Videoendoskope)
Starre Instrumente werden überwiegend zur Laparoskopie, Thorakoskopie, Mediastinoskopie und Arthroskopie benutzt. Für den Verdauungstrakt und das Tracheobronchialsystem kommen dagegen nahezu ausschließlich flexible Geräte mit Glasfibersystem (Fiberendoskope) oder elektronischer Chipkamera (Videoendoskope) in Betracht. Die Videoendoskope liefern eine hervorragende Bildqualität auf dem Monitor ohne die Möglichkeit der direkten Betrachtung. Die Endoskope besitzen einen oder zwei Arbeitskanäle, durch die Eingriffe unter Sicht vorgenommen werden können (Abb. 3-1).
Abb.3-1: Flexibles Videoendoskop Biopsiezange eingeführt ist.
Diagnostik
mit einem Arbeitskanal, durch den eine
1. Diagnostik und Therapie 1.1 Diagnostik
Präoperative Klärung unklarer Befunde = Präzisierung chirurgischer Indikationen.
Diagnostisch dient die Endoskopie der präoperativen Klärung unklarer Befunde und somit zur Präzisierung chirurgischer Indikationen. Unklare Tumoren im Ösophagus, Magen sowie Kolon und terminalen Ileum können unter endoskopischer Sicht biopsiert werden.
Gewebeproben: - Zange für Biopsie bei ulzerösen Prozessen - Schlinge für Rug-/Polypektomie bei polypösen Veränderungen - Nadel- oder Knopflochbiopsie bei submukösen Tumoren
Biopsie. Mit Zangen und Schlingen werden kleine bzw. größere Gewebeproben zur histologischen Untersuchung entnommen. Die Biopsiezange eignet sich im allgemeinen für ulzeröse Prozesse, während die Schlinge mit Diathermie zur Abtragung polypöser Veränderungen verwendet wird (Schlingenbiopsie, Rugektomie, Polypektomie). Bei submukösen Tumoren gewinnt man adäquate Untersuchungsmaterialien mit Hilfe der Nadelbiopsie oder der sog. Knopflochbiopsie. Hierbei wird die intakte Schleimhaut über dem Tumor zunächst mit einer großen Zange bzw. einer elektrischen Schlinge abgetragen, um dann aus der tiefergelegenen Läsion Proben entnehmen zu können.
Diagnostik und Therapie Bürsten benutzt man für Abstriche zur zytologischen Beurteilung. Vitalfarbstoffe (z.B. Methylenblau, Indigocarmin, Lugolsche Lösung) können endoskopisch direkt auf die Läsionen gespritzt werden. Damit heben sich flache pathologische Veränderungen optisch deutlicher von der gesunden Umgebung ab (Färbemethode). Für die Beurteilung der Ausdehnung eines Tumors bietet sich die endoskopisch gekoppelte Sonographie (EUS) an. Mit der endoluminalen Applikation des Ultraschalls treten keine störenden Luft- und Knochenüberlagerungen wie bei der konventionellen Sonographie mehr auf. Die Wandschichten der Hohlorgane lassen sich sehr gut darstellen (Abb. 3-2). Ein präoperatives Staging hinsichtlich der Wandinfiltration, der regionären Lymphknotenmetastasen und des Befalls der benachbarten Organe ist mit dieser Methode möglich und zwar zuverlässiger als mit der CT. Endosonographisch können von Ösophagus, Magen oder Duodenum aus gezielte Feinnadelaspirationsbiopsien (FNA) zur Tumor- und Lymphknotendiagnostik im Mediastinum und Abdomen vorgenommen werden.
15 - Bürsten für Zytologie Färbemethode bei flachen Läsionen
EUS (endoskopische Ultraschalluntersuchung) zum Tumorstaging
EUS-gesteuerte FNA-Biopsie bei Mediastinal- und intraabdominalen Tumoren.
Abb.3-2: Endosonographie (EUS) vom Magen. Die Darstellung aller Wandschichten und der Umgebung ermöglicht das präoperative Tumorstaging. Die Lamina muscularis mucosae und propria sind als echoarme (dunkle) Linien deutlich erkennbar. ERCP, PTC. In Kombination mit der Radiologie werden Gallen- und Pankreasgangsysteme duodenoskopisch durch Sondierung der Papille und Kontrastmittelinstillation dargestellt. Die ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie, s. Abb. 35.11-5, S.677) wird der PTC (perkutane transhepatische Cholangiographie, s. Abb.35.11-17, S.692) im allgemeinen vorgezogen, da sie mehr diagnostische und therapeutische Möglichkeiten bietet.
ERCP: Direkte Darstellung des Gallen- und Pankreasgangsystems.
Perorale Cholangiopankreatoskopie. Durch ein weitlumiges Duodenoskop (sog. Motherscope) kann ein kleines Endoskop (sog. Babyscope) transpapillär in die Gänge eingeführt werden, um intraluminäre Befunde direkt zu beurteilen und unter Sicht zu biopsieren. Die perorale Cholangio- und Pankreatoskopie ermöglicht außerdem therapeutische Eingriffe.
Perorale Cholangiopankreatoskopie mit „Mother-Baby-Scope".
Enteroskopie. Die Untersuchung des gesamten Dünndarms (Enteroskopie) ist mit einem sondenähnlichen Endoskop möglich. Das Gerät verfügt jedoch über keinen Arbeitskanal und erlaubt daher lediglich eine optische Beurteilung. Hauptindikation sind unklare Röntgenbefunde und obskure Blutungen, die mit der selektiven Angio- und Sequenzszintigraphie nicht erfaßt werden können. Die Bronchoskopie wird heute vorwiegend mit dem flexiblen Instrument ausgeführt. Ähnlich wie im Verdauungstrakt können dabei Eingriffe zur Diagnostik und Therapie vorgenommen werden.
Enteroskopie bei: - unklaren Rö.-Befunden - obskuren Darmblutungen
Bronchoskopie
3. Chirurgische Endoskopie
16 Thorakoskopie, Mediastinoskopie, Laparoskopie Indikationen: unklare Tumoren, Lymphome, Metastasen, Tuberkulose, Pneumothorax, stumpfes Trauma.
Postoperative Endoskopie: - Beurteilung der chirurgischen Ergebnisse - Behandlung von Blutung, Nahtinsuffizienz, Ileus
Für die Diagnostik im Brust und Bauchraum dienen die Thorakoskopie, die Mediastinoskopie und die Laparoskopie. Neben unklaren Tumoren, Lymphomen, Metastasen und der Tuberkulose stellen chirurgische Notfälle (z.B. Pneumothorax, stumpfes Trauma) gelegentlich die Indikation zu diesen Untersuchungen. Durch die Sonographie, Endosonographie und CT mit gezielter Punktion hat der Einsatz dieser Untersuchungsmethoden jedoch erheblich abgenommen. Die Arthroskopie der großen Gelenke (Knie und Schulter) hat nicht nur in die Orthopädie, sondern auch in die Unfallchirurgie Eingang gefunden. Neben Meniskusschäden sind Bänderläsionen die Hauptindikation zu dieser Untersuchung. Postoperativ wird die Endoskopie neben der Radiologie zunehmend zur Beurteilung der chirurgischen Ergebnisse durchgeführt. Funktionelle und organische Veränderungen können erfaßt werden. In der postoperativen Frühphase geht es z. B. um die Erkennung und Behandlung von Blutungen, Nahtinsuffizienzen oder eines Ileus.
Therapie
1.2 T h e r a p i e
Thorakoskopie: Adhäsiolyse, Sympathektomie, Vagotomie.
Die endoskopische Chirurgie befaßt sich überwiegend mit Eingriffen im Bereich des Gastrointestinaltrakts, des Gallen- und Pankreasgangs sowie des Tracheobronchialsystems. Im Thorax und Abdomen stellt sich die Indikation z.B. bei Adhäsiolyse (Lösen von Verwachsungen). Thorakale Sympathektomie und Vagotomie (bei Durchblutungsstörung der oberen Extremitäten, Hyperhidrosis, Ulkus, Asthma bronchiale) sind keine verbreitete Methoden.
Laparoskopie: Adhäsiolyse, Appendektomie, Cholezystektomie, u.a.m. Arthroskopische Op. bei: Meniskusschaden, Bandläsion.
Laparoskopische Appendektomie, Cholezystektomie, Fundoplikation, Herniotomie u. ä.m. haben sich zunehmend durchgesetzt; sie sind jedoch für komplizierte Fälle ungeeignet, s. Kap. 27/3, S.264. Arthroskopische Operationen bei Meniskusschäden und Bandläsionen werden vorwiegend in der Orthopädie vorgenommen.
Fremdkörperextraktion
Fremdkörperextraktion. Fremdkörper (Corpus alienum) werden in erster Linie verschluckt von: • Kleinkindern (Münzen, Spielzeugteile, Knöpfe, Kleinbatterien), • Näherinnen, Dekorateuren (Nadeln, Nägel), • Gefangenen (um Haftunterbrechung zu erzielen), • Geisteskranken.
Arthroskopie bei: - Meniskusschaden - Bandläsionen
häufig bei: Kleinkindern, Näherinnen, Dekorateuren, Gefangenen und Geisteskranken:
Etwa 90% der verschluckten Gegenstände gehen per vias naturales ab. In 10% der Fälle müssen sie sofort entfernt werden, weil Gefahren der Perforation, Einklemmung und Intoxikation bestehen: spitze, scharfe, kantige Gegenstände, Schwermetalle und andere giftige Chemikalien. Die meisten verschluckten Fremdkörper werden heute sofort endoskopisch extrahiert, da der Eingriff risikoarm ist.
- besonders gefährlich sind Fremdkörper im oberen Ösophagus und in den Luftwegen bei Kleinkindern.
Besonders gefährlich sind eingeklemmte Fremdkörper im oberen Ösophagus und in den Luftwegen (oft bei Kleinkindern). Auch die endoskopische Bergung kann komplikationsträchtig sein (nur selten muß in Vollnarkose ein starres Instrument dafür verwendet werden). Vor jeder endoskopischen Extraktion erfolgt zunächst die Lokalisierung durch Röntgenuntersuchung des Thorax und des Abdomens. Bei nichtschattengebenden Gegenständen ist die Gabe eines wasserlöslichen Kontrastmittels erforderlich. Bezoare sind zusammengeballte verschluckte Eigen- oder Pflanzenhaare im Magen (Tricho-, Phytobezoar). Trichobezoare werden gelegentlich bei psychisch labilen Kindern beobachtet, während Phytobezoare bei Magenoperierten (z.B. nach trunkulärer Vagotomie) vorkommen können.
Vor der Extraktion Lokalisierung durch Röntgen (Thorax, Abdomen und evtl. mit wasserlöslichem KM). Tricho- und Phytobezoar Finden sich bei psychisch labilen Kindern bzw. bei Magenresezierten. Polypen: - im Dickdarm meist adenomatös - im Magen meist hyperplastisch
Polypektomie. Polyp ist eine deskriptive Bezeichnung für alle erhabenen Läsionen der Schleimhaut oder der Submukosa. Die Mehrzahl der Schleimhautpolypen im Gastrointestinaltrakt ist adenomatöser Natur (etwa 90% der kolorektalen Polypen). Im Magen überwiegt die hyperplastische Form.
Diagnostik und Therapie
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Da die neoplastischen epithelialen Polypen maligne entarten können (Adenom-Karzinom-Sequenz), ist eine vollständige Abtragung zur histologischen Untersuchung erforderlich. Die Polypektomie stellt daher primär einen diagnostischen Eingriff dar. Sie kann bei 90% aller Polypen im oberen Verdauungstrakt (Ösophagus, Magen, Duodenum) und im Dickdarm endoskopisch ohne Narkose erfolgen. Gerinnungsstörungen und zu große Polypen sind hier die Grenzen. Die Abtragung des Polypen geschieht mit einer Diathermieschlinge, die Bergung mit einem Greifer. Komplikationen sind Blutung (1,5%) und Perforation (0,5%). Die Gesamtletalität beträgt 0,03%. Nachblutungen lassen sich in der Regel endoskopisch durch Anbringen von Clips, Koagulation oder submuköse Injektionen von verdünnter Adrenalinlösung sofort stillen. Perforationen können vielfach konservativ mit Antibiotika behandelt werden. Bei Anzeichen einer Peritonitis ist eine sofortige Laparotomie unumgänglich. Eine anschließende Resektion nach der Polypektomie ist angezeigt, wenn histologisch ein invasives Karzinomwachstum in die Submukosa bereits vorliegt und die Abtragungsstelle nicht sicher tumorfrei ist. Wegen der möglichen Rezidive ist eine endoskopische Kontrolle nach 2 3 Jahren erforderlich. Nach Abtragung multipler Adenome sollen die Nachuntersuchungen in kürzeren Abständen erfolgen. Da Adenome Karzinomvorläufer sind, stellt die Polypektomie eine wirksame Krebsprävention dar.
Adenom-Karzinom-Sequenz 90% aller Polypen im oberen und unteren Verdauungstrakt können endoskopisch abgetragen werden.
Blutstillung. Etwa 85% aller Blutungen im oberen und unteren Verdauungstrakt lassen sich endoskopisch stillen. Häufigste Blutungsursachen sind: Gastroduodenalulzera, Varizen, Erosionen und Mallory-Weiss-Risse. Peptische Läsionen werden nach endoskopischer Blutstillung medikamentös weiter behandelt (H 2 -Blocker, Protonenpumpeninhibitor, Antazida, Sucralfat). Die Indikation zur Operation wird im Intervall geprüft.
Blutstillung: 85% aller gastrointestinalen Blutungen lassen sich endoskopisch stillen. Häufige Ursachen: Ulzera, Varizen, Erosionen, MalloryWeiss-Risse.
Ausgedehnte Läsionen (diffuse hämorrhagische Erosionen des Magens, Angiodysplasien des Kolons und große tiefe Gastroduodenalulzera mit Arrosion der Organarterie) sind primär operativ zu behandeln.
Kontraindikationen: - ausgedehnte Läsionen - großes tiefes Ulkus mit Arrosion einer Organarterie Blutstillungsmethoden:
Zur endoskopischen Blutstillung eignen sich: • Clip-Verfahren und Unterspritzung mit verdünnter Adrenalinlösung (1:20000), Thrombinlösung, Fibrinkleber • Argonplasmakoagulation (Applikation von Diathermie (Hochfrequenzstrom) durch Argongas • Elektrokoagulation (Diathermie) und Laserphotokoagulation (s. S.209). Die Injektionsmethode ist das einfachste Verfahren.
Bei Gerinnungsstörungen und zu großen Polypen kontraindiziert. Komplikationen der Polypektomie: - Blutung (1,5%) - Perforation (0,5%) - Letalität (0,03%)
Nachresektion bei Adenomen mit invasivem Karzinom notwendig, wenn die Abtragungsstelle nicht sicher tumorfrei ist.
Adenome sind Karzinomvorstufen. Polypektomie bedeutet Krebsvorbeugung.
Gummibandligatur/Sklerotherapie. Für die blutenden Varizen im Ösophagus und Magenfundus ist die endoskopische Behandlung (Gummibandligatur, Sklerosierung) die Methode der Wahl. Etwa 90% der portalen Hypertensionen liegt eine Leberzirrhose zugrunde. Nur 30-40% der Patienten sind nach den strengen Auswahlkriterien für eine operative Behandlung geeignet. Die endoskopische Therapie hat den Vorteil gegenüber der Operation, daß sie wegen der geringeren Belastung auch bei Schwerkranken anwendbar ist. Ziel ist die vollständige Entfernung der Varizen (Eradikation) durch wiederholte Behandlung.
Gummibandligatur/Sklerotherapie: - Ursache der portalen Hypertension in 90%: Leberzirrhose, - nur 30-40% der Patienten sind für die Op. geeignet.
Komplikationen: Stenose (2-3%) und Perforation (0,5%). Die Gummibandligatur ist dagegen risikoärmer.
Komplikationen: - Stenose (2-3%) - Perforation (0,5%) Gummibandligatur risikoärmer Bougierung: Benigne Stenosen meist infolge Refluxösophagitis, seltener nach Verätzungen oder Operationen. Metall- oder Kunststoffbougies
Bougierung. Benigne Stenosen des Ösophagus (meist im distalen Bereich infolge des Refluxes, seltener nach Verätzungen oder Operationen) werden zuerst der Bougierungstherapie zugeführt. Als Instrument dienen entweder Metallstäbe mit aufschraubbaren Metalloliven (nach Eder-Puestow) oder Kunststoffbougies (nach Savary-Gilliard). Die Bougierung erfolgt über einem endoskopisch plazierten Führungsdraht, schrittweise in mehreren Sitzungen bis die erwünschte Lumenweite erreicht ist.
Endoskopische Therapie (Gummibandligatur, Sklerosierung) ist die Methode der Wahl bei Schwerkranken mit schlechter Leberfunktion.
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3. Chirurgische Endoskopie
Bei malignen Stenosen Bougierungen vor der Lasertherapie oder Tubusimplantation
Bei malignen Stenosen wird die Bougierung vor der Laserbehandlung oder Tubusimplantation durchgeführt. Die Bougierung wird gelegentlich auch im Rektum vorgenommen.
Pneumatische Dilatation bei: Achalasie Komplikation der Bougierung: Perforation
Dilatation. Für die Achalasie ist die pneumatische Dilatation die Methode der Wahl. Sie erfolgt in der Regel vor der Heller-Kardiomyotomie. Komplikation der Bougierung/Dilatation: Perforation, die bei 1-2% der Fälle auftreten kann. Lasertherapie (s. Kap. 23, S.211).
(1-2%).
Tubusimpiantation: zur Wiederherstellung der Nahrungspassage (Beseitigung der Dysphagie) bei inoperablen Tumorstenosen, bei Fisteln gleichzeitig zur Abdichtung.
Komplikationen: Perforation (5%), Dislokation (10%) Sondeneinführung bei: unklarem inkompletten Ileus, Zeitgewinn zur Diagnostik, postoperativem Frühileus (meist funktionell). PEG
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EPT: - Erfolgsrate: 95% - Risiko: Pankreatitis (1%), Blutung (1%) Perforation (0,5%) - Letalität: 0,5% Indikationen: - Steinextraktion aus dem Gallengang, - Drainage (nasobiliäre Sonde zur Spülung bei eitriger Cholangitis, Endoprothese beim inoperablen malignen Verschlußikterus). Endoskopische Drainage ist besser als die PTC (perkutan-transhepatische Drainage). Nachteil der biliären Drainage: - Verstopfung der Prothese nach 3-4 Monaten - regelmäßige Überwachung des Patienten zum rechtzeitigen Auswechseln des Katheters Indikationen der endoskopischen Behandlung beim Pankreas: obstruktive Pankreatitis (Steinextraktion, Drainage bei Striktur), große Zysten. Endoskopische Lithotripsle mit Mother-Babyscope-System (perorale Cholangiopankreatoskopie). Für das perkutan-transhepatische Verfahren eignet sich auch der Ultraschall.
Tubusimplantation. Tuben aus Gummi oder Kunststoff werden in den Ösophagus eingesetzt, um die Nahrungspassage wiederherzustellen. Der Eingriff ist palliativ und wird hauptsächlich bei inoperablen Tumoren der Speiseröhre und des oberen Magens durchgeführt, insbesondere wenn bereits eine Fistel zum Tracheobronchialsystem vorliegt. Durch Abdichtung der Fistel können quälender Hustenreiz und Pneumonie als Folge der Aspiration vermieden werden. Gelegentlich wird der Tubus auch zur Deckung von Nahtleckagen nach Ösophagogastrostomien angewandt. Komplikationen: Perforation (ca. 5%), Dislokation (ca. 10%). Sondeneinführung. Die Einlage von Sonden kann endoskopisch rascher als radiologisch erfolgen. Die endoskopische Plazierung einer Intestinalsonde (Dennis-Sonde) in den Dünndarm bei unklarem inkompletten Ileus dient zur Entlastung des gestauten Darms. Dadurch wird Zeit gewonnen, um die Ursache festzustellen. Beim postoperativen Frühileus, der funktioneller Genese ist, ist die Sondenbehandlung die Therapie der Wahl. Zur Ernährung kann eine dünne Sonde bei Ösophagusstenosen entweder transnasal oder perkutan mit Hilfe des Endoskops in den Magen bzw. in das Duodenum eingelegt werden. Die PEG (perkutanendoskopische Gastrostomie) hat als eine einfache Methode die Witzel-Fistel verdrängt. Endoskopische Papillotomie (EPT). Die Papilla Vateri läßt sich endoskopisch in etwa 95% der Fälle erfolgreich spalten. Unmöglich ist der Eingriff bei unüberwindbaren Duodenalstenosen und bei operierten Mägen nach Billroth II mit langer zuführender Schlinge. Das Risiko der Behandlung ist relativ gering: Pankreatitis: (1%), Blutung (1%), Perforation (0,5%), Letalität (0,5%). Nach der Papillotomie ist der Zugang zum Gallengang geschaffen. Gallengangssteine können in mehr als 95% der Fälle (mit zusätzlicher Hilfe der mechanischen und elektrohydraulischen Lithiotripsie) anschließend endoskopisch mit dem Dormia-Basket oder Ballonkatheter extrahiert werden. Katheter können entweder als nasobiliäre Sonde (zur Spülung z. B. bei eitriger Cholangitis) oder als Endoprothese (zur palliativen Drainage bei malignem Verschlußikterus) danach endoskopisch gelegt werden. Die endoskopische bilioduodenale Endodrainage ist risikoärmer als die perkutane transhepatische Drainage (PTD). Ein Nachteil der permanenten biliären Drainage ist jedoch die Verstopfung der Prothese (Stent), die nach 3-H Monaten auftreten kann. Regelmäßige Überwachung des Patienten ist daher notwendig, um den Katheter rechtzeitig auswechseln zu können. Die obstruktive Pankreatitis stellt eine zunehmende Indikation zur endoskopischen Behandlung dar. Ähnlich wie am Gallengang sind transpapillär Steinextraktionen und Katheterplazierungen im Pankreasgang möglich. Große Zysten, die einen direkten Kontakt zur Magen- oder Duodenalwand haben, können endoskopisch transmural punktiert und drainiert werden. Lithotripsie. Das Mother-Babyscope-System (perorale Cholangiopankreatoskopie) ermöglicht heute den Einsatz von Laser und Elektrohydraulik in den Gängen unter Sicht. Damit wurden bisher mehrfach große eingeklemmte Steine im Gallengang erfolgreich zertrümmert. Über den perkutan-transhepatischen Weg kann endoskopisch außerdem der Ultraschall zur Lithotripsie in den Gallengängen eingesetzt werden.
4. Medizinische Dokumentation I.
Guggenmoos-Holzmann
Eine effiziente Dokumentation medizinischer Daten orientiert sich an den Prinzipien und verfügbaren Techniken für das Sammeln, Aufzeichnen und Abrufen (retrieval) medizinischer Daten. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Dokumentationen, die der Protokollierung der aktuellen Versorgung des einzelnen Patienten dienen (z.B. Krankenblätter), und wissenschaftlichen Dokumentationen, die zum Zweck der synoptischen Darstellung medizinischer Beobachtungen, diagnostischer und therapeutischer Verfahren und ihrer Ergebnisse in systematischer Weise geführt werden. Im folgenden werden grundlegende Prinzipien und Techniken dargestellt, die bei der Planung und Realisierung einer wissenschaftlichen Dokumentation zu beachten sind.
M a n unterscheidet: - Dokumentation der Patientenversorgung - wissenschaftliche Dokumentation
1. Qualität und Auswahl der Daten, Dokumentationsarten
Qualität dokumentierter Daten
Inhaltliche Qualität. Eine Bewertung von Erfahrungen, die in der Diagnostik und Therapie größerer Patientengruppen gewonnen werden, setzt voraus, daß verschiedene Patienten in vergleichbarer Weise beobachtet und untersucht werden, so daß die Daten in der gleichen Weise interpretierbar sind. Dementsprechend zählen zu den Gütekriterien einer wissenschaftlichen Dokumentation:
Gütekriterien einer Dokumentation: - Objektivität - Reliabilität - Validität - Normierung - Vergleichbarkeit - Ö k o n o m i e u n d Nützlichkeit - Vollständigkeit
• Objektivität: die Daten sollen unabhängig sein vom Untersucher. • Reliabilität: die erhobenen Daten sollen mit großer Genauigkeit durch einen anderen Untersucher reproduzierbar sein. • Validität: die erhobenen Daten sollen das beschreiben, was mit ihnen beschrieben werden soll. • Normierung: Das jeweilige Bezugssystem der erhobenen Daten und der verwendeten Klassifikationen soll gegebenen Standards entsprechen oder in diese überführbar sein. Ggf. sind internationale Normen und Nomenklaturen - z.B. die TNM-Klassifikation und die International Classification of Diseases (ICD), etc. zu beachten. • Vergleichbarkeit: Tests oder Untersuchungen, die dem Nachweis des gleichen Sachverhalts dienen, sollen zum gleichen Ergebnis kommen (individuelle Reliabilität). • Ökonomie und Nützlichkeit: im Hinblick auf die interessierenden Fragestellungen soll die Dokumentation so umfangreich wie nötig und so knapp als möglich gehalten werden. • Vollständigkeit: In der Dokumentation sollten alle für die Fragestellung relevanten individuellen Krankheitsverläufe erfaßt und für diese Verläufe alle relevanten Informationen verfügbar sein.
Arten der Dokumentation. Bei der Planung einer Dokumentation ist grundsätzlich zu entscheiden, ob Daten zu verwenden sind, die bereits früher erhoben und (z. B. in einem Krankenblatt) routinemäßig erfaßt wurden (retrolektive Dokumentation), oder ob ausschließlich aktuell erhobene Befunde und zukünftige Krankheitsverläufe festzuhalten sind {protektive Dokumentation s. Kap. 5). • Bei einer retrolektiven Dokumentation ist die inhaltliche Qualität der Daten nicht einschätzbar: es bleibt meistens unklar, unter welchen Regularien diagnostische und therapeutische Maßnahmen durchgeführt worden sind, welche Kriterien zu bestimmten interpretierenden Aussagen Anlaß gegeben haben, und ob bestimmte Informationen überhaupt vorlagen
Arten der Dokumentation 1. protektive Dokumentation: • Planung inhaltlicher Qualitätskriterien
2. Retrolektive Dokumentation. • inhaltliche Datenqualität nicht beurteilbar
20
4. Medizinische Dokumentation oder hätten vorliegen können. Da Krankenblätter aufgrund ihrer operationalen Zielsetzung diesen Kriterien häufig nur zum Teil genügen, sind Auswertung und Interpretation retrolektiver Dokumentationen besonders kritisch vorzunehmen. • Bei einer protektiven Dokumentation können inhaltliche Qualitätsstandards bei der Planung festgelegt und im Rahmen der Durchführung kontrolliert werden. Voraussetzung für die Qualität einer derartigen Dokumentationsform ist das kontinuierliche Engagement aller beteiligten Ärzte und - bei langfristigen Projekten - eine arbeitsteilige Organisation.
Auswahl der Daten Typisierung der zu dokumentierenden Variablen: - Identifikationsgrößen - Zielgrößen - Einflußgrößen - Störgrößen
Auswahl der Daten. Welche Daten erfaßt werden sollen, ist ein schwieriges, aber grundlegendes Problem in der Planungsphase einer jeden Dokumentation. Hierbei ist vor allem im Auge zu behalten, daß nicht alle Daten, die im Verlauf der Krankenversorgung anfallen, für die Klärung wissenschaftlicher Fragestellungen von Bedeutung sind. Wie die Erfahrung zeigt, nimmt die Qualität einer wissenschaftlichen Dokumentation mit steigendem Umfang rapide ab. Daher sollten die Zielsetzungen der Dokumentation von Anfang an klar umrissen, und die zu klärenden Fragestellungen konkret formuliert sein. Für die Qualitätssicherung der Dokumentation und für die an einer spezifizierten Fragestellung orientierte Auswertung und Interpretation der Daten sind folgende Informationen notwendig: Identifikationsgrößen (Krankenblatt-Nr., Histo-Nr., etc.) werden für die Fehlerkontrolle und Qualitätssicherung der Daten benötigt, Zielgrößen sind die als Ergebnis der Untersuchung interessierenden Meßgrößen oder Merkmale (z.B. Laborwerte, Überlebenszeiten, Komplikationen o.a.), Einflußgrößen sind Größen, deren Einfluß auf die Zielgröße anhand der Dokumentation abgeklärt werden soll, also z.B. Krankheitsstadium, Art der Therapie etc., Störgrößen sind Merkmale oder Meßgrößen, die sowohl mit Einflußgrößen als auch mit Zielgrößen korrelieren. Derartige Störgrößen können die Verallgemeinerungsfähigkeit der Untersuchungsergebnisse beeinträchtigen und müssen daher bei der Auswertung und der Interpretation der Ergebnisse besonders berücksichtigt werden. Welche Größen als Störgrößen zu betrachten sind, hängt von der jeweiligen Fragestellung ab; wenn es etwa um den Vergleich zweier Behandlungsarten geht, sind als Störgrößen u. a. zu berücksichtigen: die Indikationsstellung für die Wahl der Therapie, das Krankheitsstadium, Begleitkrankheiten und -therapien.
Klassifikation von Daten Datentypen: - qualitative Daten - quantitative Daten - Variablen
Klassifikationsprinzipien: - einheitliches Bezugssystem - definierte Klassengrenzen - disjunkte Klassen - vollständige Klassifikation
2. Klassifikation von Daten Datentypen: Bei einer Dokumentation (und bei der folgenden statistischen Auswertung) unterscheidet man zwischen qualitativen und quantitativen Daten. Qualitative Daten charakterisieren Merkmalsausprägungen des Patienten (z.B. Geschlecht, diagnostizierte Erkrankung), Ausprägungen des pathologischen Geschehens (z.B. Malignitätsgrad des Tumors) oder die Art des diagnostischen oder therapeutischen Vorgehens (z.B. Art der diagnostischen Absicherung, Art der Anastomose). Quantitative Daten fallen an bei Messungen (Laborwerte, Bestrahlungsstärke, Abstand zwischen Tumor und Resektionsrand o.ä.). Merkmale und Messungen, deren Ausprägungen von Patient zu Patient unterschiedlich sein können, werden auch als Variablen bezeichnet. Klassifikationsprinzipien: Sowohl qualitative wie auch quantitative Variablen können in klassifizierter Form dokumentiert werden. Dabei sind die folgenden Prinzipien zu beachten: • das Bezugssystem sollte einheitlich sein. Insbesondere sollten verschiedene Merkmale nicht kombiniert erfaßt werden, z. B. statt: richtig: - normoton, kein Diabetes, Hypertonie: - ja, - hyperton, kein Diabetes, - nein - normoton, Diabetes, Diabetes: - ja, - hyperton, Diabetes. - nein.
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EDV-gerechte Datenerfassung Klassifikationen des Krankheitsstadiums, wie z. B. die TNM-Stadien, werden am besten über die definierenden Variablen (i.e. Tumorgröße, lymphogene Metastasierung, Fernmetastasen) dokumentiert. Die definitive Stadieneinteilung kann anhand dieser Angaben im Rahmen der Auswertung problemlos vorgenommen werden. • die Klassengrenzen müssen definiert sein. Besonders wichtig ist dies bei „weichen" Daten, z. B. bei Angaben des Patienten über eine Belastungsdyspnoe. Derartige Angaben sollten so klar und knapp klassifiziert werden, daß die verschiedenen Ausprägungen gut abgrenzbar sind, z. B.
statt: Belastungsdyspnoe:
-
keine, mäßige, leichte, deutliche, schwere.
besser: Belastungsdyspnoe:
- keine, - leichte, - schwere.
• die Klasseninhalte müssen sich gegenseitig ausschließen. Die Klassifikation muß also so gehalten sein, daß jeder Patient sich genau einer der definierten Klassen zuordnen läßt. Z.B. ist bei Angaben zu Begleitkrankheiten für die linke Klassifikation nicht immer eine eindeutige Zuordnung möglich, weil mehrere Begleitkrankheiten gleichzeitig vorliegen können:
falsch: Begleitkrankheit: - keine, - Herzkrankheit, - Niereninsuffizienz.
richtig: Herzkrankheit: Niereninsuffizienz:
-
ja, nein ja nein.
• die Klassifikation muß erschöpfend sein. Jeder Patient muß sich in eine der definierten Klassen einordnen lassen. Um dies auch bei fehlenden Befunden zu erreichen, sind entsprechende Klassen, z.B. „sonstige Angaben", „keine Angaben", „nicht befundet", o.ä. zu definieren.
3. EDV-gerechte Datenerfassung Kodierung: Für die EDV-gerechte Aufarbeitung einer Dokumentation werden Merkmalsausprägungen und Klassifikationen von quantitativen Daten verschlüsselt (kodiert). Die Vergabe von Codes ist im Prinzip beliebig: Es können sowohl Ziffern, als auch Buchstaben verwendet werden. Gebräuchlich ist die Verwendung von Ziffern, da an den Eingabegeräten die numerische Tastatur einfacher zu handhaben ist als die alphanumerische Schreibmaschinen-Tastatur. Die folgenden Richtlinien sollten beachtet werden. Wenn den Ausprägungen einer qualitativen Variablen keine interne Anordnung zugrunde liegt, können diesen Ausprägungen beliebige Ziffern als Codes zugeordnet werden (z. B. 1 = männlich, 2 = weiblich oder unbekannt). In diesem Fall sind die Codes auch als Nominalskala zu interpretieren. Wenn die Ausprägungen eines Merkmals oder die Klassen einer Klassifikation sich anordnen lassen, sollte eine entsprechend angeordnete Kodierung (Ordinalskala) gewählt werden (z.B. „Belastungsdyspnoe": 1 = keine, 2 = leicht, 3 = schwer). Bei Nominal- und Ordinalskalen ist zu beachten, daß man mit ihren Zahlenwerten zwar formal „rechnen" kann, daß aber das Ergebnis unsinnig ist, da die Codes Qualitäten beschreiben, und sich zwischen Qualitäten keine „Abstände" definieren lassen. Dagegen sind die üblichen Rechenregeln anwendbar auf quantitative Variablen mit metrischer Skala, also auf Meßgrößen und Laborwerte. Nur für derartige Variablen ist die Berechnung von Mittelwerten, Standardabweichungen u. a. sinnvoll. Es empfiehlt sich, diese Größen entsprechend den Originalangaben zu erfassen und eine eventuelle (ordinale) Klassifikation erst im Rahmen der Datenauswertung vorzunehmen. Die Kodierung von qualitativen und klassifizierten Variablen muß innerhalb einer Dokumentation eindeutig festgelegt werden. Es erleichtert den Arbeitsschritt der Kodierung, wenn gleichartige Ausprägungen (z.B. ja/ nein-Antworten) immer in der gleichen Weise verschlüsselt werden (z.B. 1 = ja, 0 = nein).
EDV-gerechte Datenerfassung
Kodierung: - Nominalskala - Ordinalskala - Metrische Skala
Meßgrößen und Laborwerte sollten nicht bei der Erfassung, sondern erst bei Datenauswertung klassifiziert werden I
Die Kodierung muß für jede Variable eindeutig festgelegt werden!
4. Medizinische Dokumentation
22 Erhebungsbogen
Erhebungsbogen: Erfolgt die Datenhaltung und -auswertung mithilfe der EDV, dann werden die Daten zunächst über sog. Erhebungsbogen erfaßt. Hinsichtlich seiner Funktion ist ein Erhebungsbogen als Arbeitsvorbereitung für die Eingabe der Daten in einen Rechner anzusehen. Die äußere Form eines Erhebungsbogens kann je nach Art der Einbindung in die allgemeine Arbeitsorganisation variieren. Beim Entwerfen eines Erhebungsbogens sind neben den allgemeinen Prinzipien der Klassifikation und Kodierung die folgenden Regeln zu beachten:
Korrekte Variablen-Deklaration für kombinierte Zahlenangaben!
• Quantitative Größen, die üblicherweise als Zahlenkombinationen angegeben werden, sind nach ihren Konstituenten aufzuteilen und durch die entsprechende Zahl von Variablen zu beschreiben. z.B.: Datumsangaben: „12", „7", „1989" statt „12.7.1989" (d.h. ein Datum besteht aus den drei Variablen „Tag", „Monat" und „Jahr"); z.B. Blutdruck: „120", „80" statt „120/80". • Bei Meßgrößen und Laborwerten ist die Anzahl der Dezimalstellen für jede Variable einheitlich festzulegen. Dezimalpunkte oder -kommata sollten zur Orientierung im Erhebungsbogen fest vorgegeben werden. • Bei allen Variablen ist ein spezieller Code für fehlende Angaben vorzusehen. Je nach Anzahl der für die Kodierung benötigten Stellen wird hierfür gewöhnlich „9", „99", „99.9" o.ä. gewählt. Der gewählte Code muß innerhalb des Kodierungsspektrums einer jeden Variablen eindeutig sein. • Es ist darauf zu achten, daß für jede Variable eine ausreichende Anzahl von Stellen (Feldlänge) vorgesehen ist. Nachträgliche Erweiterungen der Stellenzahl können bei der Dateneingabe nicht berücksichtigt werden. • Der Entwurf des Erhebungsbogens sollte anhand einer Pilotdokumentation in ausreichendem Umfang getestet und überarbeitet werden. Bei retrolektiven Dokumentationen ist dabei insbesondere auch der Informationsgehalt der erhobenen Daten im Hinblick auf den weiteren Dokumentationsaufwand kritisch zu überprüfen.
Definierte Anzahl von Dezimalstellen bei Meßgrößen Codes für fehlende Angaben
Überprüfung des Erhebungsbogens anhand einer Pilot-Dokumentation
Dateneingabe in einen Rechner: - direkt in einen File - über Spreadsheet - über Bildschirm-Maske
Eingabe in einen Rechner: Die Dateneingabe in einen Rechner erfolgt heute - sieht man von Beleg-Lesern und anderen speziellen Techniken der Dateneingabe ab - überwiegend am Bildschirm. Dabei können zum einen die Daten über ein Editierprogramm direkt in eine Datei eingegeben werden. Diese Eingabemöglichkeit ist wegen der fehlenden Strukturierung des Bildschirms relativ fehleranfällig und sollte nur für kleine Datenmengen benützt werden. Komfortabler ist die Nutzung spezieller Datenerfassungsprogramme, bei denen sich der Bildschirm - nach Definition von Datentypen und Feldlängen - als Eingabe-Maske strukturieren läßt. Gute Datenerfassungsprogramme zeichnen sich dadurch aus, daß der Benutzer ohne großen Aufwand automatisierte Routinen für die nachfolgend beschriebene Prüfung der Daten festlegen kann.
Qualitätssicherung der Dokumentation
4. Qualitätssicherung, Fehlerkontrolle
Kontrolle der - inhaltlichen Qualität bei der Datengewinnung, - formalen Korrektheit bei der Datenerfassung und -Verarbeitung.
Qualitätssicherung der Dokumentation. Die Güte einer Dokumentation wird in erster Linie bestimmt durch die inhaltliche Qualität, in zweiter Linie durch die korrekte Erfassung der erhobenen Daten. Bei einer prolektiven Dokumentation entfallen vom gesamten Arbeitsaufwand etwa 20% auf die inhaltliche Qualitätssicherung (Fortbildung, Kontrolle) und etwa 10 % auf die Datenerfassung (formale Qualitätssicherung). Bei retrolektiven Dokumentationen ist eine inhaltliche Qualitätssicherung schwierig, wenn nicht unmöglich. Folgende Fehlermöglichkeiten bei der Datengewinnung sind in Betracht zu ziehen:
Fehler bei der Datengewinnung
=»
• • • • • •
unvollständige und verzerrte anamnestische Angaben, Fehler bei der Durchführung diagnostischer Untersuchungen, Übersehen wichtiger Befunde, falsche Beurteilung diagnostischer Untersuchungen, fehlerhafte Angaben über therapeutische Maßnahmen, Fehler bei der Übermittlung von Daten.
Qualitätssicherung, Fehlerkontrolle Fehler bei Datenerfassung und -Verarbeitung • vergessene Eintragungen, Übertragungs- und Kodierungsfehler, • fiktive Eintragungen und Eingabefehler.
Fehler bei der Auswertung der Daten
23 Fehler bei der Datenerfassung und -Verarbeitung Fehler bei der Datenauswertung
• Wahl ungeeigneter statistischer Methoden, • Fehler bei der Interpretation der Ergebnisse.
Formale Methoden zur Fehlerkontrolle. Mit formalen Prüfmethoden können Fehler in einer Dokumentation auch ohne Kenntnis des wahren Sachverhalts aufgedeckt werden. Ob sich fehlerhafte Daten tatsächlich bereinigen lassen, hängt von dem Arbeitsschritt ab, bei dem sie aufgetreten sind. Fehler bei der Datenerfassung und der Datenverarbeitung sind durch Rückgriff auf die Original-Informationen zu beheben. Fehler bei der eigentlichen Datengewinnung und bei der Primärdokumentation (z.B. im Krankenbett) sind meist nicht mehr korrigierbar. Mit den folgenden 4 Prüfroutinen lassen sich Fehler, die im Verlauf der eigentlichen Dokumentationsarbeit entstanden sind, zum Teil aber auch inhaltliche Inkonsistenzen aufdecken: • Prüfung auf Vollständigkeit bei Einzeldaten: Fehlende Angaben bei Variablen, die für die Untersuchung relevanter Fragestellungen von Bedeutung sind, schränken die Brauchbarkeit einer Dokumentation in erheblichem Maße ein. Es sollte kontrolliert werden, ob der Informationsverlust im Rahmen der Datenerfassung oder bereits bei der -gewinnung eingetreten ist. Bei retrolektiven Dokumentationen ist fehlende Vollständigkeit ein nicht behebbarer Mangel, der bei allen Auswertungen hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Interpretierbarkeit der Ergebnisse kritisch zu untersuchen ist. • Prüfung auf nicht definierte Codes bei Einzeldaten: Das Vorkommen nicht definierter Codes - z. B. des Codes „3" bei der Variablen „Geschlecht", wenn die Kodierung durch 1 = männlich, 2 = weiblich definiert war - ist auf Fehler bei der Kodierung oder auf Tippfehler bei der Dateneingabe in einen Rechner zurückzuführen und durch Rückgriff auf die Originaldaten behebbar. • Prüfung auf Grenzüberschreitungen bei Einzeldaten: Um bei quantitativen Variablen das Auftreten unmöglicher Ausprägungen - z.B. eine Körpergröße von 354 cm oder ein Atemgrenzwert von 927 1/ min - zu erkennen, ist das Überschreiten definierter Grenzwerte zu kontrollieren. • Prüfung von kombinierten Daten (Plausibilitätsprüfung): In einer weiteren Prüfroutine ist die Dokumentation gezielt auf Inkompatibilitäten zwischen Merkmalen oder Meßgrößen zu untersuchen: Prostatakarzinom bei Patienten weiblichen Geschlechts, hohes Serumkreatinin bei niedrigem Harnstoff, kurativ entfernte Ml-Tumoren etc. Soweit eine derartige Kontrolle nicht in der Phase der Datenprüfung realisierbar ist, sollte bei der Auswertung der Dokumentation im ersten Schritt anhand von Kreuzklassifikationen und Korrelationsdiagrammen systematisch nach ungewöhnlichen Ausprägungskombinationen gesucht und ihre Korrektheit abgesichert werden.
Formaie Methoden zur Fehlerkontrolle
Fehlerkontrolle:
5. Chirurgische Forschung E. Neugebauer, W. Lorenz, H. Troidl
Klinische Chirurgie und chirurgische Forschung bilden eine Symbiose. Ohne chirurgische Forschung ist richtiges Handeln und richtige Technik in der Chirurgie langfristig nicht möglich.
Obwohl Einigkeit darüber besteht, daß es ohne chirurgische Forschung langfristig weder richtiges Handeln (Operationsindikation), noch eine richtige Technik (Operationsstrategie) gibt, ist die bisherige Medizinerausbildung nicht so angelegt, den Studenten hierauf neugierig zu machen. Im Gegenteil, die Gestaltung des Medizinstudiums mit der Überfrachtung an Faktenwissen ist wissenschaftlich-kritischem und zweifelndem Denken geradezu abträglich. Das Kapitel hat das Ziel, das Bewußtsein für die Bedeutung und Notwendigkeit der Chirurgischen Forschung für die Weiterentwicklung des Faches zu schärfen, den Studenten zu kritischem Hinterfragen von Bestehendem anzuregen sowie einen Überblick über Inhalte, Methoden und Organisationsformen chirurgischer Forschung zu geben.
Chirurgie und die chirurgische Forschung heute
1. Chirurgie und chirurgische Forschung heute
„Man kann mit der besten Technik die falsche Operation machen". Die größten Fortschritte in der Chirurgie wurden erzielt durch verbesserte • Operationsindikationen • Operationsvorbereitung • postoperative Therapie und Nachsorge sowie • Ätiologie und Pathogenese von Krankheitszuständen Chirurgeninterestogramm (Abb. 5-1) Chirurgische Forschung ist • angewandte klinische Forschung!
Chirurgie bedeutet vor allem Handeln, Operieren. Technische Aspekte und das operative Vorgehen (Operationsstrategie) stehen im Vordergrund. Dies ist aber nur ein, wenn auch wichtiger Aspekt, um den Behandlungserfolg zu erzielen: „Man kann mit der besten Technik die falsche Operation machen".
Die größten Fortschritte in der Chirurgie wurden durch verbesserte Operationsindikationen, eine bessere Operationsvorbereitung, eine verbesserte postoperative Therapie und Nachsorge sowie allgemein durch ein besseres Verständnis der Ätiologie und Pathogenese von Erkrankungen erzielt. Für Chirurgen und die chirurgische Forschung bedeutet dies, sich noch stärker als bisher am prä- und postoperativen Teil der Patientenversorgung zu beteiligen. Abb. 5-1 verdeutlicht dies schematisch in einem Ist-Soll-Vergleich (sog. Chirurgeninterestogramm). • Chirurgische Forschung ist im Kern angewandte klinische Forschung. Ihr geht es vor allem um die direkte Verbesserung von Prophylaxe, Diagnose, Therapie und Rehabilitation von Krankheiten einschließlich der Umsetzungs- und Versorgungsforschung.
• Aufklärung • Präoperative Diagnostik • Op.-Vorbereitung und Anästhesie • Operation • Postoperative Therapie • Nachsorge, Follow Up
Abb. 5-1: Interestogramm der Chirurgen. Ist: jetziger Zustand; Soll: gewünschter Zustand (nach Bengmark 1989, modifiziert nach Troidl). Erläuterungen s. Text Kap. 1
schwach
stark
schwach Interesse
stark
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Chirurgie und chirurgische Forschung heute
• Chirurgische Forschung ist somit zu einem großen Teil gleichzeitig Krankenversorgung, ja sogar bessere Krankenversorgung. Die Herausforderung der Chirurgie und der chirurgischen Forschung besteht, will sie diesem Anspruch gerecht werden, in der Notwendigkeit, mit einem hohen Maß an Flexibilität (Methoden) und meist unter Zeitdruck (Patienten) auf aktuelle Probleme in der Chirurgie zu reagieren. Hierin unterscheidet sich die chirurgische Forschung von der reinen Grundlagenforschung, die diesen Zwängen nicht unterliegt. Unabhängig von der chirurgischen Teildisziplin (Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, Transplantationschirurgie etc.) gilt für die chirurgische Forschung, daß immer das Problem des Patienten oder einer Patientengruppe im Mittelpunkt steht und sich der methodische Zugang (Wahl der Methoden) danach ausrichtet. Das Problem bestimmt die Methode und nicht umgekehrt (H.Troidl). Die biomedizinische Forschung (Grundlagenforschung mit zell- und molekularbiologischen Methoden, Immunologie, tierexperimentelle Forschung, etc.) und die klinimetrische Forschung (klinische Studien, medizinische Entscheidungsfindung, Risikoforschung, Lebensqualitätsforschung, etc.) ergänzen einander, wobei je nach Problemstellung mal die eine oder andere Richtung im Vordergrund steht oder parallel betrieben werden muß. Institutionen für chirurgische Forschung (s.u.) sollten deshalb so ausgerichtet sein, daß sie in ihren jeweilig gewählten Forschungsschwerpunkten einen möglichst großen Teil des Spektrums der biomedizinischen und klinimetrischen Methoden (s. u.) abdecken. Beispiel: Die Versorgung des schwerverletzten Patienten stellt eine große Herausforderung an alle Beteiligten dar, wobei das derzeitige Hauptproblem in der Verhinderung des posttraumatischen Organversagens mit einer Letalität von 50-70% liegt. Die Erforschung der Ursachen und die Prüfung von Maßnahmen zur Prophylaxe und Therapie sind deshalb Schwerpunkte der heutigen Polytraumaforschung.
- Follow-up-Studien - Lebensqualitätsstudien - Konsensuskonferenzen
- Zellbiologie - Molekularbiologie - Mikrozirkulation
größtenteils gleichzeitig Krankenversorgung!
Für die chirurgische Forschung gilt: Das Problem des Patienten oder einer Patientengruppe steht immer im Mittelpunkt!
Biomedizinische Forschung —> Grundlagenforschung und die klinimetrische Forschung (Studien, Entscheidungsfindung, Risiko- und Lebensqualitätsforschung) ergänzen einander.
Beispiel: Polytraumaforschung (Abb. 5-2)
Erforschung der Ursachen und Evaluierung prophylaktischer und therapeutischer Maßnahmen sind Schwerpunkte der Polytraumaforschung.
- Therapie- / Diagnosestudien - Metaanalysen - Ethikstudien
Abb. 5-2: Chirurgische Forschung beim Polytrauma: Spektrum der notwendigen Methoden. Erläuterungen s. Text Kap. 1
Am Unfallort geht es primär um die Überprüfung sinnvoller und zeitgerechter Erstmaßnahmen. Hier hilft die Methodik der Algorithmen, über die Empfehlungen oder Handlungsleitlinien erstellt werden können, die so überprüfbar gemacht werden. Handlungsleitlinien werden für unterschiedliche Verletzungsmuster bzw. Schweregrade erstellt. Zur Klassifizierung sind Scoresysteme geeignet. Mit Methoden der klinischen Epidemiologie können aus demographischen Daten des Patienten und dokumentierten Interventionen, Risiko- und Prognoseaussagen gemacht werden, die in Handlungsleitlinien zur Schockraumversorgung in der Klinik einfließen. Derzeit heftig umstrittene Fragen sind z. B. Art, Umfang und Zeitpunkt der operativen Erstversorgung (frühsekundäre vs. primäre Stabilisierung). Da jedes zusätzliche Op.-Trauma zur weiteren Immunsuppression beiträgt und dies ein posttraumatisches Organversagen begünstigen kann, sind klinische Studien zur Pathobiochemie und Immunologie angezeigt. Wegen der oft zu komplexen Situation beim Patienten, muß ergänzend auf die Untersuchung von Teilsystemen zurückgegriffen werden. Vom Tierexperiment mit klinisch relevanten hämorrhagischen-traumatischen
Methodik der Algorithmen hilft bei der Erstellung von Handlungsleitlinien. Epidemiologische Methoden helfen, Risiko- und Prognoseaussagen zu machen.
Zur Klärung des posttraumatischen Organversagens sind klinische Studien zur Pathobiochemie und Immunologie notwendig.
5. Chirurgische Forschung
26 Zusätzlich s i n d tierexperimentelle Untersuchungen u n d molekularbiologische Methoden u n b e d i n g t erforderlich!
Ebenso ist die Einbeziehung v o n Systemtheoretikern (z. B. Chaosforschern) sinnvoll. Ergänzend sind: • systematische Follow-up-Studien • Lebensqualitätsstudien • Qualitätssicherungsstudien und • Ökonomiestudien
Evaluierung v o n Operationsverfahren ist eine wichtige Forschungsaufgabe, z. B. - endoskopische Chirurgie - Transplantationschirurgie - onkologische Chirurgie
Chirurgische Forschung ist wichtiger Bestandteil optimaler Patientenversorgung!
Schockmodellen, der Untersuchung isolierter Organsysteme (Mikrozirkulationsforschung), bis hin zu zeit- und molekularbiologischen Methoden, öffnet sich hier ein weites Forschungsfeld. Die Reduktion auf immer kleinere Systeme führt zwar zu ein e m Zuwachs an Wissen (nicht notwendigerweise auch Erkenntnis), birgt aber gleichzeitig die Gefahr, daß m a n sich in der Komplexizität verliert. Deshalb sind integrative Ansätze und die Einbeziehung von Systemtheoretikern (z.B. Chaosforschern) zunehmend wichtig. In der Regel handelt es sich bei R e a k t i o n e n des Körpers auf eine Noxe (Trauma) um dynamische Systeme mit nicht linearen Verläufen, die auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation besitzen. O b und wie weit schließlich die Gesamtheit der diagnostischen u n d wissenschaftlich begründeten therapeutischen M a ß n a h m e n zum gewünschten (erreichbaren) Ziel d e r Rettung des Patienten unter Wiederherstellung der körperlichen, funktionellen und psychischen Leistungsfähigkeit geführt hat, ist durch systematische Follow-upStudien und Studien zur Lebensqualität zu prüfen. Durch Qualitätssicherungsstudien (Traumaregister) unter Einbeziehung von wirtschaftlichen A s p e k t e n (ÖkonomieStudien) sind externe Vergleiche möglich.
Ein ähnlich umfangreiches Methodenspektrum läßt sich auch für die Evaluierung von Operationsverfahren für verschiedene Erkrankungen aufzeigen (z. B. endoskopische-, Transplantations-, onkologische Chirurgie). Der Bewertung chirurgischer Technologien im Vergleich mit konservativen Verfahren (z.B. Ulkuschirurgie, Refluxkrankheit) mit Methoden der Technologiebewertung und der Wahl relevanter Endpunkte kommt mit dem steigenden Patientenanspruch an die Medizin eine immer größere Bedeutung zu. Damit ist klar, daß die Chirurgische Forschung ein wichtiger Bestandteil der optimalen Patientenversorgung ist!
M e t h o d e n der chirurgischen Forschung
2. Methoden, Organisationsformen
Klinimetrische Methoden (Tab. 5-1)
2.1 Methoden Die wichtigsten klinimetrischen Methoden gliedern sich in klinische Studien, Entscheidungsanalysen und Methoden zur Technologiebewertung. Klinische Studien umfassen: Interventionsstudien: prospektive, kontrollierte, randomisierte Studien; Beobachtungsstudien: Kohortstudien mit Kontrollen (prospektivparallele oder prospektiv-historische Kontrollen); Fallkontrollstudien. Entscheidungsanalysen umfassen: Scoringsysteme, klinische Algorithmen, Entscheidungsbaumanalysen, Risiko- und Prognosestudien Technologiebewertung umfaßt: Metaanalysen, Konsensusmethoden, Qualitätssicherungsstudien, Ökonomiestudien Tab.5-1: Zielsetzung und Bedeutung von Scores Ziel
Bedeutung
Schweregradklassifikation
Vergleiche von Patientenpopulationen
Therapieplanung (Einzelpatient)
Therapieentscheidung und Prognoseeinschätzung
Therapiebeurteilung (Einzelpatient)
Verlaufsüberwachung und -beurteilung
Therapiekontrolle (Patientengruppe)
Qualitätskontrolle und -Sicherung Festlegung v o n Leitlinien
Leistungsaufwand
Ökonomie (Personal- und Sachmittel)
1. Klinische S t u d i e n
2.1.1 Klinische Studien
klären kontroverse Ansichten, haben an Bedeutung gewonnen. Methodische Form: richtet sich nach Art, Ziel und Zeitrichtung der Fragestellung.
Klinische Studien nehmen als Methode der Klinischen Forschung und Entscheidungshilfe zur Klärung kontroverser Ansichten einen immer breiteren Raum ein. Die methodische Form der Studie wird durch die Art, das Ziel und die Zeitrichtung der primären Fragestellung festgelegt.
Methoden, Organisationsformen
27
X
Atiologiestudien
Pathophysiologiestudien Diagnostikstudien Therapiestudien
vor Krankenhausaufenthalt
s Geburt
während Krankenhausaufenthalt Diagnostikphase
nach Krankenhausaufenthalt
Therapiephase
Abb.5-3: Zeitliche Einordnung von Fragestellungen klinischer Studien in der Chirurgie
• Nach der Art der Fragestellung unterscheidet man Studien zur Ätiologie, Pathogenese, Diagnose und Therapie von Krankheiten. Die zeitliche Entwicklung ist in Abb. 5-3 dargestellt. • Nach dem Ziel der Fragestellung unterscheidet man Studien zur Hypothesentestung (InterventionsStudien) von Studien zur Hypothesengewinnung (Beobachtungsstudien s. o.). Bei der Hypothesentestung liegt vor Beginn der Studie eine gezielte Fragestellung zu einem klinischen Problem als Null- oder Alternativhypothese vor. Ziel der Studie ist es, die Gültigkeit der wissenschaftlich begründeten Hypothese zu überprüfen (z.B. 2 konkurrierende Op.-Verfahren bei der Frakturversorgung oder der Tumorbehandlung). Bei der Hypothesengewinnung werden Daten von Patienten unter einer mehr allgemeinen Fragestellung gesammelt. Ziel der Datenerhebung ist es, Kriterien herauszufinden, anhand derer sich konkrete Fragestellungen definieren lassen. Solche Studien werden durchgeführt, wenn z. B. nicht klar ist, in welchen Zielkriterien (Endpunkten) sich konkurrierende Verfahren tatsächlich unterscheiden. Sie sind oft die Voraussetzung für Studien zur Hypothesentestung, in denen dann die wichtigste Frage teststatistisch geprüft wird. • Nach der Zeitrichtung der Fragestellung unterscheidet man 2 Formen von Studien: die prospektive, in die Zukunft gerichtete Verfolgung von Patienten und die retrospektive, in die Vergangenheit gerichtete Erhebung von Patientendaten.
• nach der Art: - Studien zur Ätiologie, Pathogenese, Diagnose und Therapie von Krankheiten • nach dem Ziel: - Studien zur Hypothesentestung und -gewinnung
Methodische Formen klinischer Studien. Das Spektrum reicht von prospektiven, kontrollierten, randomisierten Studien mit der höchsten Wertigkeit über prospektive Studien mit Kontrollen (gleichzeitig parallel oder historisch) bis hin zu retrospektiven Studien, Sammelstatistiken und Fallberichten mit der geringsten Wertigkeit.
Methodische Formen klinischer Studien
Prospektive, randomisierte Studien sind der qualitative Orientierungsmaßstab (methodologischer Goldstandard) für alle Arten von Studien.
• nach der Zeitrichtung der Fragestellung: - prospektiv - retrospektiv
4=
5. Chirurgische Forschung
28 a) Interventionsstudien: prospektiv, randomisiert, kontrolliert. darf für den Patienten kein zusätzliches Risiko bringen Elemente eines solchen Studienprotokolls s. unten Prüfung in einer Ethikkommmission ist unerläßlich!
2.1.1.1 Interventionsstudien Interventionsstudien (prospektiv, randomisiert, kontrolliert) sind definiert als für die Zukunft geplante (= prospektiv) experimentelle Untersuchungen am kranken Menschen mit Test- und Kontroll- bzw. Vergleichsgruppe und dürfen für den einzelnen Patienten kein zusätzliches Risiko bedeuten (Beachtung und Einhaltung ethischer Prinzipien, s.u.). Die Betrachtung der interessierenden Patienten beginnt mit der Krankheit und deren Beeinflussung durch den Arzt (Therapie) und endet mit dem Eintritt des Zielereignisses (z. B.Heilung oder Verminderung des Leidens anhand eindeutig definierter Kriterien). Nach ihrem Erfinder Sir Bradford Hill besteht ihr innerstes Wesen im Vergleich. Daß dieser Vergleich zwischen Patientengruppen, die sich nur hinsichtlich der in der Fragestellung formulierten Ausgangslage unterscheiden, unter klinischen Bedingungen so vollkommen wie möglich gelingt, setzt die Einhaltung einer Reihe wissenschaftlicher Prinzipien voraus. Dies sind vor allem: • die gleichzeitige Kontrolle mit einer Standardtherapie • Wiederholungen, d. h. die Rekrutierung ausreichend großer Patientenzahlen, deren Berechnung von der Variabilität des Ansprechens auf die Intervention und von der Größenordnung des Unterschiedes zwischen den Gruppen bestimmt wird • der Vergleich von Patientengruppen mit ähnlichen Eigenschaften, die sich nur in ihren Behandlungen unterscheiden • die Loszuteilung (Randomisierung) zu der einen oder anderen Gruppe zur Ausschaltung persönlicher Voreingenommenheit des Studienleiters (Arztes) • das größtmögliche Ausmaß an objektiver Messung der Ergebnisse und • der Anwendung subjektiver Erhebungen nur unter einer strikten und wirksamen Kontrolle, die eine Abwesenheit von Voreingenommenheit sicherstellt.
• Regeln für eine klinische Studie werden in einem Studienprotokoll festgelegt. - Prüfung durch eine Ethikkommission ist Voraussetzung!
Praxishinweis:
Ethische Gesichtspunkte. Erste Voraussetzung für die Zuweisung von Patienten zu einer Studie überhaupt ist die therapeutische Vertretbarkeit im Hinblick auf den konkreten Patienten. Zweite Voraussetzung für die Patientenzuteilung (Randomisierung) ist die Unsicherheit darüber, welche Therapie besser für den Patienten ist. Eine Studie ist sinnvoll, wenn wissenschaftlich und subjektiv eine vergleichbare Ungewißheit über den Erfolg konkurrierender Therapien besteht. Jede klinische Studie muß einer Ethikkommmission zur Prüfung vorgelegt werden! Die Regeln, nach denen eine klinische Studie durchzuführen ist, werden in einem Studienprotokoll festgelegt: (1) Beschreibung des klinischen Problems, (2) klar definierte Fragestellungen/Hypothesen, (3) Begründung der Notwendigkeit der Studie, (4) Beschreibung der methodischen Form, (5) Definition der Grundgesamtheit: Einschluß- und Ausschlußkriterien (Flucht- und Ausfallklauseln), (6) Definition und Beschreibung von Test- und Vergleichsgruppen, (7) Verfahren zur Durchführung der Zuteilung zu Test- und Vergleichsgruppen (Randomisieren), (8) Begründung und (Nicht-)Durchführung von Blindbedingungen, (9) Berechnung des Stichprobenumfangs (Begründung), (10) Daten der Studie: Basisdaten der Patienten, Zielvariablen (Endpunkte), Gewinnung der Daten, Qualitätssicherung und -kontrolle, geplante Datenanalyse (Statistik), Datenschutz, (11) Ethik, (12) Ablauf der Studie am Einzelpatienten (Logistik), (13) Organisationsstruktur, (l4) Literaturverzeichnis, (15) Erhebungsbogen für den Einzelpatienten (Prüfprotokoll). Hieraus wird das Prüfprotokoll (Erhebungsbogen) für den Einzelpatienten entwikkelt. Das Studienprotokoll, die theoretische Basis jeder klinischen Studie, kann als ein Konsensuspapier zwischen Studienplanern, Patienten, wissenschaftlicher Fachgesellschaft und Öffentlichkeit (Ethikkommmission) angesehen werden. Zunehmend werden Studienprotokolle vor Beginn einer Studie öffentlich zur Diskussion gestellt und publiziert.
Methoden, Organisationsformen 2.1.1.2
Beobachtungsstudien
B e o b a c h t u n g s s t u d i e n (s. A b s c h n i t t 2.1) sind die häufigsten S t u d i e n (experim e n t e l l e u n d klinische) in d e r Medizin. Sie sind vor allem f ü r die Aufklärung von Ursache-Wirkungs-Prinzipien (Ätiologie, P a t h o g e n e s e etc.) a u ß e r o r d e n t l i c h wichtig. Verglichen werden beispielsweise Patienten, die einen hämorrhagisch-traumatischen Schock aufgrund eines Unfalls erlitten haben mit Nicht-Schockpatienten, bei denen zur gleichen Zeit bestimmte Schockmediatoren gemessen werden. Hier wird nur beobachtet und nicht interveniert (Beobachtungsstudie).
29 b) Beobachtungsstudien: • dienen der Aufklärung von UrsacheWirkungs-Prinzipien z. B. - Messung der Schockmediatoren bei Patienten mit einem hämorrhagischtraumatischen Schock- und NichtSchockpatienten - nur Beobachtung, keine Intervention - Einhaltung des Studienprotokolls von höchster Wichtigkeit!
Solche Studien h a b e n h ö c h s t e Wertigkeit, w e n n so viele B e d i n g u n g e n wie möglich (s.o.) e i n g e h a l t e n w e r d e n ( A u s n a h m e nur R a n d o m i s i e r u n g ) . Ziel m u ß sein, untersuchungs-, p a t i e n t e n - u n d b e o b a c h t e r b e d i n g t e E i n f l ü s s e auf d a s E r g e b n i s zu m i n i m i e r e n (Bias). So entdeckte beispielsweise Berkson, daß in klinischen Studien Patienten (im Krankenhaus) mit Probanden (gesunden Personen, Studenten, Pflegepersonal etc.) nicht verglichen werden können, weil sie unterschiedlichen Populationen angehören und damit Unterschiede zwischen ihnen durch viele andere Merkmale miterklärt werden können (vermengte Effekte, Bias). Je w e i t e r weg U n t e r s u c h u n g e n von P a t i e n t e n im gleichen K r a n k e n h a u s zur gleichen Z e i t (gleiche B e d i n g u n g e n ) g e g e n ü b e r K o n t r o l l p a t i e n t e n d e r Studie liegen (z. B. L i t e r a t u r k o n t r o l l e n ) , u m s o g r ö ß e r ist die G e f a h r der Fehlint e r p r e t a t i o n durch v e r m e n g t e E f f e k t e ( z . B . regionale U n t e r s c h i e d e ) . Gefundene Assoziationen in Beobachtungsstudien bedeuten noch keine kausalen Zusammenhänge. Diese müssen ständig durch Kriterien überprüft werden, von denen die klassischen Koch-Dale-Kriterien (Anwesenheit bei Krankheit, Abwesenheit bei Gesundheit, Erzeugung der Krankheit im Tierversuch und Verhinderung - Besserung - durch eine spezifische Therapie) nur die einfachsten sind. Weitere Kriterien für die Ermittlung von deterministischen Zusammenhängen sind die Hill-Kriterien (Stärke der Assoziation, Beständigkeit, Spezifität, zeitliche Beziehung, Dosiswirkungskurve oder biologischer Gradient, biologische Plausibilität, Kohärenz der Beweisführung, Reversibilität, Analogie). Die klinische Realität ist oft jedoch noch komplexer und in ihren Kausalzusammenhängen nur mit multivariaten Verfahren (Modellen mit vielen Parametern) zu prüfen.
Assoziation * Kausalität Kriterien zur Prüfung sind: Koch-Dale-Kriterien Hill-Kriterien
Hinsichtlich d e r ethischen Probleme sind diese Studien w e n i g e r stark u m stritten. W e g e n der zusätzlichen U n t e r s u c h u n g e n ( B l u t p r o b e n ) u n d B e f r a g u n g e n d e r P a t i e n t e n ( Z u s a t z b e l a s t u n g e n ) , müssen sie e b e n f a l l s von E t h i k kommissionen geprüft und genehmigt werden. 2.1.2
Entscheidungsanalysen
Definition. E n t s c h e i d u n g s f i n d u n g o d e r -analyse s u b s u m m i e r t eine g r o ß e G r u p p e v e r s c h i e d e n e r M e t h o d e n (s. A b s c h n i t t 2.1). H i e r z u g e h ö r e n die E n t w i c k l u n g u n d Validierung v o n Scoresystemen, v o n klinischen A l g o r i t h m e n , statistische E n t s c h e i d u n g s b a u m a n a l y s e n sowie Risiko- u n d P r o g n o s e studien. Beispiel: Entscheidungen auf der Intensivstation, z. B. die Diagnosestellung bei Sepsis oder die Prognoseeinschätzung beim Polytrauma, sind komplex und erfordern die Einbeziehung vieler Einzelinformationen aus unterschiedlichen Quellen. Scoresysteme komprimieren (reduzieren) das komplexe klinische Bild in einen handlichen Zahlenwert (Punktsummenwert). Zielsetzungen des Scoring allgemein sind Schweregradklassifikationen, Prognoseeinschätzungen, Verlaufsbeurteilungen, Therapiekontrolle und Leistungsbemessung (Tab. 5-1). Mittlerweile gibt es zahlreiche Scores, häufig sogar mehrere konkurrierende für die gleiche Krankheit und Fragestellung: • APGAR-Einteilung für Neugeborene, die Einteilung nach Alter und verbrannter Körperoberfläche bei Verbrennungspatienten (ABSI), die ASA-Klassifikation in der Anästhesie, die CHILD-Klassiflkation bei Patienten mit Leberzirrhose, die VISICK-Klassifikation, das TNM-System oder der APACHE-Il-Score für Intensivpatienten. Durch die Vielfalt der Instrumente besteht oft eine erhebliche Verwirrung darüber, welcher Score bei welcher Krankheit eingesetzt werden soll. Wichtig für die Auswahl eines Scores ist, daß er reproduzierbar und valide mißt, auf Veränderungen im Patientenstatus ausreichend sensibel reagiert, daß er praktikabel ist und vor allem,
Entscheidungsanalysen Entwicklung und Validierung von Scoresystemen, klinischen Algorithmen, Entscheidungsbaumanalysen sowie Risikound Prognosestudien.
Zielsetzung und Bedeutung von Scoress. Tab. 5-1: • bewährte Scores: - APGAR-Einteilung für Neugeborene - ABSI Prozenteinteilung für Verbrennungspatienten - ASA-Klassifikation in der Anästhesie - CHILD-Klassifikation bei Leberzirrhose - VISICK-Klassifikation - TNM-System in der Onkologie - APACHE-Il-Score für Intensivpatienten
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5. Chirurgische Forschung daß er zielgerecht eingesetzt wird. Für die meisten Scores liegen heute zahlreiche und qualitativ gute Evaluierungsstudien vor.
Grundsätzlich ist festzuhalten, daß Scoresysteme für die Prognose und vergleichende Analysen von Patientengruppen wertvoll, für die Vorhersage z.B. der Letalität im Einzelfall aber nicht zu empfehlen sind. Algorithmen und Stufenpläne dienen als Leitlinie oder Empfehlung zur Diagnose oder Therapie definierter Patientengruppen.
Häufig fließen Informationen aus Scores in Algorithmen und Stufenpläne ein, die als Leitlinie oder Empfehlung zur Diagnose oder Therapie für definierte Patientengruppen dienen. Auch für die Erstellung von Algorithmen gibt es klare Regeln. Unter klinischen Algorithmen versteht man die graphische Lösung eines medizinischen Problems in einer endlichen Zahl von Schritten. Klinische Algorithmen werden gerne als Flußdiagramme dargestellt und enthalten Ellipsen, Rauten und Pfeile als Symbole. Algorithmen gewinnen als Instrumente zur Qualitätskontrolle (s. u.) an Bedeutung.
Entscheidungsunterstützung auch im Einzelfall, d.h. objektive Entscheidungsfindung im Unterschied zur persönlichen, intuitiven „Entscheidungskunst" des einzelnen Chirurgen.
Objektive Entscheidungsfindung. Zur Entscheidungsunterstützung im Einzelfall (in klinischen Notfallsituationen z.B. akuter Bauchschmerz, akute gastrointestinale Blutung), wo es gilt, auch unter Zeitdruck den richtigen Weg zu finden, wurden Methoden entwickelt, die vor allem dem jüngeren Kollegen helfen können: objektive Entscheidungsfindung (systematische Entscheidungsanalyse) im Unterschied zur persönlichen, intuitiven Entscheidungsfindung (Entscheidungskunst) des einzelnen Chirurgen. Die Entscheidungskunst besteht aus einer Kette oder einem Netzwerk mit bewußten und intuitiven Elementen wie Mustererkennung und Ausschlußprinzip. Die Vorteile liegen in der Bewährung vor allem am individuellen „schwierigen" Fall sowie der Flexibilität durch dynamische Anpassung an den aktuellen Befund. Ihre Nachteile und Schwächen sind aber auch unübersehbar; ihre Qualität ist abhängig von individueller Erfahrung, beeinflußt durch Voreingenommenheit, Emotionen, mangelnde Aufmerksamkeit (z.B. Nachtdienst) und Vergeßlichkeit. Überflüssige, unvollständige oder falsche Informationen werden einbezogen, und positive und negative Befunde werden unterschiedlich gewichtet. Protokollisierte Medizin (J. Pliskin) oder systematische klinische Entscheidungsanalyse: Die Methoden hierfür werden als formale und objektive Entscheidungsfindung bezeichnet. Ihre Vorteile liegen darin, daß sie die Fülle von Entscheidungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer klinischen Situation berücksichtigen und vor allem ihre Folgen. Sie quantifizieren das Ausmaß an Unsicherheit, mit dem Folgen von Entscheidungen eintreten, und führen zu faßbarer und damit lehrbarer Risikoabwägung bei konkurrierenden therapeutischen Entscheidungen. Ihr Nachteil liegt im Zeitaufwand, mit dem individuelle Entscheidungen getroffen werden müssen. Deshalb hilft die systematische Entscheidungsanalyse überwiegend nur bei Standardsituationen und ergänzt damit die Entscheidungskunst.
Entscheidungskunst: Vorteile: Bewährung am individuellen „schwierigen" Fall und Flexibilität durch dynamische Anpassung an den aktuellen Befund. Nachteile: Qualität abhängig von individueller Erfahrung, beeinflußt durch Voreingenommenheit, Emotionen, mangelnde Aufmerksamkeit etc. • systematische klinische Entscheidungsanalyse: -» „protokollierte Medizin" - Vorteile: Berücksichtigung einer Fülle von verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten, quantifizieren das Ausmaß an Unsicherheiten. - Nachteile: großer Zeitaufwand, hilft nur bei Standardsituationen und ergänzt damit die Entscheidungskunst.
Entscheidungsbäume. Beispiel: Durch zahlreiche prospektive und retrospektive Studien wurde ein Entscheidungsbaum für die gastrointestinale Blutung erstellt und deren Risiko von 15% auf 6% gesenkt!
Als Technik bedient man sich sog. Entscheidungsbäume. Die Ausgangslage (Szenario) wird durch ein Viereck dargestellt. Von diesem Viereck gehen Behandlungsarme (durch Linien dargestellt) aus. Jeder Behandlungsarm hat Konsequenzen, die aus dem eigenen Krankengut oder der Literatur als Ergebnis von klinischen Studien oder Metaanalysen (s. u.) geschätzt werden. Diese Schätzung heißt Erwartungswert für eine vorgenommene Strategie. Die Schätzwerte für die Strategien unterscheiden sich, woraus der Chirurg seine Konsequenz für das weitere Vorgehen ableitet. In den Strategiearmen eines Entscheidungsbaumes wird also gleichzeitig und konsequent verglichen und zwar nicht nur über eine Variable, wie in kontrollierten Studien, sondern über ganze Strategien mit vielen gleichzeitigen und hintereinandergestalteten Variablen. Mit Hilfe eines solchen auf der Basis zahlreicher prospektiver und retrospektiver Studien erstellten Entscheidungsbaumes konnte beispielsweise die Mortalität der oberen gastrointestinalen Blutung von 15% auf 6% gesenkt werden
Methoden, Organisationsformen
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2.1.3 Technologiebewertung
Technoiogiebewertung
Obwohl Patienten wegen Schmerzen (Pankreatitis, Ulkus), Sodbrennen und Regurgitation (Refluxerkrankungen), Koliken, Nahrungsmittelunverträglichkeit (Gallensteinleiden) den Chirurgen aufsuchen, wird der Erfolg einer Operation nur selten an einer Verminderung der Prävalenz dieser Symptome, sondern durch harte Kriterien beschrieben: Komplikations-/Rezidivraten, Letalität oder objektive Befunde der Endoskopie (Manometrie), Histologie, Bakteriologie, Funktions- und Labordiagnostik.
Zur Evaluierung chirurgischer Techniken müssen vor allem patientenbezogene Kriterien bewertet werden
Die Überbetonung biochemischer und pathophysiologischer Aspekte in der Ausbildung und die Skepsis der Chirurgen gegenüber weichen Daten sind Ursache dieser Diskrepanz.
Zur Beurteilung können herangezogen werden: - sog. harte Kriterien - sog. weiche Kriterien
Soll jedoch der Wert einer chirurgischen Intervention umfassend evaluiert werden, müssen patientenbezogene Kriterien (s.o.) stärker berücksichtigt und zuverlässig gemessen werden. Die allgemeinen Schritte einer systematischen Technologiebewertung (Schritte 1-5) gehen auf die 1985 veröffentlichten Definitionen des „Committee for Evaluating Medical Technologies in Clinical Use" in Boston zurück: (1) Machbarkeit: Sicherheit, technische Durchführbarkeit, Mortalität (2) Effizienz (efficiency): Nachweis des Nutzens (Vorteil) für den Patienten in Spezialkrankenhäusern unter optimalen Bedingungen, Vorteil für den Chirurgen (OPZeit, Technik) (3) Effektivität (effectiveness): Nachweis des Nutzens (Vorteil) für den Patienten in Krankenhäusern der Normalversorgung (breite Anwendung) (4) Ökonomie: Kosten, Kosten-Effektivitäts- und Kosten-Nutzen-Analysen zum Nachweis des Nutzens für den Krankenhausträger oder die Gesellschaft (5) Ethik: Rechtfertigung der Durchführung/Anwendung unter ethischen Gesichtspunkten (Indikation zur Op.; Inzidenz von Reoperationen, etc.) Der erste Schritt nach der Entwicklung einer neuen Technologie (z. B. der endoskopischen Chirurgie in einer der vielen beanspruchten Indikationsbereiche) ist der Nachweis, daß kurzgesteckte Ziele erreichbar sind (Machbarkeit, technische Durchführung bei hoher Sicherheit). Der 2. Schritt, die Prüfung der Effizienz, konzentriert sich auf die Auswirkung einer als machbar erachteten Technologie auf den Patienten. Als Bewertungsmaße können folgende Kriterien herangezogen werden, für die zuverlässige Instrumente zur Verfügung stehen: • Schmerz (Inzidenz, Intensität, Lokalisation, Qualität), Übelkeit, Erbrechen, Fatique (Abgeschlagenheit), Rekonvaleszenz, Lebensqualität. Der hohe Prüfungsaufwand kann nur an Zentren geleistet werden, die sich intensiv klinisch und wissenschaftlich mit der Technologie befassen. Diesen ersten Ergebnissen schließt sich die Prüfung der generellen Anwendbarkeit an. Die Effektivität einer Technologie wird unter Routinebedingungen in Krankenhäusern der Normalversorgung untersucht. Dieser Schritt ist essentiell bevor eine Technologie als Standardverfahren empfohlen werden kann. Die abschließende Prüfung ist die ökonomische Analyse, der besonders unter den Bedingungen des Gesundheitsstrukturgesetzes hohe Bedeutung zukommt.
5 Schritte der Technologiebewertung: 1. Machbarkeit 2. Effizienz 3. Effektivität 4. Ökonomie 5. Ethik
2.1.3.1 Methoden der Technologiebewertung
Methoden der Technoiogiebewertung
Untersuchungen werden unter Routinebedingungen in Krankenhäusern der Normalversorgung durchgeführt ->Prüfung der generellen Machbarkeit
Die Wahl der Methode zur Bewertung einer Technologie (z.B. eines neuen Operationsverfahrens) richtet sich nach der Phase der Evaluierung: • randomisierte Studien sowie prospektive Beobachtungsstudien sind zur Prüfung der Machbarkeit und Effizienz grundsätzlich geeignet (s. o.) • die Effektivität wird durch andere Methoden geprüft: Metaanalysen, Konsensusmethoden, Qualitätssicherungsstudien am besten auf der Basis systematischer Follow-up-Untersuchungsergebnisse. Unter einer Metaanalyse versteht man einen systematischen und strukturierten Ansatz zur Integration von Ergebnissen bisher publizierter, unabhängiger Studien. Für die Beurteilung einer neuen Technologie können sie besonders hilfreich sein, da meist sehr schnell, noch bevor die Technologie auf Effektivität ge-
Metaanalysen • integration unabhängiger Studienergebnisse.
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5. Chirurgische Forschung 1. Ziel
• Spezifische Frage oder Hypothese • Primäre und sekundäre Endpunkte
2. Literatursuche • Quellen, Datenbanken • Suchstrategien • Liste der identifizierten Artikel
3. Studienqualität • Studiendesign (Kontrollgrp., Randomisierung etc.) •Einschlußkriterien • Qualltätsscores
4. Studienergebnisse • Vergleichbare Effektmaße • Tabelle mit Rohdaten
5. Statistische Analyse • Modell • Gesamteffekt • Konfidenzintervalle • Heterogenität •Graphische Darstellung
7. 6. SensitivitätsSchlußAnalyse folgerung • Subgruppen- •Kritische analyse Diskussion •Quaiitäts• Faktenbasierte gewichtung Schluß•Stabilität der folgerungen Ergebnisse •Bedeutung für künftige Studien
Abb. 5-4: Methodik der Metaanalyse in einem Flußdiagramm (nach Neugebauer et al., 1996)
prüft ist, viele kleinere Studien an verschiedenen Häusern mit meist kleiner Fallzahl durchgeführt werden (Beispiel: laparoskopische Cholezystektomie). • Aus der systematischen und reproduzierbaren Zusammenfassung von Ergebnissen lassen sich Empfehlungen ableiten. • wissenschaftliche Alternative zum klassischen Übersichtsartikel • Einzelelemente der Metaanalyse (Abb. 5-4) • Hauptvorteil: Aussagen über Subgruppen von Patienten, die in klinischen Studien nur mit geringen Fallzahlen repräsentiert sind.
Die primäre Intention eines solchen Ansatzes ist es, das bestehende Wissen in systematischer u n d reproduzierbarer Weise zusammenzufassen und hieraus Empfehlungen abzuleiten. Die Metaanalyse versteht sich als wissenschaftliche Alternative zum klassischen Übersichtsartikel (Reviewartikel), in d e m Ergebnisse lediglich qualitativ zusammengefaßt und eher subjektiv bewertet werden. Die zu einer Metaanalyse gehörenden Einzelelemente sind in Abb. 5-4 dargestellt. Bei deren Bearbeitung und verantwortungsvoller Bewertung sind Fehlinterpretationen weitgehend vermeidbar. Wichtige E l e m e n t e einer Metaanalyse sind: die Vollständigkeit der D a t e n , die Evaluation der Qualität der Information, die quantitative Integration unter Zuhilfenahme statistischer Verfahren. Ihr Hauptvorteil liegt in der Möglichkeit, Aussagen über Subgruppen von Patienten zu machen, die in klinischen Studien oft nur mit geringen Fallzahlen repräsentiert sind.
Konsensusmethoden Wichtig für die Gesundheitsforschung. • 2 Methoden haben sich bewährt: - Konsensuskonferenzen - Delphi-Studien
Konsensusmethoden. Hauptanliegen ist es, den State ofthe art von medizinischen und chirurgischen Verfahren zu ermitteln und hieraus Leitlinien und Empfehlungen abzuleiten. Das Ergebnis der Konsensusentscheidungen hängt sehr stark von der Methode ab, wie sie herbeigeführt wurden. 2 Methoden haben sich durchgesetzt: • Konsensuskonferenzen und Delphi-Studien. Die Hauptmerkmale einer Konsensuskonferenz sind: • Organisation am besten durch zuständige wissenschaftliche Fachgesellschaften • klar umrissenes Thema mit ausreichender wissenschaftlicher Erkenntnis und bestehender Kontroverse • Vorbereitung und Abwicklung durch unabhängige Einrichtung • Auswahl eines Panels bestehend aus verschiedenen Interessensvertretern (1015 Personen) Formulierung von pre-consensus-statements • Diskussion von Pro- und Kontra-Standpunkten im Plenum (breite Öffentlichkeit) • Verfassen von eindeutigen konkreten und praxisnahen consensus statements; Aufdecken von weißen Feldern für weiteren Forschungsbedarf • Publikation mit Empfehlungen zur Umsetzung der Ergebnisse; Ü b e r p r ü f u n g der Empfehlungen nach festgesetzter Zeit Methodisch korrekte Konsensuskonferenzen sind in ihrer Durchführung sehr aufwendig. Wegen der Kürze der Zeit (in der Regel 2V2 Tage) sind sie sehr streßvoll und durch G r u p p e n e f f e k t e auch emotional geladen. Diese Nachteile vermeidet die Delphi-Studie: Sie beinhaltet eine mehrfach wiederholte Fragebogenaktion (postalisch) mit immer wieder schriftlichen Informationen aller Mitglieder über den Stand der Konsensusfindung. Diese Frage-Antwort-Runden werden solange fortgesetzt, bis die Antworten zu einem Ergebnis konvergieren.
Qualitätssicherungsstudien • sollen an möglichst vielen Krankenhäusern der Regelversorgung durchgeführt werden. • externe Qualitätssicherung in der Chirurgie wird in Deutschland von Ärztekammern und KV gefordert • Analysen werden auf Fragebögen dokumentiert und anonymisiert
Qualitätssicherungsstudien beurteilen, ob neue Therapien effektiver als die bisherigen sind. Sie sollen eine möglichst große Anzahl von Krankenhäusern der Regelversorgung einschließen. Die externe Qualitätssicherung in der Chirurgie wird in Deutschland von Ärztekammern bzw. Kassenärztlichen Vereinigungen durchgeführt. Ü b e r standardisierte D o kumentationsbögen bzw. Datenträger werden behandlungsbezogene D a t e n (intraund postoperativ) anonymisiert von Einzelkliniken an zentrale Auswertungsstellen übermittelt. Die Ergebnisse der Auswertungen der jeweiligen Klinik im Vergleich mit den anonymisierten Summationsdaten der übrigen Kliniken werden d e n Einzelkliniken zur Verfügung gestellt. Durch Vergleich mit Referenzbereichen für gute
Methoden, Organisationsformen
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Qualität können Versorgungsprobleme erkannt werden. In Qualitätssicherungsstudien (-programmen) folgt der Problemerkennung die -analyse mit dem Erarbeiten von Problemlösungen. Nach Umsetzung in die Praxis, folgt der weiteren Handlungsbeobachtung (Dokumentation) die Evaluation der Problemlösung, die zur Beseitigung des Problems führen sollte (Qualitätssicherungsschleife). Im Idealfall führt dieser Zyklus durch Beseitigung eines Problems nach dem anderen zu einer schrittweisen Qualitätsverbesserung (s. Kap. 6, S.35).
• Ziel: Erarbeitung von Problemlösungen.
Ökonomiestudien sind ein wichtiger Baustein bei der Technologiebewertung eines neuen Verfahrens, nachdem die technische Machbarkeit sowie die Durchführbarkeit auch unter Routinebedingungen gezeigt worden ist.
Ökonomie-Studien • wichtiger Baustein bei der Technologiebewertung, nachdem die technische Machbarkeit unter Routinebedingungen gezeigt wurde.
Erst das Wissen um die Kosten einerseits und den meßbaren Vorteil einer Maßnahme (Therapie) für den Patienten andererseits ermöglicht dem Arzt eine kompetente Beteiligung an der immer wichtiger werdenden Diskussion um die Verteilung der Mittel im Gesundheitswesen. Klinische Studien ohne ökonomische Analysen werden heute nur noch selten durchgeführt. Ökonomische Analysen befassen sich immer in irgendeiner Form mit den Kosten eines Verfahrens. Die einfachste Form solcher Analysen ist die reine Kostenermittlung, ohne etwas über eine Wirksamkeit oder den Vorteil des Verfahrens auszusagen. Beim Vergleich von 2 Verfahren handelt es sich um eine Kosten-Minimierungs-Studie, wobei der Vorteil/Nutzen der Verfahren als vergleichbar angenommen wird. In der Regel unterscheiden sich 2 Verfahren aber nicht nur in ihren Kosten, sondern auch hinsichtlich ihrer Effekte, die für beide Verfahren gemessen werden müssen. Ein Vergleich ist aber nur möglich, wenn ihr Effekt (oder „Nutzen") in gleicher Weise bestimmt wird. Dies ist einfach, wenn es sich um 2 ähnliche Verfahren handelt (z. B. 2 Op.-Verfahren für eine Diagnose), wird aber komplizierter beim Vergleich operative versus medizinische Therapie. Ein gemeinsames Effektmaß ist also erforderlich für vergleichende KostenNutzen-Abwägungen. Je nach Art der Messung der Effekte unterscheidet man 3 Formen ökonomischer Analysen: die Kosten-Effektivitäts (cost-effectiveness)-Analysen und die Kosten-Nutzwert (cost-utility)-Analysen mit Effektmaßen wie „Befindlichkeit", „Lebensqualität" oderqualitätsadjustierten Lebensjahren (QALYs) sowie die Kosten-Nutzen (cost-benefit)-Analysen, wo auch der Nutzen ausschließlich in D M gemessen wird.
2.2 Organisationsformen In Deutschland werden im wesentlichen 3 Organisationsformen praktiziert. Sie reichen vom wissenschaftlich engagierten Chirurgen als Einzelkämpfer in seiner Klinik über die Kooperation einzelner Chirurgen mit an verschiedenen Universitäten eingerichteten Abteilungen (Instituten) für experimentelle Chirurgie bis hin zum Integrationsmodell der theoretischen Chirurgie. • Wissenschaftlicher Chirurg als Einzelkämpfer. Da praktische Erfahrung und exzellente Technik in vielen Kliniken höher bewertet werden als chirurgische Forschung, befindet sich der Chirurg in dem Dilemma, wie er einen hohen Standard in beiden, der praktischen Chirurgie und der Forschung halten kann. Um praktische Erfahrung zu bekommen, muß er eine bestimmte Anzahl von Operationen durchführen, die sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und andererseits, um wissenschaftlich konkurrenzfähig zu sein, einen großen Zeitanteil im Labor opfern.
• -
Formen Kostenermittlung Kostenminimierung Kosteneffektivitäts-Ermittlung Kosten-Nutzwert-Analysen (Lebensqualität, Befindlichkeit, qualitätsadjustierte Lebensjahre) - Kosten-Nutzen-Analysen
Organisationsformen chirurgischer Forschung In Deutschland werden verschiedene Organisationsformen praktiziert: - wissenschaftlicher Chirurg als „Einzelkämpfer" - Kooperation mit Abteilungen für experimentelle Chirurgie - Integrationsmodell „Theoretische Chirurgie" Chirurgische Forscher als Einzelkämpfer • kurzfristige Einjahresforschung, meist zum Zweck der Habilitation. • oft fehlen Erfahrungen in der klinischtheoretischen (statistischen) Arbeitsmethodik.
Die Zwangsjacke des klinischen Alltags, seine meist unzureichende Ausbildung in klinisch-theoretischer (statistischer!) Arbeitsmethodik sowie zu lange Ausbildungszeiten, lassen eine langfristige, am internationalen Standard orientierte chirurgische Forschung während der klinischen Tätigkeit kaum zu. E r verlegt sich deshalb notgedrungen auf die kurzfristige „Einjahresforschung" an einem theoretischen Institut oder macht schnell eine Serie von Tierversuchen. Nur wenige Ausnahmen existieren von dieser Regel.
• Kooperation mit Abteilungen/Instituten für experimentelle Chirurgie: An vielen Universitäten wurden selbständige Abteilungen und Institute für experimentelle Chirurgie gegründet, die in der Regel von Grundlagenforschern oder nicht mehr tätigen Chirurgen geleitet werden. Sie bieten neben eigenen Forschungsthemen dem wissenschaftlich interessierten Chirurgen für eine bestimmte Zeit eine „Werkstatt", in der er eigenständig Forschungsthemen bearbeiten kann (Kooperationskonzept). Die
Kooperationskonzept mit Instituten für experimentelle Chirurgie • meist von Grundlagenforschern oder nicht mehr in der praktischen Chirurgie tätigen Chirurgen geleitet. • dienen als „Werkstatt" für eigenständige Forschungsthemen des klinisch tätigen Chirurgen
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5. Chirurgische Forschung Abteilungen sehen ihre Aufgabe darin, Möglichkeiten und Kenntnisse aus der Grundlagenforschung in die klinische Chirurgie zu integrieren. Während früher neue Aufgaben durch Kooperation mit den Grundlagenforschern lösbar waren, wird dieser Weg durch die Entwicklung der Grundlagenfächer, die in fast allen Bereichen mehr und mehr zur Analyse von Mikrovorgängen hinstrebt und auf das große Tierexperiment verzichtet, immer schwieriger.
Integration mit der theoretischen Chirurgie • konsequente und permanente Integration von Chirurgen einer Klinik In kleine ständige Arbeitsgruppen zusammen mit Theoretikern.
• theoretischer Chirurg —> Grundlagenwissenschaftler mit einer Ausbildung in Medizin und einer 6-8jährigen Ausbildung in klinisch-chirurgischem Wissen. - davon profitieren beide Partner, vor allem aber der Patient!
Aufgaben: • Bindeglied zur Grundlagenforschung • Anwendung von Methoden der Klinimetrie (s. Abb. 5-2). • Serviceleistungen für die chirurgische Klinik, z. B. Organisation von Fortbildungsveranstaltungen, Aufgaben im Tier- und Strahlenschutz
• Integrationsmodel] der theoretischen Chirurgie: Entwicklung, Konzept, Aufgaben. Entwicklung: Die Chirurgie von heute sieht sich zahlreichen Herausforderungen gegenübergestellt (s. o.). Das Konzept der Experimentellen Chirurgie reicht hierfür allein nicht mehr aus. Es überfordert den einzelnen Kliniker zeitlich und inhaltlich durch die zahlreichen Disziplinen, die für die Lösung eines größeren chirurgischen Problems (s. Abb. 5-2) herangezogen werden müssen. Die Antwort auf diesen Mangel und die notwendige systematische Einbeziehung neuer Technologien in die chirurgische Forschung ist die theoretische Chirurgie. Sie erweitert die experimentelle Chirurgie, in der physikalisch-chemische Forschungsinhalte und das Tierexperiment im Vordergrund des Interesses stehen, um die Klinimetrie und unterscheidet sich in Konzept, Organisationsstrukturen und Aufgaben von ihr in wesentlichen Aspekten. Konzept: Theoretische Chirurgie ist definiert als ein nichtoperatives Unterstützungssystem, zum einen für die chirurgische Entscheidungsfindung in Diagnose und Therapie, zum anderen für die klinische und Grundlagenforschung. Das Schlüsselwort heißt konsequente und permanente Integration von Chirurgen innerhalb eines Krankenhauses in Form von kleinen ständigen Arbeitsgruppen von Chirurgen und Theoretikern. Der theoretische Chirurg, ein Grundlagenwissenschaftler mit einer Teil- oder Vollausbildung in Medizin und einer 6—8j ährigen Ausbildung in klinisch-chirurgischem Wissen, übernimmt in dieser Partnerschaft die Verbindung zu den anderen theoretischen Disziplinen (z.B. Statistik, Biochemie, Pharmakologie, Physiologie, Immunologie, Sozialwissenschaften, Molekularbiologie). So kann er den dafür nicht ausgebildeten Chirurgen wesentlich entlasten und ihn so durch dauernde Information und Diskussion am Forschungsfortschritt teilhaben lassen. Umgekehrt ermöglicht der Chirurg dafür seinem theoretisch arbeitenden Kollegen, die Patienten zu sehen, klinisches Wissen zu erwerben und so die praktischen Dimensionen der klinischen Probleme zu erkennen. So verhindert er das „Abtauchen" des theoretischen Chirurgen in den Elfenbeinturm reiner Grundlagenforschung. Profitieren davon soll neben beiden Partnern vor allem der chirurgische Patient. Aufgaben: Das Spektrum der theroetischen Chirurgie geht über das der experimentellen hinaus. Einzelne Arbeitsgruppen wenden Methoden der Klinimetrie auf die laufenden Probleme (s. Abb. 5-2) an. Neben diesen Aufgaben in der Forschung werden zunehmend Serviceleistungen für die chirurgische Klinik von Abteilungen für theoretische Chirurgie übernommen. Hierzu gehören die Organisation von Fortbildungsveranstaltungen und Kongressen genauso wie Aufgaben im Tier- und Strahlenschutz.
6. Qualitätssicherung in der Chirurgie E. Neugebauer, A. Dietrich, R. Lefering, B. Bouillon
Mit der Einführung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 1.1.93 sind eine Reihe von strukturellen, gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Veränderungen eingetreten. Krankenhäuser unterliegen mehr als bisher den Wettbewerbsbedingungen des freien Marktes. Wirtschaftliche Betriebsführung einerseits und eine hohe Qualität der Patientenversorgung andererseits müssen deshalb zwangsläufig einen höheren Stellenwert erhalten.
Gesundheitsstrukturgesetz bewirkt strukturelle, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Veränderungen im Gesundheitswesen Deutschlands.
In Forderungen nach höherer Wirtschaftlichkeit müssen Maßnahmen zur Qualitätssicherung eingebunden werden, um Verschiebungen zu Ungunsten der Qualität der Versorgung zu vermeiden. Der heutige Student und künftige Assistent muß sich deshalb mit Fragen zur Messung der Qualität der ärztlichen Versorgung, Programmen und Maßnahmen zur Qualitätskontrolle und -Sicherung sowie Begriffen wie Qualitätszirkel und Qualitätsmanagement auseinandersetzen.
Besonderer Stellenwert: • hohe Qualität der Patientenversorgung • wirtschaftliche Betriebsführung
1. Qualitätsnotwendigkeit, -definition, -meßbarkeit 1.1. Notwendigkeit der Qualitätssicherung
Notwendigkeit der Qualitätssicherung
In der Verfassung der W H O ist das Recht des einzelnen auf das höchsterreichbare Ausmaß an Gesundheit und damit auch das Recht auf die bestmögliche Gesundheitsversorgung als oberstes Ziel enthalten. Dies bedeutet einerseits, daß für jeden einzelnen der Zugang zu den Gesundheitsleistungen möglich sein muß, andererseits, daß die Leistungen auch qualitativ abgesichert angeboten werden müssen. Das Credo der Qualitätssicherung lautet: Nur wer seine Schwachstellen und Leistungen kennt, kann sie eliminieren und verbessern.
• In der Verfassung der WHO verankert • Qualitätssicherung heißt nicht Kontrolle
A. Pollock und M. Evans schreiben in „Surgical Audit". „Never trust a surgeon who has never had a complication. He is either blind or lying, or both".
Ziel -» Problembewußtsein schaffen
Alle medizinischen Prozeduren haben Komplikationen, weil Entscheidungen oft unter Bedingungen der Unsicherheit in Diagnose und Therapie getroffen werden müssen. Bei allen Maßnahmen zur Qualitätssicherung geht es nicht um die Kontrolle des Einzelnen und die Rechtfertigung gegenüber Außenstehenden. Ziel ist es vielmehr, ein Problembewußtsein zu schaffen, zur Weiterentwicklung des Einzelnen beizutragen und ein professionelles Handeln bei allen Beteiligten zu erreichen. • Der Patient hat den Anspruch, daß unter qualitativen und quantitativen Aspekten alles getan wird, seine Krankheiten, Leiden oder Körperschäden zeitgerecht zu erkennen, zu heilen, zu bessern oder zu lindern. Auch sollten therapiebedingt keine neuen Schäden oder Beeinträchtigungen entstehen. Ihm selber fällt es aber schwer, die Qualität der Behandlung beurteilen zu können, zumal der Erfolg einer Behandlung nicht immer erreicht werden kann. • Die ärztliche Selbstkontrolle ist eine aus der Berufsordnung und Berufsethik abgeleitete Selbstverständlichkeit des ärztlichen Handelns. Das Niveau der Patientenversorgung kann auf Dauer nur dann gesichert und dem medizinischen Fortschritt angepaßt werden, wenn parallel qualitätsbeurteilende Untersuchungen durchgeführt werden.
Qualitätssicherung heißt: • aus Sicht des Patienten: - Krankheiten zeitgerecht erkennen - Krankheiten heilen oder lindern - Therapieschäden vermeiden
• Der Krankenhausträger begründet die Notwendigkeit zur Qualitätssicherung zweifach. Er ist für eine bedarfsgerechte Versorgung der Patienten mit den medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Leistungen verantwortlich. Zum zweiten
• aus Sicht des Krankenhausträgers: - bedarfsgerechte medizinische Versorgung der Patienten
• aus Sicht des Arztes: - Selbstkontrolle - Problembewußtsein
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6. Qualitätssicherung in der Chirurgie Leistungsfähigkeit und Qualität der Krankenversorgung mit den vorhandenen Ressourcen sichern aus Sicht der Krankenkasse: Patientenversorgung nach dem Erkenntnisstand der Medizinwissenschaft und Medizintechnik Verhindert Anwendung nicht notwendiger Leistungen
Qualitätssicherung ist gesetzlich vorgeschrieben
Was ist Qualität? Qualität beinhaltet subjektiv das Verständnis von Wert und Güte.
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ist er daran interessiert, daß im Zuge der Kostendämpfung die bestmögliche Leistung mit den vorhandenen Ressourcen erreicht wird und es nicht zu unangemessenen Einschränkungen von Leistungsfähigkeit und Qualität der Krankenversorgung kommt. • Die Krankenversicherungen müssen daran interessiert sein, daß ihre Mitglieder zeitgerecht mit den jeweils notwendigen und dem Erkenntnisstand der Medizinwissenschaft und -technik entsprechenden Gesundheitsleitungen versorgt werden. Gleichzeitig sollen die finanziellen Belastungen ihrer Mitglieder möglichst gering und damit das Gesundheitswesen finanzierbar bleiben. Es besteht die Gefahr, daß sich fall- bzw. leistungsorientierte Finanzierungssysteme und die zunehmende Verlagerung von Leistungen in den ambulanten Bereich qualitätsmindernd auswirken. Qualitätssicherung kann hier zweierlei bewirken: Einerseits wird sichergestellt, daß der Patient alles Notwendige für seine Behandlung auch erhält; andererseits verhindert Qualitätssicherung die Anwendung nicht notwendiger Leistungen, d.h. Qualitätssicherung wird auch zu einem Instrument zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Maßnahmen zur Beurteilung, Sicherung und Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung können also je nach Interessenslage mit Ethik-, Sicherheits- und Effizienzmotiven begründet sein. Nach § 137 in Verbindung mit § 112 des SGB V (GRG: 1988) und § 115 b (GSG 1992) hat die Bundesregierung Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Qualitätssicherung verpflichtet. In den letzten Jahren und besonders seit Inkrafttreten des GSG sind eine kaum mehr überschaubare Flut von Richtlinien, Normen und Rahmenempfehlungen hinzugekommen, die alle auf eine qualitätsgesicherte Gesundheitsversorgung zielen.
1.2 Was ist Qualität? In der medizinischen Versorgung wird der Qualitätsbegriff primär unter pragmatischen Gesichtspunkten definiert: Qualität ist die Differenz zwischen dem, was bei d e r Behandlung erreicht werden könnte und dem, was tatsächlich erreicht worden ist. Es gibt also keine Qualität z.B. ärztlicher Handlungen an sich, sondern immer nur im Hinblick auf die medizinischen Ziele, die im einzelnen erreicht werden können. • Qualität ist somit der Grad der Erfüllung im vorhinein festgelegter Ziele. Beispiel: unheilbare Erkrankungen werden auch nicht unter Aufbietung aller qualitativ hochstehender ärztlicher Maßnahmen heilbar.
Differenzierung der Qualität in
Die Beurteilung medizinisch-pflegerischer und infrastruktureller Versorgung geschieht nach folgenden Differenzierungen (Donabedian): Strukturqualität, Prozeßqualität (= Ablaufqualität), Ergebnisqualität (= Resultats-, Outcome-Qualität).
1. Strukturqualität. Sie umfaßt
1.2.1 Strukturqualität Die Strukturkategorie umfaßt die personellen und materiellen Ressourcen eines Krankenhauses, die zur Leistungserbringung notwendig sind. Die Strukturqualität wird vor allem bestimmt durch
i>
• Anzahl und Qualifikation (Fachkunde) aller Mitarbeiter • Organisationsstruktur eines Krankenhauses, Ausstattung mit Betriebsmitteln (z.B. Räumlichkeiten und Geräteausstattung) und finanzielle Mittel • Dokumentations- und Kommunikationseinrichtungen Ein Krankenhaus muß gewisse strukturelle Voraussetzungen aufweisen, um Leistungen überhaupt erbringen zu können. Dieser Ansatz geht von der Annahme aus, daß die Qualifikation des ärztlichen und pflegerischen Personals sowie die (medizinisch-) technische Ausstattung Grundbedingungen für eine hohe Qualität sind. Allerdings führt eine gute Struktur nicht automatisch auch zu guten Ergebnissen. Die
Qualitätsnotwendigkeit, -définition, -meßbarkeit
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Struktur eines Krankenhauses allein sagt aber wenig über die Versorgungsqualität aus, sie ist jedoch Voraussetzung für eine qualitativ gute Leistungserbringung.
1.2.2 Prozeßqualität Die Prozeßqualität umfaßt alle Maßnahmen am Patienten, die im Laufe des Versorgungsablaufes ergriffen - oder nicht ergriffen - werden. Hierzu zäh• der Handlungsablauf, d. h. Diagnostik, Indikationsstellung • die Therapie als Gesamtheit aller Aktivitäten, die zwischen Ärzten und Personal im Pflege- und Funktionsbereich einerseits und dem Patienten andererseits ablaufen. Der Versorgungsablauf wird nach der spezifischen Situation und an individuellen Krankheitsmerkmalen des Patienten variieren. Die Prozeßqualität ist der Bereich, auf den der Arzt stärksten Einfluß nehmen kann.
2. Prozeßqualität. Sie umfaßt: • Handlungsablauf-» Diagnostik, Indikationsstellung • Gesamtheit der Therapie durch Ärzte und Personal im Pflege- und Funktionsbereich
Einfluß des Arztes auf die Prozeß-Qualität
Nachuntersuchungen, Visiten, Fallbesprechungen und klinikinterne Qualitätskonferenzen sind bei prospektiver Dokumentation geeignet, die Prozeßqualität zu überprüfen. Leit- oder Richtlinien sind ein weiteres Instrument: Die besten Ergebnisse werden erzielt, wenn die Behandlung systematisiert nach Regeln erfolgt, die dem jeweiligen Stand des medizinischen und pflegerischen Wissens entsprechen. Vor allem therapeutische Einzelleistungen sind nach solchen Leitlinien beurteilbar.
1.2.3 Ergebnisqualität Das Ergebnis des Behandlungsprozesses zeigt sich in der Veränderung des Krankheitszustandes im positiven und negativen Sinne. Es kann aber auch die Zufriedenheit des Patienten als Maßstab herangezogen werden.
3. Ergebnisqualität Veränderung des Krankheitszustandes im positiven und negativen Sinne
Die Messung der Ergebnisqualität gestaltet sich jedoch schwierig, da sich das angestrebte Ziel der Verbesserung des Krankheitszustandes von Patienten nicht immer objektiv definieren und messen läßt.
Zeitpunkt der Wertung ist wichtig: • Kurzzeltergebnisse oder • Langzeitergebnisse (Follow-up-Kontrollen) Überprüfung bestimmter Kriterien: • Mortalitätsrate • Komplikationsrate • Indizes über den Gesundheitszustand • Lebensqualität • Zufriedenheit
Auch der Zeitpunkt der Evaluation der Ergebnisqualität spielt eine wesentliche Rolle. Bisherige Kriterien beziehen sich auf Kurzzeitergebnisse während des Krankenhausaufenthaltes. Möglicherweise wird der Bezug zum Behandlungsprozeß jedoch erst offenbar, wenn ein längerer Zeitraum zwischen der Entlassung des Patienten und der Beurteilung der Ergebnisqualität liegt (Follow-up Untersuchungen).
Die ergebnisbezogene Qualitätsevaluation richtet sich somit vor allem auf die Verbesserung des Krankheitszustandes der Patienten, ihrer Versorgung sowie ihrer Zufriedenheit. Aus dieser Evaluation sind folglich objektive und subjektive Betrachtungsweisen der Ergebnisqualität erkennbar. Die Ergebniskategorie kann deshalb auch anhand verschiedener Kriterien, wie z.B. Mortalitätsraten, Komplikationsraten, Indizes über den Gesundheitszustand, die Patientenzufriedenheit oder die Lebensqualität beurteilt werden. Auch der nichtmedizinische Bereich (Verpflegung, Verhalten, etc.) leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Erzielung einer hohen Ergebnisqualität.
Hohe Ergebnisqualität auch durch Verpflegung des Patienten und durch höfliches und hilfsbereites Verhalten des gesamten Personals!
1.3 Qualitätsmeßbarkeit
Wie wird Qualität gemessen?
Da die Qualität komplexer chirurgischer Leistungen nicht als Ganzes meßbar ist, müssen Qualitätsindikatoren definiert werden, die die Aspekte der Struktur-, Prozeß- und Ergebnisqualität operationalisieren und damit jeweils Teilbereiche der Gesamtqualität einer Messung zugänglich machen. Wünschenswert ist, daß für die einzelnen Indikatoren noch Referenzbereiche für gute Qualität definiert werden, die eine schnellere Einordnung der eigenen Leistungen erlauben. Damit ist die Existenz von Qualitätsindikato-
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6. Qualitätssicherung in der Chirurgie ren die Grundlage jeder Qualitätskontrolle. Die Auswahl von Qualitätsindikatoren und Referenzbereichen ist immer ein Kompromiß, zwischen den interessierenden Dimensionen und Aspekten der Qualität zum einen und ihre Machbarkeit und Réhabilitât zum anderen.
Qualitätsindikatoren sind Grundlage jeder Qualitätskontrolle:
Qualitätsindikatoren werden durch Fachgesellschaften, konferenzen oder multizentrische Studien konkretisiert.
Konsensus-
Geht man von dem Ziel einer ständigen Qualitätsverbesserung aus, kann ein Referenzbereich natürlich nur eine Orientierungshilfe sein. Gute Qualität heißt dann, nicht nur den vorgegebenen Referenzbereich zu erreichen, sondern von Jahr zu Jahr eine Verbesserung der Qualität in Richtung auf ein Optimum anzustreben. Qualitätsindikatoren für die Versorgung eines Patienten mit akuter Appendizitis: • Möglichkeit der Appendektomie rund um die Uhr • klinische Untersuchung nach 30 Minuten, Labortests erst nach ärztlicher Un tersuchung, histologische Untersuchung des Operationspräparates • Anteil akuter Appendizitiden > 8 0 %
Qualitätssicherungsprogramm
besteht aus 5 Schritten 1. Handlungsbeobachtung 2. Problemerkennung 3. Problemanalyse 4. Problemlösung 5. Evaluation
Beispiel: Qualitätsindikatoren bei akuter Appendizitis sind (Richtlinien der nationalen Qualitätssicherungsorganisation der Niederlande, CBO): • Strukturqualität: Appendektomie ist rund um die Uhr möglich • Prozeßqualität: ärztliche Untersuchung des Patienten innerhalb von 30 Minuten nach Betreten des Krankenhauses, Labortests erst nach ärztlicher Untersuchung, immer histologischer Befund vom Resektionspräparat. • Ergebnisqualität: Zahl der akuten Appendizitiden bei Appendektomie > 8 0 % , keine Peritonitis auch bei Perforation.
2. Qualitätssicherungsprogramm Definition. Qualitätssicherung bezeichnet die Gesamtheit aller Maßnahmen, die geeignet sind, die Qualität der medizinischen Versorgung von Individuen und Bevölkerungsgruppen hinsichtlich der in sie gesetzten Erwartungen nicht nur zu sichern und ggf. zu verbessern, sondern auch der Weiterentwicklung des medizinischen Wissens anzupassen. Ein Qualitätssicherungsprogramm besteht aus 5 Schritten: Handlungsbeobachtung der medizinischen Versorgung (RoutineMonitoring von definierten Qualitätsindikatoren) Problemerkennung durch Vergleich der eigenen Werte mit vorgegebenen Referenzbereichen für gute Qualität. Problemanalyse und dem Erarbeiten von Lösungsvorschlägen Problemlösung durch geeigneten Lösungsvorschlag und Umsetzung in die Praxis Evaluation der Problemlösung, die die Beseitigung des Problems ergeben sollte.
Qualitätskontrolle - > Handlungsbeobachtung und Problemerkennung
Qualitätskontrolle. Die Handlungsbeobachtung und Problemerkennung zusammen bezeichnet man als Qualitätskontrolle, die der Chirurg selbst durchführen muß.
Qualitätssicherung (Abb.6-1) - » Formulierung von Leitlinien zur Qualitätsverbesserung
Qualitätssicherung. Versuche zur Problemlösung und Evaluation und das Sorge-dafür-Tragen, daß das Problem nicht mehr auftritt, z. B. durch Handlungsanweisungen oder die Formulierung von Leitlinien, bezeichnet man als Qualitätssicherung. Im Idealfall führt dieser Zyklus durch die Beseitigung eines Problems nach dem anderen zu einer schrittweisen Qualitätsverbesserung (Abb. 6-1).
Formen von Qualitätssicherungsprogrammen:
2 Formen von Qualitätssicherungsprogrammen, die externe und die interne Qualitätssicherung, müssen unterschieden werden. Beide Formen ergänzen sich: • Unter interner Qualitätssicherung versteht man alle Maßnahmen, die zur Sicherstellung einer hohen Qualität im Krankenhaus selbst ergriffen werden. Zu diesem Zweck sind zunächst vom Krankenhausträger die Voraussetzungen zu schaffen. Im Krankenhaus muß die erforderliche Organisations- und Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden (Qualitätssicherungsstelle mit entsprechender Ausstattung).
Interne Qualitätssicherung • qualitätsverbessernde Maßnahmen im Krankenhaus selbst • Ergebnisse werden nur klinikintern diskutiert
Qualitätssicherungsprogramm
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Qualitâts-
/ Zeit
»
Abb. 6-1. Zyklus der problemorientierten Qualitätsverbesserung: 1 Handlungsbeobachtung, 2 Problemerkennung, 3 Problemanalyse, 4 Problemlösung und Umsetzung, 5 Evaluation (Erläuterungen s.Text, modifiziert nach Selbmann)
Hier geht es darum, das eigene Handeln zu überprüfen, d. h. Selbstkontrolle auszuüben, beispielsweise durch krankenhausindividuelle Standards, die wie alle „Standards" Orientierungshilfe geben und nicht Therapievorschrift sein dürfen.
Selbstkontrolle durch krankenhausindividuelle Standards.
Hier können auch externe Berater unterstützen. Zusätzliche Aufgabenbereiche könnten die Budgetüberwachung, gerade unter dem Aspekt „pauschalierter Entgelte" sein und die Entwicklung neuer Fallpauschalen und Sonderentgelte.
Budgetüberwachung
Würde sich die Qualitätssicherung allerdings darauf beschränken, so wäre es dem Arzt nicht möglich, das Qualitätsniveau der eigenen Arbeit zu bestimmen. Es fehlt der Bezugspunkt. Eine solche Niveaubestimmung ist nur auf der Basis eines Vergleiches mit Dritten möglich, d. h. zur Bestimmung des eigenen Standortes ist für einige Qualitätsindikatoren ergänzend die externe Qualitätssicherung nötig.
Qualitätsniveau der eigenen Arbeit ist nur auf Vergleichsbasis mit Dritten möglich
• Die externe Qualitätssicherung beschränkt sich auf ausgewählte Leitprobleme (sog. Tracer-Diagnosen) zur Beurteilung der Qualität der Versorgung. Sie sollen einen Hauptteil der Aktivitäten eines Krankenhauses reflektieren, gut definiert und leicht zu diagnostizieren sein, eine hohe Prävalenz haben und durch die Therapie beeinflußbar sein (hohe Sensitivität). Die externe Qualitätssicherung in der Chirurgie zur Messung der Ergebnisqualität der ärztlichen Leistung wird von Ärztekammern bzw. Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) durchgeführt. Über standardisierte Dokumentationsbögen bzw. Datenträger werden behandlungsbezogene Daten anonymisiert an zentrale Auswertungsstellen übermittelt.
Externe Qualitätssicherung Beschränkt sich auf ausgewählte Leitprobleme, Tracer-Diagnosen. Externe Qualitätssicherung wird von Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen durchgeführt.
Beispiel: Die Ärztekammer Nordrhein erfaßt z. B. die Tracer-Diagnosen Leistenhernie, Cholezystolithiasis und mediale Schenkelhalsfraktur.
Der Vorteil der externen Qualitätssicherung liegt darin, daß die Qualität des Versorgungsniveaus im überbetrieblichen Vergleich offenkundig und damit eine relativ objektive Standortbestimmung möglich wird. Nachteilig ist, daß die in den jeweiligen Einrichtungen zugrunde liegenden Einflußfaktoren auf die Indikatorausprägungen zu unterschiedlich sind, als daß eine oberflächliche „Außenbeurteilung" der Qualität Sinn macht. Nachteilig ist auch, daß die Datenerhebung durch unterschiedlich erfahrene Ärzte und teilweise retrospektiv erfolgt (Beobachtungsbias). Ferner ist die Validität der Qualitätssicherungsmaßnahme natürlich auch abhängig von der Ehrlichkeit der gemachten Angaben. Dies kann ein Kernproblem sein, insbesondere, wenn aus den Befunden negative Konsequenzen für den Einzelnen oder die Klinik resultieren. Ist eine effektive interne Qualitätssicherung in einer Klinik etabliert, d.h. ist insbesondere bei den Beteiligten ein Verständnis für Notwendigkeit und Nutzen vorhanden, ist eine Teilnahme an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen mit ausgewählten Teilmengen der Daten gewissermaßen ein „Nebenprodukt" einer klinikinternen Qualitätssiche-
Vor- und Nachteile der externen Qualitätssicherung • Vorteile: - Objektive Standortbestimmung - Flächendeckende Beschreibung des Versorgungsniveaus • Nachteile - Qualität der Daten - Vergleichbarkeit der Kliniken
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6. Qualitätssicherung in der Chirurgie rung. Der gesetzlichen Verpflichtung zu externen Vergleichen wird somit nachgekommen. Voraussetzung ist natürlich, daß Zusatzinformationen wie die Zusammensetzung der Patientenklientel und Informationen zur Strukturqualität der chirurgischen Arbeitsstätte in die externe Beurteilung der Qualität einfließen müssen.
Umfassendes Qualitätsmanagement
3. Umfassendes Qualitätsmanagement
Stellt weitergehende Anforderungen an Strukturen, Prozesse und Mitarbeiterqualifikation eines Krankenhausunternehmens.
Ein umfassendes Qualitätsmanagement (= total quality management (TQM)) schließt die reine Qualitätssicherung ein, stellt jedoch sehr viel weitergehende Anforderungen an die Strukturen, Prozesse und Mitarbeiterqualifikationen eines ganzen Krankenhausunternehmens. Die Erfassung von Kunden- (= Patienten-) Zufriedenheit und -wünschen, wie auch die Kontrolle der Umsetzung dieser Informationen in das Alltagshandeln sind zentrale Elemente von TQM. Das Konzept des umfassenden Qualitätsmanagements verlangt neben der Formulierung von Indikatoren für die Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit der Versorgung hauptsächlich die Formulierung von Indikatoren für die Kundenzufriedenheit. Umfassendes Qualitätsmanagement hat das Ziel, den gesamten Versorgungsprozeß so zu strukturieren (Organisationsentwicklung), daß die 3 Aspekte der Gesundheitsversorgung • „Qualität der Leistungen", • „Zufriedenheit aller Kunden (Patienten und Mitarbeiter) mit der Leistung" und die • „Kosten-Nutzen-Relation medizinischer Leistungen" optimiert werden. Rahmenbedingungen des TQM-Ansatzes für alle Tätigkeiten im Qualitätsmanagement sind:
Ziel ist die Optimierung der gesamten Versorgungsprozesse: • Qualität der Leistungen • Zufriedenheit aller Patienten mit der Leistung • Kosten-Nutzen-Relation medizinischer Leistungen TQM-Elemente
Kunden-/qualitätsorientierte Unternehmensführung, Qualitätspolitik/-strategie Management und Mitarbeitereinbindung, Ressourcen verfügbar machen Geschäftsprozesse verbessern und verkürzen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit ermitteln und verbessern, Image in der Öffentlichkeit ermitteln und verbessern, Analyse der Geschäftsergebnisse
Qualitätsverbesserung ist meist gleichzeitig mit Kostensenkung verbunden. Grundgedanke
Wundarten:
Mechanische Wunden entstehen durch stumpfe oder scharfe Gewalteinwirkung. Die resultierenden Wundformen sind abhängig von Art und Richtung der einwirkenden Kraft: • Schnittwunden sind gekennzeichnet durch glatte Wundränder und -flächen. Das umgebende Gewebe ist nicht wesentlich geschädigt. • Lappenwunden entstehen durch schräg auf die Haut einwirkende Kraft, wobei Haut und Subkutangewebe lappenförmig bis auf eine Gewebebrücke abgetrennt sind. Gefahr der Mangeldurchblutung! • Stichwunden klaffen meist nicht. Sie erstrecken sich in die Tiefe, so daß Begleitverletzungen schwierig zu beurteilen sind. Ihre Gefährlichkeit richtet sich nach Form und Länge der Waffe, nach der Stichrichtung und nach der Lokalisation der Wunde. • Quetschwunden werden durch stumpfe Gewalteinwirkungen verursacht. Ihre Ränder sind aufgeworfen und unregelmäßig gezackt. Verfärbungen sind durch Blutungen in das umgebende Gewebe bedingt. Quetschwunden finden sich häufiger bei dünnem Weichteilpolster, z. B. auf der Tibiakante. Die Platzwunde wird zu den Quetschwunden gerechnet. • Rißwunden sind Folge einer stumpfen, dehnenden und schrägen Krafteinwirkung. Typisch sind zerfetzte Wundränder. Jedoch ist das Gewebe in der unmittelbaren Wundumgebung weniger traumatisiert. • Schürfwunden sind kutane und subkutane Gewebedefekte, die infolge schräg oder flach auftreffender Gewalteinwirkung entstehen. • Ablederung oder Décollement entsteht durch stumpfe Gewalteinwirkung, wobei sich Haut und Subkutangewebe von den tieferen Gewebeschichten ablösen. Es bilden sich oft ausgedehnte Hämatome. Gefahr von Zirkulationsstörungen und Hautnekrosen! • Bißwunden sind besonders gefährlich. Bei Verletzungen nach Dachs-, Fuchs-, Hunde- und Katzenbissen kann z.B. eine Tollwut (Lyssa) auftreten. Schlangenbisse zeichnen sich durch ihre spezifische Giftwirkung aus. An der Bißstelle sieht man eine schmerzhafte Anschwellung, von der eine Lymphangitis bzw. eine Thrombophlebitis ausgeht. Allgemeinerscheinungen: Mattigkeit, Benommenheit, selten Herz-, Kreislauf- und Atemstörungen. Die Rattenbißkrankheit (Sodoko) nach Ratten-, Mäuse-, Eichhörnchen-, Marder- und Katzenbissen auftretend, ist sehr selten. Typisch sind ein erysipelähnliches Exanthem mit Lymphangitis, Fieber und Schüttelfrost. Erreger ist das Spirillium minus. • Schußwunden unterteilt man in Streif- und Lochschüsse. Streifschüsse werden durch parallel zur Haut auftreffende Geschosse verursacht. Bei den Lochschüssen findet man eine Einschußöffnung, bei Durchschüssen auch eine stets größere Ausschußöffnung.
1. Schnittwunde 2. Lappenwunde 3. Stichwunde
4. Quetschwunde
5. Rißwunde 6. Schürfwunde 7. Décollement
8. Bißwunde: Besonders gefährlich! • Dachs-, Fuchs- und Hundebisse -» Gefahr der Tollwut (Impfstoff verabreichen) • bei Schlangenbissen —> Giftwirkung. Spezifisches Antiserum injizieren. • Rattenbißkrankheit (Sodoko)
9. Schußwunde • Streif-, Loch- und Durchschüsse
Wunde, Wundformen
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• Thermische Wunden. Thermische Gewebeverletzungen entstehen durch Einwirkung von Hitze (Verbrennung) oder Kälte (Erfrierung) auf die Körperoberfläche. Verbrennung (s. Kap. 9, S. 62) Erfrierungen sind relativ selten. Sie treten bei längerer Kälteexposition auf (Alkoholiker, die im Freien nächtigen, bei Berg- und Lawinenunfällen, Hilflosen und Verwundeten in Kriegszeiten) und führen zum Wärmeverlust, vor allem in exponierten Abschnitten. Die Wärmeverluste werden gesteigert durch Feuchtigkeit, Dauer der Exposition und Wind. Pathophysiologie. Kältereiz führt zu einer kurzfristigen Öffnung der terminalen Strombahn (Kompensationsmechanismus). Sinkt die Körpertemperatur weiter ab, so treten Spasmen in den Muskelgefäßen auf, um weitere Wärmeverluste zu verhindern. Die periphere Minderdurchblutung hat eine Zunahme der Hypoxie und Schädigung der Gewebe zur Folge: Blasenbildung der Haut, Serumaustritt, Thrombenbildung und Infarzierungen, in die Tiefe fortschreitend. Die Erfrierungen werden in 3 Schweregrade eingeteilt: Grad I: Blässe, dann Rötung, intakte Sensibilität. Histol.: Gefäßerweiterung Grad II: tiefrot, Ödem, Blasenbildung, Exsudation, Sensibilität gestört. Histol.: Gefäßerweiterung, Epidermis abgehoben, beginnende Nekrosen Grad III: fortgeschrittene Blasen- und Nekrosenbildung, beginnende Gangrän. Histol.: Gewebenekrosen in die Tiefe gehend, Demarkation
Therapeutische Allgemeinmaßnahmen: Langsames Wiederaufwärmen des Patienten, am besten durch ein heißes Bad. Gleichzeitig Infusion körperwarmer Glukoselösung, um den Energiestoffwechsel zu unterstützen, zentral aufzuwärmen und einer Hypovolämie vorzubeugen. Die Körperperipherie (Extremitäten) sollen erst nach Aufwärmen des Körperkerns wiedererwärmt werden. Unterstützung durch Sympathikusblockade und gefäßerweiternde Medikamente. Bei schwersten Erfrierungen, die nur in der Klinik behandelt werden können, ist der Einsatz intensivmedizinischer Maßnahmen (Überwachung und Therapie) bis hin zur Reanimationion erforderlich. Lokale Maßnahmen: Druckschäden vermeiden, antiseptische Salbenverbände, Demarkierung abwarten, nicht zu früh amputieren und möglichst in der Grenzzone. • Chemische Wunden entstehen durch Verätzungen der Haut Schleimhaut mit Säuren oder Laugen:
oder
Säuren. Verätzungen durch starke Säuren (Salpeter-, Schwefel- und Salzsäure) können ähnlich wie bei Verbrennungen alle Schweregrade umfassen. Klinisch finden sich schmerzhafte oberflächliche, feste trockene Schorfbildungen (Koagulationsnekrosen). Zur Behandlung muß mit großen Mengen Wasser gespült werden, um die Säure zu verdünnen. Einen neutralisierenden Effekt versucht man mit Natriumbicarbonat-Lösung oder Milch zu erreichen. Verätzung mit Flußsäure (Fluor-Wasserstoff). Flußsäure wird häufig in chemischen Laboratorien, Spiritusbrennereien, Glasätzereien sowie in der Aluminium- und Phosphatindustrie verwandt. Die Besonderheit liegt in ihrer Lipoidlöslichkeit, wodurch die Flußsäuremoleküle sich aggressiv sowohl horizontal als auch in die Tiefe ausbreiten können. Die Haut sieht anfänglich aus wie bei einer Säureverätzung. Nach einer gewissen Latenzzeit treten unerträgliche Schmerzen auf. Die Haut verfärbt sich weiß, es kommt zur Blasenbildung. Verätzungen mit Flußsäure sind besonders gefährlich. Pathologisch-anatomisch entstehen Ödeme und Nekrosen des Unterhautzellgewebes, die bis auf den Knochen reichen können. Therapeutisch empfiehlt sich in Lokalanästhesie ein sofortiges Unterspritzen der geschädigten Region mit Calciumgluconicum. Dieses verbindet sich mit Fluorwasserstoff zu unlöslichem, untoxischem Kalziumflurid. Bei größerer Ausdehnung z.B. an der Hand ist eine intraarterielle Infusion mit Calciumgluconicum bei gleichzeitigem Abbinden des Oberarms erforderlich. Blasen werden abgetragen und die Haut in Calciumgluconicum-Kompressen eingewickelt.
b) Thermische Wunden: Verbrennung -> Erfrierung Erfrierungen Bei längerer Kälteexposition, z.B. Alkoholiker, die im Freien nächtigen, Berg- und Lawinenunfälie, Verwundete im Krieg. Wärmeverluste verstärkt durch Wind, Feuchtigkeit. Pathophysiologie. Kältereiz öffnet die terminale Strombahn. (Kompensationsmechanismus), sinkt die Kerntemperatur weiter ab —> treten Gefäßspasmen auf. Die periphere Minderdurchblutung mit Hypoxie hat Gewebeschäden zur Folge.
Einteilung in 3 Schweregrade
Therapie Allgemeine Maßnahmen • langsam wiederaufwärmen • körperwarme Glukoseinfusionen • Sympathikusblockade • Intensivüberwachung und -therapie
Lokale Maßnahmen • Druckschäden vermeiden • antiseptische Salbenverbände • nicht zu früh amputieren (in der Grenzzone) c) Chemisch® Wunden Säure- oder Laugenverätzung Säureverätzungen Klinik: schmerzhafte, feste, trockene Schorfbildung. Therapie: Spülung mit viel Wasser (Verdünnung). Neutralisation mit Natriumbikarbonat oder Milch. Besonderheit: Flußsäure breitet sich besonders aggressiv aus mit - unerträglichen Schmerzen - weißer Haut, Blasenbildung - Veränderungen bis auf den Knochen
Therapie: Unterspritzen mit Calciumgluconicum, Injektion von Lokalanästhetika. Bei größerer Ausdehnung: intraarterielle Infusion von Claciumgluconicum und Abbinden der Extremität, Blasen abtragen, Calciumgluconicum-Kompressen.
44 Laugenverätzungen Klinik: weicher, weißer, schmieriger Schorf. Therapie: Spülung mit viel Wasser, Neutralisation mit Zitronensaft, Essig-, Borsäure, d) Strahlenschäden Klinik: - Rötung - Schwellung - evtl. Haarausfall - akutes Röntgenulkus Prognose: Spätschäden, manchmal Karzinomentwicklung.
7. Wunde: Behandlung, Heilungsstörungen, Tetanusprophylaxe Verätzungen durch Laugen verursachen einen weichen, weißen, mehr glasig schmierigen, tiefreichenden Schorf (Kolliquationsnekrose). Als Therapie empfehlen sich Spülungen mit großen Mengen Wasser und Neutralisation mit Zitronensaft, Essig- oder Borsäure. • Strahlenbedingte Wunden. Die Haut ist empfindlich gegen ionisierende Strahlen. Betroffen ist das Stratum basale der Epidermis aufgrund seiner großen biologischen Aktivität (Mitosehäufigkeit). Klinik: Bei Exposition mit Radium oder Röntgenstrahlen kommt es zu Rötung (Erythem) und Schwellung (Ödem) der Haut, begleitet von temporärem Haarausfall, in schweren Fällen ein akutes Röntgenulkus. Histologisch erkennt man pathologische Mitosen, erweiterte Blutgefäße und lymphozytäre Infiltrationen um die Hautanhangsgebilde. Spätschäden sind Narben oder schwer heilende Geschwüre (Strahlenulzera). Bisweilen entsteht ein Plattenepithelkarzinom in dem ehemals exponierten Areal.
Wundheilung
2. Wundheilung
Wundverschluß durch Bindegewebe
Definition: Unter Wundheilung versteht man alle Vorgänge, die zum Verschluß einer Wunde durch neues Bindegewebe in Verbindung mit Epithelisierung führen. Für die ungestörte Wundheilung sind saubere Wundverhältnisse, gute Durchblutung und funktionstüchtige Makrophagen Voraussetzung. Dies geschieht durch Aufbau von gefäß- und zellreichem Granulationsgewebe in welchem Kollagen, Retikulin, Fibronektin und die Proteoglykane der Grundsubstanz gebildet werden.
2 Formen der Wundheilung Primäre Form: neues Bindegewebe gibt festen Wundverschluß. Erreichbar durch: Naht-, Klebe-, Klammerverschluß. Sekundäre Form: bei weit auseinanderliegenden Wundrändern, Ausfüllung der Lücke mit Granulationsgewebe, Kontraktion der Wundränder, breite Narbe.
Wundheilungsformen. Man unterscheidet eine primäre (Sanatio per primam intentionem, p.p.) und eine sekundäre (Sanatio per secundam intentionem, p. s.) Wundheilung. Bei der primären Wundheilung kommt es durch minimales neugebildetes Bindegewebe zu einem festen Wundverschluß der adaptierten Wundränder mit weitgehender Restitutio ad integrum. Dies ist durch Naht-, Klebe- oder Klammerverschluß zu erreichen, z.B. bei Operationswunden. Eine sekundäre Wundheilung erfolgt bei Wunden mit mehr oder weniger weit auseinanderliegenden Wundrändern. Die Gewebelücke wird über eine abakterielle oder bakterielle Entzündung mit Granulationsgewebe ausgefüllt bei gleichzeitiger Kontraktion der Wundränder. Das Ergebnis ist eine breite Narbe, z. B. bei Wundrandnekrosen, Abszeß, Dekubitus, Verletzungen mit Gewebedefekt, Verbrennung III. Grades.
Heilungsphasen
2.1 Phasen der Wundheilung
An der Wundheilung sind Zell- und Faserelemente beteiligt • Thrombozyten, Monozyten, Fibroblasten, Fibrozyten, • Grundsubstanz, Kollagen
Für den Ablauf der Wundheilung sind folgende Zell- und Faserelemente von Bedeutung:
Wundheilung verläuft in 3 Phasen
1. Exsudative Phase
• Thrombozyten —> Schlüsselrolle bei der Einleitung der Wundheilung, stimulieren die Proliferation der Fibroblasten • Bindegewebszellen —» Fibroblasten und Fibrozyten • Monozyten und mononukleäre Makrophagen —> Phagozytosefunktion • Grundsubstanz (Fibronektin, Proteoglykane) —> wichtig für Wasser- und Elektrolythaushalt des neugebildeten Bindegewebes • Kollagenfasern —> zuständig für die Reißfestigkeit der Narbe • Fibrinozyten werden durch Makrophagen aktiviert —> bedeutsam für die Synthese der Grundsubstanz und der Vorstufen des Kollagens.
Die zur Wundheilung führenden humoralen und zellulären Reaktionen sind zeitlich aufeinander abgestimmt. Sie verlaufen in 3 Phasen (Abb. 7-1): exsudative Phase (1.-4. Tag), Proliferations- (4.-10. Tag), Reparationsphase (10.-20. Tag oder mehr). Exsudative Phase. Unmittelbar nach Entstehung einer Wunde kommt es nach Aktivierung der Gerinnungskaskade (Abb. 7-2) zu einem Fibrinnie-
Wundheilung
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Abb.7-1: Phasen der Wundheilung (modifiziert n. T.T.Irvin). a. Exsudative Phase (1.-4.Tag): Erweiterung der Blutgefäße, Auswanderung von Leukound Erythrozyten, Wunde wird mit Fibringerinnsel ausgefüllt, b. Proliferationsphase (4.-10.Tag): Bildung endothelialer Kapillarknospen, Makrophagen beherrschen die Wunde, Bildung von Kollagenfibrillen, c. Reparationsphase (10.-20.Tag) Fibroblasten herrschen vor, reichlich neues Kollagen, Kapillarisierung fortgeschritten, d. Narbe: Dicke Kollagenbündel bilden die Narbe, relativ gefäßfrei, nur vereinzelt Rund- und Riesenzellen. 1 erweiterte Kapillaren, 2neutrophile Leukozyten, 3 Erythrozyten, 4 Fibringerinnsel, 5 endotheliale Kapillarknospen, 6 Makrophagen, 7 Fibroblasten, 8 Kollagenfibrillen, 9 Kapillarbildung fortgeschritten, 10 Rundzellen, 11 Riesenzellen
derschlag mit d e m Ziel d e r Blutstillung u n d W u n d a b d i c h t u n g . In diesem P r o z e ß grieft d e r fibrinstabilisierende Faktor (F XIII) als letzter in d e n G e r i n n u n g s v o r g a n g ein, i n d e m er a u f g r u n d seiner T r a n s g l u t a m i n a s e w i r k u n g F i b r i n s t r ä n g e m i t e i n a n d e r v e r k n ü p f t u n d so das Fibrin in seine unlösliche F o r m (Fibrin I) ü b e r f ü h r t . D a s G e r i n n s e l wird h i e r d u r c h verfestigt u n d geg e n fibrinolytische E i n f l ü s s e stabilisiert. D e r Faktor XIII ist somit physiologisches Bindeglied zwischen Blutstillung u n d E i n l e i t u n g der W u n d h e i l u n g . Weitere Substanzen, die aus Thrombozyten abgeschieden werden, sind Serotonin, Adrenalin und Thromboxan A. Sie unterstützen die Blutgerinnung durch Vasokonstriktion und bewirken eine Exsudation durch Permeabilitätserhöhung. Am Ende der exsudativen Phase werden Granulozyten und Makrophagen chemotaktisch (Eicosatetraensäure, Kallikrein, Fibrinopeptid B) angelockt, um Gewebetrümmer zu beseitigen.
URSACHE
I
Verletztes Blutgefäß •
Verletztes Gewebe
FOLGE
Thrombozytenadhäsion (an Kollagen Typ M) Thrombozytenaggregation (ADP- u. Ca + + -abhängig)
I
t
FREISETZUNG
I AKTIVIERUNG
Gewebefaktor n
Thrombozytenfaktor III
t
Exogenes System
Endogenes System
I GEMEINSAME Kaskadenstufe
Faktor X
\ Fibrin S
- Faktor xm
ENDPRODUKT FIBRIN Inach einer Verletzung Abb. 7-2: Aktivierung der Gerinnungskaskade
Ziel: Vermeidung von - Blut- Lymph- WasserVerlusten - Eiweiß- Elektrolyt- WärmeAbdichtung der Wundflächen durch Fibrin (Abb. 7-1). Mechanismus: Verknüpfung der Fibrinstränge mit Hilfe von Faktor XIII -» Fibrin in unlösliches Fibrin I, Verfestigung des Gemischs ist stabil gegen Fibrinolyse. Faktor XIII ist Bindeglied zwischen Blutstillung und Wundheilung. Unterstützung der Gerinnung durch Vasokonstriktion. Granulozyten und Makrophageneinwanderung (chemotaktisch).
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7. Wunde: Behandlung, Heilungsstörungen, Tetanusprophylaxe
2. Proliferationsphase Bildung von Kollagen. Dabei bewirkt Fibronectin: • die Anheftung von Fibroblasten an Kollagen, • die Einleitung der Kollagenbiosynthese. Bei Berührung der Wundränder: Hemmung des Zellwachstums durch Chalone.
Proliferationsphase. Die zweite Phase der Wundheilung ist gekennzeichnet durch die Bildung von Kollagen. Die wichtigste Substanz dabei ist das Fibronectin, eine Protease, die ein Anheften von Fibroblasten an Kollagen Typ 1 bewirkt. Fibronectin hat auch eine mitogene Wirkung und induziert zusammen mit anderen Proteasen eine Vermehrung von Fibroblasten und somit die Einleitung der Kollagenbiosynthese. Weiterhin werden auch Keratine (Gerüsteiweiß der Epidermis) gebildet. Beim Berühren der Wundränder wird das Zellwachstum durch Chalone gehemmt (Kontakthemmung).
3. Reparationsphase Umwandlung von Granulationsgewebe in Narbe. Maximum der Reißfestigkeit nach 12 Tagen. Aus roter Narbe (gefäßreich) wird weiße Narbe (Bindegewebe).
Reparationsphase. In der letzten Phase wandelt sich das Granulationsgewebe in die endgültige Narbe um. Nach anfänglich noch verstärkter Kollagensynthese schrumpft in dieser Endphase das Gewebe durch Wasserentzug bis auf 30% zusammen und wird von den Wundrändern her epithelialisiert. Die Reißfestigkeit einer frisch verheilten Wunde erreicht ihr Maximum nach ca. 12 Tagen. Aus dem ursprünglich sehr gefäßreichen Gewebe (rote Narbe) entsteht dann später ein kapillar- und zellarmes Bindegewebe (weiße Narbe).
Wundheilungsstörungen
3. Wundheilungsstörungen
sind: - Dehiszenzen - Infektionen - Nekrosen - Keloide, Narben
Definition: Wundheilungsstörungen (etwa die Hälfte aller postoperativen Komplikationen) entstehen durch Veränderungen im physiologischen Ablauf der Heilungsvorgänge durch allgemeine (Alter, Diabetes, Niereninsuffizienz, Eiweiß- und Vitaminmangel, Anämie, Medikamente) und lokale (Infektion, Fremdkörper, Mangeldurchblutung usw.) Faktoren. Die Folgen sind Wunddehiszenz, Infektionen und Nekrosen, Keloid und Narbenhypertrophie. 5 morphologische Veränderungen stören die Wundheilung: • Serome sind mit Lymphe und Wundsekret ausgefüllte Hohlräume und entstehen durch angeschnittene Lymphknoten und -gefäße, Taschenbildung und unterminierte Wundränder. Klinisch findet man eine meist nicht druckdolente und nicht gerötete Schwellung im Wundbereich. Die Therapie erfolgt durch sterile Punktion, leichten Kompressionsverband, bei Rezidivierung evtl. Saugdrainage n. Redon. • Ein Hämatom entsteht durch mangelhafte Blutstillung im Wundbereich, ungenügende Drainierung, verstopfte Drainagen oder Gerinnungsstörungen. Bei größeren Hämatomen ist wegen Gefahr einer bakteriellen Kontamination eine Ausräumung unter aseptischen Bedingungen notwendig. Flüssiges Blut wird nur abpunktiert. • Wundrandnekrosen entstehen durch mangelhafte Nahttechnik, Traumatisierung von Haut und Weichteilen, inadäquate Schnittführung und Mangeldurchblutung. Die Wundränder sind mißfarben und schlecht durchblutet. Therapeutische Regel: möglichst trockenhalten und spontane Demarkation abwarten! Feuchte Nekrosen werden abgetragen und mit desinfizierenden Bädern und aseptischen Salbenverbänden weiterbehandelt. Keine Antibiotika! • Wunddehiszenz. Postoperativ können alle Gewebeschichten einer Wunde auseinanderweichen. Bei abdominalen Operationswunden entsteht ein Platzbauch (meist innerhalb der ersten 2 Wochen postoperativ) mit Prolaps von Darmschlingen. Wundrupturen nach Thorakotomie sind selten. Die Ursachen für eine Wunddehiszenz sind mannigfaltig: - lokale —» unsachgemäße Naht (selten), Serome und Hämatome, Nekrosen, Infektion - allgemeine —> Tumorkachexie, Urämie, Leberzirrhose, Faktor XIII-Mangel - mechanische —> intraabdominelle Druckerhöhung durch Aszites, Meteorismus, Husten, Niesen, Pressen beim Stuhlgang, Erbrechen - medikamentöse: —> Zytostatika, Antikoagulanzien, Kortikoide etc. Dehiszente Wunden verlangen eine sorgfältige Revision und erneute Naht, beim Platzbauch zusätzliche „Entlastungsnähte". Oberflächliche Wunden
5 morphologische Veränderungen: 1. Serom Schwellung im Bereich der Wunde durch Lymphe und Wundsekret. Therapie: Punktieren, Kompressionsverband. Evtl. Redon-Saugdrainage. 2. Hämatom Therapie: Ausräumung (aseptisch). Abpunktieren von Blut. 3. Wundrandnekrosen nicht durchblutete Wundränder.
Therapie: - Trockenhalten, - Entfernung der feuchten Nekrose -» desinfizierende Bäder, - antiseptische Salbenverbände, - keine Antibiotika. 4. Wunddehiszenz offene Wunden mit Exsudation und Vorfall von z.B. Baucheingeweiden („Platzbauch") Ursachen
Therapie: Wundrevision, Entfernung von Nekrosen
Wundbehandlung lassen sich mit Klebestreifen versorgen. Bei Extremitäten ist evtl. eine Ruhigstellung erforderlich. Die Ursachen sollten geklärt und möglichst beseitigt werden (z.B. Faktor XIII-Mangel). • Infektionen. Die Ursachen für eine Wundinfektion sind multifaktoriell. Wichtig sind Menge und Virulenz der eingedrungenen Bakterien, Abwehrlage des Patienten (Diabetes, Immunsuppression usw.) und die lokalen Verhältnisse der Wunde (Mangeldurchblutung, Nekrosen, Fremdkörper, Instabilität bei Frakturen). Erreger sind meist Staphylokokken, Pseudomonas, Streptokokken, Proteus und Kolibakterien. Klinisch finden sich die klassischen Entzündungszeichen: Schwellung, Rötung, Druckdolenz, evtl. Fieber und Schüttelfrost, Leukozytose. Therapie: sofortige Wundrevision: - Wundabstrich für Mikrobiologie - Spülung und Entfernung von Nekrosen, Eiter und Fremdkörpern - Wunde offen lassen und drainieren, damit Eiter und Sekret abfließen können - tägliche Spülung der Wunden, antiseptische Verbände, Antibiotika nur systemisch bei phlegmonöser Ausbreitung. Lokale Antibiotikaanwendung kontraindiziert wegen Resistenzentwicklung.
4. W u n d b e h a n d l ling Ziel der chirurgischen Wundbehandlung ist, die Wunde möglichst rasch zu verschließen und damit eine Infektion zu vermeiden und den Heilungsprozeß abzukürzen. Vor der Behandlung müssen geklärt werden: Verletzungsmechanismus und Begleitverletzungen? Alter und Beschaffenheit der Wunde (Durchblutung? Nervenfunktion?). Praxishinweis: Der Erste-Hilfe-Verband wird erst unmittelbar vor der definitiven Wundversorgung entfernt! In die Wunde gelangte Keime sind primär avirulent. Nach einer Inkubationszeit von 6-8 Stunden sind sie jedoch pathogen, und es kann eine Infektion auftreten. • • • • •
Die primäre Wundnaht ist kontraindiziert: wenn nicht alle Fremdkörper entfernt werden konnten bei ausgedehnten Trümmerzonen wenn die Wunde bereits älter als 8 Stunden ist bei Verletzungen, die mit pathogenen Keimen infiziert sein können (bei Chirurgen, Pathologen, Metzgern, Abdeckern) • Biß und Schußwunden.
4.1 Technik der Wundbehandlung Anästhesie (s. Kap. 20, S. 175). Für kleine, wenig tiefreichende Wunden ist eine Infiltrationsanästhesie ausreichend. Bei größeren Wunden, insbesondere an den Extremitäten ist eine Leitungsanästhesie angebracht, an Fingern und Zehen nach Oberst oder eine Plexus- bzw. Spinal- oder Epiduralanästhesie. Ausgedehnte und schwere Verletzungen erfordern eine Narkose. Vorbereitende Maßnahmen: Säuberung der Wunde mit einem milden Antiseptikum (Wasserstoffperoxid) und Rasur der Wundumgebung, Desinfektion, sterile Abdeckung. Wundexzision (Debridement). Der Erfolg der Wundexzision nach Friedrich (Abb. 7-3) hängt von folgenden Regeln ab: • gewebeschonendes Arbeiten (atraumatische Pinzetten) • sorgfältige Entfernung aller Fremdkörper und Inspektion von Wundtaschen
47 -> Wunde anfrischen. Durchgreifende Nähte. Evtl. Substitution von Faktor-Xlll. 5. Infektion Entzündungszeichen: - Rötung, Schwellung - Druckdolenz - evtl. Fieber, Schüttelfrost - Leukozytose Ursache: Menge und Virulenz der Bakterien, Abwehrlage des Organismus. Therapie
Wundbehandlung Ziele der Wundbehandlung -> WundverSchluß
Primäre Wundnaht verboten
Technik der Wundbehandlung Einfache Wunden: Umspritzen mit 1%igem Xylocain. Größere Wunden an den Extremitäten: Leitungsanästhesie mit 2%igem Xylocain. - Finger, Zehen: Oberst-Leitungsanästhesie - Arm: Plexusanästhesie - Bein: Spinal- oder Epiduralanästhesie Große und schwere Verletzungen: Allgemeinnarkose. Vorbereitende Maßnahmen • Säuberung • Desinfektion • sterile Abdeckung, sterile Handschuhe
48 Wundexzisiori Nach Friedrich Abtragung 1-2 mm tief im Gewebe (Haut, tiefe Wundbereiche, Wundgrund), Entfernung von Fremdkörpern, Revision der Wundtaschen. Voraussetzungen für ungestörte Wundheilung - atraumatisch arbeiten - Fremdkörper, Wundtaschen entfernen - Wundränder exzidieren, spannungsfrei nähen, steriler Verband Ausnahme: Keine Wundausschneidung im Gesicht und an der Hand. Behandlung von: 1. Muskulatur - Entfernung von nekrotischem Gewebe (Tetanus, Gasbrand) - Schnittränder hellrot, blutend - Vitalitätsprüfung - Kontraktion bei Berührung mit Pinzette 2. Sehnen - nicht exzidieren, nur anfrischen - nach Möglichkeit primäre Sehnennaht - Nahttechnik nach Brunnell oder Lengemann 3. Gefäße - zentrale Arterien und Venen: rekonstruieren, kleine Arterien: ligieren 4. Nerven - interfaszikuläre Nervennaht - anderenfalls: Sekundärnaht -> Nerventransplantation 5. Knochen - nicht vitaler Knochen: entfernen - verunreinigte Knochen: anfrischen - Frakturen: Osteosynthese Spülen mit Kochsalzlösung nach Debridement.
7. Wunde: Behandlung, Heilungsstörungen, Tetanusprophylaxe • Exzision der Wundränder (2-3 mm) sowohl an der Haut und den tieferen Wundbereichen • wenn erforderlich, vorsichtige Mobilisation der Wundränder, um eine spannungsfreie Naht zu erreichen • steriler Verband, Ruhigstellung und Hochlagerung bei Extremitätenwunden (Wundödem vermeiden!). Praxishinweis: Aus anatomischen und kosmetischen Gründen keine Wundausschneidung an der Hand und im Gesicht! Differenzierte Gewebe wie Muskulatur, Sehnen, Gefäße, Nerven und Knochen werden entsprechend behandelt. Muskulatur: Nekrotisches Muskelgewebe muß entfernt werden, da lebensbedrohliche Infektionen (Tetanus, Gasbrand) auftreten können. Die Schnittränder der Muskulatur sollen bluten. Ein Vitalitätszeichen ist die Kontraktion beim Berühren mit der Pinzette. Sehnen: Sie werden nicht exzidiert, sondern lediglich angefrischt. Anzustreben ist eine primäre Sehnennaht, da die Spätergebnisse wesentlich besser sind als die zweizeitige Wiederherstellungsplastik. In neuerer Zeit gilt dies auch für die primäre Beugesehnennaht im Hohlhandbereich. Gefäße (s. S. 900): Zentrale Arterien und Venen werden rekonstruiert, kleine periphere Arterien ligiert. Am Unterarm- oder Unterschenkelbereich muß mindestens eine Arterie durchgängig sein. Nerven: Bei glatter Nervendurchtrennung und sauberen Wundverhältnissen erfolgt eine interfaszikuläre Nervennaht. Ist dies nicht möglich, wird eine Sekundärnaht, nach 6 Wochen eine Nerventransplantation vorgenommen (N. suralis). Knochen: Nicht vitaler Knochen wird entfernt, verunreinigter Knochen angefrischt, Frakturen durch eine Osteosynthese oder durch einen äußeren Spanner ruhiggestellt. Am Ende des Debridements wird die Wunde ausgiebig mit physiologischer Kochsalzlösung gespült.
Abb. 7-3: Friedrich-Wundausschneidung. on der Wundränder, b. Wundnaht
a. Möglichst atraumatische Exzisi-
Wundverschluß
4.2 Wundverschluß
3 Arten: 1. Primärnaht Verschluß mit Nähten, Klammern, Kleber, Klebestreifen
Man unterscheidet die Primär-, verzögerte Primär- und Sekundärnaht. Ein primärer Wundverschluß mit Nähten, Klammern, Gewebekleber oder Klebestreifen ist unter Beachtung der Ausnahmeregelung (s. S.47) möglichst anzustreben. Eine verzögerte Primämaht ist bei Wunden mit schweren Weichteilverletzungen einer primären Naht vorzuziehen. Sie erfolgt in der Proliferationsphase der Wundheilung zwischen dem 4. und 7. Tag. Die Wunde bleibt
2. Verzögerte Primärnaht Indikation: Wunden mit schweren Weichteilverletzungen.
Tetanusprophylaxe
49
nach einem sorgfältigen Debridement offen, die Fäden werden gelegt und nicht geknüpft, die Wunde mit antiseptischen Verbänden versorgt. Tritt keine Infektion ein, so können die liegenden Nähte nach einigen Tagen geknotet werden. Vorteile dieses Vorgehens sind: ungehinderter Sekretabfluß, Rückbildung des Wundödems (spannungsfreie Naht!), Vermeiden anaerober Infektionen (Gasbrand, Tetanus). Die Sekundärnaht erfolgt in der Reparationsphase (> 8 Tage). Nachteilig ist die Retraktion und schlechte Verschieblichkeit der Wundränder, Gefahr einer nicht spannungsfreien Naht. Unter Umständen ist eine plastische Defektdeckung erforderlich.
5. Tetanusprophylaxe Bei jeder Gelegenheitswunde besteht das Risiko einer Tetanusinfektion. Dies gilt vor allem für Wunden, die mit Erde verschmutzt sind, sehr tief gehen und schlecht durchblutet sind. Deshalb ist eine Tetanusprophylaxe obligat. Wir unterscheiden eine Grundimmunisierung und Immunisierung im Verletzungsfall. Grundimmunisierung. Dreimalige Injektion eines Adsorbatimpfstoffes (z.B. Tetanol 0,5 ml i.m.). Die zweite Injektion erfolgt nach 4-8 Wochen und die dritte nach 6-12 Monaten. Eine Auffrischimpfung soll nach 10 Jahren, bei einer Verletzung nach 5 Jahren erfolgen. Kontraindikationen für eine Grundimmunisierung sind: kurz vorher erfolgte Impfungen (Polio, Gelbfieber) oder eitrige Hauterkrankungen. Der Abstand sollte mindestens 4 Wochen betragen. Tetanusimmunisierung im Verletzungsfalle (Abb. 7—4). Der bereits grundimmunisierte Patient erhält am Verletzungstag 0,5 ml Tetanol i. m. oder s. c. als Auffrischimpfung. Ist der Patient nicht grundimmunisiert, so benötigt er eine Simultanimpfung (aktive und passive), um einen sofortigen Impfschutz zu erhalten: 0,5 ml Tetanol i. m. in den Glutealbereich und gleichzeitig auf der kontralateralen Seite 2501. E. humanes Tetanus-Hyperimmunglobulin (Tetagam). Die zweite Tetanol-Injektion erfolgt nach 4 Wochen und die dritte nach 6-12 Monaten. Damit ist ein voller Impfschutz für 10 Jahre erreicht - Impfpaß ausstellen!
Antitoxin Titer I.E./ml
Inkubation (4.-21.Tag)
Aktive Immunisierung
Passive Immunisierung
250 I.E.Tetagam i.m. 0,5 ml Tetanol i.m.
0,5 ml Tetanol i.m.
Abb. 7-4: Antitoxintiter bei Tetanussimultanimpfung sierten
und bei nicht
Immuni-
Naht: zwischen 4. und 7.Tag, Versorgung der offenen Wunde mit desinfizierenden Verbänden. Vorteile der verzögerten Primärnaht - Sekret fließt ab - Wundödem 4 - keine anaerobe Infektion 3. Sekundärnaht Verschluß der Wunde ab 8.Tag. Wegen reduzierter Verschieblichkeit des Gewebes, Mobilisierung der Haut notwendig oder: - Hauttransplantat - myokutane Lappen - Hautlappenplastiken Tetanusprophylaxe Tetanusrisiko besteht bei jeder Gelegenheitswunde! Man unterscheidet: • Grundimmunisierung (aktive) • Immunisierung im Verletzungsfall Auffrischimpfung oder Simultanimpfung (aktiv + passiv) Grundimmunisierung Mittel: Tetanustoxoid. Zeitintervall 1. Impfung 4 W o c h e n ) 2. Impfung, 2. Impfung 1 2 M o n a t e ) 3. Impfung. Vollschutz nach 3. Impfung für 10 Jahre, danach latenter Schutz Kontraindikation: vorausgegangene oder gleichzeitige Impfung gegen Polio, Pocken, Gelbfieber, Hauteiterungen. Intervall muß 4 Wochen betragen. Auffrisch-, Simultanimpfung
zur Entleerung des venösen Systems.
Druckverbände (Abb. 8-9) kommen an den Extremitäten und am Kopf zur Blutstillung bei arteriellen und venösen Blutungen zur Anwendung. Mehrere Lagen steriler Mullkompressen werden in das Wundgebiet gelegt und mit einer elastischen oder halbelastischen Binde so fest fixiert, daß die blutenden Gefäße komprimiert werden. Praxishinweis: Es empfiehlt sich, dabei die blutende Extremität hochzulagern, damit sich das venöse System bereits vor dem Festziehen der Binde entleert. Da ein Druckverband immer zu einer venösen Stauung der distalen Extremitätenabschnitte führt, empfiehlt sich zusätzlich eine elastische Wickelung von peripher nach zentral.
Kompressionsverband • Zur Beseitigung von Stauungszuständen an der unteren Extremität (Varizen, Ulcus cruris). - ausschließlich vollelastische Binden verwenden! • Weder der Druckverband noch der Kompressionsverband darf abschnüren!
Kompressionsverbände werden vornehmlich an der unteren Extremität zur Behandlung akuter oder chronischer Stauungszustände verwendet. Sie werden immer von den Zehengrundgelenken beginnend nach proximal angelegt. Die Verbandtouren sollen sich dabei kreuzförmig überlappen (Kornährenmuster). Ebenso wie Druckverbände werden sie an der elevierten Extremität angelegt. Als Verbandmaterial kommen ausschließlich vollelastische Binden zur Anwendung (z. B. Idealbinde, Zweizuggummibinde). Da diese Verbände, insbesondere am Oberschenkel, trotz fehlerfreier Anlagetechnik zum Verrutschen neigen, sollten die Bindentouren durch einen in
Spezielle Verbände
59
Binde Druckpolster
Wunde -
Abb. 8-9: Anlegen eines Druckverbandes zur Blutstillung venöser und arterieller Blutungen, bestehend aus steriler, kleinflächiger Wundauflage und einem Druckpolster
Abb. 8-10: Tapeverband zur therapeutischen oder prophylaktischen Stabilisierung des Sprunggelenkes. Steigbügelartiges Anlegen von U-förmigen Tapestreifen (U) und schräge zirkuläre Tapes (S) zur Streßprotektion von Supination
Longitudinalrichtung aufgeklebten Heftpflasterstreifen (sog. Generalstreifen ) miteinander verbunden werden. Tapeverbände (Abb. 8-10) dienen der partiellen Immobilisierung oder Streßprotektion von verletzten oder verletzungsgefährdeten Körperregionen. Am häufigsten werden Tapeverbände im Bereich des Sprung-, der Hand- und der Fingergelenke verwendet. Das „Tapen" wird insbesondere im Hochleistungssport als protektive Maßnahme angewendet. Bei „funktionellen" Tapeverbänden werden die Gelenke nicht komplett, sondern nur in bestimmten Bewegungsrichtungen gestützt, so daß Störungen der Gelenkpropriozeption vermieden werden.
Tapeverbände • zur partiellen Immobilisierung und Streßprotektion (Sprunggelenk, Handgelenk, Fingergelenke). - Verwendung von vollelastischen Binden.
Durch Tapes werden die Mechanorezeptoren der Haut und der Weichteile stimuliert und durch diese exterozeptive Wirkung das Feinspiel der muskulären Gelenkstabilisierung zusätzlich unterstützt. Tapes (z.B. Elastoplast®) bestehen aus vollelastischen Binden aus Baumwolle, die einseitig mit einer Klebeschicht aus Polyacryl versehen sind; dadurch ist jede Bindentour mit der darunterliegenden fest und rutschsicher verbunden. Die Längselastizität beträgt ca. 60%.
Rucksackverband bei Klavikulafraktur (s. Abb. 44.5-3, S.941). Ein mit Polsterwatte gefüllter Schlauchmull (z.B. Stülpa® Größe 2) wird hinter dem Nacken und dem Rücken und vor den beiden Schultern geführt und anschließend dorsal so miteinander verknotet, daß die Schultern nach dorsal gezogen werden. Dadurch ist eine Dislocatio cum contractione der Schulter auszugleichen. Die Beseitigung der Dislocatio ad latus gelingt meist nur unvollständig; da sich das Material „reckt", muß der Rucksackverband kontrolliert und nachgespannt werden. Zu achten ist jedoch auf die Vermeidung der Kompression von Venen und Nerven (iatrogenes kostoklavikuläres Kompressionssyndrom!).
Rucksackverband • Indikation -> Klavikulafraktur - Technik (s. Abb.44.5-3, S.941) - muß regelmäßig kontrolliert und nachgespannt werden. - nicht zu fest anziehen! - Cave: iatrogenes kostoklavikuläres Kompressionssyndrom!
Der Rucksackverband ist heute in verschiedenen Größen als gepolsterter Fertigverband mit Klettverschluß (z. B. Tricodur Clavicula®) im Handel.
Gilchrist-Verband (s. Abb. 44.5-1 b, S. 940) bei Verletzungen der Schulter, des Humerus und des Ellenbogengelenkes. Der Gilchrist-Verband kann ebenfalls mit Schlauchmull hergestellt werden; dabei werden Oberarm und Unterarm so im Schlauchmull geführt, daß sie dem Rumpf angelagert und dort fixiert sind. Auch der Gilchrist-Verband ist als Fertigprodukt im Handel. Diese Fertigverbände sind waschbar und deshalb mehrfach verwendbar. Desault-Verband (Abb. 8-11). Indikation: wie beim Gilchrist-Verband. Der Desault-Verband kann mit elastischen Binden oder Zinkleimbinden angelegt werden. Vor der Anlage sind intertriginöse Körperregionen (z. B. die Achselhöhlen, submammärer Raum) durch Einlage von gepuderten Achselpolstern (Talkum) vor Mazeration zu schützen. Die Bindenführung läuft über die Achsel zur Schulter und dann zum Ellenbogen (ASCHE-Verband).
Gilchrist-Verband • Indikationen -» Verletzungen an Schulter, Humerus und Ellbogengelenk. - wird mit Schlauchmull angelegt. - Technik (s. Abb.44.5-1 b, S.940) - täglich Funktion der Armnerven überprüfen! Desault-Verband • Indikation wie beim Gilchrist-Verband - Technik (Abb.8-10) - täglich Funktion der Armnerven überprüfen!
8. Verbandlehre
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Abb. 8-11: A n l a g e eines Desault-Verbandes mit S c h l a u c h m u l l (Tubi-Grip®); zusätzlich stabilisierendes Tape z w i s c h e n Schulter u n d E l l e n b o g e n mit breitem Pflasterstreifen (•). Der O b e r a r m w i r d hierbei am T h o r a x geschient. Langfinger und D a u m e n s i n d frei beweglich (s. A b b . 44.5-12, S. 944)
Abb.8-12: A u f b a u einer
Oberschenkelextension
Das gleiche Ziel kann durch Fixation des Armes am Rumpf mit Hilfe eines Schlauchverbandes (z.B. Stülpa® Größe 7-8) erreicht werden; dieser Verband ist leichter anzulegen, für den Patienten komfortabler und leichter zu wechseln. Er wird deshalb häufiger als der ASCHE-Verband angewendet. Extensionen, Streckverband Die E x t e n s i o n ist ein d y n a m i s c h e r Verband, der d y n a m i s c h e n V e r ä n d e r u n g e n unterliegt! • tägliche Kontrolle von: - Zugrichtung - Zuggewicht - N a g e l e i n s c h l a g s t e l l e n , Sensibilität, Pulsqualität, F e i n m o t o r i k - Technik (Abb.8-13)
Regeln bei Behandlung mit Extensionen
Extensionen-Streckverband (Abb. 8-12). Extensionen werden hauptsächlich zur vorübergehenden Reposition und Retention von Frakturen der großen Röhrenknochen der unteren Extremität angelegt. Die Extension besteht aus einem transossär eingebrachten Steinmann-Nagel oder Kirschner-Draht, einem Metallbügel, aus den Seilzügen und Umlenkrollen, sowie aus den Gewichtplatten. Dieser bewegliche Teil der Extension wird an einem Lochstabsystem fest mit dem Krankenbett verbunden. Achsenkorrekturen können durch Anwendung von Pelotten und Unterpolsterungen vorgenommen werden. Zur Vermeidung von Rotationsverschiebungen kann bei Unterschenkelfrakturen die Extension mit einem Oberschenkelgipsverband - als gespaltener Gips oder auch als umgreifende Gipslonguette kombiniert werden. Die meisten Extensionen werden über Steinmann-Nägel oder K-Drähte ausgeführt. Pflasterzügel-Streckverbände können wegen der mechanischen Belastung der Haut nur für einen begrenzten Zeitraum angelegt werden. Sie finden hauptsächlich bei der konservativen Behandlung von kindlichen Frakturen des Oberschenkels oder zur temporären Extension am Unterschenkel bei Meniskuseinklemmungen Verwendung. Bei der Behandlung mit Extensionen gelten folgende Regeln: (1) Sterile Bedingungen beim transossären Einschlagen von KDrähten oder Steinmann-Nägeln: Infektionsprophylaxe (2) Zwischen der Nageleinschlagstelle und der Fraktur muß mindestens ein intaktes Gelenk liegen: Prophylaxe von Sekundärinfektionen der Fraktur (3) Das Einschlagen der Nägel erfolgt immer von der gefährlichen zur weniger gefährlichen Stelle: Vermeidung von Gefäß-NervenSchäden (4) Die Zugrichtung des distalen Fragmentes muß dem proximalen Fragment angepaßt werden: Prophylaxe von Fehlstellungen (5) Distraktionen der Fraktur vermeiden: Prophylaxe von Pseudarthrosen (6) Extensionsgewicht dem Patienten und der Fraktur anpassen (Faustregel: Gewicht am Oberschenkel V7-V10 des Körpergewichtes, am Unterschenkel 2-4 kg): Vermeidung von Distraktions- und Kontraktionsfehlstellungen (7) Bei Langzeitextension das Zuggewicht der Muskelatrophie anpassen: Vermeidung von Distraktionen und Pseudarthrosen
Spezielle Verbände (8) Nach 3-4 Wochen Extension auf Metaphyse des distalen Fragmentes umsetzen: Prophylaxe des Schlottergelenkes (9) Wundpflege der Nageleinschlagstellen: Osteitisprophylaxe (10) Rechtwinkelextension des Fußes: Spitzfußprophylaxe (11) Ferse und Kniekehle unterpolstern: Prophylaxe von Druckschäden an Nerven und Gefäßen (12) Abstützplatte für die kontralaterale Extremität: Vermeidung des Abrutschern zur gesunden Seite, Komfortsicherung beim Liegen (13) Fußende des Bettes erhöhen: Thromboseprophylaxe, Verhinderung des Aufrutschens auf die Schiene
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9. Verbrennungen J. C. Bruck
In Deutschland werden jährlich - 15000 Brand verletzte stationär behandelt; davon versterben 1000 Patienten. Männer erleiden dreimal so häufig Verbrennungen wie Frauen, Kinder < 6 Jahre doppelt so häufig wie Erwachsene. Zentren zur Behandlung Schwerstverbrannter - > deutliche Steigerung der Überlebensraten: 5 0 % der Brandverletzten bei 6 5 % verbrannter Körperoberfläche überleben.
Todesursache bei Verbrennungen: 1. Sepsis (ca. 2 6 % ) 2. Pneumonie (ca. 2 0 % ) 3. Herz- und Nierenversagen (ca. 14%)
Thermisches oder toxisches Inhalationstrauma stehen im Vordergrund lebensbedrohlicher Begleiterscheinungen.
Epidemiologie. In Deutschland erleiden jedes Jahr etwa 15000 Menschen Brandwunden, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Von diesen sterben etwa 1000 an den Folgen ihrer Verbrennung. Männer sind rund dreimal so häufig von thermischen Verletzungen betroffen wie Frauen; Kinder bis zum 6. Lebensjahr etwa doppelt so häufig wie Erwachsene. Seit der Schaffung von Zentren zur Behandlung Schwerstbrandverletzter in den 60er Jahren wurde die Überlebensrate mehr als verdoppelt. Überlebten früher 50 % der Verletzten eine Verbrennung von 30 % der Körperoberfläche (KOF), so überleben heute die Hälfte aller Brandverletzten eine zu 65 % verbrannte Körperoberfläche. Diese Entwicklung stellt uns allerdings vor neue Aufgaben in der Rekonstruktion und Rehabilitation von Brandverletzten. Moderne Therapiekonzepte berücksichtigen bereits zum Zeitpunkt der Erstversorgung von Brandverletzten die Möglichkeit nicht wiederherstellbares Gewebe (z. B. Hautanhangsgebilde) zu erhalten und Plastisch-chirurgische Rekonstruktionskonzepte zu integrieren.
Schwerbrandverletzte versterben heute nicht im Verbrennungsschock, sondern an septischen und pulmonalen Komplikationen, da der überwiegende Teil von Brandunfällen in geschlossenen Räumen stattfindet (thermisches oder toxisches Inhalationstrauma). Thermische Schädigungen des Respirationstraktes sowie die Inspiration toxischer Substanzen aus der Verbrennung von Kunststoffen, Textilien, Chemikalien und Imprägnierungsmitteln stehen heute im Vordergrund lebens-
bedrohlicher Begleiterscheinungen.
Pathogenese
1. Pathogenese
Pathogenetischer Algorithmus • Eiweißzerstörung • Epithelverlust • Externe Kontamination • Dermisnekrose:
Biologische Abläufe sind nur in einer schmalen Temperaturzone möglich. Abhängig von Temperatur- und Einwirkdauer kann jede Hitze- und Kälteexposition zur Schädigung der Eiweißstruktur des Gewebes und schließlich bei entsprechender Ausdehnung zum Tod des Organismus führen.
- Flüssigkeitsverlust - mechanische Instabilität - keine Temperaturregulation
Die Dermis ist in der Lage, die Temperatur des Organismus zu kontrollieren und zu regulieren, einen gewissen mechanischen Schutz zu bieten und die Elastizität der Körperoberfläche zu gewährleisten. Die Epidermis schützt vor bakteriellen und chemischen Einwirkungen sowie Flüssigkeitsverlusten aus der Dennis. Ektodermale Strukturen in der Dermis (Hautanhangsgebilde, Nervenrezeptoren etc.) stellen darüber hinaus einen sensorischen Kontakt zur Umwelt sicher. Sie können nicht wiederhergestellt werden. Gegenwärtig können lediglich die dermale Matrix aus kollagenen und elastischen Fasern sowie die Epidermis selbst ad integrum wiederhergestellt werden. Merke: Eine vollständige Wiederherstellung aller Hautqualitäten nach tiefen Verbrennungen ist nicht möglich.
Verbrennungskrankheit
• Verbrennungsödem Bei tiefen Verbrennungen • an Extremitäten: Durchblutungsstörungen • am Thorax: Behinderung der Atmung.
Verbrennungskrankheit: Nicht mehr durch Autoregulation beherrschbare pathophysiologische Veränderungen (= Verbrennungskrankheit) sind zu erwarten: • bei Kindern ab 10% verbrannter Körperoberfläche (VKOF), bei Erwachsenen ab 15 % VKOF.
Pathogenese Die Hitzeeinwirkung führt direkt zu einer Permeabilitätserhöhung der Gefäße im verbrannten Bereich, das Endothel wird durchlässig, Histamine, Kinine und proteolytische Fermente werden freigesetzt. Dadurch kommt es zu einer hochgradigen Flüssigkeitsverschiebung aus dem Intra- in den Extrazellulärraum; auch in nicht verbrannten Arealen. Die Zellschädigung führt darüber hinaus zu einem Konzentrationsausgleich von Natrium und Kalium zwischen Intrazellulärraum und Interstitium und damit zu einer weiteren osmotischen Verstärkung des Verbrennungsödems. Hat die Verbrennung nur zu einem Verlust von Epithel geführt, so verdunstet über die nun deepithelisierte Dermis zusätzlich Flüssigkeit, und Eiweiß geht verloren (ca. 300 ml/10% verbrannter KOF/die). Verbrennungsschorf. Hat dagegen eine tiefere Verbrennung zur Koagulation der Haut und zur Ausbildung eines - für Flüssigkeiten undurchlässigen - Verbrennungsschorfs geführt, so kommt es durch Zunahme des Verbrennungsödems und schrumpfenden Schorf zu einem Druckanstieg im Gewebe, der bei Extremitäten zu Durchblutungsstörungen in der Peripherie sowie am Thorax zu einer Behinderung der Atembewegung führen kann (Tourniquet-Effekt).
63 Permeabilitätserhöhung der Gefäße Flüssigkeitsverschiebung aus dem Intra- in den Extrazellulärraum. Elektrolytverschiebung zwischen Intraund Extrazellulärraum -> osmotische Verstärkung des Verbrennungsödems.
Ödem + Schorf -> Tourniquet-Effekt —> periphere Durchblutungsstörungen und Atembehinderung
Merke: Da mit der Zerstörung der Epidermis der Schutz vor externer Keimkontamination verloren geht, liegt in der Vermeidung einer Infektion das oberste Prinzip der Lokalbehandlung von Brandwunden. Neben einer adäquaten Volumensubstitution haben die Prophylaxe von Infektion und Sepsis durch das Friihdebridement des nekrotischen Gewebes und die Verwendung lokaler Antiseptika (keine Antibiotika) am meisten zur Verbesserung der Überlebensrate und der posttraumatischen Lebensqualität Brandverletzter beigetragen.
• Lokalbehandlung mit Antiseptika • Friihdebridement und Deckung = Infektions- und Narbenprophylaxe!
Infektion. Auch bei kleinen oberflächlichen Verbrennungen führt eine Wundinfektion immer zur Ausbildung von Granulationsgewebe, dessen Epithelisation die Grundlage hypertropher Narbenbildung ist. Bei tieferen Verbrennungen führt die Wundinfektion darüber hinaus zum Untergang noch vitaler Dermisanteile und Hautanhangsgebilden, so daß eine Reepithelisation aus diesen nicht mehr möglich ist.
Infektion • Gewebedemarkierung • Aufweichen der Nekrose • Nährboden für Mikroorganismen
Praxishinweis: Nekrosen und das eiweißreiche Exsudat stellen einen idealen Nährboden für Mikroorganismen dar, deren Einschwemmen in den Organismus nicht verhindert werden kann. Das weitere Schicksal des Brandverletzten wird daher durch die Therapie der Infektion (= Debridement!) ganz wesentlich bestimmt.
Die Zerstörung regenerationsfähiger Haut geschieht über folgende Mechanismen: • Drosselung des venösen Abstroms durch den erhöhten Gewebedruck (Ödem) - Sistieren der Kapillardurchblutung durch Eröffnung der subkutanen AV-Shunts - Untergang der Hautanhangsgebilde. • Kontamination von tieferen Strukturen und Organen durch hämatogene Aussaat (Thrombophlebitis, Harnwegsinfekte, Endokarditis, Bronchopneumonien, transmurale Bakteriämie von Enterokokken durch Sistieren der Peristaltik). • Sepsis mit Katabolie, Marasmus, Infektanämie und Eiweißmangel. • Destruktion von Hauttransplantaten, besonders durch Streptokokken, Staphylokokken. • Ausbildung von Granulationsgewebe an der Oberfläche mit hypertrophen Narben und Kontrakturen über den Gelenken. Infektion und Sepsis werden bei Schwerbrandverletzten (> 20 % verbrannter KOF) zusätzlich durch eine Schwächung der immunologischen Abwehr begünstigt (inadäquate Immunreaktion durch maximale Stimulation und Reduktion der Phagozytenaktivität).
• -
Folgen der Infektion: Zerstörung regenerationsfähiger Haut Zerstörung von Hauttransplantaten Verschleppung in andere Organe Sepsis Narbenhypertrophien und Kontrakturen
Infektion und Sepsis werden durch Schwächung der Immunabwehr zusätzlich begünstigt.
64
9. Verbrennungen
• Débridement vor Antibiose
Merke: Ein hoher Prozentsatz von infektbedingten Komplikationen in der Behandlung Brandverletzter wird durch verspätetes Debridement und insuffizienten Hautersatz ausgelöst! (Cave: Verweilsonden und Katheter).
Systemisch gegebene Antibiotika erreichen nicht das nekrotische Gewebe!
Die Therapie einer Infektion liegt am ehesten im Débridement von Nekrosen und dem Aufbringen eines geeigneten (auch allogenen oder xenogenen) Epithelersatzes. Systemische Antibiotika erreichen nicht das nekrotische Gewebe, topische Antiseptika haben nur eine geringe Eindringtiefe, topische Antibiotika sind heute verlassen.
Infektionsprophylaxe - » Frûhdébridement
Prophylaxe. Eine wirksame Infektionsprophylaxe stellt jedoch das Frûhdébridement der nekrotischen Areale dar!
Erreger-Wandel durch kritiklose Anwendung v o n Antibiotika und Sulfonamiden.
Erregerwandel. Die Besiedelung der Wundflächen wandelt sich kontinuierlich. Die Angaben aus verschiedenen Verbrennungszentren über die für Todesfälle hauptverantwortlichen Keime zeigen dramatisch die Folgen einer kritiklosen Anwendung von Antibiotika und Sulfonamiden über Jahrzehnte: 1935 Streptokokken, 1942 Staphylococcus aureus, ß-hämolysierende Streptokokken, 1954 Klebsiella, 1957 Pseudomonas aeruginosa, 1969 Proteus mirabilis, E.coli, 1970 Candida albicans und tropicalis, 1971 Serratia marcescens und Herpesviren, 1982 E.coli, Enterokokken, 1987 Koag. neg. Staphylokokken, Pseudomonas, Pilze, Viren (Zytomegalie), 1995 zusätzlich MRSA, Pilze.
Verbrennungstiefe und A u s d e h n u n g der Verbrennung geben Hinweise für die notwendige Therapie Regel: Je geringer der Schmerz, um so tiefer die Verbrennung. Diagnose - Nadel zur Sensibilitätskontrolle - Skarifikation zur Prüfung der Kapillardurchblutung - Glasspatel zum Nachweis v o n Thrombosen - Beurteilung der Verbrennungsausdehnung nach Neunerregel (Abb. 9-2) Abschätzung der Verbrennungstiefe (Tab. 9-1)
2. Verbrennungstiefe und -ausdehnung, Verbrühung Die Beurteilung der Verbrennung nach Tiefe und Ausdehnung ergibt grobe Hinweise für die Therapie (Tab. 9-1). Je geringer die Schmerzangabe, um so tiefer ist die Verbrennung! Diagnostik. Einfache diagnostische Hilfsmittel: Nadel zur Schmerzprüfung, Skarifikation zur Prüfung der Kapillardurchblutung, Glasspatel zum Nachweis intradermaler Thrombosen. Färbemethoden haben sich nicht bewährt, möglicherweise ist die Computerthermographie ein zukunftsträchtiges Verfahren.
Zur Beurteilung der Verbrennungsausdehnung bedient man sich der Neunerregel (Abb. 9-1). Orientierungshilfe: Handfläche = 1 %. Die Befunde werden durch Foto und Eintragungen in ein Verbrennungsschema im Rahmen der Erstversorgung dokumentiert (Abb. 9-2).
Tab.9-1: Abschätzung der Verbrennungstiefe
nach dem klinischen Aspekt
Grad Tiefe
Symptomatik
Heilung
I.
Verletzung der Epidermis
Rötung, Schwellung, Schmerz
Regeneration ohne Narben und Therapie
IIa.
Verletzung der Epidermis und obersten Dermis
Schwellung, Blasenbildung, Schmerz
ohne Infektion: Regeneration ohne Narben, Pigmentund Strukturveränderungen möglich
Zerstörung von Epidermis und tiefere Dermis
Geplatzte Blasen, grauweißlich-fleckig, Schmerz
Bildung von Granulationsgewebe, Narbenbildung, Neigung zu Narbenhypertrophie, Reepithelisation aus den Anhangsgebilden möglich
Zerstörung der gesamten Haut und ihrer Anhangsgebilde
graugelbliche ledernur durch Hautersatz artige Konsistenz der Haut, keine Haare, Schrumpfung des Gewebes (I), kein Schmerz
Ib.
Verbrennungstiefe und -ausdehnung, Verbrühung
10/ 1
v
'+8
65
17
9 36
9
9 34
Abb. 9-1: Neunerregel zur Abschätzung der Verbrennungsausdehnung in Prozent der Körperoberfläche. Orientierung mittels Handfläche des Patienten (1 %). Cave: Beim Kleinkind gelten andere Relationen (Ii. Erwachsener, re. Kind)
1. gradig
I 2. gradig
(
) 3. gradig
Die Ziffern zeigen den PROZENTUALEN ANTEIL der einzelnen Körperregionen an der gesamten KÖRPERFLÄCHE an.
Alle verbrannten 1. gradig Gebiete 2. gradig zusammengezählt
Gesamtfläche
Abb. 9-2: Verbrennungschema in welchem die verbrannten Areale dokumentiert w e r d e n
2.1 Verbrühungen, spezielle Verbrennungen V e r b r ü h u n g e n , ca. 25 % aller „ V e r b r e n n u n g e n " , e r e i l e n v o r z u g s w e i s e Kinder. D a Wasser b e i 100 ° C v e r d a m p f t , erwärmt sich d i e H a u t bei V e r b r ü h u n g e n durch W a s s e r d a m p f „nur" auf ca. 80 °C. E i n U n t e r s c h i e d zur V e r b r e n n u n g b e s t e h t nur insofern, als das W u n d ö d e m früher u n d stärker (ca. + 6 0 % ) auftritt u n d T o x i n e erst v e r g l e i c h s w e i s e spät ( n a c h d e r 1. W o c h e ) e i n g e s c h w e m m t w e r d e n .
Verbrühung ca. 2 5 % aller Verbrennungen. Überwiegend bei Kindern. Unterschied zur Verbrennung - » W u n d ö d e m tritt früher und stärker auf.
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9. Verbrennungen
• Therapie: - lokale Kühlung - Substitution von Flüssigkeit, Elektrolyten und Eiweiß
Therapie. Nach Verbrühungen ist eine lokale Kühlung besonders effektiv und schmerzlindernd. Obwohl die Verbrühung meist nur eine Schädigung II. Grades hervorruft, bestehen die gleichen Probleme wie bei Verbrennungen. Durch Verdunstung gehen große Mengen an Eiweiß und Wasser mit Elektrolyten verloren, daher ist eine frühzeitige Substitution auch von Eiweiß nötig (nach 24 Stunden post Trauma).
Arten der Verbrennung: Direkte Flammeneinwirkung (~ 3 0 % ) Meist Verbrennungen III. Grades Cave: toxische Gase! Dokumentation der Ausdehnung anhand des Schemas (Abb. 9-3) Heiße, inerte Massen ( - 1 0 % ) Erkaltetes Material nur mit Öl, Fett und Spatel entfernen, nicht mit organischen Lösungsmitteln (Vergiftungsgefahr).
Direkte Flammeneinwirkung (ca. 30%): Meist drittgradige Verbrennung unbekleideter oder mit entflammbaren Kunstfaser-Textilien bedeckter Körperregionen. Cave: Lungenschädigung durch Inhalation heißer oder toxischer Gase in geschlossenen Räumen!
Chemische Verbrennungen (~ 1 0 % ) durch Säuren und Laugen häufig. Verbrennung schreitet voran solange die aktive Substanz Gewebekontakt hat.
Chemische Verbrennungen (ca. 10%): Meist Arbeitsunfälle. Von größter Bedeutung in kriegerisch bedingten Katastrophenfällen. Solange die chemisch aktive Substanz Kontakt mit dem Gewebe hat, schreitet die chemische Verbrennung fort. Besonders häufig sind Verletzungen durch Säuren oder Laugen. Sofortmaßnahme: wiederholte Spülung mit Wasser und ggf. Debridement.
Sofortmaßnahme: Spülung mit Wasser.
Feste chemische Partikel: Unter Narkose herausbürsten, evtl. Nekrektomie, Schäden durch Resorption Elektrische Verbrennungen (~ 10%) überwiegend durch Schwachstrom, 1 0 % sind tödlich = Folgen der Stromschleife, die durch den Körper verläuft Komplikationen: • Hirnödem • Arrhythmien • Kammerflimmern • Frakturen durch Muskelkrämpfe • Epiphysenfugenzerstörung bei Kindern
a) durch Wärmeentwicklung Nekrosen = Strom marken b) an der Extremität - Escharotomie und (!) Fasziotomie (Karpaltunnel!) Vermeidung eines Kompartmentsyndroms Diagnose von Muskelnekrosen durch Tc99-Pyruvat-Szintigrafie hilfreich.
Heiße, inerte Massen (z. B. Teer, Schmelze; ca. 10 %): Meist Arbeitsunfälle. Die Speicherwirkung der gut haftenden Substanzen kann zu drittgradigen Verbrennungen führen. Praxishinweis: Niemals das erkaltete Material mit organischen Lösungsmitteln entfernen, sondern mit Öl, Fett und Spateln.
Neutralisationsversuche sind gefährlich (Zeitverlust, zusätzliche Schädigung durch Reaktionswärme, Überdosierung). Feste Partikel (z. B. weißer Phosphor) sind unter Narkose herauszubürsten. Schreitet die Nekrotisierung fort, müssen diese Zonen nekrotomiert werden. Immer auf systemische Schäden durch Resorption achten (z.B. Nierenversagen bei Pikrinsäure oder weißem Phosphor).
Elektrische Verbrennungen (ca. 10%) geschehen zu 80% durch Schwachstrom (< 60 V), zu 20 % durch Starkstrom, 10 % enden tödlich. Definition: Folgen einer direkt den Körper durchziehenden Stromschleife (nicht zu verwechseln mit Verbrennung durch Funkenentladung oder Lichtbogen). Berührt sie Hirn und Herz, so ist neben der Verbrennung für die ersten 24 Stunden mit weiteren Komplikationen zu rechnen (Hirnödem, Arrhythmien, Kammerflimmern, möglich sind sogar Frakturen durch Muskelkrämpfe). Bei niedrigen Spannungen ist Wechselstrom von 50 Hz gefährlicher als Gleichstrom.
Strommarken. An Stellen des größten Gewebewiderstandes und Grenzzonen verschieden leitfähiger Gewebe (Haut/Subkutanfett oder Muskel/Sehnen bzw. Muskel/Knochen) entwickelt sich auch die höchste Wärme (JouleGesetz). An Ein- und Austrittstelle der Stromschleife entstehen Nekrosen (Strommarken). Die Stromschleife folgt dann aber Strukturen mit deutlich geringerem Widerstand (Gefäßnervenbündel und Muskel). Escharotomie, Fasziotomie. Bei höherer Spannung entsteht ebenfalls JouleWärme, die über der Koagulationsgrenze liegen kann. Die Tiefe der Nekrosen läßt sich kurz nach dem Unfall nicht abschätzen. Schwillt aber die Extremität an, so ist in der Tiefe mit ausgedehnten Nekrosen der Muskulatur und Gefäßthrombosen zu rechnen. Zur Vermeidung eines Kompartmentsyndroms ist eine umgehende Entlastung durch Längsspaltung von Haut (Escharotomie) und Faszie vorzunehmen. Eine frühzeitige Diagnose von Muskelnekrosen ist mit Hilfe wiederholter Tc"-Pyruvat-Szintigrafien möglich, die Anhaltspunkte für die Nekrektomie liefern.
Bei Kinder können durch Stromunfälle auch die Epiphysenfugen zerstört werden und damit später Wachstumsstörungen auftreten. Schäden durch Kombination von Hitze und Druck
Kombination von Hitze und Druck. Besonders schwer zu beurteilen sind die Folgen der Kombination von Hitze und Druck, z.B. von heißen Walzen
Therapie
Zug des Verunglückten
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Zug der Maschine
Abb. 9-3: Unfallmechanismus bei der Kombination von Druck- und Hitzeeinwirkung
oder Bügelpressen (Abb. 9-3) oder eine Verbrennung durch Reibungswärme unter Druck (Kombination von Avulsion und Verbrennung). Hierbei werden (vor allem am Handrücken und an den Fingern) für die Funktion wichtige Gleitschichten aneinandergepreßt und koagulieren rasch, da auch die Blutzirkulation für einen Wärmeaustausch fehlt. Die Behandlung sollte auch bei kleinen Arealen in einem Zentrum erfolgen. Möglichst frühe Nekrektomie und Deckung sowie physikalische Therapie.
Unfallmechanismus s.Abb. 9-3 • Gefahr von Koagulation wichtiger Gleitschichten • Nekrektomie • Nekrotomie • Spalthautdeckung • physikalische Therapie
Erfrierungen (s.Kap.7., S.43)
3. Therapie
Therapie der Verbrennungen
Die Verbrennung verläuft in 4 Phasen an denen sich die Behandlung orientiert: Schockphase (ca. 3 Tage), Verbrennungskrankheit (Intoxikationsphase, ca. 3 Wochen), Reparation, Rehabilitation.
Behandlung nach Phasen • Schockphase 3 Tage) • Intoxikationsphase (- 3 Wochen) • Reparation • Rehabilitation
3.1 Erste Hilfe, stationäre Erstmaßnahmen
Erste Hilfe
Im Vordergrund steht bereits am Unfallort die Kühlung verbrannter Areale (nicht des ganzen Körpers!) und die Substitution der enormen Flüssigkeitsmengen, die durch die Permeabilitätsstörungen einerseits in das Interstitium, andererseits besonders bei zweitgradigen Verbrennungen durch Fehlen des Epithels nach außen verloren gehen. Die Flüssigkeitssubstitution (rasch, reichlich, richtig!) hat die Überlebenschancen der Schwerbrandverletzten in den letzten 20 Jahren erheblich verbessert. Standard für Erwachsene ist heute die Volumensubstitution mit Ringerlaktat-Lösung (Pufferung des Ödems) nach dem Baxter-Schema (Parkland-Formel): % verbrannter KOF x kg KG x 4 = Flüssigkeitssubstitution in den ersten 24 Stunden, die Hälfte in den ersten 8 Stunden.
• Kühlung der verbrannten Areale mit Wasser
Maßnahmen nach Löschung und Bergung: • Die wirksamste lokale Erstbehandlung ist die sofortige Kühlung mit Wasser (ca. 15°C-15min), um tiefergehende Hautschäden durch „Nachbrennen" zu vermeiden. • Freimachen der Atemwege (evtl. Intubation), bei elektrischer Verbrennung evtl. Reanimation. • periphervenöser Zugang (auch durch verbranntes Gewebe), Beginn der Volumensubstitution. • Schmerzausschaltung mit Opiaten (i.v.) bei oberflächlich schmerzhaften Verbrennungen (Cave: Atemdepression), Tranquilizern bei tiefen schmerzfreien Verbrennungen. Regel: Keine i.m. Gabe im Schock!
Maßnahmen nach Löschung und Bergung
• Volumensubstitution nach dem BaxterSchema (rasch, reichlich, richtig): % VKOF x kg KG x 4 = Substitution in den ersten 24 Stunden, die Hälfte in den ersten 8 Stunden
9. Verbrennungen
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• Entfernung der Kleider nur, wenn für den Transport ein Wärmeschutz (z.B. Metallfolie) vorhanden ist (Störung der Thermoregulation). Asservieren für spätere Analyse. Maßnahmen bei stationärer Aufnahme
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Maßnahmen bei stationärer Aufnahme • Blasenkatheter (Urinausscheidung sollte 50-100 ml/h betragen) • zentralvenöser Zugang (ZVK), Magensonde, Tetanusprophylaxe • Wundabstriche (Körperfalten, Rachen, VKOF) • laufende Kontrolle von: RR, Puls, ZVD, Temperatur, EKG, Gewicht • Entfernung der Körperbehaarung bei ausgedehnten Verbrennungen (außer Augenbrauen) • Fotodokumentation und Ausfüllen eines Dokumentationsbogens • Debridement: Abbürsten der verbrannten Haut in Narkose mit einem Desinfektionsmittel, z.B. verdünnte Jod-PVP-Lösung • evtl. Escharotomie bei drittgradiger zirkulärer Verbrennung der Extremitäten und des Thorax, um eine Zirkulationsstörung durch weitere Schrumpfung zu vermeiden (Abb. 9-4), Lokalbehandlung.
Abb.9-4: Escharotomie (Inzision des Brandschorfs): Schnittführungen an Hals, Thorax, Arm und Bein (nach Zellweger) Verlegung in Behandlungszentrum
Allgemeinbehandlung
Intensivtherapie Behandlung wichtiger Komplikationen: • Volumenmangel-, septischer Schock • akutes Nierenversagen • paralytischer Ileus • Pneumonie, Streßulkus Faustregel für die Urinausscheidung beim Erwachsenen: 0,8-1,3 ml/Kg KG/h.
Lokale Behandlung offene Wundbehandlung bevorzugen
Die Übernahme des Patienten zur weiteren stationären Behandlung ist abhängig von folgenden Voraussetzungen: - Unterbringung in einem klimatisierten, isolierten Raum mit Einrichtung zur laufenden Überwachung und Beatmung - versiertes Team aus Ärzten, Schwestern und Physiotherapeuten - Verhältnis Patient-Pflegepersonal mindestens 1:4 - ausreichende Operationskapazität auch für regelmäßige Verbände - ausschließlich für den Patienten vorgesehenes Bad, Bettwaage, Hautbank, Air-Flow- und Air-Support-Betten. Die Allgemeinbehandlung entspricht den Prinzipien der Intensivtherapie unter Berücksichtigung der bei der Verbrennung im Vordergrund stehenden Komplikationen: - hypovolämischer-neurogener Schock - Nierenversagen (SIudge-Bildung), reflektorischer Ileus - Bronchopneumonie (Rauchgasvergiftung) in der Intoxikationsphase - septischer Schock, Streßulkus. Praxishinweis: Die Urinausscheidung eines Erwachsenen sollte zwischen 0,8 und 1,3 ml/kg KG/h liegen. ZVD und HK sind keine therapierelevanten Befunde in den ersten 48 Stunden.
3.2 Lokale Behandlung Offene Wundbehandlung. Die offene Behandlung ist vorzuziehen, zumal auch die Mehrbelastung des Patienten durch Verbandwechsel in Narkose entfällt.
Therapie
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Aufwendige Verbände sind nur zu vertreten an Händen und Gesicht und bei Unterbringung unter problematischen hygienischen Bedingungen.
Lagerung. Körperdruck auf thermisch geschädigte Haut fördert Nekrose und Infektion durch Mazeration. Lagerung entweder auf Schaumstoffunterlagen oder im Air-Flow- bzw. Air-Support-Bett.
Lagerung: Drucknekrosen vermeiden Air-Flow- oder Air-Support-Bett
3.2.1 Lokalbehandlung in Abhängigkeit von der Verbrennungstiefe
Verbrennung Grad I
• Erstgradige Verbrennungen heilen spontan ab. Eine Lokalbehandlung beeinflußt die Regeneration nicht, kann aber Schmerzen lindern. • Oberflächlich zweitgradige Verbrennung (IIa): wie erstgradige Verbrennung, evtl. temporärer Hautersatz. • Tief zweitgradige Verbrennung (IIb): Hier bewegt sich die Lokalbehandlung auf dem schmalen Grat zwischen fortschreitender Nekrose und Regeneration. Regelmäßiges Eincremen mit Silbersulfathiazin oder antiseptischen (z.B. Polyvidon-Jod enthaltenden) Salben vermag die Infektion in Grenzen zu halten. Die Behandlung mit gerbenden Substanzen (Tannin, Mercurochrom, Silbernitrat) ist der Versuch, Eigenheiten der drittgradigen Verbrennung zu simulieren (geringe Flüssigkeitsverluste, Schmerzlosigkeit) ohne auf den günstigen Verlauf der zweitgradigen Verbrennung verzichten zu müssen (Spontanheilung durch Reepithelisation aus den Hautanhangsgebilden). Inkauf genommen werden muß - entsprechend der Resorption von organischen Schmelzprodukten (Toxinen) - die Aufnahme von Gerbsubstanzen (Schwermetallvergiftung besonders bei Kindern), die unkontrollierte Eiterentwicklung unter dem Schorf und die erschwerte physikalische Therapie durch den rigiden Gerbschorf. • Tangentiale Exzision: Trägt man zweitgradig verbrannte Haut in dünnen Schichten (ca. 0,1-0,2 mm dick) ab, so wird man eine Schicht der Dermis, die noch vital ist (siehe Definition der II b-Verbrennung) erreichen. Dadurch werden reepithelisationsfähige Zellen (= Hautanhangsgebilde) erhalten, die Infektionsgefahr verringert und das Fortschreiten der Nekrotisierung von der tief-zweitgradigen Verbrennung in eine drittgradige Verbrennung verhindert (Infektionsprophylaxe!). Ein temporärer Epithelersatz (z.B. Fremdhaut, Amnion oder Kunststofffolien) ist als Wundabdeckung ausreichend (Schutz vor Kontamination und Flüssigkeitsverlust). Verbandwechsel können bis zum Abschluß der Reepithelisation nach ca. 10 Tagen entfallen. Restdefekte werden dann transplantiert (u.a. Verbrühungen im Kindesalter). • Tangentiales Debridement von tief-zweitgradigen Verbrennungen sollte sofort - spätestens am 4. Tag nach dem Trauma - erfolgen.
• Spontanheilung
Praxisregel: Infektionsprophylaxe = Granulationsgewebeprophylaxe = Narbenprophylaxe. • Drittgradige Verbrennungen: Da die Entfernung der geschädigten Haut hier in die kapillarreichen subkutanen Plexus führt, sind solche Eingriffe mit hohen Blutverlusten verbunden, zu denen die inflammatorische Hyperämie ebenfalls beiträgt. Aus diesem Grund kann die Abtragung der Nekrosen an großen Flächen wie Thorax und Rücken bei ausgedehnten Verbrennungen bis auf die Faszie erfolgen. Die frühzeitige Nekrektomie am 3. Tag nach Trauma ist die Therapie der Wahl. Zu ausgedehnte Eingriffe belasten die Patienten extrem, zumal, wenn kein biologischer Hautersatz zur Verfügung steht. Es sollte für diese Eingriffe eine sichere Operationsfähigkeit abgewartet (etwa ab dem 3.Tag) und in einer Sitzung nicht mehr als 15 % der K O F nekrektomiert werden. Die ideale sofortige Deckung ist autologe Spalthaut, die im Verhältnis 1:1,5 oder 1:3 als Netztransplantat (mesh graft) oder 1:4 bis 1:6 als Inseltransplantat aufgearbeitet wird (Abb. 9-5). Das Netztransplantat paßt sich dem unregelmäßigen Wundgrund besser an, und aus den Schlitzen kann Blut und Serom abfließen. Steht nicht genügend unverbrannte Haut zur Transplantation zur Verfügung, kann vorüberge-
Verbrennung Grad II • Eincremen mit Silbersulfathiazin oder Polyvidon-Jod-Salbe • Gerbung (Tannin, Mercurochrom) • Tangentiale Exzision
Temporärer Epithelersatz (Fremdhaut, Amnion, Kunststoffolie) schützt vor bakterieller Kontamination und Flüssigkeitsverlusten. Tangentiales Debridement
• Infektionsprophylaxe = Granulationsgewebeprophylaxe = Narbenprophylaxe Verbrennungen Grad III • Abtragen der Haut bis auf die Faszie • Nekrektomie, aber nicht mehr als 15% der KOF in einer Sitzung • Deckung mit Spalthaut, evtl. als Interimsdeckung (Abb. 9-5)
Netztransplantat günstig: • bessere Anpassung an den Wundgrund • Serom und Blut kann gut abfließen.
70
9. Verbrennungen
Abb. 9-5:
Kombinierte autologe und heterologe Deckung von ausgedehnten Defekten. Heterologe Transplantate als Mesh-Graft aufgearbeitet. Die Lücken werden mit autologen Spalthautinseln ausgefüllt (nach ChihChun et al., 1982)
hend auch mit synthetischem Hautersatz oder mit allogener Spalthaut (= Fremdhaut) gedeckt und die Epidermis im Labor gezüchtet werden. Hämatome bedeuten den Tod der Transplantate und erhöhen die Infektionsgefahr! Operation möglichst im 3-Tage-Rhythmus, soweit keine andere Kontraindikation besteht (Wochenende sind keine). Praxishinweis: Jede Spalthautentnahmestelle bedeutet eine zusätzliche Schädigung der Haut im Sinne einer zweitgradigen Verbrennung. Bei unsicherem Wundgrund ist daher eine Interimsdeckung mit allogenen Hauttransplantaten vorzuziehen: Möglichkeiten des Hautersatzes
• • • • •
Fremdhaut (Spalthaut) Schweinespalthaut Amnion künstlicher Hautersatz Keratinozytenkulturen
• Fremdhaut als Spalthaut (in Glyzerin bei + 4 °C konserviert, Hautbank) • Kombination von allogenen Transplantaten als Netztransplantat aufgearbeitet mit gleichzeitiger Übertragung autologer Hautinseln, die als Inseltransplantate heute auch maschinell herzustellen sind (Meek-Technik, Abb. 9-5) • xenogene Transplantate (z.B. Schweinespalthaut) • Amnion (in Glyzerin bei + 4°C konserviert, Hautbank) • künstlicher Hautersatz (z.B. der Struktur der Haut nachgebildete Kunststoffmaterialien). • autologe Keratinozytenkulturen.
Behandlung bei speziellen Lokaiisationen
3.2.2 Lokale Behandlung in Abhängigkeit von der Lokalisation
Behandlung richtet sich auch nach dem Ort der Verbrennungsareale.
Die Behandlung richtet sich nicht allein nach Ausdehnung und Tiefe der Verbrennung, sondern auch nach ihrer Lokalisation. Die Züchtung von Granulationsgewebe ist grundsätzlich falsch. Epithelisiertes Granulationsgewebe bildet eine starre Narbenplatte, die die Bewegung der Gelenke behindert, ästhetisch stört und zur Instabilität neigt. Instabile Narben prädisponieren ein Narbenkarzinom.
Gesicht
Gesicht: Möglichst früh tangentiales Debridement, evtl. auch in Form von Dermabrasio. Vermeidung eines Ektropiums durch mediane Inzision im Oberlid (!) im Sinne der Escharotomie. Wenn möglich Vollhauttransplantate. Abschwellung durch Hochlagerung. Praxisregel: Erst Lider, dann Nase versorgen.
Hals
Hals: Wegen rezidivierender Kontrakturen frühzeitig nekrektomieren und decken. Lagerung des Kopfes in Reklination. Später Schanz-Krawatte.
- Debridement - Oberlidinzision
- Nekrektomie, Deckung Hand
- Nekrektomie, Deckung
Hand: Nekrektomie und Deckung aller verbrannten Bezirke dorsal so rasch wie möglich, evtl. tangentiale Abtragung. Lagerung nicht in physiologischer Beugestellung der Finger, sondern in „ intrinsic-plus-Stellung" (Beugung der Fingergrundgelenke und Streckung der Interphalangealgelenke zur Vermeidung einer Knopflochdeformität). Fixation der Finger auch mit Gummizügeln, ähnlich der Funktionsschiene nach Kleinert. Hochlagerung bei offener Therapie. Möglichst rasche Physiotherapie.
Rehabilitation, Prognose, Begutachtung
71
Thorax: Bei zirkulärer Verbrennung Nekrektomie der Haut zur Erleichterung der Atemexkursion. Nekrektomie auch epifaszial bei Gesamtausdehnung über 40% KOF (Ausnahme Mamillen: Reepithelisierung über die Milchgänge). Lagerung des Patienten in einem Air-Flow-Bett.
Thorax - Nekrektomie
Genitalregion: Dauerkatheter, Stuhlgangregelung. Bei isolierter drittgradiger Verbrennung der Analregion evtl. Anlage eines temporären Anus praeternaturalis.
Genitalregion - Blasenkatheter - Stuhlregulierung
Beine: Bei zirkulär drittgradiger Verbrennung Längsspaltung der Haut, möglichst offene Behandlung durch Aufhängung über Kirschner-Drahtextension, möglichst frühzeitige Nekrektomie bis auf Malleolar- und Prätibialregion.
Beine - Längsspaltung - Kirschner-Drahtextension
4. Rehabilitation, Prognose, Begutachtung Rehabilitation: Die Reintegration des Brandverletzten in sein soziales Umfeld ist nur nach aufwendiger Rehabilitation möglich. • Tragen von angemessenen Kompressionsverbänden und Silikonfolien über Monate zur Behandlung von hypertrophen Narben und Keloiden oder Quengel- und Stützschienen zur Vermeidung von Kontrakturen. • Wiederholte plastische Operationen - meist über viele Jahre - zur Korrektur von Kontrakturen, Ulzerationen, Ektropium, Mikrostoma etc. • Konsequente Krankengymnastik und Ergotherapie. • Psychologische Führung (auch der betroffenen Familie). Umschulung. Prognose: Die Überlebenschance eines - sonst gesunden (!) - Schwerverbrannten läßt sich abschätzen: Lebensalter plus drittgradiger Verbrennung in %, plus zweitgradige Verbrennung in %. Übersteigt die sich ergebende Indexzahl 100, so sind die Überlebenschancen gering.
Rehabilitation - Narbenbehandlung - orthopädische Maßnahmen - physiotherapeutische Maßnahmen - plastische Operationen - psychologische Führung - evtl. Umschulung
Prognose nach Verbrennungsindex 4=
In extremen Fällen haben die bisher erzielten Fortschritte der Intensivmedizin nur eine Verlängerung des Leidens zur Folge. Ist ein solcher Verlauf wahrscheinlich, so muß man sich die Frage stellen, ob es trotz minimaler Überlebenschancen vertretbar ist, alle Möglichkeiten der Intensivtherapie auszuschöpfen. Auch die in der Massenkatastrophe zwangsläufig sich ergebende Selektion der Patienten (Triage) richtet sich nach Prognose und therapeutischen Möglichkeiten.
Begutachtung: Die Begutachtung Brandverletzter nach funktionellen Gesichtspunkten allein (z.B. „Gliedertaxe") gibt nicht das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung durch die Verletzung sowie die Operations- und Behandlungsfolgen ausreichend wieder. Es wurden daher einschlägige Schemata entwickelt, die Ausmaß und Qualität von Narben, auch in Abhängigkeit von ihrer Lokalisation, berücksichtigen (z. B. Gesicht, Hände). Um dem Gesamteindruck einer Brandverletzung auf den Patienten gerecht zu werden, müssen auch somatische und psychosomatische Veränderungen (z.B. Schlafstörungen, Appetitlosigkeit) gewichtet werden. Erst die Summe aller Parameter (Funktion, Hautqualität und Psychosomatik) läßt eine sinnvolle Begutachtung aller Verbrennungsfolgen zu. Zentrale Vermittlungsstelle für Betten in Behandlungszentren: 040-2882-3998/3999
Begutachtung • funktionelle Behinderung • Qualität und Lokalisation von Narben • psychosomatische Störungen
10. Chirurgische Infektionslehre G. Görtz
1. Allgemeine Infektionslehre Einteilung der chirurgischen Infektionen in 5 Gruppen i
j\
Chirurgische I n f e k t i o n e n (Häufigkeit 2 0 - 3 0 % ) w e r d e n eingeteilt in: (1) p r i m ä r e A b s z e d i e r u n g e n (Panaritien, F u r u n k e l , K a r b u n k e l usw.), (2) s e k u n d ä r e A b s z e d i e r u n g e n (z.B. L u n g e n a b s z e ß , L e b e r a b s z e ß ) , (3) p o s t t r a u m a t i s c h e I n f e k t i o n e n (z.B. Osteomyelitis n a c h o f f e n e r Fraktur), (4) p o s t o p e r a t i v e I n f e k t i o n e n (z.B. B a u c h d e c k e n a b s z e ß , Peritonitis, Pneumonie), (5) Peritonitis (z. B. n a c h H o h l o r g a n p e r f o r a t i o n , p a r a l y t i s c h e m Ileus usw.).
Definitionen
1.1 Infektion, Therapie, Prophylaxe
• Infektion
Infektion: lokalisierte oder generalisierte Reaktion des Makroorganismus auf das Eindringen eines Mikroorganismus durch innere oder äußere Oberflächen des Wirtsorganismus. Sie wird durch Ansiedlung, Vermehrung und Stoffwechsel der Mikroorganismen hervorgerufen. Das Ausmaß der Wundinfektionen hängt von Menge und Virulenz der pathogenen Keime, der Resistenzlage des Organismus und der Beschaffenheit der Wunde ab. Kontamination: Besiedlung innerer oder äußerer Wundflächen des Makroorganismus durch einzelne oder verschiedene Arten von Mikroorganismen ohne daß eine Infektion eintritt. Kolonisation: Natürliche Besiedlung der intakten Haut und Schleimhäute des Menschen mit einer Vielzahl von Mikroorganismen. Die verschiedenen Körperregionen (Haut, Mundhöhle, Dickdarm usw.) haben ihr eigenes Kolonisationsmuster. Pathogenität: Fähigkeit der Mikroorganismen, den Wirtsorganismus zu schädigen und eine Infektion auszulösen (Krankheitswert). Virulenz (Infektionskraft): Krankmachende Wirkung eines Erregers. Sie kann durch Bildung von Toxinen, Enzymen und durch Wachstumsbedingungen (Blut-Gewebenekrosen) abgeschwächt oder gesteigert werden. Resistenz (Widerstandskraft): Fähigkeit des Makroorganismus, die Homöostase trotz eingedrungener Mikroorganismen aufrechtzuerhalten, andererseits die Fähigkeit des Mikroorganismus, die antibakterielle Kraft der Chemotherapeutika wirkungslos zu machen.
• Kontamination
• Kolonisation
• Pathogenität • Virulenz
• Resistenz
Infektionsabwehr Abwehr von Mikroorganismen durch: • Abtötung • Eliminierung • Inaktivierung Schutzmechanismen verhindern Invasion in Makroorganismus.
Infektionsabwehr: K ö r p e r f u n k t i o n e n zur A b t ö t u n g , E l i m i n i e r u n g oder Ina k t i v i e r u n g v o n M i k r o o r g a n i s m e n , die die I n f e k t i o n auslösen. N a t ü r l i c h e S c h u t z m e c h a n i s m e n (z.B. unverletzte H a u t , S c h l e i m h a u t ) v e r h i n d e r n eine Invasion potentiell p a t h o g e n e r K r a n k h e i t s e r r e g e r in d e n M a k r o o r g a n i s mus. W e i t e r e F a k t o r e n d e s lokalen Infektionsschutzes sind: • ungestörte Gewebeperfusion u n d physiologische Bakterienflora (Kolonisationsresistenz) d e r i n n e r e n u n d ä u ß e r e n O b e r f l ä c h e n .
• Kolonisationsresistenz Der Makroorganismus verfügt auch über Abwehr einer Kolonisation von Mikroorganismen.
Kolonisationsresistenz ist die Widerstandskraft eines Makroorganismus gegen die Kolonisation von aeroben, potentiell pathogenen Mikroorganismen. Sie verhindert eine Störung des Kolonisationsgleichgewichts in den verschiedenen Körperabschnitten. Im Darm wird die Kolonisationsresistenz durch mechanische Darmsäuberung (Peristaltik), durch Produktion von Muzin und Speichel, durch Abstoßung von Mukosazellen und durch Sekretion von Immunglobulin reguliert. Durch Stimulation der körpereigenen Kontrollmechanismen und Produktion von flüchtigen Fettsäuren können Anaerobier das Kolonisationsgleichgewicht zusätzlich kontrollieren.
Allgemeine Infektionslehre
73
Die körpereigene Infektionsabwehr besteht aus spezifischen und unspezifischen Wirkmechanismen. Spezifische Infektionsabwehr bedeutet erworbene Reaktionsbereitschaft (Immunglobuline) gegen Antigene durch B- und T-Lymphozyten. Die unspezifische Infektionsabwehr ist die antigenunabhängige Reaktionsbereitschaft, die durch Leukozyten und Monozyten vollzogen wird (Komplementsystem, Properdinsystem etc.). Wichtigste Leistung dieser Zellen ist die Phagozytose. Sie vollzieht sich in 5 Phasen:
Man unterscheidet: • spezifische Infektionsabwehr: - erworbene Reaktionsfähigkeit gegen bestimmte Antigene durch B- und TLymphozyten. • unspezifische Infektionsabwehr: - antigenunabhängige Reaktionsfähigkeit durch Leukozyten und Monozyten.
(1) Immigration der polymorphkernigen Granulozyten in das Infektionsgebiet (Chemotaxis, Opsonine, Komplement), (2) Aufnahme der Bakterienzellen in den Granulozyten (Endozytose), (3) intrazelluläre Aktivierung von Enzymen (Lysosomen), (4) Bakterienabtötung durch hydrolytische Substanzen und Bakterizide, (5) Bakterienabbau durch lysosomale Enzyme.
Phagozytose vollzieht sich in 5 Phasen.
Begünstigende Faktoren für eine Infektion sind - lokal:
Lokale Faktoren begünstigen Infektion
• Durchtrennung und Eröffnung des Teguments (operativ, traumatisch), • Gewebetraumatisierung und ungünstige Beschaffenheit der Wundoberfläche (großflächig, kontusioniert, zerrissen, unterminiert), • Eingeschränkte Durchblutung (ausgedehnte Gefäßläsionen, Ligaturen), • Unzureichende Wundversorgung (Blutstillung, Drainage von Hämatomen, später Wundverschluß), • Implantation von Fremdkörpern (Venen-Blasen-Katheter, Hämodialyse-Shunts etc.). Eine Reihe allgemeiner Faktoren erhöht die Infektionsgefährdung: höheres Lebensalter; Begleiterkrankungen (Diabetes, Malignome), Begleittherapie (Radiatio, Kortikoide, Zytostatika), hämatologische Erkrankungen (Leukosen, Granulozytopenie, Anämien, Hypogammaglobulinämie), schlechter Allgemein- und Ernährungszustand des Patienten (Kachexie, Adipositas).
Allgemeine Faktoren begünstigen Infektion: • Diabetes, Malignome • Radiatio, Kortikoide, Zytostatika • Ernährungszustand (Kachexie, Adipositas)
Mikrobiologische Grundlagen: Vor allem Bakterien, aber auch Viren, Pilze und Parasiten (Protozoen und Helminthen) sind die Erreger chirurgischer Infektionen. Häufigster Infektionsmodus ist die Schmier- und Kontaktinfektion. Aerogene und hämatogene Infektionen dagegen sind selten. Häufigste Infektionsquelle ist mit über 90 % der Patient selbst (endogene Infektion), z. B. Verschleppung von Hautkeimen bei Operationen und Traumen oder fäkale Kontamination in der Kolonchirurgie. Exogene Infektionsquellen liegen in der Umgebung des Patienten (z.B. Krankenhauspersonal). Gefährlich ist die Kontamination und Infektion mit resistenten Hospitalkeimen (z.B. Hospitalismus auf Intensivtherapiestationen). Ein weiteres Beispiel einer exogenen Infektion ist der Gasbrand nach Unfallverletzungen (s.S. 80).
Häufigster Infektionsmodus: • Schmier- und Kontaktinfektion. • Erreger: - Bakterien - Viren - Pilze - Parasiten • Infektionsquellen: - Patient selbst (endogen) - Umgebung des Patienten (exogen) - resistente Hospitalkeime
Die klassischen Symptome einer akuten oberflächlichen Infektion sind • calor, dolor, rubor, tumor und functio laesa. Bei okkulten Infektionen (intraabdominelle Abszesse) stehen unspezifische Symptome im Vordergrund: Leukozytose, BSG-Erhöhung, septische Temperaturen, Schüttelfrost. Eine frühzeitige mikrobiologische Diagnostik ermöglicht die direkte Identifizierung des Erregers, Beurteilung der Pathogenese und Prognose und ggf. eine gezielte Chemotherapie. Sie stützt sich auf verschiedene serologische Reaktionen, mit denen die durch die Infektion entstandenen Antikörper bzw. Antigen-Antikörper-Komplexe in vitro nachgewiesen werden können (Agglutinationstest, Präzipitationstest, Komplementbindungsreaktion, Radio-Immunassay usw.).
Symptome:
Diagnostik: - serologische Reaktionstests - Agglutinationstest - Präzipitationstest - Radio-Immunassay • Grundlage der Tests: - Antigen-Antikörper-Komplexe
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10. Chirurgische Infektionslehre Zellulär bedingte Immunreaktionen (Spätreaktion) oder humoral ausgelöste Immunreaktionen (Sofortreaktion) können durch Epi- oder Intrakutantests geprüft werden.
• Materialgewinnung:
Behandlungsprinzipien der chirurgischen Infektion I.Operation Basistherapie für jeden Abszeß: • Inzision • Entfernung von Nekrosen • Drainage Lokale antimikrobielle Therapie: • Antiseptika • keine lokalen Antibiotika • Wärme • Kühlung
2. systemische antimikrobielle Therapie Indikation: • gestörte Abwehr • massive Infektion Keine ausschließliche Antibiotika-Therapie bei abszedierenden Prozessen.
Praxishinweis Materialentnahme: • mehrmalige Materialgewinnung: Blutkultur, Liquorpunktion, Wundabstrich • Entnahme unter sterilen Kautelen (Blutkulturen) und vom Infektionsherd (z.B. Wundgrund, Abszesse), • geeignetes Transportmedium (anaerobe Keimbesiedlung!), • rascher Transport und sofortige mikrobiologische Aufbereitung, • Information des Untersuchers über Entnahmestelle, Symptome und Chemotherapie, • Beginn der antibiotischen Behandlung erst nach der Materialgewinnung, möglichst nach Keimidentifikation und Resistenzbestimmung! Operative Therapie. Basistherapie ist die frühzeitige operative Sanierung (Inzision, Entfernung von Nekrosen, Drainage). Dies gilt für jeden Abszeß (ubi pus ibi evacua!) mit wenigen Ausnahmen. Solitäre intraabdominelle oder -hepatische Abszesse können z. B. unter sonographischer Kontrolle durch perkutane Punktion und Drainage (PigtailKatheter) erfolgreich behandelt werden. Die regenerative und resorptive Fähigkeit des Peritoneums und der Leber gewährleisten die Ausheilung. Zur lokalen antimikrobiellen Therapie infizierter Wunden eignen sich Antiseptika, wie Polyvidonjod, Silbernitrat, Silbersulfadiazin. Die lokale Anwendung von Antibiotika ist zu vermeiden (Resistenzentwicklung). Ausnahmen sind z.B. nicht eitrige Knocheninfektionen und die Peritonitis. Ist der Herd noch nicht eingeschmolzen, kann eine Lokalbehandlung mit Wärme (Rotlicht) oder Kühlung (Alkohol, Rivanol) den Prozeß beschleunigen bzw. leichtere Entzündungen eindämmen (s.Kap. 12, S.90).
Die systemische antimikrobielle Therapie (s. Kap. 12, S. 91) dient der Unterstützung der körpereigenen Infektionsabwehr und ist bei gestörter Abwehrleistung (Immuninsuffizienz, Granulozytopenie) oder bei massiver Infektion indiziert. Merke: Bei abszedierenden Prozessen ist die ausschließliche Antibiotika-Therapie grundsätzlich falsch. Antibiotika können die Abszeßmembran nicht passieren. Der Krankheitsverlauf wird durch Antibiotika eher laviert. Bei der Abszeßeröffnung kurzfristig auftretende Bakteriämien bedürfen nur bei Patienten mit hoher Infektionsgefährdung (z.B. bei Herzklappenersatz oder Immundefizit) der einmaligen systemischen Antibiotikagabe. Die antibiotische Therapie ist indiziert, bei
Indikation der antibiotischen Therapie
• generalisierter Infektion, meist Fieber, Schüttelfrost • gefährlichen Infektionen: Abszesse im Gesicht (Sinus-cavernosusThrombose), hämatogener Osteomyelitis, Panaritium, Phlegmonen, Gasbrand, Knochentuberkulose • Meningitis, akuter Thyreoiditis, Mediastinitis, Pneumonie, urogenitalen Infektionen, postoperativer Sepsis, Peritonitis.
Prophylaxe chirurgischer Infektionen Senkung der Infektionen: - orthograde Darmspülung - ballastfreie Diät - perorale Antibiotika - Antibiotika-Prophylaxe ferner: - reichliche Flüssigkeitszufuhr - aseptisches Katheterisieren - geschlossene Urindrainage-Systeme - Schmerzbekämpfung
Prophylaxe. Perioperative Hygienemaßnahmen und Infektionskontrolle (s. Kap. 11, S. 85). Maßnahmen zur Senkung postoperativer Infektionen, v. a. in der Dickdarmchirurgie sind: • orthograde Darmspülung, ballastfreie Diät, perorale Antibiotikagabe, systemische Antibiotika-Prophylaxe. Eine Antibiotika-Prophylaxe ist auch bei anderen Eingriffen im Intestinaltrakt sowie in der Gefäß- und Herzchirurgie angezeigt. Weitere Maßnahmen zur postoperativen Infektionsprophylaxe sind reichliche Flüssigkeitszufuhr, aseptisches Katheterisieren, Verwendung ge-
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Spezielle Infektionslehre schlossener Urindrainage-Systeme, Schmerzbekämpfung, Frühmobilisation, Atemgymnastik, endotracheale Absaugung, intermittierende positive Überdruckbeatmung usw.
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2. Spezielle Infektionslehre
Spezielle Infektionslehre
2.1 Bakterielle Infektionen
Bakterielle Infektionen
Wir unterscheiden pyogene und putride Infektionen. Die Morphologie pyogener Infektionen ist gekennzeichnet durch:
Frühmobilisation Atemgymnastik endotracheale Absaugung intermittierende positive Uberdruckbeatmung
1. Pyogene Infektionen
• abszedierende lokalisierte Infektionen • Gewebeeinschmelzung, Eiteransammlung und Fluktuation, • Abgrenzung durch Granulationswall und Abszeßmembran. Konsistenz und Farbe des Eiters erlauben Rückschlüsse auf den Erregertyp. Die Morphologie putrider Infektionen ist charakterisiert durch:
2. Putride Infektionen
flächenhaften, nekrotisierenden Gewebezerfall, fehlende leukozytäre Abgrenzung zum gesunden Gewebe faulig stinkendes, dünnflüssiges Wundsekret, teilweise auch Gasbildung (Proteus vulgaris, anaerobe gasbildende Streptokokken, Clostridien, Fusospirochäten). Für die klinische Praxis ist eine Einteilung in aerobe und anaerobe Infektionen sinnvoll. Nicht selten finden sich aerob-anaerobe Mischinfektionen (Abb. 10-1).
In der Praxis unterscheidet man: • bakterielle (aerobe und anaerobe) • parasitäre Infektionen.
Abb. 10-1: Aerobe-anaerobe
Mischinfektion v o n
Weichteilen nach Oberschenkelamputation
2.1.1 Aerobe Infektionen Definition: Aerobe Infektionen werden durch fakultativ-pathogene Bakterien verursacht. Man unterscheidet: • grampositive Kokken (Strepto-, Pneumo-, Staphylokokken), • gramnegative Kokken (Meningo-, Gonokokken), • gramnegative Stäbchen (E. coli, Klebsiellen, Proteus, Pseudomonas, Haemophilus influenzae), • grampositive Stäbchen (Listerien, Corynebakterien).
2.1.1.1 Abszeß, Empyem, Erysipel, Follikulitis Abszeß. Eiteransammlung in einem nicht präformierten, sondern durch Gewebeeinschmelzung gebildeten Hohlraum, der zum umgebenden Gewebe durch einen Granulationswall, später durch bindegewebige Abszeßmembranen abgegrenzt wird.
Aerobe Infektion
-> fakultativ-pathogene Bakterien
I.Abszeß
Definition
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10. Chirurgische Infektionslehre
Lokalisationen: - Körperoberfläche Symptome: • klinische Entzündungszeichen • Fluktuation • Klopfschmerz Differentialdiagnose beachten. Therapie: • Inzisionen/Gegeninzisionen • Drainage • tägi. Verbandwechsel • lokale Antiseptika, Spülung
Lokalisation: Zumeist im Bereich der Körperoberfläche (z.B. iatrogener Spritzenabszeß), seltener an inneren Organen (Leber-, Lungen-, Hirn-, subphrenischer und Douglas-Abszeß). Erreger sind meist Staphylokokken, E. coli und Mischflora. Symptome: Klassische Entzündungszeichen, Fluktuation, lokaler pulssynchroner Klopfschmerz; bei oberflächlichen Abszessen fehlen meist generalisierte Entzündungszeichen. Differentialdiagnose: kalter Abszeß bei Tbc, infizierter Zyste, Tumoren. Therapie: Inzision, evtl. Gegeninzisionen und Drainage, täglicher Verbandwechsel, lokale Antiseptika, Spülung. Die alleinige Punktion ist nur in Ausnahmefällen (z.B. Leberabszeß) ausreichend.
Schweißdrüsenabszeß Abszedierende Entzündung der apokrinen Schweißdrüsen. Erreger: Staphylo- oder Streptokokken. Symptome: erbsengroßes, druckschmerzhaftes und gerötetes Knötchen. Fluktuation —> neue Abszeßbildung führt zu fluktuierenden oder brettharten Infiltraten. Therapie: • Ruhigstellung (Frühstadium), • Inzision und Drainage (bei Fluktuation), • keine Antibiotika.
Schweißdrüsenabszeß. Abszedierende Entzündung der apokrinen Schweißdrüsen (Axilla) infolge Hyperhidrosis oder Kontaktekzem. Im Gegensatz zum Furunkel fehlt der Nekrosepfropf. Erreger: Staphylokokken, selten hämolysierende Streptokokken. Symptome: Druckschmerzhaftes, gerötetes, etwa erbsengroßes Knötchen, das kontinuierlich größer wird. Fluktuation, meist keine allgemeinen Symptome. In der Umgebung können sich neue Abszesse bilden, die zu flächenhaften, teils fluktuierenden, teils brettharten Infiltraten mit fistelartigen Gängen führen (Hidradenitis suppurativa). Therapie: Im Frühstadium Ruhigstellung (Abduktionsschiene und lokale Antiseptika), bei Fluktuation tiefe und breite Inzision und Drainage. Keine Antibiotika. Bei Hidradenitis Exzision des befallenen Drüsenareals.
Weitere Abszeßlokalisationen
Weitere typische Abszeßlokalisationen: Mammaabszesse, periproktitischer Abszeß, intraabdominelle Abszesse (Douglas-, Schlingen-, subphrenischer; perityphlitischer Abszeß), Pankreas-, Leberabszeß.
2. Empyem = Eiteransammlung in präformierten Höhlen, fehlende primäre Gewebenekrose.
Empyem. Eiteransammlung in anatomisch präformierten Höhlen bei primär fehlender Gewebenekrose: Pleura, Perikard, Gallenblase, Gelenke. Douglas- und subphrenischer Raum werden im klinischen Sprachgebrauch als Abszeßräume bezeichnet. Spezielle Lokalisationen sind: Pleura-, Gelenk-, Gallenblasenempyem.
3. Erysipel = phlegmonöse Entzündung der Haut und des Unterhautzellgewebes, hauptsächlich im Gesicht und an Extremitäten. Erreger: Streptokokken. Symptome: • Rötung (scharf begrenzt) • Schwellung, Schmerz, hohes Fieber Therapie: • kühle Umschläge, Penicillin-G • Antiphlogistika 4. Foilikulitis = Infektion der Haarbalgfollikel mit Nekrose. Erreger: Staphylokokken oder Streptokokken. Therapie: • feuchte Umschläge, Rotlicht • antiseptische Salben 5. Furunkel = abszedierende von Haarbalg ausgehende Entzündung mit zentraler Nekrose. Diabetes mellitus! Erreger: Staphylokokken. Symptome: • Rötung, Schwellung • Lymphknotenvergrößerung • starke Schmerzen Therapie: • Ruhigstellung, später Exzision, Nekroseentfernung, Antiseptika.
Erysipel (Rotlauf)' Phlegmonöse Entzündung der Haut und des Unterhautzellgewebes, vorwiegend im Gesicht und an den Extremitäten. Man unterscheidet das E.rubeosum und E.bullosum. Ausgesprochene Rezidivneigung. Erreger sind hämolysierende Streptokokken. Symptome: Scharf begrenzte, intensive, flammende Rötung, Schwellung, Schmerzhaftigkeit, hohes Fieber, Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. Diagnose durch das klinische Bild und Erregernachweis. Therapie: Kühlende Umschläge, Penicillin-G in hohen Dosen, Antiphlogistika. Differentialdiagnose: Erysipeloid, Ekzem, Dermatitis, Allergie. Foilikulitis. Infektion der Haarbalgfollikel mit Nekrose, durch Staphylokokken oder Streptokokken hervorgerufen, häufig generalisiert. Diabetes mellitus ausschließen! Therapie: Feuchte Umschläge, Rotlicht, antiseptische Salben, selten chirurgisch.
2.1.1.2 Furunkel, Karbunkel, Lymphangitis Furunkel. Von einem Haarbalg ausgehende, in die Tiefe fortschreitende, abszedierende Entzündung mit zentraler Nekrose. Ist an sämtlichen behaarten Körperregionen, im Gesicht, der Nase, Gehörgang lokalisiert. Diabetes mellitus! Erreger sind hämolysierende, Koagulase-positive Staphylokokken. Symptome: Rötung, Schwellung mit zentraler Abszedierung, regionäre Lymphknotenvergrößerung, heftige Schmerzen. Therapie: Ruhigstellung, Reifung und Demarkierung abwarten, dann Exzision und Nekroseentfernung. Antiseptika, Antibiotika nur bei Generalisation (Furunkulose). Gesichtsfurunkel s. Kap. 29, S. 317.
Spezielle Infektionslehre
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Karbunkel. Flächenhafte, konfluierende Entzündung mehrerer abszedierender Haarbalgnekrosen (Furunkel) unter Zerstörung dazwischenliegender Gewebeareale (bis handtellergroße Nekrosezonen!). Karbunkel entwickeln sich vorwiegend am Nacken, Rücken und Gesäß. Diabetes mellitus! Erreger sind hämolysierende, koagulasepositive Staphylokokken. Symptome: Ausgedehntes druckschmerzhaftes, gerötetes Hautareal und perifokales Ödem, Nekrose, Fieber und Schüttelfrost. Therapie: Tiefgreifende, bis zur Faszie reichende Exzision der Nekrose, Eröffnung aller Eiterherde, Drainage, Antibiotika nur in Abhängigkeit vom lokalen Entzündungsverlauf und Zustand des Patienten. Bei Durchbruch der Faszie (Fascia nuchae) kann die Entzündung in die Tiefe fortschreiten.
6. Karbunkel = flächenhafte Entzündung mehrerer Furunkel. Vorwiegend an Nacken, Rücken, Gesäß. Erreger: Staphylokokken. Symptome: • druckschmerzhaftes Hautareal, Ödem • Nekrose, Fieber und Schüttelfrost Therapie: • Exzision der Nekrose • Eröffnung der Eiterherde und Drainage • Antibiotika je nach Fall
Lymphangitis. Entzündung der Lymphbahnen, die von einem lokalen Entzündungsprozeß ausgeht, mit konsekutiver Lymphadenitis der regionären Lymphknoten. Bei schwerem Verlauf ist eine eitrige Einschmelzung der Lymphknoten möglich. Symptome: Druckschmerzhafte, vergrößerte regionäre Lymphknoten und streifenförmige Rötung der Lymphbahnen zwischen Eintrittspforte der Infektion und regionärer Lymphknotenstation (im Volksmund: Blutvergiftung). Therapie: Beseitigung der lokalen Infektionsquelle, kalte Umschläge, Ruhigstellung, Antibiotika. Bei Abszedierung Inzision und Drainage.
7. Lymphangitis = Entzündung der Lymphbahnen mit Lymphadenitis. Symptome: druckschmerzhafte, vergrößerte Lymphknoten, Rötung der Lymphbahnen (Blutvergiftung). Therapie: • Beseitigung der Infektionsquelle, • kalte Umschläge, Antibiotika, • evtl. Inzision und Drainage.
2.1.1.3 Hand-, Finger- und Zeheninfektionen Eitrige Infektionen an Hand und Fingern haben ihre besondere Problematik: • rasche phlegmonöse Ausbreitung der primär lokalen, abszedierenden Entzündung, • Gefahr der Defektheilung bei nicht frühzeitiger und radikaler chirurgischer Therapie. Anatomische Besonderheiten der Hand fördern die Ausbreitung der Infektion in Tiefe und Längsrichtung:
8, Hand- und Fingerinfektion • rasche Ausbreitung der lokalen Entzündung, • Gefahr der Defektheilung bei nicht radikaler Therapie. Erreger: Staphylokokken, Mischinfektion.
• Bindegewebespalten verlaufen senkrecht von der Epidermis in die tieferen Gewebeschichten, • enge Beziehungen zu Sehnen, Knochen und Gelenken, • die derbe Haut der Hand verhindert die Spontanperforation nach außen, • Lymphdrainage über die Hohlhand.
Ausbreitung infolge anatomischer Besonderheiten.
Die Ausbreitung der Eiterung in die Tiefe und in Längsrichtung entlang der Sehnenscheiden, die sich proximal kommunizierend zur V-Phlegmone oder Hohlhandeiterung ausdehnen kann, führt zu schweren Zerstörungen der für die Funktion wichtigen Strukturen an Fingern und Hand (Gelenke, Sehnen). Invalidität kann die Folge sein. Wichigstes Behandlungsziel: Ausbreitung in die Tiefe rechtzeitig verhindern und Funktionserhaltung. Erreger dieser Eiterungen sind Staphylokokken, aber auch Mischinfektionen (Streptokokken, E. coli). Behandlungsprinzipien: (s. Kap. 45)
Behandlungsziel: - Ausbreitung in die Tiefe verhindern.
Eingewachsener Zehennagel (Unguis incarnatus). Häufigste Ursache für eine Entzündung des Nagelwalles an der Großzehe. Ursache: Enges Schuhwerk, mangelhafte Fußpflege und unsachgemäßes Beschneiden der Zehennägel. Durch Einwachsen des Nagels in den Nagelwall entstehen chronisch-rezidivierende Infektionen bis hin zu schmerzhaften Eiterungen. Häufigster Erreger sind Staphylokokken, bei chronischen Entzündungen eine fungale Sekundärinfektion. Symptome: schmerzhafte Rötung und Schwellung des Nagelwalles, -kanten sind meist wulstig überdeckt. Bei chronischen Pilzinfektionen ist der Nagel teilweise oder ganz von der Unterfläche abgelöst. Therapie: Radikale Exzision des chronisch entzündeten Nagelwalls mit keilförmiger Resektion des Nagelfalzes (Emmet-Plastik) mit der Nagelmatrix.
4=
9. Eingewachsener Zehennagel (Unguis incarnatus) = Nagelwallentzündung an der Großzehe durch: - enges Schuhwerk - mangelhafte Fußpflege, unsachgemäßes Beschneiden der Nägel Erreger: Staphylokokken, sekundär: Pilzinfektion Symptome: • schmerzhafte Schwellung, Rötung des Nagelwalls • bei chronischen Pilzinfektionen Nagel von der Unterlage abgelöst
78 Therapie: • Exzision des Nagelwalls mit keilförmiger Exzision des Nagelfalzes und der Matrix Emmet-Plastik • antiseptische Lokalbehandlung mit Polyvidon-Jod-Salbe • Fußbäder in antiseptischen Lösungen • bei Pilzinfektion antimykotische Salben.
10. Chirurgische Infektionslehre Die Wundränder werden mit einer Situationsnaht adaptiert. Zusätzlich erfolgt eine lokale antiseptische Therapie (Polividon-Jod-Salbe) und antiseptische Fußbäder mit 0,1 % PVP-Jodlösung. Abheilung der Wunde meist innerhalb von 2-3 Wochen. Vollständige Nagelextraktion nur bei destruiertem Nagel- und Nagelbett infolge einer chronischen Pilzinfektion. Lokale antimykotische Behandlung erforderlich. 2.1.1.4 Phlegmone, Gangrän, Osteomyelitis
10. Phlegmone = diffuse, infiltrative Entzündung im interstitiellen Bindegewebe.
Erreger: - Streptokokken, Staphylokokken. Symptome: • diffuse, ödematöse Rötung, • Schwellung Ausdehnung, • Fieber, Leukozytose. Therapie: • Ruhigstellung, Inzision, Drainage • Nekrosenabtragung • Drainagen • H 2 0 2 -Spülung • Antibiotika bei putrider Infektion 11. Gangrän = nekrotisierende Entzündung und Kontamination mit gangräneszierenden Erregern. Arterielle Perfusionsminderung. Symptome: • schwarz-livide Färbung des Gewebes • süßlicher Geruch, oft keine Schmerzen • Therapie: • Verbesserung der arteriellen Durchblutung, Abtragen der Nekrosen • Polyvidon-Jod-Salbe, Ruhigstellung, • , Antibiotika nur bei phlegmonöser Infektion 12. Nekrotisierende Fasziitis (FournierGangrän, Clostridienzelfulitis) = seltene, schwere nekrotisierende Infektion von Haut und Weichgewebe, die sich entlang der Faszie ausbreitet. Verursacht durch aerobe und anaerobe Bakterien. Pathogenese: • Ausgangspunkt: Verletzungen der Haut - Dekubitalulkus diabetische Gangrän - Injektionen, perineale Fisteln, Enterostom ata Symptome: • schwerkranker Patient, Fieber • schmerzhafte, livide Wundränder • Nekrose, Blasenbildung, Schwellung und Rötung • übelriechendes Wundsekret Diagnose: • Schmerzen, Fieber, toxische Allgemeinreaktion • Krepitation des Gewebes durch Gasansammlungen
Phlegmone. Diffuse, flächenhafte, infiltrative Entzündung, die sich im interstitiellen Bindegewebe ausbreitet. Spezielle Enzyme der Erreger (Hyaluronidase und Streptokinase) verhindern die Abgrenzung des Entzündungsherdes. Phlegmonen entwickeln sich in der Haut, inter- und intramuskulär oder mediastinal, retroperitoneal oder als Urinphlegmone. Erreger: Strepto-, Staphylokokken (= purulente Phlegmone), selten: anaerobe Streptokokken, Proteusspezies, Clostridien (= putride Phlegmone). Symptome: Abhängig von Lokalisation und Erregertyp findet sich eine diffuse, ödematöse Rötung und Schwellung, meist lokalisiert, aber auch rasch flächenhafte Ausdehnung, Fieber und Leukozytose. Therapie: Bei purulenter Verlaufsform Ruhigstellung, Inzision und Drainage, Antibiotikatherapie je nach Situation. Bei putrider Infektion frühzeitig breite chirurgische Eröffnung des Infektionsgebietes, Nekrosenabtragung, mehrfache Drainagen, H 2 0 2 -Spülungen, Antibiotikatherapie obligat! Sonderform ist die Reclus-Holzphlegmone = holzartig derbe, wenig schmerzhafte Schwellung der Halsweichteile (oraler Infektionsherd).
Gangrän. Nekrotisierende Entzündung und Kontamination mit gangräneszierenden Erregern (Anaerobier), meist ausgeprägte arterielle Perfusionsminderung (Arteriosklerose, diabetische Mikroangiopathie). Im Gegensatz dazu Mumifikation (Nekrose ohne Infektion = trockener Brand). Symptome: Schwarz-livide Verfärbung des Gewebes, süßlicher Geruch, oft keine Schmerzen. Therapie: Verbesserung der arteriellen Durchblutung (Gefäßplastiken), Abtragen der Nekrosen bis zur Demarkierungszone (Grenzzonenamputation), Polyvidon-Jod-Salbe, Ruhigstellung der Extremität, Antibiotika nur bei phlegmonöser Infektionsausbreitung. Sonderformen: Nekrotisierende Fasziitis. Seltene, in den letzten Jahren häufiger auftretende Infektion der Haut- und Weichgewebe, die bis zur Faszie reicht und sich entlang dieser ausbreitet. Sie wurde zunächst nur als Folge einer Streptokokkeninfektion gesehen, inzwischen generell für alle nekrotisierenden Infektionen mit gemischter bakterieller Ursache: Fournier-Gangrän, Clostridienzellulitis, nicht durch Clostridien verursachte anaerobe Zellulitis u. a. Gemeinsam für alle Infektionen sind Pathogenese, Therapie und schlechte Prognose. Pathogenese: Ausgangspunkt sind Verletzungen der Haut: Dekubitalulkus, diabetische Fußgangrän, Injektionen, Inzisionen, perineale Fisteln, Enterostomata. Prädisponiert sind Patienten mit konsumierenden Erkrankungen. Infektion mit anaeroben und aeroben Erregern ist für die Schwere der Infektion und Therapieversager verantwortlich.
Symptome: Die Patienten machen meist einen sehr schwerkranken Eindruck. Sie sind hinfällig, fiebrig und leidend. Die eigentliche Wunde als Ausgangspunkt für eine allgemeine Sepsis sieht häufig nicht dramatisch aus. Schmerzhaftigkeit, bläuliche Verfärbung der Hautwundränder, kleine Blasen und Nekrosezonen, Schwellung und Rötung können in unterschiedlichem Maße vorliegen. Aus den offenen Wunden entleert sich wäßrig trübes, bisweilen süßlich riechendes Wundsekret. Diagnose: Unterschiedliche Leitsymptome: Schmerzen, Fieber, toxische Allgemeinreaktion, Gewebenekrosen (Abb. 10-1, S.75) und Krepitation des Gewebes durch Gasansammlungen. Treffen bei einer Wundinfektion mehrere dieser Symptome zu, so ist stets an eine Mitbeteiligung anaerober Erreger zu denken!
Spezielle Infektionslehre
79
Therapie: Chirurgische Sanierung der Infektionsquelle, Drainage und Spülung von Abszeßhöhlen, Exzision von Nekrosen, möglichst gezielte systemische Chemotherapie. Dringend Wundabstrich zur bakteriologischen Untersuchung und Erstellung des Antibiogramms. Die chirurgische Therapie ist im Wettlauf mit der Zeit, da häufig die Beteiligung obligat anaerober Erreger die Prognose rasch verschlechtert.
Therapie: • Infektionsquelle sanieren, Nekrosen abtragen, Drainagen • Wundabstrich zur bakteriologischen Untersuchung und Resistenzbestimmung
Bei der antibiotischen Therapie muß berücksichtigt werden, daß zahlreiche sporenlose Anaerobier eine hohe Aktivität an Betalactamasen aufweisen, die zu Resistenzen der Erreger führen. Eine erfolgversprechende antibiotische Therapie muß daher berücksichtigen: • umfassende Wirksamkeit gegen obligat anaerobe Erreger (bekannte Resistenzen beachten!) • hohe Stabilität gegen Betalaktamasen • ausreichende Gewebespiegel, speziell im Infektionsgebiet.
Hinweis: sporenlose Anaerobier haben häufig eine hohe Betalaktamasenaktivität
Geeignete Antibiotika besonders gegen Bacteroides fragilis sind Clindamycin und Metronidazol, ferner Betalaktam-Antibiotika mit hoher Empfindlichkeit gegen Anaerobier z.B. Mezlocillin, Cefotaxim und Cefoxitin. Antiseptische Lokaltherapie mit PVP-Jodsalbe oder-Lösung. Außerdem ist eine Intensivüberwachung- und therapie erforderlich. Osteomyelitis (Knochenmarkeiterung) (s. Kap. 44.4.8, S. 929)
• Antibiotikakombinationen: - Meslocillin, Cefotaxim und Cefoxitin - antiseptische Lokalbehandlung mit Polyvidon-Jod - Intensivüberwachung-und therapie sehr wichtig!
2.1.1.5 Milzbrand, Wunddiphtherie
13. Milzbrand
Milzbrand (Anthrax). Anthropozoonose sporenbildender Bakterien, die von milzbrandinfizierten Tieren (Schafe) über den Darm ausgeschieden werden. Erreger ist der Bacillus anthracis. Erregerinokkulation über Hautläsionen oder durch die Atemluft. Spezielle berufliche Exposition (Landwirte, Tierärzte). Symptome: Hautmilzbrand: Pustel mit zentral schwarzer Nekrose und rotem Ring, perifokales Ödem, Lymphadenitis, Absonderung blutig-seröser Flüssigkeit (Pustula maligna). Selten ist der Lungen- und Darmmilzbrand. Die Diagnose wird nach lokalem und mikrobiologischem Befund gestellt. Therapie: Keine chirurgischen Maßnahmen! Ruhigstellung und hochdosierte Penicillin-Applikation.
= Anthropozoonose sporenbildender Bakterien.
Wunddiphtherie. Heute seltene Wundinfektion mit blau-violetter Verfärbung, schmierigen Belägen, Pseudomembranen und unterminierten Wundrändern. Erreger ist das Corynebacterium diphtheriae. Symptome: Sehr schmerzhafte, tief nekrotisierende Wunden ohne Heilungstendenz. Bei Resorption von Ektotoxin kommt es zu einer Parese motorischer Nerven und toxischen Myokarditis. Diagnose durch Erregernachweis. Therapie: Offene Wundbehandlung, Penicillin und Diphtherie-Serum zur passiven Immunisierung.
2.1.1.6 Septische Allgemeininfektion Infektion durch fakultativ pathogene Erreger, die von einem Herd im Organismus kontinuierlich oder schubweise in die Blutbahn gelangen (Bakteriämie). Jeder nicht sanierte Eiterherd trägt diese Gefahr in sich. Das bakterielle Erregerspektrum (Blutkultur) kann auf den Ursprung der Sepsis hinweisen (Harnweginfekt, Cholangitis, intraabdominale Abszesse, Pneumonie, Zahn- und Nebenhöhleninfektionen, Venenkatheter, Thrombophlebitis, postoperative Infektionen).
Erreger: Bacillus anthracis Symptome: • Pustel mit zentraler Nekrose und rotem Ring • perifokales Ödem, Lymphadenitis • Absonderung blutig-seröser Flüssigkeit Therapie: Ruhigstellung, Penicillin, hochdosiert, keine chirurgische Therapie. 14. Wunddiphtherie = Wundinfektion mit blau-violetter Färbung und unterminierten Wundrändern. Erreger: Corynebacterium diphtheriae. Symptome: • tief nekrotisierende W u n d e n • schmerzhaft, keine Heilungstendenz Therapie: • offene Wundbehandlung, Penicillin • Diphtherie-Serum 15. Septische Allgemeininfektion = Infektion durch Erreger, die von einem Herd schubweise oder kontinuierlich ins Blut gelangen. Gefahr durch jeden Eiterherd. Durch Erregerspektrum -> Hinweis auf Herd
Pathophysiologic, Therapie und Prognose s. septischer Schock (S. 196) Artaerobe Infektion
2.1.2 Anaerobe Infektionen Definition: Entzündungen durch fakultativ pathogene, obligat anaerobe Bakterien, meist als Mischinfektionen mit aeroben Erregern. Gefährdung durch sporenlose Anaerobier besonders bei Appendizitis, intraabdominellen Abszessen, Leber- und Galleninfektionen, Lungenabszessen.
< J = »
10. Chirurgische Infektionslehre
80 Symptome: • Eiterung, faulig riechend • Nekrosen, Gangrän, Gasentwicklung im Eiter und Gewebe • Endokarditis Erregernachweis Therapie: chirurgische Sanierung • Drainage, Spülung • Nekrosenabtragung • Antibiotikatherapie
Therapie: Chirurgische Sanierung der Infektionsquelle, Drainage und Spülung der Abszeßhöhle, Nekrosenabtragung, systemische Antibiotika-Therapie unter Berücksichtigung einer möglichen aerob-anaeroben Mischinfektion.
16. Gasbrand
2.1.2.1 Gasbrand (Gasödem)
= Weichteilinfektion (lokal) mit Gasentwicklung, Gewebenekrose, Toxinämie.
Definition: Lokale Weichteilinfektion durch exotoxinbildende Bakterien mit Gasentwicklung, foudroyant verlaufender Gewebenekrose und konsekutiver Toxinämie. Die Infektion wird begünstigt durch ausgedehnte Gewebetraumatisierung und Ischämie, z.B. Kriegsverletzungen, Beinamputationen bei arterieller Durchblutungsstörung (Abb. 10-2).
Erreger: sporenbildende Bakterien.
Erreger sind sporenbildende Bakterien (Clostridium perfringens, novyi, histolyticum und septicum). Die Sporen kommen ubiquitär vor, speziell in Erde, Staub und im Darm. Im sauerstoffarmen, nekrotischen Wunden vermehren sich die Erreger sehr rasch, ihre Toxinbildung führt zu einer toxischen Kapillarschädigung mit fortschreitender Muskelnekrose, Intoxikation und frühzeitiger Hämolyse.
Symptome: • Schmerz u. Schwellung • violett-schwarze Wundfarbe • fleischwasserfarbenes Sekret • „Knistern" im Gewebe • tympanitischer Klopfschall Allgemeinsymptome: • Schock • Ikterus • akutes Nierenversagen • „Muskelfiederung" im Rö-Bild
Symptome: Der Lokalbefund ist gekennzeichnet durch starken Schmerz, Schwellung, violett-schwarze Wundfarbe und fleischwasserfarbenes Sekret. Typisch sind ein Knistern im infizierten Gewebe, tympanitischer Klopfschall und rasche Progredienz. Ausgeprägte A llgemeinsymptome: • Schock, Ikterus, akutes Nierenversagen. Bei unbehandeltem Verlauf kommt es in ca. 1-2 Tagen zur charakteristischen „Muskelfiederung" im Röntgenbild, bedingt durch Gaseinlagerung. Der Erregernachweis reicht für die Diagnosestellung nicht aus. Entscheidend ist das klinische Bild und der weitere Verlauf. Differentialdiagnostisch müssen gasbildende Infektionen (z.B. durch E. coli) abgegrenzt werden. Eine rasche Diagnosesicherung erfolgt durch eine bakterioskopische Untersuchung mit einem Muskelquetschpräparat proximal des Infektionsherdes, welches nach Gram gefärbt wird. Dabei zeigen sich als typische Merkmale für eine Gasbrandinfektion: Anteile von nekrotischer Muskulatur (Fehlen der quergestreiften Architektur), massives Auftreten von gram-positiven Stäbchen, Luftblasen und keine oder nur wenige Leukozyten (Abb. 10-3).
Diagnosesicherung • bakterioskopische Untersuchung Muskelquetschpräparat
Symptome: Faulig riechende Eiterung, Nekrosen, Gangrän, Gasentwicklung im Eiter oder im Gewebe, nicht selten Endokarditis (Blutkulturen meist negativ). Diagnose: Der positive mikrobiologische Erregernachweis gelingt nur nach optimaler Materialentnahme und Transport in speziellen Gefäßen.
Therapie: • operative Freilegung, Nekroseabtragung, Spülung mit H 2 0 2 • hohe Penicillingaben • Metronidazol
Therapie: Operation mit breiter Freilegung des Wundbereichs und Abtragen der Nekrosen, ggf. auch hohe Amputation. Spülung der Wunde mit H 2 O z , hohe Penicillingaben (2 x 10 mega/die). Außerdem wird Metronidazol verabreicht. Antitoxingabe und hyperbare Oxygenation sind als unterstützende Maßnahmen zu betrachten.
Letalität 30-50%
Prognose: Letalität 30-50 %.
Abb. 10-2: Gasbrand im Unterschenkelstumpf nach traumatischer Unterschenkelamputation Abb. 10-3: Bakterioskopie eines Muskelquetschausstrichs nach Gramfärbung
81
Spezielle Infektionslehre 2.1.2.2 Tetanus (Wundstarrkrampf)
17. Tetanus
Definition (s.auch Kap. 7, S.49): Zunächst lokale Wundinfektion, die durch Toxinämie (Tetanospasmin, Tetanolysin) zu Lähmungen der quergestreiften Muskulatur führt. Erreger ist das Clostridium tetani, ein sporenbildender, ubiquitär vorkommender Keim (Erde, Tierkot). Voraussetzung für den Übergang der Sporen in die Vegetativform sind anaerobe Wundverhältnisse. Inkubationszeit 3-60 Tage. Besonders verbreitet in tropischen Ländern infolge fehlender Prophylaxe und schlechter Wundhygiene.
= lokale Wundinfektion, die zur Lähmung der quergestreiften Muskulatur führt. Erreger: Clostridium tetani. Inkubationszeit 3-60 Tage
Der Tetanus neonatorum ist eine der häufigsten Ursachen der Kindersterblichkeit in unterentwickelten Ländern.
• Tetanus neonatorum
Die lokalen Gewebeveränderungen sind nicht durch den Erreger und sein Toxin verursacht, sondern durch eine Mischinfektion. Die Toxine breiten sich entlang der Nerven zentripetal bis zu den motorischen Ganglien der Vorderhörner im Rückenmark aus und bewirken dort die charakteristische Krampfbereitschaft.
• Toxine bewirken an den motorischen Ganglien der Vorderhörner des Rükkenmarks eine Krampfbereitschaft.
Symptome: Uncharakteristisches Prodromalstadium mit Lichtscheu, Trismus und Opisthotonus, Risus sardonicus, Unruhe, zunehmende deszendierende tonische Muskelstarre. Im weiteren Verlauf kommt es zu generalisierten Krampfanfällen, Hyperthermie und Aspirationspneumonie, Atemlähmung. Exitus letalis infolge akuten Herzversagens. Stadieneinteilung: I. (leichter Tetanus): Muskelrigidität und Trismus, Schluckbeschwerden, Opisthotonus, Risus sardonicus, Kiefersperre II. (mittelschwerer Tetanus): erhebliche Muskelrigidität bis an die Grenze der Ateminsuffizienz, vereinzelte tetanische Krampfanfälle III. (schwerer Tetanus): generalisierte tetanische Krampfanfälle, Atem- und Kreislaufinsuffizienz.
Symptome: • Prodromi: - Lichtscheu - Trismus - Opisthotonus - Risus sardonicus • Muskelstarre: —»generalisierte Krampfanfälle -»Atemlähmung —> Exitus durch Herzversagen
Diagnose: Für die Diagnose ist die klinische Symptomatik entscheidend: Muskelrigidität in Zusammenhang mit einer vorausgegangenen Verletzung (auch Bagatellverletzung).
Diagnose • Muskelrigidität nach Verletzung (auch Bagatellverletzung).
Therapie: Stadienabhängig:
Therapie
• Verhinderung des Toxinnachschubs: ausgedehnte Wundausschneidung, evtl. auch Amputation, offene Wundbehandlung und Spülen mit lokalen Antiseptika und H 2 0 2 , • Tetanus-Hyperimmunglobulin i.m. um das freizirkulierende Toxin zu neutralisieren, • Schnellimmunisierung mit Tetanustoxoid i. m., um nach Abklingen des passiven Impfschutzes (ca. 3-4 Wochen) die Immunität aufzubauen. • Penicillin-G hochdosiert i. v. • Intensivtherapie: Sedierung, Muskelrelaxation, evtl. künstliche Beatmung, Hyperalimentation, Abschirmung des Patienten im sog. Tetanuszimmer (Ausschaltung äußerer Reize). Prognose: Trotz rechtzeitiger Therapie liegt die Letalität beim schweren Tetanus bei 30%. Beste Prophylaxe ist die Immunisierung mit Tetanustoxoid (s.S. 49).
Letalität ~ 30 %
2.1.3 Tuberkulose, Aktinomykose, Tollwut
18. Tuberkulose
Tbc. Spezifische granulomatöse Entzündung durch das Mycobacterium tuberculosis oder bovis ausgelöst. Nach meist primär pulmonaler Infektion treten in ca. 20 % extrapulmonale Manifestationen auf (Lymphknoten, Knochen und Gelenke, Abdomen, Urogenitaltrakt). Chirurgie der Lungen-Tbc s. Kap. 32, S. 378. Die direkte tuberkulöse Wundinfektion ist selten und berufsspezifisch (Pathologen, Sektionsgehilfen, Tierärzte).
= granulomatöse Entzündung. Primär pulmonale Infektion -» manchmal auch extrapulmonal.
82 Symptome: • käsige Nekrose • dünnflüssiger, gelb-brauner Eiter • kalte Abszesse Diagnose: • Nachweis säurefester Stäbchen (ZiehlNeelsen-Färbung) Therapie: • Tuberkulostatika: INH, Rifampicin, Ethambutol • evtl. organspezifische, chirurgische Therapie (z.B. Lungenresektion)
19. Aktinomykose = sog. Strahlenpilzkrankheit mit Drusen und Granulomen
Therapie: • operative Exzision und Drainage • Penicillin G, Resektion bei pulmonalem oder intestinalem Befall
20. Tollwut = Anthropozoonose durch neurotropes Rabies-Virus
Symptome: • • • •
Schmerz (bei geringer Verletzung) Parästhesien, Hypersalivation Hydrophobie Schlingkrämpfe, generalisierte Krämpfe mit • Atemlähmung -»Exitus Diagnose: - Virustiter - Beobachtung des verdächtigen Tieres Therapie: Intensivtherapie! • Sedierung, Beatmung, Exzision, antiseptische Lokaltherapie, Impfung mit HDC auch nach der Infektion. Prophylaxe
10. Chirurgische Infektionslehre Symptome: Zunächst käsige Nekrosen, die bei Einschmelzung dünnflüssigen, gelbgrauen Eiter bilden. Es entstehen sog. kalte Abszesse (Brodie-Abszesse), da jede entzündliche Reaktion der Umgebung fehlt. Bei Mischinfektion bilden sich Entzündungszeichen aus. Diagnose: Die Verdachtsdiagnose wird durch den mikroskopischen Nachweis säurefester Stäbchen (Ziehl-Neelsen-Färbung) gestellt und durch Erreger-Züchtung auf Spezialnährboden oder im Tierversuch gesichert. Beweisend sind spezifische Granulome (histologische Untersuchung). Therapie: Kombinierte tuberkulostatische Behandlung (z.B. mit INH (Isonicotinsäurehydracid), Rifampicin, Ethambutol), ggf. ist eine organspezifische chirurgische Therapie erforderlich.
Aktinomykose. Chronisch infiltrierende, fistelnde Entzündung (sog. Strahlenpilzkrankheit, aber keine ,,Pilz"infektion!), durch Actinomyces israeli hervorgerufen. Charakteristisch sind Drusenbildungen und spezifische Granulationen. Mischinfektionen mit Staphylo- und Streptokokken sind möglich. Die Infektion findet sich vorwiegend im Bereich des Gesichts und Halses mit flächiger Infiltration, livider Verfärbung der Haut und multipler Fistelbildung. Lungen- und Darmaktinomykosen sind selten. Der Erregernachweis erfolgt mikrobiologisch und histologisch (spezifische Granulationen). Therapie: Operative Exzision und Drainage, Resektion bei pulmonalem oder intestinalem Befall. Therapie mit Penicillin-G. Tollwut (Rabies). Anthropozoonose mit neurotropem Virus (Affinität zum ZNS und zu den Schwann-Zellen). Erreger ist das Rabies-Virus (Rhabdo-Virus). Inkubationszeit 2-20 Wochen. Übertragung durch Speichel infizierter Tiere (Fuchs, Hund, Katze, aber auch Pferd und Rind). Das Virus passiert nicht die intakte Haut aber die intakte Schleimhaut. Verletzungen an Gesicht oder Händen haben eine besonders hohe Infektionsrate. Symptome: Nach unspezifischem Prodromalstadium - ausgeprägter Schmerz bei einer vergleichsweise geringen Verletzung - lokalisierte Parästhesien, Hypersalivation und Hydrophobie. Im weiteren Verlauf Schlingkrämpfe und auch generalisierte Krämpfe mit Atemlähmung, sie führen schließlich zum Exitus letalis bei kompletter motorischer Parese. Die Diagnose wird durch Anstieg des Virustiters und Beobachtung des verdächtigen Tieres gestellt. Histologisch ist der Nachweis von Negri-Einschlußkörperchen im ZNS und in den Speicheldrüsen pathognomonisch. Jäger, Tierärzte und Landwirte sind besonders gefährdet. Therapie: Intensivtherapie! Sedierung und Beatmung, lokale Wundbehandlung mit Exzision und antiseptischer Lokaltherapie. Impfung mit Tollwutimpfstoff (HDC). Diese Aktivimpfung ist wegen der langen Inkubationszeit auch nach erfolgter Infektion noch sinnvoll. Praxishinweis: Bei dem neuen Aktivimpfstoff (HDC) ist das Risiko einer Impfkomplikation sehr gering, etwa dem der Tetanusprophylaxe vergleichbar. Deshalb ist eine prophylaktische Immunisierung bei exponierten Personen und Verdacht der Infektion notwendig.
Parasitäre Infektionen
2.2 Parasitäre Infektionen
21. Echinokokkose
Echinokokkose. Der Erreger reift im Darm des Hauptwirtes (Hund oder Fuchs). Seine Eier werden mit dem Kot ausgeschieden und vom Zwischenwirt (Mensch, Rind, Schwein, Feldmäuse) mit der Nahrung aufgenommen. Die geschlüpfte Larve (Onkosphäre) durchdringt die Darmwand und wird hämatogen in die Leber (80 %) oder Lunge und nur sehr selten auch über den großen Kreislauf infestiert. Es entsteht eine Hydatide (Blase).
Hauptwirt: Hund, Fuchs, Erreger reift dort im Darm. Zwischenwirt: Mensch, Rind, Schwein, -> Erreger infestiert sich in Leber, Lunge - » Entstehung einer Hydatide (Blase). Echinococcus cysticus Hydatiden in der Leber Tochterblase,
• Echinococcus cysticus (granulosus): Er kommt endemisch in Mittelmeerländern vor. Ausbildung von Hydatiden in der Leber des Zwischenwirts. Im Inneren der Zysten entwickeln sich Tochterblasen (Scolices). Die Zystenwand des Echinococcus granulosus bildet 3 Schichten: die Wirtskapsel,
Spezielle Infektionslehre
83
die Kutikula und die Keimschicht. Bei zunehmendem Größenwachstum verursachen die Zysten Kompressionserscheinungen, evtl. Verschlußikterus (s. auch Kapitel 35.10, S.667). • Echinococcus alveolaris (multilocularis): Endemisches Vorkommen in Süddeutschland und in der Bodenseeregion. Der E. alveolaris ist fast ausschließlich in der Leber lokalisiert. Hier finden sich relativ kleine, aber multiple, traubenartig verzweigte Zysten. Rasche Verbreitung durch destruierendes und infiltrierendes Wachstum. Typische Symptome sind Oberbauchschmerz, Gewichtsverlust und im Spätstadium eine portale Hypertension. Diagnose: Im Röntgenbild erkennt man beim Echinococcus granulosus schalige Verkalkungen großer Zysten. Sonographie, CT und immunologische Testreaktionen sichern den Echinokokkus. Klinisch stützt sich die Diagnose auf den Casoni-Hauttest, die Komplementbindungsreaktion nach Weinberg und die Bestimmung des Antikörpertiters. Die Trefferquote liegt bei 80-90%. Leberblindpunktionen zur Diagnosesicherung sind wegen der Gefahr der Verschleppung und Anaphylaxie kontraindiziert. Therapie: Der Echinococcus cysticus kann durch Zyst- oder Perizystektomie fast immer entfernt werden. Vor Eröffnung der Zyste Instillation einer 20 %igen Kochsalzlösung um die Finnen abzutöten und eine Verschleppung während der Operation zu vermeiden. Beim Echinococcus alveolaris ist meist eine Organresektion (Leberteilresektion) erforderlich. Sehr ausgedehnte Befunde sind inoperabel, evtl. Lebertransplantation. Eine medikamentöse Behandlung mit Mebendazol kann versucht werden.
-»Folge Kompressionserscheinung, Verschlußikterus. Therapie: Perizystektomie, Zystektomie. Echinococcus alveolaris In der Leber lokalisiert —> dort traubenartig verzweigte Zysten mit rascher Verbreitung. Symptome: Oberbauchschmerz, Gewichtsverlust, portale Hypertension.
Amöbiasis. Amöbenruhr mit wäßrig-blutigen Stühlen. Erreger ist die Entamoeba histolytica. Der Nachweis erfolgt in frischen Stuhlproben. Chirurgisches Eingreifen verlangen die Kolonperforation bei ulzeröser Colitis und der Perforation von Leberabszessen. Therapie: Beim Leberabszeß ist zunächst eine konservative Behandlung mit Chloroquin und Metronidazol angezeigt. Diese Behandlung hat fast immer Erfolg. Nur bei fehlender Rückbildungstendenz und Mischinfektion ist ein operatives Vorgehen erforderlich.
22. Amöbiasis = Amöbenruhr mit wäßrig-blutigen Stühlen. Therapie • bei Leberabszeß: Chloroquin und Metronidazol. • bei Mischinfektion und fehlender Rückbildung: operativ.
Askaridiasis. Dünndarmparasitose, durch Spulwürmer (Ascaris lumbricoides) hervorgerufen. Endemisches Vorkommen in tropischen Ländern. Fäko-oraler Infektionsmodus. Komplikationen: Ileus und Darmperforation bei massivem Wurmbefall, Verschlußikterus bei Aszension der Askariden in die Gallengänge.
23. Askaridiasis = Dünndarmparasitose durch Spulwürmer. • Komplikationen: - Ileus und Darmperforation - Verschlußikterus
Diagnose: • Verkalkung großer Zysten im Rö-Bild • Casoni-Hauttest • Komplementbindungsreaktion • Antikörper-Titer • keine Leberblindpunktion I Therapie: • Organresektion • Leberteilresektion • Lebertransplantation • Mebendazol Schlechte Prognose bei ausgedehntem Befund.
11. Asepsis, Antisepsis, Hospitalismus I. Kappstein, F. Daschner
Jeder chirurgische Eingriff ist mit einem Infektionsrisiko verbunden. Die Ursachen dafür sind komplex und nur teilweise durch exogene Maßnahmen beeinflußbar. Bei weitem am wichtigsten ist die Technik des Operateurs, ein Faktor, der mit krankenhaushygienischen Maßnahmen nicht zu beeinflussen ist. Postoperative Wundinfektionen • dritthäufigste nosokomiale Infektion • Technik des Operateurs ist ein wichtiger Faktor für die Infektionsverhütung
Nosokomiale Infektion. Postoperative Infektionen im Operationsgebiet (= Wundinfektionen) stehen nach Harnweginfektion und Pneumonie an dritter Stelle bei den krankenhauserworbenen Infektionen. Der Prävention nosokomialer Infektionen in der operativen Medizin kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Sie können die Morbidität der Patienten und damit den Krankenhausaufenthalt erheblich verlängern und die Letalität erhöhen.
1. Risikofaktoren, Erreger Risikofaktoren
1.1 Risikofaktoren
4 Kontaminationsgrade der Wunde:
Das Risiko postoperativer Wundinfektionen ist u. a. vom Kontaminationsgrad der Wunde abhängig, d.h. von der Wahrscheinlichkeit, daß während des Eingriffs Mikroorganismen aus einem endogenen Erregerreservoir oder einer bereits vorhandenen Infektion in die Wunde gelangen. Die folgende Klassifizierung operativer Eingriffe ist allgemein akzeptiert (Kontaminationsklassen ): • saubere (= aseptische) Eingriffe: nicht infiziertes Operationsgebiet (ohne Entzündung), Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt werden nicht eröffnet. Keine Kontamination des Operationsgebietes durch ortsständige Flora: keine mikrobiell besiedelte Körperstelle (z.B. elektive Schilddrüsen-, Herz-, Gelenk-Operationen) • sauber-kontaminierte (= bedingt aseptische) Eingriffe: Operationen, bei der der Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt unter kontrollierten Bedingungen und ohne ungewöhnliche Kontamination eröffnet werden. Mäßige Kontamination des Operationsgebietes durch Standortflora: wenig virulentes Keimspektrum, mäßig hohe Keimzahl (z.B. Appendektomie oder Operationen im Bereich des Oropharynx, der Vagina oder der nicht besiedelten Gallenwege). • kontaminierte Eingriffe: Operationen mit einem größeren Bruch in der aseptischen Technik oder mit deutlichem Austritt von Darminhalt sowie Eingriffe, bei denen eine akute nicht eitrige Entzündung vorhanden ist, außerdem offene, frische Zufallswunden: Erhebliche Kontamination des Operationsgebietes durch endogene Standortflora oder exogene Erreger (z. B. abdominoperineale Rektumamputation). • schmutzige oder infizierte (= septische) Eingriffe: Operationen bei vorhandener eitriger Infektion oder nach Perforation im Gastrointestinaltrakt und alte Verletzungswunden mit devitalisiertem Gewebe: massive Kontamination des Operationsgebietes durch endogene Standortflora oder exogene Erreger (z.B. Operationen nach Darmperforation oder bei eitriger Cholezystitis sowie Klappenersatz bei florider Endokarditis).
1. saubere (= aseptische) Eingriffe: - nicht infiziertes Operationsgebiet - keine Kontamination 2. Sauber-kontaminierte (= bedingt aseptische) Eingriffe: - Eröffnung von Respirations-, Urogenital- oder Magen-Darm-Trakt -> mäßige Kontamination
3. kontaminierte Eingriffe: - Austritt von Darminhalt - nicht eitrige Entzündung —> erhebliche Kontamination
4. schmutzige oder infizierte (= septische) Eingriffe - eitrige Wunden —> massive Kontamination
Allgemeine und spezielle Präventionsmaßnahmen Neben den Kontaminationsklassen beeinflussen folgende Faktoren das Risiko postoperativer Infektionen: Operationsdauer und endogenes Risiko (Allgemeinzustand) des Patienten.
85 Risiko p. o. Infektion
Niedrige Infektionsraten können z.B. bedeuten, daß vorwiegend Patienten mit geringem endogenen Risiko operiert werden, hohe Infektionsraten dagegen müssen nicht notwendigerweise darauf hinweisen, daß hygienische Regeln vernachlässigt werden oder der Operateur eine mangelhafte Operationstechnik hat.
1.2 E r r e g e r 1.2.1 Erregerspektrum
Erregerspektrum
Die Erreger postoperativer Wundinfektionen sind in den meisten Fällen Bakterien; selten Pilze, insbesondere Candida albicans, die nur schwer zu diagnostizieren und zu therapieren sind. Staphylokokken, vor allem Staphylococcus aureus, sind die häufigsten Erreger, aber auch Enterokokken, gramnegative Stäbchen und Anaerobier gehören insbesondere nach abdominalchirurgischen Eingriffen zum üblichen Spektrum.
Häufigste Erreger sind: • Staphylokokken (v.a. S.aureaus) • Enterobacteriaceae (z.B. E.coli, Enterobacter sp.) • Enterokokken • Anaerobier
1.2.2 Erregerreservoire
Erregerreservoire
Nahezu alle postoperativen Infektionen im Operationsgebiet werden während des Eingriffs erworben. Erregerreservoir bzw. Ausgangsort f ü r Erreger von Wundinfektionen ist in erster Linie der Patient (= endogenes Erregerreservoir). Eine weit geringere Rolle spielen außer bei epidemischen Wundinfektionen exogene Erregerreservoire: dazu gehören das Operationspersonal, dessen Haut- und Schleimhautbesiedlung (vor allem durch Freisetzung bakterientragender Epithelien) sowie die unbelebte Umgebung (d.h. Flächen Gegenstände und Luft):
• v. a. endogene Flora des Patienten: - z. B. Darmflora
In den Operationsabteilungen industrialisierter Länder sind grobe Fehler bei der Sterilisation von chirurgischem Instrumentarium sehr unwahrscheinlich. Das gilt auch für industriell hergestellte Gegenstände, wie Desinfektionsmittel, Spüllösungen oder Verbandsmaterial. Wände, Decken oder Oberflächen von evtl. vorhandenen Schränken und Regalen bzw. von Geräten sind für die Entstehung postoperativer Wundinfektionen nicht relevant. Auch der Fußboden ist im Operationssaal kein Erregerreservoir. Bei den raumlufttechnischen (RLT-)-Anlagen in Operationsabteilungen wird nahezu keimfreie Luft in die Operation geführt. Bei regelmäßiger Wartung und Überprüfung sind RLT-Anlagen keine Quelle für Mikroorganismen in der Luft des Operationssaals. Die Luftkeimzahl wird stattdessen fast ausschließlich von der Anzahl und Aktivität der anwesenden Personen bestimmt. Eine aerogene Erregerübertragung ist von Bedeutung, wenn ein anderer Kontaminationsweg, d.h. vor allem eine Erregerübertragung durch Kontakt, ausgeschlossen ist. Bei Operationen, bei denen andere Erregerreservoire und Übertragungswege eine stärkere Kontamination der Wunde verursachen, ist die aerogene Erregerübertragung bedeutungslos.
• exogene Kontaminationen: - z.B. Operationspersonal, Flächen, Gegenstände - bei epidemischer Wundinfektion wichtiger als bei endemischen
• aerogene Erregerübertragung sehr selten - von Bedeutung, wenn ein anderer Übertragungsweg, z. B. durch Kontakt, ausgeschlossen ist
2. Allgemeine und spezielle Präventionsmaßnahmen 2 . 1 A l l g e m e i n e M a ß n a h m e n zur P r ä v e n t i o n nosokomialer Infektionen 2.1.1 H ä n d e w a s c h e n , H ä n d e d e s i n f e k t i o n
Händewaschen, -desinfektion
Wesentlichen Einfluß auf die Kontrolle nosokomialer Infektionen hat die Dekontamination der Hände. Bei Händewaschen bzw. -desinfektion handelt es sich um die einfachste, aber auch effektivste Hygienemaßnahme, die jedoch oft nur unzureichend praktiziert wird. Damit die hygienische Händedesinfektion effektiv sein kann, m u ß man darauf achten, das Desinfektions-
• sog. hygienische Händedesinfektion -> effektivste Hygienemaßnahme
86
11. Asepsis, Antisepsis, Hospitalismus mittel auf der gesamten Haut der Hände zu verreiben (das gleiche gilt analog für das Händewaschen mit Wasser und Seife). Stellen, die häufig nicht miteinbezogen werden, sind z.B. Daumen und Fingerspitzen.
• Kreuzinfektion
Bei Kreuzinfektionen (= Erregerübertragung von einem infizierten auf einen anderen Patienten) spielen nach wie vor die Hände des Personals die größte Rolle, weshalb die Dekontamination der Hände durch Waschen oder Desinfektion die wichtigste hygienische Maßnahme ist.
Händedesinfektion obligat: 1. nach Benutzung von Einmalhandschuhen unerläßlich: 2. vor invasiven Eingriffen 3. vor Kontakt mit Abwehrgeschwächten 4. nach Kontakt mit Infizierten 5. vor Verbandwechsel 6. nach Kontakt mit Blut, Sekreten, Exkreten
Eine Händedesinfektion soll immer auch nach Benutzung von Einmalhandschuhen erfolgen, weil der Schutz durch die Handschuhe nie vollständig ist, für deren Wechsel im übrigen dieselben Regeln gelten wie für die Dekontamination der Hände. Händedesinfektion erfolgt: • vor invasiven Eingriffen: Legen von Venen- und Blasenkatheter, Lumbal-, Gelenkpunktion, auch wenn dabei (sterile) Handschuhe getragen werden • vor Kontakt mit abwehrgeschwächten Patienten • nach Kontakt mit infizierten/kolonisierten Patienten • nach Benutzung von Einmalhandschuhen vor und nach Verbandwechsel • nach Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten.
Verbandwechsel
2.1.2 Verbandwechsel, septischer Patient, Umgebungsuntersuchungen Bei primär heilenden Wunden sind regelmäßige Verbandwechsel nicht erforderlich, sondern nach Entfernung des am Ende der Operation gelegten Verbandes, also spätestens nach 48 h, kann die dann fest verschlossene Wunde offen bleiben oder nur mit einem Pflaster bedeckt werden.
• offene Wundbehandlung bei primär heilenden Wunden • sezernierenden Wunden: Verband muß immer trocken sein
—D „Septischer" Patient » bei ausgedehnten Wundinfektionen oder polyresistenten Erregern: Isolierung im Einzelzimmer • septische Stationen nicht erforderlich
Regelrechte Wundverbände sind bei sezernierenden, so z.B. infizierten Wunden notwendig und müssen nach Bedarf vorgenommen werden. Sezernierende Wunden stellen einen Kontaminationsherd für die Umgebung dar und können zusätzlich durch exogene Erreger kontaminiert werden, weil ein feuchter Verband für Bakterien leicht permeabel ist. „Septischer" Patient. Auf Stationen sollen sog. septische Patienten, vor allem wenn es sich um einen ausgedehnten Wundinfekt handelt oder die Erreger polyresistent sind, in einem Einzelzimmer isoliert werden, „septische" Stationen dagegen sind nicht erforderlich. Bei kleineren Wundinfekten isoliert der Verband den Infektionsherd ausreichend, so daß die Unterbringung im Einzelzimmer nicht notwendig ist. Weder beim Personal (Nasen-Rachen-Abstriche) noch bei Gegenständen oder Flächen (Abklatschuntersuchungen) sollen routinemäßig Umgebungsuntersuchungen durchgeführt werden.
Mikrobiologische Umgebungsuntersuchungen • keine routinemäßigen Personaluntersuchungen (z.B. Nasen-Rachen-Abstriche) • keine routinemäßigen Untersuchungen von Flächen und Gegenständen (z. B. Abklatschplatten) • aber: gezielte Umgebungsuntersuchungen bei gehäuften Infektionen, v. a. Ausbruch bzw. Epidemie Bauliche Maßnahmen • Abgrenzung der Operationsabteilung vom übrigen Krankenhaus
Mikrobiologische Umgebungsuntersuchungen sind speziellen epidemiologischen Situationen vorbehalten: z.B. gehäuftes Auftreten postoperativer Infektionen mit dem gleichen Erreger (sog. Ausbruch oder Epidemie). Es ist also auch in einer Operationsabteilung nicht sinnvoll, z.B. den Reinigungs- und Desinfektionserfolg zu kontrollieren.
2.2 Spezielle Präventionsmaßnahmen in der Operationsabteilung Bauliche Maßnahmen. Operationsabteilungen werden durch Schleusen vom übrigen Krankenhausbereich abgetrennt, um zu erreichen, daß nur die tatsächlich notwendigen Personal-, Material- und Gerätewechsel stattfinden.
87
Allgemeine und spezielle Präventionsmaßnahmen Eine weitverbreitete Auffassung ist aber, daß auch ein Luftaustausch zwischen beiden Bereichen verhindert werden soll, weil nach wie vor der Luft eine besondere Bedeutung bei der Entstehung postoperativer Infektionen im Operationsgebiet zugemessen wird, was aber bei der Mehrzahl der operativen Eingriffe unzutreffend ist.
Qualität der hygienischen Versorgung unabhängig vom baulichen Zustand
Bei der Verbesserung der hygienischen Bedingungen im Krankenhaus haben bauliche Maßnahmen keine Priorität. Es konnte bisher in keiner Untersuchung gezeigt werden, daß die nosokomiale Infektionsrate in Neubauten niedriger ist als in alten Krankenhäusern. 2.2.1 Kleidung des Operationspersonals
Kleidung des Operationspersonais
Bereichskleidung und Operationskittel. Üblicherweise trägt das Operationspersonal eine Bereichskleidung (meist aus Baumwolle), die nur in der Operationsabteilung getragen werden soll.
• Bereichskleidung nur in der Operationsabteilung tragen, vor Verlassen ausziehen
Diese Regel hat hauptsächlich den Grund, beide Krankenhausbereiche sichtbar voneinander abzugrenzen, um damit unkontrollierte Personalbewegungen vor allem in die Operationsabteilung hinein zu verhindern.
Maske. Um die Freisetzung bakterienhaltiger respiratorischer Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum zu verhindern, gilt das Tragen einer Maske für Operationspersonal seit langem als eine wichtige Maßnahme zur Prävention postoperativer Infektionen.
Maske für alle im Operationssaal während der Operation Anwesenden
Man kann aber die Forderung, bei jedem Betreten der Operationsabteilung bereits eine Maske anzulegen, heute in Frage stellen. Stattdessen ist es sinnvoll, Masken erst bei Betreten des Operationssaales anzulegen, so daß alle Personen, die während des Eingriffs anwesend sind, eine Maske tragen, aber nicht auch alle anderen Personen, die außerhalb der Operationssäle beschäftigt sind.
Kopfhaar- und Bartschutz. Um zu gewährleisten, daß die Wunde nicht durch herunterfallende Haare kontaminiert wird, ist das Tragen eines entsprechenden Haarschutzes zumindest für die an der Operation Beteiligten notwendig.
Haarschutz soll Kopf- (und evtl. Bart-)Haare vollständig bedecken
Operationsschuhe. Das Tragen von speziellen Schuhen hat keinen Einfluß auf postoperative Infektionen, weil auch im Operationssaal selbst der Fußboden kein Erregerreservoir für Infektionen ist.
Operationsschuhe nicht zur Infektionsprävention, da Fußboden auch im Operationssaal kein Erregerreservoir für nosokomiale Infektionen, sondern Personalschutz (Rutschfestigkeit)
Operationsbereichsschuhe werden dagegen aus Gründen der Arbeitssicherheit verwendet. Da sie von verschiedenen Personen getragen werden, ist aus allgemein hygienischen oder ästhetischen Gründen eine regelmäßige Reinigung erforderlich, die nur noch in speziellen Maschinen mit anschließender Trocknung, aber nicht mehr manuell durchgeführt werden soll.
2.2.2 Chirurgische Händedesinfektion, Patientenabdeckung, Antibiotikaprophylaxe
Chirurgische Händedesinfektion
Standard ist eine präoperative Händedesinfektion von 5 min. Mikrobiologische Untersuchungen zeigen, daß eine Desinfektionsdauer von 3 min (mit lminütiger Vorwäsche, Bürste nur zur Reinigung der Nägel und Nagelfalze verwenden) ebenso effektiv ist. Zur Abdeckung des Patienten unter Aussparung des Operationsfeldes werden entweder konventionelle Operationstücher aus Baumwolle, waschbare Tücher aus Kunstfaser oder auch Einwegabdecktücher verwendet, die jedoch aus hygienischer Sicht keine Vorteile haben. Eine Antibiotikaprophylaxe zur Verhütung postoperativer Infektionen im Operationsgebiet wird heute bei den meisten Operationen durchgeführt. Regeln der perioperativen Antibiotikaprophylaxe sind: • was: sog. Basis-Antibiotika (z.B. Basis-Cephalosporine, Flucloxacillin), keine Breitspektrumantibiotika • wann: ca. 30 min präoperativ • wie: Kurzinfusion über 15 min
Abdecktüche? aus hygienischen Gründen keine Vorteile von Einmalmaterial gegenüber Baumwolle oder waschbarer Kunstfaser Perioperative A n t i b i o t i k a p r o p h y l a x e • so kurz und „schmal" wie möglich, meist 1-Dosis-Prophylaxe ausreichend
11. Asepsis, Antisepsis, Hospitalismus
88
• wieviel: therapeutische Dosis • wie oft: 1 Dosis meist ausreichend (bei Operation > 4 h intraoperativ Gabe wiederholen). Es sollte immer berücksichtigt werden, daß die Antibiotikaprophylaxe nur eine zusätzliche Maßnahme sein kann, um das Infektionsrisiko zu verringern, daß aber trotzdem eine schonende Operationstechnik und die grundlegenden Hygienemaßnahmen Vorrang haben.
Desinfektion
3. Desinfektion und Sterilisation
= Eliminierung potentiell pathogener Keime
Definition. Unter Desinfektion versteht man die Eliminierung aller potentiell pathogener Erreger, unter Sterilisation die Eliminierung sämtlicher Erreger, d. h. auch der bakteriellen Sporen. Chemische Desinfektionsverfahren sollen heute aus toxikologischen, allergologischen und ökologischen Gründen nur noch bei Gegenständen benutzt werden, bei denen auf Grund der Materialverträglichkeit physikalisch-thermische Verfahren nicht angewendet werden können. Bei allen Gegenständen, die nicht steril sein müssen, wird am besten eine thermische Desinfektion in vollautomatischen Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen vorgenommen, in denen das Material in einem Arbeitsgang gereinigt, desinfiziert und getrocknet wird (z. B. Narkosezubehör). Diese Maschinen werden auch zur Reinigung von Material benutzt, das vor seiner erneuten Verwendung sterilisiert werden muß (z.B. chirurgische Instrumente). Flächendesinfektionsmaßnahmen sollen nur gezielt und so sparsam wie möglich eingesetzt werden, denn in vielen Fällen ist eine Reinigung ausreichend (z.B. Fußböden, Betten, Waschbecken, Toiletten). Nach septischen Eingriffen können im Operationssaal die gleichen Flächendesinfektionsmaßnahmen wie nach jeder anderen Operation durchgeführt werden. Auf keinen Fall sollen Desinfektionsmittel versprüht werden, weil für eine wirksame, schnelle Desinfektion die mechanische Komponente entscheidend ist (Wischdesinfektion) und das toxisch-allergische Risiko durch Inhalation für Personal und Patienten beim Versprühen viel zu hoch ist.
chemische Desinfektion von Gegenständen (z.B. Instrumente) nur, wenn thermische Verfahren nicht möglich thermische Desinfektion in vollautomatischen Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen
Flächendesinfektion so gezielt und sparsam wie möglich, meist Reinigung ausreichend: immer nur Wischdesinfektion (nicht sprühen)
Sterilisation = Eliminierung aller Erreger • thermostabiles Material vorzugsweise im Autoklaven sterilisieren • thermolabiles Material mit Gassterilisationsverfahren (Ethylenoxid, Formaldehyd) oder (neu)
Sterilisation. Thermostabiles Material (z.B. chirurgische Instrumente, Operationswäsche) wird nach Reinigung und Trocknung vorzugsweise in Autoklaven (= Dampfsterilisation) sterilisiert, für thermolabiles Material (z.B. Optiken von Arthroskopen) eignet sich prinzipiell die Gassterilisation mit Ethylenoxid oder Formaldehyd.
Plasmasterilisation mit Wasserstoffperoxid
Inzwischen gibt es ein neues Sterilisationsverfahren für thermolabiles Material, die Plasmasterilisation mit Wasserstoffperoxid als Wirkstoff ohne gesundheitliche Risiken und ohne Umweltbeeinträchtigung.
Die toxischen und allergischen Risiken, die mit Gassterilisationsmethoden verbunden sind, sind aber nicht unerheblich, so daß ihr Einsatz in der letzten Zeit erheblich reduziert wurde.
12. Antibiotikatherapie H. Lode
Definition. Seit Paul Ehrlich ist die antimikrobielle Chemotherapie definiert als eine monokausale, gegen den Erreger gerichtete Behandlung und zwar mit Substanzen, die eine selektive und direkte Wirkung auf die Erregerzelle haben: • Chemotherapeutika sind in der Natur nicht vorkommende, synthetisch gewonnene Substanzen mit antimikrobieller Wirkung • Antibiotika sind von Pilzen und Bakterien gebildete Produkte, die das Wachstum von anderen Mikroorganismen hemmen oder diese abtöten. Zwischen beiden Substanzen bestehen Übergänge, z.B. in Form von synthetisch hergestellten Antibiotika. Vor dem Einsatz von Chemotherapeutika oder Antibiotika müssen folgende Fragen geklärt werden: • Liegt eine Infektion vor? Welches ist der wahrscheinliche Erreger? • Ist die Infektion behandelbar? Welches ist das optimale Chemotherapeutikum?
Grundlagen der antibiotischen Therapie
Chemotherapeutika Antibiotika
Einsatz von Antibiotika
Zur Klärung dieser Fragen sind zunächst eine eingehende Anamneseerhebung, die körperliche Untersuchung und einige diagnostische Laborparameter (Blutbild, Urinsediment usw.) notwendig. Fieber kann dabei nicht nur ein Symptom der Infektion sein, sondern ist bis zum 3. bzw. 4. postoperativen Tag mit Temperaturen bis 38,5 °C oral gemessen resorptionsbedingt. Nach der klinischen Infektionslokalisation (wichtig!) werden repräsentative Untersuchungsmaterialien zur mikrobiologischen Diagnostik entnommen und - falls möglich - sofort ein Grampräparat (z. B. von Liquor, Sekreten, Eiter, Urin, Sputum usw.) angefertigt und bewertet.
Fieber nicht nur Symptom einer Infektion. Körpertemperatur um 38,5°C (oral) bis zum 3.-4.Tag postoperativ evtl. Resorptionsfieber.
Aus der Infektlokalisation und den übrigen genannten Parametern kann in vielen Fällen auf den wahrscheinlichsten Erreger geschlossen werden, so
Infektlokalisation läßt auf Erreger schließen (Abb. 12-1). -» kalkulierte Antibiotikatherapie.
Thorax und Lunge
Kopf und Hals
Streptokokken Pneumokokken Bacteroidaceae u.a. Anaerobier, Staphylokokken, Klebsiella-Spezies, Haem. influenzae
Streptokokken, Pneumokokken, Bacteroidaceae u.a. Anaerobier, Staphylokokken
Heiz und Gefäße
E. coli, Klebsiella-Spezies, Enterobacter-Spezies Proteus-Spezies, U.U.Citrobacter, Streptokokken, Enterokokken, Bacteriodaceae u.a. Anaerobier, Pseudomonas aeroginosa
Staphylokokken, Streptokokken
Muskeln und Wteichteile Staphylokokken, Streptokokken, Clostridien (Erreger von Tetanus, Gasbrand) und selten Enterobacteriaceae, anaerobe Streptokokken
Abdomen
Haut (Verbrennungen) Staphylokokken, anaerobe und aerobe Streptokokken Pseudomas aeruginosa, u. U. Enterobacteriaceae, anaerobe Streptokokken
Abb. 12-1: Typische bakterielle Erreger verschiedener Körperregionen
90
12. Antibiotikatherapie daß mit einer sofortigen Antibiotikatherapie begonnen werden kann (Abb. 12-1): Nach dem Vorliegen des mikrobiologischen kulturellen Ergebnisses und der Resistenzbestimmung muß anhand der klinischen Verlaufskriterien die Chemotherapie geprüft und evtl. gezielt geändert werden.
Klarung verschiedenerWirkparameter vor jeder Antibiotika-Therapie.
Praxishinweis: Bei Einsatz von Chemotherapeutika müssen die Basisparameter der Mikrobiologie, Pharmakokinetik, der chemisch-physikalischen Verhaltensformen, der Verträglichkeit und der Kosten berücksichtigt werden. Auch die Applikationsmodalitäten, d.h. Häufigkeit und Form der Verabreichung (oral, i.m., i.V., Infusion, lokal), sind im klinischen Alltag wichtig für die Auswahl von Antibiotika.
Dauer der Chemotherapie von der Erkrankung abhängig. • Regel: 8-14 Tage 2-5 Tage nach Entfieberung
Für die rationale Antibiotikabehandlung hat sich die Unterteilung in 2 Hauptgruppen bewährt: (1) Substanzen mit vorwiegender Aktivität gegen grampositive Bakterien (2) Substanzen mit vorwiegender Aktivität gegen gramnegative Bakterien. Applikationsdauer. Die Dauer einer Chemotherapie ist von dem zugrunde liegenden Krankheitsbild abhängig: • Bei akuten bis subakuten bakteriellen Infektionen wird in der Regel 25 Tage über die Entfieberung hinaus behandelt, so daß zumeist Behandlungsperioden von 8-14 Tagen resultieren. • Speziellere Erkrankungen, wie Osteomyelitis, Endokarditis, Staphylokokkensepsis oder Tuberkulose, bedürfen einer längeren, (bis mehrmonatigen) kontinuierlichen Chemotherapie.
Lokale Antibiotikatherapie
1. Lokale Therapie, Prophylaxe
Indikation streng stellen!
Lokale Antibiotikatherapie. Die Indikationen für lokale Applikationen sind begrenzt.
2 Hauptgruppen von Bakterien: • grampositive • gramnegative
Bagatellfälle kommen ohne Antibiotika aus!
Praxishinweis: Bagatellfälle sowie Schnitt-, Schürf- oder Verbrennungswunden kommen ohne Antibiotika aus, wenn nach chirurgischen Grundsätzen die Primärversorgung der frischen Wunde innerhalb der 6-8-Stunden-Grenze erfolgt.
Bei Bagatellverletzungen besser Antiseptika und Desinfizienzien (PVP-Jod).
Antiseptika bzw. Desinfizienzien sind die bessere Alternative im Vergleich zu Lokalantibiotika. Heute wird bevorzugt das PVP-Jod angewandt, das fungizid, bakterizid und viruzid wirksam ist. Resistente Keime konnten bisher nur in geringem Umfang nachgewiesen werden. Die Wirkung des PVP-Jod wird durch Serum oder Blut nur unwesentlich beeinflußt. Die Nebenwirkungen sind gering.
Bei Lokalbehandlung nur PolypeptidAntibiotika, wie - Bacitracin - Polymyxin
Grundsätzlich sollten für die lokale Anwendung nur Chemotherapeutika in Betracht gezogen werden, die für die systemische Gabe nicht in Frage kommen. Damit fallen automatisch die immer noch lokal eingesetzten Sulfonamide, Tetracycline, Aminoglykoside und Chloramphenicol fort.
Übrig bleiben vor allem die häufig angewandten Polypeptid-Antibiotika. Sie besitzen eine ausgeprägte Nephrotoxizität bei systemischer Gabe und können deshalb nur lokal angewandt werden. Bacitracin (in Nebacetin) und einige andere Polypeptid-Antibiotika wirken fast ausschließlich auf grampositive Kokken und Bakterien, daher werden sie häufig in Kombination mit anderen Antibiotika angewandt. Polymyxin ist ein aus Aminosäuren aufgebautes Antibiotikum, das gut auf gramnegative Keime wirkt. Kreuzresistenzen zu oral oder parenteral angewandten Chemotherapeutika bestehen nicht. Weiterhin vorteilhaft für diese Gruppe ist ihre geringe Sensibilisierungsrate bei lokaler Anwendung. Das häufig verwendete Neomycin verursacht allergisches Kontaktexanthem.
Damit unterscheiden sie sich wesentlich von dem Aminoglykosid-Antibiotikum Neomycin, das ein allergisches Kontaktexanthem verursacht.
Nebenwirkungen der lokalen Antibiotikatherapie durch Kreuzsensibilisierung: - Allergien - Superinfektion
Allergische Nebenwirkungen besitzen eine besondere Bedeutung durch die Ausbildung von Kreuzsensibilisierung zu verwandten, parenteral applizierbaren Aminoglykosiden, wie Gentamicin, Tobramycin, Sisomicin, Netilmicin und Amikacin. Weitere Gefahren der lokalen Antibiotikatherapie sind
Antibiotika, Dosierung bei Niereninsuffizienz das begrenzte Wirkungsspektrum der eingesetzten Substanzen mit der Gefahr der Selektion und Superinfektion, Resistenzentwicklung durch unkontrollierte Schwankungen der wirksamen Dosis sowie Parallelresistenzen zu systemisch eingesetzten Präparaten. Praxishinweis. Indikationen für eine Lokalbehandlung sind die chronische Osteomyelitis, posttraumatische Osteomyelitis und infizierte Osteosynthesen.
91 - Resistenzentwicklung - Parallelresistenzen
Indikationen für antibiotische Lokalbehandlung:
Hier stehen Gentamicin PMMA-Kugeln von 7 m m Durchmesser zur Verfügung, die aus dem Kunststoff Polymethylmethacrylat und dem Kontrastmittel Zirconiumdioxid bestehen. Diese Kugeln enthalten jeweils 7,5 mg Gentamicin-Sulfat, das verzögert in die Umgebung diffundiert. Antibiotikaprophylaxe. Ein guter hygienischer Standard und die korrekte Anwendung von aseptischen Techniken sind von besonderer Bedeutung in der operativen Medizin, um exogenen Infektionen aus dem Hospitalbereich bzw. als Kreuzinfektion mit anderen Personen vorzubeugen. Die unspezifischen Immunabwehrmechanismen des Patienten unterliegen während eines chirurgischen Eingriffs und der dazu notwendigen Anästhesie erheblichen Einschränkungen. Zusätzlich führt die jeweils zu operierende und darüber hinaus bestehende Grunderkrankung dazu, daß chirurgische Patienten während der Operation einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
Antibiotikaprophylaxe Voraussetzungen zur Prophylaxe chirurgischer Infektionen: • hoher Hygienestandard • Beachtung der aseptischen Techniken
Chirurgische Indikationen zur Antibiotikaprophylaxe unterliegen 3 Kategorien: (1) bedrohliche Infektionsauswirkung (z.B. Herzklappenprothese, Gefäßprothese), (2) hohe Infektionsraten durch Kontamination (z. B. Kolonoperationen), (3) Risikopatienten (z.B. Granulozytopenie, Immunschwäche, hohes Alter, Voroperationen usw.). Anliegen der Prophylaxe ist, das Operationsgebiet vor einer Keimkolonisation zu bewahren bzw. die Keimzahl möglichst gering zu halten. Hieraus folgt, daß zum Operationszeitpunkt ein Antibiotikaspiegel im eröffneten Gewebe vorhanden sein muß. Eine sinnvolle Prophylaxe m u ß deshalb vor der Operation beginnen und nach max. 24 Stunden (auch 1 Applikation reicht aus) beendet sein. Diese perioperative Kurzzeitprophylaxe wird in zahlreichen experimentellen und klinischen Studien belegt (s. Kap. 11/2.2.2, S.87). Mögliche Begleiterscheinungen und Probleme jeder Prophylaxe sind: • arzneimittelinduzierte Unverträglichkeitsreaktionen (allergisch, toxisch), • Förderung von bakterieller Resistenzentwicklung, • Behinderung der bakteriologischen und klinischen Diagnostik, • erhöhte Arzneimittelkosten und ein unangebrachtes, vermehrtes Sicherheitsgefühl des Operateurs.
Antibiotikaprophylaxe ist indiziert bei: • alloplastischen Gefäß- u. Gelenkprothesen • drohender Kontamination (Dickdarmchirurgie) • Risikopatienten (Immunabwehr)
Infektionsrisiko ist abhängig von der Grunderkrankung und der Immunabwehr!
Prophylaxe muß vor der Operation beginnen und spätestens 24 h nach der Operation beendet sein:
Perioperative Kurzzeitprophylaxe • Nachteile: - Unverträglichkeit - Resistenzentwicklung - erschwerte Diagnostik - erhöhte Kosten
2. Antibiotika, Dosierung bei Niereninsuffizienz 2.1 Antimikrobielle Substanzen
Antimikrobielle Substanzen
Für die Auswahl des optimalen Chemotherapeutikums sollte sich der Arzt an den dominierenden Erregern der jeweiligen Infektion orientieren (Abb. 12-1). Basis der Therapie in der Chirurgie sind: Penicilline, Cephalosporine, Chinolone und Aminoglykoside.
Auswahl des Chemotherapeutikums richtet sich nach den Erregern.
Es hat sich bewährt, die Wirksamkeit regelmäßig mittels Resistenzbestimmungen in etwa halb- bis jährlichen Abständen zu überprüfen, um eventuelle Änderungen vorzunehmen. Vom wirtschaftlichen und mikrobiologischen Standpunkt kann darüber hinaus auch empfohlen werden, zwischen Präparaten für die Intensivstationen mit bedrohten Patienten und einem zumeist resistenten Bakterienmaterial zu unterscheiden sowie Präparaten für die Normalstationen, wo Substanzen mit guter Wirksamkeit gegen die häufigsten Keime und mit vertretbaren Kosten eingesetzt werden können.
Es gibt 4 wichtige Substanzgruppen: • Penicilline • Cephalosporine • Chinolone • Aminoglykoside Chemotherapeutika für: - Normalstationen - Intensivstationen Resistenzbestimmung Prüfung der Wirksamkeit wichtig.
92
12. Antibiotikatherapie Tab. 12-1 Penicilline für die parenterale Therapie
1. Penicilline (Tab. 12-1) Penicillin G (Benzylpenicillin) ist Mittel der Wahl bei
INN-Bezeichnung
Handelspräparate® (Beispiele)
Benzylpenicillin
2-20 Mega E/ Penicillin-G-Hoechst Penicillin „Grünenthal" 4-6 h Penicillin „Göttingen"
60-80 Mega E
Oxacillin Dicloxacillin Flucloxacillin Ampi-/Amoxicillin
Cryptocillin, Stapenor Dichlor-Stapenor Staphylex Amblosin, Binotal, Clamoxyl, Infectomycin
1-2,0 g/4~-6 h 1-2,0 g/4-6 h 1-2,0 g/4-6 h 1,5-4,0 g/4-8 h
10-12g 10-12g 10-12g 16-20g
Mezlocillin Azlocillin Ticarcillin Piperacillin Temocillin
Baypen Securopen Aerugipen Pipril Temopen
2-5 g/6-8 h 2-5 g/6-8 h 5-10 g/6-8 h 4 g/6-8 h 1-2 g/12 h
20 g 20 g 30 g 16g 6-8 g
Ampicillin/Sulbactam Amoxicillin/Clavulansäure Ticarcillin/Clavulansäure Piperacillin/Tazobactam
Unacid Augmentan
1,5-3 g/8h 0,6-1,25 g/8 h
12g 6g
Betabactyl Tazobad
5,2 g/8 h 4,5 g/8 h
21g 18g
Dosierung
Maximale Dosierung
2.1.1 Penicilline Penicillin G (Benzylpenicillin) und seine oralen Derivate (Tab. 12-1) sind unverändert Mittel der Wahl bei grampositiven Keimen: Streptokokken und Pneumokokken, auch bei Infektionen durch Gonokokken, Meningokokken, Clostridien, Aktinomyzeten und Treponemen. Penicilline wirken bakterizid. Sie hemmen die Transpeptidierungsreaktionen während der Quervernetzung polymerer Glykopeptide.
Nebenwirkungen - Allergien, Phlebitis - Diarrhoe, Elektrolytstörungen - Leukopenie, Transaminasen t , Thrombozyten —> Funktionsstörungen - Störung der physiologischen Bakterienflora - selten: anaphylaktische Reaktion - häufiger: urtikarielle Hautreaktion (2-5%) Penicillin G parenteral Typische Nebenwirkung: Urtikaria in 5% Bei Staphylokokken-Infektion sind Mittel der Wahl Isoxazolyl-Penicilline: - Oxacillin - Cloxacillin - Dicloxacillin - Flucloxacillin Gabe: oral oder parenteral. Nur penizillinasefeste Penicilline einsetzen.
Nebenwirkungen der Penicilline: • allergische Reaktionen, lokale Unverträglichkeit (Phlebitis), gastrointestinale Beschwerden (Diarrhoe), • Elektrolytstörungen, Leukopenie, Transaminasenerhöhung • Störung der Thrombozytenfunktion und der physiologischen Bakterienflora. Penicillin G muß parenteral verabreicht werden, verteilt sich schnell innerhalb des Extrazellularraums und wird vorwiegend über die Nieren ausgeschieden. Nebenwirkungen: Immunologische Reaktionen (häufig: urtikarielle Hautreaktionen in 2-5 %. Selten: Anaphylaxie). Oxacillin, Cloxacillin, Dicloxacillin und Flucloxacillin sind semisynthetische Isoxazolyl-Penicilline, die gegenüber Penizillinasen resistent sind. Sie können sowohl oral als auch parenteral gegeben werden und sind Mittel der Wahl bei Staphylokokkeninfektionen.
Ampicilline sind weiterentwickelte Penicilline mit erhöhter Aktivität. Antibakterielles Spektrum (auch Breitbandpenicilline) in Tabelle 12-2.
Seit der Einführung des Aminobenzylpenicillins (Ampicillin) ist es gelungen, Weiterentwicklungen der Penicilline mit einer Aktivitätszunahme im gramnegativen Bereich zu produzieren. In der Tabelle 12-2 sind das antibakterielle Spektrum und die Wirksamkeit der Breitbandpenicilline dargestellt. Während Azlocillin vorwiegend bei Pseudomonas aeruginosa wirksam ist, ist die Enterobakterienaktivität von Mezlocillin, Piperacillin vergleichbar.
Azlocillin Mezlocillin Piperacillin
bei Pseudomonas sind in ihrer Enterobakterienaktivität vergleichbar
Da die Mehrzahl der in der Klinik nachgewiesenen Staphylokokken Penizillinasebildner sind oder aber diese Bildung durch eine Penicillinbehandlung induziert werden kann, sollten grundsätzlich bei Staphylokokkeninfektionen nur penizillinasefeste Penicilline eingesetzt werden.
Beide werden in hoher Konzentration über die Galle ausgeschieden, was von Vorteil sein kann.
Antibiotika, Dosierung bei Niereninsuffizienz
93
Tab. 12-2: Antibakterielles Spektrum und Wirksamkeit von Penicillinen E.coli
Ampicillin Ticarcillin Temocillin Azlocillin Mezlocillin Piperacillin
+ + + + + +
+ + + + + + + ++ + ++ +
Klebsiella
0 0 ++++ + + + + +
Entero- Citro- Prot. bacter bacter mirabilis
0
+ + ++ + + ++ + ++ +
+ + + +++ + + + ++ + ++ +
++ + ++ + ++ + + ++ + +++ + ++ + +
Prot. Serra- Pseud. indol- tia aerupositiv ginosa
0
0
+ + + + +
+ ++ + + + + + +
+ ++ + + + + + +
0 + 0
+ + + + ++ +
Nicht optimal ist die Wirkung der neueren Penicilline bei Klebsiellen sowie Enterobacterstämmen. Hier liegt mit dem gegenüber Betalaktamasen deutlich stabilerem Temocillin eine recht interessante Weiterentwicklung vor. Eine weitere therapeutische Möglichkeit bei ß-laktamasebildenden Keimen ist die Kombination von Penicillinen mit ß-Laktamaseinhibitoren wie Clavulansäure, Tazobactam und Sulbactam.
Temocillin
-> bei Klebsiellen und Enterobacter-StämPiperacillin men auf der Intensivstation Mezlocillin und Azlocillin hohe Ausscheidung über die Galle: vorteilhaft bei Gallenwegsinfektionen.
Praxishinweis: Das sehr breit wirkende Penicillin Piperacillin sollte dem Einsatz auf Intensivstationen vorbehalten bleiben.
Die breitwirkenden Penicilline besitzen die f ü r Betalactam-Antibiotika typische gute Verträglichkeit. Auffällige toxische E f f e k t e wurden bisher nicht gesehen; die Nebenwirkungen entsprechen denen der älteren Breitspektrum-Penicilline. Neben allergischen Reaktionen wurden vor allem lokale Unverträglichkeiten, z.B. Phlebitiden beobachtet.
Pharmakokinetik: alle Substanzen 3 x tägl. (bis auf Temocillin), alle neueren Penicilline nur parenteral! Nebenwirkungen wie bei den älteren Breitband-Penicillinen, besonders Phlebitis
2.1.2 Cephalosporine
2. Cephalosporine
Cephalosporine wirken bakterizid auf gramnegative und -positive Keime. Die molekularbiologische Wirkungsweise entspricht der der Penicilline, d. h. es erfolgt die Bindung an unterschiedlichen penicillinbindenden Proteinen der Bakterienzellmembran mit konsekutiver Entstehung filamentartiger Zellen bzw. lytischer Zellauflösung. Hinsichtlich ihres Wirkungsspektrums nehmen die Cephalosporine eine Stellung zwischen den Penicillinen und den Aminoglykosid-Antibiotika ein (Tab. 12-3).
Wirkungsspektrum zwischen Penicillinen und Aminoglykosiden (Tab. 12-3):
Tab. 12-3: Mikrobiologie der parenteralen Basiscephalosporine Cephazolin, Cefazedon und Cefotiam sowie der modernen parenteralen Cephalosporine Cefotaxim, Cefoperazon, Ceftizoxim, Ceftiaxon, Ceftazidim und Cefepime Basiscephalosporine
Moderne Cephalosporine
Spektrum
Staphylokokken, Streptokokken, Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, Haemophilus influenzae (vorwiegend Cefotiam)
Staphylokokken, Streptokokken, E.coli, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, Haemophilus influenzae, Serratia-, Citrobacter- und indolpositive Proteus-Spezies
ß-Laktamasen
mittlere Stabilität
gute bis sehr gute Stabilität
Lücken
Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa, Bacteroides fragilis
Enterokokken, AcinetobacterSpezies (grampositive Kokken, Pseudomonas aeruginosa, Bacteroides fragilis)
• Die Basispräparate für Normalstation (Cephazolin, Cefazedon, Cefamandol, Cefuroxim, Cefotiam) sind ausreichend wirksam gegen die meisten Staphylococcus-aureus -Stämme, Streptokokken (nicht gegen Enterokokken!), E. coli, Klebsiella spec. und Proteus mirabilis. Cefotiam und Cefamandol zeichnen sich durch eine verbesserte Aktivität gegen Haemophilus influenzae und gegen die 3 häufigsten Enterobakterienstämme aus, womit sie z. B. bei der postoperativen Bronchitis oder Pneumo-
> Wirken bakterizid auf grampositive und gramnegative Keime. gegen: Staphylokokken, Cephazolin Cefazedon Streptokokken, Cefamandol E.coli, Cefuroxim Klebsiella, Cefotiam Proteus
94
12. Antibiotikatherapie
Bei Haemophilus influenzae und Enterobakterien-Stämmen sind Cefamandol und Cefotiam Mittel der I.Wahl. Moderne Cephalosporine sind: - Cefotaxim, Cefoperazon - Cefsulodin, Ceftazidim - Cefmenoxim, Ceftizoxim - Ceftriaxon, Cefepime ferner: - Cefoxitin - Cefotetan
nie auf den chirurgischen Normalstationen Mittel der Wahl sind (s. Tab. 123). • Die neueren Cephalosporine zeichnen sich durch ein erweitertes Wirkungsspektrum und durch eine verbesserte Betalaktamasestabilität aus. Dadurch sind sie für die Anfangsbehandlung bedrohlicher Infektionen auf Intensivstationen besonders geeignet und sollten auch hierfür reserviert bleiben. Zu den bewährten Cephalosporin-Antibiotika sind Cefotaxim, Cefoperazon, Cefsulodin, Ceftazidim, Cefmenoxim, Ceftizoxim und Ceftriaxon zu zählen sowie auch die Cefamycin-Derivate Cefoxitin und Cefotetan. Neue Derivate sind Cefepime und Cefpirom.
Wirkung der neueren Cephalosporine gegen Staphylococcus aureus, Enterokokken und andere grampositive Kokken ist geringer als bei den älteren Substanzen.
Cefsulodin ist ein Schmalspektrum-Cephalosporin mit günstiger Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa, einschließlich zahlreicher Penicillin-resistenter Stämme. Die Unterschiede zwischen den genannten neueren Cephalosporin-Präparaten in ihrer mikrobiologischen Potenz gegen Enterobakterien sind ohne klinische Relevanz. Differenzen bestehen allerdings in ihrer Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa, wo Ceftazidim und Cefepime hochaktiv sind. Antibakterielle Wirkungsunterschiede bestehen auch bei Bacteroides fragilis, wo Cefotetan und Cefoxitin am effektivsten sind. Zu betonen ist, daß die Aktivität der neueren Cephalosporine gegen Staphylococcus aureus und andere grampositive Kokken ungünstiger ist als die der älteren Substanzen, was bei der gegenwärtigen Zunahme klinischer Staphylokokken-Infektionen beachtet werden muß. Unter den älteren oralen Cephalosporinen (Cephalexin, Cefradin, Cefaclor, Cefadroxil, Cefuroxim-Axetil) gibt es ebenfalls mikrobiologisch nur wenige Unterschiede. Neuere orale Cephalosporine (Cefpodoximproxetil, Cefetametpivoxil, Ceftibuten, Cefixim) und Carbapeueme (Loracarbef) verfügen über eine bessere Aktivität gegen Enterobakterien und sind daher für die Sequentialtherapie in der Klinik (i. v. —> oral) sehr geeignet. Hinsichtlich der Pharmakokinetik der Cephalosporine bestehen z.T. beträchtliche Unterschiede, was in deutlich differierenden Halbwertzeiten, Metabolisierungsraten und Clearance-Werten sowie in divergierenden Ausscheidungswegen zum Ausdruck kommt. Die biologischen Halbwertzeiten der wichtigsten Cephalosporine liegen zwischen 1 und 8 Stunden. Hierbei hat das Ceftriaxon mit einer Halbwertzeit von 7-8 Stunden eine eindeutige Ausnahmestellung. Die Elimination der Cephalosporine erfolgt vorwiegend über die Nieren; nur Cefoperazon und Ceftriaxon werden bis zu 60 % über die Leber eliminiert, was bei Niereninsuffizienz und Gallenwegsinfektionen therapeutisch nutzbar ist. • Cephalosporine sind gut verträglich und haben eine günstige therapeutische Breite.
Cefsulodin wirkt gut gegen Pseudomonas, Ceftazidim und Cefepime sind sogar hochaktiv.
Orale Cephalosporine: - Cephalexin, Cefradin - Cefaclor, Cefadroxil - Cefuroxim-Axetil Neuere orale Cephalosporine: - Cefpodoximproxetil, Cefetametpivoxil - Ceftibuten, Cefixim - Loracarbef • wirksamer gegen Enterobakterien Dosisintervalle je nach Halbwertszeit zwischen 6 und 24 h. Cefoperazon, Ceftriaxon sind wegen Ausscheidungsmodus bei Niereninsuffizienz und Gallenweginfektion nutzbar, insgesamt gut verträglich mit günstiger therapeutischer Breite. Nebenwirkungen: • gastrointestinale Erscheinungen • lokale u. allergische Reaktionen • Leber-, Nierenfunktions-, Gerinnungsstörungen • Hypersensibilitätsreaktionen wie Exanthem, Fieber und Lymphadenopathie sind seltener im Vergleich zu Penicillinen • Alkoholunverträglichkeitsreaktionen und Gerinnungsstörungen (Kontrollen erforderlich): - Cefamandol, Cefotiam - Cefoperazon, Cefotetan - Cefmenoxim
Cephalosporine haben sich in der Chirurgie bewährt Basiscephalosporine für die Normalstation. Die neuen, hochaktiven Cephalosporine für die Intensivstation. Indikationen
Nebenwirkungen der Cephalosporine: • gastrointestinale Beschwerden, lokale Reaktionen (Phlebitis, Schmerz), • allergische Reaktionen, positiver direkter Coombs-Test, pathologische Leberfunktionswerte, • Nierenfunktionsstörungen, Gerinnungsstörungen. Im Vergleich zu den Penicillinen sind Hypersensibilitätsreaktionen mit Exanthemen, Fieber, Lymphadenopathie und Eosinophilie eher seltener; zu den Penicillinen besteht jedoch in 5-20 % der Fälle eine Parallelallergie, die bei akuten schweren allergischen Reaktionen auch in größerem Umfang gesehen worden ist. Substanzen mit einer Methyltetrazol-5-merkaptomethyl-Seitenkette, wie Cefamandol, Cefotiam, Cefoperazon, Cefotetan und Cefmenoxim, verursachen Alkoholunverträglichkeitsreaktionen. Auch Gerinnungsstörungen sind offensichtlich vermehrt mit der erwähnten Seitenkette zu erklären, wobei allerdings schwere Gerinnungsstörungen nur bei bestimmten Risikofaktoren, wie langdauernder parenteraler Ernährung, hohem Alter, Niereninsuffizienz, zu beobachten waren: Gerinnungswerte kontrollieren und prophylaktisch Vit. K1 applizieren. Indikationen in der Chirurgie sind: • nosokomiale Infektionen: Sepsis, postoperative Pneumonien, Urogenital- und Gallenwegsinfektionen • Infektionen durch Erreger mit Resistenz gegen Penicilline und Penicillinallergie • perioperative Kurzzeitprophylaxe.
Antibiotika, Dosierung bei Niereninsuffizienz
95
Tab. 12-4: Cephalosporine für die parenterale Therapie (normale Nierenfunktion) INN-Bezeichnung
Handelspräparate® (Beispiele)
Dosierung
Maximale Dosierung
Cefazolin Cefazedon Cefotiam
Elzogram, Gramaxin Refosporin Spizef
1-2 g/8-12 h
6-8 g
Cefamandol Cefoxitin Cefuroxim
Mandokef Mefoxitin Zinacef
1-2 g/4-8 h
8-12 g
Cefotaxim Cefotetan Cefmenoxim Ceftizoxim
Claforan Apatef Tacef Ceftix
1-3 g/4-8 h
8-12 g
Cefipime Cefoperazon Ceftazidim
Maxipime Cefobis Fortum
1-2 g/8-12 h
8g
Cefsulodin
Pseudocef
2 g/8 h
6-8 g
Ein einseitiger Einsatz dieser Präparategruppe sollte jedoch aus ökonomischen und epidemiologischen Erwägungen (Resistenzprobleme!) vermieden werden (Tab. 12-4). Hochaktive Substanzen (Carbapenem) mit einem breiten antibakteriellen Spektrum gegen aerobe und anaerobe Erreger sind Meropenem (Meronem) und Imipenem/Cilastatin (Zienam), welche der Behandlung von Intensivpatienten in einer täglichen Dosis von 1,5-3,0 g i. v. vorbehalten werden sollten. 2.1.3 Aminoglykoside
3. Aminoglykoside
Von den zahlreichen Aminoglykosid-Antibiotika haben sich für die klinische Praxis Gentamicin, Sisomicin, Tobramycin, Netilmicin sowie Amikacin bewährt (Tab. 12-5). Tab. 12-5: Aminoglykoside für die parenterale Therapie bei normaler Nierenfunktion (Applikation: bevorzugt i.v. Kurzinfusion über 60 min) INN-Bezeichnung
Handelspräparate® (Beispiele)
Dosierung
Maximale Dosierung (pro 24 h)
Gentamicin Sisomicin Tobramycin Netilmicin Amikacin
Refobacin Extramycin, Pathomycin Gernebein Certomycin Biklin, Fabianol
4,5-5 mg/kg/24 h 3-4,5 mg/kg 4,5-6 mg/kg/24 h 4-6 mg/kg 15-20 mg/kg/24 h
6-8 mg/kg 4-6 mg/kg 6-8 mg/kg 8 mg/kg 15-25 mg/kg
Die Aminoglykoside gehören in die Gruppe der antibakteriellen Wirksubstanzen, die bei empfindlichen Keimen mit der Proteinsynthese in den Ribosomen interferieren. • Das antibakterielle Spektrum der Aminoglykoside reicht von den gramnegativen Stäbchen bis zu den grampositiven Kokken. Gramositive Kokken sind dabei mit Ausnahme der Staphylokokken nur mäßig sensibel bzw. resistent. Von klinischer Bedeutung ist die Aktivität der Aminoglykoside bei Klebsiellen, Enterobacter, Proteus species, Pseudomonas aeruginosa, Serratia und Hospitalismusstämmen von E. coli. Hochresistente Stämme gegenüber Gentamicin sind zumeist auch Tobramycin- und Sisomicinresistent. Mäßig empfindliche Stämme gegenüber Gentamicin, insbesondere Pseudomonas aeruginosa, können noch eine Tobramycin- bzw. Netilmicin-Empfindlichkeit aufweisen.
Antibakterielles Spektrum: gramnegative Stäbchen bis grampositive Kokken. Wichtigste Substanzen: - Gentamicin, Sisomicin - Tobramycin, Netilmicin - Amikacin Wirkung bei: - Klebsiellen - Enterobacter - Proteus - Pseudomonas - Serratia - E.coli (Hospitalstämme)
96
12. Antibiotikatherapie
Pharmakokinetik relativ einheitlich. Bei Behandlung mit Aminoglykosiden ist Kontrolle der Serumkonzentrationen angezeigt.
Nebenwirkungen: • Nephro- u. Ototoxizität • neuromuskuläre Blockaden • selten: Allergien, Blutbildveränderungen, Leberfunktionsstörungen
Indikationen:
Amikacin sollte nur als Reserve-Aminoglykosid bei nachgewiesenen hochresistenten gramnegativen Stäbchenbakterien eingesetzt werden. Die pharmakokinetischen Parameter der Aminoglykoside Gentamicin, Netilmicin, Sisomicin und Tobramycin lassen keine relevanten Unterschiede erkennen.
Die Dosierungen der gentamicintypischen Aminoglykoside bei normaler Nierenfunktion liegen zwischen 4 und 6 mg/kg KG tgl., beim Amikacin zwischen 15 und 25 mg/kg KG tgl. Die tägliche Einmalapplikation der Gesamtdosis ist sinnvoll. Wegen der begrenzten therapeutischen Breite der Aminoglykoside und auch zur Sicherung einer optimalen Wirksamkeit wird heute bei Aminoglykosid-Behandlung unbedingt die Kontrolle der Serumkonzentrationen empfohlen. Nebenwirkungen: • Nephrotoxizität, Ototoxizität und neuromuskuläre
Blockaden.
• Sehr selten sind: allergische, hämatologische und hepatische Reaktionen.
Bei Begrenzung der Therapie auf 8-12 Tage und Kontrolle der Serumkonzentrationen sind nephro- und ototoxische Reaktionen dieser Substanzgruppe eher selten zu beobachten. Indikation. Ihre hauptsächliche klinische Anwendung haben Aminoglykosid-Antibiotika bei Infektionen durch Erreger und Resistenz gegen andere, weniger toxische Antibiotika. Bevorzugt werden Aminoglykoside in Kombination mit anderen Antibiotika, vor allem der Betalactam-Gruppe, verwendet. • Als gesicherte Indikationen gelten unverändert die Anfangsbehandlung von lebensbedrohlichen Infektionen mit unbekannten Erregern, Mischinfektionen, Infektionen bei Neutropenikern und bei Patienten mit Immundefizienz ohne Erregernachweis, bei bestimmten Formen der bakteriellen Endokarditis und bei systemischen Pseudomonas-Infektionen, - niedrige Tageskosten!
Weitere wichtige Antibiotika
2.1.4 Weitere wichtige Antibiotika (Tab. 12-6)
S.Tab. 12-6 4. Fluorochinolone - gramnegative Keime
• Fluorochinolone (Ciprofloxacin, Ofloxacin, Enoxacin) verfügen über eine hohe antibakterielle Aktivität gegen gramnegative Erreger bei allerdings eingeschränkter Wirkung gegenüber Anaerobiern und grampositiven
Tab. 12-6: Dosierung und Nebenwirkungen weiterer Antibiotika zur Therapie bei normaler Nierenfunktion INN-Bezeichnung
Handelspräparate® (Beispiele)
Dosierung
Maximale Dosierung (pro 24 h)
Mögliche Nebenwirkungen
Clindamycin
Sobelin
600-900 mg/6-8 h (Kurzinfusion!)
1800-2700 mg
Diarrhoen allergische Reaktionen
Cotrimoxazol
Bactrim, Eusaprim
960 mg/12 h (Kurzinfusion!)
1,92 g
allergische Reaktionen hämopoetische Störungen gastrointestinale Störungen nephrotoxische Reaktionen
Fosfomycin
Fosfocin
3-5 g/8-12 h
20 g
gastrointestinale Störungen allergische Reaktionen Hypernatriämie
Doxycyclin Minocyclin
Vibravenös Klinomycin
100 mg/12 h 100 mg/12 h
200 mg 200 mg
hepatotoxische Reaktionen nephrotoxische Reaktionen gastrointestinale Störungen vestibuläre Störungen
Vancomycin
Vancomycin HCl
0,5-1,0 g/6-12 h (Kurzinfusion über 1 h)
2-4 g
nephro- und ototoxische Störungen
Teicoplanin
Targocid
600-1200 mg/24 h
1600 mg
wie Vancomycin
Antibiotika, Dosierung bei Niereninsuffizienz
97
Kokken. Als therapeutische Alternative bei komplizierten gramnegativen chirurgischen Infektionen haben sie an Bedeutung gewonnen. • Clindamycin und Metronidazol sind der Therapie von Anaerobier-Infektionen vorbehalten, wobei sich Metronidazol besonders bei Bauchrauminfektionen und Clindamycin mehr bei anaeroben Atemweginfektionen (frühe postoperative Pneumonie, Aspiration usw.) bewährt haben. • Cotrimoxazol kann bei nachgewiesener Empfindlichkeit mit gutem Erfolg bei Harnweginfektionen eingesetzt werden. • Tetrazykline sind heute bei nosokomialen Infektionen kaum noch wirksam, immerhin bestehen Indikationsgebiete bei der purulenten Bronchitis und den atypischen Pneumonien sowie bei der Prostatitis. • Fosfomycin hat sein spezielles Indikationsgebiet bei Allergien gegen Betalactam-Antibiotika sowie Osteomyelitis durch Staphylokokken und bei Serratia-Infektionen. • Vancomycin wird speziell bei Shuntinfektionen von Dialysepatienten oder bei Infektionen durch resistente koagulasenegative Staphylokokken, z. B. bei Protheseinfektionen, mit gutem Erfolg eingesetzt. • Teicoplanin ist ein neues Glykopeptidantibiotikum mit gleicher mikrobiologischer Aktivität wie Vancomycin bei allerdings deutlich verlängerter Halbwertszeit, die eine tägliche Einmaldosierung erlaubt.
5. Clindamycin bei: - Anaerobier-Infektion - Atemwegsinfektion (Pneumonie, Aspiration) S. Metronidazol bei: - Anaerobier- und Bauchrauminfektion 7. Cotrimoxazol bei: - Harnwegsinfektion 8. Tetrazykline: - purulente Bronchitis, atypische Pneumonie - Prostatitis 9. Fosfomycin bei: - Allergien gegen Betalactam-A - Osteomyelitis (Staphylokokken) - Serratia-Infektionen 10. Vancomycin bei: - Shuntinfektionen (Dialyse) - resistenten Staphylokokken (MRSA) 11. Teicoplanin: w i e Vancomycin.
2.2 Antibiotika und Niereninsuffizienz
Antibiotika bei Niereninsuffizienz
Eine manifeste Einschränkung der Nierenfunktion besteht etwa bei 10 % der stationären Patienten. Eine Einschränkung auf 70 % ist bei einem Alter über 60 Jahren die Regel. Für eine adäquate Dosierung hat sich die Unterteilung in 3 Stadien bewährt: (1) Geringe Niereninsuffizienz: Serumkreatinin > 132,6 ^imol/1 (1,5 mg%) bis 309,4 (xmol/1 (3,5mg%) entsprechend einem Glomerulumfiltrat von 60-18 ml/min. (2) Mittelgradige Niereninsuffizienz: Serumkreatinin > 309 |imol/l (3,5mg %) bis 530 [xmol/1 (6,0mg%), Glomerulumfiltrat 18-8 ml/ min.
3 „Dosierungsstadien" der Niereninsuffizienz: 1. Kreatinin 1,5-3,5 m g % (GFR 60-18 ml/min) 2. Kreatinin 3,5-6 mg % (GFR 18-8 ml/min)
Tab. 12-7: Antibiotikadosierung bei Niereninsuffizienz - ( G r u n d s a t z : Erstapplikation immer mit normaler Dosis) Antibiotikum
Kreatinin im Serum < 1,3 mg%
1,3-3,5 mg%
3,5-6 mg%
> 6 mg%
Penicillin G Ampicillin/Amoxicillin Flucloxacillin Ticarcillin Azlocillin Mezlocillin Piperacillin Cefazolin, Cefazedon, Cefotiam
2-10 Mega/4-6 h 1-3 g/4-6 h 1-2 g/6-8 h 3-5 g/6 h 4-5 g/6-8 h 2-5 g/6-8 h 2-4 g/6-8 h 1-2 g/6-8 h
2-10 Mega/12-24 h 1-3 g/4-6 h 1-2 g/6-8 h 2-4 g/6-8 h 3 g/6-8 h 2-5 g/12 h 2-4 g/8 h 0,5-1 g/6-8 h
2-10 Mega/12-24 h 1-2 g/6-8 h 1 g/8 h 2 g/8-12 h 3 g/8-12 h 2-5 g/12 h 2-4 g/12 h 0,5-1 g/8-12 h
2-10 Mega/24 h 1-2 g/6-24 h 1 g/12-24 h 1-2 g/12-24 h 3 g/12-24 h 1-3 g/12-24 h 1-2 g/12-24 h 0,5 g/12-24 h
Cefamandol Cefuroxim Cefoxitin Cefmenoxim Ceftizoxim Cefotaxim Cefepime Cefoperazon Ceftriaxon Gentamicin, Tobramycin Sisomicin, Netilmicin
1-2 g/4-8 h 1,0-1,5 g/6-8 h 1,0-2 g / 8 h 1-2 g/6 h 1-2 g/6-8 h 1-2 g/6-8 h 1-2 g/12 h 1-2 g/8-12 h 0,5-2 g/12-24 h 1-2 mg/kg/8 h
1-2 g/8 h 1,0-1,5 g/6-8 h 1-2 g/12 h 1-2 g/8-12 h 1-1,5 g/8-12 h 1-2 g/6-8 h 1-2 g/12 h 1-2 g/8-12 h 0,5-2 g/12-24 h 0,5-1 mg/kg/8 h
1 g/8 h 0,75 g/12 h 1 g/8-12 h 1 g/12 h 1 g/12 h 1 g/8 h 1 g/12 h 1-2 g/8-12 h 0,5-2 g/12-24 h 0,3-0,5 mg/kg/h
0,5-1 g/12 h 0,75 g/24 h (o. Dial.) 1 g/24 h 0,5-1 g/24 h 0,5-1 g/24 h 1 g/12-24 h 0,5-1 g/24 h 1-2 g/8-12 h 0,5-2 g/12-24 h 0,5 mg/kg/24 h
Amikacin Co-trimoxazol Doxycyclin Chloramphenicol Clindamycin
5-7,5 mg/kg/&-12 h 480 mg/12 h 100 mg/12-24 h 1 g/8 h 400-600 mg/6-12 h
5 mg/kg/12-24 h 240 mg/12 h 100 mg/12-24 h 1 g/8 h 400-600 mg/6-12 h
2,5 mg/kg/12-24 h keine Indikation 100 mg/12-24 h 1 g/8 h 400-600 mg/6-12 h
1,15-2,5 mg/kg/24 h keine Indikation 100 mg/12-24 h 1 g/8 h 400-600 mg/6-12 h
98 3. Kreatinin > 6 mg % (GFR< 8 ml/min)
Einteilung nach Plasma- und Harnspiegel in 3 Gruppen:
12. Antibiotikatherapie (3) Fortgeschrittene Niereninsuffizienz: Serumkreatinin > 530 (j,mol/l (6,0 mg %), Glomerulumfiltrat < 5-8 ml/min. Die Anfangsdosis ist so hoch wie bei einem Nierengesunden zu wählen. Nach klinischen Gesichtspunkten werden Antibiotika in 3 Gruppen eingeteilt: Chemotherapeutika mit wirksamen Plasmaspiegeln und hohem Harnspiegel: Penicillin G und alle halbsynthetischen Penicilline, Cephalosporine sowie Aminoglykoside. Chemotherapeutika mit geringem Plasmaspiegel und hohem Harnspiegel: Nalidixinsäure, Nitrofurantoin, Pipemidsäure und Kurzzeitsulfonamide. Chemotherapeutika mit wirksamen Plasmaspiegeln und niedrigen Harnspiegeln: Doxycyclin u. a. Eine Empfehlung zur antibakteriellen Therapie bei Niereninsuffizienz ist in der Tabelle 12-7 dargestellt.
13. HIV-Infektion und Chirurgie Ch.-Th. Germer, R. Häring
Das erworbene Immundefektsyndrom A I D S (Acquired Immune Deficiency Syndrome) wird durch Infektion mit dem HI-Virus (Human Immunodeficiency Virus), einem menschenpathogenen Retrovirus hervorgerufen. Durch die weltweit ansteigende Verbreitung des Virus wird auch der Chirurg zunehmend mit HIV-Infizierten und A I D S konfrontiert.
Immundefektsyndrom AIDS Für den Chirurgen wichtig: - Operationsindikationen - operative Verfahrenswahl - Eigenschutz
Allgemeine Kenntnisse der Epidemiologie und des Infektionsmodus des HIV sowie das Wissen um die Grundprinzipien der Diagnostik, Therapie und der Prognose von HIV-Infizierten sind die Voraussetzungen für die richtige Indikationsstellung zu chirurgischen Eingriffen, eine sinnvolle operative Verfahrenwahl sowie ein wirksamer Eigenschutz bei berufsbedingt erhöhtem Infektionsrisiko.
1. Pathogenese, Epidemiologie, Infektion
HIV, Pathogenese
HI-Viren gehören zu den Retroviren, die die Fähigkeit besitzen, ihre einsträngige RNS durch ein erregereigenes Enzym, der reversen Transkriptase, in eine doppelsträngige DNS zu übersetzen und diese in das Genom der Wirtszelle zu integrieren. Bei der Zellteilung gehen so die Virusgene auf die Tochterzellen über, so daß eine lebenslange Infektion und damit auch eine potentielle Infektiosität des Infizierten resultiert.
HIV sind Retroviren (HIV I häufig, HIV II selten) Verursachen eine - lebenslange Infektion - potentielle Infektiosität - Zusammenbruch der zellulären und humoralen Immunabwehr
Pathogenese. Die Zielzellen des HIV sind in erster Linie Zellen, die das CD4-Oberflächenantigen tragen: T-Helfer-Lymphozyten (CD4-Lymphozyten), Makrophagen, Monozyten. Daneben können aber auch die B-Lymphozyten, Megakaryozyten, Gliazellen, Endothelzellen der Gefäßwände, retikuläre dendritische Zellen des Lymphknotens und andere Zelltypen infiziert werden. Durch die zentrale Bedeutung der CD4-Lymphozyten bei der Auslösung der Immunantwort, führt deren Verminderung und Funktionsänderung durch das HIV zum Zusammenbruch der zellulären und humoralen Immunabwehr. Als Folge davon werden HlV-Infizierte für sog. opportunistische Infektionen, durch Erreger, die für Nichtbetroffene völlig ungefährlich sind, anfällig. Weitere Folge einer HIV-Infektion ist das vermehrte Auftreten von Neoplasien und malignen Lymphomen. Nach derzeitigen Erkenntnissen bestehen bezüglich Übertragungsmechanismus, Pathogenese und der klinischen Folgen zwischen HIV-1 und HIV-2 keine sicheren Unterschiede, wohl aber hinsichtlich des Ausbreitungsgrades. HIV-2-Infizierte stellen in Deutschland eine Rarität dar. Epidemiologie. Die Anzahl HlV-infizierter Menschen wird von der WHO weltweit auf 6-10 Millionen geschätzt. In den Staaten der Europäischen Gemeinschaft sind bis 1992 ca. 80000, in den USA etwa 200000 Fälle von AIDS diagnostiziert worden. 88 % der AIDS-Erkrankten waren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung zwischen 20 und 49 Jahre alt, 11-17 % der Betroffenen sind Frauen. Infektion: D a s HI-Virus wird hauptsächlich durch Blut, Blutbestandteile und kontaminierte Körpersekrete übertragen. Übertragungswege des H I V sind daher: • ungeschützte sexuelle Kontakte (homo- und heterosexuell) • gemeinsame Benutzung infizierter Injektionsnadeln („needle sharing") bei i.v. Drogenabhängigen • diaplazentar bzw. perinatal und Transfusion von Blut oder Blutprodukten, die keiner Virusinaktivierung unterzogen wurden. Risikogruppen. Entsprechend den Hauptübertragungswegen des Erregers findet sich HIV mit erhöhter Prävalenz in bestimmten Bevölkerungsgruppen, den sogenannten Risikogruppen. Hierzu zählen:
• Verminderung der CD4-Lymphozyten • Anfälligkeit für opportunistische Infektionen • Vermehrtes Auftreten von Neoplasien
Epidemiologie - weltweit infiziert: 6-10 Mio. - AIDS-Erkrankungen in Europa: 80000
Infektionsmodus Virusübertragung erfolgt durch • Blut, -bestandteile • kontaminierte Körpersekrete
Risikogruppen: - Homosexuelle - Drogenabhängige
100 - häufige Partnerwechsel - Neugeborene von infizierten Müttern
13. HIV-Infektion u n d Chirurgie • promiskutiv lebende männliche Homo- oder Bisexuelle, • i. v. Drogenabhängige,
• Geschlechtspartner von Infizierten und • Neugeborene infizierter Mütter. In Europa und den USA lassen sich nur etwa 5 % der HlV-Infizierten keiner der Risikogruppen zuordnen.
Diagnostik, Klassifikation und Stadieneinteilung der HIV-Infektion Diagnose: • Anamnese • klinisches Bild • serologischer Befund: - Antikörpernachweis nach 4-12 Wochen p. i. durch Suchtest (ELISA) und - Bestätigungstest (Westernblot) - HIV-Antigen-Test (HIV p24-Antigen) 1014 Tage nach Beginn der akuten HlV-lnfektion positiv.
2. Diagnostik, Klassifikation, Stadieneinteilung Die Diagnose einer HIV-Infektion bzw. von AIDS stützt sich auf die Anamnese, das klinische Bild und den serologischen Befund. Bei 95 % der mit HlV-Infizierten lassen sich zwischen 4-12 Wochen post infectionem zirkulierende Antikörper gegen Virusproteine im Blut nachweisen. Für die Feststellung von HIV-Antikörpern stehen verschiedene Screeningtests (z.B. ELISA = enzyme linked immuno sorbent essay) zur Verfügung. Ein positiver Test muß immer durch einen zweiten Bestätigungstest aus der gleichen Blutprobe (z.B. Westernblot) überprüft werden. Die Kombination von Screening- und Bestätigungstest ist durch eine hohe Sensitivität und Spezifität gekennzeichnet. Bei begründetem Verdacht auf eine kurz zurückliegende Infektion kann ein HIV-Antigen-Test (HIV-p 24-Antigen) durchgeführt werden, der spätestens 10 bis 24 Tage nach Beginn der akuten HIV-Krankheit positiv ist.
Akutes HIV-Syndrom • primäre Infektion ist asymptomatisch • in 1-3 Wochen klinisches Bild der infektiösen Mononukleose • asymptomatische Latenzphase Dauer -10 Jahre
Akutes HIV-Syndrom. Die primäre Infektion mit dem HI-Virus verläuft in der Regel asymptomatisch. Die Virusträger sind klinisch unauffällig aber infektiös. Bei 10-30 % der Infizierten entwickelt sich innerhalb von 1-3 Wochen nach der Infektion das akute HIV-Syndrom: Das klinische Bild gleicht dem der infektiösen Mononukleose mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerz, Lymphadenopathien, Myalgien, Athralgien und Exanthemen. Das akute HIV-Syndrom ist selbstlimitierend und dauert in der Regel 7-14 Tage. Anschließend beginnt die asymptomatische Latenzphase, die bei Erwachsenen im Median 10 Jahre dauert bevor die Betroffenen durch eine weitere Reduktion der CD4-Lymphozyten an AIDS erkranken.
AIDS • generalisierte Lymphadenopathie (PGL); Dauer 3 Monate • Prognose fatal wegen opportunistischer Infektionen • mittlere Lebenserwartung beim Vollbild AIDS 7-24 Monate, CD4-Lymphozyten erheblich reduziert (< 50 ¡¿1) • Todesursachen: bakterielle Infektionen, Pneumocystis carinii, Kaposi-Sarkome, Wasting-Syndrom, maligne Lymphome.
AIDS. Bei einem Teil der Patienten entwickelt sich als Vorstadium die persistierende generalisierte Lymphadenopathie (PGL), die durch eine mindestens seit 3 Monaten persistierende Lymphknotenschwellung an 2 oder mehr extrainguinalen Lymphknotenstationen gekennzeichnet ist. Andere HlV-Infizierte entwickeln ein Vollbild von AIDS ohne eine vorausgegangene PGL. Obwohl sich die Lebenserwartung von AIDS Erkrankten in den letzten Jahren durch den Einsatz antiviraler Substanzen sowie medikamentöser Prophylaxe und Therapie opportunistischer Infektionen verbessert hat, ist die Prognose weiterhin fatal. Die mittlere Lebenserwartung von Patienten mit dem Vollbild AIDS liegt in Abhängigkeit von der Art der opportunistischen Infektionen und Neoplasien, an denen sie erkranken, zwischen 7 und 24 Monaten. Der überwiegende Teil der Patienten weist zum Zeitpunkt des Todes CD 4-Lymphozyten unter 50 ¡il (Normwert > 500 u.1) auf. Häufigste Todesursachen sind bakterielle Infektionen, Infektionen mit Pneumocystis carinii, Kaposi-Sarkome, das sogenannte Wasting-Syndrom sowie maligne Lymphome. Die Klassifikation HIV-bedingter Erkrankungen Erwachsener erfolgt nach dem Klassifikationsschema der CDC (Center of Disease Control) und der WHO, das sowohl klinische als auch immunologische Parameter berücksichtigt. Entsprechend dem Klassifikationsschema lassen sich die Patienten bestimmten Krankheitsstadien zuordnen, woraus sich sowohl prognostische als auch therapeutische Aussagen ergeben: • Kategorie A: asymptomatische HIV-Infektion, akute HIV-Infektion, persistierende generalisierte Lymphadenopathie (PGL). • Kategorie B: Krankheitssymptome, die mit einer HIV-Infektion assoziiert sind bzw. auf eine Störung des zellulären Immunsystems hinweisen:
Klassifikation HIV-bedingter Erkrankungen (CDC und WHO) für prognostische Abschätzung und daraus resultierende therapeutische Verfahrenswahl entscheidend: • Kategorie A - asymptomatische Infektion - akute HIV-Infektion - PGL • Kategorie B = HlV-assoziierte Erkrankungen
101
Diagnostik, Klassifikation, Stadieneinteilung HTV-assozierte Erkrankungen sind: • oropharyngeale und vulvovaginale Candidiasis (> 4 Wochen, therapierefraktär) • zervikale Dysplasien oder Carcinoma in situ, orale Haarleukoplakie • konstitutionelle Symptome: Fieber > 38,5 °C, Diarrhoen > 4 Wochen • Herpes zoster im Befall mehrerer Dermatome oder Rezidive • idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP) • Listeriose, bazilläre Angiomatose, Polyneuropathie (peripher symmetrisch)
• Kategorie C: Erkrankungen, die nach der CDC-Klassifikation als AIDSdefinierte Erkrankungen gelten:
Kategorie C = AIDS-definierte Erkrankungen.
• Pneumocystis carinii Pneumonie, Toxoplasmose-Enzephalitis, Soor-Ösophagitis • Candida Bronchitis, Candida Pneumonie, Candida-Tracheitis • chronische Herpes-simplex-Ulzerationen bzw. Herpes-Bronchitis, -Pneumonie, -Ösophagitis • CMV-Retinitis, CMV-Infektionen (ohne Leber und Milz) • Salmonellen-Septikämie (rezidivierend) • extrapulmonale Kryptokokkose, chron. intestinale Kryptosporidiose • rezidivierende Pneumonien, Tbc, atypische Mykobakteriose • chron. intestinale Isospora-belli-Infektion • disseminierte oder extrapulmonale Histoplasmose • Kaposi-Sarkom, maligne Lymphome, invasives Zervixkarzinom • HIV-Enzephalopathie, progressive multifokale Leukenzephalopathie, WastingSyndrom
Die Stadieneinteilung ist für die chirurgische Indikationsstellung von großer Bedeutung (Tab. 13-1).
Stadieneinteilung s.Tab. 13-1
Tab. 13-1: CDC-Klassifikation zur Stadieneinteilung der HIV-Infektion Laborkategorie (CD4-Lymphozyten/|il) 1: > 500 2: 200-499 3: < 200
Klinische Kategorie A Asymptomatisch Stadium I
B Symptome, kein AIDS
f Stadium II
C Symptome, AIDS
Stadium III
2.1 Klinische M a n i f e s t a t i o n e n
Klinische Manifestationen
Neben ZNS und Haut, sind Lunge und Gastrointestinaltrakt die am häufigsten betroffenen Organsysteme bei AIDS. Für den Chirurgen sind dabei die gastrointestinalen und anorektalen sowie pulmonalen Manifestationen von besonderer Relevanz.
2.1.1 Chirurgie der abdominalen und anorektalen Manifestationen Abdominelle Beschwerden sind bei HIV-Infizierten sehr häufig, durch intestinale Infektionen mit opportunistischen Erregern (z.B. Kryptosporidien, atypische Mykobakterien, Herpes-Viren) verursacht und werden antibiotisch oder virustatisch behandelt. Von besonderer Bedeutung für den Chirurgen sind Läsionen durch Zytomegalie-Viren (CMV), die zu toxischem Megakolon, hämorrhagischen Totalnekrosen des Kolons, Dünn- und Dickdarmperforationen sowie Blutungskomplikationen führen können. Weitere Ursache abdominaler Beschwerden können Neoplasien wie gastrointestinale Lymphome oder das Kaposi-Sarkom sein, das bei etwa 50 % der Patienten mit einem Kaposi-Sarkom der Haut auch in gastrointestinaler Lokalisation nachweisbar ist. Chirurgisch relevante Komplikationen dieser Neoplasien sind konservativ nicht beherrschbare Tumormassenblutungen, Perforationen sowie Lumenobstruktionen oder Invaginationen mit konsekutivem Dünn- oder Dickdarmileus.
1. Abdominale Manifestationen • intestinale Infektionen mit opportunistischen Erregern - Komplikation: Zytomegalie (CMV) induzierte Komplikationen: toxisches Megakolon, hämorrhagische Totalnekrose des Kolons, Dünn- und Dickdarmperforationen, Blutungen. • abdominelle Neoplasien - Komplikation: Massenblutungen, Perforationen, Ileus.
102 Diagnostik: • notfallmäßig: - klinische Untersuchung: häufig geringe klinische Symptomatik, fehlendes Fieber und Leukozytose - Röntgenabdomenübersicht, A b d o m e n sonographie, CT A b d o m e n - Notfallendoskopie • elektiv: - endoskopische Untersuchungen - Stuhldiagnostik
13. HIV-Infektion und Chirurgie Diagnostik. Die Diagnostik bei abdominalen Beschwerden HlV-Infizierter unterscheidet sich prinzipiell nicht von der anderer, nicht immunsupprimierter Patienten. Die hohe Inzidenz abdominaler Beschwerden bei AIDS-Patienten stellt für den Chirurgen allerdings ein besonderes differentialdiagnostisches Problem dar, da überwiegend eine chirurgische Intervention nicht indiziert ist. Darüber hinaus ist das klinische Bild häufig atypisch und kann lebensbedrohliche Zustände verschleiern. So verlaufen die akute Appendizitis oder CMV-induzierte Hohlorganperforationen meist nur mit geringer klinischer Symptomatik, afebril und ohne ausgeprägte Leukozytose.
Die Diagnostik umfaßt: • klinische Untersuchung und die Röntgen-Abdomenübersicht in Linksseiten- und Rückenlage sowie vor allem die • Abdomensonographie, die bei unklaren Befunden durch eine CT ergänzt werden muß. Bei gastrointestinalen Blutungen sind notfallmäßig • endoskopische Untersuchungen (Gastroskopie, Rektoskopie, Koloskopie mit konservativen Blutstillungsmaßnahmen indiziert. Kann eine lebensbedrohliche chirurgische Erkrankung ausgeschlossen werden, sind zur weiteren Abklärung der abdominalen Beschwerden elektiv weitere endoskopische Untersuchungen mit gezielter Gewebeentnahme zur histologischen und mikrobiologischen Untersuchung sowie bakteriologische, virologische und parasitologische Stuhluntersuchungen durchzuführen. 2. Anorektale Manifestationen Abszesse, Fisteln, Kondylome, Proktitiden, Kaposi-Sarkom, bevorzugt bei männlichen Homosexuellen.
Anorektale Manifestationen. Bei etwa 34 % der HlV-Infizierten finden sich anorektale Erkrankungen, insbesondere bei männlichen Homosexuellen: perianale Abszesse, Fisteln, Fissuren, Kondylome, Proktitiden, perianal lokalisierte Kaposi-Sarkome und andere maligne Tumoren. In 15 % der Fälle stellen die anorektalen Erkrankungen die Erstmanifestationen des HIV-Infekts dar. Es sollte daher bei Angehörigen der Risikogruppen nach weiteren Zeichen des Immundefekts wie Gewichtsabnahme, Nachtschweiß, Lymphknotenschwellungen, orale Candidiasis und Hauttumoren gesucht werden.
Chirurgische Therapie: Indikation notfallmäßig gegeben • bei lebensbedrohlichen Komplikationen • zur Verhinderung einer lebensbedrohlichen Erkrankung Elektive Eingriffe nur unter Beachtung des Stadiums der HIV-Erkrankung (Tab. 13-1) nach vorheriger Therapie opportunistischer Infektionen Sonderindikation zur Splenektomie bei thrombozytopenischer Purpura Bei gegebener Op.-Indikation chirurgische Verfahrenswahl wie bei nicht HlV-lnfizierten Patienten Letalität: 1 2 - 3 0 % Morbidität: 2 6 - 4 6 % Prognose ungünstig bei • chirurgischer Therapie HlV-assoziierter Erkrankung • opportunistischer Infektion zum Operationszeitpunkt • fehlender prophylaktischer medikamentöser Therapie • stark erniedrigter CD4-LymphozytenZahl (< 200/|il) Hohe Rate an Wundheilungsstörungen bei anorektalen Eingriffen. Operationsindikation daher besonders streng zu stellen.
Chirurgische Therapie. Trotz der hohen Inzidenz gastrointestinaler Manifestationen bedürfen nur etwa 2-4 % der Betroffenen einer chirurgischen Intervention. Die Indikation beschränkt sich auf die Fälle, in denen es zu lebensbedrohlichen Komplikationen gekommen ist oder solche durch einen chirurgischen Eingriff verhinderbar erscheinen. Häufigste Indikationen sind die akute steinlose Cholezystitis, die Appendizitis und die CMV-induzierte Hohlorganperforation. Darüber hinaus können sich auch Indikationen zur notfallmäßigen-chirurgischen Intervention bei anderen nicht direkt AIDS-assoziierten Krankheitsbildern (z.B. Bridenileus) ergeben. Für Elektiveingriffe zur Behandlung anderer von der Grunderkrankung unabhängiger chirurgischer Krankheitsbilder, die keine unmittelbare Lebensbedrohung darstellen, ist das Stadium der HIV-bedingten Erkrankung (Tab. 13-1) zu berücksichtigen. Liegen opportunistische Infektionen oder andere konservativ behandelbare AIDS-assoziierte Krankheiten vor, sind diese vor Durchführung des chirurgischen Eingriffs entsprechend gezielt zu therapieren. Eine besondere Operationsindikation kann die HlV-assoziierte thrombozytopenische Purpura darstellen. Bei persistierender Thrombozytopenie mit drohenden Blutungskomplikationen, die sich trotz konservativer Therapie nicht bessert, besteht eine relative Indikation zur elektiven Splenektomie nach vorausgehender Pneumokokkenschutzimpfung. Die chirurgische Verfahrenswahl bei AIDS unterscheidet sich nicht von der Vorgehensweise bei anderen, nicht immunsupprimierten Patienten. Ebenso gelten die gleichen Richtlinien hinsichtlich einer medikamentösen Infektionsprophylaxe und Therapie. Die Mortalität und Morbidität von notfallmäßig durchgeführten abdominalchirurgischen Eingriffen bei AIDS werden in Abhängigkeit von der Art des Eingriffs und der Risikofaktoren zwischen 12 und 30 % bzw. zwischen 26 und 46 % angegeben.
103
Prophylaxe, HIV-Inokulation, Transfusion Die Prognose wird ungünstig beeinflußt, wenn die chirurgisch therapierte Erkrankung direkt AIDS-assoziiert ist und der Patient zum Zeitpunkt der Laparotomie an einer opportunistischen Infektion erkrankt ist. Weitere Risikofaktoren sind eine fehlende vorausgegangene prophylaktische medikamentöse Therapie, stark erniedrigte CD 4-Lymphozyten-Zahl (< 200/^1) sowie das Vorliegen einer Sepsis. Prinzipiell gelten bei der chirurgischen Behandlung anorektaler Erkrankungen bei HIV-Infektion die gleichen Behandlungsprinzipien wie bei anderen Patienten. Dabei ist zu beachten, daß ebenso wie die abdominalen Eingriffe die anorektalen Operationen bei AIDS-Patienten komplikationsträchtig sind. Insbesondere hohe Raten an Wundheilungsstörungen, die bis zu 90 % angegeben werden, veranlassen zu besonders strenger Indikationsstellung. 2.1.2 Pulmonale Manifestationen 80 % aller HIV-Infizierten erleiden pulmonale Manifestationen: • an erster Stelle stehen opportunistische Infektionen • häufig sind auch pulmonale Neoplasien und Lymphome. Thoraxchirurgische Eingriffe verfolgen sowohl diagnostische als auch therapeutische Ziele. Diagnostik. Mediastinoskopie, die bei isolierten mediastinalen Lymphomen, die einer histologischen Sicherung bedürfen, indiziert ist. In seltenen Fällen besteht die Indikation zur offenen Lungenbiopsie, falls mit anderen weniger invasiven Verfahren (Bronchoskopie, bronchoalveoläre Lavage, transbronchiale Biopsie) keine diagnostische Klärung pulmonaler Infiltrate oder Tumoren möglich ist.
3. Pulmonale Manifestationen - Kaposi-Sarkom - opportunistische Infektionen - Operationen bei Komplikationen wie Bronchialfistel und rezidivierender Pneumothorax
Diagnostik • Mediastinoskopie • Lungenbiopsie
Die therapeutischen Eingriffe umfassen vor allem die Behandlung rezidivierender Pneumothoraces, die Drainage von Pleuraempyemen und die Resektion maligner Tumoren. Letalität und Morbidität thoraxchirurgischer Eingriffe bei HlV-Infizierten werden zwischen 0 und 20 % angegeben. Dabei werden beide Faktoren weniger von der Art des durchgeführten Eingriffs als vielmehr vom Stadium der HIV-Infektion beeinflußt.
Letalität und Morbidität 0-20%
3. Prophylaxe, HIV-Inokulation, Transfusion
Schutz vor HIV-Infektion in der Chirurgie
3.1 I n f e k t i o n s p r o p h y l a x e Die manuelle Tätigkeit mit scharfen Gegenständen, Skalpellen, Injektionsnadeln o. ä. durch den Chirurgen sowie der häufige Umgang mit Blut und Körperflüssigkeit birgt die Gefahr einer Hautverletzung und Inokulation von HlV-infiziertem Material in sich.
Infektionsrisiko durch Nadelstich oder Schnittverletzung mit 1 : 200 gering.
Die Übertragungswahrscheinlichkeit hängt von der A r t des infektiösen Materials, der Viruskonzentration in Gewebe und Gewebeflüssigkeit des Patienten, vom Verletzungstyp und Menge des kontaminierten Materials ab. Die höchsten Viruskonzentrationen sind in Blut und Sperma nachweisbar. Das HlVirus wird nicht durch Tröpfcheninfektion übertragen.
Das Risiko einer Infektion nach einer Nadel- oder Schnittverletzung bei einem HlV-infizierten Patienten beträgt etwa 1 : 200. Die Seroprävalenz ist also kleiner als 0,5 % und damit wesentlich geringer als für andere Infektionskrankheiten wie z. B. Hepatitis. Bei Exposition ohne Verletzung der Haut ist das Risiko noch geringer. Zur Verhütung einer HIV-Übertragung sind keine speziellen Anforderungen zu stellen, vielmehr gelten allgemeine Hygienemaßnahmen: • Schutz vor Kontamination und Verletzung, • sichere Dekontamination und Entsorgung.
Allgemeine Schutzmaßnahmen vor: Kontamination und Verletzung, zuverlässige Dekontamination und Entsorgung,
104 • CDC-Richtlinien 1
• generelle HIV-Testung präoperativ zweifelhaft! • Routine-HIV-Test beim Operationspersonal wegen geringen Infektionsrisikos nicht erforderlich. Notwendig sind bei Operationen HlV-infizierter Patienten: - doppelte Operationshandschuhe - wasserundurchlässige Operationskleidung - Gesichtsmaske - Schutzbrille
13. HIV-Infektion und Chirurgie Um Kontaminationen und Verletzungen zu vermeiden, hat das CDC Verhaltensrichtlinien für medizinisches Personal erstellt: 1. Unterrichtung der Mitarbeiter über Epidemiologie, Übertragungsweg und Verhütung einer Übertragung beim Umgang mit infektiösem Material. 2. Tragen von Handschuhen beim Umgang mit Schleimhäuten, Blut, Körperflüssigkeiten. Zusätzliche Schutzmaßnahmen soweit erforderlich (z.B. Schutzkittel, Mundschutz, Schutzbrille). Bei Handschuhverletzung sofortiger Wechsel. 3. Sorgfältiger Umgang mit Nadeln, Skalpellen usw. Nach Gebrauch müssen scharfe Gegenstände in verletzungssicheren Behältern gesammelt werden. Um Stichverletzungen zu vermeiden, sollten Injektionsnadeln nach Verwendung nicht wieder mit der Schutzkappe bedeckt, gebogen oder gebrochen, von Einmalspritzen nicht entfernt und auch sonst nicht von Hand berührt werden. 4. Mitarbeiter mit offenen Läsionen oder exfoliativer Dermatitis, sollten weder invasive Eingriffe noch direkte Patientenversorgung ausführen. 5. Erkranktes medizinisches Personal sollte von invasiven Eingriffen Abstand nehmen.
Der Nutzen einer generellen präoperativen HIV-Testung aller Patienten ist zweifelhaft, da auch bei manifester AIDS-Erkrankung eine Kontamination nicht sicher vermeidbar ist. Ein Routine-HIV-Test beim Operationspersonal ist aufgrund des minimalen Übertragungsrisikos nicht erforderlich! Der Gebrauch von Schutzhandschuhen wird nach wie vor als zentrale Lösung des Kontaminationsproblems angesehen. Zahlreiche neuere Untersuchungsergebnisse stellen den Schutzeffekt der Handschuhe allerdings in Frage, da nicht nur häufige operationsbedingte Materialdefekte, sondern auch Undichtigkeiten an fabrikneuen Handschuhen nachgewiesen wurden. Latex-Handschuhe sind am sichersten. Da in Abhängigkeit von der Tragedauer und der Art des operativen Eingriffs bis zu 69 % der Operationshandschuhe während operativer Eingriffe beschädigt werden, wird vom „Arbeitskreis für Krankenhaushygiene" zur Prophylaxe gegen HlV-Infektionen bei Operationen das Tragen von 2 Paar Operationshandschuhen übereinander empfohlen. Diese Maßnahme stellt jedoch insbesondere bei Schnitt- und Stichverletzungen keinen 100 %ig sicheren Schutz dar. Unter HIV-Gefährdung ist folglich bei geringstem Verdacht auf Undichtigkeit ein sofortiger Handschuhwechsel durchzuführen.
Als weitere Schutzmaßnahmen wird das Tragen von wasserundurchlässigen Kitteln, Schutzbrillen und Gesichtsmasken empfohlen.
Postexpositionelle Maßnahmen bei HIVInokulation Sofortige Hautdesinfektion mit PVP-JodLösung! Spülung bei Spritzkontamination
3.2 Postexpositionelle Maßnahmen Sollte es trotz der empfohlenen Schutzmaßnahmen zu einer Kontamination mit infektiösem Blut oder Körperflüssigkeit kommen, muß das entsprechende Hautareal umgehend mit PVP-Jod-Lösung gründlich gereinigt werden. Spritzkontaminationen von Auge oder Mundschleimhaut sind mit geeigneter Pufferlösung (Auge) oder PVP-Mundantiseptikum zu behandeln. Die empfohlenen Maßnahmen bei Inokulation von infektiösem Material über Hautverletzungen (z. B. Nadelstich) sind: Sofortmaßnahmen: Wunde zum Bluten bringen (1-2 min), Desinfektion der Wunde (2-5 min), Azidothymidin (Retrovir®) 500 mg oral oder 200 mg i. v. Weitere Maßnahmen: HIV-Antikörper-Test, ggf. CD4/CD8-Bestimmung, weitere HIV-Antikörper-Tests nach 45,90,180 und 365 Tagen, Azidothymin (Retrovir®) 5 x 250 mg/d oral in Kombination mit DDC (Hivid®) 3x0,75 mg/d oral für 14-21 Tage (Nutzen der AZT/DDC-Kombinationsprophylaxe ist wissenschaftlich nicht erwiesen), D-Arzt-Verfahren einleiten.
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Prophylaxe, HIV-Inokulation, Transfusion 3.3 Transfusion (s. Kap. 18, S. 162) Der prozentuale Anteil transfusionsassoziierter manifest AIDS-Erkrankter, welche abgesehen von Bluttransfusionen keine weiteren Risikofaktoren aufweisen, liegt in Deutschland bei etwa 2 % und gleicht somit statistischen Ergebnissen aus den USA. HIV kann potentiell durch menschliches Blut und auch durch daraus hergestellte Derivate übertragen werden. Dieses Problem stellt sich bei allen zellhaltigen Blutprodukten, da diese nicht virusinaktivierbar sind. Im einzelnen kann das Risiko einer transfusionsassoziierten HIV-Infektion begrenzt werden durch: • strenge Indikation zur Transfusion von Blut und -produkten, • sorgfältige Auswahl der Blutspender und Eigenblutspende.
Transfusionsmedizin ais Risikofaktor der HIV-Infektion - Übertragungshäufigkeit 2% Vorbeugung durch - Einsparung von Bluttransfusionen - sorgfältige Auswahl der Blutspender - Eigenblutspende
14. Die Operation B.
Stallkamp
Operationen - Wahrung der Regeln für Asepsis und Antisepsis im Op.-Saal - Wundinfektionen verhindern - Händedesinfektion - diszipliniertes Verhalten im Op.-Bereich - Bereichskleidung - Einwegartikel
Operationen werden in speziell ausgestatteten Operationseinheiten (Operationssaal, Waschraum, Ein-/Ausleitung) durchgeführt, die über eine Material-, Personalund Patientenschleuse erreicht werden, um einen Transfer von infektiösem Material zu verhindern. Das Personal legt die Klinikkleidung ab und die Bereichskleidung (Hemd, Hose, Schuhe), ergänzt durch Kopf- und Mundschutz, an. Die qualifizierte Tätigkeit im Operationsbereich erfordert äußerst diszipliniertes Verhalten unter Wahrung der Grundsätze von Asepsis und Antisepsis, um Wundinfektionen und sonstige Schäden des Patienten zu verhindern. Für die unmittelbar am Eingriff Beteiligten (Operateur, Instrumentenschwester/Pfleger) ist eine chirurgische Händedesinfektion und sterile Operationskleidung (Kittel, Handschuhe) obligat. Bei septischen Operationen sind Einwegartikel von Vorteil. (Besondere Maßnahmen bei AIDS-Patienten s. Kap. 13, S. 103)
Patientenvorbereitung:
1. Vorbereitung, Lagerung des Patienten
- Reinigung - Reinigungseinlauf - Rasur Bei großen Eingriffen: - Urinkatheter - Magensonde - zentraler Venenkatheter - arterielle Kanüle
Am Vortag gründliche Reinigung (Bad, Dusche, Nabelpflege, etc.), Reinigungseinlauf und ggf. Nahrungskarenz. Das Operationsgebiet ist speziell zu reinigen und zu rasieren (Rasur möglichst kurz vor dem Eingriff, evtl. Enthaarungscreme). Bei größeren Eingriffen sind präoperativ ggf. ein Urinkatheter, eine Magensonde, ein zentraler Venenkatheter oder eine arterielle Kanüle (Druckmessung) zu legen. Die gesamte Krankenakte einschließlich relevanter Röntgenbilder und Einverständniserklärung soll bei der Operation vorliegen.
Operationsgerechte Lagerung
Lagerung. Nach Einleitung der Narkose wird der Patient von geschultem Pflegepersonal situationsgerecht auf dem (verstellbaren) Operationstisch gelagert: - Rückenlage mit Reklination (Abdomen), Seitenlage (Thorax, Niere), - Steinschnittlage (Proktologie), Bauchlage (Operation an Rücken und Gesäß), - Lagerung auf dem Extensionstisch (Schenkelhalsfraktur), etc. Dabei sind lagerungsbedingte Schäden (durch Druck, Überstreckung, feuchte Unterlage etc.) zu vermeiden, insbesondere Armauslagerungen mit der Gefahr von Nervenläsionen (Armplexusschädigung). Wärmematte und Polsterungen beugen Unterkühlung bzw. Druckschäden vor. Bei der Verwendung von Elektrokoagulationsgeräten ist die neutrale Elektrode sachgemäß am Patienten zu befestigen (trockene Unterlage, breite Auflagefläche, kurzer Stromweg). Das Operationsfeld wird mehrmals großzügig mit meist gefärbten, alkoholischen oder jodhaltigen Lösungen desinfiziert. Überschüssiges Desinfektionsmittel in Hautfalten bzw. an den Auflageflächen kann in Kombination mit dem Elektrokauter Verbrennungen setzen. Der ganze Körper wird unter Aussparung des eigentlichen Operationsfeldes mit sterilen Tuchern abgedeckt, die mit wasserabstoßenden Einmaltüchern unterlegt und mit Klemmen, speziellen Klebestreifen (Tapes) oder Inzisionsfolien befestigt werden können. Die Plazierung des Operationsteams ist variabel und von der Art des Eingriffs abhängig. Die Operation wird bei größter Sorgfalt möglichst rasch durchgeführt, um Traumatisierung und Infektionsgefahr gering zu halten. Rekontaminationsmöglichkeiten während der Operation gehen aus von der Haut des Patienten, den Händen der Operateure (defekte Handschuhe), von durchfeuchteten Abdecktüchern, bakteriell kontaminierten Operationsgebieten und Luftkeimen.
Mögliche Lagerungsschäden • Nervenläsionen • Hautschäden - durch Druck - Überstreckung - feuchte Unterlage Desinfektion des Operationsfeldes.
Abdeckung des Körpers außer Op.-Feld mit sterilen Tüchern. Operationszeit kurz, Traumatisierung und Infektionsgefahr gering halten. Auf Rekontaminationsgefahr achten.
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Instrumente, chirurgische Naht
2. Instrumente, chirurgische Naht 2.1 Instrumentarium, Nahtmaterial, Knotentechnik Instrumentarium: Der Chirurg benötigt ein umfassendes Instrumentarium, bestehend aus Standard- und Spezialinstrumenten, Zusatzgeräten, Implantaten und Medikamenten. Die Zusammenstellung zu „Sets" erscheint vorteilhaft. Grundsiebe werden erfahrungsgemäß immer benötigt und durch Spezialsiebe (Thoraxsieb, Gefäßsieb) ergänzt.
Instrumentarium, Nahtmaterial, Knotentechnik Instrumente: Grundsiebe Spezialsiebe
Standardinstrumente • Skalpelle, Diathermiemesser, Ultraschallmesser, Laser (s. Kap.23, S.209), scharfer Löffel, Ringstripper, Kryostab. • Scheren (Präparier-, Gefäß-, Rippen-, Drahtschere). • anatomische, chirurgische, atraumatische Pinzetten, scharfe und stumpfe Klemmen (Kocher, Pean), Spezialklemmen (Overholt, v. Mikulicz, Backhaus, Satinsky). • Zangen (Kornzange, Organ- und Knochenfaßzangen (Museux, Allis, Verbrugge), Biopsiezangen). • stumpfe und scharfe Wundhaken (v. Langenbeck, Roux, Hohmann) und -sperrer (selbsthaltend, Rippensperrer, Parks'Sperrer, Spekula, Spatel). • Nadelhalter (Hegar, Mathieu). • Nadeln (scharf, rund, gerade, gebogen, atraumatisch), Unterbindungsnadel (Dechamps).
Standardinstrumente: - Skalpelle, Scheren - Pinzetten, Zangen - Haken, Sperrer - Nadelhalter, Nadeln
Spezialinstrumente: Sonden und Katheter: Knopf-, Rillen-, Gallengangssonden, Blasen-, Ballonkatheter zur Embolektomie und Dilatation, Bougies; Punktionsinstrumente: Menghini-, Vim-Silverman-Nadel, Trokar, Kanülen; Knochenchirurgie: Elevatorien, Hammer, Meißel, Hohlmeißel, Knochenzangen (Luer), Raspatorien, Feilen, Sägen (oszillierend, Gigli), Fräsen, Bohrmaschine; AO-Instrumentarium (der Arbeitsgemeinschaft Osteosynthese); Dermatome (Mollowitz) und Spezialmesser (Thiersch) zur Hautentnahme bei Transplantationen; Endoskope (Rektoskop, Koloskop, Gefäßendoskop, Mediastinoskop, Arthroskop).
Spezielle Instrumente: - Punktionsinstrumente - Sonden - Knocheninstrumente - Dermatome - Endoskope
Sonstige Geräte und Materialien. Mono- und bipolare Elektrokoagulationsgeräte, Kaltlicht, Absaugpumpen, Blutsammei- und Aufbereitungsgeräte, Herz-LungenMaschine, Blutleere-Geräte, Meßgeräte (Band- und Winkelmaß, Druck- und Flowmesser), Lupenbrille, Operationsmikroskop (Mikrochirurgie), fahrbare Röntgengeräte (Bildwandler).
Zusatzgeräte
Medikamente und Lösungen. Spüllösungen (physiologische Kochsalzlösung, antiseptische Lösungen (Taurolin®), Farblösungen (Methylenblau), Antikoagulantien, Fibrinolytika, Gewebekleber etc..
Medikamente, Lösungen
Für die Spezialgebiete müssen resorbierbare oder nicht resorbierbare Implantate und Prothesen zur Verfügung stehen:
Implantate, Prothesen
• Netze, Platten, Kissen, Kordeln und Bänder aus Kunststoff, lyophilisierte Dura (Weichteil- und Zwerchfelldefekte, Bauchdecken- und Bruchlückenverschluß) • Nägel, Schrauben, Platten, Drähte, Außenspanner (Osteosynthese) • Prothesen (Gelenke, Gefäße, Herzklappen, Mamma), Endoprothesen/Stents (Ösophagus, Gallengang, Gefäße) • Herzschrittmacher, Portsysteme, Aszites-Ventil, Medikamentenpumpen etc..
Instrumente für die endoskopische Chirurgie (minimal invasive Chirurgie) s. Kap. 27, S.255 u. 257. Reinigung und Sterilisation der Instrumente s. Kap. 11, S. 88. Nahtmaterial: Für die Vereinigung durchtrennter Gewebe und die Ligatur von Gefäßen stehen resorbierbare und nicht resorbierbare Nahtmaterialien aus biologischen (abnehmende Bedeutung) oder synthetischen Rohprodukten zur Verfügung (Tabelle 14-1). Resorbierbare Fäden werden fermentativ oder hydrolytisch abgebaut. Auch nicht resorbierbare Fäden (Polyamid, Seide) können nach Monaten bis Jahren zerfallen. Das Nahtmaterial muß sterilisierbar, ausreichend reißfest und elastisch sein und soll bei guter Knotenfestigkeit nur zu geringen Gewebereaktionen (abnehmend von Chromcatgut über Zwirn, Seide, Polyamid und Polyester bis zum Stahl) führen. Für die Knotenzuverlässigkeit sind Oberflächenbeschaffenheit und Quellbarkeit des Fadens besonders wichtig. Es ist zu unterscheiden zwischen monoftlem (ein Faden) polyfilem (mehrere Fäden), geflochtenem, gedrehtem, gezwirntem und flach gewebtem Nahtmaterial, das zusätz-
Nahtmaterial: - resorbierbare - nicht resorbierbare
• -
Nahtmaterialien
wichtige Eigenschaften: Sterilisierbarkeit Reißfestigkeit Knotenfestigkeit Geringe Gewebereaktionen
14. Die Operation
108
lieh noch ummantelt oder beschichtet und gefärbt sein kann. Atraumatisches Nahtmaterial vermeidet die traumatische Öhrnadel durch stufenlosen Übergang zwischen Nadel und Faden (fest oder leicht abziehbar). - monofil - polyfil - atraumatisch
Für die Fadenstärke sind verschiedene Einteilungen gebräuchlich, die z.T. nichts über die wahre Fadenstärke aussagen (10-0, 9-0, ... 0, 1, ... 7). Nach der Europäischen Pharmakopoe wird die Stärke metrisch angegeben (Nr. 1 = Fadendurchmesser von 0,1 mm, entspricht Fäden der Stärke 5-0 bzw. 6-0 (Catgut)). Tab. 14-1: Nahtmaterialien und ihre Grundstoffe (Auswahl) Resorbierbar
Alternativen zum Nahtmaterial - Klammern - Clips - Klammerpflaster - Gewebekleber (Acrylatkleber, Fibrinkleber)
Knotentechnik: - Schifferknoten - Weiberknoten - Rutschknoten - Chirurgischer Knoten - Knotenkombinationen (Abb. 14-1)
Nichtresorbierbar
Nahtmaterial
Rohmaterial
Nahtmaterial
Rohmaterial
Catgut piain Catgut chromic
Kollagen
Seide
Seide
Kollagen
Zwirn
Flachs
Dexon®
Polyglykolsäure
Mersilene®
Polyester
Maxon®
Polyglykonat
Ethibond®
Polyester beschichtet
Vicryl®
Polyglactin 910 beschichtet
Ethylon®
Polyamid
PDS®
Polydioxanon
Prolene®
Polypropylen
Monocryl®
Poliglecaprone
Draht
Silber, Stahl, Titan, Tantal
Anstelle von Nahtmaterial können auch Klammern oder Clips (Metall, resorbierbarer Kunststoff) verwandt werden. Für eine nahtlose Gewebevereinigung bieten sich neben speziellen Wundverschlußpflastern (mit einem Akrylpolymer als Haftschicht), die porös und leicht ablösbar sind, auch Gewebekleber auf Acrylat- und Fibrinbasis an. Die Akrylate sind sparsam und äußerlich aufzutragen (nicht auf die Wundflächen selbst). Anwendungsgebiete sind die Versorgung kleiner glattrandiger Hautwunden und die Stillung von Blutungen aus Ösophagusvarizen (nach Verdünnung mit Lipiodol). Fibrinkleber (2-KomponentenKleber aus Fibrin und Thrombin) werden als dünner Film auf möglichst trockene Wundflächen aufgebracht und bei der Versorgung von Parenchymdefekten (Leber, Milz, Niere), zur Adaptation von Sehnen (Achillessehne) und kleinen Knorpel-Knochenstücken sowie zur Sicherung von Gefäß-, Nerven- und Darmnähten erfolgreich eingesetzt. Knotentechnik: Die chirurgische Naht wird mit einem Knoten abgeschlossen, der mindestens aus 2 Schlingen bestehen muß. Ein sicherer Knoten ist der Schifferknoten, nicht aber der Weiberknoten. Bei 2 überschlungenen Knoten entsteht ein „Rutschknoten", der durch einen dritten gegenläufigen Knoten gesichert werden muß. Das Wesentliche des „Chirurgischen Knotens" liegt in einem doppelten Grundknoten. Dadurch wird die Reibung so groß, daß die Fadenenden beim nächsten Knoten nicht angespannt werden müssen (Abb. 14-1). Die verschiedenen Nahtmaterialien erfordern unterschiedliche Knotentechniken bis hin zu komplizierten Knotenkombinationen. Bezüglich der Knüpftechnik (Schulknoten, Technik nach von Mezö oder Schloffer) wird auf die Spezialliteratur verwiesen (Nockemann).
Chirurgische Naht
2.2 Chirurgische Naht
Nahtformen (Handnaht): - einreihig - mehrreihig - einzeln - fortlaufend - adaptierend - in- oder evertierend - überwendlich - Matratzennaht
Allgemeine und spezielle Nahtformen (Handnaht): Voraussetzung für eine Naht ist das Vorhandensein von Bindegewebe. Epithel-, Nerven- oder Muskelzellen lassen sich nicht nähen. Die verschiedenen Gewebearten erfordern unterschiedliche Nahttechniken. Die Naht kann eine, mehrere oder alle Schichten erfassen, sie kann einreihig oder mehrreihig sein, als Einzeloder als fortlaufende Naht angelegt sein, einen adaptierenden, in- oder evertierenden Effekt haben und als einfache überwendliche oder als Matratzennaht durchgeführt werden.
Instrumente, chirurgische Naht
109
a)
e)
f)
9)
h)
Abb. 14-1: Knotenformen: a. Einfacher Knoten, b. Überschlungener Knoten, c. Rutschknoten mit Gegenknoten, d. Weiberknoten, e. Schifferknoten, f. Zweifacher Schifferknoten, g. Chirurgischer Knoten, h. Dreifach chirurgischer Knoten Neben der Wahl des geeigneten Nahtmaterials, der Fadenstärke und Nadel ist die richtige Stichrichtung und das Vermeiden von Hohlraumbildungen, Überlappungen, Durchschneiden der Fäden und Nekrosenbildung durch zu festes Anziehen der Fäden von großer Bedeutung.
Bei der Naht vermeiden: - Hohlraumbildungen - Überlappungen - Durchschneiden der Fäden - zu festes Anziehen -> Nekrosen
Die fortlaufende Naht führt zu einer gleichmäßigen Adaptation mit primärer Dichtigkeit, ist schnell durchführbar und verbraucht vergleichsweise wenig Nahtmaterial. Ihr Vorteil zeigt sich besonders bei zirkulären Nähten (Darmanastomosen) durch die z u n e h m e n d e Abdichtung mit steigendem Innendruck. Nachteilig sind die Gefährdung der ganzen Naht durch einen umschriebenen Nahtdefekt und die Möglichkeit der Wundraffung. Die Einzelnaht bietet eine punktförmige Adaptation, begünstigt die Durchblutung der W u n d r ä n d e r und läßt sich einzeln entfernen o h n e Auseinanderklaffen der Restwunde. D e r Aufwand an Zeit und Material ist groß.
Hauptkomplikationen der Naht liegen in der Dehiszenz (Anastomoseninsuffizienz) und der Wundinfektion mit der Folge sog. Fadenfisteln, die nach vollständiger Entfernung des Nahtmaterials ausheilen.
Abb. 14-2: Technik der Hautnaht: a. Einzel- oder Knopfnaht, b. Rückstichnaht (Donati), c. Rückstichnaht (Allgöwer), d. Ausstülpende Matratzennaht, e. Fortlaufende Intrakutannaht, f. Hautadaptation mit Metallklammern
Wichtigste Nahtkomplikationen: - Dehiszenz - Infektion - Fadenfisteln
110
14. Die Operation
Abb. 14-3: Technik der Intestinal- und Gefäßnaht: a. Zweireihige Naht, invertierende Allschicht- und deckende seromuskuläre Naht (v. Mikulicz-Lembert), b. Einreihige „schichtgerechte" Naht (Herzog), c. Fortlaufende evertierende Gefäßnaht Hautnaht Kosmetisch besonders günstig: Versenkte Intrakutannaht.
Entfernung der Hautfäden.
Magen-Darm-Naht - hohe technische A n f o r d e r u n g e n - viele Modifikationen - Trend zur einreihigen Naht - absorbierbares Nahtmaterial
Sehnennähte erfordern spezielle Nahttechniken. Nähapparate • Linear-Stapler • Linear-Cutter • Intraluminal Stapler • Gefäß- und Hautklammergeräte • biofragmentierbarer Anastomosenring Nähapparate ermöglichen Blindverschlüsse, End-zu-End und End-zu-SeitAnastomosen.
Für den Hautschluß (Abb. 14-2) eignen sich besonders die vertikalen Einzelrückstichnähte nach Donati oder Allgöwer und Matratzennähte. Kosmetisch besonders günstige Ergebnisse lassen sich mit versenkten Intrakutannähten (monofile Kunststoffnaht - einzeln oder fortlaufend, Einzel-Catgutnähte) oder mit modernen Metallklammern erreichen. Hautfäden werden in der Regel nach 8 bis 10 (bis 16) Tagen entfernt, am Hals wie bei völliger Spannungsfreiheit auch früher (4 bis 7 Tage), an den unteren Extremitäten jedoch nicht vor dem 10. bis 12. Tag. Fasziennähte, die hohen Belastungen standhalten müssen, erfolgen bevorzugt per Einzelnaht, aber auch fortlaufend mit schwer- oder nichtresorbierbaren, kräftigen Kunststoffäden. An alle Magen-Darm-Nähte werden besondere Anforderungen hinsichtlich Blutstillung und Dichtigkeit gestellt, um Nahtinsuffizienzen zu vermeiden. Die Anastomosen werden End-zu-End, End-zu-Seit oder Seit-zu-Seit mit ein-, zwei- oder dreireihiger Nahttechnik in Form von Einzel- oder fortlaufenden Nähten in vielfältigen Modifikationen angelegt (Abb. 14-3). Dazu zählen die „Naht-auf-Stoß" (Gambee), die „schichtgerechte" Naht (Herzog), die intraluminale Rückstichnaht (Allgöwer) und verschiedene fortlaufende Nähte (z.B. einreihig, zweischichtig, extramukös). Die evertierende Gefäßnaht erfolgt in der Regel einfach fortlaufend oder intermittierend (nicht oder langfristig resorbierbarer Kunststoff, monofil oder polyfil-beschichtet). Bei der Sehnennaht werden besondere Techniken wie die Blockierungsnaht nach Lengemann, die ausziehbare Drahtnaht nach Bunnell oder Durchflechtungsnähte (Pulvertaft) eingesetzt. Nähapparate (Stapler): Nähte und Anastomosen können auch mit Hilfe von technisch hochwertigen Nähapparaten erstellt werden. Das Gewebe wird dabei durch U-förmige Klammern, die sich B-förmig verformen, adaptiert. Zu unterscheiden sind (Abb. 14-4): • Linear-Stapler: TA-Stapler (Thoracic-Abdominal), gerade, doppelreihige Klammernaht zum Verschluß von Magen, Darm, Bronchus, Lungenparenchym etc., • Linear-Cutter: GIA-Stapler (Gastro-Intestinal-Anastomosis), ein integriertes Skalpell durchtrennt das Gewebe zwischen zwei doppelten Klammerreihen, für Resektionen und Seit-zu-Seit-Anastomosen,
Instrumente, chirurgische Naht
111
LDS™
G l ATM
PREMIUM CEEA™
Abb. 14-4: Stapler-Geräte (Fa. Auto Suture-Company, Fa. Ethicon)
• Intraluminale-Stapler: ILS, EEA, CEEA-Stapler (Curved-End-End-Anastomosis), Rundnahtgerät mit Ringmesser für zirkuläre Anastomosen (Rektum, Ösophagus, Abb. 14-5), • Gefäß- und Hautklammergeräte: LDS-Stapler zur gleichzeitigen Ligatur und Durchtrennung von Blutgefäßen, Klammersetzgeräte zum Hautverschluß. • Valtrac®-Anastomosenring (Abb. 14-6): biofragmentierbarer Ring aus Polyglykolsäure (für alle Anastomosenformen am Darm, löst sich bis zum 30. postoperativen Tag auf). Die Nähapparate stellen bei kritischer Anwendung eine wertvolle Alternative zur Handnaht dar. Sie ermöglichen exakte und sichere Nähte bzw. Anastomosen (zeitsparend, aber kostspielig).
Wertvolle Alternative zur Handnaht
Vorteile: Schnelle und sichere Anastomosierung. Ausweitung der Op.-Indikation für bestimmte gastrointestinale Resektionen.
Nachteil: - kostspielig
14. Die Operation
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3. Operative Eingriffe, Komplikationen Operative Eingriffe
3.1 Punktionen, Injektionen
Punktion Einstechen einer Hohlnadel in einen Hohlraum oder in Gewebe. Nur unter aseptischen Bedingungen. Für diagnostische oder therapeutische Zwecke.
Punktion: Einstechen einer Hohlnadel in einen Hohlraum (Pleurahöhle, Gelenk) oder Gewebe (Leber). Punktionen dienen diagnostischen oder therapeutischen Zwecken und sind grundsätzlich unter aseptischen Bedingungen durchzuführen. Aspirate werden chemisch, bakteriologisch, zytologisch oder histologisch untersucht. Von großer Bedeutung ist die Feinnadelbiopsie von Mammatumoren, Schilddrüsenknoten, peripheren Bronchialtumoren, Leber- und Pankreasprozessen, wobei der Einsatz perkutan, endoskopisch oder intraoperativ erfolgen kann. Ggf. sonographische, computertomographische oder röntgenologische Steuerung der Punktion. Injektion: Einspritzen von Flüssigkeiten in Hohlorgane oder Gewebe. Vorher muß die Haut desinfiziert und die Lage der Nadel durch Aspiration kontrolliert werden.
Injektionen
Achtung: Ölige und hochprozentige Lösungen dürfen nicht i.v. oder i.a. injiziert werden!
Intrakutane Injektion (i. c.): Bei der Injektion entsteht eine Hautquaddel. Für diagnostische Zwecke (Tbc) und zur Schmerzbekämpfung geeignet. Subkutane Injektion (s. c.): Für kleine Injektionsmengen mit Depotwirkung (Insulin, Heparin). Intramuskuläre Injektion (i.m.): Gewährleistet relativ rasche Resorption infolge der guten Muskeldurchblutung. Die Injektionsstelle ist so zu wählen, daß Gefäße und Nerven nicht verletzt werden. Ort der Wahl ist die Glutäalmuskulatur (seltener Oberschenkel oder Oberarmmuskulatur): Dorsale Injektionen in den oberen äußeren Quadranten mit kranio-lateraler Stichrichtung. Cave: N.ischiadicus! Optimal erscheint die ventroglutäale Injektion in das Gebiet zwischen Spina iliaca anterior superior, Eminentia cristae iliacae und Trochanter major (Abb. 14-7). Intravenöse Injektion (i. v.): Erfolgt nach Venenstauung, bevorzugt in der Ellenbeuge, am Unterarm, auch am Hand- und Fußrücken sowie bei Säuglingen in den oberflächlichen Schädelvenen. Krampfadern und Halsvenen sind ungeeignet (Luftemboliegefahr!). Komplikationen durch paravenöse oder intraarterielle Injektion bzw. durch Verwendung öliger oder hochprozentiger Lösungen (s.w.u.).
Abb. 14-7: Technik der intramuskulären Injektion, a. Dorsale Injektion in die obere Hälfte des oberen äußeren Quadranten der Glutäalregion (Einstichstelle kranial einer imaginären Verbindungslinie zwischen Spina iliaca anterior superior und Spina iliaca posterior superior). b. Ventro-glutäale Injektion rechts: Der Zeigefinger liegt auf der Spina iliaca anterior superior, der Mittelfinger auf der Eminentia cristae iliacae und die Handfläche auf dem Trochanter major. Injektion in das vordere Drittel der Mm.glutei medius et minimus
Operative Eingriffe, Komplikationen
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Zentralvenöser Verweilkatheter (ZVK): Der vorgefertigte Kanülenkatheter kann über Armvenen, die V. jugularis interna oder die V. subclavia in die V. cava superior vorgeschoben werden. Äußerst steriles Arbeiten zur Vermeidung von Katheterinfektionen (Sepsis!) erforderlich. Röntgenologische Lagekontrolle. Indikationen: Große Mengen (hochprozentiger) Infusionslösungen (Blutung, parenterale Ernährung), Messung des zentralvenösen Druckes (ZVD). Venae sectio: Operative Freilegung einer Vene (Ellenbeuge, Unterschenkel) und Einführen eines geeigneten Katheters. Ggf. subkutane Implantation eines Kathetersystems (Intraport). Maßnahmen bei Komplikationen der i. v.-Injektion: Paravenöse Injektion: Injektion unterbrechen, Medikament zurücksaugen, Injektionsgebiet mit physiologischer NaCl-Lösung infiltrieren, kühlender Umschlag, Hochlagerung der Extremität. Versehentliche intraarterielle Injektion: Nachinjektion: 1. 20 ml isotone NaCl-Lösung 2. wasserlösliches Cortison-Derivat (z. B. 40 bis 80 mg Urbason®) 3.10 bis 20 ml 1 %ige Novocain®-Lösung (ohne Adrenalin!) 4.1 Ampulle Eupaverin® 5. Panthesin-Hydergin® 1 bis 2 ml 6. evtl. zusätzlich Calcium und Vitamin C
Freilegung einer Vene
Komplikationen bei Injektionen Paravenöse Injektion Versehentliche i.a.-lnjektion gefährdet die Extremität! Maßnahmen
Weitere Maßnahmen: Plexusblockade, gefäßerweiternde Medikamente, Antikoagulanzien, evtl. Fibrinolyse. Bei Durchblutungsstörungen droht ein Extremitätenverlust (sofortige Klinikeinweisung (!), strenge angiologische und chirurgische Überwachung, Anlegen eines Protokolls!). Arterielle Punktion/Injektion (i.a.) Indikation zur Punktion: Arterielle Blutgasanalyse, Angiographie, arterielle Blutdruckmessung (A. radialis). I. a.-Injektionen sind selten, häufiger i. a.-Infusionen (vasoaktive Substanzen). Wichtig: Fixation des Schlauchsystems, nicht der Nadel. Kompression zur Vermeidung von Nachblutungen.
Arterielle Punktion Indikationen: arterielle Blutgasanalyse, Angiographie.
Intrakardiale Injektion: Nur in Ausnahmefällen im Rahmen der Reanimation indiziert (4.-5. Interkostalraum (ICR) parasternal links), lange Nadel erforderlich. Kein Injektionsversuch bei schlagendem Herzen! Komplikationen: Gefäßverletzungen, Herzbeuteltamponade, intramyokardiale Injektion mit Kammerflimmern, Herzmuskelnekrosen. Bei gleichzeitiger Beatmung Pleuraverletzung und Pneumothorax. Intraartikuläre Punktion/Injektion: Erfolgt aus diagnostischen (chemische und zytologische Analyse des Punktates) und therapeutischen (Entlastung bei Erguß) Gründen. Wegen relativ großer Infektionsgefahr äußerst steriles Arbeiten, ggf. Kompressionsverband oder Ruhigstellung erforderlich.
Intrakardiale Injektion bei Reanimationen.
Pleurapunktion: In Lokalanästhesie Punktion im 2. ICR in der MCL (Pneumothorax) oder im 5.-8. ICR in der hinteren Axillarlinie (Erguß, Empyem), jeweils am oberen Rippenrand. Bei größeren Flüssigkeitsmengen ist ein Zwei-Wege-System (Rotanda-Spritze) erforderlich (s. Abb. 14-9). Punktion der Bauchhöhle: Indiziert bei Aszites, zur diagnostischen Peritoneallavage (stumpfes Bauchtrauma) oder zur Peritonealdialyse. Spezialkanülen verhüten Verletzungen des Darmes.
Pleurapunktion • 2. ICR -» Pneumothorax • 5.-8. ICR, HAL Erguß
Sklerosierung: Sonderform der Injektion mit Verwendung hochprozentiger „sklerosierender" Pharmaka (Varizenverödung)
3.2 Operative Maßnahmen Inzision: Einschnitt in Gewebe oder Hohlraum (Abszeßinzision). Exzision: Herausschneiden von Gewebe- oder Organteilen (Hauttumor). Exstirpation oder Ektomie: Entfernung von tieferliegendem Gewebe oder Organen (Rektumexstirpation, Cholezystektomie).
Punktion der Bauchhöhle Indikation: Aszites, diagnostische Peritoneallavage, Peritonealdialyse. Spezialkanülen.
Operative Maßnahmen
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14. Die Operation Enukleation: Entfernung eines Knotens (Adenom der Schilddrüse). Exkochleation: „Auslöffeln" von Gewebe mit dem scharfen Löffel (Knochenmark). Exhairese, Extraktion: Herausziehen von strangartigen Gewebeteilen (Varizen, Fremdkörper). Amputation, Ablatio: Zirkuläres Absetzen von Körperteilen (Bein, Mamma). Exartikulation: Absetzen einer Gliedmaße in einem Gelenk. Resektion: Entfernung von Organteilen, ggf. mit Wiederherstellung der Kontinuität (Darmresektion). Anastomose: Wiedervereinigung von Hohlorganen durch chirurgische Naht (Ösophagojejunostomie, Gefäßanastomose). •tomie: Schnitteröffnung von Körperhöhlen, Hohlräumen oder Organen (Laparotomie, Enterotomie, Arthrotomie). Trepanation: Eröffnung der Schädel- oder einer Knochenmarkhöhle. Stoma/-stomie: Anlegen einer bleibenden Öffnung an einem Hohlorgan mit Verbindung zur Körperoberfläche oder anderen Organen (Tracheostoma, Entero-Enterostomie). Desobliteration: Eröffnung eines von innen verschlossenen Lumens durch Entfernung der Verschlußmassen (Embol-, Thrombektomie, Thrombendarteriektomie). Dilatation: Erweiterung eines Hohlorganes mittels Dilatator, Fingern oder Ballonkatheter (Angioplastie). Lyse: Lösung von Verwachsungen (Neurolyse, Adhäsiolyse), auch medikamentös bei Thromben. Bypass: Passagere oder permanente Umgehungsanastomose (aortofemoraler Bypass). Osteosynthese: Operative Wiedervereinigung getrennter Knochenteile mit Hilfe von Schrauben, Nägeln, Platten u. a. (Marknagelung). Reposition, Transposition: (Rück-)verlagerung von körpereigenem Gewebe (Knochenfraktur, Hernie, Fingerverpflanzung). Replantation: Wiederanfügen von abgetrennten Gliedmaßen (Finger, Arm) oder Organen (spezielle Technik bei Transplantationen). Transplantation: Verpflanzung von Organen oder Organteilen - autolog (Haut), homolog (Herz, Leber, Niere) heterolog (Schweinehaut, Kalbskarotiden als Gefäßersatz, Knochenersatz). Implantation: Einbringen von körperfremdem Material in den Organismus (Hüftgelenkprothese, Herzschrittmacher). Plastische Operation: Zur Korrektur von Fehlbildungen (Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte), Gewebedefekten (Trauma, Tumorentfernung) oder aus kosmetischen Gründen (Nasenkorrektur).
Operationsplan, Drainagen
3.3 Operationsverlauf, Drainagen
Schnittführung (Abb. 14-8), Nerven und Gefäße beachten, Eröffnung der Körperhöhlen, Flüssigkeiten absaugen, Diagnose und Operabilität prüfen -»eigentlicher Eingriff.
Operationsverlauf: Jede Operation verläuft nach einem vorher festgelegten Plan, von dem aber ggf. abgewichen werden muß. Sie ist durch einen detaillierten Bericht zu dokumentieren. Der Hautschnitt orientiert sich am jeweiligen Operationsgebiet und kann individuell variiert werden. Kosmetisch am günstigsten sind Inzisionen im Verlauf der Langer-Hautlinien. Nerven und Gefäße sind sorgfältig zu beachten. Mögliche Schnittführungen zeigt Abb. 14-8. Operationen in Körperhöhlen erfordern deren Eröffnung (Laparotomie, Thorakotomie, Kraniotomie). Ggf. müssen Blut, Eiter oder seröse Flüssigkeiten (Aszites) aus dem Operationsgebiet abgesaugt werden. Diagnose und Operabilität werden überprüft und zusätzliche Befunde registriert. Erst dann erfolgt der geplante Eingriff (z. B. Magenresektion). Nach der genauen Kontrolle des Operationsgebietes auf Bluttrockenheit, der Anastomosendurchgängigkeit, der Stellung der Knochenfragmente
Operative Eingriffe, Komplikationen
115
Abb. 14-8: Möglichkeiten des Hautschnittes 1 Kocher-Kragenschnitt (Struma), 2 Mediastinoskopie, 3 Sternotomie (Herz), 4 Zugang zur A./V.subclavia (Bypass), 5 Transmamillarschnitt (Gynäkomastie), 6 Mamillenrandschnitt, 7 Thorakotomie, 8 Rippenbogenrandschnitt re. und Ii., 9 Ober- und Unterbauchmedianschnitt, 10 Transrektalschnitt, 11 Pararektalschnitt, 12 Oberbauchquerschnitt, 13 Subumbilikaler Querschnitt (Nabelhernie), 14 Suprapubischer Querschnitt (Pfannenstiel), 15 Wechselschnitt (Appendektomie), 16 Suprainguinaler Schnitt (Leistenhernie), 17 Inguinaler Längsschnitt (Bypass)
etc. und dem Ausschluß etwaiger iatrogener Komplikationen erfolgt ggf. die Plazierung von Sonden (Magen) oder Drainagen und der schichtweise Wundschluß. Tupfer und Kompressen dürfen bei Körperhöhleneingriffen nicht lose verwandt werden, Bauchtücher müssen markiert und vor dem Wundschluß gezählt werden. Auch die Vollständigkeit der Instrumente ist zu überprüfen. • Blutstillung: Jede Operation führt zu mehr oder weniger starken Blutungen, die präliminar verhindert oder gestillt werden müssen: Manuelle Kompression oder Gefäßabklemmung (passager), Elektrokoagulation (kleine, subkutane Blutungen), kann monopolar (mit Neutralelektrode entfernt vom Operationsgebiet) oder bipolar (eine Pinzettenbranche entspricht der Neutralelektrode) angewandt werden, Infrarotkontaktkoagulation (Leber, Milz), Koagulation durch Laser oder Argon-Beamer, Gefäßligatur oder -clipping, Gefäßumstechung (Unübersichtlichkeit, parenchymatöse Organe), Gefäßnaht, Tamponade, Fibrinklebung, notfalls Organteilresektion oder -entfernung. • Tamponade: Ausstopfen von Hohlräumen oder Wunden. Nur zur vorübergehenden (selten definitiven) Blutstillung, nicht aber zu Drainagezwecken geeignet. Zusatz von gerinnungsfördernden Substanzen (Kollagenvlies, Fibrinschaum) möglich. Intraluminal auch Ballontamponade (Ösophagusvarizenblutung). • Blutleere: Nach Hochhalten sowie zentripetalem Ausstreichen und Auswickeln der Extremität wird proximal des Operationsgebiets eine Druckluftmanschette (bis 300 m m H g am Arm, bis 500 mmHg am Bein) angelegt, so daß vollständige Ischämie erreicht wird (v. Esmarch). Die Dauer darf 2 Stunden nicht wesentlich überschreiten, wenn Dauerschäden vermieden werden sollen. Bei infektiösen Prozessen ist das Ausstreichen und Auswikkeln wegen der Gefahr der Infektionsausbreitung kontraindiziert (Blutsperre). Anwendung bei Operationen an den Extremitäten zur Reduzierung der intraoperativen Blutung und Verbesserung der Übersicht (außer bei Durchblutungsstörungen). Drainagen: Viele Operationen erfordern eine Drainage des Operationsund Wundgebietes zur Ableitung von Blut oder Sekreten. Neben einfachen Laschen oder Penrose-Drains werden relativ weiche Kunststoff- (Silastic,
Sonden und Drainagen plazieren. Vor dem Wundschluß Bauchtücher und Instrumente zählen!
Blutstillung durch - Elektrokoagulation, - Laserkoagulation, - Argon-Beamer, - Gefäßligatur o. Clipping, - Gefäßumstechung, - Gefäßnaht, - Tamponade.
Tamponade Ausstopfen von Hohlräumen o. Wunden zur vorübergehenden Blutstillung Blutleere Blutsperre
14. Die Operation
116
VAKUUMPATIENT
- Pumpe -Wandanschlu3
B
D
Abb. 14-9: Bülau-Drainage: a. Patient mit Thoraxdrain (Pneumothorax), b. Sekretauffanggefäß, c. Sogregulierung (Eintauchtiefe des Steigrohres entspricht dem negativen Druck in cm H 2 0), d. Vakuumpumpe Drainagen Drainagesysteme: - offen - halboffen - geschlossen Drainagearten: - Schwerkraftdrainage - Kapillardrainage - Saugdrainage - Schlürfdrainage - Saug-Spüldrainage Drainage der Pleurahöhle: Bülau-Drain (Abb. 14-9)
Drainage-Indikationen: - nach Thorakotomie - Sickerblutung - Abszeß, Peritonitis - große Weichteileingriffe - gefährdete Anastomosen Der Z e i t p u n k t der Drainentfernung richtet sich nach der Zielsetzung der Drainage und der abgesonderten Sekretmenge. Drain-Komplikationen: - Drucknekrosen - Blutung - Fistelbildung - Organprolaps - Hernie u.a. Op.-Komplikationen 1. Vermeidbare K o m p l i k a t i o n e n U m Fehler und Komplikationen zu verm e i d e n , ist zu achten auf • Lagerung Plexusläsionen • Asepsis —»Infektion • Verbände Drucknekrosen
Latex) oder Gummischläuche verwandt. Die Drains können offen, halboffen oder geschlossen (geringere Infektionsgefahr) abgeleitet und an eine Saugung angeschlossen werden. • Der einfachen Schwerkraftdrainage (Rohrdrainage, Inzision am tiefsten Punkt der Wundhöhle) steht die „Kapillardrainage" gegenüber (Easyflowund Penrose-Drainage). • Außerhalb der Körperhöhlen hat sich die Vakuum-Saug-Drainage (Redon) bewährt. Anwendungsgebiete: U.a. Struma-, Mamma-, Gefäß-, Weichteil- und Knochenchirurgie). • Schlürfdrainagen (Doppelrohrsystem mit Sog am Innenrohr) vermeiden durch ständige Luftzufuhr Gewebeansaugungen (z.B. Duodenalinsuffizienz). • Die Bülau-Drainage gewährleistet die fortlaufende Entleerung von Sekreten aus der Pleurahöhle. Das ursprüngliche Heberprinzip wird in der Regel durch Sog ersetzt (Wasserstrahlpumpe, Vakuum, Unterdruck je nach Indikation - 4 bis -20cm H z O und mehr) (Abb. 14-9). Einsatz u. a. bei Pneumothorax und nach Thoraxoperationen. • Saug-Spül-Drainage: Spülung eines geschlossenen Wundgebietes mit Hilfe einer Saugdrainage (Osteomyelitis, Peritoneal-Lavage). Obligat sind Drainagen u. a. nach Eingriffen im Thorax, bei persistierender Sickerblutung und bei septischen Prozessen (Abszeß, Peritonitis), sehr zu empfehlen bei größeren Weichteileingriffen und insuffizienzgefährdeten Anastomosen. Die Bauchhöhle als Ganzes kann nicht wirksam drainiert werden, da das Peritoneum frühzeitig zu Verklebungen neigt. Das Drain wird möglichst am tiefsten Punkt positioniert, nicht durch die Wunde sondern gesondert ausgeleitet und fixiert (Naht, Sicherheitsnadel). Der Zeitpunkt der Drainentfernung ergibt sich aus der Zielsetzung der Drainage und der abgesonderten Sekretmenge. Zu frühe Entfernung führt vielfach zu Spätinfektionen, lange Drainagezeiten verursachen Drucknekrosen mit Blutung und Fistelbildung. Weitere Komplikationsmöglichkeiten sind die Drain-Okklusion, das Prolabieren von Organen durch das Drain oder die Drainagelücke und die Ausbildung einer Hernie.
3.4 Komplikationen Vermeidbare Komplikationen sind: unsachgemäße Lagerung (Armplexusläsionen), falsche Verbände (Drucknekrosen) und mangelhafte Disziplin (Infektionen durch Nichtbeachtung der Asepsis, Verbleiben von Fremdkörpern in situ), unzureichende Operationstechnik (Gefäßreverschlüsse) oder Nichtbeachtung von Kontraindikationen (Blutgerinnungsstörungen).
Operative Eingriffe, Komplikationen Von besonderer Bedeutung sind unbeabsichtigte Fehlleistungen oder -einschätzungen des Operateurs wie Operation der falschen Seite (Amputation, Leistenhernie), Gefäßverletzungen mit massiver Blutung, Verletzung von Nerven (N. recurrens, N.abducens) und Gangsystemen (D. choledochus, Ureter), Durchtrennung des Analsphinkters, Querschnittssyndrom (Bandscheibenoperation), Fehleinstellung von Frakturen, Einengung der Samenstranggefäße, Eröffnung einer nicht beteiligten Körperhöhle (Pneumothorax), Entfernung gesunder Organe oder Organteile (Nebenschilddrüse), periphere oder zentrale Embolien, falsche Methodenwahl oder unzureichende Therapien (Zurücklassen von Konkrementen oder Tumorgewebe). Andere fakultative Komplikationen lassen sich trotz aller Sorgfalt nicht immer vermeiden oder sind unmittelbar durch die Art des Eingriffes bedingt: Anastomosen- bzw. Nahtinsuffizienzen, Stenosen und Fisteln (Darm, Bronchus, Pankreas) Magenwand- (nach Vagotomie) und Sigma/Rektumnekrose (nach Resektion eines Aortenaneurysmas), Potenzstörungen (nach Eingriffen an der Aorta abdominalis oder am Rektum), Blutdruckkrisen (Phäochromozytom), Tracheomalazie und Tetanie (Schilddrüsenoperation), Wunddehiszenz, Narbenbruch, Narbenkeloid, Nahtaneurysma, Verwachsungen und Bridenileus, Transplantatabstoßung Allgemeinmedizinische Komplikationen wie kardiale, pulmonale und renale Insuffizienzen, Becken-Beinvenenthrombosen, Lungenembolie, Schock und postoperative Psychosen (Durchgangssyndrome), auch vorübergehende Störungen wie Darmatonie, paralytischer Ileus, Anämie, Blasenentleerungsstörungen, etc. sind entsprechend zu behandeln (s. Kap. 17, S.139) Transfusionsbedingte Komplikationen (s. Kap. 18/3, S. 157,13, S. 103)
117 • Fehlleistungen des Operateurs - Op. der „falschen" Seite - falsche Op.-Technik
2. Unvermeidbare Komplikationen können sein:
Allgemeinmedizinische Komplikationen und vorübergehende Störungen,
15. Indikationen und Kontraindikationen des operativen Eingriffs B. Stallkamp
Indikationen
1. Indikationen 1.1 Rechtliche Situation, Aufklärung
Rechtliche Grundlagen
1.1.1 Rechtliche Grundlagen
Diagnostische und therapeutische Eingriffe, die körperliche oder seelische Verletzungen hervorrufen, sind rechtlich „Körperverletzungen".
Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist für den Bürger Deutschlands im Grundgesetz (Art. 2 GG) verbürgt. Diagnostische und therapeutische Eingriffe, die die körperliche oder seelische Integrität des Kranken verletzen, erfüllen deshalb nach der gültigen Rechtssprechung den Tatbestand der Körperverletzung, der strafrechtlich (§§ 223ff. StGB) und zivilrechtlich (§§ 276, 823 BGB) verfolgt werden kann. Dieser Tatbestand wird durch verschiedene Umstände aufgehoben: 1. Durch die rechtswirksame Einwilligung des Kranken in den Eingriff. Ist dieser zu einer Willensäußerung nicht in der Lage, geht das Einwilligungsrecht auf den gesetzlichen Vertreter (Eltern, Vormund, Betreuer) über. Ggf. kann auch das Vormundschaftsgericht vor oder, wenn Gefahr im Verzug ist, nach dem Eingriff eingeschaltet werden. 2. Durch mutmaßliche Einwilligung (Geschäftsführung ohne Auftrag, übergesetzlicher Notstand). Bei fehlender Einsichtsfähigkeit (z.B. Bewußtlosigkeit, Geisteskrankheit oder -schwäche) ist der Arzt verpflichtet, ggf. einen notwendigen Eingriff vorzunehmen, um sich nicht der unterlassenen Hilfeleistung (§ 322 c StGB) schuldig zu machen oder dem Vorwurf eines Tötungsdeliktes auszusetzen, auch wenn dies dem vorher erklärten Willen des Patienten entgegensteht. 3. Eingriffe ohne Einwilligung sind weiterhin gerechtfertigt im Rahmen des Bundesseuchengesetzes, des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, der Unterbringungsgesetze und unter bestimmten Umständen zur Beweissicherung im Rahmen strafbarer Handlungen (§ 81 a, c StPO) oder in Zivilprozessen (§ 372 a ZPO).
Ausnahmen: Einwilligung des Kranken oder des gesetzlichen Vertreters,
mutmaßliche Einwilligung (Notfälle) unterlassene Hilfeleistung,
im Rahmen des Bundesseuchengesetzes u.a.
Voraussetzung zur Einwilligung: klare Einsicht des Kranken und Aufklärung durch den Arzt.
Zur rechtswirksamen Einwilligung sind berechtigt: - der volljährige Patient - geistig gesunde Patient - einsichtsfähige Patient - Betreuer - Sorgeberechtigte - beide Elternteile - eingeschränkt: Kinder und Minderjährige
Das Selbstbestimmungsrecht eines Patienten wird auch durch den Tatbestand akuter Lebensgefahr nicht aufgehoben. Eingriffe, die gegen den erklärten Willen eines bewußtseinsklaren und geschäftsfähigen Patienten durchgeführt werden, sind grundsätzlich unerlaubt und strafbar, auch wenn sie objektiv der Lebenserhaltung dienen. Bei fehlender Einwilligung kann eine Operation nur nach der Feststellung der Geschäftsunfähigkeit durch einen Psychiater und eine Entmündigung durch den Amtsrichter erfolgen. Eine rechtswirksame Einwilligung kann nur erteilen, wer dazu berechtigt ist. Dies sind der volljährige, geistig gesunde und einsichtsfähige (nicht bewußtlose) Patient, ein Betreuer, dessen Bestellung ggf. beim Amtsgericht beantragt werden muß (§ 1896 BGB) oder bei Minderjährigen die Sorgeberechtigten (beide Elternteile). Ist eine Betreuung eingerichtet, muß der Betreute selbst einwilligen, sofern er Art, Bedeutung und Tragweite der geplanten Maßnahmen erfassen kann. Anderenfalls erteilt der Betreuer die Einwilligung, die vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden muß, wenn die begründete Gefahr besteht, daß der Betreute aufgrund der Maßnahmen stirbt oder einen schweren und langdauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (§ 1904 BGB).
Indikationen
119
Die Einwilligung kann unabhängig von der bürgerlich-rechtlichen Geschäftsfähigkeit oder strafrechtlichen Straffähigkeit erfolgen. Sie muß vor dem Eingriff formell oder durch schlüssiges Handeln erteilt werden, wird aber unwirksam, wenn der Eingriff selbst gegen die guten Sitten verstößt (§ 226 a StGB). Bei Kindern bzw. Minderjährigen (bis zum vollendeten 18. Lebensjahr) muß grundsätzlich die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegen. Nur in Ausnahmefällen können auch Minderjährige eine rechtswirksame Einwilligung geben. Dabei ist davon auszugehen, daß Minderjährige unter 7 Jahren absolut geschäftsunfähig sind. Ist der Minderjährige aber einwilligungsfähig, hat seine Entscheidung Vorrang vor der Entscheidung etwaiger Sorgeberechtigter. Dies setzt aber entsprechende geistige und sittliche Reife mit eigenständiger Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit voraus, die bis zum 14. Lebensjahr im allgemeinen nicht vorliegt, andererseits aber auch nicht an die Volljährigkeitsgrenze gebunden ist. Minderjährige zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr können in eine ärztliche Heilbehandlung und damit auch Operation wirksam einwilligen, sofern sie über die notwendige Reife und die Fähigkeit verfügen, die Tragweite und Bedeutung des Eingriffs für das weitere Leben ermessen zu können. Ob dies der Fall ist, hat der Arzt im Einzelfall zu prüfen. In jedem Falle sind Dringlichkeit, Bedeutung, Schwierigkeit und Auswirkungen des geplanten Eingriffs zu berücksichtigen. In der Regel wird eine Einwilligungsfähigkeit ab dem 16. Lebensjahr angenommen. Aber auch bei einem 16jährigen Patienten ist bei einer wichtigen, aber nicht dringlichen Entscheidung in der Regel die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich. Bei bestehender Ehe sind beide Elternteile sorgeberechtigt. Grundsätzlich kann ein Elternteil (in Routinefragen) für den anderen mitentscheiden. Bei Zweifeln an der Einwilligung des anderen Elternteiles oder bei schwierigen Entscheidungen müssen beide Elternteile zustimmen. Versagt ein Personensorgeberechtigter aus unvernünftigen Gründen seine Einwilligung zu einer indizierten Heilbehandlung, Operation etc., so kann darin ein Sorgerechtsmißbrauch liegen. Das Vormundschaftsgericht kann in diesem Falle das Sorgerecht teilweise entziehen und insoweit einen Pfleger bestellen oder durch direkte Entscheidung die Einwilligung erteilen. Einen dringend indizierten Eingriff darf der Arzt allerdings stets ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vornehmen. Wird von Erwachsenen (aus religiösen Gründen) die Einwilligung zu einer Operation von der Bereitschaft des Arztes abhängig gemacht, auf Bluttransfusionen zu verzichten, ist von folgenden Richtlinien auszugehen:
Einwilligung von Kindern und Minderjährigen - grundsätzlich durch gesetzliche Vertreter - unter 7 Jahre geschäftsunfähig - unter 14 Jahre in der Regel keine Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit - über 16 Jahre in der Regel einwilligungsfähig, außer: wichtig, aber nicht dringlich
Einwilligung durch Eltern Ein Elternteil: Routineentscheidungen. Beide Elternteile: Schwierige Entscheidungen. Zustimmungszweifel bei einem Elternteil. - bei Ablehnung eines indizierten Eingriffs aus unvernünftigen Gründen das Vormundschaftsgericht einschalten, - ein dringend indizierter Eingriff ist auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erlaubt. Richtlinien bei Bluttransfusions-Verweigerung aus religiösen Gründen.
Eingriffe, die eine Bluttransfusion zwingend erfordern, sind strikt kontraindiziert. Vitalindizierte, dringende Eingriffe mit einer gewissen Chance, Bluttransfusionen vermeiden zu können, dürfen und müssen mit Einwilligung des Patienten durchgeführt werden (allgemeine Hilfeleistungspflicht - § 323 c StGB). Elektive Eingriffe, die trotz der Verweigerung einer Bluttransfusion eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz haben, erscheinen prinzipiell zulässig, sollten aber nur erfolgen, wenn die Bluttransfusion in dem konkreten Falle äußerst unwahrscheinlich ist. Operationen mit nicht schwerwiegender Indikation sind auch bei geringem Transfusionsrisiko zu unterlassen. Ist das Leben des Patienten bei präoperativer kompromißloser Verweigerung von Transfusionen nur durch Bluttransfusionen zu erhalten, ist dem Arzt weder aus der Unterlassung noch aus der Durchführung einer Transfusion rechtlich ein Vorwurf zu machen (Gewissensentscheidung gegen Gewissensentscheidung - Widerstreit zwischen der Pflicht, die Glaubensüberzeugung des Patienten zu respektieren und der ärztlich-ethischen Grundverpflichtung, das Leben des Patienten zu retten).
Fahrlässige oder vorsätzliche Verstöße gegen die ärztliche Kunst oder die Sorgfaltspflicht werden durch die Einwilligung nicht gedeckt. Ein Kunstfehler ist ein Verstoß gegen die von Wissenschaft und Praxis anerkannten und zur Zeit des Eingriffs gültigen Regeln und Erkenntnisse der ärztlichen Kunst in Diagnose, Therapie etc.. Ein Abweichen von den Regeln der ärztlichen Kunst ist nicht prinzipiell verboten, muß jedoch begründet sein.
Kunstfehler - Definition
15. Indikationen und Kontraindikationen des operativen Eingriffs
120 Aufklärung des Patienten
1.1.2 Aufklärung des Kranken
Aufklärung muß enthalten: - Diagnose - Operationsprinzip - Komplikationen - alternative Therapien
U m dem Kranken die notwendige Einsicht zu verschaffen, ist der Arzt zur Aufklärung über die vorgesehenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, insbesondere operativen Eingriffe verpflichtet. Diese Aufklärung hat sachgerecht, aber der jeweiligen Situation angepaßt zu erfolgen. Der notwendige Umfang der Aufklärung umschließt in der Regel die Diagnose (Diagnoseaufklärung), das Operationsprinzip und -ziel, typische Komplikationsmöglichkeiten, Folgen und Risiken (Nervenläsionen, Störungen des Bewegungsapparates, Entstellungen, künstlicher Darmausgang, Inkontinenz etc.), alternative Eingriffe bzw. Therapien (Eingriffsaufklärung) und ggf. auch die Prognose der Erkrankung.
Dringlichkeit des ärztlichen Eingriffs und Umfang der Aufklärung verhalten sich umgekehrt proportional. 0
Die Aufklärung durch Merkblätter kann das Aufklärungsgespräch nicht ersetzen.
Bei der eingriffsspezifischen Aufklärung auch extrem seltene Risiken berücksichtigen!
Aufklärung über Alternativtherapien erforderlich bei unterschiedlichen Risiken oder Folgezuständen. Bei Außenseitermethoden Information über den „schulmedizinischen" Standard erforderlich.
Dokumentation des Aufklärungsgespräches unbedingt notwendig.
Je weniger die Operation medizinisch begründet ist, je geringer ihre Erfolgschancen und je höher das Risiko, desto umfangreicher muß die Aufklärung sein. Je dringlicher der ärztliche Eingriff, um so geringer sind die Anforderungen an Umfang und Genauigkeit der Aufklärung. Lebensrettende Operationen erfordern nur wenige Informationen, plastisch-ästhetische Eingriffe dagegen ein Höchstmaß an Aufklärung. Die Aufklärung obliegt grundsätzlich dem verantwortlichen Operateur, eine Delegation ist aber möglich, jedoch nicht auf nichtärztliches Personal. Für Mängel in der Aufklärung haftet der Aufklärende selbst. Dies gilt auch bei interdisziplinärer Betreuung des Patienten. Bei der praktischen Aufklärung können jeweils spezifische Merkblätter, besonders im Rahmen der sog. Stufenaufklärung (Weißauer) sehr hilfreich sein, das eigentliche Aufklärungsgespräch aber nicht ersetzen. Das Gespräch muß von der richtigen Person (Operateur) in der rechten Form (Bildungsgrad, psychische Situation des Patienten) und zur rechten Zeit (möglichst nicht unmittelbar vor der Operation) geführt werden. Es soll den Patienten in die Lage versetzen, Vor- und Nachteile, Erfolgsaussichten und Risiken eines Eingriffes abzuschätzen. Der Patient kann sich dabei mit wenigen, grundlegenden Informationen begnügen, andererseits aber auch eine extensive Aufklärung verlangen. Forensisch erscheint die Aufklärung dann als ausreichend, wenn die Mitteilung das umfaßt, was der „verständige Durchschnittspatient" erfahren möchte. Eine umfassende, auch alle Nebenmaßnahmen betreffende Aufklärung verwirrt den Patienten, verhindert eine selbstbestimmte Entscheidung und verliert ihre verfassungsrechtliche Legitimation. Der Patient darf voraussetzen, daß das Operationsteam in der Lage ist, alle Nebenmaßnahmen durchzuführen, die für den Erfolg des Eingriffs notwendig sind. Während aber Informationen über allgemeine Risiken einer Operation (Blutung, Infektion) für die Rechtssprechung weniger wichtig erscheinen, da sie heute weitgehend als allgemein bekannt angesehen werden, erscheint die Aufklärung über eingriffsspezifische Risiken als sehr bedeutsam. Sie wird auch dann gefordert, wenn diese Risiken extrem selten sind (z.B. Darmperforation bei der Rektoskopie, bei der Annahme einer Häufigkeit durch den B G H von 1 : 1 0 0 0 0 bis 1 : 20000). Kommt bei geplanten Operationen eine intra- oder postoperative Bluttransfusion (ca. 5 % ) in Betracht, ist über mögliche Hepatitis- und HIV-Infektionen durch Fremdblut sowie die Möglichkeit der Eigenblutspende aufzuklären und diese auch zu empfehlen. Problematisch ist die Aufklärung über Alternativtherapien. Stehen verschiedene, gleichermaßen anerkannte, erfolgversprechende und risikogleiche Behandlungsmethoden zur Wahl, kann der Arzt die Auswahl treffen, ohne den Patienten hierüber zu informieren, während unterschiedliche Risiken oder Folgezustände nach der Operation unbedingt eine entsprechende Aufklärung verlangen. Wichtige Alternativen mit entsprechender Aufklärungspflicht ergeben sich vielfach zwischen • Behandlung einer Erkrankung und Abwarten des Spontanverlaufes, z. B. Indikationsstellung zur Operation eines Aortenaneurysmas. • konservativer und operativer Behandlung z.B. Litholyse oder Cholezystektomie bei Cholelithiasis, konservative Ruhigstellung oder Osteosynthese bei der Knochenbruchbehandlung • verschiedenen Operationsverfahren z.B. Vagotomie oder Magenresektion beim gastroduodenalen Ulkus, Ablatio mammae oder brusterhaltende Operation beim Mammakarzinom. Aufklärung und Einwilligung sind nicht an formale Vorschriften (Schriftform) gebunden. Aus Gründen der Beweissicherung und der Transparenz empfiehlt es sich aber, das Aufklärungsgespräch - immer mit Bezug auf eine konkrete Situation nach Inhalt und Umfang in wesentlichen Punkten zu dokumentieren und zusammen
Indikationen
121
mit der Einwilligung durch Arzt und Patient bestätigen zu lassen. Wird nur ein vertrauensvolles Gespräch geführt, sollte der Arzt dies mit Datum in den Krankenpapieren vermerken und inhaltlich skizzieren. In einem zivilrechtlichen Schadensersatzprozeß muß zwar der Kläger den schuldhaften Behandlungsfehler beweisen, der Arzt aber den Nachweis der sachgerechten Aufklärung führen.
1.2 O p e r a t i o n s z i e l e , O p e r a b i l i t ä t 1.2.1 Allgemeines zur Operationsindikation
Allgemeines zur Op.-Indikation
Da kein operativer Eingriff völlig risikofrei ist, sollte die Indikation immer sehr sorgfältig gestellt werden. Das operative Risiko umfaßt die Summe aller möglichen intra- und postoperativen Komplikationen, die zum Tode (Letalität) oder zu bleibenden oder vorübergehenden Gesundheitsschäden (Morbidität) führen können. Dieses Risiko ist von zahlreichen Faktoren abhängig: Konstitution und Alter des Patienten, Grund-, Begleitkrankheiten, Voroperationen, Größe und Art der geplanten Operation, Qualität der chirurgischen, anästhesiologischen und allgemeinmedizinischen Versorgung sowie der pflegerischen Betreuung. Um dieses Risiko möglichst gering zu halten, soll jeder operative Eingriff medizinisch begründet sein. Dabei ist es gleichgültig, ob ein diagnostisches oder therapeutisches Ziel verfolgt wird. Die Indikation zur Operation hat kritisch zu berücksichtigen: Die Krankheitsdiagnose bzw. Beschwerden und Symptome, die allgemeine (Operationstoleranz) und lokale Operabilität, die Ziele, Intentionen und technischen Möglichkeiten der Operation, alternative Therapien und die Krankheitsprognose. Die medizinische Indikation stützt sich auf die Krankheitsdiagnose. Diese sollte nach der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und ggf. zahlreichen Zusatzuntersuchungen (Röntgendiagnostik, laborchemische Untersuchungen, Endoskopie, Sonographie, Funktionstests, EKG, Zytologie, Histologie) möglichst präzise gestellt werden und ggf. ein Tumorstaging mit einschließen. Dabei können auch eigene Eingriffe zur Sicherung der Diagnose notwendig sein (Lymphknotenexstirpation). Diagnose-Scores können als Entscheidungshilfen fungieren. Ist eine Diagnose nicht zu stellen, können auch die Beschwerden des Kranken (Schmerzen) und Sekundärerkrankungen oder Symptome, wie Blutungen, Entzündungen, Tumorbildungen, (Magen-Darm)-Perforationen, Einengung oder Verlegung von Hohlorganen (Ileus, Verschlußikterus, Hydronephrose), eine Operation begründen.
Kein operativer Eingriff ist risikolos - deshalb keine Operation ohne medizinische Indikation.
Die Indikation zur Operation muß berücksichtigen: - Diagnose - Symptome - Operationstoleranz des Patienten - lokale Operabilität - Operationsmöglichkeiten - alternative Therapien - Prognose Zur Diagnosesicherung ist notwendig: - Anamnese - körperliche Untersuchung - Zusatzuntersuchungen (Röntgen, Labor, Endoskopie, Sonographie, etc.) - Histologie - Tumorstaging - diagnostischer Eingriff Die Operation ist auch ohne Diagnose aus den Beschwerden des Kranken begründbar.
1.2.2 Operationsziele und -intentionen Operationsziele sind: • Heilung oder Besserung von Krankheiten, • Beseitigung von Fehlbildungen, Funktionsstörungen, Defekten oder sonstigen Störungsfaktoren. Dazu zählen • die Befreiung von lebensbedrohlichen Krankheiten (Magen-DarmPerforationen, Blutungen, Malignóme), • die Behebung drohender oder manifester Funktionsstörungen (arterielle Verschlußkrankheit (AVK), Prostatahypertrophie, Frakturen), • die Verhütung von Krankheitskomplikationen (Thrombektomie bei Venenthrombose zur Embolieprophylaxe), • die Beseitigung von Fehlbildungen (Lippen-Kiefer-Gaumenspalte), • von Beschwerden bzw. Schmerzen (chronische Pankreatitis), • von kosmetisch störenden Defekten (Mammaaufbauplastik). Die Intention eines operativen Eingriffs kann kurativ (Heilung) oder palliativ (Besserung), symptomatisch (Operation eines Ileus bei lokaler Inoperabilität), supportiv (z.B. TUmorverkleinerung) oder nur diagnostisch sein.
Operationsziele
Operationsintention - kurativ - palliativ - symptomatisch - supportiv - diagnostisch
15. Indikationen und Kontraindikationen des operativen Eingriffs
122
Operationstoleranz Maxime der Operationsindikation: Geheilt oder gebessert weiterleben.
=» Patient muß körperliche und seelische Folgen der Operation überstehen können. Hierzu gehört: - guter Allgemeinzustand,
- adäquates Alter, da dieses die Leistungsreserven einschränkt (Greis, Säugling).
Das hohe Lebensalter hat die geringsten Funktionsreserven.
Schnellste Operation bei akuten Situationen.
Risikofaktoren erkennen und präoperativ beseitigen.
1.2.3 Operabilität 1.2.3.1 Allgemeine Operabilität, Operationstoleranz Operabilität. Die individuelle Operabilität mit der Maxime, eine Operation geheilt oder gebessert zu überstehen, wird durch die Faktoren der allgemeinen und lokalen Operabilität bestimmt. Die Beurteilung obliegt in der Gesamtschau der Kriterien unter Berücksichtigung aller relevanter, auch nichtchirurgischer Gesichtspunkte letztlich dem Chirurgen, der die Verantwortung für Indikation, Planung und Durchführung des Eingriffs tragen muß: Nicht alles machbare ist sinnvoll! Jeder Eingriff setzt die entsprechende Toleranz von seiten des Kranken voraus, definiert als die individuelle Fähigkeit, einen Eingriff mit allen körperlichen und seelischen Folgen überstehen zu können. In die Beurteilung gehen verschiedene Gesichtspunkte ein. Unter dem Allgemeinzustand wird das gesamte körperliche und geistig-seelische Leistungsvermögen zusammengefaßt, einschließlich Motivation und Kooperationsfähigkeit. Objektive Daten gepaart mit Erfahrung und Einfühlungsvermögen des Arztes lassen einen Gesamteindruck von dem Kranken entstehen. Das Alter (s.a. Kapitel 24, S.214) beeinflußt die vorhandenen Leistungsreserven, die im frühen Erwachsenenalter am größten sind und beim Greis so reduziert werden, daß das Leben auch ohne Erkrankungen mit einem Alter von etwa 90-110 Jahren endet (Eigler). Aber auch Frühgeborene, Säuglinge und Kinder sind in ihren Leistungsreserven eingeschränkt. Entscheidend ist jedoch das biologische, nicht das chronologische Alter. Die Chirurgie im hohen Lebensalter hat die geringen Funktionsreserven, eine Multimorbidität, atypische Symptomatik, verminderte psychische Anpassungsfähigkeit und ggf. die soziale Isolierung zu beachten. Der innerlich müde, alte Patient ohne Zukunftsperspektive bringt vielfach nicht die Kraft auf, größere Belastungen durchzustehen. Die höhere Letalität im Alter ist z.T. aber auch durch schwerere Krankheitsbilder, zu späte Diagnose und durch Begleiterkrankungen bedingt. Bei akuten Situationen soll so früh wie möglich operiert werden, andernfalls kann die Zeit bis zur Operation durch intensive Vorbehandlung genutzt werden. Wichtig ist eine definitive Versorgung (Vermeidung von Zweiteingriffen) unter weitgehender Erhaltung der körperlichen Integrität. Amputationen, Ernährungsfistel oder Anus praeter naturalis sind möglichst zu vermeiden. Um diese Ziele zu erreichen, sind prinzipiell aber auch große Eingriffe (Gastrektomie) nicht auszuschließen. Ausgesprochene Risikofaktoren sind reversible oder irreversible Begleitkrankheiten von Organsystemen, die möglichst präoperativ beseitigt oder gebessert werden sollten: • Herz-Kreislauf: KHK, Myokardinfarkt, Rhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Hypertonus; Zerebralsklerose, Apoplexie; Venenthrombose, frühere Lungenembolie, Blutgerinnungsstörungen. • Atemwege: obstruktive und restriktive Lungenfunktionsstörung, Asthma bronchiale, Atemweginfekte. • Niere: Niereninsuffizienz, Harnabflußstörungen. • Stoffwechsel, Endokrinium: Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Nebenniereninsuffizienz, Störungen der Leberfunktion, Adipositas, Kachexie.
Die Indikation muß ferner berücksichtigen: - frühere Operationen - Allergien - Anfallsleiden - Alkoholabusus - Gravidität - Medikamente
Anämien, Störungen des Wasser-Elektrolyt-Haushaltes und Hypoproteinämien erfordern entsprechende Substitution. (Infektiöse) Hauterkrankungen im Operationsgebiet schließen eine Elektivoperation aus. Darüber hinaus können weitere Faktoren die Indikation oder den Zeitpunkt einer Operation beeinflussen: frühere Operationen, Allergien, Anfallsleiden, Alkoholabusus (Gefahr eines Delirium tremens), Gravidität und Medikationen mit Antikoagulanzien, Cortison, oralen Kontrazeptiva u.a. In die Überlegung miteinzubeziehen sind aber auch operativ zu erzielende vitale Funktionsverbesserungen (Beseitigung einer Trachealstenose durch Strumaresektion).
123
Indikationen 1.2.3.2 Lokale Operabilität Die lokale Operabilität wird generell von der Lokalisation und der Art des Prozesses, dem histologischen Befund, dem Krankheitsstadium, dem Bezug zu Nachbarorganen und eingetretenen Komplikationen bestimmt. Sie ist insbesondere bei Tumoren von Bedeutung und von Tumorsitz und -große sowie von der Einbeziehung der Nachbarorgane abhängig. Tumorausmauerung des kleinen Beckens bei Rektumkarzinomen bedeutet lokale Inoperabilität, während Lungenmetastasen bei einem kleinen Magenkarzinom prognostische Inoperabilität signalisieren. Dementsprechend ist bei malignen Tumoren zwischen kurativen (Ausrottung des Tumors) und palliativen (Verkleinerung des Timors, Beseitigung von bedrohlichen Komplikationen) Operationen zu differenzieren. Vielfach ist die Operabilität erst im Verlaufe der Operation zu klären. Die Zumutbarkeit eines Eingriffs ergibt sich aus der Korrelation von den Zielen und den kalkulierbaren Folgen der Operation. Maligne Tumoren z.B. rechtfertigen größere Funktionseinbußen und Risiken als gutartige Leiden. Stehen für eine Erkrankung alternative Operationsverfahren (Gastrektomie oder palliative Gastroenterostomie, Rektumexstirpation oder lokale Tumorexzision, Osteosynthese oder konservative Frakturbehandlung) zur Verfügung, so muß die Auswahl unter Berücksichtigung der genannten allgemeinen Faktoren, der Radikalitätskriterien der Tumorchirurgie und funktioneller Aspekte getroffen werden. Schwierig ist die Indikationsstellung zur Ausweitung einer Operation bei intraoperativem Nachweis bisher nicht bekannter pathologischer Befunde. Hier ergeben sich aus der fehlenden Einwilligung insbesondere rechtliche Probleme. Die Entscheidung sollte sich an dem Grundsatz des „Nil nocere" orientieren und von Fall zu Fall mehr medizinische oder mehr rechtliche Aspekte berücksichtigen.
Beurteilung der lokalen Operabilität. Besonders wichtig bei malignen Tumoren.
Bei alternativen Op.-Verfahren erfolgt die Auswahl unter Berücksichtigung von - allgemeinen Aspekten - Radikalitätskriterien (Tumor) - funktionellen Aspekten Besondere rechtliche Probleme bei intraoperativer Diagnosestellung.
1.2.4 Operationsindikation in der Gravidität
Operation und Gravidität
Die Gravidität stellt einen physiologischen Ausnahmezustand dar mit Besonderheiten in der Diagnostik und Therapie chirurgischer Krankheitsbilder. Die Operationsindikation orientiert sich an dem Grundsatz, nicht dringliche Operationen auf einen Zeitpunkt nach der Entbindung bzw. dem Wochenbett zu verschieben. Akute Erkrankungen (Appendizitis, Verschlußikterus, akute Blutung, Ileus etc.) dulden dagegen keinen Aufschub. Malignóme sind in der Gravidität äußerst selten. Die Operationsindikation ist in Abhängigkeit von Befund und Schwangerschaftsstadium individuell, aber grundsätzlich nach den allgemeinen Richtlinien der Tumorchirurgie zu stellen. Das Risiko eines Abortes oder einer Interruptio ist einzukalkulieren. Thoraxchirurgische Erkrankungen werden nach den gleichen Gesichtspunkten beurteilt, eine Indikation zur Beendigung der Gravidität ergibt sich grundsätzlich aber nicht.
Grundsatz:
1.2.5 Indikationsformen
Indikationsformen
Verschiedene Indikationsformen sind zu unterscheiden, wobei die Übergänge fließend und von Fall zu Fall unterschiedliche Bewertungen möglich sind. Absolute Indikation: Die Erkrankung führt ohne Operation früher oder später zum Tode oder zu anderweitig nicht beherrschbaren wesentlichen Funktionsausfällen. Es gibt keine alternative Therapie. Eine vitale Indikation verlangt die sofortige Operation, bei der dringlichen Indikation ist ein Aufschub von Stunden in der Regel möglich. Beispiele: maligne Tumoren, massive Blutungen, Organrupturen, Perforationen, AVK Stadium III/IV, akuter Bandscheibenvorfall, therapieresistente Schmerzen. Relative Indikation: Alle übrigen Indikationen. Im allgemeinen ist aber zu fordern, daß das Risiko quoad vitam oder quoad functionem ohne Operation größer ist als mit Operation bzw. daß die Lebenserwartung oder die Lebensqualität durch die Operation verbessert werden. Die Relativierung kann sich ergeben aus der Erkrankung selbst, der Größe und Art der Operation mit ihren Folgen, den prävalenten Risikofaktoren, alternativen The-
Op. auf Zeitpunkt nach Wochenbett verschieben, falls möglich. Akute Erkrankungen (Appendizitis, Ileus, Verschlußikterus etc.) sofort operieren. Malignome (selten) nach den Richtlinien der Tumorchirurgie behandeln.
absolute Indikation,
relative Indikation,
124
diagnostische Indikation, prophylaktische Indikation,
psycho-soziale Indikation,
forensische Indikation.
15. Indikationen und Kontraindikationen des operativen Eingriffs rapiemöglichkeiten, der sozialen Situation und u. U. den örtlichen chirurgischen Gegebenheiten. Beispiele: Cholelithiasis, Hernien, AVK Stadium II. Diagnostische Indikation: Zur Erkennung oder Sicherung der Diagnose. Die Relation von Nutzen und Risiko ist besonders zu beachten. Beispiele: Gewebebiopsie. Mediastinoskopie, Aortographie. Prophylaktische Indikation: Zur Vermeidung von späteren Erkrankungen sowie von Komplikationen bei anderen Operationen. Beispiele: Operation von A.-carotis-Stenosen vor Eingriffen z. B. an der Aorta, Herdsanierung vor Herzklappenersatz, Abtragung eines Meckel-Divertikels bei der Appendektomie. Psycho-soziale Indikation: Bei Erkrankungen mit medizinisch relativer Operationsindikation können gewisse psychische oder soziale Gegebenheiten (körperliche Entstellungen mit seelischer Belastung, berufliche Faktoren, pflegerische Gegebenheiten etc.) unter Umständen Argumente für eine Operation oder ein bestimmtes Operationsverfahren liefern. Beispiele: Viele plastische Operationen, Reduktions- und Aufbauplastiken, Amputation bei Gelenkskontraktur, Anus preater-Anlage bei Analinkontinenz etc.. Der Übergang zu einer ausschließlich kosmetischen Indikation kann fließend sein. Forensische Indikation: Zur Beweissicherung bei Straftaten. Beispiele: Blutentnahme zur Alkoholprobe bei Unfällen (wenn keine medizinischen Gründe dagegen sprechen).
Operationszeitpunkt, Prognose
1.2.6 Operationszeitpunkt, Prognose, ambulante Operation, alternative Verfahren
Zeitpunkt: Entscheidung über: - Notoperation (sofort) - dringliche Operation - Elektivoperation
Zeitpunkt: Wichtig ist die Entscheidung, ob ein Eingriff sofort als Notfalloperation (Aneurysmaruptur, Magenperforation, Spannungspneumothorax, Hodentorsion), dringlich, d.h. innerhalb von Stunden nach gewisser Vorbereitung (Ileus, offene Frakturen) oder zum Zeitpunkt der Wahl als Elektiveingriff {Leistenhernie, Cholelithiasis) erfolgen kann oder muß. Diese Frage ist bei jeder Neuaufnahme sofort zu klären. Die Grenze zwischen sofortiger und dringlicher Operationsindikation kann bei einzelnen Krankheitsbildern aber durchaus fließend sein (akute periphere Gefäßverschlüsse, Bandscheibenvorfall, intrakranielle Hämatome, septische Prozesse, Gallenblasenempyem etc.). Jede Verzögerung einer Notoperation (auch durch wünschenswerte weitergehende Diagnostik) ist lebensbedrohlich, andererseits ist das Letalitätsrisiko der Notoperation wesentlich höher als das der Elektivoperation. Prognose: In die Überlegungen zur Operationsindikation ist die Prognose der Erkrankung miteinzubeziehen. Mit der Prognose wird die Vorhersage des voraussichtlichen Krankheitsablaufes bezeichnet (gut, zweifelhaft, schlecht, infaust). Sie ergibt sich aus der Summe unseres Wissens über eine Krankheit, ihre Eigengesetzlichkeit und Therapiemöglichkeiten. Zu unterscheiden ist die Prognose quoad vitam, quoad valetudinem oder quoad restitutionem (bezogen auf das Leben, die Gesundung oder die Wiederherstellung). Dabei sind sowohl der Spontan verlauf &iner Erkrankung als auch mögliche Verlaufsänderungen durch die Operation oder andere Therapieformen einschließlich der Operationsletalität und der zu erwartenden Funktionsausfälle (Lebensqualität) zu berücksichtigen. Außerdem ist die individuelle Lebenserwartung nicht zu vernachlässigen. Lebenserhalt ist in der Regel höher zu bewerten als Funktionserhalt.
Prognose trägt zur Op.-Indikation bei. Definition: Vorhersage des voraussichtlichen Krankheitsablaufs (gut, infaust). Zu berücksichtigen sind der Spontanverlauf, Verlaufsänderungen durch die Operation und die möglichen Funktionsausfälle. Lebenserhalt wichtiger als Funktionserhalt.
Ambulante Operationen - gleiche Erfolgsaussichten wie stationär - qualifizierte ärztliche und pflegerische Versorgung - eingeschränkte Indikationen - frühzeitige Aufklärung
Indikationen bei ambulanten Operationen. Wird eine Operation ambulant (Praxis, Klinik) oder tageschirurgisch (ambulante Chirurgie unter stationären Bedingungen) durchgeführt, darf dies nicht zu geringeren Erfolgsaussichten bzw. erhöhtem Risiko führen. Der Operateur muß sich vergewissern, daß die ärztliche und pflegerische Versorgung qualifiziert gesichert ist. Die Indikationen für diese Eingriffe sind durch viele Umstände, insbesondere durch die jeweilige Erkrankung selbst bzw. die vorgesehene Operation (z. B. lange Operationszeit) begrenzt. Aber auch bestimmte Altersgruppen (Frühgeborene, Greise), ein ungeeignetes familiäres Umfeld (fehlende kontinuierliche postoperative Betreuung), weite Distanz zwischen Wohnort und
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Kontraindikationen Operationsort (z. B. über 50 km) und fehlende Verständigungsmöglichkeiten bzw. Sprachkenntnisse schließen einen ambulanten Eingriff aus. Die Aufklärung im Rahmen der ambulanten Chirurgie sollte frühzeitig und nicht erst am Operationstag erfolgen und durch Informationsmaterial unterstützt werden. Juristische Unsicherheiten bestehen noch darüber, inwieweit der Operateur für die Nachbetreuung verantwortlich ist. Alternative Behandlungsverfahren. Vor einer Operation ist zu prüfen, ob es alternative Behandlungsverfahren mit besseren oder gleich guten Ergebnissen bei geringerem Risiko gibt. Beispiele: medikamentöse Behandlung (Lungentuberkulose, Ulcus duodeni), funktionelle Behandlung (subkapitale Humerusfraktur), Kryotherapie (Prostatakarzinom), Strahlentherapie (metastasierendes Bronchialkarzinom), Zytostatika (lymphatische Systemerkrankungen). In bestimmten Fällen stellt der chirurgische Eingriff nur einen Baustein eines ganzen Therapiekonzeptes dar. So machen bestimmte Krankheiten neben der Operation noch den zusätzlichen Einsatz der Strahlentherapie oder der Chemotherapie erforderlich (obligate Nachbestrahlung des Mammakarzinoms bei eingeschränkter Operationsradikalität). Eine Tumorverkleinerung kann den Erfolg einer Zytostatikabehandlung begünstigen. In anderen Fällen wird eine Operation erst nach einer Vorbestrahlung möglich oder sinnvoll (inflammatorisches Mammakarzinom). Insbesondere bei Extremitäteneingriffen, Knochen- und Gelenkoperationen, sind die Möglichkeiten der Nachbehandlung (postoperative Bewegungstherapie und Rehabilitationsmaßnahmen einschließlich spezieller Übungsbehandlung, Ergotherapie etc.) zu berücksichtigen.
Alternative Behandlungsverfahren Prüfung alternativer Behandlungsverfahren mit geringerem Risiko.
Einbau der Operation in ein gesamtes Therapiekonzept, z. B. zusätzlich: - Strahlentherapie - Chemotherapie
Nachbehandlung
2. Kontraindikationen Absolute oder relative Kontraindikationen zur Op. ergeben sich prinzipiell aus dem Fehlen einer Operationsindikation:
Kontraindikationen zur Operation
• • • • • • • • • •
keine oder keine korrigierbare Krankheit, Fehlbildung etc., benigne Prozesse ohne objektive oder subjektive Symptomatik, gesicherte Inoperabilität (lokal, allgemein), Unsittlichkeit des gewünschten Eingriffs, Ablehnung der Operation durch den Patienten, keine Besserung durch die Operation zu erwarten, Folgen der Operation nachteiliger als die Erkrankung selbst, überhöhtes Operationsrisiko, Krankheitsverlauf wird durch andere Krankheiten bestimmt, reversible Begleitkrankheiten, deren Behandlung abgewartet werden kann (zeitlich begrenzte Kontraindikation), • bessere, ggf. auch kostengünstigere Therapiemöglichkeiten (konservative Verfahren, interventionelle Techniken), • bestimmte soziale Konstellation, • Fehlen der personellen oder technischen Voraussetzungen für den geplanten Eingriff (örtliche Kontraindikation).
Absolute Kontraindikationen schließen eine Operation grundsätzlich aus, z.B. moribunder Kranker, manifeste Herzinsuffizienz, komatöse oder Schockzustände (außer bei Fortbestehen der Schockursache) und nicht beherrschbare Gerinnungsstörungen. Relative Kontraindikationen beziehen sich jeweils auf bestimmte Eingriffe und gelten keineswegs für alle Operationen bzw. für jeden Zeitpunkt. Sie beziehen aber auch den Grad des perioperativen Risikos mit ein. Beispiel: Schwere Lungenfunktionsstörungen machen eine Pneumonektomie unmöglich, lassen eine Hernienoperation, Appendektomie etc. aber durchaus angezeigt sein. Die Indikationsstellung zur Operation gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Chirurgen. Sie setzt großes Wissen und reiche chirurgische Erfahrung voraus und bestimmt nicht selten über Leben und Gesundheit des Kranken. Nicht jeder Risikofaktor ist per se eine Kontraindikation, sollte aber Anlaß sein zu erhöhter Aufmerksamkeit und Sorgfalt.
Absolute Kontraindikation schließt die Operation aus.
Relative Kontraindikationen beziehen sich nur auf bestimmte Eingriffe.
16. Pathophysiologie des operativen Eingriffs R. Eisele
1. Metabolismus, Endokrinium, Vitamine Metaboiismus bei Trauma und Operation
1.1 Metabolismus bei Trauma und Operation
• Postoperative Krankheit oder • Postaggressionssyndrom Reaktion des Körpers bei Traumen oder großen Operationen im - endokrinen System - Stoffwechsel
Durch ein Trauma oder eine große Operation kommt es nicht nur zu örtlichen Veränderungen in der betroffenen Körperregion. Der Organismus reagiert insgesamt, insbesondere durch Veränderungen und Störungen im endokrinologischen System und im Stoffwechsel. Dies wird unter postoperative Krankheit oder Postaggressionssyndrom zusammengefaßt.
Man unterscheidet 4 Phasen
Nach F. D. Moore unterscheidet man die Phasen I-IV: Phase der Traumatisation, Wendepunkt, anabole Phase, Phase des Fettansatzes.
Für jede Phase typisch klinisches Bild und Veränderungen im Stoffwechsel-, Salz- und Wasserhaushalt.
Jede Phase ist durch ihr klinisches Erscheinungsbild und Veränderungen im Stoffwechsel, Salz- und Wasserhaushalt gekennzeichnet. Die Dauer hängt von der Schwere des Traumas und der Reaktionsbereitschaft des Patienten ab. Auslösende Faktoren für die postoperative Krankheit sind: afferente Impulse aus dem Operationsgebiet, Hypovolämie, Kreislaufinsuffizienz, Pharmaka (Narkose), Infektion, Sepsis, metabolische und respiratorische Störungen, emotionale Faktoren.
I. Phase der Traumatisation - Dauer 2-7 Tage. - katabole Stoffwechsellage! • klinische Zeichen
I. Phase der Traumatisation, Dauer 2-7 Tage, gekennzeichnet durch eine katabole Stoffwechsellage (negative Stickstoffbilanz).
• 3 pathophysiologische Veränderungen
Die Phase beinhaltet 3 pathophysiologische
1. Verlust an Zellmasse
(1) Verlust an Zellmasse: Lysis von Protoplasma und Protein mit Freisetzung von Proteinspaltprodukten und Enzymen, Übertritt von intrazellulärem Wasser und Elektrolyten in den Extrazellulärraum, erhöhte Kaliumverluste im traumatisierten Gebiet von intra- nach extrazellulär in Abhängigkeit von der Schwere des Traumas (100-300 mval in der ersten Woche). Folgen: • vermehrte Stickstoffausscheidung im Urin, vornehmlich als Harnstoff (15-25 g/die (250-415 mmol/die) während der ersten 2-3 Tage).
Folge: - vermehrte Stickstoffausscheidung im Urin
Klinik: Abgeschlagenheit, Müdigkeit, erhöhtes Schlafbedürfnis, Schmerz, Immobilisation, fehlende oder geringe Peristaltik, leicht erhöhte Temperatur und Pulsfrequenz. Veränderungen:
Besonders betroffen vom Proteinabbau ist die Muskulatur (dünne A r m e und Beine nach längerem Krankenlager). Der Stickstoff stammt vor allem aus dem Proteinabbau der Muskulatur (wobei die Muskelzellzahl offensichtlich nicht reduziert wird, d.h. die nicht traumatisierte Muskulatur behält ihre Integrität, sie nimmt jedoch vom Volumen her ab), bei schwerer Gewebetraumatisation auch unmittelbar aus dem betroffenen Gewebe,
- erhöhte Kaliumverluste im Urin
• erhöhte Kaliumverluste im Urin. Die negative Stickstoffbilanz und der Kaliumverlust im Urin sind sowohl Ausdruck der katabolen Stoffwechsellage als auch Folge der Gewebetraumatisation (Zelluntergang).
2. Natrium- und Wasserretention
(2) Aufrechterhaltung des extrazellulären Volumens durch Natrium- und Wasserretention. Nach einem Trauma ist die Ausscheidung von NaCl, Bicar-
Metabolismus, Endokrinium, Vitamine bonat und Wasser im Urin reduziert, dadurch kann das meist reduzierte intravasale Volumen vom interstitiellen Raum aufgefüllt werden („transcapillary refilling"). (3) Wechsel des Energiesubstrats. Der Energiegewinn für muskuläre Kontraktionen (Herz-, Zwerchfell-, Atemmuskulatur, periphere muskuläre Aktivitäten) sowie zerebrale und viszerale Funktionen wird in Abhängigkeit von der Schwere des Traumas und besonders bei inadäquater exogener Energiezufuhr auf endogene Energiequellen umgestellt. Es werden Fettsäuren, die aus Triglyzeriden stammen, mobilisiert und verbrannt. Präformierte Kohlenhydrate werden oxidiert, Aminosäuren zu Carbohydraten verbrannt (Glukoneogenese). Hieraus resultiert die Ausscheidung von Stickstoff in Form von Harnstoff im Urin. • Kohlenhydrate: Vorräte sind gering und schnell verbraucht [Muskulatur 600 kcal ( = 2512 kJ), Leber 300 kcal ( = 1256 kj)]. Glykogenolyse und Glukoneogenese überschreiten bei Traumatisierten oft die Glukoseverwertung, dann werden Hyperglykämie und Glukosurie beobachtet. • Protein: Proteolyse bringt nur wenig Energie. Warum sie überhaupt abläuft, ist unklar. 1 g Stickstoff im Urin entspricht 20 kcal ( = 84 kJ) Energiegewinnung = 6,25 g Muskelprotein. Ein 70 kg schwerer Patient hat etwa 6 kg Muskelprotein, das entspricht 24000 kcal ( = 100480 k j ) . • Fett: Ist die effektivste Energiequelle. Abbau zu C 2 -Kcttcn. Fett kann leicht gespeichert und mobilisiert werden. 15 kg Triglyceride beim Erwachsenen entsprechen 142000 kcal ( = 594507 kJ). Mobilisation von Triglyceriden zur Energiegewinnung ist mit Zellysis und negativer Stickstoffbilanz verbunden. Nach schweren Traumen werden 300-500 g Fett pro Tag verbrannt, dies entspricht 2700-4500 kcal ( = 11304-18841 kJ). Dabei werden etwa 500 ml H z O freigesetzt.
Der Energiebedarf nach einer großen Operation beträgt 20002200 kcal/d (= 8374-9211 kJ) = 230 g/d Fett.
127
3. Wechsel des Energiesubstrats bei inadäquater exogener Energiezufuhr -> Umstellung auf endogene Energiequellen:
Kohlenhydrate: geringe Vorräte, schneller Verbrauch Protein: unbedeutende Energiegewinnung Fett: entscheidende Energiequelle
• postoperativer Energiebedarf!
4=
II. Phase des Wendepunktes. Klinik: Zunahme des Appetits, wiederkehrendes Interesse an der Umwelt, Darmmotilität setzt deutlich ein, Puls und Temperatur gehen auf Normalwerte zurück. Pathophysiologie: Urin- und Natriumausscheidung normalisieren sich, Stickstoffausscheidung geht stark zurück (3 g/die = 210 mol/die beim Erwachsenen).
Ii. Phase des Wendepunktes - Normalisierung von Na+- und Urinausscheidung - Rückgang der Stickstoffausscheidung - Zunahme von Appetit, Darmmotilität, allgemeinem Interesse
III. Anabole Phase, Dauer 3-10 Wochen. Klinik: Phase der Rekonvaleszenz. Gesteigerter Appetit, Wiederaufbau der Muskulatur. Pathophysiologie: Positive Stickstoffbilanz. Pro Tag werden 3-5 g (210360 mol) Stickstoff beim Erwachsenen aufgebaut, das entspricht 18-30 g Protein = 90-150 g Gewebe. Patient nimmt an Gewicht und körperlicher Kraft zu. Dabei minimaler Fettansatz. Verhältnis von 200 kcal (= 837 kJ)/ 1 g N bei oraler Zufuhr wird als optimal angesehen, gleichzeitiges Angebot von Aminosäuren und Kohlenhydraten! Am Ende der anabolen Phase ist Null-Bilanz erreicht, der Stickstoffanabolismus geht gegen Null, es beginnt der Fettansatz.
III. Anabole Phase - Dauer 3-10 Wochen - Rekonvaleszenz, Wiederaufbau der Muskulatur - positive Stickstoffbilanz - Zunahme an Kraft und Gewicht
IV. Phase des Fettansatzes dauert Tage bis Monate. Energiezufuhr ist größer als Bedarf, der jetzt in großem Maße von der körperlichen Arbeit abhängt. Fettansatz ist typisch bei traumatisierten Patienten mit langer Immobilisation (multiple Extremitätenfrakturen).
IV. Phase des Fettansatzes - Tage bis Monate - arbeitsabhängige Energiezufuhr - typischer Fettansatz
1.2 Endokrine Auswirkungen des Traumas
Endokrine Auswirkungen des Traumas
Erhöhter Kortikoid-Spiegel (Nebennierenrinde): Kortisol-Stimulus: ACTH, aus der Hypophyse, Information dorthin auf nervalem (z. B. afferente Impulse aus dem Operationsgebiet) und humoralem Wege. Wirkung: fördert Glukoneogenese, erhöht Glukosekonzentration im Blut, steigert Glykogenabbau in der Leber.
Kortikoide - Kortisol Î
16. Pathophysiologic des operativen Eingriffs
128 - Aldosteron t
- Bedeutung
(Catecholamine Wirkung: 1. Stoffwechsel: Stimulation 2. Kreislauf: -Adrenalin: H Z V t Herzfrequenz T - Noradrenalin: periph. Widerstand T Herzfrequenz reflektorisch i Antidiuretisches Hormon
Wirkung: 1. Wasserretention durch Niere T Hyponatriämie, 2. Vasokonstriktion am arteriellen Schenkel des Splanchnikusgebietes, evtl. Serumdilution. Glukagon T Insulin T auch Blutzuckert Utilisation -l TSH unverändert - Thyroxin, Trijodthyronin im Serum t Somatotropes Hormon T Erythropoetin - Wirkung: Stimulation der Erythrozytenbildung. Geschlechtshormone - Libidoverlust - unregelmäßige Periode
Aldosteron: mäßig bis stark erhöht. Geht nach wenigen Tagen auf Normalwerte zurück. Stimulus: ACTH, Volumenreduktion (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System); erhöhte Kalium-Konzentration (Folge von Gewebetraumatisierung und Relaxanzien). Wirkung: Vermehrte Wasser- und Natriumretention, Kalium wird im Austausch im Urin ausgeschieden. Glukokortikoide und Aldosteron sind nach Traumen oft von vitaler Bedeutung, insbesondere für die Volumenkonstanthaltung und die Wirksamkeit von Katecholaminen. Bei präexistierenden Lebererkrankungen kann wegen mangelnder Inaktivierung von Aldosteron der Hyperaldosteronismus noch akzentuiert werden. Katecholamie: Adrenalin und Noradrenalin werden im Nebennierenmark produziert, Noradrenalin zusätzlich an den Nervenendungen der postganglionären Fasern des Sympathikus. Stimulus: Volumendefizit, Gewebetrauma, Hypoxie, Hyperkapnie, Anämie, Hypoglykämie, Schmerz, psychische Faktoren. Wirkung: auf den Stoffwechsel: Stimulation von Grundumsatz, Blutzucker, Fettsäuren; auf den Kreislauf: Adrenalin steigert Herzfrequenz und HZV. Noradrenalin erhöht peripheren Widerstand, dadurch reflektorische Senkung der Herzfrequenz. Antidiuretisches Hormon (ADH, Vasopressin), aus dem Hypophysenhinterlappen, ist intra- und postoperativ meist erhöht. Stimulus: Volumendefizit und Hyperosmolalität, auch durch das Trauma per se. Wirkung: erhöhte Wasserretention durch die Niere; in Kombination mit iatrogenen Maßnahmen (NaCl-freie Infusionen) kann es postoperativ zu erheblichen Hyponatriämien kommen; Vasokonstriktion am arteriellen Schenkel des Splanchnikusgebietes. Bei inadäquatem Abbau des ADH in der Leber kann es insbesondere unter Infusionstherapie zur Serumdilution kommen. Glukagon: ist postoperativ erhöht, möglicherweise Folge der erhöhten Katecholamin-Konzentration. Insulin: ist besonders früh postoperativ erhöht, trotzdem ist Blutzuckerspiegel ebenfalls erhöht. Utilisation von Glucose ist vermindert. Der Grund dafür ist unklar, möglicherweise Wirkung von Glukagon, Steroiden, STH und Katecholaminen. Thyreoidea stimulierendes Hormon (TSH): nach Traumen in keiner gerichteten Weise verändert. Thyroxin und Trijodthyronin sind im Serum z.T. erhöht, da hormonbindendes Präalbumin im Serum abfällt und dadurch Hormon frei wird. Somatotropes Hormon (STH): nach Traumen erhöht. Stimulus: afferente Impulse aus dem Operationsgebiet, Hypoglykämie. Wirkung: fördert Glukoneogenese, Mobilisation von Fett. Erythropoetin: in der Niere gebildet. Stimulus: Anämie, 0 2 -Abfall. Wirkung: stimuliert Erythrozytenbildung. Klinisch: Retikulozytenzunahme, erhöhte EisenresorptiGeschlechtshormone: Posttraumatisch besteht erniedrigte Androgenizität. Libidoverlust bei Frau und Mann, bei Frauen Unregelmäßigkeit der Periode.
Vitamine und ihre Bedeutung in der Chirurgie
1.3 Vitamine in der Chirurgie
Vitamin A • Mangel bei Resorptionsstörungen.
Vitamin A: Wichtig für die Ausbildung normaler epithelialer Gewebe und Bildung des Sehpurpurs. Kommt vor in Pflanzen (als Provitamin), in Leber, Milch, Butter, Eier, laglicher Bedarf 4000-50001. E. beim Erwachsenen. Zeit, bis Mangelerscheinungen auftreten, hängt von der Vorbeladung der Leber ab. Vorrat ist in der Regel für Monate ausreichend. Ursachen: intestinale Resorptionsstörungen, selten Lebererkrankungen. Mangelsymptome: verminderte Dunkeladaptation, Hyperkeratose, Störung der Steroidsynthese. Krankheitsbilder: Morbus Crohn und Krankheiten mit Steatorrhoe, z.B. Pankreasinsuffizienz. Vitamin A wird dann nicht resorbiert.
Symptome: Dunkeladaptation I , Hyperkeratose, Störung der Steroidsynthese
Metabolismus, Endokrinium, Vitamine Vitamin B: • B, (Thiamin) kommt vor in Fruchthüllen und Keimen von Getreidesorten, Kartoffel, Schweinefleisch und Leber. laglicher Bedarf 1,2-1,5 mg, Speicher reicht nur etwa 2 Wochen. Bei Schwangerschaft, Hyperthyreose und Fieber besteht erhöhter Bedarf. Funktion: Als Coenzym von Fermenten im Intermediärstoffwechsel. Ursache für Mangel: ausgedehnte Darmresektion, verhindert Resorption des Vitamins. Längerfristige parenterale Ernährung ohne Vit.B r Zusatz. Mangelsymptome: Funktionsstörung in Geweben mit hoher Kohlenhydratoxidation (Nerven- und Muskelgewebe) -> periphere Polyneuritiden, Parästhesien, Reflexausfälle, Muskelkoordinationsstörung, Herzinsuffizienz, Magen- und Darmatonie. • Vitamin B 2 (Riboflavin), kommt vor in Getreidekeimen, Gemüse, Hefe, Leber, Ei, Milch, Fleisch, Fisch. Täglicher Bedarf 1,5-2 mg, erhöhter Bedarf während der Schwangerschaft und Laktation. Ist Koenzym (Flavoproteide). Resorption im oberen Dünndarm, kommt als isolierte Störung nicht vor. Mangelsymptome: hyperplastische Veränderungen der Haut. Klinische Krankheitsbilder: nach proximaler Dünndarmresektion, Magenresektion, bei Pankreasinsuffizienz. • Vitamin Bu, Depot in der Leber reicht für 4-5 Jahre. laglicher Bedarf 1 5 ^ig. Applikation bei Mangel: 150-200 |xg i. m. pro Monat. Ursachen für Mangel: fehlende Zufuhr (extrinsic factor), fehlender intrinsic factor nach Entfernung der Parietalzellen des Magens, fehlende Resorption (distales Ileum). Symptome: perniziöse Anämie, funikuläre Erkrankungen. Klinische Beispiele: fehlender intrinsic factor nach Resektion im Fundusbereich des Magens, Magenresektion, Gastrektomie, Magenschleimhautatrophie, fehlende Resorption: distale Ileumresektion, z.B. Morbus Crohn, Syndrom der blinden Schlinge nach Magenresektion, Dünndarmdivertikel (B 12 -intrinsic-Komplex kann durch Bakterieneinwirkung nicht an Darmmukosa fixiert werden). Vitamin C: ist Redoxkörper, täglicher Bedarf 30-50 mg. Hat Bedeutung bei Hormonsynthese, ist wichtig für Bildung von Kollagen und interzellulärer Grundsubstanz. Mangel: Skorbut, Müdigkeit, Schwäche, Infektanfälligkeit, Gelenkbeschwerden, hämorrhagische Diathese. Symptome treten erst nach monatelangem Vitamin-C-Mangel auf, kommt kaum vor, evtl. nach langem Tumorleiden. Wundheilungsstörungen durch Vitamin-C-Mangel können nicht sicher belegt werden. Vitamin D : Vitamin D 3 in Hühnerei, Milch, Butter. Vitamin D 2 ist UV-Bestrahlungsprodukt des Ergosterins. Täglicher Bedarf 10001. E. D 3 . Ermöglicht Resorption von Kalzium im Duodenum und oberen Jejunum. Mangelsymptome: durch verminderte Kalziumresorption Rachitis, beim Erwachsenen spielt Vitamin-D-Mangel eine Rolle bei der Osteomalazie. Klinische Beispiele: Alle Krankheitsbilder, die Steatorrhoe bedingen, können zum Vitamin-D-Mangel führen (fettlösliches Vitamin). Spätfolge nach Magenresektion (Gastrojejunostomie), häufiger nach Gastrektomie, bei gestörter Fettverdauung. Vitamin K : Kx aus Gemüse und Pflanzen, auch synthetisierbar. K2 im Darm des Menschen durch E. coli synthetisiert. Dosis 1 mg/die. Ist nötig für Synthese von Blutgerinnungsfaktoren in der Leber, kann durch Dicumarole aus Fermentkomplex verdrängt werden. Störungen: Resorptionsstörung des fettlöslichen Vitamins bei biliärer Verschlußkrankheit und Malabsorption, z. B. Morbus Crohn, Sprue. Überdosierung von Cumarinen, z.B. bei Langzeittherapie von „Gefäßpatienten", verlängerte Gerinnungszeit kann nur durch K, normalisiert werden.
129 Vitamin B • B,: Mangelsymptome: - Funktionsstörung im Nerven- und Muskelgewebe - Herzinsuffizienz - Magen- und Darmatonie
B2: Mangelsymptome: Veränderungen der Haut nach Dünndarm resektion Magenresektion Pankreasinsuffizienz
B 12 : Mangelsymptome: perniziöse Anämie funikuläre Erkrankungen
Vitamin C Mangel: - Skorbut - Müdigkeit - Schwäche - Infektanfälligkeit - Gelenkbeschwerden - hämorrhagische Diathese Vitamin D Mangel: - Rachitis - Osteomalazie Auftreten nach - Magenresektion - Gastrektomie - gestörte Fettverdauung
Vitamin K Störungen nach: - biliärer Verschlußkrankheit - Malabsorption - M. Crohn - Sprue - Cumarinüberdosierung
130
16. Pathophysiologic des operativen Eingriffs
2. Säure-Basen-, Wasser-Elektrolyt-Haushalt Säure-Basen-Haushalt (SBH)
2.1 S ä u r e - B a s e n - H a u s h a l t (SBH) Funktion: pH-Wert soll bei exogener und endogener Zufuhr von sauren und basischen Valenzen im Normbereich gehalten werden.
pH-Wert soll im Normbereich gehalten werden Henderson-Hasselbalch-Gleichung.
Henderson-Hasselbalch-Gleichung:
Mechanismen des SBH: • Puffersystem, • Respiratorische Regulation, • Renale Regulation. Wichtigster Puffer Bicarbonatpuffer (> 50%)
Mechanismen des Säure-Basen-Haushalts (1) Puffersysteme: Bicarbonatpuffer im Plasma 35 % Bicarbonatpuffer in Erythrozyten 18 % Plasmaprotein-Puffer 7% Hämoglobin-Puffer 35 % Phosphat-Puffer 5% (2) Respiratorische Regulation und (3) renale Regulation.
• respiratorische Regulationsmechanismen - Hypo-, Hyperventilation - schnelle Reaktion • renale Regulationsmechanismen - H + -Abgabe, HC0 3 -Retention - wirkt l a n g s a m
Definitionen
Dekompensation: pH pathologisch - pH < 7,36 - pH > 7,44 Respiratorische Störungen beruhen auf Störungen der C O z - A b g a b e .
Metabolische Störungen beruhen auf - zu h o h e m A n g e b o t oder - verminderter A b g a b e v o n nicht flüchtigen Säuren metabolische Azidose, - auf pathologischem Verlust saurer Valenzen - » m e t a b o l i s c h e Alkalose Puffersystem Maßstab: Standardbicarbonat. A b w e i c h u n g des Puffers v o n der N o r m -> Basenexzess (BE) Bei - Verminderung des Standardbicarbonats Basendefizit - E r h ö h u n g des Standardbicarbonats -> Basenerhöhung
pH = 6, i + l o g - E i ^ L _ J h c c v l H2C03]
0,03xPaC02
Quantitativ wichtigster Puffer im Extrazellulärraum (EZR) ist der Bicarbonatpuffer (> 50 %). Die respiratorische Regulation erfolgt über die Änderung des PaC0 2 durch Änderung der alveolären Ventilation. Kann kurzfristig eingesetzt werden. Hypoventilation = Erhöhung des PaC0 2 , > 44 mmHg (5.9 kPa). Hyperventilation = Senkung des PaC0 2 , < 36 mmHg (4.8 kPa). Die renale Regulation wirkt über die Abgabe von H + oder Retention von HCOj . Benötigt Stunden, um wirksam zu werden. Normalwerte im arteriellen Blut: pH 7,40 (7,36-7,44) PaC0 2 mmHg 40 (36-40) (4.8-5.9 kPa) Standardbicarbonat mval/1 24 (22-26) (22-26 mmol/1) Azidose: Überschuß an sauren Valenzen, pH < 7,36. Alkalose: Überschuß an basischen Valenzen, pH > 7,44. Kompensierte Alkalose oder Azidose: Verschiebung von Zähler und Nenner in der Henderson-Hasselbalch-Gleichung ohne pathologische pH-Änderung durch kompensatorische Änderung von Nenner oder Zähler. Dekompensation: pH befindet sich im pathologischen Bereich, da nach Änderung der Säure- oder Basenkonzentration die Kapazität des Kompensationsmechanismus überschritten wurde: dekompensierte Azidose oder Alkalose. Respiratorische Störungen beruhen auf Störung der CO z -Abgabe. Erhöhte C0 2 -Abgabe = Hyperventilation führt zur respiratorischen Alkalose. Verminderte, inadäquate C0 2 -Abgabe = Hypoventilation führt zur respiratorischen Azidose. Metabolische Azidose beruht auf zu hohem Angebot (z. B. Kreislaufinsuffizienz) oder verminderter Abgabe (renal) nicht flüchtiger Säuren; metabolische Alkalose: Verlust saurer Valenzen (z. B. Magensaft). Puffersystem: wird bei Anhäufung nicht flüchtiger Säuren beansprucht. Maßstab für die Pufferkapazität ist das Standardbicarbonat. Standardbicarbonat: Bicarbonatkonzentration des arteriellen Plasmas (mval/1) (mmol/1) unter Standardbedingungen (PaC0 2 40 mmHg (5.3 kPa), 37 °C (310°K), Vollsättigung des Blutes). Abweichung: Basenüberschuß (base excess, BE). Das Standardbikarbonat kann - vermindert sein (negativer BE = Basendefizit) nach Pufferung nicht flüchtiger Säuren (metabolisch), nach kompensatorischer Verminderung bei primärer respiratorischer Alkalose; - erhöht sein (positiver BE = Basenerhöhung) bei Verlust saurer Valenzen (z.B. Magenausgangsstenose), nach kompensatorischer Erhöhung bei primärer respiratorischer Azidose.
Säure-Basen-, Wasser-Elektrolyt-Haushalt Störungen des Säure-Basen-Stoffwechsels • Respiratorische Azidose: Alveoläre Hypoventilation führt zu verminderter C0 2 -Abgabe, PaC0 2 > 44 mmHg (5.9 kPa). Kompensationsmechanismus: Anstieg der Bicarbonatkonzentration (vermehrte renale Rückresorption) Ursachen: zentrale Atemdepression (Morphin, erhöhter Hirndruck, Narkoseüberhang), periphere Atemstörung (z.B. Trachealkompression), Rippenfraktur, Pneumothorax, restriktive und obstruktive Lungenerkrankung, Respiratorbehandlung (inadäquate Beatmung). Therapie: primär Respiratorbehandlung, Substanzen, die Atemzentrum stimulieren, können in Grenzfällen zur Anwendung kommen. • Metabolische Azidose: Gesteigerte Produktion oder verminderte Exkretion saurer Valenzen beansprucht Pufferkapazität, dadurch negativer BE Kompensationsmechanismus: primär Senkung des PaCO z durch Hyperventilation, sekundär vermehrte renale Elimination saurer Valenzen. Ursache: gesteigerte Säureproduktion (Kreislaufinsuffizienz, Laktazidose bei Septikämie, dekompensierter Diabetes mellitus), verminderte renale Elimination (Niereninsuffizienz, renale tubuläre Azidose), Zuckerverwertungsstörung. Enteraler Verlust von Bicarbonat (Fisteln, Drainagen) exogene Zufuhr (z. B. Salicylatvergiftung). Therapie: Beseitigung der Ursache, bei starker persistierender metabolischer Azidose i.v. Zufuhr von NaHC0 3 oder THAM. Zunächst sollte nur etwa die Hälfte der errechneten Menge verabfolgt werden. Nach nochmaliger Laborkontrolle muß dann entschieden werden, ob weitere Gabe von Puffern nötig ist. Errechnetes Defizit: a) NaHC0 3 : - BE x 0,3 x kg Körpergewicht = ml molare Lösung (= 8,4 %ig).
131 Störungen des Säure-Basen-Stoffwechsels 1. Respiratorische Azidose Ursachen: - Atemstörung - Rippenfraktur, Pneumothorax - Lungenerkrankung - Respiratorbehandlung Kompensationsmechanismen: • Hyperventilation (C0 2 ¿) • renale Elimination saurer Valenzen 2. Metabolische Azidose Ursachen: - gesteigerte Säureproduktion - verminderte renale Elimination - enteraler Verlust von Bicarbonat
Therapie - Ursache beseitigen - i.v. Zufuhr von NaHC0 3 oder T H A M
Praxishinweis: NaHC0 3 -Lösung darf in unverdünnter Form nur über zentralvenöse Katheter langsam infundiert werden. b) THAM: - BE x kg Körpergewicht = ml THAM-Lösung. Der Faktor 0,3 entfällt, da THAM als '/ 3 molare Lösung vorliegt. THAM wird gegeben, wenn NaHC0 3 wegen Hypernatriämie oder Hyperkapnie nicht verabreicht werden kann. Bei schneller THAM-Infusion besteht Gefahr des Atemstillstands. • Respiratorische Alkalose: Alveoläre Hyperventilation führt zur vermehrten C0 2 -Abatmung, PaC0 2 < 36 mHg (4.8 kPa). Kompensationsmechanismus: vermehrte renale Bikarbonatelimination Ursachen: vegetativ (Hyperventilationstetanie), häufig Frühsymptome der Septikämie bzw. bakteriellen Peritonitis, zerebrale Störung (Atemzentrum). Therapie: Beseitigung der Ursache für die Hyperventilation. • Metabolische Alkalose: Vermehrter Verlust saurer Valenzen. Hypokaliämie mit H+-Verschiebung vom EZR in den IZR führt zur Verteilungsalkalose. Kompensationsmechanismus: primär Hypoventilation (PaC0 2 > 44 mmHg), (5.9 kPa), sekundär vermehrte renale Elimination von Bikarbonat. Ursachen: enterale Verluste (Magenausgangsstenose, -sonde postop.), vermehrte exogene Zufuhr von Basen (z.B. Überdosierung von Bicarbonat). Therapie: i. v. Zufuhr von Argininchlorid, Lysinchlorid oder NH4C1, falls zusätzliche Lebererkrankung, kann auch 0,1 molare HCl gegeben werden. Der häufig zusätzlich bestehende Kaliummangel muß ebenfalls behandelt werden. Berechnung: BE x 0,3 x kg Körpergewicht = x mval (mmol) HCl.
3. Respiratorische Alkalose Ursachen: - vegetativ - Frühsymptome der Septikämie - zerebrale Störung
4. Metabolische Alkalose Ursachen: - enterale Verluste
Therapie - i.v. Zufuhr von Argininchlorid, Lysinchlorid oder NH 4 CI, bei Lebererkrankung 0,1 molare HCl
132
16. Pathophysiologie des operativen Eingriffs
Wasser-Eiektroiyt-Haushait
2.2
Bei Störungen folgende Symptome: - Kreislaufinsuffizienz - Hypotonie - Ödeme
Funktion: A u f r e c h t e r h a l t u n g d e s Milieu i n t é r i e u r d u r c h R e g u l a t i o n v o n A u f n a h m e , V e r t e i l u n g u n d A u s s c h e i d u n g . D i e E i n z e l k o m p o n e n t e n sind i n s b e s o n d e r e H20, Natrium, Kalium, Säuren u n d Basen, Magnesium, Kalziumph.osph.at ( h a t i n s b e s o n d e r e B e z u g z u m e n d o k r i n e n System). Störungen: W e r d e n K o m p e n s a t i o n s m e c h a n i s m e n ü b e r s c h r i t t e n , k o m m t es zu k l i n i s c h e n S y m p t o m e n :
Wasser-Elektrolyt-Haushalt
• bei Gesamtwasserdefizit (Dehydratation) um 5 % des Körpergewichts (Kreislaufinsuffizienz), • bei Verlust an Extrazellulärflüssigkeit von 20 % des Extrazellulärvolumens (Kreislaufsymptome, Hypotonie), • bei Gesamtwasserüberschuß (Hyperhydratation —> Ödeme), • bei vermehrter Extrazellulärflüssigkeit um mehrere Liter treten Ödeme auf. Ursachen
U r s a c h e n für Störungen: • ü b e r s c h i e ß e n d e Flüssigkeitsabgabe: z. B. E r b r e c h e n , D u r c h f a l l , Polyurie bei N e u r o p a t h i e , o s m o t i s c h e D i u r e s e ( H y p e r g l y k ä m i e ) , h o hes Fieber, große Schweißverluste, • mangelhafte Flüssigkeitszufuhr: Drosselung der Ausfuhr kann mang e l h a f t e Z u f u h r nicht m e h r k o m p e n s i e r e n , • überschießende Flüssigkeitszufuhr: Ausscheidungsmechanismen w e r d e n a u f g r u n d d e r m a s s i v e n Z u f u h r ü b e r f o r d e r t (meist i a t r o g e n durch Infusionstherapie), • mangelhafte Flüssigkeitsabgabe und durch Kreislaufinsuffizienz, N e p h r o p a t h i e , selten d u r c h i n a d ä q u a t e A D H - S e k r e t i o n .
Körperzusammensetzung
Körperzusammensetzung (nach Geschlecht, Lebensalter, Körperzellmasse): Feste Substanzen 40-50% des KG Gesamtwasser 50-60% des KG Intrazellulärraum IZR 3 0 4 0 % des KG Extrazellulärraum E Z R 20 % des KG intravasal IVR 4 % des KG interstitiell ISR 16 % des KG.
Transzelluläre Flüssigkeit
Transzelluläre Flüssigkeit: Flüssigkeit in Körperhöhlen (Pleura, Peritoneum, Magen, Darm, Urogenitaltrakt). Dieses Flüssigkeitsvolumen ist normalerweise sehr gering.
Dritter R a u m - > Flüssigkeitssequestration im Gewebe. Ursache: Verbrennungen, Pankreatitis, Ileus, Pleuraerguß, Aszites.
Dritter Raum: entsteht unter pathologischen Bedingungen durch Flüssigkeitssequestration im Gewebe (Verbrennung, peritoneale Flüssigkeit bei akuter Pankreatitis, Darmwandödem bei Ileus) oder durch Flüssigkeitsansammlung in Körperhöhlen (Pleuraerguß, Aszites, Darmflüssigkeit bei Ileus). Flüssigkeit im Dritten Raum gehört zwar rechnerisch zum E Z R , ist jedoch funktionell nicht verfügbar.
Verteilung des Gesamtkörperwassers Osmolalität (mosm/kg) Osmolarität (mosm/l)
Verteilung des Gesamtkörperwassers auf die einzelnen Kompartimente erfolgt nach den osmotischen Gesetzen. Entscheidend ist die Anzahl der gelösten Teilchen: Osmolalität Konz/kg H 2 0 (mosm/kg), Osmolarität Konz/1 H 2 0 (mosm/l). Bestimmung der Osmolarität durch Gefrierpunktserniedrigung. Normalwert der Osmolalität im EZR: 280-310 mosm/kg
Isotonie
Isotone Hyperhydratation Isotone Dehydratation
Isotonie: Es liegt ein physiologisches Verhältnis von Wasserbestand und osmotisch aktiven Teilchen vor. Isotonie liegt demnach auch vor, wenn Wasserbestand und osmotisch wirksame Teilchen sich qualitativ und quantitativ gleichsinnig ändern. Natrium ist Hauptkation im EZR. Solange Isotonie besteht, wird das Volumen des E Z R praktisch durch den Natriumbestand bestimmt. Isotone Hyperhydratation: Natriumüberschuß mit isotoner Zunahme des Wasserbestandes. Isotone Dehydratation: Natriummangel und isotone Abnahme des Wasserbestandes.
Hypertonizität
Hypertonizität = Hyperosmolalität: Osmotischer Druck > 310 mosm/kg. Defizit an Wasser im Vergleich zur Anzahl der osmotisch wirksamen Teilchen.
Hypotonizität
Hypotonizität = Hypoosmolalität: Osmotischer Druck < 280 mosm/kg. Überschuß an freiem Wasser im Vergleich zur Anzahl der osmotisch wirksamen Teilchen. IZR wird bei Anisotonie im E Z R entsprechend den osmotischen Gesetzen verändert.
Einzelne Störungen des Wasserhaushaltes 1. Hypertone Dehydratation • Wassermangel, Na + normal
Pathophysiologie einzelner Störungen des Wasserhaushaltes • H y p e r t o n e Dehydratation: W a s s e r m a n g e l bei m e i s t n o r m a l e m N a t r i u m b e s t a n d ( m a n c h m a l a u c h v e r m i n d e r t ) . O s m o l a l i t ä t T , E Z V X , I Z V -l
Säure-Basen-, Wasser-Elektrolyt-Haushalt
•
•
•
•
•
Pathogenese: ungenügende Aufnahme, vermehrte Abgabe von Wasser, Unmöglichkeit der oralen Wasseraufnahme (Ösophagusstenose), ungenügende parenterale Wasserzufuhr, vermehrte Wasserabgabe (Fieber, Diabetes, Saluretika, Nephropathie). Therapie: primär Flüssigkeitsersatz mit hypotonen Lösungen, z.B. 2,55 % ige KH-Lösung, bei Wasser- und Natriumdefizit: 0,45-0,9% ige NaCl-Lösung. Isotone Dehydratation: Natriummangel bei extrazellulärem Volumendefizit, jedoch isotone Verhältnisse, EZV i, Osmolalität normal (IZV normal). Pathogenese: enterale Verluste durch Erbrechen, Durchfall, Drainagen und Fisteln aus Magen, Darm, Stoma (Dünndarm); renale Verluste: Saluretika, osmotische Diurese, NNR-Insuffizienz, Nephropathie. Therapie: Infusion von isotonen Elektrolytlösungen. Hypotone Dehydratation: Natriummangel überwiegt im Vergleich zum extrazellulären Volumendefizit, Osmolalität -l, E Z V i, IZV t. Pathogenese: renale und enterale Natriumverluste, falsche Infusionstherapie. Therapie: Flüssigkeitsersatz mit normo- bis hypertonen Elektrolytlösungen. Hypotone Hyperhydratation: Wasserüberschuß bei normalem Natriumbestand, manchmal auch etwas gesteigert. Osmolalität i , E Z V T, IZVt Pathogenese: vermehrte Aufnahme, verminderte Abgabe von H 2 0 , Nephropathie mit Oligurie, Herzinsuffizienz, NNR-Insuffizienz, Überdruckbeatmung, zu hohe Infusionstherapie. Therapie: Keine Zufuhr von freiem Wasser, evtl. Gabe von Diuretika, Digitalis, Dopamin, in Extremfällen Dialyse (Hämofiltration). Isotone Hyperhydratation: Natriumüberschuß bei extrazellulärem Volumenüberschuß, isotone Verhältnisse, EZV T, (IZV normal), Osmolalität normal. Pathogenese: Nephropathie (gestörte Natriumelimination), NNR-Therapie, Infusionstherapie. Therapie: keine Zufuhr von Wasser und Natrium, evtl. Gabe von Diuretika, Dialyse. Hypertone Hyperhydratation: überwiegender Natriumüberschuß bei vergrößertem Extrazellulärvolumen, Osmolalität T , IZV i, EZV T . Pathogenese: Zufuhr hypertoner Natriumchlorid-Lösung und hypertoner NaHC0 3 -Lösung. Therapie: keine Zufuhr von Natrium, evtl. Gabe von Saluretika, Dialyse.
Störungen im Kaliumhaushalt Von besonderer Bedeutung ist der Einfluß des pH: Kaliumeinstrom in die Zelle bei Alkalose, Kaliumaustritt aus der Zelle bei Azidose. • Hypokaliämie. Ursachen: zu geringe Zufuhr, Verluste renal: Nephropathie (Polyurie), Hyperaldosteronismus, osmotische Diurese (Diabetes mellitus), Saluretika. enteral: Erbrechen, Durchfall, Magen-Darm-Drainagen oder -Fisteln, Kaliumverschiebung (z.B. pH-Änderung), Kaliumverschiebung im Dritten Raum (Ileus). Therapie: bei geringer Hypokaliämie orale Zufuhr, falls enterale Ernährungsmöglichkeit; bei starker Hypokaliämie bzw. bedrohlichem Zustand i. v. Zufuhr. Praxishinweis. Dosierung: läßt sich nicht wie bei Defiziten im E Z R berechnen. Es liegen Erfahrungswerte vor. Serum-Kalium < 3 mval/1: 200-300 mval (mmol) bis zur Normalisierung des Kaliumwertes bei 60-70 kg schweren Patienten, Serum-Kalium > 3 mval/1: 100-200 mval (mmol) bis zur Normalisierung des Kaliumwertes. Infusionsgeschwindigkeit: je nach Bedrohlichkeit 20-40 mval (mmol) K + /h durch Infusionspumpe, evtl. unter EKG-Kontrolle.
Bei Herzstillstand wegen Hypokaliämie rascheste Zufuhr indiziert.
133
Therapie: hypotone Lösungen 2. Isotone Dehydratation • isotoner Na+-Mangel • Therapie: isotone Elektrolytlösungen
3. Hypotone Dehydratation • Na+-Mangel > ECR-Defizit • Therapie: normo- oder hypertone Elektrolytlösungen
4. Hypotone Hyperhydratation • Wasserüberschuß, Na+ normal • Therapie: Diuretika
5. Isotone Hyperhydratation • Na+- und Wasserüberschuß • Therapie: Diuretika, (Dialyse)
6. Hypertone Hyperhydratation • Na + -Überschuß, EZV T • Therapie: Na+ (Dialyse)
Störungen im Kaliumhaushalt 1. Kaliummangel Ursachen: - zu geringe Zufuhr - renale Verluste - Kaliumverschiebung - Kaliumverschiebung im Dritten Raum Therapie: - orale Zufuhr - i.v. Zufuhr
134 2. Kaliumüberschuß Ursachen: - Niereninsuffizienz - Infusionstherapie - Gewebetrauma - Hämolyse - NNR-Insuffizienz Therapie: - Kaliumentzug durch Diuretika - Glukose-Insulin-Infusion - Kationenaustauscher - Hämodialyse (Notfall) 3. Störung der Kaliumverteilung 1. Hyperkaliämie —> Beseitigung der Azidose. 2. Hypokaliämie -> Beseitigung der Alkalose.
16. Pathophysiologie des operativen Eingriffs • Hyperkaliämie: zu hohe Zufuhr bei verminderter Ausscheidung. Ursachen: Niereninsuffizienz, Infusionstherapie, Aldosteronantagonisten, kaliumsparende Diuretika, massive Gewebstraumatisierung (Crush), Hämolyse, NNR-Insuffizienz. Therapie: Kaliumentzug durch Diuretika, bei bedrohlichen Zuständen: Glukose-Insulin-Infusion (Kalium wird in Zelle eingeschleust): z.B. 500 ml 20 %ige Glukose + 20 IE Altinsulin in 30-40 min, Kationenaustauscher (Resonium A) werden oral und rektal appliziert, gleichzeitig wird z. B. durch Sorbit und Xylit eine osmotische Diarrhoe erzeugt, in Notsituationen (besonders bei gleichzeitigem akutem Nierenversagen) Hämodialyse. • Störung der Kaliumverteilung: - Hyperkaliämie bei Azidose durch Kaliumaustritt aus der Zelle in den EZR. Therapie: Beseitigung der Azidose. - Hypokaliämie bei Alkalose durch Kaliumeintritt in die Zelle. Therapie: Beseitigung der Alkalose.
17. Prä- und postoperative Behandlung R. Eisele
1. Präoperative Phase Die präoperative Phase richtet sich in ihrer D a u e r nach der Dringlichkeit und d e m Schweregrad der Operation sowie den Risikofaktoren u n d dem Alter des Patienten. D i e Dringlichkeit der O p e r a t i o n umfaßt ein breites Spektrum, Beispiele: • ein Patient mit einer seit längerer Zeit bestehenden, nicht inkarzeretionsgefährdeten Leistenhernie ist vom Zeitfaktor unabhängig, • ein Patient mit Kolonkarzinom muß in angemessener Zeit (Tage) operiert werden, um einem Ileus oder einer Tumorausbreitung zuvorzukommen, • ein Patient mit akuter Appendizitis muß in wenigen Stunden operiert werden, um eine Perforation zu verhindern, • ein Patient mit Perforation eines intestinalen Organs muß dringlich (innerhalb einer Stunde) operiert werden, • ein Patient mit perforiertem Aortenaneurysma muß in Minuten zur Operation kommen. D i e Risikoabschätzung m u ß mit d e m natürlichen Verlauf ohne O p e r a t i o n in Beziehung gesetzt werden. Fragen: (1) Schweregrad der beabsichtigten Operation, operationsspezifische Komplikationsquote, Letalitätsziffern. Beispiele. Die distale Magenresektion hat eine deutlich geringere Nahtinsuffizienzgefährdung als die Gastrektomie (höhere Insuffizienzquote an der Ösophagojejunostomie); beim Oberbaucheingriff besteht größere Gefahr einer pulmonalen Komplikation als beim Unterbaucheingriff, besonders beim chronischen Bronchitiker; Operationsdauer, korreliert häufig mit Komplikationsrate. (2) Stadium
der Erkrankung,
damit v e r b u n d e n e operative Risiken.
Beispiel. Patient mit distalem Magenkarzinom, das auf die Magenwand beschränkt oder bereits Richtung Pankreas und Mesokolon penetrierend gewachsen ist, dadurch deutliche Erweiterung des Eingriffs schon vorhersehbar. (3) Liegt nur eine Organerkrankung h ä u f t bei älteren Patienten.
vor o d e r Multimorbidität, letzteres ge-
(4) Frage des Für und Wider bei unklarer
Diagnose.
Beispiel. Die suspekte Appendizitis beinhaltet in 20-30 % ein fehlendes morphologisches Substrat, jedoch ist eine Appendektomie im Vergleich zu einer sich entwikkelnden Perforation zu akzeptieren. (5) Liegt eine E r k r a n k u n g vor, bei der die Ursache den Erfolg u n d das U b e r l e b e n definiert? Beispiele. Fortgeschrittenes Kolonkarzinom, nach Operation keine völlige Gesundung, jedoch Beseitigung der Stenosegefahr, dagegen z.B. intestinale Perforation (Ulcus duodeni) erfordert kurzfristigen Verschluß der Perforationsstelle, dadurch Heilung möglich. (6) W e r d e n in der A n a m n e s e Risiken aufgezeigt? Beispiele. Blutungsneigung, Allergien, Herzinfarkt, chronische Lungenerkrankungen, Adipositas, chronischer Raucher, Trinkgewohnheiten (chronischer Alkoholkonsum).
Allgemeine präoperative Diagnostik und Therapie Dauer der präoperativen Phase richtet sich nach: • Dringlichkeit • Risiko und • Op.-Vorbereitungen
Eine Risikoabschätzung muß folgende Punkte berücksichtigen • Schweregrad der Operation, Komplikationsquote Letalitätsrisiko, • Stadium der Erkrankung, • Multimorbidität, • klare Diagnose, • Ist die Ursache der Erkrankung maßgebend für den OP-Erfolg und das Überleben? • Zeigt die Anamnese Risiken auf?
136
17. Prä- und postoperative Behandlung
Psychologische Vorbereitung
1.1 Psychologische und somatische Vorbereitung, Sofortmaßnahmen 1.1.1 Psychologische Vorbereitung
Gespräch Arzt-Patient als Vertrauensbasis
Vor der Operation muß ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten stehen. Es sollte sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient entwickeln. Das Gespräch muß den Ablauf und die allgemeine Planung während der stationären Behandlung, insbesondere der postoperativen Phase beinhalten. Es müssen die Perspektiven aufgezeigt werden, die die zukünftige Lebensart und -qualität aufgrund des Eingriffs bestimmen.
Somatische Vorbereitung:
1.1.2 Somatische Vorbereitung
• -
obligate Untersuchungen: Anamnese, Status, Befund Röntgen-Thorax EKG Laboruntersuchungen
• spezielle Untersuchungen:
Obligat sind • Anamnese, Status praesens, Lokalbefund (s. auch S. 1); RöntgenThorax bei über 50—60j ährigen, EKG bei über 40jährigen. • Laboruntersuchungen: Hb, HK, Leukozyten, BKS, Blutzucker, Gerinnung (PTT, Quick, Thrombozyten) Elektrolyte (Kalium, Natrium, Chlorid), Kreatinin, GOT, GPT, Urinstatus. Bei speziellen Fragestellungen zusätzliche Untersuchungen z.B.: Lebererkrankungen: Transaminasen, alkalische Phosphate, Gamma-GT, Bilirubin, Cholinesterase, z.B.: Pankreatitis: Amylase, Lipase.
Aus Anamnese, Status und Routineuntersuchungen ergeben sich häufig Indikationen zur weiteren präoperativen Diagnostik bzw. präoperativen Therapie (korrekturbedürftige pathologische Befunde). Präoperative Vorbereitung und Korrekturen:
Praxishinweis. Die Dringlichkeit der Operation bestimmt die Zeitdauer der präoperativen Vorbereitung und Korrektur von Störungen.
1. Ausgleich von Defiziten im EZR und IVR
1.1.2.1 Defizit im Intravasal- (IVR) und Extrazellulärraum (EZR), Ernährungszustand
a) Anämie Hb mindestens 10 g%, bei kardiovaskulären Erkrankungen höher, je nach Zeit 1 Einheit Blut/die.
IVR- und EZR-Defizit. Anämie und Dehydratation spielen eine besondere Rolle. Anämie z.B. bei Zökumtumor, Patienten haben meist normales Blutvolumen, jedoch verminderte Anzahl von Erythrozyten. E i n H b v o n 1 0 g o/o w i r d p r ä o p e r a t i v gefordert, jedoch kann bei kardiovaskulären Erkrankungen höheres Hb sinnvoll sein. Patienten mit Herzinsuffizienz und Anämien sind besonders gefährdet; nach Beseitigung der Anämie - geringeres Operationsrisiko. Wenn ausreichend Zeit, Zufuhr von nur 1 Einheit Blut/die, um Plasmavolumen zu normalisieren.
b) Dehydratation nach längerem Erbrechen und Diarrhoe.
Wenn Zeit reicht, 5-61 Flüssigkeit am 1-Tag. 2. Ernährungszustand Hyperalimentation über 1-2 Wochen bei schlechtem Ernährungszustand
Dehydratation: insbesondere bei längerem Erbrechen und Diarrhoe in den letzten Tagen (s. Kap. 16, S. 130). Klinik: trockene Zunge, Durst, Haut abhebbar in Falten, schlechter Hautturgor, verminderte Urinproduktion, evtl. Tachykardie, deutlich erhöhter Hämatokrit; jedoch kann bei präexistenter Anämie Normalwert durch Dehydrierung vorgetäuscht werden. Verlust im Dritten Raum schlecht abzuschätzen. Verlust unter diesen Umständen 3 1/die, deshalb zunächst - wenn zeitlich möglich 5-61 Zufuhr von ausscheidbarer Flüssigkeit am ersten Behandlungstag. Ernährungszustand. Ein schlechter präoperativer Ernährungszustand erhöht vermutlich postoperative Komplikationsrate, da Unterernährung verminderte Immunkompetenz zur Folge hat; zusätzlich sind Energiequellen entleert. Präoperative Hyperalimentation (Aminosäuren, Zucker, Fett) über 1 2 Wochen scheint ausreichend zu sein. Postoperative Komplikationsfrequenz kann dadurch auf Niveau gesenkt werden, wie man es bei nicht Unterernährten findet.
137
Präoperative Phase Das Risiko einer Verzögerung des chirurgischen Eingriffs muß gegenüber den vermehrten Operationsrisiken bei Fällen von unbehandelter Unterernährung abgewogen werden.
1.1.2.2 Infektionsprophylaxe Zur Infektionsprophylaxe gelten die folgenden Grundsätze: • Diabetiker haben, wenn sie gut eingestellt sind, vermutlich kein erhöhtes Infektionsrisiko, Ausnahme: Operation an unterer Extremität, • kein präoperativer Kontakt mit Patienten, die septische Wunden haben, • Waschen der Haut mit Antiseptika präoperativ, Rasur unmittelbar vor der Operation (s. Kapitel 11) • unter dem Aspekt der Keimbesiedelung der Haut mit nosokomialen Keimen präoperative Verweildauer möglichst kurz halten, • perioperative Antibiotika-Prophylaxe bei ausgewählten Operationen (s. Kap. 12, S. 91).
Abwägung des Risikos: - Verzögerung der Op. durch Alimentation - Unterernährung 3. Infektionsprophylaxe -
gut eingestellter Diabetes kein Kontakt mit septischen Wunden Waschen, Rasur unmittelbar vor Op. kurze präop. Verweildauer Antibiotika-Prophylaxe
1.1.2.3 Herz-Kreislauf-System Faktoren, die kardiale Komplikationen begünstigen und dadurch das Risiko erhöhen sind: • Alter über 70 Jahre, koronare Herzerkrankung: durchgemachter Infarkt, Myokardinfarkt insbesondere in den letzten 6 Monaten, Angina pectoris in Ruhe oder bei geringer Belastung • Manifeste Herzinsuffizienz: Lungenstauung, 3. Herzton, Halsvenenstauung • Herzrhythmusstörungen: fehlender Sinusrhythmus, bi- oder drohender trifaszikulärer Block, > 5 VES/min • Bedeutsame Vitien, insbesondere hämodynamische relevante Aortenstenose • pulmonale Erkrankungen: FEV, 60 mmHg • schlechter Allgemeinzustand mit Niereninsuffizienz (Kreatinin > 3 mg %), Lebererkrankung, Elektrolytstörungen, besonders Hypokaliämie Praxishinweis: Digitalis: präoperative Digitalisierung nur, wenn eine manifeste Herzinsuffizienz oder eine Tachyarrhythmia absoluta vorliegen. Routinemäßige Digitalisierung von Patienten führt zu vermehrten perioperativen Herzrhythmusstörungen im Vergleich zu nicht digitalisierten Patienten. Bei unübersichtlicher Situation sollte präoperativ Digitalisspiegel i. S. bestimmt werden. Ein Herzschrittmacher muß erwogen werden bei: • AV-Blockierung höheren Grades und drohendem trifaszikulärem Block • Sick-Sinus-Syndrom (SA-Blöcke, Sinusarrest, persistierende (medikamentenfreie) Sinusbradykardie, hypersensitives Carotis-Sinus-Syndrom). Klinik: Adams-Stokes-Anfälle, Herzinsuffizienz, Schwindelanfälle, Angina pectoris. Hypertonie: Der Hypertonus muß adäquat eingestellt sein, die orale Medikation muß bis unmittelbar vor der Operation weiterlaufen. • Falls unbehandelter Hypertonus festgestellt wird, sollte nach der gängigen Stufentherapie verfahren werden. • Vor Noteingriffen Absprache mit dem Anästhesisten. • Bei Extremwerten bzw. wenn in Minuten der Blutdruck gesenkt werden muß (z.B. dissezierendes Aortenaneurysma): Nitroprussidnatrium im Dauertropf. Belastungs-EKG vor planbaren Eingriffen bei Verdacht auf KHK, Herzrhythmusstörungen.
4. Here-Kreislauf-System Op.-Risiko durch kardiale Faktoren erhöht: • Alter > 70 Jahre • KHK und Herzinsuffizienz • Herzrhythmusstörungen • Herzvitien, besonders Aortenstenose • pulmonale Erkrankungen • schlechter Allgemeinzustand
Therapeutische Maßnahmen: • Digitalisierung
Schrittmacher
Hypertonie einstellen
• Belastungs-EKG
1.1.2.4 Respiratorisches System
5. Respiratorisches System
Pulmonale Komplikationen nach Höhleneingriffen stehen an erster Stelle. Leitsymptom ist die Hypoxie. Störungen postoperativ sind in höherem Umfang zu erwarten bei Patienten
Leitsymptom Hypoxie
138
17. Prä- und postoperative Behandlung • mit normalem Ausgangsbefund besonders nach Oberbaucheingriffen, bei Rauchern und bei Adipositas, • mit präoperativen Lungenerkrankungen, z. B. chronische Bronchitis, Emphysem.
Klären: - respiratorische Infekte - Asthma bronchiale - Emphysem - chron. Bronchitis, Rauchen - Thoraxtraumen - momentane Aktivitäten
Diagnostische Maßnahmen: - Röntgen-Thorax - Blutgasanalyse - Lungenfunktionsprüfung
Präoperative therapeutische Ansätze: - Bronchialspasmolytika - keine Cholinergika oder Parasympathomimetika - Überdruckbeatmung - Reinhaltung der Atemwege
Verbesserung der Funktion der Atemmuskulatur durch Atemübungen (Physiotherapie).
Fragen zur Abschätzung der peri- und postoperativen Gefährdung: - frühere respiratorische Infekte, Asthma bronchiale, Emphysem? - chronische Bronchitis, Rauchen, morgendliches Sputum, Auswurf? - frühere Thoraxtraumen? - momentane Aktivitäten (Spaziergänge, Gartenarbeiten, körperliche Belastungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeiten, Treppensteigen).
Symptome. Dyspnoe, Tachykardie, Zyanose, veränderter mentaler Status. Zyanose (sauerstoffreduziertes Hb > 50 g/1); bei extremer Anämie ist selbst bei deutlicher Reduktion der O z -Sättigung des Blutes keine Zyanose sichtbar. Neben Anamnese und klinischer Untersuchung sind zu veranlassen: Röntgen-Thorax, Blutgasanalyse und Lungenfunktionsprüfung (s.Kap. 32/4.1, S.366). Röntgen-Thorax: statisches Bild, Aussagen über Lungenfunktion eingeschränkt. Blutgasanalyse: gibt Information über die Partialdrucke von Sauerstoff und Kohlensäure im arteriellen Blut, spiegelt Gasaustausch wider. Lungenfunktionsanalyse: s. Kap. 32/4.1, S. 366. Präoperative therapeutische Ansatzpunkte • bei chronischer bronchialer Obstruktion: Bronchospasmolytika (Inhalation, Injektion), Vermeidung von Bronchospasmus fördernden Medikamenten (Cholinergika oder Parasympathikomimetika), Noxen (Zigarettenrauch, Staub), Uberdruckbeatmung „Bird", wenn dadurch Atemvolumen vergrößert wird, werden Bronchioli erweitert bzw. eröffnet; Dystelektasen werden „abgebaut". Postoperativ wird präoperativ bereits erlernte Bird-Therapie fortgesetzt (Patient muß dies, falls nötig, erlernen und dazu angehalten werden), Reinhaltung der Atemwege, Antibiotika, gezielt wenn Zeit, insbesondere bei akut-entzündlichen Vorgängen, Husten, Expektoranzien, Sekret wird verflüssigt und dadurch leichter abgehustet, Anfeuchten der Luft, Inhalationstherapie. • Verbesserung der Funktion der Atemmuskulatur durch Atemübungen (Physiotherapie): Verbesserte Zwerchfellbeweglichkeit, Stärkung der Atemmuskulatur, Änderung des Atemtyps, z. B. Reduzierung des expiratorischen Atemwegswiderstands durch Erlernen von langsamer und tiefer Exspiration.
6. Niere
1.1.2.5 Nieren, neurologische und Stoffwechselstörungen
Kreatininwerte beachten. Hypotension vermeiden, inadäquate Infusionen vermeiden.
Niere. Postoperativ treten selten Probleme auf, wenn sich kein septisches Krankheitsbild entwickelt. Intra- und postoperativ müssen möglichst hypotensive Phasen sowie eine inadäquate Infusionsbehandlung vermieden werden.
7. Neurologische Störungen Karotisstenosen ausschließen.
Neurologische Störungen. Karotisstenosen (klinische Untersuchung, supraaortale Doppler-Sonographie) sind auszuschließen, dies besonders bei Eingriffen, bei denen es zu hypotensiven Phasen aufgrund von Blutungen kommen kann. Beispiel: Rektumamputation bei Patient mit gravierender asymptomatischer Karotisstenose.
8. Stoffwechselstörungen • Leber: Leberzirrhose \ haben erhöhtes Lebermetastasen J Risiko Bei Ikterus perkutane transhepatische Entlastung.
Stoffwechselstörungen. Leber: Patienten mit Leberzirrhose oder -metastasen haben ein erhöhtes Risiko. Bei Leberzirrhose erhöhte Streßulkus-Gefährdung. Besteht eine erhebliche Leberfunktionsstörung durch einen schon länger vorliegenden cholostatischen Ikterus (z. B. Choledochusverschlußstein), kann zunächst perkutane transhepatische Entlastung der Gallenwege sinnvoll sein, damit sich Laborparameter (z. B. Cholinesterase, Gerinnung) bis zum definitiven Eingriff „erholen" können.
Postoperative Therapie, Komplikationen Diabetes mellitus: Bei Patienten, die diätetisch eingestellt waren, ergeben sich meist keine wesentlichen Probleme. Patienten mit oralen Antidiabetika müssen dagegen bei großen Eingriffen oft auf Insulin umgestellt werden, besonders dann, wenn höherprozentige Glukoselösungen zugeführt werden. Bei insulinpflichtigen Diabetikern ist mit einer Stoffwechselentgleisung zu rechnen. Die Behandlung ist rein symptomatisch, die Insulinzufuhr richtet sich nach den Blutzuckerwerten.
139 Diabetes: orale Antidiabetika -» Umstellung auf Insulin.
• insulinpflichtige Diabetiker benötigen meist höhere Dosen Richtungweisend: Blutzuckerwerte.
Die Dosen liegen häufig wesentlich höher als präoperativ. Die Art des Vorgehens (ausschließlich Altinsulin oder partielle Regulierung durch Depotinsulin + Altinsulin) wird unterschiedlich gehandhabt. Insgesamt sind postoperativ eher mäßig erhöhte Blutzuckerwerte (150-200 mg/dl) anzustreben, als daß die Gefahr einer Hypoglykämie mit evtl. auftretenden irreversiblen zerebralen Schäden in Kauf genommen werden sollte. Störungen des Säure-Basen-Stoffwechsels s. Kap. 16, S. 130 Gerinnungsstörungen s. Kap. 19, S. 166 Sofortmaßnahmen vor Noteingriffen. Unter dem Vorbehalt der Zeit stehen Anamnese, Status praesens und Labor: • Kalium, Natrium, Blutzucker, Kreatinin, Gerinnung (PTT, Quick, Thrombozyten), Hb, HK, Blutgruppe, Kreuzblut, Blutkonserven. Weitere Untersuchungen (falls zeitlich möglich): • Blutgasanalyse, bei Stoffwechselstörungen, Kreislaufinsuffizienz • EKG bei Patienten >40 Jahre, Röntgen-Thorax bei Patienten > 50 Jahre oder bei entsprechenden Vorerkrankungen • Infusion von Plasmaersatz- bzw. Zucker- oder Elektrolytlösungen, sofern eine Hypovolämie besteht (ZVD-Kontrolle!)
2. Postoperative Therapie, Komplikationen
Sofortmaßnahmen vor Noteingriffen
Postoperative Therapie
2.1 Postoperative Therapie, Ernährung Nach größeren Eingriffen kommen die Patienten, nachdem sie die frühe postoperative Phase im Aufwachraum hinter sich haben, auf die Wachstation. Falls es einer Nachbeatmung bedarf oder die Vitalfunktionen therapiebedürftig sind, muß die Weiterbetreuung auf der Intensivtherapiestation erfolgen. Bei der Übernahme des Operierten erfolgt die klinische Überprüfung der Vitalfunktionen: Atmung, Kreislauf, Bewußtseinslage. Wachstation: Alle Beobachtungen, Anordnungen und deren Ausführung bedürfen der Dokumentation (Zeitangabe, Namenszeichen).
Auf der Wachstation Prüfung der Vitalfunktion: - Atmung - Kreislauf - Bewußtseinslage
Status bei Übernahme: • Bewußtseinslage: ansprechbar, orientiert, somnolent, reagiert auf Anruf, Schmerzreiz, • evtl.: Pupillenreaktion, grobe neurologische Untersuchung (z.B. nach Operation an Karotiden), • Hautbeschaffenheit, Schleimhäute (warm, kalt, feucht, Zyanose), • thorakaler und abdomineller Befund (Operationsbereich), • Extremitäten, speziell Pulsstatus nach Rekonstruktion an arteriellen Gefäßen, • Drainagen (Flüssigkeitsmenge, serös, blutig), • Kreislauf: RR, ZVD, Pulsfrequenz, Herzrhythmus, • Atemfrequenz und 02Sättigung, • Urinausscheidung, Körpertemperatur (rektal). Laborkontrolle: Hb, evtl. Elektrolyte, Blutzucker, Gerinnungsstatus, Blutgasanalyse (SBH).
Status bei Übernahme des Frischoperierten • Bewußtseinslage, Pupillenreaktion • Hautbeschaffenheit • Op.-Befund • Drainagen • Kreislauf, Atmung • Harnvolumen, Temperatur • Labor
Nach Thoraxoperationen und Operationen mit Eröffnung des Zwerchfells muß am Operationsende, spätestens jedoch nach Verlegung auf die Wachstation eine Röntgenthoraxaufnahme erfolgen. Thoraxdrainagen müssen zur Entfaltung der Lunge mit einem Sog versehen werden (15-20 cm H 2 0 ) , nach Pneumonektomie Sog nur 4—5 cm H 2 0. Alle
Besondere Maßnahmen nach Thoraxoperationen: - Röntgenaufnahme - Drainage anschließen - Sekretmengen messen
17. Prä- und postoperative Behandlung
140
Allgemeine Störungen: - RR-Abfall - hypertone Krise - Sekretfluß - Tachykardie Wundkontrolle Laborkontrollen nach Schweregrad der Operation. Röntgenaufnahme bei Störungen der Ventilation.
über Drains sich entleerenden Sekretmengen müssen anfangs V2- bis lstündlich registriert werden. Bei unauffälligem Verlauf genügt in den ersten 3 Stunden die halbstündliche Kontrolle der Kreislaufparameter, dann stündliche, später 2- bis 4stündliche Kontrolle. Bei allgemeinen Störungen (RR-Abfall, hypertone Phase, großer Sekretfluß aus abdominellem oder thorakalem Drain, plötzliche Tachykardie) müssen kurzfristig Kontrollen erfolgen, damit die Therapie rechtzeitig einsetzen kann. Nach großen Eingriffen muß mindestens zweimal täglich ein Status erhoben werden (wie bei Übernahme auf Wachstation). Zusätzlich erfolgt eine eventuelle Wundkontrolle. Laborkontrollen müssen nach Schweregrad der Operation und Zustand des Patienten bzw. auftretenden Komplikationen angesetzt werden. Röntgenthoraxaufnahme braucht nur bei einem klinischen Auskultationsoder Perkussionsbefund bzw. bei Störungen der Ventilation und des Gasaustausches angesetzt zu werden. Nach Thoraxoperationen kann eine Röntgenaufnahme täglich indiziert sein.
Zentralvenöser Zugang
2.1.1 Zentralvenöser Zugang
Indikation: - energiereiche Ernährung mit hyperosmolaren Lösungen oder - Lösungen mit unphysiologischem pH, - Überwachung des Kreislaufes. Zugangswege für ZVK • Vv. subclavia, jugularis interna, cubitalis • Venae Sectio
Ein zentraler Venenkatheter (ZVK) ist indiziert zur • energiereichen Ernährung z.B. präoperativ bei Kachexie, postoperativ nach Tumorresektion am Intestinaltrakt), • Überwachung des Kreislaufes (zentraler Venendruck, ZVD) Zugangswege: V. subclavia, V. jugularis interna (ist mit geringster Komplikationsrate behaftet), V. cubitalis. Venae Sectio. V. cubitalis, V.cephalica, V. jugularis externa und interna, V. saphena magna. Strenge Asepsis beim Legen des Kavakatheters und bei seiner Pflege. Die Lage der Katheterspitze ist röntgenologisch zu dokumentieren, sie liegt im Idealfall in der V. cava superior. Prinzip der energiereichen Ernährung: Hyperosmolare Lösungen bzw. Lösungen mit unphysiologischem pH können in die obere Hohlvene über den ZVK infundiert werden. Hier erfolgt eine Verdünnung, so daß keine Endothelschädigung auftritt (s. Abschnitt Parenterale Ernährung, S. 142).
Strenge Asepsis bei Kavakatheter. Katheterlage röntgenologisch prüfen.
Zentrale Venendruckmessung (ZVD) - Kavakatheter - Messung in cm H 2 0 5 H 2 0) - Bezugspunkt: rechter Vorhof
Prinzip der zentralen Venendruckmessung (ZVD): Messung am flachliegenden Patienten. Kavakatheter wird über Dreiwegehahn am Steigrohr mit Meßlatte angeschlossen. Messung erfolgt in cm H 2 0. Bezugspunkt ist der rechte Vorhof. In der klinischen Routine ist die Höhe schwierig festzulegen, deshalb müssen Bezugspunkte vereinbart werden, die innerhalb der klinischen Routine reproduziert sind: z. B. vom Sternum aus gerechnet wird der rechte Vorhof in Höhe von 2/5 des Thoraxdurchmessers festgelegt. Der Z V D hängt neben der Herzfunktion vom Verhältnis Blutvolumen (BV) zu intravasaler Kapazität ab. Es gilt:
Postoperativ: Venentonus erhöht, bei septischem Krankheitsbild erniedrigt. Beurteilung von: - intravasalem Volumen - Herzfunktionsstörungen
ABV 1000 ml AZVD 7 cm H 2 0 Postoperativ ist der Venentonus erhöht. Im Rahmen eines septischen Krankheitsbildes kann er stark erniedrigt sein. Nur in Extrembereichen sagt der absolute Zahlenwert des ZVD für sich allein etwas über das intravasale Volumen aus, so z.B. ZVD + 20 cm H 2 0 bei herzgesunden Patienten nach Übertransfusion oder ZVD - 7 cm H 2 0 z. B. bei einer akuten, massiven Blutung. Der ZVD wird zusammen mit dem Hydrierungszustand, Blutdruck, der Pulsfrequenz, Urinausscheidung und evtl. der Röntgen-Thoraxaufnahme zur Beurteilung des intravasalen Volumens und eventueller Herzfunktionsstörungen herangezogen. Wichtig ist sein Verhalten unter therapeutischen Maßnahmen, z. B. unter kurzfristiger Zufuhr von Plasmaersatzflüssigkeit bei einer ausgeprägten Sinustachykardie oder bei einer fraglichen Blutung.
Postoperative Therapie, Komplikationen Pulmonaliskatheter. Bei schwieriger Kreislaufsituation (z.B. septisches Krankheitsbild, Herzinsuffizienz) kann sich die Indikation für einen Pulmonaliskatheter ergeben, der über eine Vene (z. B. Subklavia oder Venae Sectio) durch das rechte Herz hindurch in einen Ast der A. pulmonalis hochgeführt wird. Es handelt sich hierbei um einen Ballonkatheter, der nach Okklusion die Bestimmung des Postokklusionsdruckes (Wedge-Druck) zuläßt, der in etwa dem linken Vorhofdruck entspricht.
141 Pulmonaliskatheter bei kritischer Kreislaufsituation
2.1.2 Weitere postoperative Maßnahmen Stoffwechsel: Im Vordergrund stehen Patienten mit Diabetes mellitus bzw. Entgleisung des Blutzuckers, wobei „symptomatisch" aufgrund der Blutzuckerwerte reagiert wird. Die Insulinmenge orientiert sich an Erfahrungswerten und dem Effekt der zuvor verabreichten Insulindosis. Nierenfunktion: Überwachung richtet sich nach Gefährdung. Ohne Funktionsbeeinträchtigung reicht frühpostoperativ die Kontrolle des Urins alle 24 Stunden. V2stündliche Kontrollen können bei Kreislaufproblemen oder Funktionsbeeinträchtigung der Niere erforderlich werden. Hierzu ist ein Blasenkatheter bzw. ein suprapubischer Katheter erforderlich. Wasser- und Elektrolythaushalt, parenterale Ernährung: Nach Lungen- und Herzoperationen, nach abdominalen Operationen ohne Eröffnung des Peritoneums und nach Operationen an den Extremitäten ist die frühzeitige enterale Ernährung meist möglich. Nach Ösophagusresektionen und großen abdominellen Operationen muß oft eine längerfristige parenterale Ernährung erfolgen. Falls der Rückfluß aus der Magensonde gering ist, die Peristaltik eingesetzt hat und keine Gefährdung von Anastomosen vorliegt, kann schrittweise auf die enterale Ernährung übergegangen werden (z.B. Patient mit einer Kolonresektion kann bereits am ersten postoperativen Tag mit dem Trinken beginnen. Patient mit einer Ösophagusresektion wird für mindestens 1 Woche parenteral und enteral ernährt. Säure-Basen-Haushalt: Bei Verlust großer Mengen über die Magensonde oder Verlusten aus Drainagen bzw. bei Kreislaufinsuffizienz und Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus) müssen Abweichungen des Säure-BasenHaushaltes korrigiert werden. Die Kontrollen richten sich nach dem Ausmaß (s. Kapitel 16, S. 130). Streßulkusprophylaxe (akute gastrointestinale Läsion): Die parenterale Hyperalimentation während der Streßphase senkt die Ulkushäufigkeit. Prophylaxe verhindert vor allem die Komplikationen (Blutung) der Streßläsion, wahrscheinlich aber nicht die Entstehung der Läsion selbst. Beste Prophylaxe ist die frühzeitige enterale Ernährung. Indikation: • Schock, Schädelhirntrauma (SHT), Polytrauma, Sepsis, Verbrennung, respiratorisch-renale oder hepatische Insuffizienz, • große chirurgische Eingriffe, Patienten mit entsprechender „Magenanamnese". Medikamente: H2-Blocker oder Antazida alle 2-3 Stunden, pH muß um 3,5 liegen, oder zytoprotektive Substanzen, z. B. Sucralfat. Thrombose- und Embolieprophylaxe. Nach abdominal- und thoraxchirurgischen Eingriffen in Vollnarkose haben etwa 30%, nach Operationen an der Hüfte 50-75 % der Patienten, insbesondere in den ersten 3 postoperativen Tagen, eine tiefe Beinvenenthrombose, die meist nur partiell die Vene verschließt und daher klinisch nicht erkannt wird: drohende Lungenembolie! Risikofaktoren: Frühere Thromboembolien, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Malignóme, Immobilisation, Adipositas, Kontrazeptiva, Nikotin, Varizen, Traumen, Hyperkoagulobilität. Bei einem Teil der Patienten kann es auch zur kompletten tiefen Becken- und Beinvenenthrombose oder auch Lungenembolie kommen. Deshalb ist eine Thromboembolieprophylaxe indiziert, die diese Komplikationen deutlich zu senken vermag.
Diabetes: Insuiindosis nach Erfahrung oder nach Wirkung der zuvor gegebenen Dosis. Nierenfunktion Überwachung der Niere nach Grad der Gefährdung. Urinkontrolle alle 2-3 Stunden, im ProEnterale Ernährung nach Lungen- und Herzoperationen, nach Ösophagus- und abdominellen Operationen längerfristig parenterale Ernährung.
Korrektur des Säure-Basen-Haushaltes bei großen Verlusten über Magensonde oder Drainagen, bei Kreislaufinsuffizienz oder Stoffwechselstörungen. Indikationen zur Streßulkus-Prophylaxe bei: • Schock • SHT, Polytrauma • Verbrennung • große Eingriffe
Medikamente. Histamin-H 2 -Rezeptorenblocker, Antazida, Sucralfat Thromboembolieprophylaxe
142
17. Prä- und postoperative Behandlung
Therapie: Frühmobilisation, Antiemboliestrümpfe, Bettfahrrad usw. Wichtig: medikamentöse Heparinprophylaxe Parenterale und enterale Ernährung, Infusionstherapie und Volumensubstitution
Therapie: Frühmobilisation nach der Operation, physikalische Maßnahmen wie Antiemboliestrümpfe, routinemäßige Kompression der Waden, Bettfahrradergometer usw. Medikamentöse Thromboembolieprophylaxe s. Kap. 19, S. 172. 2.1.3 Parenterale und enterale Ernährung, Infusionstherapie und Volumensubstitution Künstliche Ernährung kann parenteral, enteral oder in Kombination erfolgen. Frühpostoperativ ist meist nur die parenterale Form bzw. alleinige Infusionstherapie (Zufuhr von Wasser und Elektrolyten) möglich. Wenn die Funktionsfähigkeit des Intestinaltraktes wieder vorhanden ist, (bei BauchOp. meist nach 2-4 Tagen) sollte auf die enterale Form schrittweise entweder ganz oder zumindest partiell übergegangen werden, sofern eine parenterale Langzeiternährung erforderlich ist. 2.1.3.1 Parenterale Ernährung
= i.v. Zufuhr von Lösungen, Blut
Definition. Intravenöse Zufuhr von Wasser, Elektrolytlösungen, kolloidalen Lösungen, Plasma, Humanalbumin und Blut, Aminosäuren, Zucker, Fettlösungen, Vitamine, Spurenelemente, Medikamenten.
Indikation
Indikation: • peroral kann keine Nahrungszufuhr erfolgen (z. B. frühpostoperativ nach Magenresektion, bei Ileus), • perorale Ernährung ist qualitativ oder quantitativ unvollständig (z.B. Ösophagusstenose), • peroral können die entsprechenden Substanzen nicht zugeführt werden (z.B. Blut, Medikamente, die enteral zerstört werden).
Erhaltung der Homöostase
Ziel ist die Aufrechterhaltung der Homöostase. • Isoionie: konstantes Ionenverhältnis und konstante Ionenmenge, • Isotonie: osmotischer Druck im Plasma 280-310 mosm/kg, • Isohydrie: konstante Wasserstoffionenkonzentration, • energetische Versorgung: 1 g Kohlenhydrat ^ 4,1 kcal (= 17,1 kJ), 1 g Eiweiß ^ 4,1 kcal (= 16,7 kJ), 1 g Fett ^ 9,3 kcal (= 38,9 kJ) • Sauerstoffträger konstant halten
0
Normalwerte im Serum: s. Anhang Laborwerte Verabreichungsform 1. peroral, 2. nach Laparotomie i.v. Applikation ausreichend; Zufuhr von Wasser, Elektrolyten, Zucker-Aminosäure-Lösungen als Basisernährung 3. w e n n langfristig nötig, über zentralvenösen Katheter, 4. keine subkutane Infusion, 5. intraarteriell ergibt höhere Komplikationsrate.
Verabreichungsform: Immer perorale Zufuhr anstreben! • Periphervenöser Zugang. Nach Laparotomie (mittelgroße Eingriffe), bei der die orale Zufuhr nach 1-2 Tagen begonnen werden kann, reicht meist die peripher liegende Kanüle (Infusionstherapie). Hierbei können keine höherprozentigen Lösungen appliziert werden, d.h. eine inadäquate Energiezufuhr wird bewußt in Kauf genommen, da sie im Vergleich zu den mit dem Legen und der Handhabung eines zentralvenösen Katheters verbundenen Komplikationen als das kleinere Übel erscheint. Es werden Wasser und Elektrolyte, selten niederprozentige Zucker-AminosäureLösungen infundiert (lediglich eine Art Basisernährung). • Zentralvenöser Katheter bei längerfristiger, parenteraler, energiereicher Therapie. • Subkutane Infusionen sind heute obsolet (Resorption unkontrollierbar, schmerzhafte Methode, Infektionsgefahr). • Intraarterielle Infusion bietet keine Vorteile gegenüber i.v. Infusion, sondern höchstens höhere Komplikationsgefahren.
Bilanz: Ziel —»Zufuhr = Ausfuhr, praktisch nur näherungsweise möglich.
Bilanz: Sie muß um so genauer sein, je länger die ausschließliche intravenöse Zufuhr anhält, je größer die Verluste und je ausgeprägter die Organfunktionen eingeschränkt sind. Es ist anzustreben, daß die Gesamtzufuhr der -ausfuhr entspricht. Dies ist bei Schwerkranken oft nur annäherungsweise möglich, die Verluste sind nicht immer
Postoperative Therapie, Komplikationen
143
oder nur ungenau zu quantifizieren und zu qualifizieren (Ödem im Wundgebiet, Perspiratio insensibilis, Verluste im Dritten Raum). Neben der quantitativen Erfassung aller ausgeschiedenen Flüssigkeiten muß bei Bilanzproblemen auch eine Analytik ausgeschiedener Flüssigkeiten erfolgen.
Neben den rein rechnerischen Werten sind oft klinische und weitere apparative Befunde zu berücksichtigen: z.B. Anamnese, Hautbeschaffenheit, Turgor, Schleimhäute, Durstgefühl, Urinausscheidung pro Zeit, Lungenbefund (evtl. Röntgen-Thorax), Kreislaufsituation (Herzfrequenz, Blutdruck, ZVD), Hämatokritverhalten. Man unterscheidet: • Grundbedarf: dient der Deckung des Tagesbedarfs an Wasser, Elektrolyten und Energie. • Ersatzbedarf: Mengen an Wasser, Elektrolyten und Energieträgern, die durch den Grundbedarf nicht abgedeckt sind und aus Verlusten (z.B. Sonde, Fisteln) herrühren. • Korrekturbedarf: Die Homöostase ist bereits gestört (z.B. tagelang bestehender Ileus mit massivem Erbrechen). Es müssen insbesondere Wasser und Elektrolyte zur Beseitigung der meist gestörten Hydratation und Tonizität bis zur Homöostase zugeführt werden. Ausfuhr. Die täglichen Verluste an Flüssigkeit werden unter dem Begriff Ausfuhr zusammengefaßt: Urin Sonden (Magen, Dünndarm-Dickdarm) Fäzes intraabdominelle Drainagen (Blut, Aszites, Galle) Perspiratio insensibilis Fisteln aus Darm oder Magen Enterostomie Schwitzen T-Drainage Erbrechen Okkulte Wasserverluste: 700-1000 ml/die. Bei deutlich erhöhter Körpertemperatur 500-1000 ml mehr.
Klinische und apparative Befunde beachten
Bedarfslage
. Verluste an Flüssigkeit durch „Ausfuhr": • Urin, Fäzes • Schwitzen, Perspiratio insensibilis • Erbrechen, Abfluß aus Sonden und Drainagen • Magen- und Darmfisteln Okkulte Wasserverluste 700-1000 ml/die! Bei Fieber noch mehr.
Mengen und Konzentrationen ausgeschiedener Flüssigkeiten:
Urin Magensaft Galle Tiefe Dünndarmfistel/ Ileostomie frühpostop.
Menge ml/die 1000-2000 800-2500 400-1000 400-1500
Na + mval/1 (mmol/1) 100-120 20- 90 130-170 100-150
K+ mval/1 (mmol/1) 40-60 5-12 3-12 5-30
Grundbedarf beim Erwachsenen: 1 - 2 mmol/kg KG/die Wasser: 30-40 ml/kg KG/die Kalium: 1,5-4 mmol/kg KG/die Aminosäuren: 1-2 g/kg KG/die Chlor: 0,1 mmol/kg KG/die Kohlenhydrate: 3-6 g/kg KG/die Magnesium: 0,2 mmol/kg KG/die 1-2 g/kg KG/die Fett: Phosphat: 0,1 mmol/kg KG/die 25^10 kcal/kg KG/die Energie: Kalzium: (= 104-167 kJ/kg/die) Spurenelemente 1,5—4 mmol/kg KG/die Natrium: Kohlenhydrate können in Form von Glukose und Xylit zugeführt werden. Eine Kombination aus unterschiedlichen Zuckern hat vermutlich Vorteile, da verschiedene Abbauwege vorliegen und dadurch die Kapazität nicht so leicht überschritten wird (keine gegenseitige Umsatzhemmung). Fruktose und Sorbit sollten wegen der selten vorliegenden hereditären Intoleranz nur bei begründeter Indikation gegeben werden.
Grundbedarf des Erwachsenen
Praxishinweis: für postoperative parenterale Ernährung nach großen Eingriffen:
Faustregel für postoperative parenterale Ernährung
• Unkomplizierter Verlauf (stabiler Stoffwechsel): Aminosäuren > 1 g/kg KG/die, Kohlenhydrate > 4 g/kg KG/die Beispiel: Patient mit Kolonresektion, 60 kg Körpergewicht: 1000 ml AS 10 % + 1500 ml KH 20% (kann als Gemisch aus Glukose : Xylit = 2:1 gegeben werden) + Elektrolyte (evtl. zusätzliche Infusion) Infusion von KH und AS erfolgt simultan und kontinuierlich über 24 Stunden. Wegen der verminderten Glukosetoleranz frühpostoperativ (Postaggressions-
1. stabiler Stoffwechsel
4=
144
17. Prä- und postoperative Behandlung Stoffwechsel) müssen die errechneten KH- und AS-Werte reduziert werden, z. B. am 1. postop. Tag um 2/3, am 2. um V3, ab 3. postop. Tag nach den errechneten Werten.
2. Hoher Energiebedarf bei - SHT - Sepsis - Verbrennungen
• Patienten mit septischen Prozessen, Schädel-Hirn-Traumen (SHT) oder Verbrennungen haben deutlich höheren Energiebedarf in Extremfällen zwischen 40-70 kcal/kg KG/die ( = 167-293 kJ/kg KG/die). Neutralfettinfusionen werden meist nur bei Langzeiternährung ( > 4 Wochen) oder nach Beendigung der akuten Phase der Erkrankung verabreicht, wenn entsprechende energetische Bedürfnisse bestehen.
Kontrolle Wasser-Elektrolyte, Energie-Stickstoffbilanz.
Kontrolle der parenteralen Ernährung: Wasser-Elektrolyte: Körpergewicht, Osmolarität im Serum und Urin, Elektrolyte im Serum und Urin, evtl. in Drainagen, Hämatokrit, Säure-Basen-Haushalt, Menge des Urins. Energie-Stickstoffbilanz: Glukose, Laktat, Kreatinin, Harnstoff, Gesamteiweiß im Serum, Elektrophorese.
Enterale Ernährung
2.1.3.2 Enterale Ernährung
= enterale Nahrungszufuhr, wenn künstliche Ernährung länger als 4 Tage erforderlich ist Zufuhr von Sondennahrung über im Magen oder Dünndarm plazierte Sonden.
Definition. Zufuhr von Sondennahrung über im Magen oder Dünndarm plazierte Sonden. Ist postoperativ oder -traumatisch eine künstliche Ernährung länger als 4 Tage indiziert, sollte auf die enterale Nahrungszufuhr übergegangen werden. Längerfristige parenterale Ernährung ist z. T. mit Nebenwirkungen vergesellschaftet (z. B. Kathetersepsis, Leberverfettung). Die enterale Ernährung ist die sinnvollere, physiologischere, qualitativ bessere und preiswertere Form.
Voraussetzungen: • regelrechte intraluminale Digestion, • ausreichende Resorptionsfläche und Passagezeit.
Indikationen
Voraussetzung sind: regelrechte intraluminale Digestion (ausreichende Magen-Darmmotilität, evtl. bei Magenapplikation adäquate Pankreasenzyme, Gallensäuresekretion) und Substratresorption (ausreichende Resorptionsfläche, angemessene Passagezeit). Beides ist beim postoperativen oder -traumatischen Patienten, zumindest anfänglich, eingeschränkt. Magen- und Kolonmotilität sind stärker betroffen als Dünndarmfunktion. Resorptionskapazität für Wasser, Elektrolyte, Kohlenhydrate und Peptide ist im Dünndarm bereits nach 2-4 Tagen meist wieder vorhanden. Indikationen • Postoperativ oder -traumatisch bei Patienten, die länger keine bedarfsdeckende Nahrung zu sich nehmen können: z.B. Ösphagusresektion, Schädelhirntrauma, Hirntumoren, Apoplexie. • Patienten mit neurogenen Schluckstörungen oder Passagebehinderungen im Mund-, Rachen- und Ösophagusbereich. • Patienten mit partieller Maldigestion oder Malabsorption, z.B. M. Crohn, Kolitis, Mukoviszidose. • Patienten mit Aversion gegen Speisen, z.B. in Rekonvaleszensphase. • Krebspatienten während der Chemo- oder Strahlentherapie, z.B. bei therapieinduzierter Ösophagitis.
Diätformen: • hochmolekulare, nährstoffdefinierte Diät • niedermolekulare, chemisch definierte Diät
Diätformen (Sondennahrung). Zur Verfügung stehen 2 Diätformen: Hochmolekulare, nährstoffdefinierte Diät (NDD). Die N D D enthält Nährstoffe in Form und Relation wie normale Mischkost (EW, KH unterschiedlicher Kettenlänge, Triglyzeride): besonders geeignet bei gastraler Zufuhr. Niedermolekulare, chemisch definierte Diät (CDD). Die CDD-Nahrung ist teilabgebaut und enthält Oligopeptide, Kohlenhydrate und Fette, kann in oberen Darmabschnitten schnell und fast vollständig resorbiert werden: geeignet als postoperativer Übergang von parenteraler auf enterale Form, besonders bei jejunaler Zufuhr.
Ernährungssonden (Abb. 17-1)
Ernährungssonden (Abb. 17-1). Man unterscheidet: • perkutan am Ende einer Laparotomie eingebrachte Sonden in den Magen, besser in den oberen Dünndarm
145
Postoperative Therapie, Komplikationen
Abb. 17-1: Zugangswege für Sondenernährung: 1 transnasal -» Magen, 2 transnasal Dünndarm, 3 perkutan -» Magen, 4 perkutan —> Dünndarm • nasal eingeführte, im Magen plazierte Sonden • nasal eingeführte, mit Hilfe des Endoskops im Dünndarm plazierte Sonden • perkutane, endoskopische Gastrostomie (PEG). Mit Hilfe der Gastroskopie wird die Ernährungssonde durch die Rumpfwand in den Magen eingeführt, die Sondenspitze kann evtl. endoskopisch bis in den Dünndarm vorgeschoben werden. Praktische Durchführung: Bei gastral plazierter Sonde kann die Reservoirfunktion des Magens genützt werden, dadurch Bolusapplikation möglich. Nachteil: oft gestörte Magenentleerung, Gefahr der Regurgitation und Aspiration. Jejunale Sonden funktionieren auch bei Magenentleerungsstörungen. Nachteil: oft schwierige Sondenplazierung, kontinuierliche Applikation ist erforderlich. Lage und Funktion muß insbesonders bei jejunalen Sonden vor Therapiebeginn röntgenologisch kontrolliert werden. Der Energiezufuhr sind zunächst Grenzen gesetzt (Glukoseintoleranz). Die Nahrung wird von Tag zu Tag etwas mehr aufgebaut, z.B. beginnend mit 4 x 150ml bei gastraler Bolusapplikation oder 20-30ml/h bei kontinuierlicher jejunaler Ernährung. Die Steigerung des Nahrungsvolumens hängt von der Verträglichkeit ab (abdominelle Schmerzen, geblähtes Abdomen, Diarrhoe). Komplikationen: Dislokation der Sonde, Reflux, Aspiration, Erbrechen, Distensien von Magen und Darm, Diarrhoe.
2.1.3.3 Volumensubstitution Geringgradige Volumenverluste (< 500 ml) werden durch kristalloide Lösungen ausgeglichen: Ringer-Laktat-Lösung und 0,9 % NaCl. Sie sind plasmaisoton u. verteilen sich im EZR; deshalb bleibt nur V3 bis V4 des infundierten Volumens intravasal. Besonders geeignet, um Defizite im interstitiellen Raum auszugleichen.
Vor- und Nachteile: Gastrale Sonde: Bolusapplikation möglich (Magenreservoir). Eine gestörte Magenentleerung ist nachteilig Regurgitation und Aspiration. Jejunale Sonde: Funktioniert auch bei Magenentleerungsstörung. Nachteilig ist die schwierige Plazierung und eine notwendige kontinuierliche Nahrungszufuhr.
Komplikationen: • Sondendislokation • Reflux, Erbrechen, Aspiration • Magen- und Darmdistension • Diarrhoe Volumen substitution
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17. Prä- und postoperative Behandlung Bei Blutverlusten von 500 bis 1500 ml (je nach Ausgangs-Hb, Art der Grunderkrankung) erfolgt die Volumensubstitution mit Plasmaersatzflüssigkeit, -expander oder Humanalbumin, Plasma.
Plasmaersatz • Dextran 60 • Dextran 70
Nebenwirkungen: • Störung der Blutgerinnung, anaphylaktoide Reaktionen. • HydroxyäthyIstärke (HÄS)
Plasmaersatzflüssigkeit: indiziert als primärer, rascher, länger andauernder, kostengünstiger Volumenersatz: • Dextran 60 (MG 60000), Dextran 70 (MG 70000). Es werden 6 %ige Lösungen in 0,9%iger NaCl oder elektrolytfrei zugeführt. Werden 500 ml in 30 Minuten infundiert, entspricht der intravasale Volumenzuwachs beim Erwachsenen etwa 500 ml, zusätzlich antithrombotischer Effekt. Dextranmoleküle < 40 000 MG werden über die Niere ausgeschieden, die größeren Moleküle werden im Körper zu C 0 2 und H z O abgebaut (innerhalb einer Woche). Intravasale Volumenwirkung etwa 6-8 Stunden. Nebenwirkungen: Störung der Blutgerinnung, anaphylaktoide Reaktionen (Haptenprophylaxe mit Promit). • Hydroxyäthylstärke (HÄS). Volumeneffekt und Verweildauer hängen von Molekülgröße, Vernetzungsgrad und Konzentration ab. Wird intravasal durch die Amylase in kleinere Moleküle gespalten. Kreislaufeffekt entspricht etwa dem von Dextran 60/70. Präparate: HÄS MG 450000,450/0.7, 6%, MG 200000,200/0.5, 6%
• NW: selten anaphylaktoide Reaktionen.
Nebenwirkungen: Sehr selten anaphylaktische Reaktionen.
Plasmaexpander • Dextran 40 (10%ig) hat expandierenden Effekt. Wirkung: HZV T, Hämodilution, Viskosität I , peripherer Widerstand I , Theologische Verbesserungen. Nw: anaphylaktoide Reaktionen, Gerinnungsstörungen.
Plasmaexpander • Dextran 40, 10%iges niedermolekulares Dextran, MG 40000, in 0,9 %iger NaCl-Lösung oder kochsalzfrei. Hat expandierenden Effekt bei ausreichend schneller Zufuhr (500 ml in 30 min). Intravasaler Volumenzuwachs beim Normohydrierten fast doppelt so groß wie zugeführte Flüssigkeitsmenge (kommt aus interstitiellem Raum). Wirkung: steigert das HZV durch Erhöhung des Füllungsdruckes am Herzen (Expandereffekt) und durch Hämodilution sowie Senkung der Viskosität, dadurch Abnahme des peripheren Widerstandes. Die Viskositätssenkung verbessert die Durchblutung der Endstrombahn, die Aggregationstendenz wird vermindert. Dextran 40 ist primär indiziert, um die Mikrozirkulation zu verbessern, sekundär zur Volumensubstitution. Nebenwirkungen: anaphylaktoide Reaktion (Promit), Gerinnungsstörungen • HÄS 10 % ist eine hyperonkotische Lösung, führt zu intravasalem Flüssigkeitseinstrom aus dem Interstitium. Diese Dehydration muß durch kristalloide Lösungen ausgeglichen werden. Expandierender Effekt etwas geringer als bei Dextran 40 ( ~ 145 %). Intravasale Volumenwirkung 4 Std. Nebenwirkungen: anaphylaktoide Reaktion sehr selten.
HÄS 10% intravasaler Flüssigkeitseinstrom aus dem Interstitium, selten anaphylaktoide Reaktionen.
Plasmapräparate • Humanalbumin und Plasmaproteinlösung. Guter Volumen- und kolloidosmotischer Effekt. Hepatitissicher, teuer. • FFP: Bei Massentransfusionen und als Ersatz von Gerinnungsfaktoren. Nicht hepatitis- und HIV-sicher, teuer.
Plasmapräparate • Humanalbumin und Plasmaproteinlösung haben guten volumen- und kolloidosmotischen Effekt, hepatitissicher, jedoch teuer, deshalb keine Indikation für primären Volumenersatz. Indikation bei Hypovolämie und gleichzeitiger Hypoalbuminämie ( < 2,5 g %), z. B. bei schwerer akuter Pankreatitis, Verbrennungen). • Fresh-frozen-Plasma (FFP). Keine Indikation für primären Volumenersatz (Risiko der Virusinfektion, teuer). Indikation bei Massentransfusionen speziell zum Ersatz von Gerinnungsfaktoren. Volumensubstitution durch Blut und Erythrozytenkonzentrate (s.Kap. 18, S. 155).
Postoperative Komplikationen
2.2 Postoperative Komplikationen
Respiratorische Störunger«
2.2.1 Respiratorische Störungen
häufig nach Höhleneingriffen,
Häufigste Komplikation nach Höhleneingriffen, Hauptsymptom: PaO z l
- Dystelektasen,
Ursachen: Dystelektasen, besonders bei Oberbaucheingriffen (Hakendruck auf Zwerchfell) und bei direkter Kompression der Lunge, Störung des
Postoperative Therapie, Komplikationen
147
Durchblutungs-Belüftungs-Verhältnisses, Faktoren, die postoperative Lungenfunktionsstörungen begünstigen: - Schmerz —> keine tiefen Atemzüge, Hustenreflex wird unterdrückt, - hochgedrängte Zwerchfelle durch Meteorismus und postoperative Passagestörung. Diagnostik: Klinische Untersuchung (Auskultation, Perkussion, Atemfrequenz, Abschätzung der Atemarbeit), Röntgen-Thorax, Blutgasanalyse (ist objektivierbare Größe zur Beurteilung des Gasaustausches). Therapie: 0 2 -Nasensonde (Nasopharyngealkatheter), 0 2 -Beimischung in Einatmungsluft kann auf 3 5 ^ 0 % erhöht werden, dadurch Anstieg des Pa0 2 . 0 2 -Zufluß maximal 6-8 1/min, Luft anfeuchten. Physiotherapie, Mobilisierung, Überdruckbeatmung (Bird) und CPAP: Atemtraining erfolgt unter leichtem kontinuierlichem Überdruck (z.B. 5 cm H 2 0). Kausale Therapie: bei Pneumonie (Antibiotika), bei eitriger Bronchitis (Antibiotika), bei Pleuraerguß Punktion, bei überblähtem Abdomen und hochgedrängtem Zwerchfell Anregung der Motilität, Abführmaßnahmen, Dekompression des Magens über Magensonde, bei Dystelektasen von ganzen Lungenlappen nach kurzfristiger konservativer Therapie (Bird, Physiotherapie) bronchoskopische Absaugung und evtl. anschließend Überdruckbeatmung.
- Störung des Durchblutungs-Belüftungs-Verhältnisses, - Lungenfunktionsstörung, z.B. durch zu flache Atemzüge, unterdrückten Hustenreflex, Meteorismus, Passagestörungen. Diagnose durch: - Auskultation - Perkussion - Atemfrequenz - Atemarbeit - Blutgasanalyse Therapie: - 02-Nasensonde - Physiotherapie - Mobilisierung - Überdruckbeatmung - CPAP - kausale Therapie
Kurzfristige Blutgasanalysen sind oft erforderlich um über eine künstliche Beamtung zu entscheiden. Beatmungspflicht besteht bei Pa02 < 60 und PaC02 > 60 mmHg (8,0 kPa) unter Berücksichtigung von: • Atemarbeit, Röntgen-Thorax, Allgemeinzustand, Prognose • Status im Rahmen des postoperativen Verlaufes (Patient mit septischem Krankheitsbild, z.B. Nahtinsuffizienz, erfordert eher Beatmung als Patient mit aseptischem Eingriff.
2.2.2 Herz-Kreislauf-Störungen Häufige Störungen sind: Hypovolämie, Herzrhythmusstörungen, farkt, Herzinsuffizienz, Lungenembolie, Hypertonie.
Indikationen zur Beatmung (Blutgasanalysen!)
Herz-Kreislauf-Störungen: Herzin-
2.2.2.1 Postoperative Hypovolämie Ursachen sind: inadäquater Ersatz bei Blutverlust intra- und unmittelbar postoperativ, nach massiver Diurese und Blutung: aus chirurgischer Ursache (an Anastomose, aus Bauchraum oder Thorax). Bei liegender Drainage kann sich Blut entleeren. Falls Drain nicht fördert, spricht dies nicht gegen Blutung; Gerinnungsstörungen; nicht aus Operationsgebiet, z.B. Streßulkus am Magen;
- Hypovolämie - Herzrhythmusstörungen - Herzinfarkt - Hypertonie 1. Hypovolämie durch - inadäquaten Ersatz bei Blutverlust - Blutung (aus Op.-Gebiet, Streßulkus) - nach osmotischer Diurese - Pharmaka
Weitere Ursachen: nach osmotischer Diurese (iatrogen, Diabetes mellitus) ist das intravasale Volumen zu klein geworden; Pharmaka, z. B. senken Morphin- oder Purinderivate den Venentonus. Bei einer vorbestehenden absoluten Hypovolämie, die durch Tonuserhöhung kompensiert worden war, ist jetzt der venöse Rückfluß vermindert, dadurch der Füllungsdruck am Herzen erniedrigt. HZV-Abfall.
Symptome: schweißige, feuchte, kalte Haut, Herzfrequenzanstieg, evtl. RRAbfall, ZVD erniedrigt, evtl. metabolische Azidose aufgrund der Minderperfusion in der Peripherie. Praxishinweis. Hb-Gehalt bzw. HK sind bei einer akuten Blutung nicht oder nur gering erniedrigt, der Hb-Abfall geschieht erst durch Auffüllung des Intravasalvolumens aus dem EZR, was Zeit braucht (150-250 ml/h, transkapillärer Austausch). Therapie: Volumensubsitution z.B. 300 ml Dextran70 ex juvantibus in 5 10 min. Wenn hierunter Herzfrequenz abfällt und RR ansteigende Tendenz
Symptome: - kalte Haut - feuchte Haut - Herzfrequenzanstieg - evtl. RR-Abfall - ZVD erniedrigt - evtl. metabolische Azidose - bei akuter Blutung, Hb nicht erniedrigt; Hb-Erniedrigung erst durch Auffüllung des Intravasalvolumens Therapie: - Volumensubstitution
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17. Prä- und postoperative Behandlung
- Reintervention bei chirurgischer Blutung
zeigt, kann von Hypovolämie ausgegangen und Therapie in diesem Sinne fortgesetzt werden, später nach ZVD. Reintervention bei chirurgischer Blutung: - Ausmaß der Blutung ist erkennbar groß (arterielles Blut läuft im Schwall aus der Drainage). - Nach zweimaliger Kreislaufstabilisierung durch Volumensubstitution kommt es erneut zur Hypotension und ZVD-Abfall. - Bei Nachblutung mäßigen Ausmaßes, wenn innerhalb von 12 h mehr als 2-4 Bluteinheiten gegeben werden mußten (Gerinnungsstörungen müssen ausgeschlossen sein).
2. Herzrhythmusstörungen
2.2.2.2 Herzrhythmusstörungen
Ursache: Relative Hypokaliämie
Frühpostoperativ gehäuft auftretend. Ursache. Relative Hypokaliämie durch maschinelle Hyperventilation (respiratorische Alkalose) oder Hypoventilation (respiratorische Azidose) in den ersten postoperativen Stunden. Gravierende Herzrhythmusstörungen erfordern kontinuierliche Monitorüberwachung und in Abhängigkeit von der Ventrikelfunktion und klinischen Symptomatik eine entsprechende Therapie. • Ventrikuläre Salven und Tachykardien. Therapie: symptomatische Maßnahme durch Gabe von Antiarrhythmika (Lidocain, Propafenon, Ajmalin), Kaliumkontrolle und eventuelle Substitution, Kontrolle des Digitalisspiegels. • Vorhofflimmern bei absoluter Arrhythmie, schnelle Form; - falls präoperativ dieser Rhythmus bestand, Versuch durch Digitalis die Frequenz zu senken, evtl. ergänzend Verapamil oder ß-Blocker zur Frequenzsenkung (Cave RR!), - erstmalig aufgetretenes Vorhofflimmern bei präoperativem Sinusrhythmus, Versuch mit Digitalis die Frequenz zu senken, dann evtl. Versuch der Rhythmisierung durch Antiarrhythmika unter Monitorkontrolle. Bei lebensbedrohlicher Frequenzsteigerung kann Kardioversion erforderlich werden. • Supraventrikuläre Tachykardie: wenn sie in Zusammenhang mit dem Legen eines Kavakatheters auftritt, muß an eine Fehllage der Katheterspitze (im Vorhof) gedacht werden. Katheter in die obere Hohlvene zurückziehen. Medikamentöse Therapie: z.B. Verapamil, Ajmalin Adenosin. Falls bedrohliche, therapierefraktäre Frequenzsteigerung, Kardioversion angezeigt. • Bradykardie: oft bedrohlich, wenn Herzfrequenz < 40/min, Therapie: Atropin, Orciprenalin, falls medikamentös nicht beeinflußbar, passagere Schrittmacherstimulation. • Sinustachykardie: postoperativ ist ein Anstieg der Herzfrequenz fast regelhaft, 95-100/min. Falls Sinustachykardie ein stärkeres Ausmaß annimmt, müssen dafür faßbare Ursachen ausgeschlossen werden: erhöhte rektale Körpertemperatur, Hypovolämie, Hypoxie (Pa0 2 X), Anämie (Hb i ), Herzinsuffizienz, Schmerz. Wenn keine Ursachen gefunden werden können und Ausmaß der Sinustachykardie sehr groß wird, kann eine symptomatische Behandlung mit Betarezeptorenblockern sinnvoll sein.
Formen: Ventrikuläre Extrasystolen
Vorhofflimmern
Supraventrikuläre Extrasystolen
Bradykardie
Sinustachykardie
3. Herzinsuffizienz
2.2.2.3 Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Lungenembolie, Hypertonie
Ursache: falsche Infusionstherapie oder Herzrhythmusstörungen.
Herzinsuffizienz. Häufig Demaskierung einer latenten Herzinsuffizienz durch postoperative Sinustachykardie als Folge inadäquater Infusion, durch Volumenüberlastung, oder oft auch kombiniert im Rahmen von tachykarden Rhythmusstörungen.
4. Herzinfarkt -> Digitalisierung, Diuretika, Schmerzbehandlung.
Postoperativer Herzinfarkt. Oft schwierig zu diagnostizieren, da der Schmerz als Leitsymptom fehlen oder irreführen kann. Auch Enzymdiagnostik durch CK ist oft schwierig. Diagnose am sichersten durch EKG. Maßnahmen: Monitorüberwachung, Schmerzbehandlung, Sedierung, ggf. Diuretika, Antiarrhythmika, Katecholamine.
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Postoperative Therapie, Komplikationen Lungenembolie. Diagnostik: Lungenszintigraphie Pulmonalisangiographie. Falls bestätigt, muß Phlebographie oder Duplexsonographie beider Beine erfolgen. Flottierende Thromben in Oberschenkel- und Beckenlage müssen operativ entfernt werden. Weitere Maßnahmen: Vollheparinisierung. Bei vitaler Indikation kann systemische Lyse erwogen werden. Hypertonie. Situative Ursachen beseitigen. Falls erforderlich, Antihypertensiva nach Effekt dosieren.
5. Lungenembolie Diagnose: Lungenszintigraphie, Pulmonalisangiographie, Phlebographie, Farbkodierte Duplexsonographie (FKDS). Therapie: Heparinisierung, evtl. Lyse-Therapie, Thrombektomie bei flottierenden Thromben. 6. Hypertonie Durch situative Ursachen, diese beseitigen, evtl. Antihypertensivum.
2.2.3 Passagestörung, septische Komplikationen
Passagestörung
Passagestörung. In den ersten postoperativen Tagen ist die Motilität am Intestinaltrakt oft gestört. Entgegen früherer Annahmen handelt es sich wahrscheinlich nicht um eine Abnahme des Parasympathikotonus, sondern um ein Überwiegen des Sympathikotonus. Diagnostik: fehlende Peristaltik („Darmatonie"), höher- oder hochgestellte Peristaltik bei Passagebehinderung, z.B. durch abgeknickte Dünndarmschlinge, starker Rückfluß aus der Magensonde, geblähtes und etwas gespanntes Abdomen. Therapie: Abführmaßnahmen. Sie müssen jedoch das operative Vorgehen berücksichtigen, z.B. kann bei Rektumresektion kein Klysma gegeben werden! Parasympathikomimetika (Prostigmin). In hartnäckigen Fällen Sympathikolyse über Periduralkatheter.
= Störung der Motilität am Intestinaltrakt
Septische Komplikationen. Hauptsymptom ist das Fieber, kann jedoch selbst beim septischen Schock fehlen (rektale Körpertemperatur postoperativ mit Ausnahme des ersten Tages selten über 38,4 °C rektal beim unkomplizierten Verlauf). Beim Übergang in Septikämie können beobachtet werden: Somnolenz, Hyperventilation, respiratorische Alkalose mit kompensatorischer Basenverminderung, warme Hypotension, reduzierter Urinfluß, Anstieg des Serumkreatinins, evtl. Leukozytose, Thrombozytopenie. Naheliegende Ursachen sind: operationsbedingt: Nahtinsuffizienz, intraabdomineller Abszeß (Douglas-Raum, subphrenisch, interenterisch), Wundheilungsstörung (Bauchwandphlegmone, Wundabszeß), Infektion im Rahmen eines Katheterismus (Kava-Katheter, Blasenkatheter, Pulmonalis-Katheter), pulmonale Ursache (bakterielle Infektion), Infektion der ableitenden Harnwege.
Diagnose: - fehlende Peristaltik - starker Rückfluß aus der Magensonde - geblähtes, gespanntes Abdomen Therapie: - Parasympathikomimetika - Sympathikolyse (evtl. Periduralkatheter) Septische Störungen Hauptsymptom: - Fieber (kann auch fehlen). Ferner: - Somnolenz, Hyperventilation - respiratorische Alkalose - warme Hypotension - reduzierter Urinfluß - erhöhtes Serumkreatinin - evtl. Leukozytose, Thrombozytopenie Ursachen: - operationsbedingt - Infektion durch Katheter - pulmonal - Infektion der Harnwege
Therapie: Beseitigung der Ursache nach Diagnosestellung. Meist adjuvante Behandlung erforderlich: symptomatische Kreislauf- und Atemtherapie, Antibiotika.
Therapie: - Beseitigung der Ursache - Antibiotika
2.2.4 Renale Störung, Fettembolie
Renale Störung
Niereninsuffizienz. Nach großen Operationen bzw. bei primär gefährdeten Patienten liegt meist ein suprapubischer oder transurethraler Katheter. Kontrollwerte: Elektrolyte, Kreatinin und Harnstoff im Serum, Urin: Menge, Osmolarität, evtl. Elektrolytgehalt, Harnstoff, Kreatinin. Bei Oligurie oder Anurie muß primär an funktionelle Ursache gedacht werden: postrenale Störung: Überlaufblase, evtl. Läsion der Ureteren aufgrund des operativen Vorgehens, inadäquate Infusionstherapie (Exsikkose), Hypotension, inadäquate Nierendurchblutung. Therapie: • adäquate Zufuhr von Wasser und Elektrolyten, • adäquate kalorische Ernährung besonders bei kataboler Stoffwechsellage, um Anfall harnpflichtiger Substanzen so klein wie möglich zu halten. • angemessene Perfusion der Nieren durch adäquate Kreislaufverhältnisse (RR, Puls, ZVD, Röntgen-Thorax), evtl. Dopamin in niedriger Dosierung zur Optimierung der renalen Perfusion.
Kontrollwerte • Elektrolyte • Kreatinin und Harnstoff i.S. • Urin (Menge, Osmolarität, Harnstoff, Kreatinin) Ursachen: - postrenal: Überlaufblase, Läsion, der Ureteren - inadäquate Infusionstherapie - Hypotension Therapie: - Zufuhr von Wasser und Elektrolyten - richtige kalorische Ernährung - ausreichende Perfusion der Nieren
150 - Medikamente: Furosemid, osmotische Substanzen - Beseitigung eines evtl. septischen Zustandes Bei akutem Nierenversagen: -> Hämodialyse Fettembolie = Embolisation von Fett oder Knochenmarkzellen in die terminale Strombahn (Lunge, Gehirn, Niere etc.)
Ursachen
17. Prä- und postoperative Behandlung • Medikamente: wenn bisher aufgeführte Maßnahmen ohne Effekt - Furosemid 20-40 mg i.V., evtl. wiederholen, - Gabe von osmotischen Substanzen, • bei Sepsis kausale Behandlung. Bei akutem Nierenversagen Überwässerung verhindern, frühzeitige Hämodialyse. Fettembolie: Embolisation in der Endstrombahn, besonders im kleinen Kreislauf, jedoch auch im Gehirn, in Niere, Haut usw. Es handelt sich um Fettpartikel, z.T. auch um Knochenmarkpartikel bei Frakturen der großen Röhrenknochen, jedoch auch um Thrombozytenaggregate, Leukozytenansammlungen ohne nachweisbares Fett, insbesondere auch ohne faßbares Trauma. Fettembolie nach Traumen: bei Frakturen häufig im Zusammenhang mit massiver Kontusion des Körpers, nach großen Weichteilverletzungen und Kontusionen z. T. ohne Fraktur, nach Verbrennungen. Fettembolie ohne Trauma: nach Reanimation, bei schwerer Pankreatitis, Vergiftung, nach Verbrauchskoagulopathie, Schock, Eklampsie. Pathophysiologic: Fett stammt nur z. T. aus Knochenmark, vermutlich kommt es zur Entemulgisierung der Blutfette, offensichtlich multifaktorielles Geschehen, wobei Schock, Kreislaufinsuffizienz, Azidose, Mikrozirkulationsstörung und Gerinnungsstörungen von Bedeutung zu sein scheinen.
Symptome: Kurz nach Unfall - Dyspnoe - Zyanose - Tachykardie Später - Somnolenz - petechiale Blutungen der Haut - Rechtsherzüberlastung Therapie ist Prophylaxe: - Schockverhütung, Schockbeseitigung - Oxygenierung - langes Liegen auf Rücken vermeiden (Stabilisierung der Fraktur)
Symptome: • pulmonale Fettembolie meist frühzeitig nach Unfall (Stunden): Dyspnoe, Zyanose, Tachykardie, akutes Cor pulmonale. • Somnolenz und petechiale Blutungen der Haut treten oft etwas später auf. Therapie. Wichtigste Maßnahme ist die Prophylaxe: • Schockverhütung bzw. rasche Schockbeseitigung, • adäquate Oxygenierung, • Stabilisierung der Fraktur langer Röhrenknochen, um längeres Liegen auf dem Rücken zu vermeiden. Nach erfolgter Manifestation der Fettembolie: Außer allgemeinen Maßnahmen wie Kreislaufstabilisierung und Oxygenierung, ist bislang kein gesichertes Therapiekonzept bekannt (Heparinisierung?, Proteinase-Inhibitor?, essentielle Phosphoriipide?).
18. Klinische Transfusionsmedizin E. Thiel, S. Bünte
1. Blutgruppen
Blutgruppen
Definition: Unter Blutgruppen i. e. S. versteht man alle genetisch determinierten Erythrozyteneigenschaften, die durch spezifische Antigene an der Erythrozytenmembran charakterisiert und mit serologischen Labormethoden nachweisbar sind. Durch ihre antigenen Eigenschaften können sie die Bildung spezifischer Antikörper induzieren.
= Blutgruppenantigene auf der Oberfläche von Erythrozyten
1.1 ABO-System
ABO-System
Dem ABO-System liegen die Gene A, B und 0, die sich auf dem Chromosom 9, und die Gene H und h, die sich auf dem Chrosomom 19 wechselseitig vertreten, zugrunde. Weiter besteht ein Zusammenhang mit den Genen Se und se, die ebenfalls auf dem Chromosom 19 lokalisiert sein dürften. Träger der Genkombinationen SeSe und Sese scheiden ABO-Substanz mit ihren Körperflüssigkeiten aus (80% aller Menschen), während sese-Homozygote (20% aller Menschen) Nichtausscheider sind.
Das ABO-System weist 3 antigene Merkmale auf, die Blutgruppensubstanzen A, B und H, das Antigen der Träger der Blutgruppe 0. Die Merkmale A und B sind kodominant und dominant über das Antigen H. Es gibt also phänotypisch 4 verschiedene ABO-Blutgruppen, die sich in der mitteleuropäischen Bevölkerung wie folgt verteilen: A = 48%, 0 = 39%, B = 9%, AB = 4%.
Phänotypisch gibt es 4 ABO-Blutgruppen: 0 39% A -> 48% B -»9% AB -> 4%
Da die Blutgruppensubstanzen A und B ubiquitär in der Natur vorkommenden Substanzen ähnlich sind (z. B. Membranstrukturen von E. coli), bilden sich bald nach der Geburt Antikörper gegen das jeweils nicht vorliegende Antigen. Diese sind natürliche Antikörper vorwiegend vom IgM-Typ und werden als Isoagglutinine bezeichnet.
Natürliche Antikörper im ABO-System sind: Blutgruppe: A Antikörper: Anti-B B Anti-A 0 Anti-A + Anti-B AB keine Isoagglutinine
Natürliche Antikörper im ABO-System (Isoagglutinine) sind: - Anti-B —> Blutgruppe A - Anti-A —> Blutgruppe B - Anti-A,B Blutgruppe 0 - keine -» Blutgruppe AB
Irreguläre Antikörper (Anti-H bei Trägern der Blutgruppe A) sind im ABO-System eine Rarität, dazu häufig nur in der Kälte wirksam und deshalb klinisch meist irrelevant.
Da innerhalb des ABO-Systems reguläre Antikörper vorkommen, ist dieses Blutgruppensystem das für die klinische Transfusionsmedizin wichtigste. Fehltransfusionen führen stets zu schweren hämolytischen Transfusionsreaktionen. Es muß ABO-identisch transfundiert werden!
Transfusion sollte immer ABO-identisch erfolgen!
Ausnahmen. Es gibt jedoch Notsituationen, die wegen Konservenmangels bei bestimmten Blutgruppen (B, AB), der aus der ungleichen Verteilung der ABO-Blutgruppen in der Bevölkerung resultiert, blutgruppenungleiche Transfusionen notwendig machen. So sind AB-identische Polytransfusionen bei schweren operativen Eingriffen oder nach Unfällen wegen der Seltenheit dieser Gruppe oft nicht möglich. Dabei gelten folgende Regeln: Bei ABO-ungleichem Blutersatz sollten Erythrozytenkonzentrate verwendet werden, da bei ihnen mit dem Plasma auch die Isoagglutinine weitgehend entfernt sind: • O-Erythrozytenkonzentrate können auf Träger der Blutgruppe 0 und dürfen auf Träger der Blutgruppen A, B und AB übertragen werden, sofern bei diesen kein bei Körpertemperatur wirksames Anti-H vorliegt.
Merke: Fehltransfusionen -» schwere hämolytische Transfusionsreaktionen.
Regeln für ABO-ungleichen Blutersatz: Grundsätzlich Erythrozytenkonzentrate verwenden: • O-Erykonzentrat Blutgruppe 0 -» Blutgruppe A, B, AB (kein Anti-H-Nachweis)
152 • A-, B-Erykonzentrat blutgruppenidentisch Blutgruppe A, B • AB-Erykonzentrat nur AB-Blutgruppe
18. Klinische Transfusionsmedizin • A- und B-Erythrozytenkonzentrate dürfen nur blutgruppenidentisch und können zusätzlich auf Träger der Blutgruppe AB übertragen werden. • AB-Erythrozytenkonzentrate dürfen nur auf Träger der Blutgruppe A B transfundiert werden.
• Universalspender, -empfänger
Beim ABO-ungleichen Erythrozytenersatz sind Träger der Blutgruppe 0 Universalspender, Träger der Blutgruppe AB Universalempfänger. Beim ABO-ungleichen Plasmaersatz kehren sich diese Regeln wegen des Isoagglutiningehalts der Plasmapräparationen um:
=i>
• O-Plasmakonzentrate dürfen nur auf Träger der Blutgruppe 0 transfundiert werden. • A- und B-Plasmakonzentrate dürfen nur blutgruppenidentisch und können zusätzlich auf Träger der Blutgruppe 0 übertragen werden. • AB-Plasmakonzentrate können auf Träger der Blutgruppe AB und dürfen auf Träger der Blutgruppen A, B und 0 übertragen werden. Regeln für ABO-ungleichen Plasmaersatz Universalspender: Blutgruppe AB Universalempfänger: Blutgruppe 0
Beim ABO-ungleichen Plasmaersatz sind also Träger der Blutgruppe AB Universalspender, Träger der Blutgruppe 0 Universalempfänger. • Wegen der beträchtlichen Gefahren ABO-inkompatibler Transfusionen muß sich der transfundierende Arzt am Patientenbett mittels eines Kartentestes (Bedside-Test) nochmals von der ABO-Identität von Konservenund Empfängererythrozyten überzeugen. Dazu können kommerziell vertriebene, mit Antiseren bereits vorgetropfte Kartensysteme verwendet werden. Ebensogut kann aber auch mit nicht vorgetropften Karten und den Antiseren Anti-A und Anti-B gearbeitet werden. Für die Ablesung gilt folgendes Schema (Tab. 18-1):
Bedside-Test
Die Transfusion einer ABO-inkompatiblen Konserve infolge Unterlassens des Bedside-Testes ist ein Behandlungsfehler des transfundierenden Arztes!
Tab. 18-1: Schematische Darstellung des Bedside-Tests Patientenerythrozyten Agglutination mit Anti-A
Blutgruppe
Anti-B
+
-
+
+ +
Konservenerythrozyten Agglutination mit Anti-A
Anti-B
+ +
+ +
A B AB 0 Blutgruppe A B AB 0
Rhesussystem
1.2 Rhesus- und andere Blutgruppensysteme
Rhesusgenkomplex hat 8 Genkombinationsmöglichkeiten.
Rhesus-(Rh)Blutgruppen. Von hoher transfusionsmedizinischer Relevanz sind die vom Rhesusgenkomplex kodierten und gensynonym bezeichneten Antigene C, c, D, E, e sowie das Faktum, daß dd-Homozygote, rhesusnegative Menschen keine Antigene an ihrer Erythrozytenoberfläche besitzen. Die Rh-Antigene sind untereinander kodominant, d.h. sind die entsprechenden Gene vorhanden, finden sich auch alle Antigene mit der Einschränkung, daß das stumme Allel d kein Antigen kodiert und dd-Phäno(wie Geno-)typen durch das Fehlen des Antigens D definiert sind. Aus der unterschiedlichen Verteilung der Rhesusgenkomplexe resultiert die unterschiedliche Häufigkeit der Rhesusphänotypen oder Mosaike.
Phänotypen im Rhesussystem
Blutgruppen Der Rhesusfaktor D ist ein so starkes Antigen, daß nach Transfusion D-positiven Blutes Rh-positiv an D-negative Empfänger in 80% der Fälle mit einer Anti-D-Bildung zu rechnen ist. Es muß deshalb streng D-identisch transfundiert werden. Ausnahmen von dieser Regel sind nur bei Lebensgefahr zulässig.
153 • Anti-D = stärkstes Rh-Blutgruppenantigen
Streng D-identisch transfundieren! Ausnahme nur bei Lebensgefahr!
Ideal wäre in jedem Fall die mosaikverträgliche Transfusion, die aber in vielen Fällen aufgrund Konservenmangels nicht praktikabel ist. Wegen der im Vergleich zum Anti-D schwächeren Antigenität der übrigen RhMerkmale sind mosaikungleiche Transfusionen durchaus zu verantworten, wobei allerdings bei Frauen im gebärfähigen Alter immer eine phänotypidentische Transfusion erfolgen muß, da Rhesusantikörper der IgG-Klasse angehören und bei Plazentapassage zum Morbus haemolyticus neonatorum führen können.
Rhesusantikörper bei gebärenden Frauen führen zum M. haemolyticus neonatorum
• Niemals darf gegen einen vorhandenen Rhesusantikörper antransfundiert werden, da dies stets hämolytische Transfusionsreaktionen zur Folge hat!
Niemals Transfusion gegen vorhandenen Rh-Antikörper!
Andere Blutgruppensysteme. Von den zahlreichen weiteren Blutgruppensystemen des Menschen ist noch das Kellsystem, speziell seine Antigene K und k zu erwähnen, die ähnliche Antigenstärke wie Rhesusmerkmale besitzen. Deshalb soll auch in diesem System möglichst blutgruppenkompatibel transfundierl werden, was allerdings bei der Antigenverteilung - kk 92%, Kk 7,9%, KK 0,02% - nur bei KK-Homozygoten Probleme bereitet. Alle anderen Blutgruppensysteme sind transfusionsmedizinisch von untergeordneter Bedeutung, da Antikörper in der Regel seltener vorkommen. Identische Transfusion ist nur beim Vorliegen spezifischer Antikörper erforderlich. Ihrer Erfassung dient die vor jeder Transfusion durchgeführte Kreuzprobe zwischen dem Serum des Empfängers und den Erythrozyten der Konserve sowie der Antikörper-Suchtest, der Bestandteil der Kreuzprobe ist. Ist ein solcher Antikörper vorhanden, muß er differenziert werden. Gegen einen solchen Antikörper darf natürlich niemals antransfundiert werden. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß jede Kreuzprobe bei jeder nicht transfundierten Konserve nach 3 Tagen wiederholt werden muß, da zwischenzeitlich z. B. transfusionsinduziert beim Empfänger Antikörper gegen diese nicht transfundierten Erythrozyten gebildet worden sein können. Dies wird im klinischen Alltag oft vergessen, ist aber im Falle eines Zwischenfalles ein Behandlungsfehler.
Andere Blutgruppensysteme Kellsystem: Wegen der Antigenstärke von Kk soll auch im Kellsystem kompatibel transfundiert werden.
1.3 HLA-System
HLA-System
Beim Menschen ist der Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC), der die HLAAntigene kodiert, auf dem kurzen Arm des Chromosom 6 lokalisiert und setzt sich aus den Hauptgenregionen A, B, C und D zusammen. Zwischen D- und B-Region ist eine vierte Region eingelagert, deren Gene die Bildung von Proteinen des Komplementsystems steuern. Die Allele eines jeden MHC-Locus, auf jedem Chromosom 6, werden in der Regel im Block vererbt. Die Kombination dieser Allele entspricht der haploiden genetischen Information und wird als Haplotyp bezeichnet. Ein Mensch kann für ein bestimmtes Allel heterozygot und natürlich homozygot sein. Crossing-over-Ereignisse kommen vor. Die Genprodukte sind wechselseitig kodominant. Die Allele der A-, B- und C-Regionen kodieren die Bildung von Polypeptiden, die nachträglich glykosiliert werden. An diese glykosilierten Polypeptide mit einem Molekulargewicht von 44000 lagert sich das Beta-2-Mikroglobulin an. Die Bildung dieses polymorphen Polypeptids mit einem Molekulargewicht von 12000 wird von einem auf dem Chromosom 15 lokalisierten Gen gesteuert. Im Endergebnis entstehen somit biochemisch sehr ähnliche Heterodimere zwischen den Genprodukten der A-, B- und C-Allele und dem Beta-2-Mikroglobulin. Sie werden als Klasse-I-Antigene bezeichnet und lassen sich auf der Oberfläche aller kernhaltigen Körperzellen, in haploider Expression auf Spermien und in Form der Bg-Antigene (Bga = HLA-B7, Bgb = HLA-B17, Bgc = HLA-A28) an Retikulozyten und auch an reifen Erythrozyten nachweisen. Da das erste derartige Antigen, das heute als HLA-A2 bezeichnet wird, 1958 von Dausset - 1980 erhielt er für diese Entdeckung den Nobelpreis für Medizin - auf Leukozyten nachgewiesen wurde, bezeichnet man die Genprodukte der A-, B- und C-, aber auch der D-Region des MHC als HLA-, d. h. als humane Leukozytenantige-
Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC), setzt sich aus den Hauptgenregionen A, B, C und D zusammen.
Kreuzprobe: Vor jeder Transfusion muß die Kreuzprobe durchgeführt werden, um irreguläre Antikörper zu erfassen. Sie muß nach 3 Tagen bei jeder nicht transfundierten Konserve wiederholt werden.
Genprodukte des MHC werden als HLAAntigene bezeichnet: - Klasse-I-Antigene: HLA-A, B, C (auf der Oberfläche aller kernhaltigen Körperzellen) - Klasse-Il-Antigene: HLA-DR (nur an B-Lymphozyten, Subpopulationen von Monozyten und Makrophagen sowie Endothelzellen)
154
Benennung der Antigene: - Buchstaben A, B, C, D ... bezeichnen den kodierenden Locus, - Zahlen 1, 2,3 ... kennzeichnen die Spezifität des Locus
Bedeutung des HLA-Systems für die Organtransplantation • HLA-Übereinstimmung ist nicht zwingend notwendig, jedoch ist weitgehende Übereinstimmung anzustreben. • MLC-Identität wird nicht gefordert, da „nur" eine graft versus host reaction auftreten kann.
18. Klinische Transfusionsmedizin Die Gene der HLA-D-Region kodieren ebenfalls Heterodimere, die sich von den biochemisch untereinander sehr ähnlichen ABC-Genprodukten unterscheiden und ihnen deshalb als Klasse-II-Antigene gegenübergestellt werden. Im Gegensatz zu den Klasse-I-Antigenen finden sie sich nur an B-Lymphozyten sowie an Subpopulationen von Monozyten und Makrophagen und an Endothelzellen. Man unterscheidet HLA-DR-, -DP- und -DQ-Antigene, kodiert von Allelen auf verschiedenen, synonym bezeichneten Subregionen des HLA-D-Komplexes. Dabei sind nur die HLA-DR- und -DQ-Antigene eindeutig serologisch nachweisbar, während die bekannten HLA-DP-Spezifitäten derzeit routinemäßig über eine zellkinetische Methode, den mit vorsensibilisierten Lymphozyten arbeitenden PLT-Test (primed lymphocyte typing) erfaßt werden können. Es gibt allerdings Hinweise dafür, daß es sich auch bei den DP-Eigenschaften um echte Antigene handelt, und zumindest einige von ihnen auch serologisch nachweisbar sein dürften. Gene und kodierte Antigene der A-, B-, C- und D-Regionen des MHC werden synonym benannt und mit den Buchstaben A, B, C, D . . . zur Bezeichnung der kodierenden Loci und den Zahlen 1, 2, 3 ... zur Kennzeichnung der Spezifität am Locus definiert. Der Buchstabe w diente der Kennzeichnung noch nicht optimal definierter Spezifitäten und fiel weg, wenn die Spezifität als gut definiert anzusehen ist. Bei den C-Merkmalen wird er beibehalten, um Verwechslungen mit Komplementproteinen zu vermeiden. 1.3.1 H L A - S y s t e m u n d O r g a n t r a n s p l a n t a t i o n (s. Kap.26, S.242) Ebenfalls wegen des extremen Polymorphismus des HLA-Systems, aber auch wegen der kurzen Zeit zwischen Explantation und Transplantation Organspender sind meist unverwandte Unfallopfer - ist bei der Übertragung solider Organe eine MLC-identische Transplantation in der Regel nicht möglich, aber auch nicht unbeding zu fordern, da hier, von wenigen Ausnahmen abgesehen, „nur" eine graft versus host reaction (GVH) = Transplantat gegen Wirt-Reaktion, eine Reaktion des Empfängerimmunsystems gegen das Transplantat zu erwarten ist. Es ist sogar umstritten, ob zwingend HLA-identisch transplantiert werden muß, dies vor allem vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verbesserung der Immunsuppressiva. Tatsache ist allerdings, daß in Familien Transplantate von HLA-identischen Geschwistern eine deutlich längere Überlebenszeit aufweisen als solche von HLAnichtidentischen. Dies ist mit Sicherheit darauf zurückzuführen, daß bei HLA-Identität in der Familie meist auch MLC-, also komplette MHC-Identität besteht, und eine Abstoßungsreaktion dann nur sehr chronisch, über schwache Histokompatibilitäts-, z. B. Blutgruppendifferenzen, vermittelt, auftreten kann. Bei Nichtverwandten läßt sich diese Beziehung zwischen HLA-Identität und Transplantatüberlebenszeit nicht so eindeutig belegen, was wiederum dadurch bedingt ist, daß wegen des großen HLA-Polymorphismus HLA-Antigenübereinstimmung nicht ohne weiteres mit MLC-Identität gleichzusetzen ist, die MLC aber nicht durchführbar ist, da sie Tage dauert.
Bedeutung des HLA-Systems für die Bluttransfusion
1. transfusionsbedingte Immunsuppression
2. Induktion von HLA-Ak
3. positiver Transfusionseffekt bei Nierentransplantation
1.3.2 HLA-System und Bluttransfusion Mit jeder Bluttransfusion werden auch Lymphozyten, immunkompetente Zellen mit zahllosen, das immunologische Selbst definierenden Antigenen an ihrer Oberfläche übertragen. Die Transfusion führt deshalb zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Suppression des Empfängerimmunsystems, sehr wahrscheinlich deshalb, weil es vorzugsweise damit beschäftigt ist, die transfundierten Fremdlymphozyten zu eliminieren und daher weniger Potenzen für andere Fremdantigene aufbringen kann. Außerdem induzieren die Fremdlymphozyten die Bildung von HLA-Antikörpern, die insbesondere bei Langzeittransfundierten über febrile, nicht hämolytische Transfusionsreaktionen die Applikation von Blut und Blutprodukten erheblich erschweren können. Die transfusionsinduzierte Immunsuppression ist vermutlich zentrale Ursache für den positiven Transfusionseffekt bei der Nierentransplantation, die längere Transplantatüberlebenszeit bei vortransfundierten Nierenempfängern. Die Mechanismen, die diesem Effekt auf die Transplantatüberlebenszeit zugrunde liegen, sind unklar, aber wohl über Konservenlymphozyten vermittelt, denn lymphozytenfreie Konserven sind in dieser Hinsicht ineffektiv.
Blutprodukte und ihre Indikationen
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Analog kennt die Tumorchirurgie wahrscheinlich einen negativen Transfusionseffekt: Es wurde ein gehäuftes Auftreten von Rezidiven beobachtet bei Patienten, die im Zusammenhang mit Tumoroperationen leukozytenhaltige Konserven erhalten haben im Gegensatz zu nicht transfundierten Patienten. • Hier ist zu bedenken, ob man nicht im Umfeld von Tumoroperationen, aber auch ganz grundsätzlich im Tolerieren von Anämien großzügiger sein sollte und, wenn Transfusionen unvermeidlich sind, soweit als möglich auf leukozytendepletierte Konzentrate oder Eigenblutkonserven ausweichen sollte.
2. Blutprodukte und ihre Indikationen Eine Transfusion von Erythrozyten wird in der Regel nötig bei Abfall des Hb unter 10 g/dl und des HK unter 30%, wobei klinische Faktoren wie begleitende kardiovaskuläre und pulmonale Erkrankungen bei der Indikation zur Transfusion mitberücksichtigt werden müssen.
4. negativer Effekt in der Tumorchirurgie (höhere Rezidivrate) deshalb - Transfusionen möglichst vermeiden oder - auf leukozytendepletierte Konzentrate beschränken oder - auf Eigenblutkonserven ausweichen
Blutprodukte u n d ihre Indikationen
Indikation zur Infusions- und Transfusionstherapie Transfusion erforderlich bei Hb-Abfall < 10 g/dl und HK-Abfall < 30%
Für akute Blutungen gelten die in Tabelle 18-2 aufgeführten Kriterien. Ist die Transfusion großer Mengen absehbar, sollte vor Beginn von Infusion und Transfusion hinreichend Kreuzblut abgenommen werden, um das Ergebnis nachfolgender Kreuzproben nicht zu verfälschen. Tab. 18-2: Indikation zur Infusions- und Transfusionstherapie Blutverlust
Indikation für Infusion zellfreier Flüssigkeiten
Indikation für Transfusion von Erythrozytenkonserven
< 1000 ml
relativ
keine
1000-1500 ml
streng
relativ
1500-2000 ml
streng (ca. 50% des zugeführten Volumens)
streng
> 2000 ml
relativ (höchstens 20% des zugeführten Volumens)
absolut
In der Praxis kommen verschiedene Blutprodukte zur Anwendung, die dezidiert definiert sind und bei unterschiedlichen klinischen Indikationen eingesetzt werden: • Vollblut enthält sowohl die zellulären Elemente des Blutes als auch Blutplasma. Nach modernen transfusionsmedizinischen Gesichtspunkten ist die einzige Indikation für Vollblutkonserven der Volumenersatz nach großen Blutverlusten (schwere Unfälle, Aortenaneurysma- und Ösophagusvarizenblutungen).
1. Vollblut Einzige Indikation: - Volumenersatz nach großen Blutverlusten.
Da der großzügige Einsatz von Vollblutkonserven die Entstehung von Gerinnungsstörungen begünstigt, sollte man allerdings auch in solchen Fällen besser Erythrozytenkonzentrate und frisch gefrorenes Plasma (FFP) einsetzen, das im Gegensatz zum Plasma älterer Vollblutkonserven funktionierende Gerinnungsfaktoren enthält.
Vollblutkonserven begünstigen Gerinnungsstörungen. Besser sind Erythrozytenkonzentrate und frisch gefrorenes Plasma (FFP).
• Frischblut ist Vollblut, das nicht älter als 48 h ist. Warmblut ist Vollblut, das nicht älter als 2 h ist. Beide Produkte enthalten noch Thrombozyten, Warmblut zusätzlich mehr aktive Gerinnungsfaktoren. Frisch-, besser Warmblutpräparate sind bei der Austauschtransfusion im Rahmen hämolytischer Transfusionszwischenfälle indiziert. Bei der Austauschtransfusion im Rahmen von Neugeborenenerythroblastosen ist ihr Einsatz umstritten. Beide Präparationen sind nur in Schnelltesten auf Lues- und Hepatitis-B-Freiheit getestet, so daß ihr Einsatz mit einem erhöhten Risiko für Infektionsübertragung behaftet ist.
2. Frisch- und Vollblut Frischblut Vollblut, nicht älter als 48 h. Warmblut -> Vollblut, nicht älter als 2 h. Indikation: - Austauschtransfusion
156 Vor jeder Transfusion HIV-Ak-Test des Spenderblutes erforderlich!
18. Klinische Transfusionsmedizin Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß in Deutschland keine Blutpräparation zur Transfusion freigegeben wird, solange beim Spender der Test auf HIV-Antikörper nicht abgeschlossen und als negativ befundet worden ist. Das Risiko der HIV-Übertragung durch Blutprodukte reduziert sich damit auf das Phänomen der „diagnostischen Lücke", der Zeit zwischen HIV-Infektion und Auftreten der Antikörper, welches derzeit mit 1:300000-1:3000000 relativ gering ist.
3. Erythrozytenkonzentrat Standardpräparat der klinischen Transfusionsmedizin - breite Indikation!
• Erythrozytenkonzentrat ist eine Blutkonserve, aus der das Plasma bis auf minimale Reste entfernt wurde. Es werden also nur Blutzellen, vorzugsweise Erythrozyten, transfundiert. Erythrozytenkonzentrate sind bei allen Patienten indiziert, bei denen Sauerstoffträger zu ersetzen sind, während ein gleichzeitiger Volumenersatz nicht dringlich oder unnötig ist. Erythrozytenkonzentrate sind heute das Standardpräparat der klinischen Transfusionsmedizin.
4. Gefilterte Erythrozytenkonzentrate Lymphozyten können über HLA-Antigene bei Langzeittransfundierten zur Bildung lymphozytotoxischen HLA-Antikörpern führen.
• Gefilterte Erythrozytenkonzentrate. Das normale Erythrozytenkonzentrat enthält neben den Erythrozyten Lymphozyten, Monozyten und Bruchstücke von Granulo- und Thrombozyten und stellt damit wie jede Vollblutpräparation einen immunologischen Stimulus für den Empfängerorganismus dar. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Lymphozyten, die auch im Empfängerorganismus lebens- und teilungsfähig bleiben. Neben dem bereits erwähnten Transfusionseffekt können sie über ihre HLA-Antigene bei Langzeittransfundierten zur Bildung von lymphozytotoxischen HLA-Antikörpern führen, die in der Folge häufig Ursache für nichthämolytische febrile Transfusionsreaktionen sind und notwendige Bluttransfusionen erschweren.
Entfernung der Leukozyten durch Spezialfilter. Indikationen: - längerfristige Transfusionstherapie - Respiratory Distress Syndrom - nachgewiesene leuko- und thrombozytäre Antikörper - mindestens 2 febrile, nichthämolytische Transfusionsreaktionen - im Umfeld von Tumoroperationen (Einsatz noch umstritten)
Über moderne Filtersysteme kann man intra transfusionem am Patienten die in der Konserve enthaltenen Leukozyten fast vollständig im Filter zurückhalten und somit lymphozytenfreie Erythrozytenkonzentrate übertragen und diese unerwünschten Nebeneffekte vermeiden. Diese Filtration sollte immer durchgeführt werden bei Patienten, die über längere Zeiträume transfusionsbedürftig sind (Patienten mit primären und sekundären chronischen Anämien z. B. bei malignen Systemerkrankungen; Patienten vor Knochenmarktransplantation).
Weitere Indikationen für die Applikation von gefilterten Erythrozytenkonzentraten bestehen bei Patienten mit ARDS, bei Patienten mit nachgewiesenen leuko- bzw. thrombozytären Antikörpern, z.B. HLA-Antikörpern und bei Patienten mit mindestens zwei febrilen, nichthämolytischen Transfusionsreaktionen in der Anamnese, da hier auch bei fehlendem Nachweis der dringende Verdacht auf das Vorliegen solcher Antikörper besteht. Umstritten ist noch die Gabe von gefilterten Erythrozyten im Umfeld von Tumoroperationen, um den bereits erwähnten negativen Transfusionseffekt zu vermeiden.
5. Gewaschene Erythrozytenkonzentrate Entfernung der Plasmareste Indikationen: - autoimmunhämolytische Anämie mit Komplementbeteiligung - paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie - offensichtliche Eiweißunverträglichkeit - IgA-Mangelsyndrom
• Gewaschene Erythrozytenkonzentrate sind Erythrozytenpräparationen, aus denen durch Waschen (Zentrifugieren) mit physiologischer Kochsalzlösung alle Plasmareste weitgehend entfernt sind. Durch das Waschen tritt gleichzeitig eine allerdings unzureichende Leukozytenreduktion ein. Nachdem durch die modernen Filtrationsmöglichkeiten die Leukozytenverarmung als Grund für das Waschen entfallen ist, reduziert sich die Notwendigkeit zur Gabe gewaschener Erythrozytenkonzentrate auf einige wenige Indikationen, die Übertragung von Fremdeiweiß ausschließen. So dürfen Patienten mit autoimmunhämolytischen Anämien mit Komplementbeteiligung und Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) strikt nur gewaschene, plasma- und damit komplementfreie Konserven erhalten. Weitere Indikationen für die Applikation gewaschener Erythrozytenkonzentrate bestehen bei offensichtlicher Eiweißunverträglichkeit, bei Patienten mit IgA-Mangelsyndrom und Anti-IgA-Antikörpern.
6. Thrombozytenkonzentrate Indikationen:
• Thrombozytenkonzentrate sind entweder am Zellseparator hergestellte Einzelspenderkonzentrate oder aus Warmblutkonserven hergestellte plätt-
Komplikationen der Bluttransfusion chenreiche Plasmen. Vier plättchenreiche Plasmen enthalten in etwa die Thrombozytenmenge eines Einzelspenderpräparates (= 2 x 1011 Thrombozyten). Das große Feld der Thrombozytentransfusion ist die Chemotherapie-induzierte Thrombozytopenie besonders im Rahmen der Leukämietherapie (Thrombozyten < 20000 und petechiale Blutungen).
157 - Thrombozytenwerte < 20000 und petechiale Blutungen, - Chemotherapie-induzierte Thrombozytopenie - nicht indiziert bei Immunthrombozytopenie.
Bei der Immunthrombozytopenie ist die Gabe von Thrombozytenkonzentraten auch bei solchen Thrombozytenwerten nicht indiziert, da die die Krankheit verursachenden Thrombozytenautoantikörper auch die transfundierten Fremdthrombozyten zerstören. Eine Ausnahme von dieser Regel kann gemacht werden, insbesondere, wenn eine bei dieser Krankheit therapeutisch häufig effektive Milzexstirpation geplant ist. Die Thrombozytentransfusion ist hier nur bei gleichzeitiger therapeutischer Immunglobulingabe im Umfeld der Operation sinnvoll.
• Granulozytenkonzentrate sind am Zellseparator von Einzelspendern hergestellte granulozytenreiche, aus technischen Gründen immer mehr oder weniger mit Erythrozyten „verunreinigte" Präparationen. Während bis zu Beginn der 80iger Jahre Patienten mit Leukozytenzahlen < 500 |xl peripheren Blutes und antibiotisch nicht beherrschbaren Infektionen häufig mit Granulozytenkonzentraten versorgt wurden, ist diese Therapie wegen der kurzen Halbwertzeit und unzureichender Menge transfundierter Granulozyten und wegen der HLA-Restriktion der Immunantwort heute weitgehend verlassen.
7. Granulozytenkonzentrate Indikation auf wenige Fälle beschränkt: - wegen unzureichender Menge von Granulozyten im Konzentrat und - wegen HLA-Restriktion der Immunantwort.
• FFP (fresh frozen plasma = frisch gefrorenes Plasma) ist aus Warmblutkonserven im Rahmen der Erythrozytenkonzentratherstellung gewonnenes, schockgefrorenes Plasma, das aktive Gerinnungsfaktoren enthält. Seine Gabe dient vor allem der Substitution von Gerinnungsfaktoren, z.B. bei Verbrauchskoagulopathien oder im Rahmen von Operationen. Da FFP ganz offensichtlich auch die Mikroaggregatbildung bei schwer traumatisierten Patienten verhindern kann, ist die Substitution dieser Patienten mit Erythrozytenkonzentraten und FFP der Vollblutsubstitution vorzuziehen.
8. FFP (frisch gefrorenes Plasma! enthält aktive Gerinnungsfaktoren Indikation: - Substitution von Gerinnungsfaktoren bei Verbrauchskoagulopathie - Verhinderung von Mikroaggregatbildung bei schwer traumatisierten Patienten
• Gerinnungsfaktoren. Bei Mangel an einzelnen Gerinnungsfaktoren müssen diese gezielt substituiert werden, z.B. FaktorVIII-Kryopräzipitat, Cohn-Fraktion I (Faktor VIII + Fibrinogen), Faktor IX PPSB (Prothrombin + Prokonvertin + Stuart-Prower-Faktor + Globulin B = Prothrombinkomplex).
9. Gerinnungsfaktoren Indikation: - gezielte Substitution bei Mangel an einzelnen Faktoren.
3. Komplikationen der Bluttransfusion
Komplikationen der Bluttransfusion
3.1 Hämolytische Transfusionsreaktion
Hämolytische Transfusionsreaktion
Ein hämolytischer Transfusionszwischenfall entsteht infolge Zerstörung der transfundierten Erythrozyten im Empfängerorganismus durch die natürlichen Antikörper im ABO-System oder irreguläre Antikörper in den anderen Blutgruppensystemen. Hämolytische Transfusionszwischenfälle sind dank serologischer Voruntersuchungen sehr selten. Verwechslungen und Identifikationsfehler z.B. auf Station und im OP-Bereich sind die häufigste Ursache. Die Pathophysiologie und die klinische Gefährlichkeit einer blutgruppeninkompatiblen Transfusion beim Vorliegen spezifischer Antikörper sei am Beispiel der Übertragung einer A-Vollblutkonserve auf einen Patienten der Blutgruppe 0 erläutert.
Verwechslungen und Identifikationsfehler sind die häufigste Ursache.
Alle übertragenen Erythrozyten werden sofort mit den im Empfängerserum im Überschuß vorhandenen Anti-A-Isoagglutininen beladen, verklumpen und hämolysieren. Durch die an der Erythrozytenoberfläche ablaufende Antigen-AntikörperReaktion kommt es zur massenhaften Freisetzung von Histamin und histaminähnlichen Substanzen, die über Gefäßdilatation und Permeabilitätserhöhung der Gefäßmembran mit vermehrtem Flüssigkeitsabstrom ins Gewebe einen Volumenmangelschock induzieren. Die Erythrozytenagglutinate schädigen durch Verschluß kleiner Gefäße zunächst die Lunge, später die bereits schockgeschädigte Niere. In der Folge wird die Nierenschä-
Pathophysiologie • Erythrozyten werden mit Anti-A-Isoagglutininen beladen und verklumpen oder hämolysieren Freisetzung von Histaminen -» Flüssigkeitsabstrom ins Gewebe induziert Volumenmangelschock Verschluß kleiner Gefäße in Lunge und Niere durch Erythrozytenagglutinate, • Aktivierung der disseminierten intravasalen Gerinnung DIC (Verbrauchskoagulopathie).
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18. Klinische Transfusionsmedizin digung durch die Ausscheidung großer Mengen freien Hämoglobins aus den hämolysierten Konservenerythrozyten über Verstopfung von Tubuli weiter verstärkt. In schwersten Fällen kommt es über Aktivierung der intravasalen Gerinnung zum Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten, der in der Regel massive Blutungen nach sich zieht, die den histamininduzierten Schock vertiefen. Solche Zwischenfälle enden oft tödlich.
Symptome: Unruhe, Übelkeit, Hitzegefühl, Schweißausbruch, Flush, Schmerz in der Lendengegend, retrosternaler Druck, Blutdruckabfall, Schock, Gerinnungsstörungen.
Symptome: sind Unruhe, Übelkeit, Hitzegefühl, Schweißausbruch, Flush, Schmerz in der Lendengegend, Druck hinter dem Sternum, Blutdruckabfall, Schock, gestörte Blutgerinnung infolge Verbrauchskoagulopathie. Unter Narkose fehlen die meisten dieser Symptome. Blutdruckabfall, verminderte Gerinnbarkeit des Blutes im Operationsgebiet und Hämoglobinurie sind die einzigen Hinweise auf eine Hämolyse.
Therapie: - sofort Abbruch der Transfusion - Schocktherapie - Behandlung der Verbrauchskoagulopathie - Verhütung der Niereninsuffizienz
Therapie. Bei Verdacht auf eine Transfusionsreaktion muß die Transfusion sofort abgebrochen werden! Im Vordergrund steht die Schocktherapie mit Behandlung der Schocksymptomatik, Verhinderung oder Unterbrechung der Verbrauchskoagulopathie und Verhütung der Niereninsuffizienz. In schweren Fällen kann eine Austauschtransfusion nötig werden. Zur Abklärung eines Transfusionszwischenfalles müssen Blutgruppenbestimmung von Empfänger und Konserven und der Kreuztest wiederholt werden, und zwar aus frisch abgenommenem Blut sowie aus den ursprünglichen Proben, die im Labor aufbewahrt werden.
Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion: Hämolyse setzt nach 5-7 Tagen ein, wenn der verursachende Antikörper ausreichend geboostert ist.
Eine Sonderform stellt die verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion dar, bei der die Hämolyse nach 5-7 Tagen einsetzt. Die Verzögerung erklärt sich durch einen zum Zeitpunkt der Transfusion niedrigen Antikörpertiter, meist unter der Nachweisgrenze. Durch die Transfusion erfolgt eine Boosterung der Antikörperbildung und erst nach einigen Tagen, wenn die Antikörperkonzentration gestiegen ist, kommt es zur Hämolyse.
Febrile, nichthämolytische Transfusionsreakion
3.2 Nichthämolytische Transfusionsreaktion, Allergie
- entsteht durch zytotoxische Antikörper
Die febrile, nichthämolytische Transfusionsreaktion ist die häufigste früh auftretende Komplikation und entsteht meistens durch zytotoxische Antikörper aus dem HLA-Bereich.
Symptome: • Fieber • Schüttelfrost Therapie: symptomatisch z. B. Dolantin i.v.
Durch die immunologische Zerstörung der Leukozyten kommt es zur Einschwemmung von Pyrogenen und nachfolgendem Fieber. Neben Fieber kann es zu Schüttelfrost, seltener zu Schock und Kreislaufversagen kommen. Die Therapie ist auch hier Unterbrechen der Transfusion und Behandlung der Symptome. Fieberreaktion und Schüttelforst können durch intravenös appliziertes Dolantin rasch durchbrochen werden. Diese Komplikation kann im Wiederholungsfall durch Transfusion von leukozytenarmen Blutprodukten weitgehend vermieden werden.
Allergische Nebenwirkungen Durch Eiweißunverträglichkeiten bedingt. Symptome: - Pruritus, Urtikaria - selten Quincke-Ödem, Bronchospasmus, anaphylaktischer Schock Therapie: Kortison, Antihistaminika, bei gehäuftem Auftreten gewaschene Erythrozytenkonzentrate.
Allergische Nebenwirkungen beruhen meist auf Eiweißunverträglichkeiten, die genaue Ursache bleibt meistens unbekannt. Die Symptome sind Pruritus und Urtikaria. Selten kommt es zu Quincke-Ödem, Bronchospasmus und anaphylaktischem Schock. Neben der Therapie der Erscheinungen mit Kortison und Antihistaminika empfiehlt sich bei gehäuftem Auftreten die Verwendung gewaschener Erythrozytenkonzentrate. Es sei angemerkt, daß Urtikaria auch im Verlauf hämolytischer Transfusionsreaktionen auftreten kann, niemals aber deren Beginn markiert.
Graft-versus-Host-Disease
3.3 Graft-versus-host-Krankheit (GvHD)
Als Folge der Ansiedlung von Spenderlymphozyten und peripheren Stammzellen des Spenders, häufig nach Granulozytentransfusion auftretend.
Eine der seltenen, aber zugleich auch gefürchteten Komplikationen der Bluttransfusion ist die GvHD. Sie kommt nur bei immundefizienten oder immunsupprimierten Empfängern vor und ist Folge der Ansiedlung von Spenderlymphozyten und peripheren Stammzellen des Spenders im immunologisch inkompetenten Empfängerorga-
Komplikationen der Bluttransfusion
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nismus. Bevorzugt wird sie nach Granulozytentransfusionen beobachtet, kann aber auch nach Applikation von Erythrozytenkonzentraten auftreten. D a der Immunapparat von Fet und Neugeborenen noch nicht völlig ausgereift ist, kann sie auch im Rahmen der Austauschtransfusion zur Behandlung des M. haemolyticus neonatorum auftreten. Sie ist auf Inkompatibilität zwischen Spender und Empfänger bezüglich schwacher und starker Histokompatibiltätssysteme zurückzuführen, über die eine in ihrer Stärke vom Fremdheitsgrad abhängige Proliferation transfundierter Lymphozyten gegen Gewebe des Spenders vermittelt wird. Schwere Fälle imponieren durch Fieber, Hautausschläge, Hepatitis, Diarrhoen, Markdepression und Infekte und können tödlich verlaufen. Zur Prävention der im immuninsuffizienten Organismus möglichen schweren G v H D dürfen Immunkompromittierte, z.B. Knochenmarktransplantierte, nur mit 25 Gy bestrahlte leukozytenreduzierte Blutprodukte erhalten. Diese Dosis schaltet die Replikationsfähigkeit von 85-95% der Konservenlymphozyten in Erythrozyten-, Granulozyten- und Thrombozytenkonzentraten aus, ohne die Funktion der spezifischen Zellen zu beeinträchtigen.
Nur bei immundefizienten bzw. -supprimierten Empfängern. • Zeichen: - Fieber - Hautausschlag - Hepatitis - Diarrhoe - Markdepression - Infekte Todesfälle sind beschrieben!
3.4 Massivtransfusion
Massivtransfusion
Definition. Von einer Massivtransfusion spricht man, wenn innerhalb von 24 h das Anderthalbfache des körpereigenen Blutvolumens übertragen wird. Die Massivtransfusion kann zahlreiche Komplikationen nach sich ziehen: Häufig werden Gerinnungsstörungen beobachtet.
Massivtransfusion -»Übertragung einer Blutmenge, die dem lV 2 fachen des körpereigenen Blutvolumens in 24 h entspricht. Komplikationen: • Gerinnungsstörungen - können bei verlustadaptiertem Volumenersatz meist vermieden werden
Diese sind aber nach heutiger Auffassung meist nicht Folge der Transfusion und der „Minderwertigkeit" des Konservenblutes, sondern stehen eher in Zusammenhang mit dem Blutverlust, der die Massivtransfusion bedingt und mit dem blutverlustinduzierten Schockzustand.
Gelingt es unverzüglich, einen verlustadaptierten Volumenersatz durchzuführen, treten in der Regel auch nach mehrfacher Austauschtransfusion keine Hämostasestörungen auf. Im Verlauf von Massivtransfusionen können Elektrolytstörungen Herzrhythmusstörungen begünstigen. Dabei spielen Hyperkaliämien kaum eine Rolle, da die Niere das überschüssige Kalium meist rasch entfernt. Aufgrund einer unphysiologischen Zitratbelastung kann es allerdings bei Hypoperfusion, Hypothermie oder Leberperfusionsstörungen zur Zitratintoxikation mit Hypokalzämie und Hypomagnesämie kommen, die das Auftreten von Tachyarrhythmien, Herzinsuffizienz und Kreislaufversagen begünstigen. Deshalb sollte immer für eine adäquate Zitratclearance gesorgt werden, die durch ungestörte Kapillarperfusion und Normothermie der Patienten gewährleistet werden kann. Bei Massivtransfusion und Austauschtransfusionen Neugeborener sollten deshalb auf 37 °C erwärmte Konserven verwendet werden. Bei Herzrhythmusstörungen sollte Kalzium beziehungsweise Magnesiumchlorid substituiert werden. Gefürchtet ist das akute Lungenversagen im Gefolge von Massivtransfusionen, wobei eine enge Korrelation zwischen Transfusionsvolumen und Ausbildung eines Atemnotsyndroms bestehen dürfte. Wesentliche Ursache ist die Freisetzung von Serotonin, Histamin, ADP, Adrenalin, Leukotrienen und Leukozytenproteasen aus geschädigten Blutzellen, wobei die Zelldefizienz sowohl lagerungs- als auch, über Bildung von Zellaggregaten, schockbedingt sein kann. Der Einstrom dieser Mediatoren und Proteasen in die Kapillaren führt zum Anstieg des hydrostatischen Kapillardrucks und zum Auftreten endothelialer Lecks in der Lunge. Es kann zu interstitiellen Ödemen kommen. Auf der Basis eines erhöhten pulmonalvaskulären Widerstands, eines erhöhten hydrostatischen Kapillardrucks und eines deutlich gesteigerten intrapulmonalen Shunts kommt es zu einer kritischen Einschränkung der arteriellen Sauerstoffaufnahme.
Auch die bei Massivtransfusionen auftretenden Nierenfunktionsstörungen sind möglicherweise über die genannten Faktoren vermittelt. Da sie fast regelhaft auftreten, ist die prophylaktische Anwendung von Dopamin zur Steigerung der Nierendurchblutung und damit der Filtrationsleistung bei allen Massivtransfusionen indiziert.
Prävention: Bestrahlen von Blutprodukten (25 Gy).
• Elektrolytstörungen - Zitratintoxikation mit Hypokalzämie und Hypomagnesämie kann zu Tachyarrhythmie, Herzinsuffizienz und Kreislaufversagen führen - bei Herzrhythmusstörungen: Substitution von Kalzium bzw. Magnesiumchlorid
• akutes Lungenversagen
- Ursachen
Nierenfunktionsstörungen Prophylaxe: Dopamin.
18. Klinische Transfusionsmedizin
160 Hypervolämie
3.5 Hypervolämie, Siderose
Kreislaufdekompensation mit Lungenödem vor allem bei Kindern, kreislaufgeschädigten älteren Menschen, Patienten mit chronischer Anämie. Deshalb hier kein Vollblut, sondern streng nur Erythrozytenkonzentrate!
Hypervolämie: Insbesondere bei Kindern mit kleinem Blutvolumen, kreislaufgeschädigten älteren Menschen und Patienten mit chronischen Anämien und damit erhöhtem Plasmavolumen kann die Transfusion zu großer Volumina zur Kreislaufdekompensation mit Lungenödem führen. Deshalb sollten solche Patienten auf keinen Fall Vollblut, sondern streng nur Erythrozytenkonzentrate erhalten.
Hämosiderose Eisenablagerung und Schädigung von Leber, Herz, endokrinen Drüsen.
Transfusionshämosiderose. Eine Blutkonserve enthält 250 mg an Hämoglobin gebundenes Eisen, während die tägliche Eisenelimination des Organismus nur 1 mg beträgt. Langzeittransfusion bei Patienten mit chronischen Anämien unterschiedlicher Genese führt also zu Eisenüberladung des Organismus mit Eisenablagerung im Gewebe und Schädigung vor allem der Leber, des Herzens und der endokrinen Drüsen. Eine Transfusionshämosiderose manifestiert sich nach Transfusion von etwa 100 Erythrozytenkonzentraten in jedem Fall.
Infektionskrankheiten und Transfusion
3.6 Transfusion und Infektionskrankheiten Die meisten durch Bluttransfusion verursachten Todesfälle sind auch heute noch auf die gleichzeitige Übertragung pathogener Agenzien zurückzuführen. Alle transfusionsmedizinisch relevanten Krankheitserreger zeigen charakteristische pathophysiologische Gemeinsamkeiten:
Pathophysiologische Gemeinsamkeiten der relevanten Erreger
Die Übertragung von Krankheitserregern ist das größte Transfusionsrisiko
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• Sie verweilen lange Zeit im strömenden Blut. • Die durch sie verursachten Krankheiten haben lange Inkubationszeiten und verlaufen oft inapparent. • Viele dieser Krankheiten chronifizieren oder hinterlassen einen Trägerstatus. • Die Erreger zeigen eine bemerkenswerte Stabilität in unter Kühlschrankbedingungen (4 °C) gelagertem Blut und in vielen Fällen auch in Plasmaprodukten. • Häufig fehlen für das Massenscreening geeignete Testverfahren. • Sind sie vorhanden, erlauben sie meist nicht die Erfassung aller infizierten Blutspender („diagnostischen Lücken").
Die transfusionsvermittelte Übertragung von Krankheitserregern stellt unverändert ein größeres Transfusionsrisiko dar als alle anderen Transfusionsrisiken zusammengenommen, Blutgruppenverwechslungen und antikörperbedingte erythrozytäre Transfusionszwischenfälle eingeschlossen; Bakterien, Protozoen, Viren.
1. Bakterien: - Endotoxinschock infolge gramnegativ verkeimter Konserven ist eines der gefährlichsten Transfusionsrisiken, - Kontaminationsquelle ist meist die Blutentnahme; 0,5% aller Konserven! - Präparation von Spezialkonserven begünstigt die Kontamination.
• Bakterien: Gefürchtet und außerordentlich gefährlich, allerdings sehr selten, ist die Transfusion bakteriell kontaminierter oder endotoxinhaltiger Konserven. Zu den gefährlichsten Transfusionsrisiken überhaupt gehört der Endotoxinschock infolge Transfusion gramnegativ verkeimter Konserven, wobei als Erreger E. coli und Pseudomonas aeruginosa, die sich sogar bei Kühlschranktemperatur vermehren können und starke Endotoxinbildner sind, ganz im Vordergrund stehen. Hauptquellc der bakteriellen Kontamination von Blutkonserven war und ist die Blutentnahme: 0,5% der Blutkonserven müssen vom Entnahmezeitpunkt an als bakteriell kontaminiert angesehen werden.
Vorsichtsmaßnahmen: - Sterilitätskontrollen des Herstellers - Haltbarkeitsdatum - Vermeiden von Kühlkettenunterbrechungen - sofortige Transfusion angestochener Konserven - Verwerfen von nur teilweise transfundierten Konserven - Kontrolle der Plasmafarbe vor Transfu-
Um die aseptischen Entnahmekautelen einer Blutbank ständig zu überprüfen, muß jede hundertste Blutkonserve vom Hersteller auf bakterielle Verkeimung untersucht werden. Bei der Präparation von Spezialkonserven - gefilterte und gewaschene Erythrozyten- sowie Thrombozytenkonzentrate - ist die Gefahr der Verkeimung, wegen der Herstellung am offenen System, natürlich erheblich größer als bei den konventionellen Konserven. Eine Qualitätskontrolle des Herstellungsverfahrens hinsichtlich Asepsis sollte deshalb bei jeder fünfundzwanzigsten Spezialkonserve vorgenommen werden. Außerdem ist strikt darauf zu achten, daß diese Konzentrate nur innerhalb der angegebenen Haltbarkeitszeiten transfundiert werden, um bei möglicher Verkeimung eine Vermehrung der in den Konserven befindlichen Bakterien über ein kritisches Maß hinaus zu verhindern.
Komplikationen der Bluttransfusion
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Konserven, die bereits zur Transfusion angestochen und mit einem Transfusionsbesteck versehen sind, sollten unmittelbar transfundiert werden und nicht stundenlang in Stationsvorbereitungsräumen, auch nicht in Stationskühlschränken, herumliegen. Im übrigen sollte man sich jede Konserve vor Transfusion gründlich ansehen. Eine einwandfreie Blutkonserve zeigt auch am Ende der angegebenen Lagerungsfrist ein bernsteinfarbenes, im Falle einer Hyperlipoproteinämie beim Spender ein lipämisches, weißliches Plasma. Hämolysezeichen wie roter Plasmasaum oder Rotfärbung des gesamten Plasmas, sonstige Verfärbungen oder Gas- und Gerinnselbildungen legen stets den Verdacht auf bakterielle Kontamination nahe. Die Ausgabe und Transfusion solcher Konserven ist kontraindiziert. Sollte es dennoch einmal zur Transfusion von bakteriell kontaminierten Konserven kommen, sind unverzüglich alle Maßnahmen der Schockprophylaxe bzw. -therapie zu ergreifen. Außerdem ist sofort eine Austauschtransfusion mit Frischblut in die Wege zu leiten. Breitbasige antibiotische Abdeckung ist selbstverständlich. Die Transfusionslues, früher ein ernstes Problem, kommt heute kaum noch vor. • Protozoen: Am wichtigsten ist die potentielle Übertragbarkeit der Toxoplasmose. Da unkomplizierte Nachweismethoden fehlen, ist eine Überwachung der Blutspender praktisch undurchführbar und bei hoher Durchseuchungsrate unserer Population (80%) auch nicht notwendig, da nicht nur die meisten Spender, sondern auch die meisten Empfänger ohnehin infiziert sind. Lmmunsupprimierte Patienten sind bei Infektion jedoch durch schwere Organmanifestationen gefährdet. Gefürchtet ist auch die intrauterine Übertragung im letzten Schwangerschaftsdrittel. Deshalb sollte Angehörigen der betreffenden Risikogruppen toxoplasmosenegatives Blut oder, falls dies nicht möglich ist, leukozytenfreies Blut verabreicht werden, da der Erreger sich in kernhaltigen Zellen aufhält. • Viren: E s k a n n g r u n d s ä t z l i c h j e d e mit V i r ä m i e e i n h e r g e h e n d e V i r u s i n f e k t i o n d u r c h B l u t t r a n s f u s i o n ü b e r t r a g e n w e r d e n . B e i z a h l r e i c h e n d u r c h Blutt r a n s f u s i o n e n ü b e r t r a g e n e n I n f e k t i o n e n w i r d d i e H e r k u n f t j e d o c h nicht erk a n n t , d a d i e I n f e k t i o n h ä u f i g mild o d e r i n a p p a r e n t v e r l ä u f t u n d z u d e m meist in E p i d e m i e z e i t e n fällt. D a s Zytomegalievirus (CMV) ist in u n s e r e r B e v ö l k e r u n g e n d e m i s c h vorh a n d e n , die D u r c h s e u c h u n g liegt bei 5 0 % . D i e I n f e k t i o n v e r l ä u f t meist klinisch i n a p p a r e n t . Bei I m m u n g e s c h w ä c h t e n I n d i v i d u e n u n d F r ü h g e b o r e n e n k a n n d a s Virus, d a s s e i n e r s e i t s die z e l l u l ä r e I m m u n i t ä t b e e i n t r ä c h t i g t , zu s c h w e r e n A l l g e m e i n i n f e k t i o n e n f ü h r e n . D i e s e r R i s i k o g r u p p e sollte n u r C M V - n e g a t i v e s B l u t t r a n s f u n d i e r t w e r d e n , u n a b h ä n g i g v o m e i g e n e n Virusa n t i k ö r p e r t i t e r , d a a u c h R e i n f e k t i o n e n m ö g l i c h sind. Ist d i e B e r e i t s t e l l u n g v o n C M V - n e g a t i v e m B l u t n i c h t möglich, k a n n die I n f e k t i o n s w a h r s c h e i n lichkeit a u c h d u r c h d i e E n t f e r n u n g d e r L e u k o z y t e n a u s B l u t k o n s e r v e n s t a r k vermindert werden. B e i d e n d u r c h B l u t t r a n s f u s i o n e n ü b e r t r a g e n e n I n f e k t i o n e n s t e h t nach wie v o r d i e posttratisfusionelle Virushepatitis ganz im Vordergrund. Als Erreger k o m m e n in B e t r a c h t das H e p a t i t i s - A - V i r u s , d a s H e p a t i t i s - B - V i r u s , das H e patitis-Delta-Virus und die Hepatitis-C. I n s g e s a m t stellt die Posttransfusionshepatitis e i n g r ö ß e r e s R i s i k o d a r als s ä m t l i c h e a n d e r e n T r a n s f u s i o n s z w i s c h e n f ä l l e , die H I V - Ü b e r t r a g u n g u n d alle n i c h t i n f e k t i ö s e n T r a n s f u s i o n s z w i s c h e n f ä l l e eingeschlossen. Die auch bei uns endemische Hepatitis A - die Durchseuchungszahlen sind wohl aufgrund verbesserter hygienischer Bedingungen deutlich rückläufig - hinterläßt keinen Trägerstatus und wird somit nur dann durch Transfusion übertragen, wenn die Konserve einem frühen Inkubationsstadium der Krankheit befindlichen Spender entnommen wird, wo es eine 7-10 Tage dauernde Virämie gibt. In dieser Phase ist in der Regel die G P T erhöht. Da sie bei allen Blutspendern bestimmt wird und alle Konserven nur dann freigegeben werden, wenn dieser Wert im Normbereich liegt, spielt die Hepatitis A in der Transfusionsmedizin keine Rolle. Durch die Transaminasenbestimmung wird sicher auch ein Teil der an Hepatitis B oder an Hepatitis C erkrankten Blutspender erfaßt und von der Blutspende ausgeschlossen. Der wichtigste Marker zur Diagnose der Hepatitis B ist das Hbs-Ag, da es bereits in der Inkubationszeit, also schon Wochen vor Erkrankungsbeginn mit RIA- oder
Therapie: - S c h o c k p r o p h y l a x e und -therapie - Austauschtransfusion - Antibiotikatherapie Lues: Übertragung d u r c h Frischblut und K o m p o nenten. K o m m t heute nur noch selten vor. 2. Protozoen: T o x o p l a s m a gondii: - a m häufigsten d u r c h Bluttransfusion übertragener Erreger, - schwere Organmanifestation bei Immunsupprimierten, Transfusion v o n t o x o p l a s m o s e n e g a t i v e m oder leukozytenfreiem Blut an A n g e h ö r i g e der Risikogruppe. 3. Viren: • CMV - S c h w e r e Allgemeininfektion bei imm u n g e s c h w ä c h t e n Individuen - Transfusion v o n CMV-negativen oder leukozytenfreien Blutprodukten a n A n gehörige der Risikogruppe.
Virushepatitis Hepatitis A Hepatitis B Hepatitis Delta (D) Hepatitis C -> Posttransfusionshepatitis
18. Klinische Transfusionsmedizin
162
EIA-Testen nachweisbar ist. Da aber 5-10% der mit Hepatitis B Infizierten in den derzeit verfügbaren Testverfahren Hbs-Ag negativ sind, wird seit neuestem die zusätzliche Bestimmung des Anti-Hbc-IgM empfohlen, denn es gibt keine Hepatitis B ohne diesen Antikörper. Da das Hbs-Ag meist früher nachweisbar ist als das AntiHbc-IgM könnte man durch die Kombination beider Testverfahren die Hepatitissicherheit der Blutkonserven deutlich erhöhen. Unter freiwilligen Blutspendern beträgt die Durchseuchung mit Hepatitis B etwa 0,1%. Auf 100000 Blutspender hochgerechnet ist dann in etwa mit 100 infizierten Spendern zu rechnen. Davon sind maximal 5 Hbs-Ag-negativ. Das Problem ist also eher klein. Die mögliche Übertragung des Hepatitis Delta-Virus wirft keine zusätzlichen Probleme auf, da sie nach bisherigen Erkenntnissen an die Übertragung von Hbs-Ag-positivem Serum gebunden ist. Zum Nachweis der Hepatitis C steht seit einigen Jahren der Test auf Hepatitis-C-Antikörper zur Verfügung.
Posttransfusionshepatitis durch bessere Nachweismethoden beim Spender auf 1:10000 zurückgegangen.
Risiko der Übertragung durch Bluttransfusion 1:300000-1:3000000.
Insgesamt ist die Häufigkeit der Posttransfusionshepatitis aufgrund der heute eingesetzten Nachweismethoden nach Einführung des Hepatitis-CAntikörpertests auf 1:10000 zurückgegangen. Ob alle diese Infektionen tatsächlich auf Transfusionen zurückzuführen sind oder aber auch aus anderen medizinischen Interventionen resultieren, ist nach wie vor unklar. Das Risiko der Übertragung des HIV-Virus durch Bluttransfusion wird derzeit bei 1:300000 bis 1:3000000 eingeschätzt. Ein wesentlicher Grund für das relativ geringe Risiko ist die Durchführung des HIV-l/2-Antikörpertestes bei allen Blutspendern bei jeder Blutspende sowie der Ausschluß bestimmter Risikogruppen von der Blutspende. Doch bleibt das Risiko der diagnostischen Lücke in der Inkubationszeit von bis zu 4 Monaten, in der noch keine Antikörper nachweisbar sind. Ein zuverlässiger Test für den Virusnachweis, der diese Lücke schließen würde, steht noch nicht zur Verfügung.
Zur Verminderung des Infektionsrisikos bei Übertragung von Blutprodukten gibt es verschiedene Inaktivierungsverfahren: - Solvenz-Detergenz-Methode - Photoinaktivierung mit Methylenblau - Quarantänelagerung Keine 100%ige Virussicherheit!
Um das Risiko der Übertragung infektiöser Erreger zu vermindern, wurden für Plasmaprodukte verschiedene Inaktivierungsverfahren entwickelt. Hier sind zu erwähnen die Behandlung von FFP mit der Solvenz-Detergenz-(SD)-Methode oder die Photoinaktivierung mit Methylenblau; beide Methoden sind geeignet, lipidumhüllte Viren (z. B. HIV, HBV, HCV, CMV) zu inaktivieren. Die vom Bundesgesundheitsamt vorgeschriebene Quarantänelagerung mit Nachtestung des Spenders nach 6 Monaten vor Freigabe von FFP berücksichtigt die diagnostische Lücke.
•
H I V :
=0
Autologe Transfusion Gewinnung von Eigenblut: - bei planbaren Op. mehrere Blutentnahmen über bis zu 5 Wochen unter Eisensubstitution, - präoperative Hämodilution: Entnahme von Blut direkt vor Op.-Beginn und Ersatz durch Plasmaexpander und Kochsalzlösung, - intraoperativ Einsatz des „cell savers". Absaugen von in Körperhöhlen ausgetretenem Blut und Aufbereitung zur Retransfusion.
Eine hundertprozentige Virussicherheit ist bisher nicht zu erreichen.
4. Autologe Transfusion Die meisten der im vorhergehenden Abschnitt genannten Komplikationen können umgangen werden durch die Nutzung von Eigenblutkonserven, deren Gebrauch ausgeweitet werden sollte. Es bieten sich hierfür verschiedene Vorgehensweisen an: Bei wiederholten Blutentnahmen über bis zu 5 Wochen, bei Bedarf unter gleichzeitiger Eisensubstitution, kann ausreichend Eigenblut für die meisten planbaren Operationen vorab bereitgestellt werden. Für die präoperative Hämodilution wird direkt vor Operationsbeginn Blut entnommen und durch Plasmaexpander und Kochsalzlösung ersetzt. So sind während der Operation die Theologischen Verhältnisse verbessert, der Patient verliert nur „verdünntes" Blut und für den Ersatz stehen frische Konserven zur Verfügung. Während der Operation in Körperhöhlen ausgetretenes Blut kann durch Verwendung eines „cell savers" abgesaugt und für die Retransfusion aufbereitet werden. Das heparinisierte Blut wird zunächst gefiltert, um Gewebebröckel und Gerinnsel zu entfernen, dann werden Zelldetritus und hämolytisches Plasma entfernt und die gewaschenen Erythrozyten, in Kochsalzlösung resuspendiert, über einen Transfusionsfilter retransfundiert. Die intraoperative autologe Transfusion ist nicht möglich bei Sepsis, fäkaler Kontamination und bei Kontamination durch Tumorgewebe.
19. Hämostase, Thrombose, Embolie U. Baer, J. Boese-Landgraf
1. Hämostase, Fibrinolyse 1.1 Hämostase
Hämostase
Eine effiziente Blutstillung (Hämostase) ist in der Chirurgie mitentscheidend für den Erfolg einer Operation. Sie ist ebenfalls entscheidend für die spontane Blutstillung bei Verletzungen. Im Organismus existieren 3 Funkti-
An der Blutstillung sind beteiligt: 1. Gefäßwand, 2. Thrombozyten, 3. Gerinnungssystem. Primärhämostase: Vasokonstriktion, Plättchenagglomeration, Intimaeinrollung. 1. Gefäßwand Bei Verletzung eines Gefäßes: - Einrollen der Intima -> vorübergehende Blutstillung, - Vasokonstriktion, unterstützt durch Serotonin, Katecholamine, Kinine. Durch Endothelverletzung: —> Freisetzung von Kollagen, -»Faktor XII aktiviert, —> Gerinnungskaskade und Aktivierung des Fibrinolysesystems. Ferner: In Gefäßwand Freisetzung von Prostaglandinen Prostazyklin, aggregationshemmend, aus Thrombozyten ebenfalls Prostaglandine Thromboxan, aggreg ationsfördernd. 2. Thrombozyten Bei Hämostase 3 Mechanismen wichtig: a) Thrombozytenaggregation -> Bildung von Pseudopodien, Anlagerung an verletzte Gefäßwand, Zusammenballung. b) Plasmatisches Gerinnungssystem Thrombin bewirkt Freisetzung von —> Thrombozytenfaktoren, diese aktivieren das —> plasmatische Gerinnungssystem. Thrombozytenfaktor 1 bewirkt Prothrombin Thrombin. Thrombozytenfaktor 2 bewirkt —> Fibrinogen Fibrin. Plättchenfaktor 3, Faktoren V, VIII, IX, X, XI, XII bewirken - » Bildung der Blutthrombokinase (Gerinnungskaskade im Intrinsic system). Plättchenfaktor 4 aktiviert Faktor IV Förderung der Thrombozytenagglomeration. Thrombosthenin und Plättchenfibrinstabilisator bewirken Verfestigung des Fibrinthrombus. Serotonin aus Thrombozyten Vasokonstriktion.
o n s k r e i s e , d i e d e r H ä m o s t a s e d i e n e n : Gefäßwand, rinnungssystem.
Thrombozyten
u n d Ge-
Gefäßwand. Wird die Kontinuität eines Blutgefäßes unterbrochen, so kann durch Retraktion und Einrollen der Intima eine, wenn auch nur vorübergehende Blutstillung eintreten. Durch mechanische Reize sowie nervale Steuerungsmechanismen kommt zusätzlich eine Vasokonstriktion zustande. Freigesetzte gefäßaktive Substanzen (Serotonin, Katecholamine, Kinine) begünstigen diese Vasokonstriktion. Durch die Endothelverletzung wird außerdem Kollagen freigesetzt, das den Faktor XII aktiviert, der seinerseits die Gerinnungskaskade in Gang setzt und gleichzeitig auch das Fibrinolysesystem aktiviert. Zusätzlich treten durch in der Gefäßwand und in Thrombozyten gebildete Prostaglandine Interaktionen zwischen Gefäßwand und Thrombozyten auf. Während die Prostaglandine der Gefäßwand eine Freisetzung von aggregationshemmenden Prostazyklinen hervorrufen, bewirken die in Thrombozyten gebildeten Prostaglandine eine Ausschüttung des aggregationsfördernden Thromboxan. Das Wechselspiel dieser Gewebefaktoren ist somit der limitierende Faktor für die sich intravasal abspielenden Prozesse. Unverletztes Endothel hingegen ist gerinnungsinert.
Thrombozyten. Für die Hämostase spielen die Thrombozyten eine wichtige Rolle. Dabei lassen sich 3 verschiedene Mechanismen unterscheiden: 1. Thrombozytenaggregation: Aktivierte Thrombozyten (Stimulation durch Induktoren, wie Bakterien, Viren, AG-AK-Komplexe, Thrombin, A D P ) verändern ihre diskoide Form, bilden Pseudopodien aus, lagern sich an der geschädigten Gefäßwand an und ballen sich zusammen. 2. Aktivierung des plasmatischen Gerinnungssystems (Abb. 19-1): In Anwesenheit von aktivem Thrombin durch freigesetztes Gewebethromboplastin (Extrinsic system) kommt es infolge einer Änderung der Permeabilität der Thrombozytenmembran zur Freisetzung von endogenen Thrombozytenfaktoren. Ihre Anwesenheit ist zur Aktivierung des endogenen plasmatischen Gerinnungssystems erforderlich. So beschleunigt der Thrombozytenfaktor 1 die Umwandlung von Prothrombin in Thrombin, der Thrombozytenfaktor 2 die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen (Faktor I). Die Anwesenheit des Plättchenfaktors 3 ist gemeinsam mit den Faktoren V, VIII, IX, X, XI und XII für die Bildung der Blutthrombokinase erforderlich (Gerinnungskaskade im Intrinsic system). Der Plättchenfaktor 4 aktiviert über die Inhibition von Heparin den Faktor VI, fördert die Thrombozytenagglomeration, ebenso wie der Clottable-Factor. Das Thrombosthenin (Retraktion des Blutgerinnsels) und der Plättchenfibrinstabilisator tragen zur Verfestigung des Thrombozyten-Fibrinthrombus bei. Die Ausschüttung von Serotonin aus den Thrombozyten bewirkt noch zusätzlich eine Vasokonstriktion. • Vasokonstriktion, Plättchenagglomeration und Intimaeinrollung sind also für die Primärhämostase (= provisorische Blutstillung durch Bildung des Plättchenthrombus) verantwortlich. 3. Gefäßreparatur: Thrombozyten können durch Bildung von Mikroaggregaten kleinere Endothelläsionen abdecken, damit die Auslösung einer Thrombose verhindern und somit zur Erhaltung der Gefäßfunktion beitragen.
164
19. Hämostase, Thrombose, Embolie
c) Gefäßreparatur Thrombozyten bilden —> Mikroaggregate, die kleine Endothelläsionen abdecken und Thrombose verhindern. Blutgerinnungsphasen
Intrinsic-System Vorphase: Thrombozytenadhäsion, , Thrombozytenaggregation und Freisetzung des Plättchenfaktors 3
{ Extrinsic-System J Vorphase: Zellzerstörung und Freisetzung vasalen bzw. extravasalen ! des Komponenten des Bindegewebes [Gewebefaktors III
Histidin rieh polypeptid
0
Kinin
Kininogen I — Kaliikrein Präkallikrein
XII
y/Pha Phase 1 XI >
IX- -IXa
Xl-Xlla-Komplex
VIII-IXa-Komplex
VIII
]_
Ca2+'
N-^T^rombinj Phase 3 XIII ^ Fibrinogen—»-Fibrin s—»-Fibrin i
Abb. 19-1: Intrinsic- und Extrinsic-System der Blutgerinnung
3. Gerinnungsfaktoren • 13 Gerinnungsfaktoren Sekundärhämostase, Ziel: Überführung des löslichen Fibrinogens in —> unlösliches Fibrin (Endprodukt der Gerinnung) s. Abb. 19-1.
Gerinnungsfaktoren. Die Blutgerinnung ist ein komplizierter, kaskadenartig ablaufender enzymatischer Vorgang (Abb. 19-1). Insgesamt sind 13 Gerinnungsfaktoren beteiligt: F1 Fibrinogen, F II Prothrombin, F III Gewebsthromboplastin, FIV Calciumionen, F V Proaccelerin, F VII Proconvertin, F VIII antihämophiles Globulin A, FIX antihämophiles Globulin B, Christmas-Faktor, F X Stuart-Prower-Faktor, F XI PlasmaThromboplastin-Antecedent, F XII Hageman-Faktor, F XIII fibrinstabilisierender Faktor.
Ihr Ziel ist es, die lösliche Vorstufe des Gerinnungsstoffes Fibrinogen in die unlösliche Form Fibrin (Endprodukt der Gerinnung) zu überführen, um eine endgültige Abdichtung des verletzten Gefäßes zu erreichen (Sekundärhämostase). Im Gerinnungsschema lassen sich 3 Phasen unterscheiden: Man unterscheidet 3 Gerinnungsphasen
Ablauf in den einzelnen Phasen (Abb. 19-1) Phase 1
• Phase 1: Aktivierung des Faktors X (Stuart-Prower-Faktor), • Phase 2: Umwandlung von Prothrombin zu Thrombin, • Phase 3: Bildung des unlöslichen Fibrins. Die Phase 1 mündet unter schrittweiser Aktivierung der inaktiven Vorstufen der Gerinnungsfaktoren in die Umwandlung des Faktors X in seine aktive Form. Je nachdem, o b der Gerinnungsvorgang durch das Extrinsic- oder das Intrinsic system in Gang gesetzt worden ist, sind unterschiedliche Gerinnungsfaktoren an diesem Vorgang beteiligt (s. Abb. 19-1). Der aktivierte Faktor XII des Intrinsic systems aktiviert nicht nur den Faktor X, sondern überführt noch zusätzlich Kallikreinogen in Kalli-
Hämostase, Fibrinolyse krein (Protease). Diese Protease fördert wiederum in einem positiven Feedback-Mechanismus die U m w a n d l u n g des inaktiven Faktor XII in seine aktive Form. Außerdem setzt Kallikrein aus Kininogen Kinine sowie ein Histidin-reiches Polypeptid frei, das wiederum die Faktor-XII-Aktivität hemmt (negativer Feedback-Mechanismus). Zusätzlich besteht noch eine enge Beziehung zum fibrinolytischen System, denn f ü r die Aktivierung des fibrinolytischen Ferments Plasmin ist die Anwesenheit des aktivierten Faktor XII notwendig. In der Phase 2 katalysiert der Prothrombin-Umwandlungsfaktor (aktiviertes Thromboplastin) in Anwesenheit von aktiviertem Faktor X und Faktor V, Calcium und Kephalin die enzymatische Umwandlung von Prothrombin zum Thrombin. In der Phase 3 spaltet Thrombin Fibrinogen unter Abspaltung von Fibrinopeptid A und B in Fibrinmonomere. Diese aggregicren spontan. D e r Faktor XIII, dessen Aktivierung durch Thrombin in Anwesenheit von Calcium induziert wird, bewirkt dann die Verfestigung des Fibrinpolymers. • Im Gerinnungsgeschehen nimmt das Thrombin eine Schlüsselrolle ein, da es die Thromboplastinwirkung erhöht, die Aktivierung von Faktor VIII und V fördert und darüber hinaus noch die Aggregation und Retraktion der Thrombozyten katalysiert. U m eine überschießende Gerinnungsreaktion zu vermeiden, existieren im Organismus sog. Inhibitoren (gerinnungshemmende Faktoren). D e r wichtigste Inhibitor ist das Antithrombin, das sowohl Thrombin inaktiviert als auch den zentralen Faktor X sowie die Faktoren IX und XI. Außerdem wird d e r Gerinnungsprozeß eingedämmt durch den Verbrauch von Faktor V und die antikoagulatorische Wirkung der in Phase III gebildeten Fibrinmonomeren. Die Proteine C und S sind ebenfalls wichtige Faktoren der Gerinnungshemmung. Ein Mangel an diesen Faktoren birgt ein hohes Risiko für venöse Thrombosen. D e r A T III-, Protein C- und Protein S-Mangel ist für etwa 10% sonst unerklärlicher Thrombosen verantwortlich zu machen. Von größerer Bedeutung noch als das Fehlen dieser eben erwähnten Faktoren ist die A PC-Resistance (Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C). Diese APC-Resistance, ein erbliches Leiden, ist f ü r über 40% spontaner thrombotischer Ereignisse verantwortlich. Eine APC-Resistance ist als APC-Ratio im Test zu bestimmen.
165
Phase 2
Phase 3
Thrombin nimmt Schlüsselrolle ein.
Vermeidung überschießender Gerinnungsreaktion durch Inhibitoren: - Antithrombin - Verbrauch von Faktor V - Fibrinmonomere antikoagulatorisch - Alpha-1-Antitrypsin (unspezifisch) - Alpha-2-Makroglobulin (unspezifisch) - Protein C- und S - APC-Resistance Mangel an Protein C- und S -»Thromboserisiko. Zusammen mit AT III in 10% für Thrombosen verantwortlich. APC-Resistance führt in 40% zu spontanen Thrombosen. APC-Ratio-Test durchführen!
Als unspezifische Inhibitoren finden sich im Blut noch Alpha-1-Antitrypsin und Alpha-2-Makroglobulin. Einen Einfluß auf die Gerinnung hat auch die G ü t e der zellulären Clearance-Funktion des mononukleären Phagozytensystems (Milz, Leber). Von diesem System werden aktivierte Zwischen- und Endprodukte des Gerinnungsvorgangs abgebaut. Gefäßwand,. Thrombozyten und Blutgerinnungsfaktoren sind die 3 H a u p t k o m p o nenten der Hämostase. Sie sind als eine funktionelle Einheit anzusehen. Funktionsausfall einer Komponente des Systems ist nicht durch die anderen beiden Partner zu kompensieren.
3 Faktoren, die sich gegenseitig nicht ersetzen können, bilden die Hauptkomponenten cler Hämostase: - Gefäßwand - Thrombozyten - Blutgerinnungsfaktoren
1.2 Fibrinolyse
Fibrinolyse
Aufgabe des fibrinolytischen Systems ist es, die im Organismus im Rahmen der Blutgerinnung entstandenen Fibringerinnsel wieder aufzulösen. Außerdem ist es in der Lage, durch Aktivierung von Antithrombin III den Gerinnungsvorgang auf verschiedenen Stufen zu hemmen. Beim fibrinolytischen System handelt es sich analog zum Gerinnungssystem um einen enzymatischen Prozeß.
Auflösung der Blutgerinnsel, Hemmung des Gerinnungsvorganges.
Im Mittelpunkt steht die Aktivierung von Plasminogen zu Plasmin über sog. Plasminogenaktivatoren unterschiedlicher H e r k u n f t (Abb. 19-2). Dabei finden sich außer im Blut auch in bestimmten G e w e b e n (Uterus, Prostata, Gelenksynovia, Lunge, Niere) und Körperflüssigkeiten (Fruchtwasser, Speichel, Tränen, Urin und Sperma) hohe Konzentrationen von Plasminogenaktivatoren. G e h e m m t wird die Fibrinolyse durch im Blut (Antiplasmin, Alpha-l-Antitrypsin, Alpha-2-Makroglobulin) oder in bestimmten Organen (Pankreas, Lunge) vorhandene Inhibitoren. M e d i k a m e n t ö s kann durch e-Aminocapron-Säure bzw. Aprotinin h e m m e n d in den Fibrinolysevorgang eingegriffen werden.
Mechanismus (Abb. 19-2) Plasminogenaktivatoren verwandeln Plasminogen Plasmin; dieses fördert Umwandlung von Fibrin Fibrinspaltprodukte.
Im gesunden Organismus besteht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Hämostase und Fibrinolyse, das überschießende Reaktionen in die eine (Thrombose) oder andere Richtung (Blutungsneigung) verhindert.
Im gesunden Organismus Gleichgewicht zwischen Hämostase und Fibrinolyse.
19. Hämostase, Thrombose, Embolie
166 Streptoki naseinduzierter Aktivator Streptokinase-i
+1
Gefäßendothel
Gewebsaktivator zellständig bzw. in Körperflüssig-
Plasmaaktivator F XII akt. + HMW-Kininogen + Proaktivator Präkallikrein
I
Streptokinase Plasminogen- • Komplex = Aktivator
Urokinase
-Plasminogen
- Plasmin /
Fibrin ThrombinI Fibrinogen
t Fibrin- bzw. Fibrinogen,^-Spaltprodukte
Abb. 19-2: Schema der Fibrinolyse (modifiziert nach Pschyrembel)
2. Hämostasestörung, Thrombose, Embolie 2.1 Störung der Hämostase Hämostasestörungen
Voraussetzung für eine effiziente Blutstillung sind: intaktes Blutgerinnungssystem, ausreichend funktionsfähige Blutplättchen, intaktes Gefäßsystem. Ätiologie. Störungen von Teilkomponenten der Hämostase sind Störungen der Hämostase durch:
0
Symptome: - hämorrhagische Diathese - erhöhte T h r o m b o s e n e i g u n g Diagnose: • Anamnese
Laboruntersuchungen
=Ì>
• Koagulo- (plasmatischer Gerinnungsdefekt) und Thrombopathien • Angiopathien und Störung des fibrinolytischen Systems. Symptome und Diagnostik: Hämostasestörungen können sich klinisch entweder als hämorrhagische Diathese oder aber als erhöhte Thromboseneigung manifestieren. Während ausgeprägte Störungen der Hämostase fast immer durch die Anamnese präoperativ zu erfassen sind, benötigt man für die Erkennung von latenten Hämostaseopathien gerinnungsphysiologische Laboruntersuchungen. Anamnese: Familiäre Belastungen, Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten, ungewöhnliche Blutungen im Rahmen vorangegangener Operationen bzw. Bagatelltraumen, Lebererkrankungen, spontane Gelenkund Muskelhämatome, Hämaturie sowie starke und verlängerte Blutungen nach Zahnextraktionen sind Hinweise auf eine mögliche Koagulopathie. Petechien und eine verlängerte Blutung aus oberflächlichen Wunden, die sich jedoch auf lokalen Druck gut beherrschen läßt, sprechen für eine Thrombozytenfunktionsstörung oder eine Vasopathie. Laboruntersuchungen: Eine Differenzierung der Hämostase kann nur mittels gerinnungsphysiologischer Parameter erfolgen: Globaltests
Phasentests
- Blutungszeit - Thrombelastogramm
Thrombozytenzahl und -funktion. Endogener Gerinnungsablauf, Thrombozytenzahl u. -funktion, Fibrinolyse.
- Quick
Faktor I, II, V, VII, X, Antikoagulanzientherapie mit Dicumarolen.
- PTT
I, II, V, VIII, IX, X, XI, XII, Heparintherapie, Vermehrung von Antithrombin III und VI.
- Thrombinzeit
I (Fibrinogen), Heparintherapie, Fibrinolysetherapie, Vermehrung von Antithrombin III und VI.
Reptilasezeit
Faktorentests
I (Fibrinmangelzustände, Störungen der Fibrinpolymerisation), Hyperfibrinolyse, Antithrombin VI. Einzelfaktoren des endogenen oder exogenen Systems ohne Fibrinogen.
Hämostasestörung, Thrombose, Embolie Praxishinweis: In der Routinediagnostik haben sich wegen der geringen Störanfälligkeit, der problemlosen Durchführbarkeit und des orientierenden Überblicks folgende Untersuchungen bewährt: Quick, PTT, Thrombozytenzahl.
167
Die Notfallversorgung umfaßt prinzipiell: • Diagnostik und Sofortbehandlung bzw. Beseitigung der unmittelbar lebensbedrohenden Störung • sachgerechte Lagerung und Erzielung der Transportfähigkeit • schnellstmöglicher Transport in eine Klinik unter Fortführung der lebenserhaltenden Maßnahmen • Erstversorgung in der Klinik.
Notfalldiagnostik
1.1 Notfalldiagnostik
Beschränkt sich aus Dringlichkeitsgründen nur auf die Ursachen der vitalen Störung
Aus Zeitgründen ist die Diagnostik auf die Ursache der vitalen Funktionsstörung beschränkt.
Sie umfaßt: • Anamnese • Inspektion • Palpation • Auskultation und Perkussion • Blutdruckmessung
Zur Notfalldiagnostik gehören: Anamnese, kurz, wenn überhaupt möglich, evtl. auch durch Befragung von Zweitpersonen Inspektion: Sensorium, Atembewegungen, Hautbeschaffenheit, Aussehen der Zunge, Pupillenreaktion, Blutaustritte, Erbrechen, Wunden, Hämatome, freie Atemwege
Die diagnostische Abklärung der Grunderkrankung ist für die Soforttherapie nicht wichtig. Sie muß in der Klinik erfolgen, wenn die akute lebensbedrohende Störung beseitigt ist.
Erstversorgung von Notfällen Palpation: Pulsbeschaffenheit, tiefliegende Hämatome, Krepitation, abnorme Beweglichkeit, Druckschmerz, Abwehrspannung, rektale Untersuchung, Reflexprüfungen, Muskeltonus Auskultation und Perkussion: Lunge und Herz, Abdomen, Gefäßgeräusche Blutdruckmessung, falls Blutdruckapparat zur Verfügung. Vordringlich sind zu klären: • Bewußtseinslage: Patient ansprechbar, somnolent oder bewußtlos? • Atmung: reguläre Atembewegungen, paradoxe Atmung, Atemstillstand, freie Luftwege? • Herzfunktion: Pulsveränderungen, kein Puls? • Hautveränderungen: Kälte, Blässe, Zyanose, Ikterus, Exsikkose, Exanthem, Blutungen? • Volumenmangel: Blutungen, starker Durst, Anurie, stehende Hautfalten?
187
Beurteilt werden müssen • Bewußtseinslage • Atmung • Herzfunktion • Hautveränderungen • Volumenmangel
1.2 Therapie
Notfalltherapie
Die sofort einzuleitende Therapie zielt darauf ab, den lebensbedrohlichen Zustand schnellstens zu beseitigen (s. Kap. 21.2, S. 192). Entscheidend ist es, die Gesamtsituation richtig einzuschätzen: Schwere des Krankheitszustandes, Tageszeit, klimatische Verhältnisse, Anzahl der Verletzten, Entfernung bis zum nächsten Krankenhaus.
Prinzip: schnellste Beseitigung des iebensbedrohlichen Zustandes durch
Diese Beurteilung hängt vom Ausbildungsstand, des Hilfeleistenden ab (Laie, Pflege- und Rettungspersonal, Erfahrung des Arztes).
Elementare Hilfsmaßnahmen sind die Rettung und Lagerung: Rettung aus dem Gefahrenbereich, z.B. mit Hilfe des Rautek-Rettungsgriffs: Der Verletzte wird vom Helfer mit beiden Armen unter der Achselhöhle gefaßt und aus dem Gefahrenbereich gezogen (Abb. 21-1).
Abb.21-1: Rautek-Rettungsgriff zur Bergung Verletzter aus dem Gefahrenbereich
Rettung z.B. Rautek-Rettungsgriff
Abb. 21-2: Stabile Seitenlagerung
21. Erstversorgung von Notfällen, Schock und Wiederbelebung
188 • -
Lagerung: stabile Seitenlage „Schocklage" Lage bei SH-Trauma Lage bei A t e m n o t Lage bei WS-Verletzten Lage bei A k u t e m A b d o m e n Bauchlagerung
Nach der Dringlichkeit unterscheidet m a n 3 Notfallkategorien:
Lagerung des Patienten: Bewußtlos mit Spontanatmung —> Pateinten in eine stabile Seitenlage bringen (Abb. 21-2). Schock —> wenn kein Schädel-Hirn-Trauma vorliegt, Kopf etwa 15 ° tieflagern und Beine anheben („Autotransfusion"). Schädel-Hirn-Trauma —> Kopf hochlagern, um Hirndruck zu vermeiden. Freie Atemwege sind Voraussetzung! Schwere Atemnot —»halbsitzend lagern. Wirbelsäulenverletzung —» auf flachem, festen Untergrund lagern. Kein Kopfpolster. Veränderungen der Lage nur mit mehreren Helfern! Bei HWS-Trauma vorsichtig am Kopf in Längsrichtung ziehen. Akutes Abdomen und abdominelle Verletzung —»flach lagern und zur Entspannung der Bauchdecken Kopf- und Knierollen unterlegen. Stark blutende Kiefer- und Gesichtsverletzungen —> Bauchlagerung, Polster unter Thorax und Stirn. Entsprechend ihrer Dringlichkeit unterscheidet man 3 Notfallkategorien: (1.) Notfälle, die eine sofortige Therapie erzwingen; (2.) Notfälle, die Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens erfordern; (3.) Notfälle, die eine aufgeschobene Therapie erlauben. Notfälle, die eine sofortige Therapie erzwingen
l Notfälle, die eine sofortige Therapie
1.2.1
aHtewiriltlosigkeit - Mundhöhle säubern (Abb.21-3) - Atemwege freihalten
Bewußtlosigkeit. Als erstes Atemwege freimachen! Mundhöhle von Speichel, Erbrochenem, Blut, Fremdkörpern, z.B. Zahnprothesen befreien. Dies kann mit dem Zeigefinger geschehen, der mit einem Taschentuch um-
•
auswischen der Mundhöhle
•
absaugen
•
entfernen der Zahnprothese
Abb.21-3: Freihalten der Atemwege bei
Bewußtlosigkeit
Abb.21-4: Esmarch-Heiberg-Handgriff verhindert das Zurückfallen der Zunge. Der Hals w i r d überstreckt und der Unterkiefer nach vorne gezogen
Erstversorgung von Notfällen
189
wickelt ist, mit einem Mundspatel oder durch Absaugung (Abb. 21-3). Zurückfallen der Zunge unbedingt verhindern durch Esmarch-Heiberg-Handgriff (Abb. 21-4): Hals nach dorsal überstrecken und Unterkiefer in den Kieferwinkel vorziehen. Bei HWS-Verletzungen kontraindiziert!
- Zurückfallen der Zunge verhindern -» Esmarch-Heiberg-Handgriff (Abb. 21-4)
Atemstillstand. Ursachen: Verlegung der Atemwege —» Erbrochenes, Blut, Fremdkörper, Zurücksinken des Zungengrundes bei Bewußtlosigkeit; Störung der Lungenfunktion —» Aspiration, Lungenödem, Schocklunge; mechanische Behinderung der Atemexkursionen —> Rippen-, Sternumfrakturen, Spannungspneumothorax, Hämatothorax; Lähmung des Atemzentrums —> Hirntrauma mit Drucksteigerung, hohe Querschnittslähmung, Vergiftungen.
b) Atemstillstand Ursachen: - Atemwegsverlegung - gestörte Lungenfunktion - mechanische - zentrale
Symptome: Luftnot, Unruhe und Angst, Zyanose, Halsvenenstauung, pathologische Atemgeräusche.
Symptome
• Therapie: (s.S. 197 u. 198) Herz-Kreislauf-Stillstand. Jeder Zeitverlust hat eine katastrophale Verschlechterung der Prognose zur Folge, bedingt durch die Hypoxietoleranz der Gewebe insbesondere des Gehirns. Ursachen (aus chirurgischer Sicht): hämorrhagischer Schock (s.S. 192), Herzbeuteltamponade, Spannungspneumothorax (s.S.886), Contusio cordis (s. S. 428). Aus allgemeiner Sicht: Kammerflimmern, Asystolie. Leitsymptome: Bewußtlosigkeit (nach 6-12 Sek.), Pulslosigkeit (Palpation der A. carotis u. A.fem.), blaß-zyanotische Hautfarbe, Pupillenerweiterung, evtl. auch Entrundung, Schnappatmung (nach 20 Sek.), Krämpfe (nach 40 Sek.). Die Therapie des Atem- und Kreislaufstillstandes richtet sich nach der ABCD-Regel (s.S. 197 und Abb.21-5, 6: A -> /Itemwege freimachen, B Beatmung (Mund-zu-Mund oder Mund-zu-Nase), C —> Cardiozirkulatorische Reanimation (s. Abb.21-8, 9,10), D —> Definitive Maßnahmen (medikamentös, Defibrillation, maschinelle Beatmung). Zeichen einer erfolgreichen Beatmung sind Rückbildung der Zyanose und Engerwerden der Pupillen.
1.2.2 Notfälle, die Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens erfordern Unter diese Notfallkategorie fallen vor allem: Atemstörungen, Blutungen, Tauchunfall, Ertrinken, Unterkühlung, Hitzschlag, Elektrounfall.
c) Herz-Kreislauf-Stillstand Ursachen: - Blutung - Perikardtamponade - Spannungspneu - Contusio cordis Leitsymptome: • Bewußtlosigkeit • Pulslosigkeit • blaß-zyanotische Hautfarbe • Pupillenerweiterung • Schnappatmung, Krämpfe Therapie des Atem-Kreislauf-Stillstandes nach der ABCD-Regel: A = Atemwege freimachen B = Beatmung (Mund-zu Mund oder Mund-zu Nase) C = Kardiozirkulatorische Reanimation D = Definitive Maßnahmen (Medikamente, Defibrillation, maschinelle Beatmung) 2. Notfälle, die Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens erfordern
1.2.2.1 Atemstörungen
a) Ateminsuffizenz
Schwere Thoraxverletzungen führen bisweilen zu Atemstillstand und konsekutiv zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Wenn zunächst keine Symptome auf die Atemstörung hindeuten, muß der Verletzte genauestens untersucht werden. Ursache: s. S. 883. Die Ateminsuffizienz wird in 4 klinische Stadien eingeteilt.
Stadien l-IV
• Stadium I: Dyspnoe. Ursache ist ein C 0 2 Anstieg von ca. 1 min. Wichtige Symptome sind Tachypnoe, Betätigung der Atemhilfsmuskulatur, Unruhe, Erstickungsangst, Gesichtszyanose, Tachykardie. • Stadium II Bewußtlosigkeit. Eintritt nach ca. 2 min dauerndem Sauerstoffmangel. Folgende Symptome: Bradypnoe, Bradykardie durch Vagusreiz, Hypertonie durch Reizung des Vasomotorenzentrums, Einflußstauung, Krämpfe. • Stadium III Atemstillstand. Lähmung des Atemzentrums. Hypotonie und Tachykardie. • Stadium IV Schnappatmung. Ruckartige Atemzüge, schwere Hypoxie, Pupillendilatation, Reflexlosigkeit, Irreversibler Zustand.
4 =
190 Diagnostik • Inspektion • Palpation • Perkussion • Auskultation
21. Erstversorgung von Notfällen, Schock und Wiederbelebung Diagnostik. Notfallmäßig können nur die bekannten klinischen Untersuchungsmethoden durchgeführt werden (s. Kap. Thoraxverletzungen S. 882): Inspektion: Prellmarken nach Trauma, paradoxe Beweglichkeit des Brustkorbs, offene „saugende" Wunde, Hautemphysem, Petechien im Gesichtund Halsbereich (Perthes-Zeichen), Einflußstauung. Palpation: Crepitatio bei Rippen- und Sternumfrakturen, lokaler Druckschmerz, Thoraxkompressionsschmerz, Knistern bei Hautemphysem. Perkussion: Bei Pneumothorax hypersonorer und bei Hämatothorax gedämpfter Klopfschall, verbreiterte Herzdämpfung bei Hämoperikard. Auskultation: Fehlendes Atemgeräusch bei Pneumothorax oder Bronchusabriß (selten), abgeschwächtes Atemgeräusch bei Hämatothorax, Nachweis von Darmgeräuschen Hinweis auf Zwerchfellruptur mit Dannverlagerung. Therapie s. S. 198 und Abb. 21-3, S. 188.
b) Blutungen
1.2.2.2 Blutungen
Folgen: - hämorrhagischer Schock - hämorrhagische Diathese - anämische Hypoxie
Blutungen reduzieren das intravasale Volumen mit Verlust von Blutserum, Gerinnungsfaktoren und Sauerstoffträgern. Symptome: Volumenmangelschock, Gerinnungsstörungen, Hypoxie. Unterschieden werden arterielle und venöse Blutungen sowie solche nach außen und innen. Arterielle Blutungen nach außen entstehen durch Gefäßverletzungen und sind durch hellrotes, pulssynchron spritzendes Blut gekennzeichnet. Notfallbehandlung: Kompressionsverband. Steht die Blutung nicht, manuelle Kompression der Wunde und Abbinden z.B. einer Extremität proximal der blutenden Verletzung. Eine indirekte Blutstillung ist durch Kompression der zuführenden Arterie an bestimmten Punkten möglich:
arterielle nach außen: - durch Verletzungen -> hellrot, pulssynchron, spritzend Notfalltherapie: - Kompressionsverband - Abbinden einer Extremität oberhalb der Blutung - manuelle Arterienkompression an typischen Stellen - Volumenersatz
Am Arm —> Druck auf die A. brachialis im Sulcus bicipitalis medialis. Am Bein —> Kompression der A.femoralis unterhalb des Leistenbandes. Am Schädel —» Abdrücken der A. temporalis vor der Ohrmuschel. Im Gesichtsbereich —> Kompression der A. facialis am Unterkiefer.
arterielle nach innen, z. B. - in Weichteile bei Frakturen (bei Oberschenkelfrakturen ~3 Lit.) - intraabdominell - retroperitoneal Notfalltherapie: - Kompression der Aorta durch Eindrükken des Oberbauches mit der Faust - Volumenersatz intraluminale Blutung Ursachen: Blutungen aus Ösophagusvarizen, gastroduodenalen Ulzera, Tumoren Notfalltherapie: Volumenersatz, sofortige Klinikeinweisung
Arterielle Blutungen nach innen. Bei Extremitätenfrakturen können ausgedehnte Blutungen in die Weichteile auftreten, bei Oberschenkelfrakturen bis zu 3 1, bei Beckenfrakturen u. U. noch mehr. Auch bei thorakalen, intraabdominellen und retroperitonealen Verletzungen können erhebliche Blutverluste resultieren. Versuch der Blutstillung durch manuelle Kompression der Aorta ist schwierig und meist ineffizient. Hier kann nur der schnellstmögliche Transport in eine Klinik und die operative Blutstillung helfen. Dabei ist eine ausreichende intravenöse Volumensubstitution Voraussetzung. Intraluminale Blutungen sind hauptsächlich solche aus Ösophagusvarizen, Ulcera ventriculi et duodeni, Tumoren etc. Sie sind oft massiv und gehen häufig mit einem Volumenmangelschock einher. Diagnostik und Therapie, ebenso Schockbehandlung s. S. 195. Venöse Blutungen lassen sich in der Notsituation fast immer durch Kompressionsverbände beherrschen bis in der Klinik die definitive Blutstillung erfolgt. Volumenmangelschock (s. S. 193):
c) Taucherkrankheit
1.2.2.3 Tauchunfall (Caisson-Krankheit)
Ursachen: - sog. Panikauftauchen - Nichteinhalten der Dekompressionsstopps
Beim Tauchen kommt es zur Gasblasenbildung in Blut und Gewebe (Stickstoff embolie), wenn beim „Panikauftauchen" nicht ausgeatmet wird oder bei längeren Tauchmanövern vorgeschriebene Dekompressionsstopps nicht beachtet werden. Gasblasen im venösen System können Lungenembolien auslösen, bei einer dann sekundär aufgetretenen pulmonalen Hypertonie können über kompensatorisch erweiterte arteriovenöse Shunts Gasblasen in die Arterie gelangen und hier embolische Verschlüsse hervorrufen. Folge: Hemiparesen, Seh-, Hör- und Sprachstörungen.
Erstversorgung von Notfällen
191
Klassifikation der Tauchkrankheit. Man unterscheidet 2 Typen: Typ I: Schmerzen und Bewegungseinschränkungen in Gelenken, Hautjukken, rötliche Hautmarmorierungen, lokale Ödeme. Eine Therapie erübrigt sich. Die Symptome verschwinden nach Stunden bis Tagen spontan. Typ II: Störungen am ZNS mit Para- und Tetraplegie, außerdem Vestibulär-, Hör-, Seh-, Sprach- und Herzrhythmusstörungen. Dazu extreme Dyspnoe, Tachykardie, Lippen- und Fingerzyanose sowie Brustschmerzen.
Klassifikation: Typ I: Schmerzen und Bewegungseinschränkung in Gelenken, Hautjucken, lokale Ödeme. Spontane Rückbildung Typ II: Para- und Tetraplegie, Hör-, Seh-, Sprach- und Herzrhythmusstörungen, Dyspnoe, Tachykardie, Lippen- und Fingerzyanose, Brustschmerzen.
Therapeutisch ist eine möglichst schnelle Rekompression mit anschließender Dekompressionsbehandlung in einer Druckkammer erforderlich. Je früher man mit dieser Behandlung beginnt, desto günstiger die Heilungsaussichten. Als initiale Therapie ist die „nasse Rekompression" auf entsprechende Wassertiefe sinnvoll oder die Beamtmung mit reinem Sauerstoff.
Notfalltherapie: - schnelle Rekompression und anschließende Dekompressionsbehandlung in der Druckkammer - initial „nasse Rekompression"
1.2.2.4 Ertrinken
d! Ertrinken
Pathophysiologisch unterscheidet man 3 „Formen": „Trockenes Ertrinken" (ohne Aspiration): Ein Glottiskrampf verhindert die Aspiration. Der Tod tritt durch Asphyxie ein. „Feuchtes Ertrinken" (mit Aspiration): Dabei kombinierte Schädigung durch Verlegung der Atemwege infolge Aspiration und Asphyxie. Die Aspiration von Süß- und Salzwasser wirkt sich unterschiedlich aus: Süßwasser —» massive Atelektase und durch Resorption des hypotonen Wassers Hämolyse und Elektrolytstörungen. Bei Aspiration von Salzwasser —> osmotisches Lungenödem infolge einer hypertonen Reaktion. „Sekundäres Ertrinken": Nach erfolgreicher Rettung und Wiederbelebung des „Beinahe-Ertrunkenen", kann ein akutes Lungenversagen wegen unzureichender Therapie eintreten. Symptome: Atem- Kreislaufstillstand, Unterkühlung.
3 Formen: • „Trockenes Ertrinken": Glottiskrampf verhindert Flüssigkeitsaspiration. Tod durch Asphyxie. • „Feuchtes Ertrinken": Verlegung der Atemwege und Aspiration. • Unterschiede zwischen Süß- und Salzwasser-Aspiration. - Süßwasser -» massive Atelektase und Elektrolytstörung durch hypotone Wasserresorption. - Salzwaser: —»osmotisches Lungenödem durch hypertone Reaktion.
Notfalltherapie, Maßnahmen: - Freimachen der Atemwege und Mund-zu-Mund-Beatmung, anschließend Intubation und Beatmung mit Atembeutel, Sauerstoffzufuhr - extrathorakale Herzmassage, - Medikation: Natriumbicarbonat, Kalziumglukonat, Katecholamine, Lidocain bei drohendem, Defibrillation bei aufgetretenem Kammerflimmern. - Bei Ertrinken im kalten Wasser müssen die Wiederbelebungsversuche mindestens 1 Stunde fortgeführt werden. Schnellster Transport in eine Klinik!
Klinische Symptome: - Atemstillstand - Kreislaufstillstand - Unterkühlung Notfalltherapie
1.2.2.5 Unterkühlung, Hitzschlag, Elektrounfall
e) Unterkühlung
Unterkühlung. Abfall der Körpertemperatur unter 35 °C durch niedrige Umgebungstemperatur. Besonders gefährdet sind Patienten mit Intoxikationen (Alkohol, Barbiturate etc). Bei sinkender Außentemperatur versucht der Körper die Wärmeabgabe durch Vasokonstriktion zu drosseln und gleichzeitig die Wärmeproduktion durch Muskelzittern zu erhöhen. Sind die Energiereserven verbraucht - tritt Dekompensation ein. Wir unterscheiden 3 Stadien:
Körpertemperatur < 35°C, besonders gefährdet bei Intoxikationen (Alkohol, Barbiturate etc)
Abwehrstadium: Temperatur < 3 4 ° C rektal, Vasokonstriktion, Muskelzittern, psychische Erregtheit. Erschöpfungsstadium: Temperatur 34-27 °C, Versagen der Regulationen, Bewußtlosigkeit, Bradykardie, abgeflachte Atmung, Muskelstarre. Lähmungsstadium: Temperatur < 27 ° C, Lebenszeichen erloschen —» „Scheintod", Arterienpulse nicht palpabel, Brachyarrhythmie, Extrasystolen, Vorhof- oder Kammerflimmern.
3 Stadien der Unterkühlung
4=
192
21. Erstversorgung von Notfällen, Schock und Wiederbelebung
Notfalltherapie • Aufrechterhaltung und Kontrolle der Atmung • Reanimation: wegen Stoffwechselverlangsamung in Hypothermie meist erfolgreich • Erwärmen f) Hitzschlag Schwere Störung der Wärmeregulation bei hoher Umgebungstemperatur Symptome: - Kopfschmerzen - Übelkeit, Schwindel - Tachykardie, Hyperventilation - Kreislaufkollaps, Schock - erhöhte Körpertemperatur um 40°C Notfalltherapie - Kaltwasserbad - Flachlagerung mit Kopfrolle - Kreislaufüberwachung - Kontrolle der Körpertemperatur - Infusionstherapie mit kalter Ringer-Lösung g) Elektrounfall durch Kontakt mit elektrischem Strom Folgen: - Verbrennungen l.-IV. Grades - „Strommarken" - Muskelkontraktionen -> Muskelausrisse, Frakturen, Luxationen - Kammerflimmern, Asystolie - Atemstillstand Notfalltherapie - Stromkreis unterbrechen - Reanimation, falls erforderlich - EKG-Kontrollen - Verbrennungsbehandlung (in der Klinik)
Notfalltherapie. Erhaltung und Kontrolle der Atem- und Herzfunktion, evtl. Reanimation. Aufwärmung des Patienten. Erfolgsaussichten relativ gut wegen des in Hypothermie verlangsamten Stoffwechsels. Einweisung in eine Klinik. Hitzschlag. Neben Sonnenstich, Hitzeohnmacht und -krämpfen ist der Hitzschlag die schwerste Störung der Wärmeregulation. Zu diesem Krankheitsbild kann es nach längerer Einwirkung einer hohen Umgebungstemperatur und unzureichender Wärmeabgabe insbesondere bei Dehydratation kommen. Symptome: Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelerscheinungen bis hin zur Bewußtseinstrübung. Hinzu kommen Tachykardie, Hyperventilation, Kreislaufkollaps und Schock. Die Haut ist rosig und trocken, später zynotisch, die Temperatur liegt um 40 ° C. Therapie: kühle Umgebung, Kaltwasserbad, kühle Umschläge oder Eisbeutel anwenden, flach lagern mit Kopfrolle, Kreislaufüberwachung, Temperaturkontrollen, Infusionstherapie mit kalter Ringerlösung, 0 2 -Gabe, im Extremfall maschinelle Beatmung. Elektrounfall. Verletzung durch Kontakt mit elektrischem Strom. Niederspannung —> bis 1000 V, Hochspannung —> > 1000 V, Blitzschlag —> um 50 Mill. V und bis 20 000 A. Bei Stromdurchfluß durch den Körper entsteht Widerstandswärme, die zu Verbrennungen l.-IV. Grades führen kann. Am Ein- und Austrittspunkt entstehen Strommarken. Starke Muskelkontraktionen können Muskelausrisse, Frakturen und Luxationen erzeugen. Durch Reizung des Herzens kommt es zu Kammerflimmern oder Asystolie, Bewußtlosigkeit, Atemstillstand. Die Behandlung besteht als erstes in der Unterbrechung des Stromkreises, Wiederbelebungsmaßnahmen, EKG-Überwachung und Behandlung der Verbrennungen (s.Kap.9, S.62).
1.2.3 Notfälle, die eine aufgeschobene Therapie erlauben
3. Notfälle, die eine aufgeschobene Therapie erlauben Offenes Schädel-Hirn-Trauma Notversorgung: - stabile Seitenlage - steriler Verband - Kontrolle der Pupillenreaktion
Offenes Schädel-Hirn-Trauma. Bei der Notversorgung des bewußtlosen Patienten sind folgende Maßnahmen hervorzuheben: stabile Seitenlagerung, steriler Wundverband. Cave bei Impressionsfraktur! Verband darf das Imprimat nicht noch tiefer ins Gehirn drücken, Transport in die Klinik in Seitenlagerung, laufende Kontrolle der Pupillenreaktion: Einseitig weite Pupille findet sich nahezu ausschließlich auf der Seite der Raumverdrängung. Die Entwicklung einer Hemiparese beachten, ebenso Pyramidenzeichen (positives Babinski-Zeichen).
• • -
Offene Gelenk- und Knochenverletzungen werden steril verbunden und die Extremität ruhiggestellt. Definitive Therapie in der Klinik. Eine offene Fraktur wird ebenfalls steril verbunden und die Extremität geschient. Liegt eine ausgeprägte Dislokation der Frakturfragmente vor, kann nach Schmerzmittelgabe ein vorläufiger Repositionsversuch sinnvoll sein, um zusätzliche Druckschäden der Haut zu vermeiden. Weiterbehandlung in der Klinik.
Offene Gelenkverletzung steril verbinden ruhigstellen Offener Knochenbruch steril verbinden Fraktur schienen Schmerzmittel, falls erforderlich
2. Schock und Wiederbelebung R. Dennhardt Schock
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2.1 Schock Definition: Schock ist ein progredienter pathophysiologischer, -biochemischer Prozeß. Stets resultiert ein Mißverhältnis zwischen Herzminutenvolumen (HMV) und aktuellem peripheren Bedarf. Der Ablauf ist durch Störungen der Mikrozirkulation und damit der Sauer-
Schock und Wiederbelebung
193
stoffversorgung der Teilkreisläufe gekennzeichnet; dies führt zu Stoffwechsel-, Zell- und schließlich Organschädigungen. 2.1.1 Formen, Ätiologie, Pathophysiologie Schockformen. Die Ursachen für ein Schockgeschehen sind unterschiedlich. • Beim hämorrhagischen Schock (Volumenmangelschock bzw. hypovolämischer Schock) führt eine akute Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens primär zur Störung der MakroZirkulation mit Abnahme der kardialen Förderleistung. • Beim kardiogenen Schock, bedingt durch einen Myokardinfarkt oder durch akute Herzrhythmusstörungen, ist ebenfalls die Abnahme des HMV die diagnostische Führungsgröße. • Der septische Schock ist zunächst durch einen erniedrigten systemischen Gefäßwiderstand und ein erhöhtes HMV gekennzeichnet; in der Folgezeit kommt es zu einer Umverteilung des Blutflusses, erkennbar an einer laktatbedingten Azidose. Ursache sind Infektionsherde, von denen Bakterien oder Mediatoren in den Blutstrom gelangen. Endogene Mediatoren wie Zytokine, Arachidonsäuremetabolite, thrombozytenaktivierender Faktor (PAF) und humorale Abwehrsysteme beeinflussen Myokard, Gefäßsystem und Zellmembranen; diese Faktoren können schließlich ein multiples Organversagen hervorrufen. • Beim anaphylaktischen Schock kommt es als Folge einer Reaktion zwischen Antigen und zirkulierenden Antikörpern zur Freisetzung von biogenen Aminen, die eine Erweiterung der Gefäßkapazität mit Verminderung des venösen Rückstromes bedingen. Ätiologie: Ursachen für einen hypovolämischen Schock sind: • traumatisch bedingte Blutungen: Milz-, Leberruptur, Frakturen, postoperative Blutungen. • gastrointestinale Blutungen: Ulkus, Ösophagusvarizen, Tumoren etc. • Ruptur eines Aortenaneurysmas. • Salz- und Wasser- sowie Eiweißsequestration in Dritte Räume bei: Pleuritis, Peritonitis, Pankreatitis, mechanischem oder paralytischem Ileus, Verbrennungen. Ein septischer Schock wird überwiegend von gramnegativen Keimen ausgelöst: Pseudomonas aeruginosa, Enterobakterien, Bacterioides spec. usw., aber auch zunehmend durch Staphylokokken oder gelegentlich durch Pilze, seltener durch andere grampositive Keime (Pneumokokken, Streptokokken).
Schockformen
1. hämorrhagischer, Volumenmangelschock • Verminderung des zirkuliernden Blutvolumens 2. kardiogener Schock « HMV I 3. septischer Schock • bakterielle Toxine bedingen Vasodilatation und S t ö r u n g der Mikrozirkulation 4. anaphylaktischer Schock • biogene A m i n e erweitern Gefäßkapazität und vermindern damit den v e n ö s e n Rückstrom
Ursachen a) des hypovolämischen Schocks: 1. traumatisch bedingte Blutung 2. gastrointestinale Blutung 3. Aortenaneurysmaruptur 4. Salz-Wasser-Eiweißsequestration
b) des septischen Schocks: - meist durch gramnegative K e i m e
Grundsätzlich scheint es nicht länger gerechtfertig zu sein, eine Differenzierung der septischen Schockformen nach den auslösenden Keimen vorzunehmen, da sich die hämodynamischen, blutgasanalytischen sowie blutchemischen Parameter nicht unterscheiden.
Die hyperdyname Form des septischen Schocks findet sich häufig in der Frühphase. Normo- oder Hypervolämie, respiratorische Alkalose, erhöhter ZVD, hohes HMV, erniedrigter systemischer Gefäßwiderstand und eine trockene, warme Haut sind charakteristisch. Da das HMV stärker als der Sauerstoffverbrauch zunimmt, zeigen die Blutgase unauffällige Pa0 2 -Werte, jedoch eine verminderte arteriovenöse Sauerstoffdifferenz. Ferner Anstieg der Laktatkonzentration und Thrombozytensturz. Pathophysiologie: A m Beispiel des hypovolämischen Schocks soll das allen Schockformen gemeinsame pathophysiologische Geschehen dargestellt werden. Ein hypovolämischer Schock kann dann angenommen werden, wenn der intravasale Volumenverlust mehr als 25 % beträgt. Konsekutiv nimmt das H M V ab, u n d es treten metabolische Veränderungen auf, ohne daß zunächst klinisch das Vollbild des Schocks imponiert. Der Organismus versucht, die akute Situation durch eine sympathoadrenale Reaktion zu kompensieren. D a b e i können die einzelnen Organsysteme unterschiedliche Verhaltensmuster zeigen, weil zentral ausgelöste kompensatorische Steuermechanismen mit der peripheren - in d e r Regel noch funktionierenden - Autoregulation zu-
Pathophysiologie
Schockmechanismus beim hypovolämischen Schock: • Volumenverlust >25% -» A b n a h m e des H M V -> metabolische Veränderungen -> A u s g l e i c h durch sympathoadrenale Reaktionen mit Vasokonstriktion und Zentralisierung
194
21. Erstversorgung von Notfällen, Schock und Wiederbelebung metabolische Dysregulation mit Hypoxidose und metabolischer Azidose -> Permeabilitätsveränderungen im Kapillargebiet
sammentreffen. Das Ausmaß der Vasokonstriktion wird von der Diskrepanz zwischen intravasalem Volumen und peripherem Bedarf bestimmt. Die Zentralisation des Kreislaufs bewirkt, daß die Perfusion lebenswichtiger Organe (Niere, Leber, Gehirn) erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeschränkt wird. Mit zunehmender Beschränkung des Kreislaufs auf einzelne Teilgebiete wird jedoch die metabolische Dysregulation verstärkt.
• ferner: - intrazellulärer Kaliumverlust, - Einstrom von Na + , H + , durch Ansammlung von Flüssigkeit im interstitiellen Raum, Blutviskosität T
Die primär sinnvolle Vasokonstriktion hat nun allmählich schwere Schädigungen zur Folge. Die mangelhafte Perfusion peripherer Gewebeareale führt zur Hypoxidose und zur metabolischen Azidose. Diese lokale Azidose hat bewirkt, daß der Tonus der Gefäßmuskulatur auf der arteriellen Seite früher als auf der venösen abnimmt und damit Permeabilitätsveränderungen im Kapillargebiet auftreten. Weiterhin wird die Zellenergetik gestört, so daß es zu einem intrazellulären Kaliumverlust sowie zum Einstrom von Natrium- und Wasserstoffionen kommt. Durch die Ansammlung von Flüssigkeit im interstitiellen Raum erhöht sich die Blutviskosität.
• bei Schock über 1-2 h -> Organschädigung -> durch aggregierende Erythro- und Thrombozyten weitere Störung der Mikrozirkulation -> Thrombozyten 4-, Gewebetraumatisierung, Hypoxie, RR 4 Dekompensation, • bei länger anhaltendem Schock: - 0 2 -Versorgung 4 - Lungenfunktion 4 - interstitielles Ödem - Atelektasenbildungen - Öffnung funktioneller Shunts
Hält der Schockzustand länger als 1 - 2 Stunden an, so werden Organfunktionsstörungen sichtbar. Die Störung der Mirkozirkulation wird durch aggregierende Erythrozyten und Thrombozyten verstärkt. Ein sehr empfindlicher Indikator für den Ablauf des Schockgeschehens ist die sinkende Zahl der Thrombozyten im strömenden Blut. Gewebetraumatisierung, Hypoxie, Blutdruckabfall und Endotoxine verschlechtern die Situation. Der Übergang in den Zustand der Dekompensation ist fließend. Die Organfunktionen werden zunehmend beeinträchtigt (schlechte Sauerstoffversorgung). Neben der Vasokonstriktion führen Hämoglobinverluste zur Verminderung des Sauerstoffantransportes; die Versorgung der lebensnotwendigen Organe kann nur durch Erhöhung des H M V und erhöhte venöse Ausschöpfung garantiert werden. Hält der Schockzustand länger an, so wird die Sauerstoffversorgung durch die metabolischen Veränderungen beeinflußt (schlechtere Sauerstoffaffinität des Hämoglobins, intraerythrozytärer Mangel an 2,3-DPG). Die Funktion der Lunge wird durch Vasokonstriktion verschlechtert. Die Adhäsionsfähigkeit der Thrombozyten in der pulmonalen Strombahn führt zur Freisetzung von vasoaktiven Stoffen (Zunahme der Permeabilität und Vasokonstriktion). Interstitielles Ödem, Störung der Synthese des Antiatelektasefaktors und daraus resultierende Atelektasenbildung mit Öffnung funktioneller Shunts sind die Folge.
• • • •
•
Niere Oligurie GFR4 Leber Funktion 4Hauptsymptome des Schocks: Gewebeperfusion 4 -> Gegenregulation: Herzfrequenz T , peripherer Widerstand T Umverteilung des Blutes (Zentralisation): Herz, Gehirn, Lunge, Nebennieren dadurch: —> Freisetzung von toxischen Peptiden zusammen mit Minderdurchblutung, Hypoxie, Laktazidose Organschäden an: Niere, Herz, Lunge, Leber Interaktion von polymorphkernigen Leukozyten mit Gefäßendothel —> Freisetzung von Mediatoren TNFa, II 1 Bildung von Sauerstoffradikalen Aktivierung des Arachidonsäuremetabolismus Auflockerung des Endothelzellverbandes -> zunehmende Permeabilität
Schocklunge (ARDS) • Atemnot • Hypoxie • Lungenveränderungen • respiratorische Insuffizienz
Die Störung der Nierenfunktion zeigt sich in einer Oligurie. Schädigung führt zu verminderter Natriumrückresorption. Hierdurch wird das Renin-Angiotensin-System als Rückkoppelungsmechanismus aktiviert. Die Folge ist eine weitere Konstriktion des Vas afferens mit Reduzierung der glomerulären Filtrationsrate. Auch die Leber ist im Schock - wenn auch weniger auffällig - in ihrer Funktion erheblich eingeschränkt. Bei allen Formen des Schocks ist die inadäquate Gewebeperfusion Hauptsymptom. Die Gegenregulation erfolgt über Druckrezeptoren in der Aorta und im Karotissinus; es resultiert eine verminderte Aktivität des N.vagus mit Herzfrequenzsteigerung. Gleichzeitig bewirkt das sympathische System eine Steigerung des Vasomotorentonus mit Erhöhung des peripheren Widerstandes. Die sympathoadrenerge Reaktion führt zu einer Umverteilung des insgesamt verminderten Blutvolumens zugunsten von Herz, Gehirn, Lunge und Nebennieren (Zentralisation). Hypovolämie infolge Trauma und Hämorrhagie führen schließlich zu regional unterschiedlicher Minderperfusion mit deutlichen Störungen der Zellfunktion. In der Folge steht die Interaktion der polymorphkernigen Leukozyten mit dem Gefäßendothel im Vordergrund und führt zur Freisetzung vasoaktiver Mediatoren. Aktivierte Monozyten und Makrophagen setzen eine Reihe von Zytokinen frei wie Tumornekrosefaktor (TNF a) und Interleukin-1 (II 1). Zytokine wiederum stimulieren polymorphkernige Granulozyten zur Bildung von Sauerstoffradikalen, die dann das Anhaften von Leukozyten am Endothel fördern. Außerdem wird der Arachidonsäuremetabolismus aktiviert, was zur Zerstörung von Zellmembranstrukturen führt. Die Auflokkerung des Endothelzellverbandes mit zunehmender Permeabilität von Flüssigkeit und Makromolekülen ist die Folge.
Die Schocklunge, auch als ARDS (akutes Atemnotsyndrom des Erwachsenen) bezeichnet, stellt ein variables klinisches Syndrom dar. Es ist gekennzeichnet durch akute Atemnot, Hypoxämie, interstitielle Lungenveränderungen und respiratorische Insuffizienz. Der progrediente Schock führt im pulmonalen Strombett zu transkapillärem Flüssigkeitsverlust mit interstitiellem Lungenödem. Die sich verstärkenden Gerinnungsstörungen sind mit einer vermehrten Bildung von
Schock und Wiederbelebung Thrombozytenaggregaten verbunden, die selektiv in den Lungen abgefangen werden. Aus diesen Plättchenaggregaten werden biogene Amine (z.B. Serotonin) freigesetzt, die für die erhöhte Kapillarpermeabilität in der Lunge und für die Erhöhung des pulmonalen Gefäßwiderstandes verantwortlich sind. Die Beeinträchtigung der Herzfunktion kommt dadurch zustande, daß die Koronardurchblutung wesentlich vom systemischen Blutdruck abhängt. Die Möglichkeit einer zusätzlichen Sauerstoffausschöpfung im koronaren Strombett ist durch die hohe arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (11 %) sehr begrenzt. Die myokardiale Funktion wird durch die Azidose verschlechtert (Veränderung des Kalium-Natrium-Gradienten an der Zelle). Endogene Mediatoren wie „myocardial depressant substance" scheinen die myokardiale Funktion zusätzlich zu beeinträchtigen.
2.1.2 Symptome, Therapie Alle Schockformen haben eine gemeinsame Symptomatik: • schwerkranker Patient, kaltschweißig, Tachypnoe, Dyspnoe • blaß-graue Zyanose von Haut und Schleimhäuten, insbesondere der Akren • erhebliche Temperaturdifferenz zwischen Kern und Körperschale. • Tachykardie, Hypotonie (< 90 mm Hg systol.), kleine Blutdruckamplitude, kaum tastbarer Puls, Oligurie (< 30 ml/h), evtl. Anurie, • motorische Unruhe, Verwirrtheit, Angst, Somnolenz, • Blutgasanalyse: häufig metabolische Azidose, • zentralvenöser Druck erniedrigt (Ausnahme: kardiogener Schock, Lungenembolie, septischer Schock im hyperdynamen Stadium).
195
Progredienter Schock Herzfunktion: RR i Folge -»verminderte Koronardurchblutung, —> verminderte 0 2 -Versorgung. Beeinträchtung auch durch Azidose (K-Na-Gradient der Zelle)
Symptomatologie Symptome des Schocks
Als Einzelaspekte betrachtet, besitzen die genannten Symptome keinerlei Aussagekraft. Nur ihre kombinierte Wertung und fortlaufende Kontrolle zeigen die Entwicklung eines Schockgeschehens auf.
Alle Symptome müssen in ihrem gemeinsamen, kombinierten Auftreten gewertet werden I
Therapie. Für die Therapie der verschiedenen Schockformen spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle: Irreversible Schäden lassen sich nur durch schnellen Therapiebeginn vermeiden. Wichtig ist, daß jeder Patient einen sicheren venösen Zugang (Verweilkanüle) erhält. Je ausgeprägter der Schockzustand, desto eher ist eine Intubation und kontrollierte Beatmung notwendig. Beim Volumenmangelschock muß das intravasale Volumen konsequent wieder aufgefüllt werden. Hierzu stehen zur Verfügung:
Schocktherapie Schneller Therapiebeginn, da sonst irreversible Schäden. Venöser Zugang. Intubation und kontrollierte Beatmung. Zeitfaktor ist entscheidend!
• • • • •
kolloidale Lösungen (Hydroxyäthylstärke, Dextran, Gelatine) Eiweißpräparationen (Humanalbumin, frisch gefrorenes Plasma). Zufuhr von Sauerstoffträgern (Vollblut, Erythrozytenkonzentrat), kristalloide Lösungen (nur ergänzend zu anderen Lösungen!) hypertone Kochsalzlösungen („small volumen resuscitation").
Die Gabe von 4 ml/kg/KG einer 7,2 %igen hypertonen Kochsalzlösung in der akuten Schockphase scheint durch unmittelbare Mobilisation von Flüssigkeit aus den geschwollen Endothelien sowie durch ihre Wirkung auf den mikrovaskulären Blutfluß zu einer Erhöhung des Sauerstoffangebotes im Gewebe und einer Steigerung der Sauerstoffaufnahme zu führen. Dem Patienten muß sauerstoffangereicherte Atemluft (0 2 -Nasensonde) angeboten werden. Die Therapie wird durch Blutdruckmessung, Urinausscheidung (mindestens 50 ml/h), Blutgasanalyse, Hämoglobingehalt, Hämatokrit beurteilt. Ausgleich einer metabolischen Azidose mit Bicarbonat (8,4%; 1 ml = 1 mmol HC0 3 ") entsprechend dem negativen Basenüberschuß (BE) nach der Formel: - B E x 0,3 x kg KG. Um die Zentralisation zu durchbrechen, können alphablockierende Substanzen (z.B. Dehydrobenzperidol, Hydergin) vorsichtig unter Volumenzufuhr gegeben werden, ergänzend dazu Dopamin als positiv inotrope Substanz mit zusätzlicher spezifischer Wirkung an den Nieren.
I.Therapie des hypovolämischen Schocks • Volumenauffüllung mit - HÄS, Eiweiß - Transfusion - hypertone NaCI-Lsg. • Zufuhr von 0 2 -reicher Atemluft • Ausgleich der metabolischen Azidose
Aufhebung der Zentralisation mit Alphablockern.
196
21. Erstversorgung von Notfällen, Schock und Wiederbelebung
2. Therapie des kardiogenen Schocks • 0 2 -Nasensonde, ggf. Intubation • Analgesie, Sedierung • Dopamin/Dobutamin • Vasodilatanzien, Diuretika • Azidose behandeln
Auch beim kardiogenen Schock muß schnell gehandelt werden. Für Diagnose und optimale Therapie ist ein aufwendiges Monitoring, möglichst mit Pulmonaliskatheter, notwendig; • Sauerstoffgabe über eine Nasensonde, ggf. frühzeitige nasotracheale Intubation • Schmerztherapie mit Morphium (5-10 mg) und Sedierung (Benzodiazepine). • Verbesserung der myokardialen Funktion durch Dopamin oder Dobutamin, • Verminderung der linksventrikulären Füllungsdrucke durch Gabe von Vasodilatanzien (Nitroglyzerin, Nitroprussidnatrium) sowie von Diuretika, • Azidosenausgleich muß vorsichtig erfolgen.
3. Therapie des septischen Schocks • Katecholamine (Dopamin, Dobutamin), • Noradrenalin, • Vasodilatanzien, • Volumengabe, • Beatmung, • gezielte Antibiotikabehandlung, primär Breitspektrumantibiotika. • Fiebersenkung • Gefäßperipherie weitstellen • Heparinisierung (200 I.E./h).
Bei der Behandlung des septischen Schocks ist die große individuelle Variabilität beim Ablauf des Krankheitsgeschehens zu berücksichtigen. Er zeigt zunächst ein hyperzirkulatorisches Verhalten (hyperdynames Stadium). Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, über einen Pulmonaliskatheter die hämodynamischen Parameter, ebenso die den Sauerstoffverbrauch und das -angebot charakterisierenden Werte zu bestimmen. Die gewonnenen Daten geben wertvolle Hinweise auf weitere therapeutische Schritte z.B.
=í>
Spätphase des septischen Schocks (hypodynamisches Stadium) • HMVl • arterieller Druck-L • peripherer Widerstand? • Sequestration von Flüssigkeit
3. Anaphylaktischer Schock
=0 Therapie • 0 2 -Gabe • Adrenalin i.v. • Glukokortikoide • Antihistaminika • evtl. Intubation und Beatmung • Katecholamine
• Katecholamine (Dopamin, Dobutamin, Noradrenalin), Vasodilatatoren, Volumengabe. • Eine frühzeitige Beatmung zur Sicherung des Gasaustausches (nasotracheale Intubation) ist anzustreben. • Antibiotika nach Antibiogramm geben. Häufig ist jedoch eine Therapie mit Breitspektrumantibiotika wie Cephalosporinen der III. Generation, Carbapenemen oder Chinolonen notwendig. Vorher möglichst Blutkulturen abnehmen! Bei Verdacht auf Anaerobier-Beteiligung sollten zusätzlich anaerob-wirksame Antibiotika, bei Hinweis auf Staphylococcus aureus-Infektionen müssen speziell Staphylococcus aureus-wirksame Antibiotika wie z. B. Vancomycin eingesetzt werden. • Eine Fiebersenkung kann physikalisch bei gleichzeitiger ausreichender Sedierung erfolgen; diese Maßnahmen können durch Antipyretika sowie durch Medikamente unterstützt werden, die die Gefäßperipherie weitstellen. • Beim septischen Schock findet sich häufig eine Verbrauchskoagulopathie; deshalb Gerinnungswerte regelmäßig kontrollieren. Eine Heparinisierung (2001. E./h) soll dem Verbrauch entgegenwirken. Die Spätphase des septischen Schocks geht einher mit vermindertem HMV, erniedrigtem arteriellen Druck, erhöhtem peripheren Widerstand (hypodynames Stadium). Da die Permeabilität durch verschiedene Faktoren zunimmt, kommt es zu einer Sequestration von Flüssigkeit im Extrazellulärraum. Ein septisches Zustandbild wird durch eine Reihe prädisponierender Faktoren begünstigt; konsumierende Erkrankungen, Reduktion körpereigener Abwehrsysteme (Malignóme, Zytostatika, Strahlen- und Kortikoidtherapie, Stoffwechselerkrankungen usw.). Die Letalität des septischen Schocks ist mit 30-70 % hoch. Die Symptomatik des anaphylaktischen Schocks kann sich in sehr ausgeprägter Hypotension, Bronchospasmus oder Quincke-Ödem äußern. Die unmittelbare Therapie besteht in Sauerstoffzufuhr und Adrenalinapplikation i.v. (1 ml einer 1:10000 verdünnten Suprarenin-Lösung). Gleichzeitig sollten auch hochdosiert Glukokortikoide (Wirkungseintritt erst nach 20 min), Antihistaminika und Volumen zugeführt werden; bei weiterbestehendem Schock sind Intubation, Beamtung und kontinuierliche Katecholamintherapie erforderlich.
Schock und Wiederbelebung 2.2 W i e d e r b e l e b u n g
197 Wiederbelebung
Definition: Wiederbelebung sind alle lebensrettenden Maßnahmen, die eine Normalisierung von Organfunktionen einleiten oder Verschlimmerungen verhindern. Die Erfolgsaussichten sind zeitabhängig. 2.2.1 Ätiologie, Pathophysiologie, Klinik Ist die Sauerstoffzufuhr unterbrochen, so tritt nach 10-15 s Bewußtlosigkeit ein, nach weiteren 30-90 s werden die Pupillen weit und reaktionslos. Der eingetretene klinische Tod ist noch für wenige Minuten reversibel. Der biologische, irreversible Tod tritt ohne Reanimation nach 4-6 min ein. Für das Überleben in dieser bedrohlichen Situation ist die Aufrechterhaltung der Funktionen zweier Organe, nämlich der Lunge und des Herzens, unabdingbar.
Ätiologie, Pathophysiologie, Klinik
10 % tritt eine Lähmung des Atemzentrums auf. Kohlenmonoxid (CO) führt bereits in Konzentrationen von 0,1 % zu Kopfschmerzen, bei 0,3 % tritt Bewußtlosigkeit auf. Zum Vergleich: Autoabgase haben einen CO-Gehalt von ca. 4,5 %. Hirndrucksteigerungen können nach Schädel-Hirn-Traumen auftreten und führen zu Bradypnoe, Apnoe oder zur Cheyne-Stokes-Atmung. Eine diabetische Stoffwechselentgleisung äußert sich in der Kussmaul-Atmung. Verlegungen der Atemwege haben größte Bedeutung. Die einfachste und häufigste Behinderung wird durch die zurückfallende Zunge bei eingeschränkter Bewußtseinslage hervorgerufen; die Schutzreflexe sind nicht funktionstüchtig. Verengungen können in den oberen Luftwegen durch Entzündungen im Rachen- und Kehlkopfbereich (z.B. Insektenstiche, allergisches Ödem) entstehen. Grobe rasselnde Geräusche weisen auf eine Aspiration von Blut, Erbrochenem, Fremdkörpern oder Gebißteilen hin. Eine Verlegung äußert sich in ruckartigen, allein auf Zwerchfellbewegungen zurückzuführende Atemexkursionen (inverse Atmung). Verletzungen sind zu beachten: Traumen der Mundhöhle, des Halses mit Schwellungen oder des knöchernen Gesichtsschädels, Einrisse der Trachea. Der Gasaustausch im Lungengewebe wird durch reizende Gase, Pneumonien und Lungenödem behindert. Ein Thoraxtrauma (s. Kap. 44.1, S.882) mit Instabilität des knöchernen Thorax führt zur paradoxen Atmung; die verletzte Seite sinkt bei der Inspiration ein. Lungenparenchym- und Bronchialverletzungen können zum Pneumo- oder Spannungspneumothorax führen.
(^-Versorgung funktioniert nur bei ausreichendem Angebot in der Atemluft. • C02-Konzentration 10%-»Lähmung des Atemzentrums. • 0,3% CO in Atemluft -> Bewußtlosigkeit Behinderung der Atmung durch: • Schädel-Hirn-Traumen • diabetische Stoffwechselentgleisung • Verlegung der Atemwege, z. B. durch zurückfallende Zunge • Verengung durch Entzündung • Aspiration (Blut, Erbrochenes, Fremdkörper)
Bei Verlegung der Atemwege —> inverse Atmung.
Bei instabilem Thorax Atmung.
paradoxe
2.2.1.2 Störungen des Kreislaufs
Störungen des Kreislaufs
Ursachen für Störungen des kardiozirkulatorischen Systems sind in einer akuten Leistungsbehinderung des Herzens zu suchen: Hierbei finden sich Störungen der myokardialen Funktion, der Reizbildung und Erregungsleitung im Herzen. Mechanisch kann eine traumatische Herzbeuteltamponade eine Herzinsuffizienz verursachen. Eine zirkulatorische Insuffizienz wird u. a. durch einen akuten intravasalen Volumenmangel hervorgerufen. Primäre Ursachen für einen Kreislaufstillstand sind Asystolie, Kammerflimmern und Hyposystolie. Letztere ist durch sehr schwache, jedoch noch koordinierte Herztätigkeit mit für die Versorgung lebenswichtiger Organe zu geringem HMV gekennzeichnet. Sekundär kann ein Kreislaufstillstand aufgrund einer respiratorischen Insuffizienz (0 2 -Mangel) entstehen.
Ursachen: • Störung der myokardialen Funktion • Störung der Reizbildung • Störung der Erregungsleitung • Herzbeuteltamponade • Volumenmangel Kreislaufstillstand nach • Asystolie 1 • Kammerflimmern > primär • Hyposystolie J . respiratorischer 1 sekundär Insuffizienz f
198 Wiederbelebung
21. Erstversorgung von Notfällen, Schock und Wiederbelebung 2.2.2 Wiederbelebungsmaßnahmen Atmung und Kreislauf stellen 2 hintereinandergeschaltete Transportsysteme für Sauerstoff und Kohlendioxid dar. Demzufolge beginnt auch bei einem Kreislaufstillstand unabhängig von der Ursache die Wiederbelebung durch Bereitstellung ausreichender Mengen von Sauerstoff.
i. Wiederherstellung der Atemfunktion
2.2.2.1 Wiederherstellung der Atemfunktion
• Freimachen der Atemwege
Atemwege freimachen. Erste Maßnahme ist das Freimachen der Atemwe-
- Reinigen von Mund und Rachen
ge.
Beim Bewußtlosen, dessen Schutzreflexe ausgefallen sind, kann die Verlegung durch die zurückgefallene Zunge durch Überstrecken des Kopfes in den Nacken und Anheben des Unterkiefers nach vorne und oben (Esmarch-Handgriff) sofort behoben werden. Das Reinigen von Mund und Rachen (Fremdkörper, Blut, Schleim, Teile von Zahnprothesen usw.) erfolgt am einfachsten mit Mittel- und Zeigefinger, die ggf. mit einem Taschentuch umwickelt sind. • Seitenlagerung möglichst mit Tubus
Stabile Seitenlage. Atmet der Bewußtlose nach diesen Maßnahmen ausreichend, so wird er in eine stabile Seitenlage gebracht: Der unten liegende Arm wird nach hinten, der obere nach vorne gewinkelt; das unten liegende Bein wird gebeugt, das oben liegende gestreckt (s. Abb. 21-2). Die Sicherung freier Atemwege geschieht zusätzlich möglichst durch einen oralen (Guedel-Tubus) oder einen nasalen Wendl-Tubus (Abb. 21-5).
Wenn keine Spontanatmung • Mund-zu-Nase-Beatmung - Technik (Abb.21-5)
Mund-zu-Nase-Beatmung. Bei fehlender Spontanatmung soll die Atemspende schnell und korrekt erfolgen. Methode der Wahl ist die Mund-zuNase-Beatmung. Hierzu kniet der Helfer in Kopfhöhe neben dem Patienten und legt seine beiden Hände unter das Kinn und auf die Stirn. Der Kopf wird rekliniert, der Unterkiefer vorgezogen. Der Mund wird mit dem Daumen zusätzlich verschlossen; der Mund des Helfers umschließt nun dicht die Nasenöffnungen und bläst seine Ausatemluft in die Lungen des Patienten.
• Mund-zu-Mund-Beatmung (Abb. 21-6) - bei verstopfter Nase
Sind die Nasenöffnungen nicht durchgängig, so muß die Atemspende in Form der Mund-zu-Mund-Beatmung (Abb. 21-6) erfolgen, wobei der Mund des Patienten ca. 1-1,5 cm offengehalten werden muß. Die Ausatmung erfolgt passiv: die Effektivität wird durch Bewegungen des Brustkorbes und durch das Ausströmen der Beatmungsluft kontrolliert. Die Beatmungsfrequenz beträgt 12-15/min. Folgende Hilfsmittel können zum Freihalten der Atemwege und zur Atemspende eingesetzt werden: (s. Abb.21-5): nasopharyngealer Wendl-Tubus, der oropharyngeale GuedelTubus sowie die Laerdal-Maske. Auf diese Weise gelingt es eher, den direkten Kontakt bei der Atemspende zu vermeiden.
Abb.21-5: Bei Mund-zu-Mund - oder Mund-zu-Nase-Beatmung wird bei Überstreckung des Halses gleichzeitig der Karotispuls palpiert. Bei Maskenbeatmung wird vorher ein Rachentubus eingeführt
Schock und Wiederbelebung
199
Eine optimale Form der Beatmung stellt zweifelsfrei die Ventilation über einen Endotrachealtubus dar, die jedoch Erfahrung in der Intubationstechnik voraussetzt.
• beste Form der Beatmung: Ventilation über Endotrachealtubus
2.2.2.2 Wiederherstellung der kardiozirkulatorischen Funktionen
Wiederherstellung von Kreislauf- und Herzfunktion
Extrathorakale Herzmassage. Ist der Kreislaufstillstand - weite Pupillen und fehlender Puls der A. carotis - gesichert, so muß - unabhängig von der auslösenden Ursache - die pulmonale Reanimation sofort durch eine extrathorakale Herzmassage ergänzt werden (Abb. 21-7).
Extrathorakale Herzmassage
Das Herz wird hierbei durch rhythmische Bewegungen des unteren Sternumdrittels um 4—6 cm in Richtung Wirbelsäule derartig komprimiert, daß eine ausreichende Blutmenge ausgeworfen wird. Bei regelrechter Durchführung werden Blutdruckwerte zwischen 90 und 120 mm Hg und eine HMV von 30-50 % der Norm erreicht. Der Patient wird flach auf eine harte Unterlage gelegt, am besten auf den Fußboden. Der Arzt bzw. Helfer steht oder kniet seitlich vom Patienten. Die zur Thoraxkompression erforderliche Kraft (25-35 kp!) wird durch Verlagerung des Körpergewichts über die im Ellenbogengelenk gestreckten Arme und die übereinandergelegten Handballen senkrecht auf das untere Sternumdrittel übertragen. Die Fingerspitzen dürfen hierbei keinesfalls den Brustkorb berühren! (Abb. 21-8) Die Kompressionen
Abb.21-7: Technik der extrathorakalen Herzmassage. Beachte, daß die Finger nicht den Brustkorb berühren
- Technik (Abb.21-8): rhythmische Kompression mit einer Frequenz von 60-80/ min.
Abb.21-8: Bei der extrathorakalen Herzmassage wird ein Handballen auf das distale Sternumdrittel aufgesetzt und die andere Hand darübergelegt. Die Finger sind frei. Das Sternum wird 3 - 5 cm gegen die Wirbelsäule gedrückt
21. Erstversorgung von Notfällen, Schock und Wiederbelebung
200
erfolgen rhythmisch mit einer Frequenz von 60-80/min. Trotz der aufzuwendenden Kraft sollte die Herzmassage „gefühlvoll" durchgeführt werden.
• Ein-Helfer-Methode: (Abb. 21-9) 3-5 Atemspenden 15 Herzmassagen abwechselnd: 2 Atemspenden - 15 Herzmassagen • Zwei-Helfer-Methode (Abb.21-10): 3-5 Atemspenden abwechselnd 1 Atemspende - 5 Herzmassagen.
Ein-Helfer-Methode (Abb. 21-9). Ist 1 Helfer auf sich alleine angewiesen, so beginnt er die kardiopulmonale Reanimation mit 3-5 Atemspenden, unmittelbar gefolgt von 15 Herzmassagen. Anschließend wechseln 2 Insufflationen mit 15 Herzmassagen regelmäßig ab. Die Frequenzen orientieren sich an den physiologischen Werten. Bei der Zwei-Helfer-Methode (Abb.21-10) wird nach initialer 3-5 maliger Atemspende jede Beatmung von 5 Herzmassagen gefolgt (Abb. 21-5). Bei intubierten Patienten ist die starre Koordination zwischen Beatmung und Herzmassage nicht unbedingt notwendig. Die durch die Beatmung entstehenden intrathorakalen Druckerhöhungen und -erniedrigungen unterstützen den Blutfluß.
• -
Erfolgskontrolle engere Pupillen rosige Haut und Schleimhäute tastbare periphere Pulse
Die effektiv durchgeführte kardiopulmonale Wiederbelebung wird durch Engerwerden der Pupillen, Rosigwerden der Haut und Schleimhäute im Gesicht und durch das Tasten peripherer Pulse bewiesen. Komplikationen einer externen Herzmassage: Rippenfrakturen, Milz- und Leberverletzungen.
• -
kein Erfolg: Volumenersatzmittel Natriumbicarbonat (blinde Pufferung) Adrenalin als Mittel der Wahl
Medikamente, Zentraler Venenkatheter (ZVK). Zeigen sich durch diese, nach den geschilderten Kriterien effektiven Maßnahmen keine regelmäßigen Herzaktionen, so ist zusätzlich eine medikamentöse Unterstützung notwendig. Hierzu benötigt man einen sicheren großlumigen peripheren oder zentralvenösen Zugang. Bei vermutetem Volumenmangel ist die schnelle Infusion von Volumenersatzmitteln notwendig. Als nächster Schritt erfolgt eine blinde Pufferung der stets vorhandenen metabolischen Azidose mit Natriumbicarbonat (1 mmol = 1 ml/kg/KG einer 8,4%igen NaHC0 3 -Lösung nach jeweils 10 min). Adrenalin. Entsprechend den Empfehlungen der American Heart Association gilt Adrenalin als Mittel der Wahl bei der kardialen Reanimation. Adrenalin wirkt initial vornehmlich durch seine sympathikusstimulierende Wirkung, die zu einer Vasokonstriktion mit Anhebung des diastolischen Drucks und damit der Koronarperfusion führt. Adrenalin kann auch intratracheal verabfolgt werden; der Wirkungseintritt geschieht ebenso rasch wie nach i. v. Zufuhr. Die Dosierung beträgt initial 0,5-1 mg (intratracheal 1-2 mg in 10 ml 0,9 % NaCl). Wiederholungsdosen werden nach Bedarf gegeben. Eine Vermischung von N a H C 0 3 mit Adrenalin ist zu vermeiden!
Schock und Wiederbelebung
201
Alupent. Bei Asystolie steigert Alupent die Herzfrequenz und Herzkraft (Dosierung: 0,5 mg). Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht keine Indikation mehr für Kalziumgaben in der Reanimation.
• kein Kalzium in der Reanimation
Defibrillation. Eine Vielzahl von Kreislaufstillständen ist durch Kammerflimmern bedingt; die Diagnose wird durch Ableiten des EKG gestellt. Gesicherte Therapie ist die elektrische Defibrillation:
• bei Kammerflimmern: Defibrillation
Die beiden großflächigen Elektroden werden am Rücken bzw. unterhalb der rechten Klavikula und über die Herzspitze lokalisiert; zur Herabsetzung des Hautwiderstandes werden die Elektroden mit einer Elektrolytpaste bedeckt. Die Defibrillation erfolgt mit 200-400 Ws und kann mehrfach wiederholt werden. Während der elektrischen Defibrillation muß jeder Kontakt mit dem Patienten vermieden werden. Bei Unwirksamkeit wird die Defibrillation durch Adrenalin erleichtert. Lidocain verhindert nach erfolgreicher Defibrillation ein erneutes Kammerflimmern (Bolusinjektion von 100 mg, dann Dauerinfusion von 2 - 4 mg/min).
22. Physikalische Medizin und Rehabilitation D. Krause
Behandlungsmaßnahmen: - mechanisch - thermisch - elektrisch
Definition. Die physikalische Medizin umfaßt jene Therapiemethoden, die ausschließlich auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten beruhen und deren Wirkung benutzen. Hinzu kommen diagnostische Verfahren, die der Erfolgskontrolle dienen. Zu den Behandlungsmaßnahmen gehören mechanische (Bewegungs-, Extensions- und Lagerungstherapie), thermische (Wärme- und Kälteapplikation) sowie elektrische (Behandlung mit Gleich- oder Wechselströmen ausgenommen solche mit ionisierenden Strahlen) Verfahren. Ziel ist die Rehabilitation. Sie beginnt vom ersten Krankheitstage an, d. h. also präoperativ. Viele physikalische Therapieverfahren sind hinsichtlich ihrer Wirkungsmechanismen bis heute nicht geklärt. Sie haben dennoch in Klinik und Praxis ihren festen Platz behauptet, weil ihre Effizienz gesichert und unerwünschte Nebenwirkungen so gut wie unbekannt sind.
In der Chirurgie wichtig: - Atem- Bewegungs- Hydro- Mechano- u. - Thermotherapie
Für die Chirurgie und Traumatologie sind in erster Linie Atem-, Bewegungs- und Hydrotherapie sowie mechano-, thermo- und evtl. elektrotherapeutische Maßnahmen von Bedeutung.
1. Atemtherapie
1. Atemtherapie
Inhalation: Vernebelte Medikamente, die feinverteilt ins Atemsystem eindringen.
Inhalationstherapie: Mittels Wasserdampf oder komprimierter Luft bzw. durch Ultraschallvernebelung werden Medikamente, feindispers verteilt, in das Respirationssystem eingebracht. Unterschieden wird zwischen Sprays und Verdampfungsgeräten (Bronchitiskessel, Wasserdampfinhalationsgeräte) und Aerosolgeräten, die mit Preßluft- oder Ultraschallvernebelung, ggf. intermitierender Druckbeatmung (IPPB = intermittend positive pressure breathing) arbeiten.
Wirkungsverbesserung durch geringere Teilchengröße, die von verschiedenen Verfahren geliefert wird: • Wasserdampf > 30 [im -> Hauptbronchus • Aerosole < 30 um kleinere Bronchien • Ultraschallvernebier < 3 (j,m Alveolen
Entscheidend für Angriffsort und -Wirkung ist die Teilchengröße: Wasserdampfgeräte erzeugen Partikelgrößen von 30 |im oder mehr, die bestenfalls den Hauptbronchus erreichen; Aerosole mit Partikelgrößen < 30 um gelangen in tiefere Abschnitte des Bronchialsystems und bei Ultraschallvernebelung (mit größerer Medikamentendichte) mit IPPB-Gerät u n d Partikelgrößen von 3 - 1 |im bis in d e n Alveolarbereich. Die Wahl des Gerätes und der Medikamente wird demnach von der medizinischen Indikation bestimmt.
Erhöhung der Atmungsaktivität durch Giebelrohr.
Giebelrohr: Es handelt sich um teleskopartig zusammensetzbare Plastikrohrstücke von 30 ml Volumen, die in Verbindung mit einer die Nasenatmung ausschaltenden Klemme den Ventilationstotraum des Patienten wesentlich vergrößern (Rohrlänge bis zu 0,5 m). Sie verstärken über C0 2 -Anreicherung die Atmungsaktivität. Der Vorteil dieser Methode liegt in der einfachen Handhabung, die vom Patienten mehrmals täglich selbständig angewendet werden kann.
Krankengymnastische Atemtherapie Wichtigste Maßnahme zur Pneumonieprophylaxe Indikation: - präoperative Ventilationsstörung - Narkosevorbereitung
Krankengymnastische Atemtherapie: Sie ist die wichtigste Maßnahme zur Pneumonieprophylaxe. Neben passiv stimulierenden Vibrationen mit der Hand über verschiedenen Thoraxabschnitten zur Anregung der Sekretolyse spielt die Dehnlagerung für die Mehrbelüftung einzelner Lungenabschnitte eine wichtige Rolle. In entsprechender Rücken- oder Seitenlagerung kann der Physiotherapeut
Balneologische, Licht- und Klimaanwendungen treten in den Akutdisziplinen in den Hintergrund.
203
Krankengymnastik durch taktile Führungsreize die Patienten in erwünschte Lungenabschnitte (wie z.B. bei der Flankenatmung) „hineinatmen" lassen. Durch Seitlagerung beispielsweise können so die unteren und hinteren, also besonders pneumoniegefährdeten Lungenabschnitte aktiv besser belüftet werden. Das Bewußtsein für physiologische Atmung, Atemrhythmus und Ausnutzung normalerweise nicht benötigter Ventilationsreserven wird so geschult und - mittels phonetischer Motivation - zur Prävention und Therapie präund postoperativer Komplikationen genutzt. Indikationen: präoperative Ventilationsstörungen, Narkosevorbereitung, Prophylaxe postoperativer Komplikationen, wie Pneumonie, Lungeninfarkt/-embolie, kardiale Insuffizienz.
2. Krankengymnastik Krankengymnastische Verfahren stehen heute im Vordergrund bei der Rehabilitation chirurgischer Patienten. Hierbei finden sowohl passive, d.h. vom Patienten nicht selbst (z.B. am bewußtlosen Kranken zur Kontrakturverhütung) ausgeführte, als auch aktive, vom Therapeuten geführte oder motivierte Bewegungen statt. Isometrische, d. h. die Gelenke nicht, jedoch die Muskulatur trainierende Übungen, finden ebenso wie isotonische, weniger die Muskulatur, dafür aber die Gelenke mobilisierende Übungen Verwendung. In diesem therapeutischen Konzept sind, besondere beim weniger differenzierten oder älteren bewegungsverarmten Patienten Hilfsmittel, wie Hantel, Keule, Ball, Baligerät, Deuserband oder Stimulation durch Musik, besonders für die Gruppentherapie, oft nicht zu entbehren.
Prophylaxe für - Pneumonie - Lungeninfarkt - kardiale Insuffizienz
2. Krankengymnastik Bei Rehabilitation chirurgischer Patienten. Aktive und passive Bewegungen. Isometrische und isotonische Übungen. Kombination mit anderen physikalischen Verfahren.
Dem Endziel, der Rehabilitation des insgesamt behinderten Kranken, dienen, etwa für die Wiederherstellung der Balance oder zur Erreichung der täglichen Belastbarkeit, der Einsatz des Rollators, des Barrens, der schiefen Ebene, der schwedischen Leiter, des Schwebebalkens, sofern er diesen ungewohnten Anforderungen gewachsen ist. Häufig wird die Kombination mit anderen physikalischen Verfahren, wie Kälte-, Wärme-, Hydro-, Mechano-, Thermo- und Elektrotherapie erforderlich.
Axiale Krankengymnastik: Sie behandelt im wesentlichen Kontrakturen einzelner Gelenke oder Muskelatrophien. Die Mobilisierung der Gelenke oder Kräftigung einzelner atrophierter Muskeln steht im Vordergrund. Die Gesamtrehabilitation tritt demgegenüber stark zurück oder wird dem Patienten weitgehend selbst überlassen. Heute stehen Komplexübungen im Vordergrund (s. u.). Indikationen: muskuläre Insuffizienzen, Gelenkkontrakturen, Thromboembolieprophylaxe, Pneumonieprophylaxe, Frakturen/Luxationen.
Axiale Krankengymnastik zur Mobilisierung von Gelenken, Kräftigung atrophierter Muskeln.
Methode nach Kabat (PNF = Propriozeptive-neuromuskuläre Facilitation). Sie nutzt die physiologischerweise diagonal ablaufenden Bewegungsmuster (Pattern) unter Einbeziehung des gesamten Bewegungsapparates. Damit werden auch pulmonal und kardial wirksame Übungen, in denen die Adduktion/Abduktion, Flexion/Extension, Innen-/Außenrotation zur Behandlung der singulären und multilokulären Atrophie und Kontraktur unter Einsatz der normalen und reziproken Innervation über das sog. Gammaspindelschleifensystem in den Dienst der Therapie gestellt. Indikationen: das gesamte Feld der Unfall-, Bauch-, Neurochirurgie in Prophylaxe, Therapie und wiederherstellenden Maßnahmen, sofern nicht für Bobath-Konzept indiziert.
Kabat-Methode: Einbezug des gesamten Bewegungsapparates bei: - Unfallchirurgie - Bauchchirurgie - Neurochirurgie
Bobath-Konzept: Eine sehr unkonventionelle Methode zur Therapie spastischer Lähmungen, die bereits mit einer gezielten Lagerung des paretischen Patienten beginnen sollte. Eignet sich sowohl für die Behandlung der infantilen Zerebralparese als auch für zentralbedingte schlaffe, in Spastik übergehende Paresen. Dieses Therapiekonzept fördert nicht die gesundgebliebenen Körperabschnitte, sondern die gelähmten Partien. Eine Normalisierung der Bewegungsabläufe wird selten erreicht. Es ist aber die einzig wirksame Methode zur Rehabilitation und Verselbständigung spastisch gelähmter Patienten. Indikationen: alle Formen spastischer Paresen.
Bobath-Methode bei spastischen Lähmungen, fördert die gelähmten Partien.
204 Gruppentherapie: Bessere Motivation in der Gruppenarbeit. Indikation: - periphere arterielle Durchblutungsstörungen - aus der Einzeltherapie entlassene traumatisierte Patienten - Parkinsonkranke Schlingentisch: Aufhängung des Patienten Abnahme der Eigenschwere von Körperabschnitten. Bewegung teilgelähmter Abschnitte. Widerstandsübungen. Indikation: posttraumatische und neurologische Funktionsstörungen des Bewegungsapparates. 3. Hydrotherapie
22. Physikalische Medizin und Rehabilitation Gruppentherapie: Sie steht in gewissem Gegensatz zu den vorher geschilderten, am Einzelpatienten durchgeführten Behandlungsmaßnahmen. Der Vorteil der gleichzeitigen und analogen Übungen mehrerer Patienten liegt in der Gruppenmotivation, dem Ansporn durch Konkurrenz und auch der Pragmatik (Personaleinsparung). Naturgemäß wird sie nur bei gleichartigen Krankheitsbildern und relativ gut beweglichen Kranken anwendbar sein. Indikation: periphere arterielle Durchblutungsstörungen im Stadium II nach Fontaine; aus der Einzeltherapie entlassene traumatisierte Patienten; Parkinson-Kranke. Schlingentisch: Das Gerät erlaubt die quasi schwerelose Aufhängung des Patienten in verschiedenen Positionen - ähnlich dem Bewegungsbad. Die Eigenschwere von Körperabschnitten soll abnehmen und die Bewegung traumatisierter oder teilgelähmter Körperabschnitte ermöglicht werden. Außerdem sind Widerstandsübungen durch einsetzbare Federzüge möglich. Es handelt sich dabei also um ein Hilfsmittel, das in gewissem Umfang die Hydrotherapie ersetzt. Indikationen: posttraumatische oder neurologische Funktionsstörungen des Bewegungsapparates.
3. Hydrotherapie
= Bewegungstherapie im Wasser lokal oder global.
Die Hydrotherapie ist eine wesentliche Ergänzung der anderen Behandlungsmöglichkeiten. Die Bewegungstherapie im Wasser kann lokal (etwa im Bereich der körperfernen Extremitätenabschnitte) oder global im Bewegungsbad erfolgen. Für diese Therapie sind Spezialbäder erforderlich (Wassertiefe 1,20 m, Umwälzanlage, konstante Wasser- und Raumtemperatur (30-33°).
Prinzip: Entlastung der Eigenschwere unter Wasser (Archimedisches Prinzip).
Genutzt wird das Archimedische Prinzip, das Körper unter Wasser auf Bruchteile ihres Gewichtes reduziert. Die gezielte Teilbelastung einzelner Körperabschnitte (etwa bei noch nicht voll belastbaren Osteosynthesen/Frakturen) läßt durch den Auftrieb Übungen unter Entlastung der Eigenschwere zu. Andererseits ist durch Einsatz sog. Auftriebskörper (luftgefüllte Gummimanschetten oder -reifen resp. Plastikauftriebskörper) die dosierte Widerstandsübung möglich.
Anlagen sind: - Arm- und Beinwanne - Bewegungsbad - Laufgraben - Schmetterlingswanne
An Anlagen stehen zur Verfügung: • Arm- und Beinwannen (etwa nach Kneipp) bzw. Bottiche, Waschbecken etc. für die lokale Übung von Extremitätenabschnitten, wobei hyperthermes Wasser (37-39 °C) ohne oder mit Badezusätzen Verwendung findet. Indikationen: Rehabilitation bei lokalen Bewegungseinschränkungen und muskulären Atrophien im Extremitätenbereich. • Das Bewegungsbad, das bei Euthermie (um 33 ° C) der Gesamtrehabilitation des Rumpfes oder von Extremitäten dient. Indikationen Bewegungsstörungen größerer Körperabschnitte. • Der niveauregulierte Laufgraben, in dem bei Euthermie lediglich der Auftrieb genutzt und dessen Wassertiefe individuell reguliert wird. Indikationen: wie bei „Bewegungsbad". • Die nach ihrer Form benannten Schmetterlingswanne, in der gelähmte, inkontinente oder septische Patienten mobilisiert werden können. Indikationen: Mobilisierung septischer, inkontinenter Kranker. Entsprechend den vorgeschilderten Behandlungsverfahren kann naturgemäß auch die häusliche Badewanne begrenzt Verwendung finden.
4. Mechanotherapie - Massage - Unterwasserdruckstrahlmassage - Reflexzonen- oder Bindegewebemassage - manuelle Lymphdrainage
4. Mechanotherapie Mechanotherapeutische Verfahren haben bei der Behandlung chirurgischer Erkrankungen eher ergänzende Bedeutung oder sind für Begleiterkrankungen nutzbar. Im wesentlichen handelt es sich um die verschiedenen mit der Hand oder mit Geräten ausgeführten Massageverfahren. • Die manuelle oder klassische Massage dient der Auflockerung verspannter Muskulatur oder narbig verbackener Haut-/Unterhautpartien.
Thermotherapie • In ähnlicher Weise, jedoch in größere Gewebetiefen vordringend, arbeitet die Unterwasserdruckstrahlmassage am vollständig im Wasser befindlichen Patienten. Indikationen: muskuläre Verspannungen verschiedener, nicht jedoch spastischer Genese, etwa bei traumatologischen oder neurochirurgisch/orthopädischen Erkrankungen. • Bei der Reflexzonen- oder auch sog. Bindegewebsmassage werden mit 2 Fingerkuppen ziehende, decollementähnliche Haut-/Unterhautreize gesetzt, die segmental wirksame Fernwirkungen im Sinne kutiviszeraler oder vermutlich rückwirkend viszerokutaner Reflexe erzielen. Indikationen: muskuläre Verspannungen; chronische Organdysfunktionen im Körperhöhlenbereich (mit Ausnahme von Steinleiden); periphere arterielle Durchblutungsstörungen im Stadium II, III oder IV nach Fontaine. • Ein besonderes Verfahren zur Behandlung von Lymphödemen (Postmastektomiesyndrom) stellt die manuelle Lymphdrainage dar, bei der durch gezielte Streichungen mit der Hand nach einem festgelegten System Lymphentstauung erreicht wird. • Gleiche Wirkungen lassen sich mit Geräten (Jobst, Lymphamat) erzielen, bei denen über Arm- oder Beinmanschetten intermittierende Druckwellen den Lymphstrom zentripetal fördern sollen. Manuelle und maschinelle Methoden können kombiniert werden. Indikationen: postoperative oder idiopathische Lymphödeme.
205
Indikationen - muskuläre Verspannungen
- chronische Organdysfunktionen - arterielle Durchblutungsstörungen - Lymphstauung
Extensionstherapie Entlastung bestimmter Gelenke oder Körperregionen durch Zug.
Die Exstensionstherapie vermag durch mechanische Zugmomente bestimmte Körperregionen bzw. Gelenke zu entlasten. • Die Glisson-Extension (-Schlinge) wird unter dosiertem Zug über Federwaage zur Entlastung der Halswirbelsäule eingesetzt. Indikationen: zervikale Kompressionssyndrome. • Das Perl-Gerät bringt bei rechtwinkliger Beugung in Knie- und Hüftgelenken über Anhebung des Gesäßes bei Rückenlage des Patienten eine Kyphosierung und Entlastung der Lendenwirbelsäule zustande. Indikationen: lumbale Kompressionssyndrome. • Über die Knöchellaschen-Extension lassen sich Hüft- und Kniegelenke durch Gewichtszug entlasten. Indikationen: arthritische/arthrotische Reizzustände.
Indikation: - zervikale Kompressionssyndrome - lumbale Kompressionssyndrome - arthritische/arthrotische Reizzustände
5. Thermotherapie
5. Thermotherapie
Thermotherapie. Die verschiedenen thermischen Verfahren sind Ergänzungen zur Bewegungs-, Atem- und Mechanotherapie. In Betracht kommen: • Eis-(kryo-)therapie (Auflegen von Eispackungen auf Gelenke): Sie ist im Wirkungsmechanismus noch nicht geklärt. Diskutiert werden Heraufsetzung der Schmerzschwelle und reaktive Hyperämie. Indikationen: frische Verletzung (Kontusion/Distorsion); Adjuvanstherapie bei PNF- und axialer Kontrakturbehandlung; Entzündungshemmung. • Wärmetherapie: die Wärmetherapie durch Peloide beruht auf der verzögerten Wärmeabgabe des Packungsmaterials (Fango, Pelose, Schlamm etc.), die durch Paraffinzusatz (Parafango) verstärkt werden kann. Hierdurch werden längerdauernde Erwärmungen des Gewebes (vermutlich durch die reaktive Hyperämie und reflektorische Mehrdurchblutung tieferer Schichten) erzielt, die bewegungs- und mechanotherapeutisch optimierend wirken. Indikationen: Kontrakturbehandlung; muskuläre Verspannungen; Entzündungsförderung. • Thermotherapien können auch mittels feuchter, erwärmter Tücher (Heißdampf, Infrarot) oder der „heißen Rolle" (gerolltes, mit Heißwasser beschicktes Frotteetuch), aber auch durch verschiedene Lichtquellen (Rotlicht, Lichtkasten), jedoch mit wesentlich geringerer Intensität, durchgeführt werden. Indikationen: wie bei Peloid-Therapie. • Kürzerdauernde Wärmewirkungen werden durch Hand-/Unterarm- oder Unterschenkelbäder erreicht.
Ergänzung zur Bewegungs-, Atem- und Mechanotherapie. Auflegen von Eispackungen. Indikation: - frische Verletzungen - PNF- und axiale Kontrakturbehandlung - Entzündungen Wärme: langdauernde Erwärmung des Gewebes.
Indikation: - Kontrakturbehandlung - muskuläre Verspannung
206
22. Physikalische Medizin und Rehabilitation Wirkungsvoll läßt sich Gewebeerwärmung durch hochfrequente Wechselströme herbeiführen. Indikationen: Ergänzung zur Kontrakturbehandlung.
6. Elektrotherapie
6. Elektrotherapie
Untergeordnete Bedeutung in der Chirurgie.
Die verschiedenen elektrotherapeutischen Maßnahmen haben bei chirurgischen Erkrankungen nur untergeordnete Bedeutung. Zur Verfügung stehen Gleichstrom und verschiedene Formen des Wechselstromes. • Galvanisation - Behandlung mit stabilem Gleichstrom hat analgetische und durchblutungsfördernde Wirkung. Sie kann durch Anlage von Elektroden trocken oder auch naß im Vierzellen- (für Extremitäten) oder Stangerbad (größere Wanne mit großflächigen Elektroden) ausgeführt werden. Indikationen: Schmerzzustände verschiedener orthopädischer oder neurochirurgischer Genese. Bei der Iontophorese wird Gleichstrom als Transportmittel für penetrable Ionen und so für perkutane Pharmakotherapie genutzt. Indikationen: Gelenk- oder Weichteilschmerzen verschiedener Genese; lokale Pharmakotherapie. Ein- oder zweiweg gleichgerichtete Wechselströme (n. Bernard) stellen eigentlich eine Gleichstromtherapie dar, die als Diadynamik bezeichnet wird. Indikationen: Schmerzzustände, vorwiegend Analgesie. • Niederfrequente Wechselströme verschiedener Impulsformen (Dreieck, Viereck, An- und Abschwellung der Impulshöhe) werden für die Reizstromtherapie, als Ersatz für temporär verlorengegangene nervöse Impulse an der Muskulatur genutzt. Die Therapieform ist der Willkürinnervation naturgemäß nicht gleichzusetzen, jedoch imstande, die Atrophie motorischer Endplatten hinauszuzögern. Indikationen: temporäre Ausfälle in der neurologischen Impulsübermittlung, etwa bei Verletzungen peripherer Nerven. • Mittelfrequente Wechselströme werden zur Erzeugung von Wärmefeldern in der Tiefe durch Kreuzung von unterschiedlich frequenten Strömen (4000/39004100 Hz) nach Nemec unter Verminderung des unerwünschten Hautwiderstandes genutzt (Interferenz). Indikationen: Wirbelsäulenirritationen mit Muskelhartspann; lokale Schmerzzustände bei Insertionstendopathien. • Die verschiedenen hochfrequenten Wechselströme im Kurz-, Ultrakurz- und Mikrowellen-(Radar-)bereich sind durch Erzeugung von Joule-Wärme eine reine Thermotherapie. Indikationen: Wärmetherapie in tiefen Körperregionen (KW und UHF) sowie in dicht unter der Haut liegenden Gewebebezirken (Mikrowelle) etwa NNH-Affektionen; Insertionstendopathien etc.
Galvanisation Indikation orthopädische oder neurochirurg. Schmerzzustände
Niederfrequente Wechselströme Indikation -»temporäre Ausfälle bei Verletzungen peripherer Nerven
Mittelfrequente Wechselströme Indikation - » WS-Reizungen mit Muskelhartspann, Insertionstendopathien
Hochfrequente Wechselströme Indikation Wärmebehandlung für tiefe Körperregionen u. dicht unter der Haut liegende Affektionen, Insertionstendopathien Ultraschall Wärmetherapie
Ultraschalltherapie hat bei chirurgischen Erkrankungen nur eine untergeordnete Bedeutung.
23. Laser in der Chirurgie H.-P. Berlien
1. Grundlagen
Grundlagen
Laser ist ein Acronym, das sich zusammensetzt aus Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation. Laser ist ein rückgekoppelter Verstärker, der eine Lichtintensivierung durch stimulierte Emission bewirkt. Nach Art der Anregung und der Emission lassen sich kontinuierlich strahlende und gepulste Laser (Pulslänge < 1000 |is) herstellen. Im Gegensatz zu einer konventionellen Lichtquelle sind es 3 Eigenschaften, die für die medizinische Anwendung von Bedeutung sind. Kohärenz (Strahlung bestimmter zeitlicher und räumlicher Zuordnung) und Kollimation (gebündelte Strahlung) ermöglichen gemeinsam die Fokussierung auf einen kleinsten Punkt, wie es mit herkömmlichen Lichtquellen nicht möglich ist. Es besteht Monochromasie. Dabei wird die Laserstrahlung durch das Verhältnis der wichtigen Einzelparameter wie Leistung bzw. Pulsspitzenleistung, cw bzw. Einzelpulsdauer, Form und Wiederholfrequenz und Fleckdurchmesser charakterisiert.
Laser = Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation • Betriebsarten des Lasers: - cw (kontinuierliche Strahlung) - gepulst • Eigenschaften des Laserlichts: - Kohärenz (Strahlung bestimmter zeitlicher und räumlicher Zuordnung) - Kollimation (gebündelte Strahlung) - Monochromasie • Laserstrahlung charakterisiert durch: - Leistung bzw. Pulsspitzenleistung - cw bzw. Einzelpulsdauer - Form - Wiederholfrequenz - Fleckdurchmesser Lasersysteme: • Wellenlänge unterschiedlich • Frequenzverdoppelung —> mehrere Wellenlängen einstellbar —» Überlappungen der Systeme
Lasersysteme. In der Medizin hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Lasersysteme etabliert. Die emittierten Wellenlängen dieser Systeme reichen vom ultravioletten bis in den mittleren Infrarot (IR)-Bereich. Durch eine technische Modifikation, Frequenzverdopplung, lassen sich mit ein und demselben Lasersystem auch mehrere Wellenlängen herstellen. Deshalb gibt es auch teilweise eine Überlappung dieser verschiedenen Laser und damit auch ihrer Einsatzgebiete. Eingesetzt werden folgende Systeme: Excimer-Laser (193 oder 308 nm), Argon-Laser (488/514 nm), Argon-Dye-Laser (488 bis 690 nm), Blitzlampengepumpter Farbstofflaser (FDL) (504 oder 585 nm), Alexandritlaser (755 nm), Nd: YAG-Laser (1064 nm), Ho: YAG-Laser (2100 nm), Er: YAG-Laser (2940 nm), C O r L a s e r (10600 nm). Gewebereaktion. Wie Ultraschall, Röntgen oder elektrischer Strom ist auch Licht eine elektromagnetische Welle, wobei die optische Eindringtiefe durch Absorptionsund Streuprozesse bestimmt wird (Abb. 23-1). Wegen der unspezifischen Absorption im nahen Infrarotbereich kann die Wirktiefe (0,1-10 mm) über die Zeit gesteuert werden. Für die Gewebewirkungen sind jedoch neben den wellenlängenspezifischen Gewebeeigenschaften auch die Wärmeleitfähigkeit und die -kapazität des Gewebes und die mechanischen Eigenschaften, wie z. B. die Elastizität, entscheidend.
Abb. 23-1: Weg eines Photons im Gewebe
Gewebereaktion Eindringtiefe bestimmt durch • Absorption • Streuung
23. Laser in der Chirurgie
208
Lasereffekte: • photochemisch • photothermisch • photomechanisch - < 45° Photochemie - 45-55° Apoptose - 60-100° Photokoagulation - 150-300° Photokarbonisation - > 300° Photovaporisation
Nur ein absorbiertes Photon kann in eine andere Energieform umgewandelt werden. Im Bereich niedriger Leistungendichten sind im wesentlichen photochemische Prozesse wirksam. Dabei können die Elektronen in Molekülverbänden angeregt werden, die diese gespeicherte Energie ihrerseits auf andere Moleküle übertragen können, z. B. zur Radikalbildung oder zur Photolumineszenz. Die Absorption von Licht führt nicht primär zu einer Erwärmung des Gewebes. Mit höherer Leistungsdichte beginnt der Bereich der photothermisch induzierten Effekte. Bei Temperaturen von 40°-60° kommt es zu Störungen des zellulären Stoffwechsels und der Membranfunktion und es kommt zur thermisch dynamischen Reaktion, die in der Apoptose in den betroffenen Bereichen enden kann. Definitive Koagulationsnekrosen werden zwischen 60° und 100° hervorgerufen. Bei höheren Leistungen erreicht das Gewebe Temperaturen über 100 und es kommt zu einer Wasserverdampfung mit Gewebeaustrocknung. Bei ca. 150° beginnt die Karbonisation, ab 300° tritt dann eine Verdampfung des Gewebes ein. Die Karbonisation erhöht die Absorption, so daß dieser Prozeß - einmal in Gang gesetzt - sich sehr schnell fortsetzt. Ist die Dauer des Pulses bei ausreichend hoher Pulsspitzenleistung sehr kurz, genügt die Zeit nicht für eine Wärmeleitung in die Umgebung, so daß von einer sog. Kurzzeitvaporisation oder athermischen Ablation gesprochen wird. Bei immer kürzer werdender Expositionsdauer kann das umgebende Gewebe der hitzebedingten Volumenausdehnung nicht mehr folgen, so daß mechanische Effekte zunehmend in den Vordergrund treten. Bei Wellenlängen mit einer sehr hohen spezifischen Absorption bleibt dieser Prozeß auf die Oberfläche begrenzt, was weiterhin zu einer Ablation bzw. Fragmentation führt, bei Wellenlängen mit höherer Eindringtiefe kann dieser Prozeß in die Tiefe verlagert werden, so daß es zur Ausbildung von Schockwellen mit nachfolgender Photodisruption kommt.
Lasertechnik
2. Lasertechniken, -verfahren
Applikationsarten
2.1
Übertragung von Laserstrahlung: • Spiegelgelenkarm • Faser
D i e Laserstrahlung k a n n mit 2 verschiedenen Strahlführungssystemen an das G e w e b e herangebracht werden. • D e r Spiegelgelenkarm wird überall dort eingesetzt, wo e n t w e d e r wegen des Wellenlängenbereiches eine Fasertransmission nicht möglich ist, wie z.B. im f e r n e n Ultraviolett oder im mittleren Infrarot, o d e r die transmittierten Pulsleistungen so groß sind, d a ß sie zu einer Zerstörung von Glasfasern f ü h r e n würden. • Ü b e r a l l dort aber, wo die Fasertransmission möglich ist, wird sie h e u t e eingesetzt, da hiermit eine hohe Flexibilität bei Faserdurchmessern von 0,2-0,6 m m erreicht wird (Abb. 23-2). Im einfachsten Fall wird die aus dem Lichtleiter austretende Laserstrahlung direkt auf das G e w e b e gebracht. Jedoch k a n n man diese Strahlung nochmals mit einem Fokussierhandstück o d e r mit einem Mikromanipulator an einem Operationsmikroskop so fokussieren, d a ß kleinste Fleckdurchmesser möglich sind. Bei Lasern, deren Strahlung sich über Glasfasern ü b e r t r a g e n
Applikationsarten: • Nonkontakttechnik • Kontakttechnik • interstitiell
Applikationsarten
kontakt
non-kontakt Vaporisation
V V
interstitiel Koagulation
w
im >m
Koagulations- {{'•' -Ç\\\ saum ist wKsW// zeitabhängig viSsSi'-' Abb.23-2: Applikationsmöglichkeiten von Laserstrahlung
209
Lasertechniken, -verfahren Prinzip der kontinuierlichen Eiswürfelkühlung
Prinzip der Kühlküvette
Nd:YAG-Laser (1064 nm), Dioden-Laser (800-1000 nm)
Nd:YAG-Laser Instillagel
dünner Hautoberfläche Haut Kühlungs- C zone ;
/
Kühlungszone
Gefäß
mm Skala "
Abb.23-3: Verschiedene Kühlmöglichkeiten zum Schutz der Gewebeoberflä-
läßt, ist neben dieser konventionellen Nonkontakttechnik auch die Kontakttechnik möglich. Hierbei wird die Faser direkt auf oder in das Gewebe gebracht. Je nach Aufgabengebiet lassen sich dadurch unterschiedliche Gewebereaktionen hervorrufen. Bei hoher Leistung kommt es an der Grenzfläche Faser-Gewebe zu einer sehr schnellen Karbonisation, die alle austretende Strahlung sofort absorbiert und in Vaporisationsenergie umsetzt. Bei niedrigen Leistungen tritt dieser Prozeß nicht ein, und bei einer Applikation der Faserspitze im Gewebe lassen sich somit große Gewebsvolumina koagulieren ohne Belastung der Gewebeoberfläche. Zum Schutz der Gewebeoberfläche können jedoch auch bei der Nonkontaktanwendung Kühlverfahren zum Einsatz kommen.
Schutz der Gewebeoberfläche durch: Eiswürfelkühlung Küvettenkühlung
Mit der Eiswürfelkühlungsmethode, bei der eine Gewebeschichtdicke von 1,5-2 mm trotz transkutaner Bestrahlung soweit heruntergekühlt wird, daß es dort zu keinen thermischen Schäden kommen kann, oder der Kühlung mit einer Durchflußkühlküvette, die nur im Zentrum des Strahls die gewünschte Reaktion zuläßt, werden alle Sekundäreffekte durch Streuung oder Wärmeleitung kompensiert.
2.2 Laserverfahren 2.2.1 Entfernen, Schneiden Der klinisch am häufigsten genutzte Effekt ist die Photovaporisation. Kommt es auf einen feinen Koagulationssaum im Rahmen mikrochirurgischer Präparationen an, ist dies die Domäne des C0 2 -Lasers. Jedoch lassen sich ebenfalls mit dem Nd: YAG-Laser mit der bare fiber-Kontakttechnik feine Schnitte mit einem schmalen Koagulationssaum durchführen. Für Schnitte mit einem breiten Koagulationssaum, wie er für eine Hämostase erforderlich ist, ist der Nd: YAG-Laser in der Nonkontakttechnik mit Fokussierhandstück notwendig. Flächige Vaporisationen lassen sich am günstigsten mit dem C0 2 -Laser, z.B. mit einem Mikromanipulator oder einem Scanner-System oder mit kurz gepulsten Lasern, wie dem Holumium:oder dem Erbium: YAG-Laser, durchführen.
Laserverfahren • Entfernen/Schneiden • Thermotherapie • Photochemie • optische Bildgebung Entfernen/Schneiden: - Photovaporisation - Photoablation - Photodisruption - Photofragmentation
Die Photoablation mit dem Excimer-Laser spielt neben der Ophthalmologie für die Keratektomie nur in der Laserangioplastie eine wesentliche Rolle. Die photomechanischen Effekte der Photodisruption werden neben der Behandlung der Nachstarmembranen im wesentlichen für die Laserlithotripsie benutzt und für die Behandlung des Naevus flammeus. Dabei darf der Durchmesser der Kapillaren nicht zu groß sein, da sonst die Elastizität zunimmt und eine Ruptur nur mit unverhältnismäßig hohen Energien mit sekundärer Wärmeschädigung möglich ist.
2.2.2 Thermotherapie
Thermotherapie
Die laserinduzierte Koagulation (LIC) führt in situ zu einer Destruktion des Gewebes durch Aufheizen auf über 60 °C. Damit setzt sofort eine Nekrose ein, die zu einer definitiven Zerstörung des Gewebes führt.
• laserinduzierte Hyperthermie (LIHT) • thermisch dynamische Therapie (TDT) • laserinduzierte Koagulation (LIC)
23. Laser in der Chirurgie
210
Ein Sonderfall stellt hierbei die interstitielle Thermotherapie (LITT) dar. Nach Punktion, entweder unter direkter digitaler oder Ultraschallkontrolle, wird durch eine Teflon- oder Metallkanüle die bare fiber in die Läsion eingeführt und mit niedrigen Leistungen um 5 W bestrahlt. Der Durchmesser der Koagulationszone läßt sich über die Betrahlungsdauer pro Areal steuern, die jedoch nicht 120 s überschreiten sollte.
Kontrollmöglichkeiten bei der LITT: • Klinisch - visuelle Kontrolle: Position, Blutgehalt - digitale Kontrolle: Position, Temperatur, Ausgasung, • FKDS - B-Bild: Position, Strukturveränderung - Farbkodierung: Prozeßkontrolle • MRT: Position, Temperatur, Strukturveränderung
Sofern eine direkte klinische Kontrolle des Prozesses nicht möglich ist, hat sich hierfür die Kontrolle mit der farbkodierten Duplexsonographie (FKDS) bewährt, mit der ein sehr effektives und einfaches Verfahren zur Lokalisationskontrolle der Läsion, Positionskontrolle der Faser und der Prozeßkontrolle möglich ist. Bei der thermisch dynamischen Reaktion (TDT) steht im Vordergrund die Entzündungsreaktion, die über die Nekrobiose mit reparativen Umwandlungen zu fibrotischen Umbau- und Strukturveränderungen führt (Apoptose). Die Hyperthermie (LIHT) stellt keine alleinige Therapieform dar, da es hierbei zu keinem Zellschaden kommt. Im Gegensatz zur Mikrowellenhyperthermie ist die Laserhyperthermie eine lokal begrenzte Gewebeerwärmung.
Photodynamische Therapie
2.2.3 Photodynamische Therapie (PDT)
Inerte Substanzen im Körper durch Lichtbestrahlung zur Bildung von Sauerstoffradikalen anregen -»zytotoxische Wirkung
Nach Lichtbestrahlung werden primär inerte Substanzen zur Bildung von Sauerstoffradikalen angeregt: Hämatoporphyrinderivate, Phthalo-/Naphthalozyanine, Pheophorbide, 5-Aminolaevulinsäure (ALA) aber auch andere Farbstoffe wie Methylenblau und Toluidinblau. Diese Substanzen zeigen nach systemischer Applikation eine unterschiedliche Elimination bzw. gezielte Anreicherung in bestimmten Geweben. Erfolgt zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Bestrahlung dieses Areals kommt es nur dort zur Bildung dieser Radikale mit nachfolgender zytotoxischer Wirkung, die in einer Apoptose endet.
Fluoreszenz: • Autofluoreszenz • Xenofluoreszenz
Nach wie vor besteht jedoch bei diesem Verfahren das Risiko einer Hautsensibilisierung mit Auslösung phototoxischer Reaktionen, wenn nicht entsprechende Schutzmaßnahmen vorgenommen werden. Die selektive Anreicherung kann auch zur Fluoreszenzdiagnostik benutzt werden. Während dies als Xenofluoreszenz bezeichnet wird, ist auch die Fluoreszenzanregung körpereigener Chromophore möglich. Wesentlich hierbei sind Enzyme der Atmungskette bzw. des Zitratzyklus, insbesondere das NADH und das FAD. Auch die ALA-induzierte Protoporphyrin IX-Produktion kann zur Fluoreszenzdiagnostik dienen. Einen Sonderfall nimmt die Diaphanoskopie und optische Tomographie ein, bei denen die Photonen unverändert remittiert bzw. transmittiert werden und zur Bilddarstellung detektiert werden können.
indikationsfelder
3. Indikationsfelder
1 Plastische Chirurgie
3.1 Plastische Chirurgie
Entfernung von: • Tätowierungen • hypertrophen Narben und Keloiden • Pigmentnävi • Erythrosis facialis • Naevus aranaeus
Bei Tätowierungen wird vaporisiert (C0 2 -Laser) oder dispergiert (Rubylaser), wenn die chirurgische Exzision bzw. Dermabrasio nicht möglich ist, insbesondere bei strichförmigen Tätowierungen, Residuen nach einer chirurgischen Exzision bzw. Tätowierungen an Händen, Gesicht und Augenlider. Eine ähnliche Technik wird auch zur Behandlung hypertropher oder Aknenarben eingesetzt. Die Behandlung von Pigmentnävi sollte nur bei strenger Indikationsstellung und eindeutiger Benignität erfolgen, da eine histologische Beurteilung nicht möglich ist.
Bei Altersflecken stellt die Argon-Laserbehandlung die Methode der Wahl dar. Auch für die Erythrosis facialis und für den Naevus aranaeus ist die Argon-Laserkoagulation die sicherste und effektivste Methode.
Indikationsfelder
211
3.2 Angiologie
2. Angiologie
Bei den angeborenen Gefäßerkrankungen ist für die Indikationsstellung die Unterscheidung zwischen dem Hämangiom als angeborenem Tumor und der vaskulären Malformation als Fehlanlage wichtig. Die Auswahl des Laserverfahrens richtet sich ausschließlich nach der Ausprägung und Lokalisation. • Der Naevus flammeus gehört in die Gruppe der Fehlanlage und wird mit dem blitzlampengepumpten Farbstofflaser oder bei ausgeprägter tuberöser Transformation mit dem Argon-Laser behandelt, ebenso die Prodromalstadien der Hämangiome. • Bei ausgebildeten Hämangiomen und extratrunkulären venösen, arteriovenösen und lymphatischen Malformationen erfolgt der Einsatz des Nd:YAG-Lasers entweder in direkter transkutaner Bestrahlung, transkutaner Eiswürfeltechnik oder interstitieller bzw. intraluminaler Applikation.
Angeborene Gefäßerkrankungen • Hämangiome: plan, kapillär, tuberös • vaskuläre Malformationen - kapillär (Naevus flammeus) - venös, lymphatisch, arteriovenös, gemischt Laserauswahl • oberflächlich, plan, flach - Argon, FDL, (Nd: YAG) • tuberös, organbezogen, voluminös - Nd: YAG: transkutan (+/- Kühlung), interstitiell/intraluminal
Trunkuläre vaskuläre Malformation, wie z. B. große AV-Fisteln oder Fehlbildungen des Stammvenensystemes, sollten embolisiert bzw. operativ angegangen.
• Bei der isolierten Perforansinsuffizienz oder Residuen nach Stripping wird (Alternative zur endoskopischen Perforansdissektion) die perkutane Laserkoagulation durchgeführt. Der Vorteil gegenüber der endoskopischen Perforansdissektion liegt darin, daß der Eingriff weniger traumatisiert und ambulant in Lokalanästhesie durchgeführt werden kann. • Die Laserbehandlung von Besenreiservarizen sollte nur bei Residuen nach erfolgloser Sklerosierung durchgeführt werden. Hierbei erfolgt die direkte Koagulation mit dem Nd: YAG-Laser und Fokussierhandstück unter Verwendung der Kühlküvettentechnik.
• Die Laserangioplastie ist angezeigt, wenn eine primäre Ballondilatation nicht möglich ist, z. B. bei Totalverschluß, wo der Führungsdraht nicht vorgeschoben werden kann bzw. bei zu langer Stenose. Hierbei erfolgt die laserassistierte Ballondilatation (Excimer-Laser). Multifaserkathetern, deren einzelne Fasern getrennt angesteuert werden können, verbessern die Flexibilität und die Effizienz der Ablation. Diese Systeme werden heute auch zunehmend in der Koronarangioplastie eingesetzt• Zur Verbesserung der Perfusion bei diffuser Koronarsklerose findet zunehmend die Transmyokardiale Laserrevaskularisation (TMLR) Verwendung, wobei mit gepulsten Lasersystemen vom Epikard her Kanäle bis zum Endokard produziert werden. Langzeitergebnisse dieser Methode stehen jedoch noch aus.
Laserindikationen bei Varikosis: • Crosseninsuffizienz und Stammvaricosis nie! • Seitenastvarikosis nach erfolgloser Sklerotherapie • isolierte Perforansvarikosis und postoperative Residuen • Besenreiser nur nach erfolgloser Sklerotherapie Angioplastie • Vorteile: - uneingeschränkte Wiederholbarkeit - Ablation von kalzifiziertem Material - hohe Flexibilität des Systems - in kleinen und peripheren Arterien • Nachteile: - geringe Ablationsrate - hohe Systemkosten
3.3 Organresektion Für mikrochirurgische Resektionen mit schmalem Koagulationssaum eignet sich am besten der C0 2 -Laser. Domäne des Nd: YAG-Lasers in der Nonkontakttechnik ist die Resektion parenchymatöser Organe oder blutreicher Tumoren. Dabei läßt sich ein breiter Koagulationssaum induzieren, der neben einer sicheren Hämostase vor allem in der Leberchirurgie zu einem primären Verschluß der Gallengänge und in der Lungenchirurgie zu einem luftdichten Verschluß der Resektionsfläche führt. Nähte, Fibrinkleber sind entbehrlich. Mit dieser Technik lassen sich jedoch nur Venen mit einem Durchmesser bis zu 3 mm oder Arterien bis 1,5 mm sicher verschließen.
3. MikroChirurgie Mikrochirurgie: C0 2 -Laser Hämostase: Nd: YAG-Laser 4. Organresektion: Blutstillung! • Lunge (luftdichter Verschluß) • Leber (Gallengänge abdichten) • Milz • Pankreas • Niere • Tumoren
3.4 Endoskopische Chirurgie
S. Endoskopische Chirurgie
In der endoskopischen Chirurgie kommt eine breite Palette von Lasern zum Einsatz. Für die Larynx-Chirurgie und für die Behandlung von Epitheldysplasien in der Mundhöhle und perineal stellt der C0 2 -Laser die Methode der Wahl dar. Für laparoskopische und thorakoskopische Operationen ist jedoch der Nd: YAG-Laser in der bare fiber-Technik vorzuziehen. In
Ziele • Verwendung des normalen Instrumentariums • Keine Begrenzung der Miniaturisierung • Präzise Präparation
23. Laser in der Chirurgie
212 Kontrollierte Koagulation Managmentvon Komplikationen Multifunktionales Werkzeug Patientensicherheit
Rekanalisation bei Tumorstenosen benignen Stenosen Nonkontaktkoagulation Kontaktabtragung
der Nonkontakttechnik kann eine durch die Expositionsdauer steuerbare Koagulation vorgenommen werden, in der Kontakttechnik mit dem gleichen Instrument und gleichen Parametern dann eine Vaporisation. Vorteil gegenüber der HF-Chirurgie ist, daß mit dem gleichen Instrument koaguliert und geschnitten und somit der Wechsel zwischen bipolar und monopolar vermieden werden kann, darüber hinaus die Risiken der Anwendung der monopolaren Stroms mit Leckströmen nicht bestehen und bei Operationen unter Wasser nicht auf elektrolytfreie Lösungen mit dem erheblichen Risiko der Wasserintoxikation zurückgegriffen werden muß.
In der Behandlung maligner Stenosen im Bronchial- und Gastrointestinaltrakt hat sich ebenfalls die Kombintion von Nonkontakt-Kontakt-bare fiber-Anwendung bewährt. Hierbei erfolgt unter endoskopischer Kontrolle zuerst die Nonkontaktkoagulation der sichtbaren Tumoranteile und dann mit der gleichen Faser im Kontakt die Abtragung der stenosierenden Tumorpartien. Der Vorteil gegenüber der primären Nonkontaktvaporisation liegt darin, daß die Rauchbelastung gerade bei Bronchialstenosen reduziert werden kann, und unkontrollierte tiefe Koagulationen mit dem Risiko einer Perforation oder einer Via falsa vermieden werden.
Indikationen zur Laserlithotripsie: • Kontraindikation für ESWL • Versagen des ESWL
Arthroskopie (Holmium-Laser) • Meniskektomie • Synovektomie
Bandscheiben • Diskusvaporisation • Diskusdekompression • Zugangswege: - endoskopisch - perkutan
8. Laserverfahren in der Tumorbehandlung • • • -
Tumorresektion Tumorstenosenrekanalisation Tumordestruktion In-situ-Koagulation (Hautmetastasen, Lokalrezidive des Mammakarzinoms, Melanom - interstitiell (Leber- u. Lungenmetastasen) - PDT
Kolonpolypen werden erst mit der HF-Schlinge abgetragen (Histologie!), anschließend wird die Nd: YAG-Laserkoagulation der Polypenbasis durchgeführt. In der Behandlung der akuten Gastrointestinalblutung ist der Lasereinsatz den Injektionstechniken unterlegen, jedoch stellt der Laser in der Behandlung von Blutungen beim M. Osler oder anderen Angiodysplasien im Gastrointestinaltrakt die Methode der Wahl dar. Ebenfalls ein sicheres Verfahren ist die Behandlung von hochgradigen Anal- und Rektumstenosen bei M. Crohn mit der bare fiber-Kontakttechnik bzw. die Obliteration persistierender Rektumfisteln. Impaktierte Choledochussteine, die einer einfachen Extraktion nach Papillotomie nicht zugänglich sind, werden durch Laserlithotripsie (gepulster Farbstofflaser bzw. frequenzverdoppelter Nd: YAG-Laser) behandelt. Auch bei Pankreassteinen ist dieses Verfahren der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie vorzuziehen, da das mechanische Trauma für das Pankreas deutlich reduziert werden kann. Lasersystem der Wahl für die Diskektomie und für arthroskopische Operationen stellt der Holmium-Laser dar. Mit ihm läßt sich nahezu ohne thermische Schäden Gewebe abtragen. Bei arthroskopischen Operationen, insbesondere Hinterhornresektionen, sind mechanische Instrumente mit einem erheblichen Trauma verbunden, wogegen die Laserfaser über eine dünne Kanüle an jeder beliebigen Stelle punktiert werden kann. Auch sind wegen der Feinheiten des Instrumentariums Druck- und Scherkräfte auf die übrigen Bereiche des Knorpels erheblich geringer als bei Verwendung von mechanischen Shavern. Die perkutane Laser-Diskus-Dekompression hat die Chemonukleolyse nahezu vollständig verdrängt und ist gegenüber den mechanischen Verfahren mit einer geringeren Belastung und Begleittrauma verbunden. Die Indikation besteht, wenn konservative Behandlungsmaßnahmen nicht zur Beschwerdefreiheit führen, andererseits eine zwingende Operationsindikationen, z.B. ein Prolaps, nicht gegeben ist.
3.5 Tumortherapie Neben Tumorresektion und endoskopischer Tumorrekanalisation (s. o.) ergeben sich weitere Einsatzmöglichkeiten des Lasers: interstitielle Laserkoagulation von Lebermetastasen bei kolorektalen- und Mammakarzinomen, thorakoskopische Koagulation von Lungenmetastasen, interstitielle bzw. In-situ-Koagulation von Hautmetastasen und Lokalrezidiven des Mammakarzinoms, Melanoms und KaposiSarkoms.
Indikationsfelder I m G e g e n s a t z zu diesen thermischen Destruktionsverfahren ist die photodynamische Therapie bei schweren nicht infiltierenden Dysplasien indiziert, bei mikroinvasiven und flächigen Karzinomen. Grundsätzlich gilt, daß die genannten Destruktionsverfahren, In-situ-Koagulation, interstitielle Koagulation und photodynamische Therapie nur palliativ nach Ausschöpfung aller anderen kurativen Maßnahmen einzusetzen sind. O b die sehr günstigen bisherigen Ergebnisse es in Zukunft rechtfertigen, dies auch als primäre kurative Therapie einzusetzen, muß erst noch der Langzeitverlauf zeigen.
213
24. Chirurgie im Alter R. Häring
Bevölkerungsentwicklung Anteil der über 60jährigen steigt von 2 0 , 4 % auf 34,9% bis zum Jahre 2030
bei den über 80jährigen Steigerung in 30 Jahren um ~ 5 0 % !
Auswirkungen auf die chirurgischen Aufgaben sind sehr groß!
Bevölkerungsentwicklung. Untersuchungen zur Bevölkerungsstruktur und -entwicklung lassen bis zum Jahre 1998 in Deutschland einen leichten Anstieg von 80 Mio. auf 81,2 Mio. Einwohner erwarten. Dann setzt bis zum Jahre 2030 ein kontinuierlicher Rückgang auf 69,9 Mio. ein; das sind 11,6% weniger Menschen. Bedeutsam sind vor allem die Umformungen der Alterspyramide. Der Anteil der über 60jährigen an der Gesamtbevölkerung steigt von 20,4 % im Jahre 1990 auf 34,9 % bis zum Jahre 2030. Die beiden Alterspyramiden aus dem Jahre 1951 (Abb. 24-1) und 1990 (Abb. 24-2) zeigen die zunehmende Überalterung unserer Bevölkerung sehr anschaulich. Die gut ausgebildete „Pyramide" wandelt sich zu einem „Pilz". Bei den 80jährigen und noch älteren Menschen ist die Situation noch gravierender: hier zeigt sich innerhalb von 30 Jahren eine Steigerung um ~ 50%! Diese drastische Verschiebung im Altersaufbau wird dazu führen, daß nach der Jahrhundertwende die Generation der über 60jährigen das Bild der Gesellschaft mehr und mehr bestimmt. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die medizinischen, insbesondere auch chirurgischen Aufgaben.
Alter in Jahren
100 männlich
600
A b b . 2 4 - 1 : Alterspyramide K. Freudenberg)
der Bevölkerung in Deutschland 1910 (Quelle:
800 I 600 I 400 I 200 I 0 700 500 300 100
0
I 200 I 400 1 600 1 800 100 300 500 700
Tausend je Altersjahr
• 31.12.1989
"1—31-12.2030
Abb. 24-2: Erwarteter Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland von 1989 bis 2030 (Statistisches Bundesamt, Quelle: Wirtschaft und Statistik 4/1992)
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Chirurgische Strategien und Erkrankungen im Alter
1. Spezielle Probleme des alten Menschen Nach Empfehlung der W H O werden 65-75jährige als ältere, über 75jährige als alte Menschen definiert. Dabei können kalendarisches und biologisches Alter erheblich differieren. Altern ist ein dynamischer Prozeß. Dies bedeutet kontinuierliche Abnahme physiologischer Leistungen, Reduzierung reparativer Vorgänge, Einschränkung der Herz-, Kreislauf- und Atemreserven, der muskulären Kräfte und anderer vitaler Funktionen. Diese kontinuierliche Reduktion ist unterschiedlich ausgeprägt. Oft sind bis ins hohe Alter nur geringe Einbußen zu verzeichnen. Nicht die absolute Zahl der Lebensjahre entscheidet, sondern vielmehr das individuelle Ausmaß der physiologischen Altersveränderungen, d.h. das biologische Alter. Dieses ist allerdings oft schwer exakt zu erfassen. Altern wurde vorzugsweise als Problem der Arteriosklerose betrachtet. Der Mensch ist so alt wie seine Gefäße sind. Dazu treten aber Veränderungen des Immunsystems mit vielfältigen Auswirkungen wie: • schlechte Anpassung an Belastungen des täglichen Lebens • erhöhte Anfälligkeit gegen Infektionskrankheiten • Vermehrtes Auftreten von oligoklonalen und monoklonalen Antikörpern • Bildung von Autoantikörpern bei der Entwicklung von Autoaggressionskrankheiten • Verminderung der hämatopoetischen Stammzellen • zunehmende Inzidenz von Tumoren durch gestörte Elimination „verbotener Klone". Altwerden ist nicht a priori mit Krankheit gleichzusetzen. Altern erhöht aber das Risiko, bestimmte Krankheiten „zu erleben". Bei zunehmendem Alter treten vermehrt Herz- und Lungenkrankheiten, arteriosklerotische Gefäßerkrankungen, Prostataleiden, Knochen-, Gelenk- und Stoffwechselerkrankungen (Altersdiabetes) auf. In der Alterschirurgie dominieren die häufiger auftretenden Karzinome und arteriosklerotischen Gefäßverschlüsse neben Hernien, Erkrankungen des Kolons, Magens und der Gallenwege. Zu beachten ist vor allem die Multimorbidität im Alter.
Spezielle Probleme des alten Menschen Altern ist ein dynamischer Prozeß kontinuierliche Abnahme der wichtigsten Körperfunktionen Unterscheidung zwischen kalendarischem und biologischem Alter
Veränderungen des Immunsystems im Alter -
Anpassung 4. Infektionsbereitschaft T oligo- u. monoklonale Ak T Autoantikörper T Blutstammzellenl Tumorinzidenz t
Altwerden ist a priori keine Krankheit! Mit dem Alter nehmen bestimmte Erkrankungen zu: • Herz-Lungenkrankheiten • Gefäßkrankheiten • Prostataleiden • Knochen- und Gelenkerkrankungen • Altersdiabetes Typisch ist die Multimorbidität im Alter
2. Chirurgische Strategien und Erkrankungen im Alter 2.1 Chirurgische Strategien
Chirurgische Strategien im Alter
Eingriffe bei alten Menschen bedeuten für den Chirurgen eine besondere Herausforderung. Er ist mit vielschichtigen Problemen konfrontiert: Der alte Mensch ist weniger belastbar, da die Leistungsreserven der lebenswichtigen Organe abnehmen. Das Operationsrisiko ist durch die oft vorhandene Multimorbidität erhöht. Das Risiko ist vor allem bei Noteingriffen erheblich größer. Reaktionsfähigkeit und Schmerzempfindung sind im Alter eingeschränkt. Daher werden Symptome leicht kaschiert und zu spät beachtet (s. auch Altersappendizitis, S.218). Maligne Tumoren und arterielle Durchblutungsstörungen sind im Alter häufig und verlangen trotz erhöhten Risikos ausgedehnte Operationen. Immobilität, soziale Isolation und ungenügende Integration in die Gesellschaft betreffen viele alte Menschen und haben negative Auswirkungen auf den Genesungsprozeß. Die genannten Fakten muß der Chirurg in seine diagnostischen Maßnahmen, in Indikationsstellung und Therapieplan integrieren. Richtschnur für die medizinische Einschätzung ist das biologische Alter und nicht die Zahl
Besondere Strategien in der Alterschirurgie
Ziele der geriatrischen Chirurgie • Begrenzung des Operationsrisikos
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24. Chirurgie im Alter Sicherung der Lebensqualität postoperativ Lebensverlängerung, wenn möglich
Faustregel: „To add life to years, not just years to life"! In der Alterschirurgie verstärkt soziale Aspekte berücksichtigen
indikationsstellung in der geriatrischen Chirurgie • Allgemeine Operabilität Berücksichtigung altersbedingter Risikofaktoren • Spezielle Operabilität Berücksichtigung pathologischer Organbefunde im Hinblick auf das operativ Mögliche und Sinnvolle
Risikobeurteilung • Nicht exakt faßbare Parameter beim betagten Patienten beachten: - Persönlichkeitsstruktur - Risikobereitschaft - Lebenswille • Erfahrung von Chirurg und Anästhesist
der Lebensjahre. Bei allen Entscheidungen in der geriatrischen Chirurgie gelten folgende Ziele: • Begrenzung des Operationsrisikos • Sicherung einer angemessenen Lebensqualität und erst zuletzt • die Lebensverlängerung. Zusammengefaßt in einem Satz: „ To add life to years, not just years to life"! In der Alterschirurgie gerät der Arzt bei seinen Entscheidungen oft in „Grenzbereiche". Dies setzt eine sorgfältige strategische Planung voraus. Hierbei sind verstärkt auch soziale Aspekte zu berücksichtigen. Unsere Senioren bilden in sich eine ebenso heterogene, von Individualität und Persönlichkeit geprägte Bevölkerungsgruppe wie andere Altersstufen auch. Auf ihre ganz unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse gilt es genau so sensibel und phantasievoll einzugehen wie bei jüngeren und im Erwerbsleben stehenden Menschen.
2.1.1 Indikationsstellung Für die Indikationsstellung in der Alterschirurgie verlangen vor allem 2 Gesichtspunkte Beachtung, die allgemeine Operabilität, die die individuellen Gegebenheiten und altersbedingte Risikofaktoren berücksichtigen und die spezielle Operabilität, die den pathologischen Organbefund und sowohl das operativ Machbare als auch Sinnvolle zueinander in Beziehung setzt. Dies gilt besonders für rekonstruktive Gefäßeingriffe und Tumoroperationen. Operabilität und Risiko lassen sich aufgrund klar definierter Parameter einigermaßen abschätzen. Es bleiben aber noch einige nicht meßbare und nicht exakt erfaßbare Fakten, die Erfolg und Mißerfolg chirurgischer Eingriffe sehr wesentlich beeinflussen können. Hier sind zu erwähnen: • die Persönlichkeitsstruktur des alten Menschen • seine Bereitschaft, das Risiko auch mitzutragen • sein Lebenswille und schließlich von ärztlicher Seite • die Erfahrung des Operateurs und des Anästhesisten. Das Alter wird bisweilen immer noch als limitierender Risikofaktor und die begrenzte Lebenserwartung des alten Menschen als Indikationseinschränkung für operative Eingriffe gesehen. Zu dieser Auffassung hat sich in letzter Zeit ein deutlicher Wandel vollzogen. Kein Patient wird z.B. nur aufgrund des Faktors „Alter" von einer radikalen Krebsoperation ausgeschlossen. Bei den indikatorischen Überlegungen darf die mittlere Lebenserwartung der alten Menschen nicht unterschätzt werden: Sie beträgt für den 70jährigen 11, für den 80jährigen 6 und für den 90jährigen immerhin noch 3 Jahre.
Diagnostische und therapeutische Regeln
2.1.2 Diagnostisches und therapeutisches V o r g e h e n
• Grundsätze der Alterschirurgie sind: N
Das diagnostische und therapeutische Prozedere unterscheidet sich von dem bei jüngeren Menschen. Grundsätze der Alterschirurgie sind: • besonders eingehende Untersuchungen zur präoperativen Abschätzung der Organreserven, • Behandlung von Mehrfacherkrankungen, z. B. Digitalisierung, Herzschrittmacher, Diabeteseinstellung, Wasser- und Elektrolytausgleich, Bluttransfusion bei Anämie usw. • einfühlsame Führung des alten Patienten und schonende, nicht bis ins letzte Detail gehende Operationsaufklärung, • schonende Narkose durch einen erfahrenen Anästhesisten und Vermeidung stärkerer Blutdruckschwankungen, • gewebeschonende, blutungsarme, sichere Operationstechnik und zügiges Operieren durch einen besonders erfahrenen Operateur. „Gemächliches Operieren" - so hat es R. Nissen formuliert - „feiert keine Triumpfe in der gerontologischen Chirurgie"! Es gilt operative Komplikationen und damit Revisionseingriffe, die vom alten Patienten sehr schlecht toleriert werden, zu vermeiden. • Wenn möglich, Begrenzung des Operationsausmaßes! Ausweichen auf einen Palliativeingriff kann bisweilen günstiger sein. Die Beach-
217
Chirurgische Strategien und Erkrankungen im Alter tung der postoperativen Lebensqualität ist ein wichtigeres Ziel als die alleinige Lebensverlängerung! Ebenso können Eingriffe der „Minimal-invasiven Chirurgie" u. U. weniger belastend sein. • Wenn möglich, Operationen vermeiden und auf interventionelle Verfahren ausweichen. • Sorgfältigste postoperative Überwachung, Frühmobilisation, mehrmals täglich krankengymnastische Betreuung, frühzeitiger oraler Nahrungsaufbau, ausreichende Schmerzbekämpfung, um Atmung und Mobilität zu unterstützen. • Wenn nur irgend möglich, Rückführung des alten Menschen in seine Familie, in die eigene Wohnung, umfassende soziale und hausärztliche Betreuung, diätetische Aufklärung, regelmäßige Kontrolluntersuchungen.
2.1.3 Postoperative Komplikationen und Letalität Alterschirurgie ist überwiegend eine Chirurgie der Komplikationen von Erkrankungen. Notfallmäßige Eingriffe sind häufiger als bei jungen Menschen, durch höhere Komplikationsraten und ein größeres Risiko gekennzeichnet. Während die Gefahren der elektiven Eingriffe auch für den Greis deutlich reduziert werden konnten, gilt dies nicht für den Noteingriff. Aus diesem Grunde sollten erforderliche Operationen wegen „zu hohen Alters" nicht verschoben oder gar unterlassen werden. Treten nämlich erst Komplikationen der Erkrankung auf, die eine Notoperation erforderlich machen, so steigt das Risiko beträchtlich an, z.B. Herniotomien, Gallensteinerkrankungen, Gefäßverschlüsse u. a. Die nach alterschirurgischen Eingriffen auftretenden Komplikationen, sind meist internistischer Natur (36 %), und nur 10 % rein chirurgisch. Im Vordergrund stehen mit 40 % respiratorische Störungen. Postoperativ ist intensivmedizinische Überwachung und Therapie von größter Bedeutung, um Komplikationen möglichst frühzeitig erfassen und behandeln zu können. Während der ersten 48 Stunden postoperativ sind Alterspatienten besonders gefährdet; in diesem Zeitraum treten 25% aller postoperativen Todesfälle auf.
Postoperative Komplikationen und Letalität Alterschirurgie oft eine Chirurgie der Komplikationen von Erkrankungen Risiko des Noteingriffs besonders hoch!
Komplikationen • in 36% internistischer Natur • respiratorische Störungen stehen im Vordergrund (ca. 40%) • in 10% rein chirurgisch Postoperativ intensivmedizinische Überwachung unerläßlich In den ersten 48 h postoperativ besondere Gefährdung • 25% der Todesfälle in dieser Phase
2.2 S p e z i e l l e E r k r a n k u n g e n
Spezieile Erkrankungen
Beispielhaft werden die therapeutischen Strategien für häufige und wichtige Erkrankungen in der Alterschirurgie aufgezeigt. 2.2.1 Thoraxchirurgie
1. Thoraxchirurgie
Thoraxchirurgische Eingriffe gefährden den alten Menschen in besonderem Maße. Dies drückt sich durch die hohe Operationsletalität von 15-25 % aus. Sie wird überwiegend durch die erhebliche Funktionseinbuße der Lunge verursacht.
• besonders hohes Risiko durch Funktionseinschränkung der Lunge • beim 90jährigen Residualvolumen und peripherer Widerstand um 100% erhöht • HZV und Diffusionskapazität um 40% erniedrigt • Expektoration des Bronchialsekrets wegen Flüssigkeitsmangel und abgeschwächtem Hustenreflex erschwert • Operationsletalität nach Lungenresektion 15-25%
Beim 90jährigen z.B. ist der periphere Widerstand und das Residualvolumen der Lunge im Vergleich zum Jugendlichen um jeweils 100 % erhöht und HZVund Diffusionskapazität um 40 % erniedrigt. Außerdem ist beim alten Patienten die Elimination der Bronchialsekrete infolge Flüssigkeitsmangel und abgeschwächtem Hustenreflex erschwert. Unter Ruhebedingungen sind diese Funktionen noch im Gleichgewicht, dekompensieren jedoch sehr rasch bei Belastungen.
Bronchialkarzinom. Die Indikation zu lungenverkleinernden Eingriffen überwiegend wegen eines Bronchialkarzinoms - muß sehr streng gestellt werden. Erst nach umfangreichen Lungen- und Herzfunktionsuntersuchungen und einer gründlichen spezifischen Vorbereitung kann die Operationsentscheidung getroffen werden, wobei man auf eine Pneumonektomie verzichten und stattdessen parenchymsparende bronchoplastische Resektionen (sleeve resection) bevorzugen sollte (s. Kap. 32). Die Beziehungen zwischen pulmonalen und kardialen Vorerkrankungen und Letalität sind eindeutig.
Bronchialkarzinom Indikation zu lungenverkleinernden Eingriffen streng stellen: • möglichst keine Pneumonektomie • möglichst nur Lobektomie, evtl. parenchymsparende bronchoplastische Operationen (sleeve resection)
24. C h i r u r g i e i m A l t e r
218 Ösophaguskarzinom • begrenzte Indikation für resezierende Eingriffe wegen eingeschränkter HerzLungenfunktion • besonders gründliche Operationsvorbereitung unabdingbar Thoraxtrauma Hohes Risiko wegen: • respiratorischer Insuffizienz • erhöhter Pneumoniegefahr —> Intensivüberwachung und Therapie unerläßlich: Sekretabsaugung, forcierte Atemgymnastik, ggf. Beatmung
Eingriffe wegen eines Ösophaguskarzinoms sind beim alten Menschen limitiert. Auch hier wird die zunächst latente Beeinträchtigung der Lungen- und Herzfunktion unter der operativen Belastung zum gravierenden Risikofaktor. Eine gründliche präoperative Vorbereitung zur Verbesserung der Lungenfunktionswerte, der Herzleistung und der bisweilen gestörten Stoffwechsellage ist deshalb unerläßlich. Schwere Thoraxtraumen durch Unfälle im Straßenverkehr haben auch beim alten Menschen zugenommen. Sie belasten ihn besonders durch respiratorische Insuffizienz und Pneumonie und sind sehr ernst zu nehmen. Eine intensivmedizinische Überwachung und Therapie ist unerläßlich: Sekretabsaugung, atemgymnastische Behandlung und maschinelle respratorische Unterstützung.
Abdominalchirurgie (Beispieles
2.2.2 Abdominalchirurgie
Akute abdominelle Erkrankungen
= i >
Akute abdominelle chirurgische Erkrankungen des alten Menschen sind häufig gekennzeichnet durch atypische Anamnese, maskierte Symptome und einen komplizierten Verlauf.
Leistenhernie • 4 0 % der Patienten > 40 Jahre • Inkarzerationsrate 1 0 % , steigt bis auf 3 6 % an • Notoperation ist besonders risikoreich • kein Bruchband verordnen
Leistenhernie. Etwa 40 % aller am Leistenbruch Operierten sind älter als 60 Jahre. Die Inkarzerationsrate liegt bei ihnen mit 10% mehr als 5 mal so hoch wie bei jüngeren Patienten. Mit zunehmendem Alter steigt sie sogar auf etwa 36 % an (Abb. 24-3). Für die Elektivoperation beträgt die Operationsletalität 0,6 %, bei der Notoperation wegen Inkarzeration aber 5,1%. Bruchband kontraindiziert! Auch heute noch wird älteren Patienten gerne ein Bruchband verordnet, um die Operation zu umgehen. Trotz des Bruchbandes aber vergrößert sich die Hernie und inkarzeriert, so daß dann unter schlechteren Voraussetzungen eine Notoperation erforderlich wird.
Gallensteinleiden • hohe Letalität bei über 80jährigen (bis zu 1 5 % ) • bei Komplikationen Risiko um 4 0 % • möglichst frühzeitige Operationsindikation beim symptomatischen Gallenstein
Gallensteinleiden. Bei über 80jährigen beträgt die Operationsletalität des unkomplizierten Gallensteinleidens 15%. Treten Komplikationen hinzu (Cholangitis, Perforation, Verschlußikterus), steigt sie auf über 42%. Daraus ergibt sich die eindeutige Konsequenz: Der symptomatische Gallenstein sollte gerade beim alten Menschen operiert werden, ehe er Komplikationen verursacht. Das Risiko läßt sich heute mit der minimal-invasiven-Chirurgie weiter reduzieren.
Altersappendizitis Appendizitis bei über 70jährigen meist fortgeschritten, atypischer, maskierter Verlauf: • in 3 8 % bereits perforiert • in ca. 5 0 % phlegmonös Postoperative Letalität hoch (5-9%), bei Perforation sogar bis 1 7 %
Appendizitis. Häufig atypischer, maskierter, komplizierter Verlauf. Bei der Hälfte der über 70jährigen handelt es sich um eine phlegmonöse und in 38 % um eine perforierte Appendizitis. Zwangsläufig ist die Letalität mit 5-9 % hoch; bei der Perforation liegt sie sogar bei 17 %.
Abb.24-3: Inkarzerationsrate von Leistenhernien bei über 60jährigen Patienten (nach Broll 1987)
219
Chirurgische Strategien und Erkrankungen im Alter Für das Magenkarzinom fallen in der Alterschirurgie, z. B. bei über 80jährigen, folgende Charakteristika auf: • 80 % der Magenkarzinome finden sich bereits in den fortgeschrittenen Stadien III und IV • 2/3 der alten Patienten kommen erst bei schweren Komplikation wie Blutung, Perforation oder Pylorusstenose zur Behandlung • Die Letalität ist beim Noteingriff wegen dieser Komplikationen mit 27 % sehr hoch, während sie beim komplikationsfreien Magenkarzinom nur 5 % beträgt.
Magenkarzinom Charakteristika bei alten Patienten - in 80% Tumorstadien III, IV - Einweisung meist erst bei Komplikationen - Letalität T
Operationsstrategie. Keineswegs muß aber der gut vorbereitete betagte Patient von einem radikalen Tumoreingriff ausgeschlossen werden, d. h. auch eine Gastrektomie ist ihm mit einem vertretbaren Risiko zuzumuten. Liegen allerdings mehrfache Risikofaktoren vor, so wird bei entsprechender Lokalisation des Magenkarzinoms eher die Magenteilresektion angezeigt sein. In dieser Situation spielt auch das soziale Umfeld eine Rolle. Der Greis, der in seine häusliche Umgebung und in seine Familie zurückkehren kann, wird auch mit dem Zustand der Magenlosigkeit durchaus zurecht kommen können.
Therapeutische Grundsätze: • Gastrektomie bei guter Vorbereitung durchaus möglich! • bei hohem Risiko Magenteilresektion indiziert • Erhaltung einer guten postoperativen Lebensqualität ist wichtig
2.2.3 Gefäßchirurgie
Gefäßchirurgie
Beim Gefäßpatienten muß bedacht werden, daß die Arterienerkrankung nie auf eine einzige Gefäßregion beschränkt ist. Deswegen finden wir in der Anamnese eine hohe Quote koronarer Herzerkrankungen, Herzinfarkt, Hypertonie, zerebrovaskulärer Insuffizienz und Nephrosklerose (Tab. 24-1).
Hohe Multimorbidität, z. B. bei T 80jährigen - 93% Herzerkrankungen, - 46% Diabetes mellitus
Tab.24-1: Begleiterkrankungen bei über 80jährigen mit arteriellen Durchblutungsstörungen der unteren Extremitäten (n = 176) (Chir. Univ.-Klinik, Klinikum Benjamin Franklin der FU Berlin, 1987) Herzerkrankungen Hypertonie Nierenerkrankungen Anämie
93% 41% 16% 10%
Diabetes mellitus Lungenerkrankungen Pathologische K-Werte
46% 28% 14%
Auch der lokale arteriosklerotische Prozeß an den Extremitätenarterien weist altersspezifische Besonderheiten auf: Befall mehrerer Gefäßetagen und ausgedehnte Wandverkalkungen Erkrankungen der peripheren Äste von A. profunda femoris und Unterschenkelarterien vorzugsweise sind die peripheren Gefäßetagen, seltener die Bekkenetage, betroffen. Rekonstruktive Gefäßeingriffe beim alten Menschen bedürfen einer strengen Indikationsstellung. Begleiterkrankungen sind präoperativ besonders gewissenhaft abzuklären. Als Faustregel gilt, daß grundsätzlich derjenige Eingriff angezeigt ist, der am einfachsten und schnellsten das Behandlungsziel erreicht. Die interventionellen radiologischen Verfahren sind, wenn möglich, vorzuziehen. Größere Blutverluste bei der Operation sollte man vermeiden, da der alte Mensch hierauf besonders ungünstig reagiert. Beim akuten Gefäßverschluß, der eine Notoperation erfordert, ist das Risiko für den betagten Patienten besonders hoch. Häufig (40 %) - wegen der meist fortgeschrittenen Durchblutungsstörung ist die Gliedmaßenamputation beim alten Kranken. Die „hohe" Amputation kann für ihn eine Katastrophe bedeuten, weil er mit der komplizierten Oberschenkelprothese schlecht zurecht kommt und sich völliger Hilflosigkeit ausgesetzt sieht. Deshalb ist die Unterschenkelamputation oder Kniegelenkexartikulation anzustreben. Die erwähnten Beispiele für Operationsverfahren und ihre Risiken bei betagten Patienten ließen sich noch für weitere Eingriffe der Ulkus-, Leber-, Pankreas- und Kolonchirurgie und nicht zuletzt auch für die Unfallchirurgie mit ähnlichen Ergebnissen erweitern.
Altersspezifische Besonderheiten des arteriosklerotischen Gefäßprozesses
Rekonstruktive Gefäßoperationen Faustregel: den Eingriff durchführen, der am schnellsten und einfachsten das Behandlungsziel erreicht • oft Notoperationen mit hohem Risiko erforderlich • Indikationen streng stellen • wenn möglich, auf interventionelle radiologische Verfahren ausweichen • größere Blutverluste bei der Operation vermeiden Hohe Amputationsrate! • möglichst eine Oberschenkelamputation vermeiden • günstiger ist Kniegelenkexartikulation oder Unterschenkelamputation • Risiko der Amputation höher als das bei Rekonstruktionen
25. Chirurgische Onkologie J. Boese-Landgraf, K.-J. Bauknecht, R. Häring
1. Definitionen 1. Bösartige Geschwülste Abnorme Neubildungen mit infiltrierendem, destruierendem Wachstum.
Gutartige Geschwülste Langsames, verdrängendes Wachstum. Keine Lebensgefährdung. Präkanzerosen Erkrankungen mit hohem Krebsrisiko. Präkanzeröse Bedingung Präkanzeröse Läsion.
Carcinoma in situ Karzinom mit präinvasivem Wachstum, Basalmembran nicht durchbrochen. Frühkarzinom Basalmembran durchbrochen, Muscularis mucosae noch nicht erreicht. Semimaligner Tumor Gutartig, aber mit Rezidivneigung.
Epidemiologie
• Tumorleiden nehmen zu.
• Risiko der Krebsentstehung nimmt mit dem Alter zu.
Häufigste Organkrebse • bei Männern: 1. Bronchuskarzinom 2. Kolorektales Karzinom 3. Magenkarzinom
Bösartige Geschwülste ( = Tumor, Neoplasma, Malignom, Blastom, Krebs) sind abnorme Neubildungen körpereigener Zellen, die meist keine spezifischen Funktionen entwickeln. Sie halten sich nicht an die Ordnungsprinzipien des Organismus und sind durch autonomes Wachstum gekennzeichnet. Sie zerstören durch schnelles, infiltrierendes (= invasives) und destruierendes Wachstum das ortsständige Gewebe, können metastasieren und führen ohne Behandlung zum Tod. Gutartige (benigne) T\imoren wachsen langsam und verdrängend, die Zellen des umgebenden Gewebes gehen durch Druckatrophie oder Drosselung der Blutzufuhr zugrunde, keine Metastasierung. Im allgemeinen gefährden sie das Leben des Kranken nicht. Präkanzerosen sind Erkrankungen mit hohem Krebsrisiko. Man unterscheidet zwischen einer präkanzerösen Bedingung (sog. Krebsfamilien beim Dickdarmkarzinom) und einer präkanzerösen Läsion (z.B. Dickdarmadenom bzw. Dysplasie der Schleimhaut bei Colitis ulcerosa). Die Dysplasie ist gekennzeichnet durch zelluläre Atypien, eine gestörte Differenzierung sowie Veränderungen in der Gewebearchitektur. Zu den präkanzerösen Läsionen zählt neben der Dysplasie auch das Carcinoma in situ. Das Carcinoma in situ besitzt alle Kriterien des umschriebenen Karzinoms, wächst jedoch nur präinvasiv (Basalmembran wird nicht durchbrochen). Beim Frühkarzinom (z.B. am Ösophagus) ist die Basalmembran bereits durchbrochen, die Submukosa erreicht, nicht aber die Muscularis mucosae. In diesem Stadium ist bereits - wenn auch selten - eine Metastasierung möglich. Semimaligner Tumor ist eine klinische Bezeichnung für Neubildungen, die morphologisch gutartig erscheinen, erfahrungsgemäß jedoch eine starke Rezidivneigung aufweisen aber nicht metastasieren, z.B. das zellreiche Fibrom und Basaliom. Die Epidemiologie der malignen Tumoren hat für den Chirurgen wichtige Aspekte, z.B. Häufigkeit, Geschlechts-, Alters- und Organverteilung und geographische Verbreitung. Die Zahl der durch Tumorleiden verursachten Todesfälle zeigt in Deutschland in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Anstieg. Ursachen: • Zunahme der Expositions- und Realisationszeit infolge der gestiegenen Lebenserwartung. • Vermehrung kanzerogener Faktoren in der Umwelt und geänderte Lebensgewohnheiten. • Verbesserte Krebserkennung und damit verbunden exakte statistische Auswertung. Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes nahmen 1990 die Krebserkrankungen den 2. Platz in der Todesursachenstatistik ein. Insgesamt verstarben 172000 Menschen in den alten Bundesländern; Männer waren etwas häufiger betroffen als Frauen. Grundsätzlich kann Krebs in jedem Lebensalter auftreten, das Risiko steigt jedoch mit dem Alter an.
Verteilung (Abb. 25-1): Bei den Männern steht das Bronchialkarzinom an erster Stelle der Letalitätsstatistik, gefolgt vom kolorektalen- und Magenkarzinom, bei Frauen das Kolorektalkarzinom, gefolgt vom Mamma- und Genitalkarzinom. Bei Beobachtungen über große Zeit-
221
Entstehung und Einteilung von Tumoren cf Lunge Kolon und Rektum Magen Genitalorgane Harnorgane Lymph- u. blutbild. Organe Pankreas Ösophagus Leber- u. Gallenwege Brustdrüse
28,9 14.0 13,7 10,9 7,2 6,8 4,3 2,2 0,2 0,2
17,9 16,1 13,8 12,5 6,4 5,5 5,0 4,6 4,1 0,8
Kolon u. Rektum Brustdrüse Genitalorgane Magen Lymph- u. blutbild. Organe Leber- u. Gallenwege Lunge Pankreas Harnorgane Ösophagus
Abb.25-1: Verteilung bösartiger Tumoren bei Männern und Frauen
spannen zeigen sich immer wieder Schwankungen, z.B. bei der Frau wird voraussichtlich bald das Mammakarzinom die erste Stelle einnehmen.
• bei Frauen: 1. Kolorektales Karzinom 2. Mammakarzinom 3. Genitalkarzinom
Die Organtumoren treten in ihrer Häufigkeit geographisch unterschiedlich auf, z. B. in Ostasien ist die Inzidenz des Ösophagus- und Magenkarzinoms wesentlich höher als in Europa. In unseren Breiten ist das Kolonkarzinom viel häufiger als in Afrika oder Asien. In einigen Provinzen Chinas kommt das Ösophaguskarzinom sogar endemisch vor. Auch bei uns differiert die Krebsinzidenz in verschiedenen Bundesländern erheblich, z. B. ist sie in Berlin am höchsten (überalterte Bevölkerungsstruktur?) und im Saarland am niedrigsten.
Geographische Unterschiede in der Karzinomhäufigkeit.
Sehr wichtig ist die Einrichtung von Krebsregistem, die wie von der WHO empfohlen 1999 flächendeckend in Deutschland eingeführt werden. Die exakte epidemiologische Erfassung des Tumorleidens liefert einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Krebsbekämpfung, insbesonders aber der Krebsvorsorge.
Krebsregister wird ab 1999 flächendeckend für Deutschland eingeführt.
2. Entstehung und Einteilung von Tumoren 2.1 T u m o r e n e n t s t e h u n g
Tumorentstehung
2.1.1 Formale und kausale Genese
Formale und kausale Genese
Tumorwachstum wird durch exogene und endogene Faktoren induziert. Meist ist das Zusammenwirken mehrerer Faktoren erforderlich ( = Synkarzinogenese). Nach der Ätiologie lassen sich die Faktoren in 3 Gruppen einteilen: exogene, kokarzinogene Realisations- und endogene Faktoren.
Transformation einer Normalzelle in eine Krebszelle —> Veränderung der DNA. Folgende 3 Faktoren spielen bei der Entstehung eine Rolle: • exogene Faktoren, • kokarzinogene Realisationsfaktoren, • endogene Faktoren. Krebsentstehung - Transformation einer normalen Zelle in eine Krebszelle (Abb.25-2).
Am Anfang der Krebsentstehung steht die Umwandlung (Transformation) einer normalen Zelle in eine Krebszelle. Auslöser dafür sind zahlreiche Faktoren. Sie verändern auf verschiedene Weise die Erbsubstanz D N A . Die Zelle wird damit umprogrammiert. In vielen Fallen kann ein ausgeklügeltes Reparatursystem diese DNASchäden beheben und die Zelle in einen normalen Zustand zurückführen (SOS-Reparatur). Gelingt dies nicht, vermehrt sich die entartete Zelle zunehmend und bringt schließlich einen Klon von Millionen transformierter Zellen hervor (Abb. 25-2). Entsprechende Subpopulationen werden im Zuge der Tumorprogression immer maligner. Der T\imor breitet sich lokal immer tiefer in das umgebende Gewebe aus (Invasion) und kann Tochtergeschwülste (Metastasen) ausbilden. Die Wachstumsgeschwindigkeit schwankt beträchtlich (z.B. wenige Tage beim Wilms-Tumor, bis zu > 200 Tagen bei gastrointestinalen Tumoren). Sie kann über die Tumorverdopplungszeit erfaßt werden, die abhängt vom Differenzierungsgrad des Tiimors, der Tümorart, lokalen anatomischen Gegebenheiten und noch weiteren, nur zum Teil bekannten Faktoren (z.B. Tumorangiogenesefaktor, T A F oder TGF, transforming growth factor). Die Wachstumskinetik versucht man heute über die Bestimmung des Proliferationsantikörpers „Ki67" zu erfassen (z.B. Nachweis von > 50 % positive Ki-67-Zellen im Kolonkarzinom sprechen für einen schnell wachsenden Tumor mit schlechterer Prognose).
Vermehrung transformierter Zellen führt zur Invasion und Metastasierung.
- Tumorverdopplungszeit
Proliferationsantikörper Ki-67-Zellen
25. Chirurgische Onkologie
222
Krebserzeugende Umweltfaktoren
Abb.25-2: Karzinogenese:formale, . Exogene Faktoren chemische Karzinogene, physikalische Einwirkungen (Radioakti-
ve Strahlen),
onkogene Viren:
Epstein-Barr-Virus Hepatitis-B- und C-Virus Retrovirus Papillomaviren
kausale und theoretische Aspekte
Exogene Faktoren (Abb. 25-2): Mit der wachsenden Umweltbelastung gewinnen exogene Faktoren an Gewicht. Zu ihnen zählen chemische Karzinogene, physikalische Einwirkungen (z. B. radioaktive Strahlen), lebende Erreger, wie z.B. onkogene Viren oder Parasiten. • Bei den chemischen Substanzen spielen vor allem Nitrosamin-Verbindungen in Nahrungsmitteln (Ösophagus- und Magenkarzinom) und Benzpyrene (Bronchuskarzinome) beim inhalierenden Rauchen eine Rolle. • Zu den physikalischen Einwirkungen gehören Alpha-, Beta- und Gammastrahlen, die ultravioletten- und die Röntgenstrahlen. Diskutiert wird noch die Frage der möglichen Spätschäden nach niedrig dosierten ionisierenden Strahlen (Kernreaktorunfall in Tschernobyl). Bekannt ist z.B. auch der Schneeberger Lungenkrebs.
• Zu den krebserzeugenden Faktoren werden auch bestimmte, mit Tumoren assoziierte Viren gezählt. Zur Zeit lassen sich etwa 20 % der Krebserkrankungen bei Frauen und etwa 10 % bei Männern mit Virusinfektionen in Verbindung bringen. Mit dem Epstein-Barr-Virus werden die Naso-Pharynx-Karzinome und die BurkittLymphome assoziiert. D a s Hepatitis B- und C-Virus wird als krebserzeugender Faktor für primäre Leberzellkrebse angeschuldigt. Eine Infektion durch ein Retrovirus (HTLV1) induziert die Erwachsenen-T-Zell-Leukämie. In ähnlicher Weise kann bei menschlichen Anogenitalkrebsen eine enge Verknüpfung mit Infektionen bestimmter Papillomaviren nachgewiesen werden. 2. Kokarzinogene Faktoren
Keine direkte Erzeugung von Krebs, aber: • Promotoreffekt (Phenole, Leberzirrhose, Lupusnarben, spezielle Hormone).
3. Endogene Faktoren
Innere Disposition durch hormonelle Konstitution oder Erbfaktoren: • vererbt wird die Disposition, nicht der Krebs.
Kokarzinogene Faktoren erzeugen den Krebs nicht direkt, besitzen jedoch einen Promotoreffekt: sie beschleunigen oder realisieren (Realisationsfaktoren) die Karzinogenese. Beispiele hierfür sind die im Tabakrauch enthaltenen Phenole, zum anderen auch die Leberzirrhose, Lupusnarben, Wachstums- und proliferationsfördernde H o r m o n e .
Endogene Faktoren: Neben der exogenen Noxe ist meist eine innere Disposition zur Krebsentstehung vorhanden. Diese kann geschlechtsspezifisch durch hormonelle Konstitution oder durch Erbfaktoren bedingt sein. Beispiel: familiäre Polyposis intestininalis mit autosomal dominantem Erbgang und hoher Entartungsfrequenz bis zum 40. Lebensjahr, ferner die Neurofibromatosis von Recklinghausen.
Durch die Zwillingsforschung konnte aber gezeigt werden, daß wohl die Disposition, nicht aber der Krebs selbst vererbt wird. Reparaturenzyme
Reparaturenzyme. Die DNA ist den meisten krebsauslösenden Substanzen allerdings nicht schutzlos ausgeliefert. Über einen komplizierten Indukti-
Entstehung und Einteilung von T u m o r e n
223
onsprozeß werden innerhalb der Zelle größere Mengen an Reparaturenzym e n bereitgestellt. • D e r wichtigste R e p a r a t u r m e c h a n i s m u s d e r D N A ist die Exzisionsreparatur. D a b e i w e r d e n d i e g e s c h ä d i g t e n B a s e n exzidiert u n d n e u e N u k l e o t i d e in d e n R e g e l n d e r B a s e n p a a r u n g eingesetzt. • D i e z w e i t e F o r m d e r D N A - R e p a r a t u r ist d i e Postreplikationsreparatur. H i e r w e r d e n d i e b e s t e h e n d e n S c h ä d e n erst n a c h d e r V e r d o p p l u n g ( R e p l i k a tion d e r D N A ) beseitigt. V e r s a g e n diese R e p a r a t i o n s m e c h a n i s m e n , w e r d e n die S c h ä d e n in d e r r e p l i z i e r e n d e n D N A als M u t a t i o n fixiert. M u t a t i o n e n , die ein o d e r m e h r e r e G e n e b e t r e f f e n , f ü h r e n d a n n z u r neoplastischen Transformation.
D N A nicht schutzlos ausgeliefert - > Reparaturenzyme.
2.1.2 T h e o r i e d e r K r e b s e n t s t e h u n g
Krebsentstehung (Theorien)
Auf der Suche nach einer einheitlichen Theorie für alle Formen der Krebsentstehung wird derzeit ein Konzept favorisiert, in dem Störungen an 3 Arten von Genen für die Krebsentwicklung verantwortlich gemacht werden: • die Protoonkogene (im Zellzyklus verantwortlich u. a. für die Stimulation d. Zellteilung) • die Tumorsuppressorgene (im Zellzyklus verantwortlich u. a. für die Bremsung der Zellteilung) • die DNA-Stabilitätsantigene (u.a. Gewährleistung der korrekten DNA-Replikation). Diese Gene, die für ein geregeltes Wachstum und eine normale Entwicklung verantwortlich zeichnen, sind hierbei der zentrale Ausgangspunkt. Wird ein solch normales Gen durch eine die Mutation auslösende oder andere krebserregende Substanzen geschädigt, so kann es zum tumorinduzierenden Krebsgen werden (Abb. 25-2, 3).
Zelluläre G e n e s i n d zentraler A u s g a n g s punkt: - Protoonkogene - Tumorsuppressorgene - DNS-Stabilitätsantigene
Die zweite Möglichkeit der Transformation eines normalen Gens in ein Onkogen geschieht über den Umweg eines Virus. Das Virus inkorporiert ein normales Gen in sein eigenes Genom, welches wiederum in eine normale gesunde Zelle eingeschleust wird, um dort zu einem tumorinduzierenden Krebsgen (Onkogen) zu werden.
Transformation e i n e s G e n s in ein Onkog e n durch Viren.
In der weiteren Folge gibt dann die entsprechende mutierte D N A über die BotenR N A ihre Anweisungen an die zelluläre Synthesemaschinerie. Dort wird unter anderem ein Enzym (Kinase) produziert, das sich an die Innenseite der Plasmamembran heftet. Dort werden Proteine phosphoryliert mit dem Ergebnis, daß die Zelle aus den entsprechenden Regelmechanismen ausbricht und zu einem krebsartigen Wachstum veranlaßt wird.
P h o s p h o r y l i e r u n g v o n G e n e n führt zur Krebsentstehung.
Nicht immer entsteht aus einer Krebszelle ein bösartiger Tumor. Die Zellen der Krebsvorstufe können durch Zelldifferenzierung ihre Anomalie verlieren und in einen Ruhezustand übergehen oder nur sehr langsam wachsen. Der ungehinderten Ausbreitung von Tumoren steht stets die körpereigene Abwehr entgegen. Nur in vergleichbaren seltenen Fällen kommt es tatsächlich zur Ausbildung eines bösartigen Tumors, der dann auch die Fähigkeit zur Metastasierung und Ausbildung von Tochtergeschwülsten in anderen Organen hat. Onkogene sind krebserzeugende Gene. Jede menschliche Zelle enthält physiologischerweise diese Onkogene postnatal in abgeschalteter Form. Werden sie reaktiviert, kodieren sie wie andere G e n e Proteine. Allerdings arbeiten diese kodierten Proteine regelwidrig und erreichen dabei die Transformation einer normalen Zelle in eine Krebszelle. Der Mechanismus, der ein Onkogen aktiviert, geschieht durch eine Punktmutation (Abb. 25-3), ausgelöst durch die schon beschriebenen krebserzeugenden Umweltfaktoren wie Chemikalien oder Strahlen bzw. andere endogene Faktoren (Hormone, Alter). 5q
12p
18q
17p
Verlust
Aktivierung k-ras H-ras(?)
Verlust
Verlust
DCC
p53
APC
DNA Hypomethylierung hypernormales • proliferatives Epithel Epithel
frühes Adenom:
Entstehung aus Geweben und Organen des Ekto- und Endoderms. Je nach Ausgangspunkt: - Plattenepithelkarzinom - Basalzelikarzinom - Übergangszellkarzinom - Adenokarzinom A m häufigsten: - Papillome - Adenome - adenomatöse Polypen 2. Mesenchymale Geschwülste Entstehung aus Organen des Mesoderms (Tab. 25-1 ) = Sarkome Je nach Entstehungsort: - Tumoren des Stützgewebes - Tumoren der blutbildenden Organe - Tumoren der Nerven 3. Mischgeschwülste Entstehung aus mehreren Keimblättern (Tab. 25-2). Formen: • maligne Teratome • Wilms-Tumor • seltene Tumoren
Epitheliale Geschwülste ( = Karzinome) machen 90 % aller bösartigen Neubildungen aus. Karzinome entstehen aus Geweben und Organen des Ektoderms und Endoderms. Je nach Ausgangspunkt des Tumors handelt es sich um Plattenepithel-, Basalzell-, Übergangszellkarzinome, um Adenokarzinome oder anaplastische Karzinome. Das Wachstum kann exo- oder endophytisch erfolgen. Am häufigsten sind die von drüsigem Oberflächenepithel (Zylinderepithel, Übergangsepithel) ausgehenden Geschwülste: Papillome (gutartige fibroepitheliale Geschwulst), Adenome und adenomatöse Polypen. Mesenchymale Geschwülste ( = Sarkome) gehen von Organen des Mesoderms aus (Tab. 25-1). Zu diesen Tumoren des Stützgewebes werden auch die des Gefäßsystems, der blutbildenden Organe und der Nerven hinzugerechnet. Vorstufen sind die „Präsarkomatosen", z.B. Ostitis deformans Paget, Neurofibromatosis von Recklinghausen usw. Bösartige Mischgeschwülste setzen sich aus Anteilen mehrerer Keimblätter zusammen. Am häufigsten sind maligne Teratome. Sie wachsen rasch und sind an typischen Stellen lokalisiert (Tab. 25-2). Tab.25-1: Mesenchymale Geschwülste = Sarkome Histologische Struktur
Organbefall
Fibro-, Myo-, Lipo-, Myxo-, Spindelzellsarkom, Melanoblastom
Haut, Muskeln, Magen-Darm-Kanal, Retroperitoneum, Genitale, Mediastinum, Weichteile der Extremitäten
Chondro-, Osteo-, Ewing-Riesenzellsarkom
Skelett
Angio-, Lymphangiosarkom, Hämangioendotheliom, bösartige Glomustumoren
Gefäßsystem, z. B. Leber
Hämoblastosen, Plasmozytom, Retikulo- und Retothelsarkom, Lymphogranulomatose
Knochenmark, Lymphknoten, Milz
Neurofibrosarkom, Astrozytom, Glioblastom, Schwannom, Meningeom
ZNS, Nerven, Ganglien
Leydigzelltumor, Thekazelltumor, Arrhenoblastom
Gonaden
Tab.25-2: Maligne Mischgeschwülste Histologische Struktur
Organbefall
Teratom
Mediastinum, Retroperitoneum, Gonaden, selten innere Organe
Adenosarkom (Wilms-Tumor)
Nieren
Chorionepitheliom
Genitale, extragenitales Vorkommen selten, z. B. Mediastinum
maligne Mischtumoren
Parotis, Mamma
malignes Hamartom
Leber, Mediastinum
malignes Choristom
Lunge, Nieren etc.
3. Ausbreitung und Grading von Tumoren Ausbreitung der Tumoren
3.1 Tumorausbreitung
1. Lokales Wachstum
3.1.1 Lokales Wachstum
Man unterscheidet: • expansives Wachstum • infiltratives Wachstum
Das Wachstum der Geschwülste ist ungehemmt. Je höher die Mitoserate, desto bösartiger der Tumor. Tumorzellen durchbrechen die Basalmembran und wachsen in benachbarte Gewebe und Organe ein. Man unterscheidet
Ausbreitung und Grading von Tumoren
225
expansives, infiltratives u n d destruktives Wachstum ( = kontinuierliches Wachstum). D a s destruierende Wachstum charakterisiert den bösartigen Tumor.
• destruierendes W a c h s t u m (typisch für bösartigen T u m o r )
3.1.2 Metastasierung
2. Metastasierung
S i c h e r e s Z e i c h e n d e r M a l i g n i t ä t e i n e r G e s c h w u l s t sind T o c h t e r g e s c h w ü l s t e d u r c h v e r s c h l e p p t e K r e b s z e l l e n . D i e M e t a s t a s i e r u n g k a n n lymphogen, hämatogen u n d kanalikulär e r f o l g e n , j e n a c h d e m in w e l c h e S t r u k t u r e n d i e Tum o r z e l l e n e i n b r e c h e n ( A b b . 25-4). Sie erfolgt in m e h r e r e n S c h r i t t e n .
Entwicklung von Tochtergeschwülsten auf folgenden 3 Wegen: • lymphogen • hämatogen • kanalikulär durch A b l ö s u n g v o n Geschwulstzellen des Primärtumors. Die W e g e b e s t i m m e n den Ort der Metastasen (Abb. 25-3). a) Phasen der Metastasierung - G e f ä ß i n v a s i o n und Dötachment - Dissemination - Arrest im Z i e l o r g a n - L o k o m o t i o n und Permeation - Angioneogenese - Metastase Phasen der Metastasierung (Kaskadenprozeß) - vorbereitende P h a s e - Realisationsphase
Voraussetzung zur Ausbildung von Metastasen ist die Verschleppung proliferationskompetenter Zellen mit dem störmenden Blut. Diese Zellen - aus Subpopulationen entstanden - müssen Stammzellcharakter haben, um die Metastasierung induzieren zu können. Die Metastasierung ist also kein statisches, zufallsbedingtes Geschehen, sondern ein komplexer dynamischer Vorgang, bei dem gesetzmäßig der jeweils nächste Schritt vollzogen, und die jeweilige Subpopulation eines Tumors selektiv gefördert wird, die in der Lage ist, die nächste Stufe der Metastasierung zu erreichen. D i e Phasen der Metastasierung l a u f e n als Kaskadenprozeß ab: 1. G e f ä ß i n v a s i o n u n d D e t a c h m e n t vorbereitende Phase 2. D i s s e m i n a t i o n 3. A r r e s t im Z i e l o r g a n 4. L o k o m o t i o n u n d P e r m e a t i o n Realisationsphase 5. A n g i o n e o g e n e s e 6. M e t a s t a s e Gefaßinvasion und Detachment: Diese erste vorbereitende Phase spielt sich im tumornahen Wirtsgewebe ab mit Ausbildung eines Ödems. Dieses Ödem wird durch drei Faktoren ausgelöst: 1. erhöhte Permeabilität der Tumorkapillaren, 2. mangelnde Lymphdrainage im Tumorgewebe, 3. perifokale Entzündungsreaktion im Wirtsgewebe. Zusätzlich haben die Krebszellen noch die Fähigkeit, Degradationsenzyme (Kollagenase, Elastase, Plasminogenaktivator und viele andere) zu produzieren. Durch die so geschaffene Auflockerung des Wirtsgewebes kommt die Befähigung der Tumorzellen zur aktiven Lokomotion zum Tragen. Zusätzlich zu diesem Fortbewegungsmechanismus kann sich die Krebszelle amöboid verformen, z.B. beim Durchtritt der Tumorzellen durch eine Gefäßwand. Die Krebszelle lagert sich an der physiologischen Lücke zwischen zwei Endothelzellen an, löst die Basalmembran durch Kollagenase auf, durchwandert sie und wird mit dem strömenden Blut ausgeschwemmt, ähnlich der Diapedese der Granulozyten. Ermöglicht wird diese Lokomotion jedoch erst durch den geringen Zusammenhalt der Krebszellen in der Peripherie. Es kommt zur Entdifferenzierung am Rande der Geschwulst, die mit der Reduktion von Junktionskomplexen und Desmosomen einhergeht. In der Tumorperipherie bilden sich weite Interzellularräume, die es einzelnen Zellen oder Zellaggregaten erlauben, sich vom Primärtumor zu lösen.
1. Gefäßinvasion u n d Detachment
Krebszellen bilden D e g r a d a t i o n s e n z y m e (Kollagenase, Elastase, Plasminogenaktivator), die zur aktiven L o k o m o t i o n führen.
Dissemination: Die nun im strömenden Blut zirkulierenden einzelnen Krebszellen oder Zellverbände sind einem feindlichen Milieu - den natürlichen Killerzellen (NK) - ausgesetzt. Wird im Experiment z.B. die NK-Aktivität durch Cyclophosphamid unterdrückt, kommt es zum Anstieg der Metastasierungsfrequenz, hingegen sinkt sie, wenn die NK-Zellen durch Interferon induzierende Pharmaka stimuliert werden. Außerdem konnte im Experiment die nicht geringe Rolle des MakrophagenMonozytensystems bei der Eliminierung der Krebszellen nachgewiesen werden. So ist es offensichtlich, daß Krebszellen während der Zirkulation im strömenden Blut eher in der Lage sind, im Zellverband denn als Einzelle zu existieren. Die sofortige Anlagerung von Thrombozyten an die Krebszellen erhöht die Haftfähigkeit an inaktiven Fremdoberflächen und zugleich die Isolation der Tumorzellen gegenüber feindlichen Faktoren des Blutes. Krebszellen werden auf anatomisch vorgegebenen Wegen verschleppt. Rechnerisch gesehen, ergibt sich jedoch eine erhebliche Diskrepanz zwischen Blutstrom und Metastasierungsverhalten von verschiedenen Primärtumoren in bestimmten Organen. Dies liegt an der speziellen Affinität der Tumorzellen zu bestimmten Organen, der sog. Organpräferenz. Diese Spezialisierung auf ein bestimmtes Metastasierungsorgan ist mit der Struktur der Oberflächenproteine der Krebszellen verbunden.
2. Dissemination v o n Krebszellen • Krebszellen sind den natürlichen Killerzellen ausgesetzt
Arrest im Zielorgan: Im Zielorgan angekommen, heftet sich die Krebszelle am Endothel des Kapillarbettes an. Da sowohl Krebs- als auch Endothelzellen negative Oberflächenladungen aufweisen, sind relative große Repulsionskräfte zu überwin-
3. Arrest im Zielorgan d u r c h • Aggregation von Thrombozyten, • Induktion einer lokalen G e r i n n u n g .
Organpräferenz: Spezialisierung auf bestimmte(s) Metastasierungsorgan(e)
226
25. Chirurgische Onkologie den, die im Quadrat der Oberflächenzunahme wachsen. Die Itimorzelle benützt ihre Fähigkeit zur Ausstülpung von Zellarmen, um ihren Radius klein zu halten und die Abstoßungskräfte zu minimieren. Weiterhin induzieren die Krebszellen die Aggregation von Thrombozyten und durch Induktion einer lokalen Gerinnung die Ausbildung eines perizellulären Fibrinfilms. Dadurch wird die Haftungstendenz (thromboplastische Faktoren und ADP) der Tumorzellen an Fremdoberflächen erhöht.
4. Angioneogenese Neubildung von Gefäßen zur Ernährung der Krebszellen.
Angioneogenese: Die einmal eingedrungenen Krebszellen beginnen nach einer kurzen Latenzperiode mit der Proliferation und werden durch Diffusion ernährt. Ab einer bestimmten Größe proliferieren Gefäßendothelzellen des Wirtes in Richtung auf den Tumor hin. Mit dem Beginn dieser vaskulären Phase wächst die Metastase infiltrativ. Die angiogenetischen Faktoren (Ribonukleinsäuren), die die Vaskularisation in Gang setzen, werden nicht nur von der Metastase selbst, sondern auch vom Wirtsgewebe sezerniert. Die Neovaskularisation eines Himors ist jedoch im Zentrum nicht optimal, so daß es zur Entstehung von Nekrosen im Inneren der Metastase kommt. Dieser Aspekt spielt für die zytostatische Therapie eine wichtige Rolle.
1. Lymphogene Metastasierung b) Wege der Metastasierung: -> Invasion in Lymphbahnen, Tumorzellen bleiben im Lymphknoten hängen, —> Infiltration des Knotens usw., -> über Ductus thoracicus in die Lunge. Folge: Lymphangiosis carcinomatosa.
Die 3 Metastasenwege bestimmen den Metastasenort (Abb. 25-4): Lymphogene Metastasierung: Bei Invasion in die Lymphbahnen bleiben Tumorzellen in den regionären Lymphknoten hängen und infiltrieren den gesamten Knoten. Von da aus erfassen sie auch die nächstgelegene Lymphknotenstation. Eine Verschleppung von Tumorzellen ist über den Ductus thoracicus in die obere Hohlvene und in die Lunge (erster Metastasenfilter) möglich. Sind die Lymphgefäße durch Geschwulstthromben verstopft, kommt es zu einer retrograden Ausbreitung mit Lymphangiosis carcinomatosa. Hämatogene Metastasierung vor allem f ü r das Sarkom charakteristisch. Die Tumorzellen brechen direkt in eine Vene ein oder gelangen auf dem Umweg über die Lymphbahnen in die Blutgefäße. Es lassen sich folgende Metastasierungstypen unterscheiden (Abb. 25-5).
2. Hämatogene Metastasierung Charakteristisch für Sarkom. Lymphbahn -> Blutgefäße. E s gibt 6 Metastasierungtypen
regionäre und ferngelegene Lymphknoten z.B. Virchow-Drüse PfortaderKavaLungenVertebralerPleura Peritoneum Op.-Wunden perineural
Abb. 25-4:
Metastasenwege
c>
iKr
nid)
^r
Abb. 25-5: Hämatogene Metastasierungswege: Typ, c. Lungen-Typ, d. VertebralerTyp.
^ i a. V.-cava-Typ, b. Pfortader-
227
Ausbreitung und Grading von Tumoren • V.-cava-Typ: Geschwülste im Einstromgebiet der Hohlvene metastasieren zunächst in die Lungen und von dort in den großen Kreislauf; • Pfortader-Typ: Im Einflußgebiet der Pfortader lokalisierte Primärtumoren (z.B. Magen-, Kolon-, Gallenblasenkarzinom usw.) brechen in die Pfortader ein. Erster Metastasierungsort ist die Leber. • Lungen-Typ: Der Primärtumor liegt in der Lunge, z.B. Bronchuskarzinom. Tumorzellen werden in den großen Kreislauf verschleppt, dessen Organe das erste Kapillarfilter sind. Metastasierung vornehmlich in Gehirn, Leber, Knochen und Nebenniere. • Leber-Typ: Primärtumor in der Leber. Nach Einbruch in die Lebervenen Ausbreitung über die untere Hohlvene in die Lungen. Die weitere Metastasierung in den großen Kreislauf erfolgt wie beim Lungentyp. • vertebraler Typ: Manche Organkrebse (Prostata, Schilddrüse, Mamma, Nieren) metastasieren vor allem in die Wirbelsäule. Es wurde nachgewiesen, daß die Zellverschleppung direkt über segmentär verlaufende Venenverbindungen des Azygos- und Vertebralvenensystems erfolgt. Metastasierung durch Implantation: Die Aussaat von Tumorzellen ist auch in serösen Höhlen möglich, z.B. bei der Peritoneal- und Pleurakarzinose oder den Krukenberg-Tumoren ( = Metastasen im Ovar). Außer den vorgezeichneten Transportwegen sind auch lokale Faktoren für das Angehen von Metastasen entscheidend. Die Mehrzahl der Karzinompatienten stirbt an der Metastasierung und nicht am Primärtumor.
V.-cava-Typ
3.2 Stadien und Gradeinteilung
Stadien u n d Gradeinteilung maligner Tumoren
Für die prognostische Beurteilung einer Geschwulsterkrankung sind vor allem 2 Gesichtspunkte wichtig: (1) Die Ausbreitung der Geschwulst (Größe, Infiltration in benachbarte Strukturen, Metastasierung, = Staging) und (2) die Aggressivität des Tumorgewebes, beurteilbar durch histologische oder zytologische Untersuchung ( = Grading). • Regel: Je ausgedehnter der Tumor und je rascher sein Wachstum, desto geringer die Chancen einer Heilung; Je weniger differenziert in seiner histologischen Struktur (anaplastisch), desto bösartiger der Tumor.
Pfortader-Typ
Lungen-Typ
Leber-Typ
vertebraler Typ
3. Implantationsmetastasen-Typ z. B. Metastasierung in die Ovarien beim Magenkarzinom = Krukenberg-Tumoren.
• TNM-Klassifikation (pretreatment clinical Classification): Vor definitiver Behandlung aufgrund klinischer, radiologischer und endoskopischer Befunde.
Für die Chirurgie ist die pTNM-Klassifikation wichtig (postoperative histopathologische Klassifikation) d.h. nach histologischer Untersuchung.
Histopathologisches Grading
• pTNM-Klassifikation (post surgical histopathological Classification): Nach histologischer Untersuchung des resezierten Tumors. Ist der Operation eine andere Behandlung, wie etwa Strahlen- und/ oder Chemotherapie vorangegangen, dann wird der pTNM-Kategorie noch ein y vorangesetzt. Weiterhin können folgende Informationen angefügt werden: Gl-4 = histopathologisches Grading, (1 = gut differenziert, 2 = mäßig differenziert, 3 = schlecht differenziert, 4 = undifferenziert),
229
Diagnose, Therapie, Krebsverhütung LO-2 = Einbruch in das Lymphsystem, VO-2 = Einbruch in die Venen. Rezidive können - ebenso wie der Primärtumor - nach dem TNM-System klassifiziert werden. Der Tumorformel wird dann noch ein kleines „r" vorangestellt (z.B. rTNM, rpTNM). Weitere zusätzliche Kennzeichen sind: das Y-Symbol, wenn die Klassifikation während oder nach multimodaler Therapie erfolgt. Das R-Symbol kennzeichnet das Fehlen oder Vorhandensein von Residualtumor (Rx = nicht zu beurteilen, Ro = kein Residualtumor, R1 = mikroskopischer Residualtumor, R2 = makroskopischer Residualtumor). Der RKlassifikation kommt nach Tumorentfemung die größte prognostische Bedeutung zu. Konnte eine Ro-Resektion erreicht werden, hängt die weitere Prognose entscheidend vom Tumorstadium (pTNM-Klassifikation) ab. Eine Präzisierung des Tumors ist mit insgesamt 32 Kategorien möglich. Für chirurgische Belange sinnvoll ist die postoperative histopathologische Klassifikation (pTNM).
Rezidive werden ebenfalls nach dem TNM-System klassifiziert mit Voranstellung eines „r". Y-Symbol bei multimodaler Therapie. R-Klassifikation, wichtigster prognostischer Faktor: RO = kein Residualtumor R1 = mikroskopischer R. R2 = makroskopischer R.
4. Diagnose, Therapie, Krebsverhütung
Diagnostische Verfahren
4.1 Diagnostik Je früher ein Tumor festgestellt wird, um so günstiger sind seine Heilungschancen. Die frühe und rechtzeitige Diagnose wird durch 3 Faktoren beeinflußt: • durch den Tumor (Sitz, Größe etc.) und seine Symptome (Schmerzen, Stenose, Blutungen, Vorwölbungen, Leistungsknick usw.). Der Zeitraum bis zum Auftreten der ersten klinischen Symptome wird als Latenzstadium bezeichnet; • durch den Patienten, der nach Auftreten der Symptome den Arzt erstmals nach mehr oder weniger langer Zeit aufsucht ( = patientenbedingte Verschleppungszeit); • durch den Arzt, der mehr oder weniger schnell die richtige Diagnose stellt und die Tumorbehandlung einleitet (arztbedingte Verschleppungszeit). Die Verschleppungszeit durch Patient und Arzt (fatale Phase) beträgt im Durchschnitt 1 Jahr, variiert aber nach Sitz des Tumors und Intensität der Symptome. Symptome. Eigentliche „Frühsymptome" gibt es - von Ausnahmen abgesehen - kaum, da der bösartige Tumor meist allgemeine oder lokale Symptome verursacht, wenn er bereits eine entsprechende Größe erreicht hat. Die Symptomatik ist vom Sitz des Tumors, seiner Größe und der evtl. Metastasierung bestimmt. Oft gehen den speziellen lokalen Symptomen allgemeine Zeichen voraus. Typisch ist eine allgemeine Leistungsminderung („Leistungsknick"), begleitet von Schwäche, Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit, Blässe (sekundäre Anämie), evtl. subfebrilen Temperaturen. Die lokalen Tumorsymptome sind organbezogen: Heiserkeit beim Larynxkarzinom, Schluckstörungen beim Ösophaguskarzinom, Husten beim Bronchuskarzinom, Ileus beim kolorektalen Karzinom, Ikterus beim Papillenoder Pankreaskopfkarzinom. Blutungen finden sich häufig bei gastrointestinalen Karzinomen, aber auch beim Bronchuskarzinom. Schmerzen kann jeder Tumor verursachen. Entscheidend für die rechtzeitige Erkennung einer bösartigen Geschwulst ist das „Darandenken" bereits bei diskreten Symptomen, so daß bis zur endgültigen Sicherung oder Ausschluß eines Tumors alle diagnostischen Möglichkeiten eingesetzt werden sollten. Bildgebende Verfahren sind wohl die wichtigsten Untersuchungen in der Geschwulstdiagnostik.
3 Faktoren beeinflussen die rechtzeitige Diagnose: 1. der Tumor (Sitz, Größe) und seine Symptome (Schmerz, Blutung, Stenose etc.), 2. der Patient (Aufsuchen des Arztes), 3. der Arzt (schnelle und richtige Diagnose). Fatale Phase
Symptome Kaum Frühsymptome. Bei bestimmter Größe foSr"6 l Symptome Allgemeine Symptome: - Leistungsminderung - Schwäche - Gewichtsabnahme - Appetitlosigkeit - Blässe - evtl. subfebrile Temperaturen Lokale Symptome (organbezogen): - Heiserkeit —> Larynxkarzinom, - Schluckstörungen Ösophaguskarzinom, - Husten Bronchuskarzinom, - Ileus -> kolorektales Karzinom etc.
Bildgebende Verfahren
230
25. Chirurgische Onkologie
Röntgendiagnostik: Übersichtsaufnahme, Bariumkontrast, spezielle Kontrastaufnahmen: - Angiographie, Venographie - Lymphographie - Mammographie, Galaktographie - Ausscheidungsurographie Schnittbildverfahren - Sonographie, - CT - MRT
Röntgendiagnostik. Neben der einfachen Übersichtsaufnahme (z. B. Thorax in 2 Ebenen beim Bronchuskarzinom) stehen spezielle Techniken zur Verfügung: z.B. Röntgenkonstrastuntersuchung bei gastrointestinalen Geschwülsten (MDP, Kontrasteinlauf), Angiographie zum Nachweis von Tumorgefäßen, besonders bei Leber-, Pankreas- und Nierentumoren, Venographie bei Mediastinaltumoren, Lymphographie zum Nachweis von Lymphknotenmetastasen (seltene Indikation) Mammographie und Galaktographie beim Mammakarzinom, Ausscheidungsurographie bei Tumoren der Nieren und ableitenden Harnwege. Schnittbildverfahren s. Kap. 2, S. 6.
Isotopendiagnostik Speicherung von markierten Substanzen in spez. Organen und Messung der Anreicherung durch Szintigraphie.
Isotopendiagnostik: Die Speicherung von Isotopen in bestimmten Organen, wie Schilddrüse, Hirn, Nebennieren, Leber, Knochen usw. (Szintigramm) offenbart Tumordestruktionen des spezifischen Organparenchyms (z.B. kalter Knoten in der Schilddrüse, Knochenmetastasen usw.). Eine Anreicherung von Isotopen in Lunge, Knochen, Lymphknoten ist ein Hinweis für Metastasen, z. B. beim Schilddrüsenkarzinom.
Immunszintigraphie - AK gegen CEA und CA 19-9 - Indiziert bei erhöhtem Tumormarker und negativer radiologischer und endoskopischer Diagnostik.
Die Immunszintigraphie mit radioaktiv markierten mono- bzw. polyklonalen Antikörpern gegen tumorassoziierte Antigene (z. B. CEA, CA 19-9) hat sich in der Routinediagnostik zur Rezidivfrüherkennung nicht bewährt. Das Verfahren wird eingesetzt bei erhöhten Tumormarkerwerten und negativer radiologischer bzw. endoskopischer Diagnostik.
Endosonographie Nachweis von - Tiefenausdehnung, Tumorgröße - Infiltration benachbarter Strukturen - Lymphknoten-Vergrößerungen
Endosonographie: Ein spezieller Schallkopf läßt sich endoskopisch in Ösophagus, Magen, Duodenum und Rektum einführen. Hiermit lassen sich Tiefeninfiltration, Tumorgröße, Infiltration benachbarter Strukturen und regionäre Lymphknotenvergrößerungen relativ sicher beurteilen. Die Methode gehört zum Routine-Staging beim Ösophagus- und beim Rektumkarzinom im mittleren und unteren Drittel.
Endoskopie Tumorbetrachtung und Biopsie, aber: Negative Biopsie schließt Tumor nicht aus!
Endoskopie (s.Kap. 3, S. 14). Bei Bronchoskopie, Gastroduodenoskopie, Rektokoloskopie usw. können Tumoren gesehen und biopsiert werden. Eine negative Biopsie schließt einen Tumor nie aus!
Feinnadelbiopsie Materialgewinnung für zytologische Untersuchung. Relativ gefahrlos!
Feinnadelbiopsie. Sie dient der Materialgewinnung zur zytologischen Untersuchung und ist nahezu gefahrlos! Besonders geeignet für Lymphknoten, Schilddrüse, Leber, Pankreas, Niere, Mamma. Kann CT- bzw. sonographiegesteuert durchgeführt werden.
Probeexzision, Probeexstirpation Operative Gewebeentnahme. Hohe Treffsicherheit.
Probeexzision, -exstirpation. Operative Gewebeentnahme durch direkte Exzision aus dem Tumor oder Exstirpation des ganzen Tumorknotens (z.B. Mamma, Weichteilgeschwülste, Lymphknoten oder innere Organe). Hohe Treffsicherheit.
Laboruntersuchungen Hinweis auf Krebs durch - a-Fetoprotein (AFP) - prostataspezifisches Antigen (PSA) - Bence-Jones-Eiweißkörper - Tumormarker (Verlaufskontrolle)
Laborchemische Untersuchungen. Es gibt keinen universellen „Krebstest", der einen malignen Tumor anzeigt. Verschiedene Methoden liefern jedoch gewisse Hinweise auf eine Tumorerkrankung, z.B. Bence-Jones-Eiweißkörper (Plasmozytom), a-Fetoprotein (AFP) (primäres Leberzellkarzinom, Keimzelltumoren), PSA (Prostatakarzinom). Die Laboruntersuchungen sind nur in der Synopsis mit anderen Diagnoseverfahren verwertbar. Tumormarker dienen vor allem der Verlaufskontrolle.
Diagnostische Eingriffe: • Thorakotomie ] wenn andere Ver• Laparotomie j fahren unklar Beurteilung der Operabilität möglich.
Diagnostische Eingriffe. Thorakotomie oder Laparotomie sind indiziert, wenn alle anderen diagnostischen Maßnahmen keine Klarheit brachten und weiterhin der Verdacht auf ein Tumorleiden besteht. Sie erlauben außerdem die Beurteilung der Operabilität. Diese explorativen Eingriffe werden zunehmend minimal-invasiv durchgeführt (s. Kap. 27, S. 265). Vorsorgeuntersuchungen dienen der frühzeitigen Erkennung von Tumoren im symptomfreien Stadium und sind gelegentlich auch als Reihenuntersuchung besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen angezeigt. Die Untersuchungen sollen einfach, komplikationsarm, billig und aussagekräftig sein. Diese Forderungen sind nur für bestimmte Untersuchungen erfüllbar: Mamma-, Portio-, Prostata-, Kolon- (okkulter Blutnachweis im Stuhl), Bronchuskarzinom (Thoraxübersichtsaufnahme).
Vorsorge Auch Reihenuntersuchung zur Erkennung von Krebs im symptomfreien Stadium, geeignet bei: - Mammakarzinom, Portiokarzinom - Kolonkarzinom - Bronchuskarzinom - Prostatakarzinom
Diagnose, Therapie, Krebsverhütung
231
4.2 Therapie
Therapie
In der Regel führt jeder bösartige Tumor unbehandelt in mehr oder weniger kurzer Zeit zum Tode. Spontane Rückbildungen sind extrem selten. Je frühzeitiger und radikaler die Therapie erfolgt, desto größer sind die Heilungschancen. Der gleichzeitige bzw. sequentielle Einsatz verschiedener Therapieverfahren (Zytostatika, Bestrahlung, Chirurgie, Hormone) wird zunehmend bei Tumorerkrankungen (z. B. Analkarzinom) Routine, multimodales Therapiekonzept. Eine Ausweitung der Indikationsgebiete bedarf einer regelmäßigen gegenseitigen Absprache (Tumorkonferenz) bzw. der Überprüfung im Rahmen von Studienprotokollen.
Tumorkonferenzen, deren Teilnehmer sich aus den verschiedenen Disziplinen zusammensetzen. Sie sind wichtig für die Festlegung einer multimodalen Behandlung.
4.2.1 Operative Behandlung
Operative Behandlung
Sie ist die Methode der Wahl und richtet sich nach dem Ausgangspunkt, der Größe und Ausbreitung der Geschwulst. Radikaloperation: bedeutet: • makroskopisch totale Entfernung des Tumors mit den ableitenden Lymphknoten (en-bloc-Resektion), • mikroskopisch tumorfreie Resektionsränder, • keine Metastasen mehr nachweisbar. Das Ziel der Radikaloperation ist kurativ, d. h. der Patient wird von seinem Tumorleiden definitiv geheilt. Radikaloperationen erfordern die partielle oder totale Entfernung von Organen.
1. Radikaloperation bedeutet: - makroskopisch totale Entfernung - mikroskopisch tumorfreie Ränder - keine Metastasen nachweisbar Ziel: kurativ.
Erweiterte oder multiviszerale Resektion meint die gleichzeitige Entfernung von tumorös infiltrierten Organen (z. B. Milz, Zwerchfell, Bauchwand usw.) bzw. Resektion von operablen Metastasen (z.B. solitäre Lebermetastase). Dieses superradikale chirurgische Vorgehen ist nur gerechtfertigt, wenn weder lokale noch allgemeine Inoperabilität vorliegen und durch die Ausweitung des operativen Eingriffs Chance auf eine kurative Situation gegeben ist.
2. erweiterte oder multiviszerale Resektion Nur indiziert bei fehlender lokaler und allgemeiner Inoperabilität
Palliativoperation: Man unterscheidet resezierende und nicht resezierende Palliativoperationen. Die palliative Resektion kann nicht kurativ sein. Sie entfernt das tumortragende Organ bewußt unter Belassung von Tumorgewebe, z. B. bei bereits vorhandenen Fernmetastasen. Voraussetzung ist, daß der Tumor operativ-technisch noch entfernbar ist. Ziel dieser Eingriffe ist die Verbesserung der Lebensqualität durch Beseitigung von Komplikationen (Blutung, Stenosen, Schmerzen usw.) und eine evtl. Verlängerung der Überlebenszeit. Nicht resezierende Palliativeingriffe ( = symptomatische Operationen) dienen ausschließlich der Beseitigung von Symptomen, wie Stenosen im Bereich des Verdauungstraktes (biliodigestive Anastomose bei Verschlußikterus, Ösophagusendoprothese bei Dysphagie, Gastroenterostomie bei Magenausgangsstenose, Anus praeter bei Kolonobstruktion usw.) oder von Schmerzen (z. B. Leukotomie). Hierzu zählen auch Verbundosteosynthesen zur Stabilisierung metastasenbedingter sog. „pathologischer" Frakturen. Abzugrenzen von der Inkurabilität ist die Inoperabilität. So kann beispielsweise der Primärtumor sehr wohl operabel sein, andererseits aufgrund von Fernmetastasen Inkurabilität bestehen. • Lokale Inoperabilität liegt vor, wenn ein Tumor durch Infitration lebenswichtiger Organe nicht mehr entfernt werden kann. • Allgemeine Inoperabilität liegt vor, wenn ein Patient schwerwiegende Begleiterkrankungen aufweist (z.B. schwere KHK), so daß er einen geplanten Eingriff nicht überleben würde.
3. Palliative Operation Zur Verbesserung der Lebensqualität und Beseitigung von Komplikationen, z. B. Schmerz. Keine Radikalentfernung!
Rezidiv- und Metastasenchirurgie: Sie hat an Bedeutung gewonnen, da bei einer differenzierten, stadienadaptierten Tumornachsorge Lokalrezidive und Metastasen rechtzeitiger und zwar im asymptomatischen Stadium erkannt werden. Tumorrezidive am Ort des vorher exstirpierten Primärtumors, z.B. Kolon, können bisweilen noch kurativ entfernt werden. Die Exstirpation solitärer oder vereinzelter Metastasen in Leber und Lunge hat vor allem beim kolorektalen Karzinom noch gute Erfolgschancen (5Jahre-Überlebenszeiten 30-40 %).
4. Rezidiv- und Metastasenchirurgie Rezidive können z.T. noch kurativ entfernt werden.
Man unterscheidet: - resezierende Operationen (Entfernen des tumortragenden Organs unter Belassen von Metastasen), - nicht resezierende Operationen (nur Beseitigung von Symptomen). Inoperabilität • lokale • allgemeine
Entfernung von Metastasen hat z.T. gute Erfolgschancen.
232
25. Chirurgische Onkologie
Strahlentherapie
4.2.2 Strahlentherapie
- Linearbeschleuniger - Kreisbeschleuniger Geeignet bei Karzinomen an: - Haut - Portio, Cervix uteri - Ösophagus (Plattenepithel) - Seminome - M. Hodgkin - Mamma
Heute wird die Megavolt-Therapie (Linear- oder Kreisbeschleuniger) durchgeführt. Die Strahlendosis (Gray = Gy) wird mittels computersimulierter Dosisplanung (optimale Isodosenverteilung) eingestellt. Dadurch ist eine optimale Anpassung der Tiefendosis an die Lage des Tumors mit weitgehender Schonung des umliegenden gesunden Gewebes gegeben. Die Indikation zur Strahlentherapie ist wegen der unterschiedlichen Ansprechbarkeit der Tumoren beschränkt. Domäne sind die Karzinome der Haut, der Portio und Cervix uteri und die Plattenepithelkarzinome des Ösophagus und des Anus, ferner Seminome, der Morbus Hodgkin und das Mammakarzinom. Die Strahlenbehandlung kann kurativ, palliativ und adjuvant sowie im multimodalen Konzept eingesetzt werden. Die Erfolge der Kurativbestrahlung sind sehr begrenzt. Die Palliativbestrahlung dient der Beseitigung von Symptomen (z. B. Dysphagie bei stenosierendem Ösophaguskarzinom), zur Verlängerung der Uberlebenszeit und zur Beseitigung von Schmerzen (z.B. Pankreaskarzinom, Pancoast-Tumor). Die Strahlentherapie wird vor allem auch beim Tumorrezidiv und bei Metastasen eingesetzt. Die adjuvante Bestrahlung ( = vor (neoadjuvant) oder nach einer Radikaloperation) hat eine Tumorverkleinerung und eine Zerstörung noch nicht sichtbarer Mikrometastasen im regionären Lymphabflußgebiet zum Ziel, um so die Heilungsergebnisse zu verbessern.
Einsatz: - kurativ - palliativ - adjuvant bei Rezidiven und Metastasen.
Adjuvant: Zur Tumorverkleinerung und Beseitigung von Mikrometastasen im regionären Lymphabflußgebiet. Kombination mit Chemotherapie z. B. beim Rektumkarzinom (Abb.25-6)
Im multimodalen Konzept wird diese Indikation derzeit beim fortgeschrittenen Rektumkarzinom empfohlen (Abb. 25-6) und beim Ösophaguskarzinom in klinischen Studien überprüft.
5-FU Pause 500 mg/m2 4-8 Wochen
5-FU 500 mg/m2
5-FU
5-FU
5-FU 5-FU 450 mg/m2 450 mg/m2
Ì 3 Radiotherapie: 45 + 5,4 Gy
o
;
l
l
10
12
I
14
16
18
20
22
24
Wochen
Abb.25-6: Empfehlungen für die adjuvante Therapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms (Stadium UICC II + III, d. h. pT3/4 oder pN+)
Bestrahlungstechniken
Zahlreiche Nebenwirkungen der Strahlentherapie
Selektive Bestrahlung • Spickung mit Radioaktivitätsträgern • Kontaktbestrahlung • Afterloading-Bestrahlung
Intraoperative Bestrahlung IORT
Die notwendige Tumordosis liegt bei etwa 60 Gy und wird auf ca. 40 Gy reduziert wegen der Nebenwirkungen bei Kombination mit Chemotherapie. Die Bestrahlung wird variiert und in der Dosis fraktioniert. Sie kann als Stehfelder-, Rotations- und Rasterbestrahlung durchgeführt werden. Die Nebenwirkungen der Strahlentherapie sind nicht unbeträchtlich: Dermatitis, Zystitis, Stomatitis, Brechreiz, Agranulozytose. An Spätreaktionen sind zu erwähnen: obliterierende Arteriitis, Katarakt, Stenosen, Perforationen, Fisteln (bes. Ösophagus), Pneumonitis, Teleangiektasien. Selektive und intraoperative Bestrahlung: Die höchste Selektivität bei der Strahlentherapie wird immer dann erreicht, wenn die Strahlenquelle direkt in oder unmittelbar an das Tumorgewebe gebracht werden kann. Durch intratumorale Applikation von Radioaktivitätsträgern (Spickung) oder Kontaktbestrahlung, z.B. Afterloading, lassen sich an zugänglichen Stellen oder in präformierten Höhlen gewünschte Dosiskonzentrationen erreichen. Allerdings ist dabei die Dosisverteilung ungleichmäßig. Am günstigsten ist, Elektronenstrahlen von Teilchenbeschleunigern direkt auf die Oberfläche eines Tumors zu applizieren. Bei der intraoperativen Kontaktbestrahlung IORT wird der Tumor operativ freigelegt und der Bestrahlungstubus direkt auf ihn gerichtet.
Diagnose, Therapie, Krebsverhütung Indikationen zur intraoperativen Bestrahlung sind: • lokal inoperable, noch nicht fernmetastasierende Tumoren, • die Tumorbettbestrahlung nach operativ entferntem Tumor, insbesondere beim fortgeschrittenen bzw. Rezidivtumor und • die Bestrahlung regionärer Lymphknoten.
233 Indikationen < J =
Dem Patienten wird eine relativ hohe Dosis von 12-20 Gy als Boost appliziert. Diese einzeitige, intraoperative Bestrahlungsdosis entspricht hinsichtlich der strahlenbiologischen Wirkung einer fraktionierten, perkutanen Bestrahlung von ca. 30-50 Gy. 3-4 Wochen postoperativ wird das Operationsgebiet durch eine fraktionierte perkutane Bestrahlung mit reduzierter Gesamtdosis (24-36 Gy) aufgesättigt.
Strahlendosis
4.2.3 Chemotherapie
Chemotherapie
Die Chemotherapie bedarf einer strengen Indikation, da die soliden Tumoren bisher im Gegensatz zu den pädiatrischen Tumoren und den hämatologischen Systemerkrankungen nur eine begrenzte Ansprechbarkeit zeigen. Außerdem muß unter der Zytostatikatherapie mit z.T. erheblichen Nebenwirkungen gerechnet werden. Anstelle einer Monotherapie werden zunehmend Polychemotherapiekonzepte angewandt zur Wirkungsverstärkung bzw. die Zytostatika mit Modulatoren (z.B. Folinsäure, Dipyramidol, Interferon) kombiniert.
Die Chemotherapie kann adjuvant und neoadjuvant (präoperative Zytostase), im multimodalen Konzept und palliativ durchgeführt werden. Die adjuvante Chemotherapie wird bei verschiedenen Organtumoren empfohlen: Mamma-, Ovarial-, Kolonkarzinom und Knochensarkom. Beispiel: Therapieplan für die adjuvante Therapie beim Kolonkarzinom UICC Stadium III (n.Moertel): Initialtherapie: 5-Fluorouracil 450 mg/m 2 als Kurzinfusion Tag 1-5 Levamisol 3 mal 50 mg/die per os am Tag 1 - 3 und Tag 15-17 Dauertherapie: A b Tag 29 nach Beginn der Initialtherapie: 5-Fluorouracil 450 mg/ m 2 als Kurzinfusion 1 x wöchentlich für insgesamt 48 Wochen plus: Levamisol 3 mal 50 mg/die per os über 3 Tage alle 2 Wochen mit Beginn der Dauertherapie (insgesamt 48 Wochen).
Strenge Indikation, da viele Nebenwirkungen. Einsatz: • adjuvant bei Mammakarzinom, kolorektalem Karzinom, Knochensarkom etc. • neoadjuvant, d. h. präoperative Zytostase (z.B. Ösophaguskarzinom)
Die palliative Therapie ist bei Metastasierung bzw. beim inoperablen Rezidiv angezeigt. Häufig werden Medikamentkombinationen benutzt, die eine unterschiedliche Pharmakokinetik aufweisen (bessere Wirkung, geringere Dosierung, geringere Resistenzentwicklung, geringere Nebenwirkungen).
palliativ bei Metastasierung, inoperablem Rezidiv.
Nebenwirkungen der zytostatischen Therapie: Anämie, Leukopenie, Thrombopenie, Alopezie, Diarrhoen, Stomatitis, Pankreatitis. Über den Nukleinsäurestoffwechsel können Chemotherapeutika potentiell mutagen, teratogen und kanzerogen wirken. Domäne der Hormontherapie sind das metastasierende Prostata- und Mammakarzinom. Beim Mammakarzinom wird je nach Bestimmung der Hormonrezeptoren (s. S. 353) mit Östrogen- und Progesteron- sowie Testosteron-Präparaten behandelt. Ein prophylaktischer, d. h. Rezidive und Metastasen verhütender Effekt der Hormonbehandlung, konnte bisher nur bei postmenopausalen, Hormonrezeptor-positiven Frauen mit positiv befallenen Lymphknoten gezeigt werden.
Nebenwirkungen: - Anämie - Leukopenie - Thrombopenie - Alopezie - Diarrhoe - Stomatitis - Pankreatitis Bei Mamma- und Prostatakarzinom sind Hormonpräparate indiziert.
Regionale Perfusionschemotherapie: Sie hat zum Ziel, eine erhöhte Zytostatikakonzentration im Zielorgan bei geringerer systemischer Toxizität zu erreichen. Durch Zusatzmaßnahmen wie die Ligatur nicht perfundierter Arterien, temporäre Unterbrechung des venösen Abflusses, extrakorporale Zirkulation, Zugabe von Mikropartikeln und Hyperthermie kann die Wirkung noch verstärkt werden. Indikationen sind eine diffuse Lebermetastasierung nach Entfernung des Primärtumors beim kolorektalen Karzinom, der Befall von Extremitäten durch Melanome oder Sarkome und das lokal inoperable Pankreaskarzinom und die Peritonealkarzinose des kolorektalen bzw. des Ovarialkarzinoms.
regionale Perfusionschemotherapie (Abb. 25-7) höhere Zytostatikakonzentration im Zielorgan Indikationen: - diffuse Lebermetastasierung - Befall von Extremitäten (Melanom, Sarkom)
234
V e r w e n d u n g v o n Port- u n d P u m p e n systemen.
• Stop-Flow-Perfusion - temporäre regionale Zytostatikaperfusion bei A b d o m i n a l - und retroperitonealen T u m o r e n .
25. Chirurgische Onkologie
D i e Applikation d e r Z y t o s t a t i k a in d i e L e b e r e r f o l g t i n t r a a r t e r i e l l ü b e r ein P o r t s y s t e m o d e r ü b e r e i n voll i m p l a n t i e r b a r e s P u m p e n s y s t e m ( A b b . 25-7). Als Zytostatika w e r d e n vor allem M e d i k a m e n t e mit kurzer Halbwertzeit und h o h e r hepatischer Extraktionsrate angewandt (Fluorouracil, Floxuridin, M i t o m y c i n C, A d r i a m y c i n ) . In der Extremitätenperfusion von Sarkomen findet eine Kombination von TumorNekrose-Faktor (TNF) und dem Zytostatikum Melphalan Anwendung. Mit dieser Kombination können ausgedehnte Tumorregressionen erzielt werden, die eine gliedmaßenerhaltende Chirurgie ermöglicht. Mit der Technik der hypoxischen abdominellen Stop-Flow-Perfusion (HAP, ASFP) ist eine temporäre regionale Zytostatikaperfusion (z.B. Mitomycin, Carboplatin) der Abdominalorgane unter hypoxischen Bedingungen möglich. Zeitlimitierendes Organ für die Perfusion sind die Nieren, die nur eine warme Ischämiezeit von ca. 30 Minuten tolerieren. Das Indikationsgebiet, der Effekt und die Nebenwirkungen werden derzeit in Studien überprüft. D i e s e a u f w e n d i g e T h e r a p i e sollte in o n k o l o g i s c h e n Z e n t r e n m i t spezieller Erfahrung durchgeführt werden.
immuntherapie W i r k u n g n o c h fraglich. In Zukunft stehen m o n o k l o n a l e Antikörper, Interferone, Interleukine u n d L y m photoxine zur V e r f ü g u n g . Körpereigene K r e b s a b w e h r Immunsystem - Tumorantigene - Killerzellen - zelluläre Zytotoxizität - Tumorzell-Lyse
4.2.4 Immun- und neue Therapieverfahren 4.2.4.1 Immuntherapie D i e I m m u n t h e r a p i e s t e h t noch in d e r E n t w i c k l u n g . Sie b a s i e r t auf e i n e r Stim u l a t i o n d e r s p e z i f i s c h e n I m m u n a n t w o r t auf T u m o r a n t i g e n e u n d k a n n n u r E r f o l g h a b e n bei relativ k l e i n e n T u m o r m e n g e n . Die körpereigene Abwehr gegen Krebs spielt eine wichtige Rolle. Zellen in ihrer normalen Gewebslokalisation werden von ihrem eigenen genetischen Programm kontrolliert. Zusätzlich erfahren sie eine Kontrolle über die Gewebsmikroumgebung der angrenzenden Zellen und auch der extrazellulären Matrix und löslicher Faktoren. Ein weiteres übergeordnetes Steuersystem ist das Immunsystem. Im Rahmen der Tumorprogression entzieht sich ein transformierter Zellklon durch entsprechende Varianten diesen drei Kontrollsystemen. Tumoren tragen z. Teil an ihrer Oberfläche Antigene (Tumorantigene), die spezifisch sind und vom Immunsystem erkannt werden, eine Immunreaktion auslösen und evtl. zur Elimination der Tumorzellen führen können. Tumorzellen werden aber auch von natürlichen Abwehrzellen, wie den sog. natürlichen Killerzellen, den aktivierten Makrophagen und den durch Lymphokinine aktivierten Killerzellen erkannt und zerstört. Weiterhin gibt es sog. spezifische T-Killerzellen, die antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität und die von Antikörpern vermittelte, komplementabhängige Tumorzellyse. Diese drei Abwehrmechanismen werden nur bei Anwesenheit eines Tumorantigens aktiviert.
Diagnose, Therapie, Krebsverhütung
235
Auf der anderen Seite haben Malignóme die Fähigkeit, sich den Attacken des Immunsystem zu entziehen. Diese Fähigkeit bezeichnet man als immune escape-Mechanismus. Es kann aber auch sein, daß durch eine Störung des MHC-Komplexes (Haupthistokompatibilitätskompex), die Immunabwehr (Abstoßungsreaktion) blockiert ist. Mit Hilfe von monoklonalen Antikörpern, insbesondere in Kopplung mit toxischen Substanzen, werden sich in Zukunft neue Möglichkeiten ergeben gezielt in das Tumorgeschehen einzugreifen, auch wenn sie selbst keine absolute Tumorspezifität besitzen. Weitere Möglichkeiten der Aktivierung von Killerzellen und Makrophagen bestehen mit den Interferonen, den Interleukinen (z. B. Metastasen von Nierentumoren) und den Lymphotoxinen, die inzwischen alle kloniert worden sind.
Neue Möglichkeiten der Krebsbehandlung mit - monoklonalen Antikörpern - Interferonen - Interleukinen - Lymphotoxinen
4.2.4.2 In Entwicklung befindliche Therapieverfahren
Therapieverfahren in Entwicklung
Die Hyperthermiebehandlung basiert auf der Kenntnis, daß eine Temperaturerhöhung von 42,5 °C auf ~ 45 °C zytotoxisch wirkt. Die Temperaturempfindlichkeit hängt von externen Milieufaktoren ab (pH-Wert, Sauerstoffund Nährstoffversorgung). Problematisch ist die geringe therapeutische Breite, denn Tumorzellen sind nur etwa um 0,5 °C wärmeempfindlicher als normale Körperzellen. Die Wärmezufuhr mittels Perfusionslösungen hat sich nicht bewährt. Deshalb versucht man derzeit eine Hyperthermie über elektromagnetische Wellen mittels radiativer Antennen zu erzeugen (Tiefenhyperthermie) und kombiniert diese Behandlung mit einer Radio- oder Chemotherapie. Indikationen hierfür sind: Weichteilsarkome, Knochentumoren und das Lokalrezidiv des Rektumkarzinoms.
Hyperthermiebehandlung Temperaturerhöhung von 42,5 auf 45°C wirkt zytotoxisch. Temperaturerzeugung mittels elektromagnetischer Wellen (Tiefenhyperthermie) kombiniert mit Radiooder Chemotherapie.
Laserinduzierte Thermotherapie (LITT). Die Hyperthermieinduktion erfolgt über eine Laserlicht abgebende Quarzfaser, die in den Tumor eingebracht wird. Das Laserlicht wird unterschiedlich stark gestreut, reflektiert und absorbiert. Infolge der Photonenabsorption kommt es zu einer lokalen Erwärmung bis auf 60 °C. Bei dieser Temperatur werden die Tumorzellen abgetötet. Indikationen: nicht operable Lebertumoren- und -metastasen mit einer Größe von 3-6 cm.
Indikationen: Weichteilsarkome, Knochentumoren, Lokalrezidiv des Rektumkarzinoms. Laserinduzierte Thermotherapie {LITT! Hyperthermie über eine in den Tumor eingeführte Laser-Sonde. Lokale Erwärmung bis 60°C möglich. Tötet Tumorzellen ab. Indikationen: Lebertumoren, Metastasen.
Alkoholinjektion. Durch intratumorale Injektion von 90%igem Alkohol z.B. ins primäre Leberzellkarzinom (HCC) werden Tumorzellen zerstört. Das Verfahren ist preiswert, hat aber seine Grenzen (Größe des Tumors). Bei der Kryotherapie kommt es über eine schnelle Abkühlung (Temperaturänderung mindestens 100°C/Minute) und langsamen Auftauen (< 10°C/Minute) zu einer Zellzerstörung. Kältemedium ist flüssiger Stickstoff (Siedepunkt -196 °C), der über Metallsonden in den Tumor appliziert wird. Die photodynamische Therapie beruht auf der i. v.-Applikation eines den Tumor lokalisierenden Photosensibilisators (Porphyrinderivat), der mittels Laserlicht angeregt wird. Dieser aktivierte Photosensibilisator zerstört über chemotoxische Effekte die Tumorzellen. Problematisch ist die noch ungenügende Anreicherung des Photosensibilisators im Tumor. Indikation: Lokalrezidiv des Mammakarzinoms, wenn andere Therapien ausgeschöpft sind.
Alkoholinjektion, Kryotherapie Intratumorale Injektion von 90%igem Alkohol, z. B. ins HCC, zerstört Tumorzellen. Preiswert, Erfolge begrenzt.
4.2.5 Allgemeine Behandlung und Nachsorge
Therapieziele der Allgemeinbehandlung
Die allgemeine Therapie beim Tumorpatienten hat folgende Ziele: • Verbesserung des Allgemeinzustandes durch eine energie- oder nährstoffreiche Kost, • Überwachung und Therapie operationsbedingter Folgeerscheinungen (z.B. Postgastrektomiesyndrome, Stomapflege usw.), • Bedarfsgerechte Betreuung der primär palliativ oder inoperablen Patienten: Linderung von Schmerzen, pharmakologisch oder durch schmerzausschaltende Operation, • Psychische und soziale Betreuung des Patienten (Kuraufenthalte, Wiedereingliederung in Familie und Beruf).
Photodynamische Therapie Prinzip: i.v.-Applikation eines den Tumor lokalisierenden Photosensibilisators, der durch Laserlicht aktiviert wird. Über chemotoxische Effekte werden Tumorzellen zerstört. Indikation: Lokalrezidiv des Mammakarzinoms, wenn andere Therapien versagen.
1.Verbesserung des Allgemeinzustandes 2. Kontrolle der Operationsfolgen 3. Linderung von Schmerzen 4. psychische und soziale Betreuung
236
25. Chirurgische Onkologie
Tab.25-3: Stadienadaptiertes Nachsorgeprogramm beim Rektumkarzinom J
6
9 I
12 I
15 I
18 I
21 I
24 I
27 I
30 I
33 I
36 I
42
I
48
54
60
Monate postop.
Klinische Untersuchung Blutbild/AP CEA/CA 19-9 Kolonoskopie/KE (1) Thoraxübersichtsaufnahme Lebersonographie CT kleines Becken (high risk Pat.) (2) Endosonographie (3) ( 1 ) Bei Polypen im Resektat Koloskopie anstelle v o n KE Rektoskopie: bei unklarem endosonographischen Befund nach Rektumresektion; fraglichem KE-Befund in der Anastomosenregion; Hartmann-Operation obligat (2) high risk: Alle Patienten mit Stadium D U K E S B u. C; pT3, pT4, alle pN-Stadien, Lymphangiosis carcinomatosa, bei Frauen Vaginalsonographie statt CT low risk: nur A u s g a n g s - C T nach 6 Monaten, dann bei Symptomatik (3) high risk: ab dem 6. Monat 1/4-jährlich eine Endosonographie bis zum Abschluß des 2. Jahres nach der Operation Immunszintigraphie bei erhöhten TM-Werten und negativen apparativen Untersuchungen A b 6. Jahr 1 x jährlich Kontrolluntersuchungen
5. Nachsorge: Kontrolluntersuchungen
• Stadienadaptierte Kontrolluntersuchungen (Tab. 25-3) zur rechtzeitigen Erkennung eines Rezidivs und von Metastasen mit erneuter Therapiemöglichkeit (Operation, Bestrahlung, Zytostatika).
Tumornachsorge Wichtig für Früherkennung von Lokalrezidiv oder Metastasen bei stadiengerechtem Einsatz. Kostenaufwendig und für den Patienten belastend.
Hauptziel einer effizienten Tlimornachsorge ist die Frühdiagnostik des lokalen Rezidivs und von Metastasen. Bei erneuter kurativer chirurgischer Intervention des Rezidivs im asymptomatischen Stadium ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 15 % zu rechnen. Dagegen sinkt die 5-Jahres-Überlebensrate der Patienten bei einer Operation im symptomatischen Stadium auf 5 % ab. Ein weiteres Anliegen der Nachsorge gilt der Suche nach Zweittumoren, da Patienten z.B. mit einem kolorektalen Karzinom ein ca. lOfach höheres Risiko haben, ein metachrones Zweitkarzinom zu entwickeln. Außerdem unterliegen diese Patienten einer erhöhten Gefährdung hinsichtlich eines Zweitkarzinoms in anderen Organen. 4.3 Therapieergebnisse, Krebsverhütung
Beurteilung der Therapie durch: 1. Resektionsquote
2. Operationsletalität 3.5-Jahres-Überlebenszeit 4.10-Jahres-Überlebenszeit.
5. Rezidivfreie Überlebenszeit 6. Mediane Überlebenszeit
7. Lebensqualität
Folgende Parameter sind zur Beurteilung der Therapieergebnisse beim Tumorleiden wichtig: • Resektionsquote, d. h. der Anteil der Patienten, bei denen eine potentiell kurative Entfernung des Tumors möglich ist. Sie hängt von vielen Faktoren ab: Tumorstadium, Alter, Allgemeinzustand usw. • Operationsletalität: Sie ist bei ausgedehnten Eingriffen nicht unbeträchtlich. • 5-Jahres-Überlebenszeit, eine willkürlich festgelegte Zeitspanne, die keine echte Dauerheilung beinhaltet. Auch nach dieser Zeit können noch Rezidive und Metastasen auftreten. Besser wird deshalb die 10-JahresÜberlebenszeit als Heilung gewertet. Für den statistischen Vergleich sind die Tumorstadien unerläßlich. • Rezidivfreie Überlebenszeit: Zeitspanne zwischen Therapiebeginn und Wiederauftreten der Erkrankung. • Mediane Überlebenszeit: Zeit in der 50 % der Patienten gestorben bzw. noch am Leben sind (50 % Perzentile, statistisch aussagekräftiger als der arithmetische Mittelwert). • Lebensqualität: Befindlichkeit unter bzw. nach abgeschlossener Therapie (z.B. quality life-Index der EORTC).
Diagnose, Therapie, Krebsverhütung
237
• Absolute Leistungszahl = 5-Jahres-Überlebenszeit, bezogen auf alle mit einem Organkrebs eingewiesenen Patienten incl. der Nichtoperierten und postoperativ Verstorbenen. • Relative Leistungszahl = 5-Jahres-Überlebenszeit, bezogen nur auf die „radikal operierten" Krebspatienten. • Für die Chemotherapie gilt: komplette Remission = vollständiges Verschwinden der klinisch meßbaren Tumorherde und Normalisierung der krankheitsbedingten pathologischen Laborwerte, bestätigt durch 2 Untersuchungen, die mindestens 4 Wochen auseinanderliegen. Partielle Remission = Rückgang der meßbaren Tumorherde um mindestens 50%, Rückgang von tumorbedingten Organvergrößerungen (z.B. Leber) um mindestens die Hälfte, bestätigt durch 2 Untersuchungen, die mindestens 4 Wochen auseinanderliegen. Kein Nachweis neuer Tumormanifestationen. Deutliche Besserung tumorabhängiger Laborwerte sowie subjektiver Symptome. • stable disease (No Change): Tumorrückgang geringer als 50 % bzw. eine Zunahme um weniger als 25 % bei einer oder mehreren meßbaren Tumormanifestationen.
8. absolute Leistungszahl
Progredienz = Auftreten neuer Tumorherde unter Zunahme bestehender Herde um mindestens 25 % während der Therapie. Deutliche Zunahme subjektiver Beschwerden und pathologischer Laborbefunde.
Progredienz
Der Krebsverhütung wird heute große Bedeutung beigemessen. Sie ist möglich durch Entfernung kanzerogener Substanzen, Behandlung von Krebsrisikoerkrankungen (z.B. FAP, familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom) und Ausschaltung kokarzinogener Faktoren. Hier spielt die „saubere" Umwelt eine erhebliche Rolle (Verringerung von Abgasen, Industrieabfällen usw.). Vom Deutschen Bundestag wurden hierzu Gesetze zur Reinhaltung der Luft und des Wassers, das Atomgesetz, die Strahlenschutzbestimmung, Lebensmittel- und Arzneimittelgesetze und Gewerbeschutzbestimmungen verabschiedet.
Krebsverhütung 1. Kanzerogene entfernen 2. Krebsrisikoerkrankungen behandeln 3. Vorsorgeuntersuchungen
9. relative Leistungszahl 10. komplette Remission
partielle Remission
11. stable disease
Merke: Wichtig ist, daß der einzelne Mensch kanzerogene Noxen vermeidet wie z.B. Zigarettenrauchen, starken Alkoholgenuß etc. Prävention und Früherkennung maligner Tumoren tragen zur Verbesserung der Heilungsraten bei. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen im krebsgefährdeten Alter sind daher wichtig. Sie sollen einfach durchführbar, für den Patienten nicht belastend, komplikationsarm, kostengünstig und verläßlich sein. Manche Untersuchungen erfüllen diese Forderungen weitgehend: Portioabstrich —> Portiokarzinom Mammographie —»Mammakarzinom Rektale Untersuchung —» Rektumkarzinom, Prostatakarzinom Stuhl auf okkultes Blut —»kolorektales Karzinom Regelmäßige Untersuchungen bei Krebsrisikoerkrankungen.
Prävention und Früherkennung verbessern Heilungsraten Vorsorgeuntersuchungen Forderungen: einfach, nicht belastend, komplikationsarm, billig, verläßlich
Folgende Untersuchungen
26. Transplantationschirurgie P. Neuhaus, W. 0. Bechstein
Grundbegriffe Organtransplantation: - Nieren-, Lebertransplantation - Pankreas-, Dünndarmtransplantation - Herz-, Lungentransplantation - Herz-Lungen-Transplantation u.a.
Gewebetransplantation: - Hornhaut, Knochenmark - Spalthaut, endokrines Gewebe GVH, Abstoßung Begriffe bei Transplantation: • genetisch: autogen (autolog), isogen (syngen), allogen (heterolog), xenogen • anatomisch: orthotop, heterotop • funktionell: substitutiv, auxiliär
Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Transplantation von soliden, isolierten und durchbluteten Organen wie z.B. Niere, Leber, Pankreas, Dünndarm, Herz und Lunge und der Transplantation von Geweben wie Hornhaut, Knochenmark, Spalthaut und endokrinem Gewebe. Eine besondere Stellung nimmt die Knochenmarktransplantation ein, bei der nach weitgehender Zerstörung des empfängereigenen Immunsystems durch eine Kombination von Bestrahlung und Hochdosischemotherapie die Stammzellen des Blutes übertragen werden und so das Immunsystem des Empfängers neu konstituiert wird. Bei der Knochenmarktransplantation steht die Graft-versus-host (GVH)-Reaktion (Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, GVH) im Vordergrund, während bei der Organ- oder Gewebetransplantation die Abstoßung durch das Immunsystem des Empfängers entscheidend ist. Autogene Transplantation. Die Transplantation eines Gewebes oder Organs am Empfänger von einer Stelle des Körpers auf eine andere wird als autogene (früher autologe) Transplantation bezeichnet. Am häufigsten wird diese Transplantation in der plastisch-rekonstruktiven und Knochenchirurgie angewandt. Isogene Transplantation. Die Übertragung zwischen genetisch identischen Empfängern (eineiige Zwillinge) ist eine isogene (früher syngene) Transplantation. Sie kommt nur äußerst selten zur klinischen Anwendung, spielt jedoch in der experimentellen Forschung eine wesentliche Rolle.
Allogene Transplantation. Am häufigsten wird klinisch die allogene (früher heterologe) Transplantation angewandt; dies ist die Übertragung zwischen genetisch verschiedenen Individuen der gleichen Species. Bei Transplantationen zwischen verschiedenen Species wird der Begriff xenogene Transplantation verwendet.
In der Chirurgie wird am häufigsten die Transplantation solider Organe, in der Regel allogen und hier zumeist von Niere, Leber, Herz, Pankreas und Lunge durchgeführt: Orthotope, heterotope Transplantation. Bei Transplantation des Organs an gleicher Stelle wie das erkrankte Organ des Empfängers, welches zuvor entfernt wird, spricht man von orthotoper Transplantation (Herz, Leber). Wird das Organ in einer anderen Körperregion transplantiert, so liegt eine heterotope Transplantation (Niere, Pankreas) vor. Orthotope Transplantationen sind immer substitutive Transplantationen, d.h. das Transplantat muß vollständig die Funktion übernehmen. Bei Belassung des erkrankten Organs und zusätzlicher Transplantation eines funktionierenden Organs zur Funktionsunterstützung spricht man von auxiliärer Transplantation.
Organspende, -konservierung. Gemeinsame Voraussetzung der Transplantation ist die Organspende und die -konservierung. Nach der Transplantation ist in der Regel lebenslang eine immunsuppressive Therapie notwendig, um Abstoßungen des Organs zu verhindern (Ausnahme: Transplantation zwischen eineiigen Zwillingen). Neben der allgemeinen Intensivtherapie nach mittelgroßen bis großen Eingriffen ist die postoperative Überwachung der Transplantatfunktion, die Steuerung der immunsuppressiven Therapie sowie die Vermeidung bzw. Therapie von Infektionen erforderlich.
Organspende, Spenderoperation
239
Diese Aspekte können für die heute klinisch durchgeführten Organtransplantationen gemeinsam besprochen werden, während Aspekte der Indikation zur Transplantation, des operativen Eingriffs und der operations- bzw. organspezifischen Komplikationen sowie Langzeitprobleme für die speziellen Organtransplantationen getrennt beschrieben werden.
1. Organspende, Spenderoperation 1.1 Organspende
Organspende
Am häufigsten erfolgt in Deutschland die Organentnahme von hirntoten Spendern bei intaktem Kreislauf. Dabei werden in der Regel mehrere Organe entnommen; Nieren, Leber, Pankreas, Herz, Lungen. 1.1.1 Lebendspende
Lebendspende
Die Lebendorganspende nimmt in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wie Skandinavien oder Nordamerika einen vergleichsweise geringen Raum ein. Prinzipiell ist die Lebendspende möglich bei paarigen Organen wie den Nieren, aber auch bei Transplantation eines Teilorgans (Lebersegment, Lungenlappen). Sie erfolgt in der Regel als Organspende durch einen engen Verwandten, in jüngerer Zeit werden jedoch vor allem auch in Nordamerika Nierentransplantationen zwischen nicht genetisch verwandten Lebenspartnern durchgeführt. Die Lebendspende bei nicht verwandten und nicht in einer Lebensbeziehung stehenden Partnern gegen „Bezahlung" wird z. B. in Indien vorgenommen. Die westliche Welt hält ein derartiges Vorgehen für ethisch nicht vertretbar.
• Verwandtenspende: Eltern, Geschwister, Kinder • nicht verwandte Lebendspende: Ehepartner, Lebensgefährten, enge persönliche Beziehung, altruistische Motive keine Bezahlung II
Gerechtfertigt wird die Lebendspende durch die besseren Langzeitergebnisse der Organtransplantation und die schnelle Verfügbarkeit eines Spenderorgans. Da der Verwandtenspender durch die Organentnahme keine medizinischen Vorteile erfährt, sondern potentielle Risiken auf sich nimmt, muß er besonders sorgfältig untersucht werden. Zusätzlich ist die Funktionstüchtigkeit des zu transplantierenden Organs zu sichern. Der Spender muß vollständig über das operative Risiko der Organentnahme sowie über potentielle Langzeitfolgen aufgeklärt werden. Nach heutigem Wissen sind gravierende langfristige Folgen der Nierenspende nicht zu erwarten. Juristisch sind Volljährigkeit und Geschäftsfähigkeit des Organspenders Voraussetzung; zusätzlich soll sichergestellt werden, daß die Entscheidung zur Lebendspende freiwillig, ohne äußere Einflußnahme erfolgt. Neben den besseren Langzeitergebnissen bei der Nierentransplantation ist die Planbarkeit des Eingriffes ein weiterer Vorteil.
Voraussetzungen: - Risikoaufklärung - absolute Freiwilligkeit - volljährig - geschäftsfähig - gesund
1.1.2 O r g a n e n t n a h m e v o n Verstorbenen
Organentnahme v o n Verstorbenen
1.1.2.1 Feststellung des Hirntodes Beachte: Die Feststellung und Dokumentation des Hirntodes ist Voraussetzung für die Organentnahme. Man unterscheidet zwischen primärem Hirntod, bei dem die Ursache im Gehirn selbst liegt (Schädel-Hirn-Trauma, intrakranielle Blutung u. a.) und einer irreversiblen Hirnschädigung und damit sekundärem Hirntod, z.B. nach zu später Reanimation bei Kreislaufstillstand.
Feststellung und Dokumentation des Hirntodes sind Voraussetzungen für die Organentnahme.
Die Organentnahme unmittelbar nach Eintritt des Herzstillstandes (non heart beating donor) wird in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern nicht akzeptiert.
Der Nachweis des Hirntodes erfolgt nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer durch 2 unabhängige und in dieser Diagnostik erfahrene Ärzte. Diese dürfen nicht Mitglied des Transplantationsteams sein. Festgestellt wird der Hirntod durch zweimalige klinische Untersuchung, bei der u. a. der Ausfall der Hirnreflexe sowie ein Apnoetest durchgeführt werden, zusätzlich die zerebrale Angiographie oder ein EEG.
Feststellung des Todes: - Herztod: Kreislaufstillstand - Hirntod: vollständiger und irreversibler Ausfall aller Gehirnfunktionen • Nachweis durch: - zweimalige klinische Untersuchung (Himreflexe, Apnoetest)
240
26. Transplantationschirurgie
- EEG oder zerebrale Angiographie - Verfahren durch Bundesärztekammer in Richtlinien festgelegt
Der Hirntod ist mit dem Tod des Individuums gleichzusetzen, die traditionellen Todeszeichen wie Kreislauf- und Atemstillstand hingegen sind durch intensivmedizinische Maßnahmen heute reversibel.
Rechtliche Regelung der Organentnahme • Widerspruchsregelung: Organentnahme nach Hirntodfeststellung gestattet, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten keinen schriftlichen Widerspruch festgelegt hat. • Erweiterte Zustimmungslösung: • 1. der Verstorbene hat zu Lebzeiten seine Zustimmung zur Organentnahme schriftlich erklärt • 2. die nächsten Angehörigen sollen den „vermuteten Willen" des Verstorbenen wiedergeben. • Enge Zustimmungslösung: Organentnahme nur, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten schriftlich seine Zustimmung, z.B. in Form eines Organspendeausweises gegeben hat.
Gesetzliche Regelung der Organentnahme. Eine gesetzliche Regelung der Voraussetzung zur Organentnahme bei Hirntoten wird in Deutschland derzeit vorbereitet. • Die Widerspruchslösung (auch in Belgien und Österreich üblich) bedeutet, daß die Organe nach Feststellung des Hirntodes entnommen werden können, sofern der Verstorbene nicht zu Lebzeiten schriftlich seinen entgegenstehenden Willen geäußert hat. • Die erweiterte Zustimmungslösung geht davon aus, daß entweder der Verstorbene zu Lebzeiten, z.B. durch Unterzeichnung eines Organspendeausweises, seine Bereitschaft zur Organentnahme nach Feststellung des Hirntodes erklärt hat oder die nächsten Angehörigen im Aufklärungsgespräch nach Mitteilung der Hirntodfeststellung befragt werden, ob der Verstorbene zu Lebzeiten einen anderslautenden Willen (Ablehnung) geäußert hat. Die Angehörigen sollen dabei den vermuteten Willen des Verstorbenen wiedergeben. • Die enge Zustimmungslösung würde die Organentnahme beim Hirntoten nur dann ermöglichen, wenn eine schriftliche Zustimmung des Verstorbenen zur Organspende, z.B. in Form eines Organspendeausweises, vorliegt. In diesem Falle wäre die Organentnahme in Deutschland nur äußerst selten möglich, da nur 1 - 3 % der potentiellen Organspender einen Organspendeausweis ausgefüllt haben.
Medizinische Gründe für Ausschluß von Organspende • Tumorerkrankung - Ausnahme: Hirntumoren • Sepsis • Hepatitis-Virusinfektion • HIV-Infektion und deren Risikogruppen
1.1.1.2 Medizinische Gründe gegen eine Organspende Ein grundsätzlicher Ausschluß von der Organspende besteht für Hirntote mit malignen Tumoren. Maligne Tumoren, die auf das ZNS beschränkt sind und zum Hirntod geführt haben können, sind unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme.
Das Spenderorgan stellt eine potentielle Infektionsquelle dar. Daher sind vor der Spende die serologische Untersuchung auf Hepatitis-Viren (HBsAg, Anti-HCV-Test) sowie der HIV-Test obligat. Neben HIV-Positiven sind Angehörige von sog. Risikogruppen für AIDS nicht als Organspender geeignet. Der Zytomegalie-Virus(CMV)-Status sollte wegen der Übertragbarkeit der Erkrankung auf den Empfänger ebenfalls bekannt sein, stellt jedoch keinen Ausschlußgrund dar.
keine schematische Altersgrenze für Organspender! Risikofaktoren für die Funktion des Spenderorgans beachten: Diabetes mellitus, Arteriosklerose, arterielle Hypotension oder Herzstillstand vor Organentnahme
Organspenderoperation
Schematische Altersgrenzen für Organspender werden in letzter Zeit durch die klinische Praxis zunehmend in Frage gestellt. Allerdings ist bei der Übertragung von Leber, Herz und Lunge die Größenrelation zwischen Spender und Empfänger von Bedeutung. Risikofaktoren für die Funktionsfähigkeit der transplantierten Organe sind andere Erkrankungen des Spenders (Diabetes, Arteriosklerose), hypotensive Phasen und Herzstillstand vor und nach Eintritt des Hirntodes, Dauer der Intensivtherapie bis zur geplanten Organentnahme sowie die aktuellen klinischen und biochemischen Abweichungen.
1.2 Organspenderoperation, -konservierung 1.2.1 Organspenderoperation
Organentnahme: aseptische Operation sorgfältige Präparation besonders der Organarterien Beurteilung der Spenderorgane durch den Operateur
Die Organentnahme erfolgt aseptisch, bei infradiaphragmalen Organen durch mediane Laparotomie, bei thorakalen durch Sternotomie. Zunächst makroskopische Beurteilung der Organe durch den Operateur. Beim Herzen beurteilt man die Kontraktilität sowie palpatorisch, vor allem bei älteren Spendern, die Koronarien, bei der Leber die Farbe, Konsistenz und Grad der Leberverfettung. Die Organentnahme setzt neben operativem Geschick Erfahrung mit der Transplantation selbst voraus, da die Insuffizienz eines entnommenen Organs (Herz-, Lungen- und Lebertransplantation) fatale Folgen hat. Zusätzlich wird die Gefäßversorgung der zu entneh-
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Organspende, Spenderoperation m e n d e n O r g a n e , inklusive m ö g l i c h e r akzessorischer G e f ä ß e o d e r A n o m a lien, berücksichtigt. Technik. Nach Heparinisierung wird die Durchblutung der infradiaphragmalen Organe durch Abklemmen der Aorta in Zwerchfellhöhe unterbrochen und gleichzeitig das Herz mit kardioplegischer Lösung zum Stillstand gebracht. Eine einheitliche Konservierungslösung für alle Organe hat sich bisher noch nicht durchsetzen können, so daß die In-situ-Perfusion der abdominellen Organe mit kalter Konservierungslösung separat von der Perfusion der intrathorakalen erfolgt. Leber, Niere und Pankreas werden hierbei in situ durch retrograde Perfusion der Aorta abdominalis konserviert. Die Leber wird zumeist über die Pfortader noch zusätzlich perfundiert. Anschließend wird sie zusammen mit einem Kavasegment vom Zwerchfell bis zur Höhe der Nierenvenenmündung mit dem gesamten T. coeliacus, der Pfortader sowie dem möglichst lang belassenen D. choledochus entnommen. Die Nieren werden entweder en bloc zusammen mit einem Aorten- und Kavasegment oder nach vorheriger Trennung der Aorta und Kava in der Medianlinie entfernt, so daß ausreichend große Abgangssegmente der großen Gefäße (Patch) für die spätere Gefäßanastomosierung verbleiben. Der Ureter wird mit dem periurethralen Fettgewebe exstirpiert, um einer Devaskularisierung vorzubeugen. 1.2.2
Operationstechnik in situ-Perfusion (Abb. 26-1): erfolgt mit speziellen und kalten Konservierungslösungen mit Heparinzusatz (Verhinderung von Mikrothromben). bei der Präparation auf genügend große Abgangssegmente der großen Gefäße (Patch) achten!
Organkonservierung
B e i d e r O r g a n p e r f u s i o n wird das Blut vollständig aus d e m S p e n d e r o r g a n e n t f e r n t . D i e H e p a r i n i s i e r u n g v e r h i n d e r t M i k r o t h r o m b o s i e r u n g e n in der E n d s t r o m b a h n . Gleichzeitig wird d a s O r g a n möglichst rasch auf e i n e T e m p e r a t u r v o n 4 - 8 °C h e r a b g e k ü h l t , u m d e n E n e r g i e b e d a r f des Zellstoffwechsels zu senken. N e b e n der z e n t r a l e n K ü h l u n g d u r c h die P e r f u s i o n s l ö s u n g k a n n zusätzlich e i n e O b e r f l ä c h e n k ü h l u n g mit Eiswasser w ä h r e n d d e r in situ-Org a n p e r f u s i o n v o r g e n o m m e n w e r d e n . D i e Konservierungslösung sollte eine lange L a g e r u n g des O r g a n s bei e i n e r T e m p e r a t u r von 4 - 8 °C ermöglichen. D i e h e u t e v e r w e n d e t e n Konservierungslösungen e n t h a l t e n B e s t a n d t e i l e , welche einerseits I s c h ä m i e s c h ä d e n v e r m e i d e n , a n d e r e r s e i t s e i n e s p ä t e r e Schädigung d u r c h die R e p e r f u s i o n mit E m p f ä n g e r b l u t v e r m i n d e r n : Verhin-
Eurocollins - Lösung (4°C) Duodenum Aorta A. hepatica prop.
V. portae
V. cava inf.
Abb.26-1: In-situ-Perfuslon der abdominalen Spenderorgane (Leber, Niere) mit Eurocollins-Lösung von 4°C. Perfusionskatheter in der Aorta und V. portae via V. mesenterica superior, Ableitung des herausgespülten Blutes und der Konservierungslösung über die V.cava inferior. Nach Abschluß der Spülung Organentnahme (n. R.Y.Calne)
Organkonservierung - Perfusion der Organe mit speziellen Konservierungslösungen (Eurocollins-, UW (Beizer)- und HTK (Bretschneider)Lösung. Bei der Herzentnahme ist zusätzlich ein kardioplegisch wirksames Medikament erforderlich. - Unterkühlung der Organe auf 4~-8°C, um Energiebedarf für den Zellstoffwechsel zu reduzieren. - Lagerung der Organe in Plastikbeuteln und In einer Kühlbox für den Transport.
242
26. Transplantationschirurgie
kalte Ischämiezeit —> vom Perfusionsbeginn bis zur Implantation zweite warme Ischämiezeit (Synonym: Anastomosenzeit) -» von der Entnahme aus der Kühlbox bis zur Freigabe der Zirkulation
derung des interstitiellen, extrazellulären und zellulären Ödems durch ungeladene oder geladene Impermeabilien, der extrazellulären Azidose durch Puffersubstanzen, von freien Sauerstoffradikalen, die bei der Reperfusion gebildet werden sowie die Regeneration des zellulären Energiehaushaltes durch ATP-Vorstufen. Die am häufigsten verwendeten Konservierungslösungen für abdominale Organe sind Eurocollins-Lösung, UW(Belzer)-Lösung und HTK(Bretschneider)-Lösung. Bei der Herzentnahme ist zusätzlich ein kardioplegischer Effekt der Lösung erforderlich. Zur Lagerung wird das steril in mehreren Plastikbeuteln verpackte Organ in einer Kühlbox auch von außen mit Eiswürfeln gekühlt, so daß eine Temperatur von ca. 4 °C während der Lagerungsphase aufrechterhalten wird. Als kalte Ischämiezeit bezeichnet man die Phase vom Beginn der Perfusion bis zum Beginn der Implantation.
Dauer der tolerablen Ischämie: • Herz-Lunge: 4-6 h • Leber und Pankreas: 12-16 h • Nieren: 24(-48) h Transport der Organe in der Kühlbox ist über weite Strecken per Flugzeug möglich.
Zweite warme Ischämiezeit: Zeit zwischen Herausnahme des Organs aus der Kühlbox bis zur Freigabe des Blutstroms vom Empfänger zum transplantierten Organ; während dieser Phase werden die Organe jedoch auch von außen gekühlt, so daß häufig synonym der Begriff der Anastomosenzeit verwendet wird. Die Dauer der Ischämie ist abhängig von den Konservierungslösungen und für die Organe verschieden. Herz und Lunge sollen innerhalb einer Ischämiezeit von 4-6 Stunden transplantiert werden, Leber und Pankreas innerhalb 12-16 Stunden. Bei Nieren sollte die Ischämiezeit < 24 Stunden liegen, wobei auch längere Konservierungszeiten bis zu 48 Stunden und mehr möglich sind. Da die Organentnahme heute weitgehend standardisiert ist, werden entsprechend verpackte Nieren auch über weite Strecken versandt und von anderen Operateuren transplantiert. Für die Leber- und Pankreastransplantation wird ebenfalls die Organentnahme durch auswärtige Chirurgen akzeptiert, während Herz und Lunge in der Regel durch das Zentrum entnommen werden, welches auch die Organe transplantiert.
Immunologie
2. Immunologie
Abwehrreaktion bei der Organtransplantation: Transplantatabstoßung oder Rejektion Ursachen der Rejektion 1. humorale Immunantwort: • B-Lymphozyten -»zytotoxische Antikörper verantwortlich für die obliterative Vaskulopathie (vaskuläre Rejektion).
2. zellvermittelte Immunantwort: • T-Lymphozyten: - T-Helfer-Zellen Interleukine (Messenger-Protein) - T-Killer-Zellen - T-Suppressor-Zellen lnterleukin-2 (IL-2) und Rezeptoren derTLymphozyten -> führen zur interstitiellen Rejektion.
Organtransplantationen sind in aller Regel allogene Transplantationen. Die genetisch determinierten Unterschiede in biochemischen Strukturen an der Oberfläche der Körperzellen werden vom Immunsystem des Empfängers erkannt und führen zu einer Abwehrreaktion, Transplantatabstoßung oder Rejektion durch: • humorale Immunantwort: Proliferation von B-Lymphozyten, die spezifisch gegen das Transplantat gerichtete zytotoxische Antikörper (Ak) bilden. Ein Teil dieser Ak sind gegen bestimmte Gewebemerkmale des Organspenders gerichtet. Sie werden besonders für Schäden an den Transplantatgefäßen verantwortlich gemacht, die über Gefäßwandnekrosen, Intimaproliferation oder sklerosierende Veränderungen zu einer obliterativen Vaskulopathie (vaskuläre Rejektion) und damit zum Funktionsverlust des Organs führen • zellvermittelte Immunantwort durch T-Lymphozyten. Nach Erkennung des fremden Antigens (Ag) stimulieren T-Helfer-Zeilen mit Hilfe von Interleukinen (Messenger-Proteine) die Proliferation von T-Effektorzellen. Diese können zytotoxisch wirksam sein (T-Killer-Zellen), aber auch die immunologische Toleranz für das Ag fördern (T-Suppressor-Zellen). Eine besonders wichtige Rolle im Ablauf dieser Immunantwort nehmen das lnterleukin-2 (IL-2) und die Rezeptoren der T-Lymphozyten für dieses Interleukin ein. Die Proliferation dieser immunkompetenten Zellen verursacht im Transplantat eine Entzündung mit mononukleären Zellen (interstitielle Rejektion), die zu Zellnekrosen und Fibrosierung führen kann. Um diese für das Transplantat fatalen Immunantworten zu vermeiden oder zu unterdrücken, werden das Matching zwischen Spender und Empfänger und die immunsuppressive Therapie eingesetzt.
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Immunologie
2.1 Spender-Empfänger-Matching
Spender-Empfänger-Matching
Bei der Organtransplantation wird grundsätzlich eine Kompatibilität der ABO-Blutgruppen zwischen Spender und Empfänger eingehalten, die den Regeln der Bluttransfusion folgt. Der Rhesus-Faktor und andere Blutgruppen-Merkmale werden dagegen vernachlässigt. Besonders wichtig ist das HLA-System (s. Kap. 18., S. 153).
Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger: • ABO-Blutgruppen, • HLA-A, B und DR, • negatives cross-match
Für die Transplantation haben sich die Ag HLA-A, B und D R als wesentlich erwiesen. D a zwei A,B,DR-Sätze von den Eltern vererbt werden, sind beim Vergleich der HLA-Typen zwischen Spender und Empfänger sechs Merkmale zu berücksichtigen. Für jedes Merkmal ist eins von zahlreichen möglichen Allelen vorhanden, die mit Ziffern benannt werden. So könnte die Typisierung eines Organspenders H L A A l , A3, B7, B27, DR3, D R 7 lauten, die des Empfängers H L A - A l , A9, B8, B27, DR3, DR9. Der Vergleich ergibt je eine Nichtübereinstimmung (mis-match) im A-, B- und DR-Locus.
Grundsätzlich gilt für alle Organtransplantationen, daß eine hohe Übereinstimmung in den HLA-Merkmalen eine geringere Immunantwort erwarten läßt. Aus vorwiegend logistischen Gründen beschränkt sich die prospektive Anwendung der HLA-Typisierung heute auf die Nierentransplantation. Sie bringt hier für sensibilisierte Patienten mit präformierten HLA-Antikörpern durch Schwangerschaft, Bluttransfusion oder vorangegangene Transplantation den größten Nutzen. Die Übereinstimmung der DR-Merkmale ist dabei wichtiger als die der B- und schließlich der A-Merkmale. Wegen der möglichen Präexistenz zytotoxischer HLA-Antikörper muß vor jeder Transplantation eine Kreuzprobe (cross-match) mit Lymphozyten des Spenders und Serum des Empfängers durchgeführt werden, da bei positiver Reaktion eine hyperakute Rejektion zu befürchten ist.
je höher die Übereinstimmung in den HLA-Merkmalen, desto geringer die Immunantwort!
• Cross-match
Da die Zahl der möglichen HLA-Allele sehr hoch ist (Polymorphismus), ist ein großer Empfänger-Pool erforderlich, um für ein Organ den nach dem HLA-System am besten geeigneten Empfänger zu ermitteln. Diese Aufgabe wurde von teils nationalen, teilweise bereits supranationalen (z.B. „Eurotransplant") Organaustauschorganisationen übernommen, denen die Blutgruppe und die HLA-Merkmale eines Organspenders mitgeteilt werden und die aus ihrer Datenbank (sog. Warteliste) Empfänger mit hoher Kompatibilität heraussuchen.
- Zahl der HLA-Allele ist sehr hoch (Polymorphismus); deshalb ist ein großer Empfänger-Pool erforderlich - supranationale Organaustausch-Organisation für Europa mit Datenbank -> „Eurotransplant"
2.2 Immunsuppressive Therapie
Immunsuppressive Therapie
Da der Körper fremde Gewebemerkmale erkennt und durch das Abwehrsystem zu eliminieren versucht, tritt bei allogenen Transplantationen ohne immunsuppressive Therapie regelhaft eine Abstoßungsreaktion auf. Das Verständnis für die immunologischen Vorgänge bei der Auseinandersetzung zwischen Transplantat und Wirtsorganismus ist in den letzten Jahren wesentlich vertieft worden und z.T. bereits auf molekularer Ebene erforscht. Sowohl die humorale Immunantwort durch Ak als auch die zellvermittelte Immunantwort durch T-Lymphozyten kann eine Rolle spielen. Es wird angenommen, daß neben der hyperakuten Abstoßung, die bei der Nierentransplantation durch Kreuzprobe vermieden werden kann und bei den anderen Organen nur sehr selten vorkommt, die humorale Immunantwort des Organismus vor allem bei chronischen Abstoßungen eine Rolle spielt: • Bei Nierentransplantaten kommt es zu einem schleichenden, progressiven Funktionsverlust, der häufig mit einer Proteinurie als Ausdruck der glomerulären Schädigung des Transplantates einhergeht. • Bei der Lebertransplantation manifestiert sich die chronische Abstoßung als progressiver Verlust der kleinen Gallengänge (vanishing bile duct Syndrome) und geht häufig auch mit einer obliterativen Vaskulitis einher. • Beim Herzen kann sich die chronische Abstoßungsreaktion als eine zunehmende Koronarsklerose manifestieren, die sich morphologisch und klinisch von der Arteriosklerose, wie sie bei KHK gefunden wird, unterscheidet.
Formen der Abstoßungsreaktion: - hyperakute Abstoßung (präformierte Ak) - akute zelluläre Abstoßung - chronische Abstoßung (Transplantatvaskulopathie) Immunantwort auf Fremdorgane: • humoral durch Ak von B-Lymphozyten • zellvermittelt durch Ak von T-Lymphozyten
Chronische Abstoßung manifestiert sich unterschiedlich: • Niere: Proteinurie durch glomuläre Schädigung • Leber: Verlust der kleinen Gallengänge (vanishing bile duct syndrome) • Herz: Koronarsklerose • Lunge: chronisch-obliterative Bronchiolitis
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26. Transplantationschirurgie • Bei der Lunge manifestiert sich die chronische Abstoßung als chronischobliterative Bronchiolitis. Möglicherweise sind diese nach Organen unterschiedlichen Manifestationsformen gemeinsam auf die obliterative Vaskulopathie zurückzuführen.
zellvermittelte akute Abstoßungen.
A m häufigsten sind zellvermittelte akute Abstoßungen, suppressiver Behandlung.
trotz immun-
- Risiko der Abstoßung wird mit der Zeit geringer.
Mit zunehmendem Abstand von der Transplantation werden „akute" zelluläre Rejektionen seltener. Allerdings kann auch noch Jahre nach der Transplantation bei völliger Unterbrechung der immunsuppressiven Therapie eine akute Abstoßung auftreten.
• lebenslange Immunsuppression ist unabdingbar! Immunsuppressive Medikamente: • Kortikosteroide: - Prophylaxe, - Rejektionstherapie • Cyclosporin: - Prophylaxe • Tacrolimus: - Prophylaxe - Therapie irreversibler Abstoßungsreaktionen • Azathioprin: - Prophylaxe • Mycophenolatmofetil: - Prophylaxe • Antilymphozytenglobuline: - Prophylaxe - Rejektionstherapie • OKT3: - Prophylaxe - Rejektionstherapie Nebenwirkungen der Immunsuppressiva: • Kortikosteroide: Diabetes, Katarakt, aseptische Hüftkopfnekrosen, Hautatrophie, Hypotonie, Hyperlipidämie, Osteoporose • Cyclosporin: Nephro-, Hepato- und Neurotoxizität, Gingivahyperplasie, Hirsutismus • Tacrolimus (FK 506): Nephro- und Neurotoxizität, Diabetes • Azathioprin: Knochenmarkdepression mit Granulo- und Thrombozytopenie, Anämie, selten Cholestase.
Die Immunsuppression ist lebenslang notwendig: Kortikosteroide: Prednisolon oder Methylprednisolon werden in der Initialtherapie immer eingesetzt, wegen der dosisabhängigen Nebenwirkungen jedoch allmählich reduziert und nach Möglichkeit abgesetzt. Bei erforderlicher Langzeittherapie sollte die Dosierung unterhalb der sog. „CushingSchwelle" liegen. Nebenwirkungen der Kortikosteroide: Diabetes mellitus, Katarakt, aseptische Hüftkopfnekrosen, Hautatrophie, arterielle Hypertension, Hyperlipidämie, Osteoporose etc. Einen besonderen Stellenwert besitzt der Einsatz von Kortikosteroiden in der Behandlung von akuten zellulären Abstoßungen mit hohen Dosierungen (z.B. 3 x 500 mg Methylprednisolon i.V.).
Cyclosporin: Häufigstes Immunsuppressivum in der Initial- und Langzeittherapie. Es hemmt die Bildung von Interleukin-2 und somit die Proliferation von T-Lymphozyten nach Antigenstimulation. Die individuell unterschiedliche Absorption und Metabolisierung in der Leber macht eine Dosierung nach Messung der Cyclosporin-Blutspiegel erforderlich. Die durchschnittliche Initialdosis beträgt 12 mg/kg/Tag per os, verteilt auf 2 Dosen. Meist werden vor Einnahme der nächsten Dosis Blutspiegel zwischen 100 und 300 ng Cyclosporin/ml angestrebt. Nebenwirkungen: Nephro-, Hepato-, Neurotoxizität, Gingivahyperplasie und Hirsutismus.
Tacrolimus (FK506): Ähnlich wie Cyclosporin hemmt Tacrolimus die Bildung von Interleukin-2 und verhindert damit die Proliferation von T-Zellen nach Antigenstimulation. Es kann ebenso wie Cyclosporin zur prophylaktischen Immunsuppression eingesetzt werden, vor allem bei Lebertransplantation. Die Initialdosis beträgt 0,2 mg/kg/Tag per os, verteilt auf 2 Einnahmen. Die Blutspiegel sollten zwischen 5 und 20 ng Tacrolimus/ml betragen. Nebenwirkungen: Nephro-, Neurotoxizität, Diabetes. Mit Tacrolimus sind auch irreversible Abstoßungsreaktionen trotz Cyclosporintherapie zum Teil noch erfolgreich zu behandeln.
Azathioprin: Hemmt die Lymphozytenproliferation. Es wird eingesetzt zur prophylaktischen Immunsuppression als drittes Medikament neben Prednisolon und Cyclosporin (Dreifachtherapie) oder bei nephrotoxischen Nebenwirkungen von Cyclosporin in einer höheren Dosierung (2-3 mg/kg) in Kombination mit Prednisolon. Nebenwirkungen: Knochenmarkdepression mit Panzytopenie; selten Cholestase.
• Mycophenolatmofetil: Knochenmarkdepression, Übelkeit, Erbrechen, Darmkrämpfe und Diarrhoe
• Antilympho- (ALG-) und Antithymozytenglobulin (ATG): Fieber, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen, Lymphozytolyse, Granulo- und Thrombozytopenie
Mycophenolatmofetil: Hemmt selektiv und reversibel die Inosin-5'-Monophosphat-Dehydrogenase (IMPD), die die Proliferation von T- und B-Zellen blockiert. Mycophenolatmofetil als Bestandteil einer Dreifachtherapie mit Cyclosporin verhindert akute Abstoßungsreaktionen bei der Nierentransplantation effektiver als eine CyA-Prednisolon- oder CyA-Prednisolon-Azathioprin-Therapie. Die Dosis beträgt 2 x 1-1,5 g/Tag. Nebenwirkungen: Knochenmarkdepression, gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, abdominelle Krämpfe und Diarrhoe.
Antilymphozytenglobuline (ALG) bzw. Antithymozytenglobuline (ATG): Antiseren, die sich gegen Oberflächenmerkmale von Lymphozyten richten und lymphozytotoxisch wirken.
Spezielle Organtransplantationen
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Sie werden durch Impfung von Tieren mit menschlichen Lymphozyten gewonnen. Es handelt sich um Fremdproteine, die antiidiotypische Ak induzieren können. Solche Ak können zur Inaktivierung der Globuline und auch zu allergischen Reaktionen führen. Die Dosierung ist abhängig vom jeweiligen Präparat. Nebenwirkungen: Fieber, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen und Lymphozytolyse bei der ersten Dosis, ferner Granulozytopenie oder Thrombozytopenie. OKT3: Monoklonaler T-Zell-Antikörper, der gegen das CD3-Oberflächenm e r k m a l d e r T - Z e l l e g e r i c h t e t ist u n d h e u t e b e i allen O r g a n t r a n s p l a n t a t i o n e n z u r A b s t o ß u n g s b e h a n d l u n g e i n g e s e t z t wird.
OKT3: Schüttelfrost, Fieber, Gelenkschmerzen, Lymphozytolyse, Lungenödem
Nebenwirkungen (ähnlich ALG, ATG): Schüttelfrost, Fieber, Gelenkschmerzen, Lymphozytolyse, evtl. Lungenödem bei überwässerten Patienten. Die Dosierung beträgt 5-7 Tage 5 mg i. v. Insbesondere nach Verabreichung wesentlich höherer Dosierungen über längere Zeiträume können lymphoproliferative Erkrankungen auftreten (PTLD - posttransplant lymphoproliferative disease).
3. Spezielle Organtransplantationen
Spezieile Organtransplantationen
3.1 Nierentransplantation D i e N i e r e n t r a n s p l a n t a t i o n ist die T h e r a p i e d e r W a h l d e r t e r m i n a l e n Niereninsuffizienz. D i a l y s e b e h a n d l u n g u n d N i e r e n t r a n s p l a n t a t i o n sind komplementäre nicht konkurrierende Verfahren.
1. Nierentransplantation Indikation: • terminales Nierenversagen • dringlich: bei Kindern und Jugendlichen
und
E i n e b e s o n d e r s d r i n g l i c h e I n d i k a t i o n z u r N i e r e n t r a n s p l a n t a t i o n wird bei dialysepflichtigen Kindern g e s e h e n , d a W a c h s t u m u n d a l l g e m e i n e E n t w i c k l u n g u n t e r D i a l y s e b e d i n g u n g e n s t a r k v e r z ö g e r t sind. Risikofaktoren f ü r e i n e T r a n s p l a n t a t i o n bei D i a l y s e p a t i e n t e n sind: a r t e r i e l le H y p e r t o n i e , A r t e r i o s k l e r o s e , U l k u s k r a n k h e i t , L e b e r s c h ä d i g u n g e n - z. B. durch Hepatitis, urologische E r k r a n k u n g e n u n d Osteodystrophie. Vorbereitung. Operative Eingriffe zur Vorbereitung der Nierentransplantation sind nur selten notwendig: bilaterale Nephrektomie bei maligner Hypertonie, schweren Infektionen der eigenen Nieren, Zystennieren. Urologische Fehlanlagen können die operative Bildung einer „Neoblase" erforderlich machen, entweder als Ileum-Conduit oder unter Verwendung eines Kolonsegmentes. Bei schwerem sekundären Hyperparathyreoidismus kann die subtotale Nebenschilddrüsenentfernung in Erwägung gezogen werden, wenngleich sich nach erfolgreicher Transplantation auch die unter der Dialyse auftretenden Störungen des Kalziumstoffwechsels meist normalisieren. Bei rezidivierenden Divertikulitiden sollte eine Sigmaresektion erfolgen (hohes Risiko einer Dickdarmperforation bei Divertikulitis nach Transplantation).
Eingriffe vor geplanter Transplantation: • bilaterale Nephrektomie: - bei malignem Hypertonus - infizierten Empfängernieren - Zystennieren • Neoblase - bei urologischen Fehlbildungen • Parathyreoidektomie - sekundärer Hyperparathyreoidismus
Kontraindikationen f ü r d i e T r a n s p l a n t a t i o n sind: d i s s e m i n i e r t e M a l i g n ó m e , fortgeschrittene Herz-, Lungen- oder Leberinsuffizienz, extensive Arteriosklerose, urologische Abnormalitäten, schwere chronische Infektionen (inkl. H I V - p o s i t i v e m S t a t u s u n d A I D S ) . B e i älteren Patienten ( 5 5 - 7 0 J a h r e ) sind k o r o n a r e H e r z k r a n k h e i t , o b s t r u k t i v e L u n g e n e r k r a n k u n g u n d a n d e r e R i s i k o f a k t o r e n a u s z u s c h l i e ß e n . P a t i e n t e n , d i e e i n e k u r a t i v b e h a n d e l t e , maligne Erkrankung ü b e r s t a n d e n h a b e n , sollten erst n a c h e i n e m r e z i d i v f r e i e n Intervall von 2 - 3 Jahren transplantiert werden, da die Immunsuppression ein T u m o r r e z i d i v b e s c h l e u n i g e n k a n n . J e n a c h Grunderkrankung der Niere ist m i t e i n e m k u r z f r i s t i g e n W i e d e r a u f t r e t e n im T r a n s p l a n t a t zu r e c h n e n z . B . f o k a l s k l e r o s i e r e n d e G l o m e r u l o n e phritis ( F S G N ) u n d d a s h ä m o l y t i s c h - u r ä m i s c h e S y n d r o m ( H U S ) .
Kontraindikationen: • disseminierte Malignóme • fortgeschrittene andere Organinsuffizienzen • schwere urologische Abnormalitäten • schwere chronische Infektionen
Operationstechnik: Die Spenderniere wird heterotop in die Fossa iliaca transplantiert. Bei Kindern, die das Organ eines erwachsenen Spenders erhalten, wird der transperitoneale Zugang durch eine mediane Laparotomie gewählt. Der Gefäßanschluß erfolgt an die A. und V. iliaca. Die Nierenarterie wird End-zu-Seit mit der A. iliaca communis oder -externa anastomosiert. Bei der Verwandten-Nierentransplantation (ohne Gefäßpatch der Spenderaorta) wird häufig auch eine End-zu-EndAnastomosierung zwischen der A. iliaca interna und der Nierenarterie durchgeführt.
Operationstechnik (Abb. 26-1 ): - heterotope Transplantation in die Fossa iliaca - End-zu-Seit-Anastomosen der Nierengefäße mit den Beckengefäßen, Implantation des Ureters in die Harnblase
Häufiges Rezidiv der Grundkrankheit: • FSGN • HUS
246
26. Transplantationschirurgie V cava
Aorta
linke Niere Nierenarterie Nierenvene Abb.26-2: Transplantierte Niere in der Fossa iliaca rechts: End-zu-Seit-Anastomose zwischen A. renalis und A. iliaca externa sowie Nierenvene und V. iliaca externa. Implantation des Ureters in die Harnblase
Ureter
V iliaca externa
Die End-zu-Seit-Anastomose der Nierenvene erfolgt zumeist im Bereich der V. iliaca externa. Abschließend erfolgt die Anastomosierung des Ureters mit der Blase, wobei meistens eine Ureteroneozystostomie nach Gregoir angelegt wird, bei der eine Antirefluxplastik mit Blasenmuskulatur einen vesikoureteralen Reflux zum Transplantatnierenbecken vermeidet (Abb. 26-2).
Operative Komplikationen: • Gefäßthrombosen • Ureternekrose • Nierenkapselruptur • Transplantatarterienstenose • Nachblutung
Operative Komplikationen: • Gefäßthrombosen der Nierenarterie oder Nierenvene sind selten. Wenn sie auftreten, sind sie meist auf mangelhafte chirurgische Technik zurückzuführen. • Ureternekrosen mit Urinfisteln haben ihre Ursache häufig in einer gestörten Durchblutung des distalen Ureters, die entweder durch zu starke Skelettierung des Ureters bei der Organentnahme oder eine irrtümlich ligierte, kleine untere Polarterie verursacht sein kann. Nachblutungen aus den Gefäßanastomosen treten selten auf, ein besonderes Risiko besteht bei der Transplantatloge, insbesondere bei Pilzinfektionen. Die Ruptur der Nierenkapsel ist heute sehr selten, in der Regel mit Abstoßungsreaktionen, aber auch Nierenpunktionen assoziiert. • Die Transplantatarterienstenose ist eine seltene Spätkomplikation, die einen schweren renovaskulären Hochdruck und schließlich auch eine Verschlechterung der Nierenfunktion verursachen kann. Die Stenosen entwickeln sich dabei meist unmittelbar hinter der Anastomose, können aber auch durch eine Abknickung der Transplantatarterie hervorgerufen werden. Bei schwerem Hochdruck oder beginnender Funktionsverschlechterung der Transplantatniere wird zumeist eine perkutane transarterielle Angioplasie durchgeführt und lediglich bei Versagen derselben eine chirurgische Korrektur angestrebt.
Postoperativer Verlauf: • 60-80% primäre Transplantatfunktion • 20-40% verzögerte Funktionsaufnahme • Serumkreatinin T (akutes, reversibles Nierenversagen) • Polyurie, später normales Harnvolumen
Differentialdiagnose der Transplantatdysfunktion: • Abstoßungsreaktion (40-60%) • Nephrotoxizität durch Immunsuppressiva • bakterielle und virale Infektionen • Rezidiv der Grundkrankheit • Durchblutungsstörungen
Postoperativer Verlauf: Bei den meisten Patienten ist das Transplantat sofort funktionstüchtig. Da jedoch immer ein ischämischer Schaden vorliegt, besteht zunächst eine Polyurie. Harnstoff und Serumkreatinin normalisieren sich oft innerhalb weniger Tage. Bei 20-40 % der Transplantate besteht ein reversibles akutes Nierenversagen. Hier findet sich histologisch eine akute Tubulusnekrose (ATN), die auch bei Schocknieren zu beobachten ist. Bedingt ist dies durch die Kreislaufsituation des Organspenders oder durch die ischämischen Schäden während der Konservierungsphase. Diese ein bis mehrere Wochen dauernde oligoanurische Phase wird durch Dialysebehandlung überbrückt, bis die Funktion einsetzt. D e r Patient kann nach 2 3 Wochen entlassen werden, sofern keine Komplikationen auftreten. Eine Verschlechterung der Nierenfunktion nach Transplantation kann vielfältige Ursachen haben. A m häufigsten sind Abstoßungsreaktionen, die bei 4 0 - 6 0 % der Patienten unmittelbar postoperativ auftreten. Die Abstoßungsreaktion wird in aller Regel durch eine perkutane Nierenbiopsie gesichert, die jedoch das Risiko der Blutung in das Nierentransplantatlager und selten auch einen Transplantatverlust beinhaltet. Differentialdiagnostisch sind von Bedeutung: • Toxizität durch immunsuppressive Medikamente wie Cyclosporin oder Tacrolimus, • bakterielle und virale Infektionen (hier vor allem die Zytomegalie-Viruserkrankung) und im späteren Verlauf ein Rezidiv der Grundkrankheit.
Spezielle Organtransplantationen Eine Funktionsverschlechterung zeigen an: Anstieg des Serumkreatinins, Rückgang des Urinvolumens, Zunahme des Körpergewichtes und - selten - Schwellung des Transplantates. Störungen der Nierendurchblutung sind durch Doppler-Sonographie auszuschließen, alternativ kommt die Nierenszintigraphie zur Anwendung. Die konventionelle Sonographie beurteilt die Organgröße und das Verhältnis von Nierenbecken zu -rinde und damit etwaige Ureterobstruktionen. Die Feinnadelaspirationszytologie reicht mit Sensitivität und Spezifität der Beurteilung nahezu an eine Transplantatbiopsie heran. Vaskuläre Rejektionen sind jedoch nicht zu erfassen. Die histologische Abgrenzung zu interstitiellen zellulären Rejektionen ist für die Therapie der Abstoßung jedoch von Bedeutung.
247 Parameter der Transplantatinsuffizienz
Diagnostik: • Sonographie • Nierenszintigraphie • Duplex-Sonographie • Feinnadelaspirationszytologie • Transplantatbiopsie
Ergebnisse: Cyclosporin hat zu einer wesentlichen Verbesserung der Transplantatfunktionsraten geführt; diese liegen heute zwischen 80-90% nach 1 Jahr und 60-65 % nach 5 Jahren. Noch bessere Ergebnisse können bei Verwandten-Nierentransplantationen mit Einjahresfunktionsraten über 95 % erreicht werden. Bei Patienten mit erhöhtem immunologischen Risiko durch präformierte Ak oder nach vorausgegangener Transplantation und ungünstiger Grunderkrankung, wie z.B. Diabetes mellitus Typ I, sind die Ergebnisse schlechter. Da der Verlust der Nierenfunktion maschinell überbrückbar ist, ist der Transplantatverlust nicht unmittelbar bedrohlich. Immunsuppressiva können jedoch Infektionen begünstigen und zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Die Überlebensrate der Patienten nach allogener Nierentransplantation beträgt nach 1 Jahr 95 %, nach 5 Jahren 85 % und liegt damit deutlich über den Transplantatfunktionsraten. Bei Langzeitimmunsuppression geht man von einer kumulativen Inzidenz maligner Neubildungen von 10-15 % aus (Zeitraum: 10 Jahre). Häufig handelt es sich jedoch um gut therapierbare Malignóme, z. B. Plattenepithelkarzinome der Haut.
Ergebnisse der Nierentransplantation: 1. Transplantatfunktionsrate: • hirntote Spender: - 8 0 - 9 0 % nach 1 Jahr - 6 0 - 6 5 % nach 5 Jahren • Verwandten-Spender: - 9 5 % nach 1 Jahr - 7 5 % nach 5 Jahren
3.2 Lebertransplantation
Lebertransplantation
Indikation: Alle zum Leberversagen führenden akute und chronische Erkrankungen. Spezielle Indikationen bei Erwachsenen und Kindern sind z.B.: hepatozelluläre (u.a. Virushepatitis) und primäre Gallengangserkrankungen (u.a. primär biliäre Zirrhose), Stoffwechselerkrankungen (u. a. M. Wilson) sowie Lebertumoren (u. a. hepatozelluläres Karzinom).
2. Überleben der Patienten: • hirntote Spender: - 9 5 % nach 1 Jahr - 8 5 % nach 5 Jahren • Verwandten-Spender: - 9 8 % nach 1 Jahr - 9 7 % nach 5 Jahren 3. de novo-Malignome: - begünstigt durch Langzeitimmunsuppression - kumulative Inzidenz im Zeitraum von 10 Jahren: 1 0 - 1 5 %
indikation
In Einzelfällen kann auch ein Stoffwechseldefekt oder die Verbesserung der Lebensqualität eine Transplantation erfordern (kombinierte Leber-NierenTransplantation bei Oxalose, bei polyzystischer Leber- und Nierenerkrankung, Lebermetastasierung beim Karzinoid). Neben wenigen absoluten Kontraindikationen gelten vornehmlich ungünstige prognostische Parameter bzgl. des Frührisikos und des Langzeitüberlebens als Einschränkung der Indikation, da die Anzahl der Lebertransplantationen durch die Zahl der Organspenden limitiert ist. Leberersatzverfahren. Eine etablierte Ersatztherapie - ähnlich der Nierendialyse existiert heute noch nicht. Klinische Versuche, z. T. auch erfolgreich, mit extrakorporalen Pavian- und Schweineleberperfusionen oder mit auxiliaren temporären Tierlebertransplantationen wurden vor 20 Jahren bereits und neuerdings wieder durchgeführt. Plasmapheresen, modifizierte Dialyseverfahren und seit kurzem biohybride Leberunterstützungssysteme sollen beim akuten Leberversagen den Zeitraum bis zu einer möglichen Transplantation überbrücken oder diese unnötig machen. Trotz einiger erster erfolgreicher Anwendungen kann man noch nicht von einer etablierten Leberersatztherapie sprechen.
Leberersatztherapie - noch nicht etabliert
Auxiliare partielle orthotope Lebertransplantation (APOLT). Die heterotope auxiliare Lebertransplantation (K.Absolon 1964) scheiterte an anatomischen (Platzgründe im Abdomen) und technischen Problemen. Inzwischen wurde aus der Han-
Auxiliare partielle orthotope Lebertransplantation (APOLT)
248
26. Transplantationschirurgie Vena cava inferior
Anastomose der Lebervene Transplantatleber
Abb.26-3: APOLT. a. Die erkrankte Leber ist durch Resektion der Segmente II und III verkleinert, die linke Lebervene erhalten, b. Situs nach Transplantation der auxiliaren Teilleber: 1 = Anastomose der Empfänger- und Spenderlebervene, 2 = Anastomose A. hepatica (Spender) mit der Aorta des Empfängers, 3 = Endzu-Seit-Anastomose zwischen den Vv. portae. Biliodigestive Anastomose nicht dargestellt (n. K.J.OIdhafer et al.)
Indikationen
Operationstechnik (Abb. 26-3)
Ergebnisse: gut
Spezielle Indikationen der Lebertransplantation
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Indikation zur Lebertransplantation ist immer individuell zu begründen.
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(Spender)
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noveraner Arbeitsgruppe (K.J.OIdhafer et al.) über 7 erfolgreiche Operationen mit dem APOLT-Verfahren berichtet. Grundlage für die Indikation einer auxiliaren Lebertransplantation ist die große Regenerationskraft der Leber, die sich nach akuter schwerer Zellschädigung wieder erholen kann, wenn der Organausfall mit einer „Hilfsleber" temporär überbrückt wird. Indikation hierfür ist nur das schwere Leberausfallskoma (nicht das chronische Leberversagen) z.B. durch KnollenblätterpilzVergiftung, Medikament-Intoxikationen (Paracetamol), fulminante Hepatitis, kryptogen etc. Operationstechnik: Um in der Bauchhöhle Platz zu schaffen, wird die erkrankte Leber durch Resektion der Segmente II und III verkleinert. Die linke Lebervene wird zwecks Anastomosierung mit der Spenderleber geschont. Das Spenderorgan wird ex situ so präpariert, daß nur die Segmente II-IV transplantiert werden können (Abb. 26-3). Ergebnisse: Alle in Hannover operierten Patienten haben überlebt. Die kranke Leber nimmt innerhalb von 3-7 Wochen ihre Funktion wieder auf. Die immunsuppressive Therapie kann schrittweise entfallen, die Spendersegmente schrumpfen oder werden entfernt. Das Konzept einer temporären Leberunterstützung bei akutem Leberversagen konnte somit bestätigt werden. Außerdem ist von Vorteil, daß eine lebenslange Immunsuppression wie bei der definitiven Transplantation mit ihren Risiken entfällt. Im einzelnen ergeben sich die folgenden speziellen Indikationen zur Lebertransplantation bei Erwachsenen und Kindern: • hepatozelluläre Erkrankungen: akutes Leberversagen durch Viren, Medikamente (Paracetamol, Halothan), Gefäßokklusion (BuddChiari-Syndrom), selten Stoffwechselerkrankungen wie M. Wilson oder Lebertrauma. Leberzirrhose durch HBV, HCV, HEV-Hepatitis und Autoimmunhepatitis, kryptogene alkoholtoxische Leberzirrhose. • primäre Gallengangserkrankungen: primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis, sekundäre Gallengangsdestruktion (Operationen, Caroli-Syndrom), Gallengangsatresie. • Stoffwechselerkrankungen: M. Wilson, Alpha-l-Antitrypsinmangel, Porphyrie, Oxalose, Hämochromatose, Mukoviszidose, Tyrosinämie, Galaktosämie, Hämochromatose. • Lebertumoren: hepatozelluläre Karzinome mit und ohne Leberzirrhose, zentrales Gallengangskarzinom, Metastasenleber bei neuroendokrinem Primärtumor, große Zystenlebern. Immer ist die Indikation zu begründen aufgrund • des Fortschreitens der Erkrankung und des Risikos durch die Grunderkrankung, • des Risikos einer Rezidiverkrankung nach Transplantation und der Lebensqualität. Aus diesem Grund können z.B. Tumorpatienten trotz schlechter Langzeitprognose akzeptiert werden, wenn eine bessere Lebensqualität erreichbar scheint. Diese spielt auch bei der Entscheidung eine Rolle, etwa eine riesige
Spezielle Organtransplantationen Zystenleber in Kombination mit Zystennieren zu entfernen und durch Transplantation zu ersetzen. Absolute Kontraindikationen sind: • extrahepatisch metastasierte Tumoren und Sepsis außerhalb des Gallengangssystems, • nicht sanierbare chronische Infektionen: Tbc, Osteomyelitis, AIDS und fortgeschrittene kardiopulmonale Erkrankungen, die ein unkalkulierbares Operationsrisiko darstellen. Frühere (heute relative) Kontraindikationen wie Niereninsuffizienz, hohes Alter, Pfortaderthrombose, Hepatitis B-Virusinfektion mit Replikation, portosystemischer Shunt und chronischer Alkoholabusus sind stets individuell zu betrachten. Insbesondere wird die Indikation zur Lebertransplantation bei alkoholbedingter Zirrhose nach sorgfältiger Evaluierung durch einen Psychosomatiker heute personenabhängig häufig gestellt. Indikationszeitpunkt. Viel diskutiert wird die Frage, welche Kriterien für die Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste zur Transplantation ausschlaggebend sind. Hier können z.T. objektive Laborparameter, die für die Verlaufsbeobachtung herangezogen werden, hilfreich sein. Zum Beispiel lassen sich bei der primär biliären Zirrhose (PBC) in einem prädiktiven Modell für den jeweiligen Zustand des Patienten Überlebenswahrscheinlichkeiten ohne und mit Lebertransplantation errechnen und so der Indikationszeitpunkt objektiver festlegen. Andererseits sind mit steigender Erfolgsrate nicht nur die Überlebensaussichten, sondern auch die Lebensqualität (z.B. Hautjucken, Enzephalopathieprobleme, Arbeitsfähigkeit u.a.) sowie schwere Komplikationen der Grunderkrankung (Aszites, Blutungen, Gerinnungsstörungen) zu bedenken. Operationstechnik. Die Transplantation erfolgt überwiegend orthotop mit einer ganzen Leichenspenderleber. Teil- oder Segmentlebertransplantation sind besonders bei Kindern Standardverfahren, die es ermöglichen, trotz erheblicher Größendifferenz schon ein passendes Lebertransplantat herzustellen. In gleicher Weise - um dem Organspendermangel zu begegnen - werden in Deutschland, in den USA und in Japan zunehmend Verwandten-Lebendspenden, z. B. des linken lateralen Lebersegmentes der Mutter, auf ein Kind durchgeführt. Hierbei ist eine aufwendige Technik erforderlich; die Ergebnisse entsprechen denen der Leichenlebertransplantation.
249
absolute Kontrairidikationen: • extrahepatische metastasierte Tumoren • Sepsis außerhalb des Gallengangsystems • nicht sanierbare chronische Infektionen, z. B. Tbc, AIDS • fortgeschrittene kardiopulmonale Erkrankungen relative Kontraindikationen: - Niereninsuffizienz, hohes Alter - V. cava-Thrombose - HBV - portosystemischer Shunt • Transplantation bei alkoholischer Zirrhose nach sorgfältiger Evaluierung durch einen Psychosomatiker individuell durchaus indiziert. Zeitpunkt der Indikation zur Lebertransplantation: - prädiktive Laborparameter (Leberfunktion) - schwere Komplikationen der Grundkrankheit - Lebensqualität
Operationstechnik: - orthotop, Teil- oder Segmentlebertransplantation (besonders bei Kindern) - Verwandten-Lebendspende bei Kindern möglich - heterotope Transplantation ist wissenschaftlich nicht etabliert
Abb. 26-4: Extrakorporaler Umgehungskreislauf unter Einschluß einer Biopumpe. Das gestaute Blut in der V.cava inf. wird über einen in die V.femoralis plazierten Schlauch (1) und das gestaute Pfortaderblut über einen zweiten Schlauchanschluß (2) in die Biopumpe (3) geleitet und von dort in die V. axillaris in den Kreislauf zurückgepumpt (4). Flußmenge 2-4 I/ Min.
250
26. Transplantationschirurgie
Suprahepat V. cava inf.
A. hepatica communis
Abb.26-5: Orthotope Lebertransplantation mit den diversen Gefäßanastomosen: a. Suprahepatische V. cava inferior, b. Subhepatische V. cava inferior, c. Pfortaderanastomose, d. Anastomose zwischen A. hepatica communis und Truncus coeliacus, e. CholedochoCholedochostomie und T-Drainage
Phasen der Operation: • Hepatektomie • extrakorporaler venovenöser Kreislauf (V. femoralis und V. portae zur V. axillaris, Abb. 26-4) • Reihenfolge der Gefäßanastomosen (Abb. 26-5): - suprahepatische V. cava inferior - infrahepatische V. cava inferior - A. hepatica - V. portae
Gallengangsanastomose als Choledochocholedochostomie (End-zu-End 5-15% Komplikationen, Seit-zu-Seit 1-2% Komplikationen) bei Erkrankung des Empfängergallenganges Roux-Y-Choledochojejunostomie Postoperative Komplikationen
Blutung in 10-15% revisionsbedürftige Nachblutungen. Lassen sich durch Fibrinolyseinhibitoren (Aprotinin) reduzieren. Thrombose der Leberarterie technische Fehler in < 1 % Gerinnungsstörungen
V portae
T-Drain
• Hauptschwierigkeit bei der Präparation der erkrankten Leber sind die zahlreichen unter zumeist hohem Druck stehenden Kollateralen im Leberhilus. Diese, nach A b klemmen der V. cava oberhalb der Nierenvenen und der V. portae am Pankreasoberrand, sich noch verschlimmernde Problematik wird durch einen extrakorporalen Umgehungskreislauf unter Einschluß einer Biopumpe reduziert (Abb. 26-4). Dabei werden V. femoralis und V. portae mit dicken Schläuchen kanüliert und das Blut über eine atraumatisch arbeitende Zentrifugalpumpe, evtl. mit Wärmeaustauscher, in die V. axillaris zurückgeleitet. Eine deutliche Stabilisierung des Herzzeitvolumens und der gesamten hämodynamischen Situation sind weitere A r g u m e n t e für den Einsatz der extrakorporalen Blutumleitung. • Bei der Implantation der Spenderleber (Abb. 26-5) wird zunächst die suprahepatische V. cava im Zwerchfell, danach die infrahepatische V. cava, dann die Arterie und schließlich - nach Entfernen des Bypasses - die Pfortader anastomosiert. Erst wenn alle Anastomosen komplett sind, wird der Blutstrom durch die konservierte Leber wieder freigegeben, wobei zunächst aus einer Lücke in der infrahepatischen V. cava etwa 500 ml kalten Perfusates und des kaliumreichen azidotischen Blutes abgelassen werden. Eine Alternative stellt die Spülung der Leber mit H u m a n a l b u m i n oder anderen geeigneten Lösungen vor der Reperfusion dar. Wird diese Spülung nicht durchgeführt, kann es zu schweren Komplikationen bis hin zum Herzstillstand kommen. • F ü r die Gallengangsanastomose zwischen Spender- und Empfängergallengang werden verschiedene Techniken benutzt. D i e physiologische End-zu-End-Anastomose unter Schutz einer T-Drainage führt in 5-15 % zu Nahtinsuffizienzen sowie zu frühen und auch späteren Stenosen. Mit der Seit-zu-Seit-Anastomosierung läßt sich die Anzahl technischer Komplikationen am Gallengang auf 1 - 2 % reduzieren. Bei E r k r a n k u n g des Empfängergallenganges wird eine Roux-Y-Choledochojejunostomie zur Galleableitung verwendet.
Postoperative Komplikationen: Während noch vor 10 Jahren 50 % der Lebertransplantierten in den ersten 3 postoperativen Monaten verstarben, liegt diese Quote heute bei 5 - 1 0 % . Hierzu haben technische Verbesserungen, die Intensivmedizin, insbesondere die Immunsuppression beigetragen. • Blutung: Bessere Konservierungsmodalitäten und Fibrinolyseinhibitoren (Aprotinin) haben die postoperativen Blutungskomplikationen deutlich vermindert. Trotzdem treten in etwa 10-15 % aller Fälle revisionsbedürftige Nachblutungen auf. • Arterienthrombose: Technische Mängel der arteriellen Anastomose sind in weniger als 1 % aller Fälle für Arterienthrombosen verantwortlich. Häufiger sind Gerinnungsprobleme, besonders bei Kindern, und konservierungsbedingter erhöhter Perfusionswiderstand Ursache für frühe Arterien-
Spezielle Organtransplantationen thrombosen. Auch komplexe Rekonstruktionsmaßnahmen, die in etwa 20 % aller Fälle durch atypische anatomische Varianten der Leberarterienversorgung notwendig werden, können ein erhöhtes Thromboserisiko bedeuten. Spätthrombosen der A. hepatica sind vornehmlich durch immunologische Einflüsse zu erklären. • Eine Thrombose der Pfortader aus technischen Gründen ist extrem selten; sie beruhen zumeist auf einem vermehrten Widerstand im Transplantat, auf einer vorbestehenden Veränderung der Pfortaderwand (z. B. Zustand nach Desobliteration der Empfängerpfortader) und auf einem erhöhten Abfluß des Pfortaderblutes über dikke Kollateralvenen. Thrombosen der V. cava und Abflußstörungen der Lebervenen sind eher bedingt durch Abknickung der V. cava an der suprahepatischen Anastomose.
• Initiale Nicht-, Dysfunktion: Bei Vorschädigung des Transplantates durch Schock, Herzstillstand, Blutung, Infektion und ausgedehnte Operationen beim Spender kann ebenso wie nach technisch unzureichender Konservierung und Perfusion eine initiale Funktionslosigkeit oder -einschränkung der transplantierten Leber resultieren. Die Vorschäden beim Spender, auch z.B. durch Leberzellverfettung, können global vor der Entnahme durch Funktionstests (MEGX-Test) und Laborparameter (Bilirubin, GOT, GPT) erfaßt werden.
251 Spätthrombosen (immunologisch bedingt)
• Pfortaderthrombose: sehr selten. - erhöhter Widerstand im intrahepatischen Pfortaderstromgebiet - Abknickung der zu lang belassenen Pfortader
initiale Nicht- oder Dysfunktion Hinweis durch Transaminasen-Peaks. Ursachen: unzureichende Konservierung, Vorschäden in der Leber, z.B. Verfettung. notfallmäßige Retransplantation in 2 - 1 0 % erforderlich. Hohe Operationsletalität von ~ 5 0 % .
Schäden durch Operationstechnik, Perfusion und Konservierung lassen sich hingegen kaum messen. 2 - 1 0 % der transplantierten Lebern müssen wegen initial schwerer Funktionsstörungen oder -losigkeit durch eine Notfall-Retransplantation ersetzt werden. Dies geht mit einem hohen Risiko für den Empfänger und einer etwa 50 %igen Letalität einher. Hinweise auf eine Dysfunktion oder Nichtfunktion sind Transaminasenpeaks von 2000-10000 U/1, fehlende Galleproduktion, Anstieg des Laktatspiegels, Kreislaufinstabilität, Nierenfunktionsverlust. Zahlreiche pharmakologische Ansätze sind experimentell und klinisch zur Behandlung vorgeschlagen worden. Am besten etabliert ist die Infusion von Prostaglandinen zur Verbesserung der Mikrozirkulation.
• Ischämische Gallengangsnekrosen: Ein weiteres Problem der unzureichenden Organkonservierung ist die ischämisch bedingte Gallengangsnekrose oder -stenose. Sie beruht möglicherweise auf unzureichender Perfusion der Gallengangskapillaren mit Konservierungsflüssigkeit und kann bei schwerer Ausprägung zu einer kompletten Nekrose des extrahepatischen Gallengangssystems und in Einzelfällen infolge diffuser Gallengangsveränderungen zur Retransplantation führen. Allgemeine Komplikationen in der Frühphase sind sekundäre Organstörungen: kardiopulmonale und renale Insuffizienz, neurologische Störungen. Nach Stabilisierung der vitalen Funktionen ist die Vermeidung von Abstoßungsreaktionen und die Verhütung von Toxizitäts- und Infektionsproblcmen durch die Immunsupression wichtig. Daher wird eine niedrig dosierte Kombination unterschiedlicher Immunsuppressiva allgemein bevorzugt. Häufig werden antilymphozytäre Antikörper mit Cyclosporin und Prednisolon kombiniert. Das dem Cyclosporin in der Wirkung ähnliche neue Immunsuppressivum Tacrolimus wurde ebenfalls in den letzten Jahren erfolgreich bei der Lebertransplantation eingesetzt. Es hat seine besondere Wirksamkeit in der „Rescue-Therapie" bei steroidresistenlen Abstoßungen nach Nieren- und Lebertransplantationen bewiesen.
Spätkomplikationen: Häufiger als Abstoßungsreaktionen sind Rezidive der Grunderkrankung. Insbesondere Hepatitisrezidive bis hin zum fulminanten Leberversagen bei HBV-Reinfektion, Tumorrezidive, erneute Gefäßthrombosen nach Transplantation wegen Budd-Chiari-Syndrom und auch der rezidivierende Alkoholabusus sind Ursache für einen späteren Transplantatverlust. • Akute Abstoßungsreaktionen treten meist in der 2. und 3. postoperativen Woche auf. Symptome der Rejektion: Fieber, Abgeschlagenheit, abdominale Schmerzen, Hepatosplenomegalie, Aszites, Abnahme der Galleproduktion, Anstieg der alkal. Phosphatase, des Bilirubins und der Transaminasen. Sie werden entweder aufgrund eines Bilirubin- und Transaminasenanstiegs oder einer Verminderung des Galleflusses diagnostiziert und durch Leberbiopsie gesichert.
• Ischämische Gallengangsnekrosen - Ursachen: unzureichende Organkonservierung (Thrombose der Gallengangskapillaren) - evtl. Retransplantation indiziert
Allgemeine Komplikationen: • Spätkomplikationen: - chronische A b s t o ß u n g - Rezidiv der Grundkrankheit • Abstoßungsreaktionen: - akute Abstoßung in der 2. und 3. postoperativen Woche (40-70%) - chronische Abstoßung (progressiver Verlust der Gallengänge = vanishing bile duct syndrome) Spätkomplikationen • Grunderkrankungen der Leber als Ursache für Transplantatverlust. - Hepatitisrezidiv - fulminantes Leberversagen bei HBVReinfektion - Tumorrezidiv - Gefäßthrombosen bei Budd-ChiariSyndrom - Alkoholabusus Abstoßungsreaktionen 1. akut • Symptome: - Fieber, Abgeschlagenheit, abdominale Schmerzen - Hepatosplenomegalie, Aszites
252
26. Transplantationschirurgie Abnahme der Galleproduktion, Anstieg der alkal. Phosphatase, des Bilirubins und der Transaminasen Diagnosesicherung durch Feinnadelpunktion
Therapie der Abstoßungsreaktion: - Kortikosteroide T - Immunsuppressiva Î - ALG - 0KT3 2. chronisch: - Gallengangsverlust - Therapie: Tacrolimus, Retransplantation Ergebnisse: • Operationsletalität < 3% • 1-Jahres-Überlebensrate 70-90% • 5-Jahres-Überlebensrate ~ 50% • bei Kindern ist die Prognose günstiger. • schlechter ist sie nach Transplantation wegen eines Leberzellkarzinoms. Rezidivquote im 1. postoperativen Jahr ca. 80%.
Histologische Zeichen: Rundzellinfiltration im Periportalfeld, Schädigung des Gallengangepithels und eine subendotheliale Entzündungsreaktion, besonders an den Pfortaderästen (Endotheliitis). Leichte, auf das Periportalfeld beschränkte Veränderungen werden als Abstoßungsreaktion 1. Grades bezeichnet, schwere als zweitgradig. Kommt es zu konfluierenden Veränderungen und besonders zu Zellnekrosen um die Zentralvenen, handelt es sich um eine schwere Abstoßungsreaktion 3. Grades.
Therapie. Akute Abstoßungsreaktionen reagieren sehr gut auf Kortikosteroid-Bolus-Therapie oder auf eine Intensivierung der Immunsuppression. Bei schwereren oder persistierenden sowie rezidivierenden Abstoßungsreaktionen werden ALG, monoklonale Antikörper (OKT3) und ggf. ein Umsetzen auf ein potenteres Immunsuppressivum (Tacrolimus) notwendig. Bei chronischer Abstoßung findet sich ein zunehmender Verlust intakter Gallengänge in den Periportalfeldern und die Behandlung unsicherer als bei akuten Abstoßungsreaktionen, Gabe von Tacrolimus, ggf. Retransplantation. Ergebnisse: In Abhängigkeit von der Grunderkrankung und dem Allgemeinzustand liegt die 1-Jahres-Überlebensrate bei 70-90%, die 5-JahresÜberlebensrate um 50%. Die Ergebnisse sind wesentlich schlechter nach Transplantationen wegen eines Lebcrzellkarzinoms. Im 1. Jahr nach der Lebertransplantation zeigen sich in ca. 80 % Rezidive. Bei Kindern sind die Transplantationsergebnisse deutlich günstiger. Während die Operationsletalität unter 3 % abgesunken ist, sterben die meisten Patienten in den ersten 3 postoperativen Monaten aufgrund direkter perioperativer Komplikationen. Die Spätergebnisse sind weniger durch technische, immunologische und allgemeine Komplikationen belastet, sondern vornehmlich durch das Rezidiv der Grunderkrankung bei Tumorpatienten, bei posthepatitischer Zirrhose und bei Alkoholkranken. Die Lebertransplantation ist als sicheres Therapieverfahren in der Hepatologie etabliert, ein Problem ist vor allem der Mangel an Spenderorganen.
Pankreastransplantation
3.3 Pankreastransplantation
Indikation: - Diabetes mellitus Typ I mit gleichzeitiger Niereninsuffizienz
Indikation: Diabetes mellitus Typ I mit gleichzeitiger Niereninsuffizienz. Die Transplantation wird daher entweder als simultane Pankreas-NierenTransplantation durchgeführt oder sequentiell nach bereits zuvor erfolgter Nierentransplantation. Wegen der nicht zu vernachlässigenden Morbidität und des Risikos der dauerhaften Immunsuppression wird eine isolierte Pankreastransplantation vor Beginn einer terminalen Niereninsuffizienz zumeist abgelehnt. Dies bedeutet andererseits, daß nur solche Patienten transplantiert werden, bei denen auch häufig andere diabetische Spätkomplikationen wie Retinopathie und diabetische Angiopathie vorliegen.
Operative Technik (Abb. 26-6) • meist als simultane Pankreas-NierenTransplantation - Gefäßanastomosen an die Beckengefäße kontralateral zur Nierentransplantation, jedoch Intraperitonealdrainage des exokrinen Pankreas durch Anastomosierung des Duodenalsegmentes mit der Harnblase • Ableitung des Pankreasganges: - pankreato-vesikal (am häufigsten) - segmentale Transplantation mit Gangblockade - pankreato-duodenal oder-jejunal.
Operative Technik (Abb.26-6): Weltweit hat sich die Transplantation des gesamten Organs mit anhängender Duodenalmanschette durchgesetzt. Zur Drainage des exokrinen Pankreas wird eine Anastomose zwischen dem Duodenalsegment und der Harnblase vorgenommen. Der Anschluß der Pankreasgefäße erfolgt ähnlich wie bei der Nierentransplantation an Beckenarterie und -vene. Bei der simultanen Pankreas-Nieren-Transplantation wird das Abdomen durch eine mediane Laparotomie eröffnet und nach Freilegung der Beckengefäße beidseits die jeweiligen Transplantate anastomosiert. Man unterscheidet je nach Ableitung oder Blockade des D. pancreaticus folgende Techniken: pankreato-vesikale Transplantation (wird heute bevorzugt), segmentale Pankreastransplantation mit Gangokklusion (Ethibloc) und pankreato-duodenale bzw. -jenunale Transplantation.
Komplikationen • Transplantatpankreatitis
Postoperativer Verlauf - Komplikationen. In der Regel nimmt das Transplantat prompt seine Funktion auf und führt zu einer baldigen Normalisierung des Glukosespiegels und Reduzierung des Insulinbedarfs. Eine Reihe von Komplikationen sind postoperativ möglich: • Akute Transplantatpankreatitis: nahezu regelhaft als Ausdruck der ischämischen Schädigung des Transplantates auftretend, kann jedoch die operative Reintervention notwendig machen.
Spezielle Organtransplantationen
253
A.renalis V.renalis
Duodenumsegment
Abb.26-6: a. Simultane Pankreas- und Nierentransplantation: Arterieller Gefäßanschluß mit dem Truncus coeliacus an die A. iliaca communis rechts, venöser Anschluß mit der Pfortader an die V. iliaca externa rechts. Transplantation der Niere in die linke Fossa iliaca mit der üblichen Anastomosierungstechnik,
b. Segmentale Pankreastransplantation mit vorheriger Blokkade (Ethibloc) und Ligatur des Pankreasganges. Gefäßanschlüsse: A. lienalis A. iliaca externa, V. lienalis —> V. iliaca communis
• Pfortaderthrombose: Wegen des relativ langsamen Blutflusses im Pankreas sowie der Aktivierung prokoagulatorischer Substanzen ist postoperativ eine wirksame Antikoagulation erforderlich. • Akute Blutung: Besonders als Folge von Infektionen des Transplantatlagers kann es durch Einwirken von Pankreassekret zu Arrosionen der Bekkengefäße kommen. • Hämorrhagische Zystitis - eine typische Komplikation der Pankreastransplantation, wenn das exokrine Sekret über die Harnblase abgeleitet wird. In ca. 10 % aller Transplantierten ist die Umwandlung durch Ableitung des exokrinen Pankreassekretes über eine Jejunumschlinge erforderlich.
Pfortaderthrombose akute Blutung hämorrhagische Zystitis
Rejektionsdiagnostik. Die quantitative Amylaseausscheidung im Urin bei Ableitung des exokrinen Pankreassekretes über die Harnblase kann zur Überwachung der Pankreasfunktion und damit indirekt zur Rejektionsdiagnostik verwendet werden. Die Durchblutung des Transplantates wird mit der Duplexsonographie überwacht. Anstieg der Serumglukose und Abfall der Insulinproduktion sind späte Symptome der Organschädigung und bedeuten dann häufig irreversiblen Transplantatverlust. Abstoßungsreaktionen des Pankreas gehen nicht immer einher mit gleichzeitiger Abstoßung der Niere, so daß eine immunologische Überwachung des Pankreas indirekt über die Funktion des Nierentransplantates nur eingeschränkt möglich ist. Ergebnisse: 1-Jahres-Transplantatfunktionsraten von 60-70% werden inzwischen erreicht. Die Pankreastransplantation befindet sich in der Entwicklung, so daß hier auch noch eine Verbesserung der Ergebnisse erwartet werden kann.
Rejektionsdiagnostik: ist die quantitative Amylaseausscheidung im Urin (bei Ableitung des exokrinen Pankreassekrets in die Harnblase)
Die Inselzelltransplantation bei schwerem Diabetes mellitus ist Gegenstand der Forschung. Isolierte Inselzellen von hirntoten Organspendern werden dabei zumeist intraportal in das Gefäßsystem der Empfängerleber eingeschwemmt und können dort ihre Funktion aufnehmen. Wie bei allen allogenen Transplantationen ist auch hier eine Immunsuppression erforderlich. Die langfristigen Ergebnisse können derzeit noch nicht beurteilt werden.
Ergebnisse: • 1-Jahres-Transplantatfunktionsraten von 60-70% • Inselzelltransplantation Gegenstand der Forschung
254 Dünndarmtransplantation Indikation: • Kurzdarmsyndrom, meist als Folge ausgedehnter intestinaler Resektion, zusätzliche Probleme durch Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion • Dünndarmverlust: - bei Kindern durch Volvulus u.a. - bei Erwachsenen durch Trauma, M. Crohn u.a.
26. Transplantationschirurgie 3.4 Dünndarmtransplantation Indikation: Kurzdarmsyndrom, meist als Folge ausgedehnter intestinaler Resektionen; Dünndarmverlust im Kindesalter durch Volvulus oder nekrotisierende Enterokolitis, im Erwachsenenalter durch Trauma mit Verletzung der Mesenterialwurzel, entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn) und Erkrankungen der Mesenterialgefäße. Aufgrund der großen Steigerungsmöglichkeit der Resorptionsfähigkeit auch kurzer Darmsegmente sollte die Prognose erst 1-2 Jahre nach Darmresektion endgültig beurteilt werden. Häufig besteht bei diesen Patienten als Folge der langfristigen total parenteralen Ernährung auch eine Steatosis hepatis, die zur Leberinsuffizienz führen kann. Daher wird gelegentlich eine kombinierte Leber- und Dünndarmtransplantation erforderlich. GVH. Im Gegensatz zu den zuvor behandelten Organtransplantationen stellt bei der Dünndarmtransplantation, ähnlich wie bei der Knochenmarktransplantation die Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (GVH, s.o.) ein erhebliches Problem dar, weil mit dem lymphoiden Gewebe des Spenderdarms ein quantitativ bedeutender Teil des immunologischen Systems des Spenders mittransplantiert wird.
Operationstechnik: - Gefäßanastomosen zwischen Mesenterialarterien des Empfängers und Spenders - zunächst Ausleitung des proximalen Transplantatendes als Stoma (auch zur endoskopischen und bioptischen Diagnosemöglichkeit)
Operationstechnik: Bei den häufig mehrfach operierten Patienten kann es technisch sehr problematisch sein, geeignete Gefäßanschlußmöglichkeiten im Abdomen aufzusuchen. Abgestrebt wird die Transplantation des Dünndarms mit Anastomosierung zwischen Mesenterialarterien und -venen des Empfängers und Spenders. Das proximale Transplantatende wird als Stoma ausgeleitet, weiter distal davon das Ende des oberen Empfängerdarms an das Transplantat anastomosiert und das distale Transplantatende entweder an den distalen Empfängerdarm angeschlossen oder als Stoma eingenäht. Durch das Stoma kann das Transplantat jederzeit endoskopiert und biopsiert werden. Nach Einheilung des Transplantates wird die Darmkontinuität durch orale und aborale Anastomosierung hergestellt.
Postoperative Komplikationen: • Gefäßthrombosen nach Blutung • Stomainsuffizienz • Transplantatdysfunktion
Postoperative Komplikationen: technische: arterielle oder venöse Thrombosen, Nachblutungen oder Stomainsuffizienz. Eine Transplantatdysfunktion kann hervorgerufen sein durch einen schweren Konservierungsschaden des Spenderorgans, durch Abstoßungsreaktionen und durch Infektionskrankheiten wie z. B. CMV-Enteritis.
Ergebnisse: • 1-Jahres-Überlebensraten der Empfänger zwischen 80 und 90% • 1-Jahres-Überlebensraten der Transplantate 70-80%
Ergebnisse: Die Dünndarmtransplantation ist noch keine klinische Routinemethode; weltweit sind derzeit etwas über 100 Patienten isoliert dünndarmtransplantiert oder häufig auch kombiniert mit einer Lebertransplantation behandelt worden. Die 1-Jahres-Überlebensraten für Patienten liegen bei 80-90% und die 1-Jahres-Überlebensraten der Transplantate bei 70-80 %, wobei nur etwa die Hälfte der überlebenden Patienten sich 1 Jahr nach der Transplantation voll enteral ernähren können. Herz- und Lungentransplantation (s. Kap. 33, S.429)
27. Minimal-invasive Chirurgie (MIC)
1. Allgemeine Aspekte F. Köckerling
Allgemeine Aspekte
Definition. (Synonyma: maximal schonende Chirurgie, minor access surgery, Bildschirmchirurgie, Video-Telechirurgie, endoskopische Chirurgie, video-endokavitäre Chirurgie). Möglichst schonende und belastungsarme Operationstechnik mit mehreren kleinen Zugangswegen (Durchmesser 5-12 mm) unter Anwendung spezieller Apparate und Instrumente: • endoskopische intraluminale Therapie: Behandlung des blutenden Duodenalulkus, Papillotomie und Steinextraktion bei Gallengangsstein, koloskopische Polypektomie (s. Kap. 3, S. 16) • endoskopische intrakavitäre oder laparo- bzw. thorakoskopische Chirurgie: Cholezystektomie, Appendektomie, Lungenresektion. „Minimal" bei diesen Eingriffen ist lediglich der Operationszugang, nicht jedoch die eigentliche Organpräparation und -resektion, die den konventionellen Operationsverfahren entsprechen. Das Verfahren ist neu (erste Appendektomie durch K.Semm 1982 in Deutschland). Effizienz und Indikationen liegen außer bei der Cholezystektomie derzeit noch nicht fest. Es fehlen bisher kontrollierte Studien in ausreichender Zahl.
Technische Voraussetzungen: Pneumoperitoneum. Um in der Bauchhöhle instrumentieren zu können, wird C 0 2 über die sog. Veress-Nadel insuffliert. Volumen des Gases und
Abb.27.1-1: Pneumoperitoneum. Durch Insufflation von C0 2 über eine intraperitoneal liegende Veress-Kanüle bei einem Druck von 12-15 mm Hg w i r d die Bauchhöhle domartig oder wie ein Zirkuszelt aufgedehnt
MIC -> Schonende, den Patienten weniger belastende Operationsverfahren. Im Gegensatz zu konventionellen Operationen ist der Operationszugang wesentlich kleiner: minor access surgery Op.-Technik
Die Verfahren sind noch in der Weiterentwicklung. Kontrollierte Studien erforderlich!
Spezielles Operationsinstrumentarium notwendig Technische Voraussetzungen 1. Pneumoperitoneum
Abb.27.1-2: Perforationsgefahr. Besonders bei voroperierten, schlanken und muskelkräftigen Patienten besteht bei blindem Einstechen des Optiktrokars die Gefahr, Gefäße oder Darm zu verletzen. (1) Caecum, (2) Appendix, (3) Arteria iliaca, (4) Omentum majus
256 „Domartige" Aufweitung der Abdominalhöhle durch C0 2 -lnsufflation (Abb. 27.1-1) Punktion der Bauchhöhle mit der VeressNadel zur Gasinsufflation. 2. Optiktrokar Einführen birgt die Gefahr einer Gefäßund Darmverletzung in sich, besonders bei schlanken Patienten mit muskelstarker Bauchdecke! Entwicklung von stumpfen SicherheitsTrokaren (z. B. Hasson-Trokar)
27. Minimal-invasive Chirurgie (MIC) Druck (12-15 mmHg) werden konstant gehalten und sichern so die domartige Vorwölbung der Bauchdecken (Abb. 27.1-1). Optikotrokar. Mit dem ersten Trokar für die Optik geht man am Nabelunterrand ein, wobei besonders bei muskulösen, schlanken Patienten Gefäßund Darmverletzungen zu verhindern sind (Abb.27.1-2). Der Hasson-Trokar stellt eine Alternative dar: Er wird stumpf eingeführt, nachdem die Bauchwandschichten, der Zugang erfolgt über eine ca. 1,5 cm lange Inzision, durchtrennt wurden.
Lichtleitkabel Monitor 1 Kaltlicht Kamera C02-lnsufflator
Optiktrokar
= Kamera
Abdomen
Arbeitstrokar
Gasschlauch
Abb.27.1-3: Der Basis-Videoturm besteht aus Monitor, Kaitlichtquelle, Kamera und C02-lnsufflator. Letzterer ist mit einer C0 2 -Gasflasche verbunden und regelt druck- und volumengesteuert die Aufrechterhaltung des Pneumoperitoneums von 12-15 mm Hg. Das Licht wird über ein Kabel und die Lichtleitung in der Optik bis ins Abdomen geleitet. Das Stablinsensystem der Hopkins-Optik leitet das intraabdominelle Bild bis zum Okular, wird von den CCD-Chips der aufgesetzten Kamera in elektrische Signale umgewandelt und vom Videosystem auf dem Monitor dargestellt
Abb.27.1-4: Optik und Arbeitstrokare werden halbkreisförmig angeordnet, so daß sich diese in Richtung auf das zu operierende Organ öffnen
Thorax
257
Bildübertragungssystem. bestehend aus Optik, Lichtquelle mit -leiter, Kamera und Monitor. Standardlaparoskope besitzen Optiken von 10 mm (Blickrichtung: 0°, 30°, 45°). Kaltlichtquelle ist eine Halogen- oder Hochdruckmetalldampflampe. Schutzfilter eliminieren den Wärmeanteil. Glasfiberbündel leiten das Licht zur Optik (Abb. 27.1-3). Die auf der Optik befindliche Videotechnik (CCD-Chips) transformiert das Licht in elektrische Signale, die auf dem Monitor sichtbar werden.
3. Bildübertragungssystem Besteht aus Optik, Lichtquelle und Lichtleiter, Videokamera und Monitor. Lichtintensität wird von der Videokamera gesteuert.
Arbeitstrokare. Neben dem Optiktrokar sind 2-3 Arbeitstrokare von 5 12 mm Durchmesser erforderlich, über die Instrumente eingeführt werden. Die Plazierung erfolgt halbkreisförmig in Richtung Operationsgebiet (Abb. 27.1-4).
4. Arbeitstrokare Zur Durchführung der Operation sind 2 3 Arbeitstrokare erforderlich. Durch diese werden die chirurgischen Spezialinstrumente in Thorax oder Abdomen eingeführt. 5. Instrumentarium Spezielles Instrumentarium und spezielle Techniken: Spül-Saug-Systeme, Naht-, Clip-, Klammernaht-, Blutstillungstechniken. Thorax
Instrumente. Minimal-invasive Manipulationen in der Bauch- oder Thoraxhöhle erfordern ein spezielles Instrumentarium.
2. Thorax D. Kaiser Im G e g e n s a t z zur Laparoskopie konnte sich die Thorakoskopie (Erstbeschreiber Jakobäus 1910) frühzeitig als operative M e t h o d e etablieren. Resektionen von Emphysemblasen beim Spontanpneumothorax, thorakale Sympathektomie, Evakuieren von g e k a m m e r t e n Pleuraempyemen und persistierenden koagulierten H ä m a t o t h o races wurden schon lange vor Etablierung d e r Videotechnik mittels klassischer Thorakoskopie durchgeführt.
Historie Thorakoskopie Bereits seit den 30er Jahren werden thorakoskopische Eingriffe durchgeführt.
Instrumente, Technik. Neben geraden Instrumenten werden solche verwendet, welche im vorderen Teil um 45 ° gegenüber der Längsachse abgewinkelt sind. Hierdurch wird ein optimaler Bewegungsradius erzielt, der es gestattet, in dem gewölbten und starren Thorax jeden Bereich instrumenteil zu erreichen. Eingeführt werden diese abgewinkelten Instrumente über flexible Trokarhülsen, welche sich durch ihre ovale Form dem schmalen Interkostalraum anpassen. Der luftdichte Verschluß bei Lungenparenchymresektionen wird durch Nahtmaschinen erreicht, welche beidseits zweireihig k l a m m e r n und das Parenchym beim gleichen Arbeitsgang dazwischen durchtrennen - sogenannte Endostapler (s. Abb. 27.35). E b e n s o ermöglicht der Laser Parenchymschnitte und gleichzeitig befriedigende Luftdichtigkeit. Die Blutstillung erfolgt mittels Endo-Metallclips, Laser, Infrarotkoagulation oder bipolarem Elektrisch. In Einzelfällen auch mittels Handnaht, was eine spezielle Knotentechnik erfordert.
Instrumentarium • gerade Instrumente • abgewinkelte Instrumente 45° gegenüber der Längsachse • Trokarhülsen, flexibel und oval • Nahtmaschinen, Schneiden und Klammern in einem Arbeitsgang. • Blutstillung: Endo-Metallclips, Laser, Infrarotkoagulation, bipolares Elektrisch, Handnaht.
Technik. Die Eingriffe werden am seitengelagerten Patienten bei Einlungenbeatmung (Doppellumentubus) durchgeführt. Mittels Punktionskanüle wird ein nach außen o f f e n e r Pneumothorax angelegt, was zum Kollaps der nichtbeatmeten Lunge führt. Hiernach erfolgt über eine 1 cm lange Hautinzision die Punktion des Thorax mit e i n e m Trokar in der Linea axillaris des 7. ICR. Nach Einführen der Videooptik wird der Situs inspiziert. Weitere Instrumentiertrokare führt man unter Sicht des Bildschirms in den Thorax ein, wobei 2 in d e r „Baseball-Stellung" (Seitenlagerung, A r m nach oben) angebracht, für Standardeingriffe ausreichen (Abb. 27.2-1). D e r Ort d e s Einbringens der Instrumentierkanäle richtet sich nach der geplanten Operation u n d der Lage des Befundes. Die C T ist für die Operationsstrategie erforderlich. Nach Beendigung des Eingriffs wird die Pleurahöhle mittels Thoraxdrainage für 1 2 Tage bzw. bis zum endgültigen Fistelverschluß drainiert.
Technik - Pat. in Seitenlagerung - Doppellumenintubation, Einlungenbeatmung - Einbringen der Instrumente in sog. Baseball-Stellung - CT zur Planung der Op.-Strategie - Thoraxdrainage für 1-2 Tage
2.1 Indikationen
Indikationan
Vorteile des videoassistierten thorakoskopischen Operierens sind: • für den Patienten: Kosmetik, da in der Regel nur 3 punktförmige Narben verbleiben. Ebenso sind die frühpostoperativen Beschwerden wegen des kleineren „Thoraxtraumas" geringer. Ein Postthorakotomiesyndrom wird nicht beobachtet. • Für den Chirurgen: bei einfachen Befunden Zeitgewinn, da Thoraxeröffnen und Zunähen entfallen.
Vorteil der videoassistierten Thorakoskopie (VATS): Für den Patienten: - Kosmetik, geringere frühpostoperative Beschwerden. - kein Postthorakotomiesyndrom Für den Chirurgen: - Zeitgewinn
27. Minimal-invasive Chirurgie (MIC)
258
Abb. 27.2-1: Baseball-Stellung der Instrumente. Kamera: 7.ICR. Ventraler Instrumentierkanal: 4. ICR in der vorderen Axillarlinie. Dorsaler Instrumentierkanal: 5. ICR in der hinteren Axillarlinie
VATS-Indikationen überwiegend benigne Erkrankungen:
0
1. Spontanpneumothorax Operationsindikation: - bei Nachweis von Emphysemblasen - 1. Rezidiv - beidseitigem Pneumothorax - Hämatopneumothorax
Abb.27.2-2: „Pneumatisationskammer" bei Spontanpneumothoraxrezidiv
Indikationen. Für die videoassistierten thorakoskopischen Eingriffe gibt es inzwischen eine breite Palette von Indikationen, die ganz überwiegend gutartige Prozesse betreffen (s. u.). Für das Bronchuskarzinom mit radikaler Lymphknotendissektion kommen die minimal-invasiven Techniken allerdings nicht in Frage. Manche für die MIC geeignete Erkrankungen sind so selten, so daß die Erfahrungen für den einzelnen Operateur zwangsläufig begrenzt bleiben müssen. Deshalb sollten derartige Operationen in Spezialabteilungen durchgeführt werden. VATS-Indikationen: - Spontanpneumothoraxrezidiv bzw. persistierender Pneumothorax; Lungengerüsterkrankungen - Diagnostik - Pleuratumoren, -karzinose mit malignem Pleuraerguß, -empyem gekammert - Hämatothorax persistierend; Chylothorax (Ligatur des Ductus thoracicus) - Volumenreduktion bei bullösem und diffusem Lungenemphysem - Rundherd benigne; maligne (diagnostisch und vereinzelt therapeutisch) - Lobektomie bei benignen Erkrankungen; Lungen-, Echinokokkuszysten - Mediastinaltumoren, maligne (diagnostisch) und benigne (therapeutisch); Sympathektomie und Vagotomie - Perikardfensterung; offener Ductus Botalli (Clippung) - Erkrankungen des Ösophagus (Myome, Divertikel) - Stabilisierung der Wirbelsäule Spontanpneumothorax. Die Indikation zum videoassistierten thorakoskopischen Operieren ist ebenso streng zu stellen wie in der offenen Thoraxchirurgie; - blasige Veränderungen im Röntgenbild oder thorakoskopisch gesicherten Blasen und erstes Rezidiv, synchroner beidseitiger Pneumothorax - spontaner Hämatopneumothorax, persistierende Fistelung > 7 Tage - elektiv bei Tauchern, Fliegenden und Weltreisenden auch im symptomenfreien Intervall.
Thorax
259
Die primäre Operation bei jeder Erstmanifestation ist abzulehnen, da 7090 % der Patienten nach der ersten Drainagebehandlung nie mehr ein Rezidiv bekommen. Beim Erstereignis sollte das Legen der Thoraxdrainage mit einer Thorakoskopie in Lokalanästhesie verbunden werden. Bei vorhandenen Emphysemblasen wird die thorakoskopische Operation am folgenden Tag nach Aufklärung des Patienten geplant durchgeführt. Operative Therapie: Alle Verwachsungsstränge sind zu durchtrennen, so daß die Lunge vollständig mobilisiert wird. Vorhandene Blasen oder Pneumatisationskammern werden mit dem Endostapler reseziert (Abb. 27.2-2). Finden sich keine eindeutigen morphologischen Veränderungen, so ist immer eine Oberlappenspitzenresektion mit dem Endostapler durchzuführen, da der primäre Spontanpneumothorax vor allem hier seinen Ausgang nimmt.
Konservatives Vorgehen: - Thoraxdrainage beim Erstereignis in L.A. thorakoskopisch legen - Blasen werden gesehen > Indikation zur primären Operation
Zur Rezidivprophylaxe wird eine „Abrasio" der Pleura, d. h. Reiben der Pleura mittels Tupfer, bis petechiale Blutungen erscheinen, oder besser eine partielle, parietale Pleurektomie nach Gaensler, d.h. Entfernen der parietalen Pleura im Bereich der Thoraxkuppel durchgeführt. Die Rezidivrate für den Pneumothorax nach diesem operativen Vorgehen liegt bei 2-3 %.
Rezidivprophylaxe: Aufrauhen der Pleura mittels Tupfer (Pleuraabrasio), partielle parietale Pleurektomie nach Gaensler
Pleuratumoren. Fibrome, Lipome, Pleurazysten, isolierte Pleurametastasen lassen sich videoassistiert thorakoskopisch leicht exstirpieren. Zur Bergung des Präparates (mit Bergungsbeutel, um Zellverschleppungen zu vermeiden) ist im Einzelfall eine Vergrößerung der Thoraxinzision erforderlich.
2. Pleuratumoren • Fibrome, Lipome, Pleurazölomzysten, isolierte Pleurametastasen
Pleurakarzinose. Hier liegen teilweise exzessive Flüssigkeitsansammlungen und Verdrängung der mediastinalen Organe vor, was Schmerzen und Atemnot zur Folge hat. Durch Entfernung der befallenen Pleura kommt es zum Sistieren der Flüssigkeitsproduktion und zur Verlötung des Pleuraspaltes. Das Verfahren der videoassistierten parietalen Pleurektomie ist den medikamentösen Pleurodeseverfahren überlegen. Die Patienten gewinnen hervorragende Lebensqualität.
3. Pleuracarzinose: - exzessive Flüssigkeitsansammlung -> Schmerzen, Atemnot - parietale Pleurektomie - thorakoskopische Pleurektomie • VATS ist medikamentöser Pleurodese überlegen
Persistierender Hämatothorax. Kommt es durch Koagulation des Blutes zum Verstopfen der Thoraxdrainagen, so führt das Hämatom zur Verdrängung der Lunge und des Mediastinums. Der Patient ist durch die eingeschränkte Ventilation gefährdet. Thorakoskopisch lassen sich selbst zäheste Koagel absaugen und Fibrinauflagerungen auf der viszeralen Pleura (Frühdekortikation) entfernen, so daß es wieder zur vollständigen Entfaltung der Lunge kommt.
4. Hämatothorax, persistierend: - koaguliertes Hämatom -» Einschränkung der Ventilation 4-, Gasaustausch 1 - Absaugen der Koagel - Befreien der viszeralen Pleura von Fibrin Frühdekortikation
Gekammertes Pleuraempyem. Können Eiteransammlungen wegen Kammerung der Empyemhöhle mittels doppellumiger Spüldrainage trotz Zusatz fibrinolytischer Enzyme (Varidase®) nicht entleert werden, so ist die thorakoskopische Ausräumung obligat, um eine rasche „Entgiftung" zu erreichen und Schwielenbildungen zu verhindern. Wie beim Hämatothorax kann auch beim Empyem eine Entfesselung der Lunge von Fibrinmassen thorakoskopisch bewirkt werden, so daß offene Dekortikationen vermieden werden.
Gekammertes Pleuraempyem - Bei Versagen der Spüldrainage mitfibrinolytischen Enzymen - Thorakoskopie - Verhindern von Pleuraschwielen - Vermeiden einer Spätdekortikation
Lungenzysten werden mit dem Laser aus dem Lungenparenchym reseziert, wobei es zur luftdichten Verlötung der Schnittfläche kommt. Echinokokkuszysten müssen mit dem Klammernahtinstrument reseziert (Eröffnung der Zyste vermeiden!) und mittels Bergebeutel aus der Pleurahöhle geborgen werden.
6. Lungen- und Echinokokkuszysten - Lungenzysten mit Laser resezieren - Echinokokkuszysten mit Klammernahtinstrument als Keil entfernen (im Bergebeutel)
Volumenreduktion bei bullösem und diffusem Lungenemphysem. Beim Emphysempatienten ist durch das abgeflachte Zwerchfell die Atemmechanik gestört. Die Entfernung der Emphysemblasen verringert das Residualvolumen und damit die Totalkapazität. Das Zwerchfell tritt höher, bekommt wieder seine atemökonomische Kuppelform. Denselben Effekt erreicht man beim diffusen Emphysem durch thorakoskopische Resektion von Lungengewebe mittels Endostapler an bestimmten Lungenpartien.
7. Volumenreduktion: • bei bullösem und diffusem Emphysem - Reduktion des Residualvolumens und der Totalkapazität - Höhertreten des Zwerchfells - Verbesserung der Atemmechanik
Lungengerüsterkrankungen. Zur Diagnose von unklaren diffusen Lungenerkrankungen wird videoskopisch aus unterschiedlichen Lungenlappen mit der Nahtmaschine jeweils ein Gewebekeil von mindestens 2 cm Kantenlän-
8. Lungengerüsterkrankungen - diagnostische Keilresektion
Operatives Vorgehen: - Verwachsungsstränge durchtrennen - isolierte Blasen und Pneumatisationskammern resezieren - Oberlappenspitzenresektion
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27. M i n i m a l - i n v a s i v e C h i r u r g i e ( M I C )
- Untersuchung auf Pilze, pathogene Keime, Histologie und Immunhistologie
ge g e w o n n e n u n d auf Pilze, p a t h o g e n e K e i m e sowie histologisch u n d a u c h immunhistologisch untersucht.
9. R u n d h e r d e • benigne: - therapeutische Resektion im Bergebeutel
„Benigne" Rundherde. Tuberkulome, Hamartome, Fibrome, mykotische Herde, welche < 1 - 2 c m tief im P a r e n c h y m liegen, lassen sich diagnostisch u n d t h e r a p e u t i s c h o h n e großen Z e i t a u f w a n d resezieren. Probleme bietet das Auffinden tiefergelegener Herde, da Tastinstrumente und Ultraschall nur begrenzt hilfreich sind.
• maligne: - diagnostische Resektion mit Schnellschnitt, in Thorakotomie- oder Sternotomiebereitschaft - Bergebeutel - Metastasen: vereinzelt therapeutische Resektion • peripheres Bronchialkarzinom: - nur diagnostische Resektion (Bergebeutel) - videoassistierte Lobektomie nicht kurativ, da Lymphadenektomie nicht radikal möglich 10. Lobektomie bei b e n i g n e n Erkrankungen: • Bronchiektasen, Lungensequester, chronische Pneumonie - Minithorakotomie erforderlich - postoperative Beschwerden nicht signifikant geringer als nach offener Resektion 11. M e d i a s t i n a l t u m o r e n • benigne - therapeutische Resektion - bei Myasthenie erweiterte Thymektomie mit Resektion des mediastinalen Fettes Sternotomie erforderlich
„Maligne" Rundherde. Solitäre Lungenmetastasen von D i c k d a r m - , M a m m a - u n d N i e r e n k a r z i n o m e n k ö n n e n , s o f e r n technisch möglich, minimal-invasiv reseziert w e r d e n . D e r P a t i e n t sollte mit Spiral-CT v o r u n t e r s u c h t u n d z e n t r a l gelegene M e t a s t a s e n ausgeschlossen sein. D i e B e r g u n g erfolgt i m B e r g e b e u t e l . D e r Eingriff ist u n t e r Schnellschnittbedingungen d u r c h z u f ü h ren, ggf. wird e i n e klassische T h o r a k o t o m i e angeschlossen. Bei weiteren, unerwarteten Metastasen wird reinterveniert: Sternotomie oder zweizeitige Thorakotomie. B e i m peripheren Bronchialkarzinom n u r diagnostisch angezeigt.
sind K e i l r e s e k t i o n e n mittels V A T S
Lobektomie bei benignen Erkrankungen. Bei B r o n c h i e k t a s e n , L u n g e n s e q u e s t e r n sowie c h r o n i s c h e n P n e u m o n i e n ist die videoassistierte L o b e k t o mie indiziert. Zusätzlich zu den I n s t r u m e n t i e r k a n ä l e n b e n ö t i g t m a n j e d o c h e i n e M i n i t h o r a k o t o m i e von 8 cm L ä n g e zur B e r g u n g d e s L u n g e n p r ä p a r a t e s , so d a ß sich die p o s t o p e r a t i v e n B e s c h w e r d e n nicht signifikant von d e n e n nach klassischer T h o r a k o t o m i e u n t e r s c h e i d e n ! Benigne Mediastinaltumoren. L y m p h o g e n e , b r o n c h o g e n e u n d P e r i k a r d z y sten, N e u r i n o m e u n d d e r persistierende T h y m u s w e r d e n b e h a n d e l t . B e i soliden Tumoren ist e i n e kleine Thoraxinzision zur B e r g u n g des P r ä p a r a t e s (Bergebeutel) notwendig. Bei der Myasthenie ist mittels Sternotomie eine erweiterte Thymektomie mit Resektion des gesamten mediastinalen Fettes erforderlich.
• maligne - nur diagnostischer Eingriff - Tumoren des vorderen und hinteren Mediastinums, des aortopulmonalen Fensters
Maligne Tumoren des vorderen und hinteren Mediastinums sowie d e s aort o p u l m o n a l e n Fensters, welche mediastinoskopisch nicht e r r e i c h b a r sind.
12. S y m p h a t h e k t o m i e - bei Hyperhidrosis - bei Raynaud-Syndrom der oberen Extremität - bei Erythrodermie des Gesichtes - Durchtrennen der Rr. communicantes des Grenzstranges
Sympathektomie b e i Hyperhidrosis K ö r p e r s t a m m s . Raynaud-Syndrom throdermie des Gesichtes.
13. Perikardfensterung - Verhinderung der Herzbeuteltamponade bei malignem Erguß - Thorakoskopie von links - Resektion eines Perikardanteils
Perikardfensterung n a c h E c h o k a r d i o g r a p h i e b e f u n d . D e r Eingriff wird meist mit e i n e r P e r i k a r d i o s k o p i e k o m b i n i e r t . B e i m malignen P e r i k a r d e r guß wird u n t e r S c h o n u n g des N. p h r e n i c u s von links e i n e Ö f f n u n g v o n ca. 2 x 2 cm G r ö ß e in d a s P e r i k a r d geschnitten, u m e i n e H e r z b e u t e l t a m p o n a d e zu v e r h i n d e r n . A l t e r n a t i v ist eine m e d i k a m e n t ö s e P e r i k a r d e s e ü b e r einen P e r i k a r d k a t h e t e r angezeigt.
14. Erkrankungen d e s Ö s o p h a g u s - Entfernen von Myomen - Resektion von Divertikeln - Myotomie bei Achalasie
Erkrankungen des Ösophagus. Gutartige Tumoren wie Myome lassen sich thorakoskopisch über die rechte Pleurahöhle aus der Ösophaguswand mobilisieren und resezieren. Divertikel werden mit dem Endostapler unter zusätzlicher transösophagealer ösophagoskopischer Kontrolle der Resektionsebene abgetragen.
15. Chyiothorax - Bei Versagen der konservativen Therapie - nach lymphographischer Dokumentation der Leckage
Chyiothorax. Führen das konservative Vorgehen mit Ableiten des Chylus über Thoraxdrainage sowie Nahrungskarenz und parenterale Ernährung nicht zum Versiegen der Chylusproduktion, so wird das Leck mittels Lymphographie gesichert. Die adstringierende Wirkung des Lipoidols führt oft zur Obliteration der Fistel. Die komplette Durchtrennung des Ductus thoracicus oder Versagen der vorher aufgeführten
Aus onkologischen Gründen ist eine thorakoskopische Exstirpation, selbst wenn technisch möglich, bei malignen Mediastinaltumoren nicht angebracht. d e r H ä n d e , d e r Axilla u n d des o b e r e n d e r o b e r e n E x t r e m i t ä t e n sowie bei Ery-
Durch thorakoskopisches Vorgehen können die Rami communicantes aufgrund des videooptischen Vergrößerungseffektes segmentweise, je nach Symptomatik dargestellt und isoliert durchtrennt werden. Bei der Hyperhidrosis der Hände ist auch eine Resektion des Grenzstranges zwischen Ganglion cervicale II und III ausreichend.
Abdomen und Retroperitoneum
261
Methoden macht die Ligatur proximal und distal der Leckage mittels Clip erforderlich. Der thorakoskopische Zugang erfolgt von rechts.
- Unterbindung des Ductus thoracicus prox. und distal des Leckes
Wirbelsäule. Bei Frakturen der thorakalen Wirbelsäule oder Instabilität durch Metastasen erfolgt nach dorsaler Stabilisierung der Wirbelsäule über einen ventralen thorakoskopischen Zugang von rechts die Einbringung von autologer Spongiosa. Mit der thorakoskopischen Technik ist auch eine zusätzliche ventrale Abstützung mittels Osteosyntheseplatte möglich.
16. Wirbelsäule - bei Frakturen und Metastasen - nach dorsaler Osteosynthese - ventrale Stabilisierung mit Spongiosa und Platte
Offener Ductus Botalli. Über einen linksseitigen thorakoskopischen Zugang wird der Ductus Botalli nach videoskopischer Darstellung des Situs mit speziellen Metallclips zweifach verschlossen.
17. Offener Ductus Botalli - Verschluß durch Speziaiclip
2.2 Komplikationen
Komplikationen intraoperativ: Blutungen Klammernahtdefekte postoperativ: Nachblutungen, persistierende Fisteln, Infektionen, Horner-Syndrom (Verletzung des Grenzstranges)
Intraoperative Komplikationen sind v. a. Blutungen aus Interkostalgefäßen und aus dem Lungenparenchym. Sie werden mittels Clips oder mit dem Laser gestillt. Verletzungen von größeren Gefäßen erfordern ein Umsteigen auf die offene Thorakotomie, ebenso Klammernahtdefekte der Endostapler. Nachblutungen innerhalb von 24 Stunden, welche zur Reintervention zwingen, kommen in ca. 2 % vor. Persistierende Lungenfisteln sind in etwa 2 % Ursache für eine Rethorakotomie. Ebenso oft sind zusätzliche Drainagen erforderlich. Infektionen sind mit unter 1 % relativ selten. An Spätkomplikationen nach Entlassung sind Pneumothoraxrezidive vor allem nach Pneumothoraxoperationen mit 2,5 % am häufigsten Auch Thoraxwandhernien wurden beschrieben. Die Letalität wird international zwischen 0 und 2 % angegeben.
• Spätkomplikationen: - Pneumothoraxrezidive - Thoraxwandhernien Letalität: 0-2%
3. Abdomen und Retroperitoneum
Abdomen und Retroperitoneum
F. Köckerling Der am häufigsten durchgeführte minimal-invasive Eingriff im Abdomen ist die laparoskopische Cholezystektomie. Etwa 80-90% aller Gallenblasenentfernungen können inzwischen laparoskopisch vorgenommen werden. Alle anderen laparoskopischen Operationen sind sehr viel seltener indiziert, werden zum Teil kontrovers diskutiert, nur in wenigen Kliniken durchgeführt oder befinden sich noch in der Erprobung. Vorteile der laparoskopischen Chirurgie: geringere postoperative Schmerzen, kürzerer Klinikaufenthalt, besseres kosmetisches Ergebnis (kleinere Narben), kürzere Arbeitsunfähigkeit. Nachteile: längere Operations- und Narkosezeiten, postoperative Schulterschmerzen infolge der Gasinsufflation, begrenzter Indikationsbereich und intraoperativer Wechsel zum konventionellen Vorgehen, vielleicht auch ein erhöhtes Thromboserisiko infolge längerer Operationszeiten und verlangsamter venöser Flußgeschwindigkeit (Druck auf die V. cava inferior) durch das Pneumoperitoneum.
• Cholezystektomien
Fundoplikatio n. Nissen laparoskopisch möglich. Kontraindikationen: Blutung, Magenwandnekrose, Ulzeration, Perforation, Upside-down stomach.
Magen. Die laparoskopischen Operationen am Magen sind sehr anspruchsvoll. Da ein Operateur mit weniger als 5 Eingriffen/Jahr kaum ausreichend Erfahrungen sammeln kann, ist äußerste Zurückhaltung angezeigt. Vereinzelt werden gastroduodenale Ulkusperforationen laparoskopisch versorgt. Eine ältere Perforation mit Peritonitis ist eine Kontraindikation. Bei einem Anastomosenulkus nach Magenresektion kann thorakoskopisch eine trunkuläre Vagotomie durchgeführt werden. Sie ist der Verwachsungen wegen einem abdominellen Reeingriff vorzuziehen. Paraösophageale Hiatushernien, die immer eine Operationsindikation darstellen, können laparoskopisch reponiert und der Magen durch Fundophrenikopexie angeheftet werden. Kontraindikationen sind: Blutung, Magenwandnekrose, Ulzerationen, Perforation und der Upside-down stomach. Eine Fundoplikatio nach Nissen ist bei der Gleithernie laparoskopisch durchaus möglich. Bei maligner Stenose der Speiseröhre oder der Kardia kann eine palliative Gastrostomie laparoskopisch ausgeführt werden.
Laparoskopische Eingriffe am Darm 1. Dünndarm: Loop-Ileostomie, Lösen von Verwachsungssträngen (Strangulationsileus). Abtragen eines Meckel-Divertikels. Flächenhafte Verwachsungen 2. Dickdarm: doppelläufiger Querkolonund Sigmaafter, Kolonresektion limitiert, günstiger Sigmaresektion mit intra- oder extraabdominaler Anastomosierung, Rektopexie beim Rektumprolaps, laparoskopische abdominoperineale Rektumexstirpation (noch in der Entwicklung)
Dünn- und Dickdarm. Vorteile bietet die laparoskopische Durchführung einer Loop-Ileostomie und die Lösung von strangartigen Verwachsungen bei mechanischem Ileus. Flächenhafte Adhäsionen nach großen Baucheingriffen sind jedoch für dieses Vorgehen nicht geeignet. Ein nichtentzündliches Meckel-Divertikel kann mit einem Klammernahtgerät sicher abgetragen werden. Ebenso läßt sich ein doppelläufiger Querkolon- oder Sigmaafter laparoskopisch anlegen, während die Indikationen für eine Kolonresektion limitiert sind, da die laparoskopische Technik sehr anspruchsvoll ist. Einfacher dagegen ist die Sigmaresektion. Die Anastomose wird hierbei intra- oder extraabdominal, bei letzterer durch eine zusätzliche Minilaparotomie ausgeführt. Die laparoskopische Sigmaresektion ist vor allem bei entzündlichen Darmerkrankungen, bei Adenomen, die nicht koloskopisch entfernt wer-
Nach laparoskopischer Punktion des Zysteninhalts und schrittweiser Abtragung des Zystendeckels mit einem Koagulationsinstrument (Blutstillung) kann ein Zipfel des Omentum majus zur Rezidivverhütung in den restlichen Zystenhohlraum eingeschlagen werden.
Laparoskopische Splenektomie. Indikationen zur laparoskopischen Milzexstirpation sind gutartige hämatologische Erkrankungen mit Hypersplenismus und gering- bis mittelgradiger Splenomegalie: M. Werlhof, hämolytische Anämie bei hereditärer Sphärozytose, Thrombozytopenie (z.B. nach HIV-Infektion) und bei lympho- und myeloproliferativen Erkrankungen (z.B. M. Hodgkin). Inzwischen wurden auch organerhaltende laparoskopische Eingriffe bei Milzverletzungen durchgeführt. Kontraindiziert ist die laparoskopische Splenektomie bei großen Milzen (> 500 g). Technik. Nach Mobilisation der Milz und Versorgung der Aa. und Vv. gastricae breves wird der Milzhilus mit einem Klammernahtgerät durchtrennt. Das Organ wird mit einem Bergebeutel und nach Zerquetschung des Parenchyms vor die Bauchdekken gebracht. Wegen des hohen Blutungsrisikos muß jederzeit das Umsteigen auf die große Laparotomie gegeben sein.
Abdomen und Retroperitoneum
265
den können und beim Rektumprolaps indiziert; beim Karzinom ist die Indikation auf kleine Tumoren begrenzt. Beim Rektumprolaps sind Rektopexie und Mobilisierung des Mastdarms laparoskopisch durchführbar. Die laparoskopische abdominoperitoneale Rektumexstirpation ist noch in der technischen Weiterentwicklung, insbesondere was die Anforderungen an die Radikalität beim Karzinom betreffen.
Für die laparoskopische Operation von Leistenhernien existieren 3 Methoden: • die Röhrchen-Okklusionsmethode („plug repair"), bei der ein zigarettenartiger Vicryl-Zylinder von abdominal her im Leistenkanal fixiert wird (bereits weitgehend verlassen), • die präperitoneale transabdominale Plastik mit Kunststoffnetz (TAPP) • die extraperitoneale Implantation eines Kunststoffnetzes vor dem inneren Leistenring nach Stoppa. Die Meinungen zu diesen Operationsverfahren sind nicht einheitlich. Zum Teil fehlen prospektive Langzeitstudien, insbesondere zur Häufigkeit der Rezidive.
Laparoskopische Reparation von Leistenhernien Methoden: 1. Röhrchen-Okklusionsmethode („plug repair") weitgehend verlassen 2. präperitoneale Netzplastik (TAPP) 3. extraperitoneale Implantation eines Kunststoffnetzes vor die Bruchlücke (n. Stoppa) Meinungen hierzu uneinheitlich.
Dagegen ist die laparoskopische Operation bei Rezidivleistenhernien besser geeignet. Die Gründe hierfür: bessere Diagnostik von intraabdominal, der Erhalt der Narbe um den Defekt, die komplette Resektion des Bruchsackes und die übersichtliche Fixierung eines nichtresorbierbaren Netzes über dem Defekt. Durch den intraabdominellen Druck wird außerdem das große Netz gegen die Bauchwand gepreßt und verwächst mit ihr. Skrotalhernien mit großer Bruchlücke scheiden für das laparoskopische Vorgehen
Bei der Rezidivleistenhernie ist die Indikation gesichert. Kontraindikation: Skrotalhemie mit großer Bruchlücke.
3.1.5 Abdominaltrauma, Staging
Laparoskopische Exploration Abdominaltrauma Bei penetrierenden und stumpfen Bauchtraumen einsetzbar, wenn keine vitale Bedrohung zur sofortigen Laparotomie zwingt. Bei kleineren Blutungen an Milz oder Leber Koagulation oder Fibrinklebung.
Laparoskopische Exploration beim Abdominaltrauma. Die explorative Laparoskopie kann zur Klärung von Verletzungen beim penetrierenden oder stumpfen Bauchtrauma eingesetzt werden, wenn die Diagnose unklar ist und keine vitale Bedrohung vorliegt. Häufig sind Blutungen bei kleineren Milz- oder Leberverletzungen zum Stillstand gekommen und können laparoskopisch durch Fibrinklebung oder Koagulation sicher versorgt werden. Bei Stich- und Hohlorganverletzungen muß im Einzelfall entschieden werden, ob eine definitive Behandlung möglich ist. Laparoskopisches Staging bei fortgeschrittenen Karzinomen. Dieses Vorgehen beim Ösophagus-, Magen-, Pankreas- und hepatozellulären Karzinom erspart eine Laparotomie, wenn der Tumor fortgeschritten und in Lymphknoten und Peritoneum metastasiert ist. Außerdem kann überprüft werden, ob eine RO-Resektabilität möglich ist (therapeutisches Splitting).
Laparoskopisches Staging • bei Ösophagus-, Magen-, Pankreasund Leberkarzinom, Prüfung, ob eine RO-Resektion möglich ist (therapeutisches Splitting) • Prostatakarzinom
Beim Prostatakarzinom ist die endoskopische pelvine Staging-Laparotomie Routine geworden (s. Kap. 42, S.858).
3.2 Retroperitoneale Laparoskopie Im Rahmen der Weiterentwicklung endoskopischer Operationsverfahren wurde auch die endoskopische retroperitoneale Adrenalektomie aufgegriffen. Sie ist geeignet für einseitige, kleine bis mittelgroße, nicht malignitätsverdächtige Nebennierentumoren bis 5 cm Durchmesser. Dieser endoskopische Eingriff wird bisher nur an wenigen Kliniken durchgeführt und ist wissenschaftlich nicht überprüft.
Endoskopische Eingriffe irrt Retroperitoneum • endoskopische retroperitoneale Adrenalektomie ist bei einseitigen, klein- bis mittelgroßen, nicht malignitätsverdächtigen Nebennierentumoren (< 5 cm) möglich
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven B. Kaden
1. Raumforderungen, Gefäßerkrankungen 1.1 Raumfordernde intrakranielle Prozesse Einem raumfordernden intrakraniellen Prozeß sind beim Erwachsenen enge Grenzen gesetzt.
Raumfordernde intrakranielle Prozesse sind: - Tumoren - Abszesse - Verschlüsse der Liquorwege - Hirnödeme
Der Hirnschädel stellt eine knöchern abgekapselte Höhle dar, die abgesehen von einigen Nervenaustritts- und Gefäßkanälen nur im Bereich des Hinterhauptlochs eine größere Öffnung aufweist. Einem raumfordernden intrakraniellen Prozeß sind daher beim Erwachsenen enge Grenzen gesetzt. Nur beim Kind mit noch nicht abgeschlossenem Schädelwachstum kann durch Nahtdehiszenz und Schädelvergrößerung eine zusätzliche Kompensation erfolgen. Dieser Mechanismus wird jedoch nur wirksam, wenn sich ein raumfordernder intrakranieller Prozeß langsam entwickelt.
Arten. Raumfordernde intrakranielle Prozesse sind: Tumoren, Abszesse, Verschlüsse der Liquorwege und Hirnödeme.
Tumoren
1.1.1 Tumoren
1. Gliome: Man unterscheidet - Astrozytome - Oligodendrogliome - Ependymome - pilozytische Astrozytome
Gliome: Die eigentlichen Hirngeschwülste gehen meist aus dem Stützgewebe (Glia) hervor. Man spricht von Gliomen. Je nach Ausgangszelle unterscheidet man Astrozytome, Oligodendrogliome, Ependymome und pilozytische Astrozytome (früher Spongioblastome). Während bei den 3 zuerst genannten Tumoren völlig ausdifferenzierte Geschwülste, aber auch Gliome mit mehr oder weniger starker Entdifferenzierung (z.B. anaplastische Astrozytome) vorkommen, handelt es sich beim pilozytischen Astrozytom um einen gutartigen Tumor. Die bösartigste Form eines glialen Tumors stellt das Glioblastom dar, das von jeder der 3 Gliomarten seinen Ausgang nehmen kann oder primär als Glioblastom entsteht (Abb. 28-1).
Pilozytisches Astrozytom ist ein gutartiger Tumor. Bösartiger Tumor: 2. Glioblastom (Abb. 28-1). Graduelle Einteilung der Hirngeschwülste • Grading I—IV - nach Prognose
Grading. Für die Hirngeschwülste wurde von Zülch ein Grading angegeben, das auf prognostischen Erfahrungswerten beruht und histologische Kriterien weniger stark berücksichtigt: Grad I:
benigne; Heilung nach „Totalexstirpation" oder mindestens 5 jährige Überlebenszeit Grad II: semibenigne; postoperative Überlebenszeit 3-5 Jahre Grad III: semimaligne; postoperative Überlebenszeit 2-3 Jahre Grad IV: maligne; postoperative Überlebenszeit 6-15 Monate 3. Astrozytome, Oligodendrogliome • Lokalisation: Großhirn • Erkrankungsalter: 24.-45. Lebensjahr
4. pilozytisches Astrozytom: bevorzugte Lokalisation • Kleinhirn > Sehnerven > Hypothalamus.
Astrozytome und Oligodendrogliome sind fast ausschließlich im Bereich der Großhirnhemisphären lokalisiert, wobei Frontal-, Temporal- und Parietallappen bevorzugt werden. Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr, bei den Glioblastomen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Ependymome nehmen ihren Ursprung aus ependymähnlichen Zellen und entwickeln sich vorwiegend in das Ventrikellumen hinein. Es handelt sich meist um Tumoren I.—II. Grades (Abb. 28-2). Eine Sonderform bildet das Ependymom des Jugendalters, ein zellreicher, rasch wachsender Tumor im Bereich der Großhirnhemisphären (Grad III-IV), der nur stellenweise bis an das Ventrikelsystem heranreicht. Das pilozytische Astrozytom (früher Spongioblastom) nimmt eine Sonderstellung ein. Dieser Tumor kommt in abnehmender Häufigkeit bevorzugt im Kleinhirn, im Bereich der Sehnerven und des Hypothalamus sowie des Großhirns vor. Betroffen
Raumforderungen, Gefäßerkrankungen
267
Abb.28-1: Links MRT mit Kontrastmittel (KM), rechts CT mit KM. Frontal-links gelegenes Glioblastoma multiforme, stereotaktisch gesicherte Diagnose. Verdrängung der Strukturen der Mittellinie zur Gegenseite (Pfeile)
Abb.28-2: MRT mit Kontrastmittel. Ependymom im Bereich des IV.Ventrikels mit beginnendem Verschluß der ableitenden Liquorwege. Die Pfeile weisen auf die Verdrängung des Hirnstammes hin
sind überwiegend Kinder und Jugendliche. Nach Totalexstirpation eines solchen Tumors ist mit einer dauerhaften Heilung zu rechnen.
Im Gegensatz dazu rezidiviert das Medulloblastom, häufigster bösartiger intrakranieller Tumor des Kindesalters, fast immer. Typischer Sitz ist der Kleinhirnwurm. In einzelnen Fällen kommt es zu einer intrakraniellen oder intraspinalen Metastasierung („Abtropfmetastasen"). Etwa 50 % aller intrakraniellen Tumoren gehören zur G r u p p e der hirneigenen Geschwülste. Meningeome stellen mit ca. 20 % der Hirntumoren die zweitgrößte G r u p p e dar, die sich von den Deckzellen der Arachnoidea ableitet. Es handelt sich überwiegend um Tumoren I. Grades, in seltenen Fällen kommt es zur malignen Entartung (malignes Meningeom oder Meningealsarkom, Grad III). Häufigstes Vorkommen im 30.-55. Lebensjahr. Man unterscheidet nach dem Sitz Konvexitäts- und Falxmeningeome, unter denen das parasagittale Meningeom eine Sonderstellung einnimmt, basale Meningeome (Olfaktoriusrinne, Tuberculum sellae, Keilbeinflügel, Basis der mittleren Schädelgrube, Clivus, Foramen magnum), Tentoriummeningeome, die nach supra- oder infratentoriell entwickelt sein können, und schließlich Konvexitätsmeningeome im Bereich der hinteren Schädelgrube.
5. Medulloblastom. - häufigster bösartiger intrakranieller Tumor des Kindes! - typischer Sitz —» Kleinhirnwurm
6. Meningeome: • nur selten maligne: - Konvexitäts- und Falxmeningeome - Meningeome der Schädelbasis und des Tentoriums
Ganz selten sind Ventrikelmeningeome, deren Genese entwicklungsgeschichtlich durch Einstülpung der Hirnkammern mit Verlagerung von meningealem Gewebe zu erklären ist.
Neurinome nehmen ihren Ursprung von den Schwann-Scheiden der Nerven. Im intrakraniellen R a u m finden sich überwiegend Neurinome am N. vestibulocochlearis (VIII), seltener am N. trigeminus. Die Gruppe der Neurinome umfaßt etwa 8 % aller intrakraniellen Tumoren. D i e Hypophysenadenome gehen vom Hypophysenvorderlappen aus und können sich entweder intrasellär oder auch intra- und suprasellär entwikkeln. Sie führen je nach Art zu Hormonexzessen oder endokrinen Ausfällen, bei entsprechender G r ö ß e zu Sehstörungen. 10 % aller intrakraniellen Tumoren sind Hypophysengeschwülste. Seltenere Tumoren sind: Plexuspapillome, Hämangioblastome, Pinealome, pharyngeome, Epidermoide, Dermoide und Teratome sowie Lipome.
7. Neurinome - Ausgang von den Schwann-Nervenscheiden (= Schwannom) Hypophysenadenome
Kranio-
Gehirnmetastasen gehen am häufigsten aus von Bronchial- und Mammakarzinomen, malignem Melanom und Hypernephrom. Bei multipler Metastasierung und unbekanntem Primärtumor stellt die computergesteuerte stereotaktische Biopsie zur histologischen Verifizierung und Therapieplanung die Methode der Wahl dar (Abb. 28-3).
8. Metastasen (Abb. 28-3)
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven
268
Abb.28-3: MRTmiti.v. Kontrastmittelgabe. Intrakranielle Metastasen eines Adenokarzinoms (Pfeile) Abb.28-4: CT mit Kontrastmittel. Frontal-Iinks gelegener Hirnabszeß. Differentialdiagnostisch ist an ein Glioblastom zu denken
Abszesse (Abb. 28-4)
1.1.2 Abszesse
Verursacht durch Eitererreger Man unterscheidet: • fortgeleitete Abszesse • Abszesse nach direktem Eindringen von Eitererregern • metastatische Hirnabszesse • Hirnabszesse bei: - Allgemeininfektionen - Immunschwäche - nach längerer zytostatischer Therapie
Hirnabszesse können einzeln und multipel auftreten. Man unterscheidet • fortgeleitete Abszesse aus dem Bereich vereiterter Nebenhöhlen oder aus dem Mittelohr, • Abszesse nach direktem Eindringen von Eitererregern ins Gehirn bei offenen Schädelhirnverletzungen, • metastatische Hirnabszesse, die auffallend häufig bei entzündlichen Erkrankungen der Lunge, insbesondere Bronchiektasen und bei angeborenen Herzfehlern mit geringer Sauerstoffsättigung des Blutes auftreten und • Hirnabszesse im Rahmen von Allgemeininfektionen und bei Immunschwäche sowie unter längerfristiger zytostatischer Therapie. Im letzteren Fall werden bevorzugt Pilzinfektionen beobachtet. Hirnabszesse bei Affektionen der Nasennebenhöhlen sind in den Stirnhirnpolen oder an der Basis der Stirnhirne lokalisiert; vom Mittelohr ausgehende Hirnabszesse entwickeln sich entweder in den basalen Schläfenlappenanteilen oder im Kleinhirn. Metastatische Hirnabszesse entstehen überwiegend im Marklager der Großhirnhemisphären, bevorzugt im Mediaversorgungsgebiet (Abb. 28-4).
Verschlüsse der Liquorwege
1.1.3 Verschlüsse der Liquorwege, Hirnödem
—> hochdradige intrakranielle Drucksteigerungen Ursache: - postentzündliche Veränderungen - tumorbedingte Blockaden (dabei auch intermittierende Symptomatik)
Blockaden der Liquorwege im Bereich der physiologischen Engstellen an den Foramina Monroi, am Ausgang des 3. Ventrikels, im Aquaeductus Sylvii oder am Ausgang des 4. Ventrikels (Foramina Luschkae und Foramen Magendi) führen zu einer nicht selten hochgradigen intrakraniellen Drucksteigerung (Abb. 28-5). Häufigste Ursachen sind postentzündliche Veränderungen mit Verklebungen sowie tumorbedingte Blockaden. Bei diesen kann es durch einen Ventilmechanismus zu einer intermittierenden Symptomatik kommen. Akute Verschlüsse der Liquorwege treten vorwiegend bei Blutungen mit Ventrikeleinbruch sowie bei raumfordernden Erweichungen im Versorgungsgebiet der Kleinhirnarterien auf.
• akute Verschlüsse der Liquorwege: - bei Blutung mit Ventrikeleinbruch, - bei raumfordernden Erweichungen durch Kleinhirnarterieninfarkt Hirnödem Kann Begleiterscheinung raumfordernder intrakranieller Prozesse sein Generalisierte Hirnödeme nach: • hypoxischer Schädigung • SHT • Enzephalitis
Hirnödem. Ein Hirnödem kann als wichtige Begleiterscheinung intrakranieller Raumforderungen, z.B. bei Hirntumoren und beim -abszeß, auftreten und dadurch die raumfordernde Wirkung noch weiter steigern. Generalisierte Hirnödeme entstehen nach hypoxischer Schädigung, nach schwerem gedeckten Schädel-Hirn-Trauma (SHT), im Rahmen einer Enzephalitis oder auf toxischer Grundlage.
Raumforderungen, Gefäßerkrankungen
Abb.28-5: Formen des Verschluß-Hydrozephalus mit zugrundeliegenden Blockaden (nach Zülch 1968): 1 Wege der normalen Liquorzirkulation, 2 einseitige Blockade des Foramen Monroi, 3 Blockade im Bereich des 3. Ventrikels, 4 Blockade im Bereich der Vierhügelplatte, 5 Blockade am Ausgang des 4. Ventrikels, 6 Blockade der äußeren Liquorwege: a. Cisterna ambiens, b. Subarachnoidalraum, c. Pacchioni-Granulationen (s. Abb. 28-12, S. 279)
269
Abb.28-6: Massenverschiebungen durch einen parietalen raumfordernden Prozeß (T). Oben: Der Gyrus cinguli w i r d unter der Falx zur Gegenseite verlagert. Mitte: E i n k l e m m u n g der medialen Anteile des Schläfenlappens im Tentoriumschlitz mit Mittelhirnkompression. Unten: Einklemmung des Hirnstamms durch Herniation der Kleinhirntonsillen ins Foramen m a g n u m (aus Kautzky und Zülch 1955)
1.1.4 Symptome • Allgemeinsymptome: Kopfschmerzen, Schwindel, Bewußtseinsstörungen, zerebrale Krampfanfälle, Doppelbilder und Veränderungen im psychischen Bereich (hirnorganisches Psychosyndrom) sind häufige Allgemeinsymptome eines raumfordernden intrakraniellen Prozesses. Zum Vollbild der intrakraniellen Drucksteigerung und der Druckkrise gehören auch Erbrechen, Abgeschlagenheit und zunehmende Bewußtseinstrübung, bei chronischer intrakranieller Drucksteigerung sehr häufig eine Stauungspapille. Nach Aufbrauchen der in der Umgebung eines raumfordernden Prozesses vorhandenen Liquorräume und durch Behinderung des venösen Abflusses tritt eine zunehmende intrakranielle Drucksteigerung mit Kopfschmerzen auf. Zentral ausgelöstes Erbrechen beruht auf einer Druckwirkung im Bereich des Brechzentrums in der Area postrema der Rautengrube. Geringe Massenverschiebungen im Bereich der hinteren Schädelgrube führen wegen der exponierten Lage des N. abducens zu einer ein- oder doppelseitigen Parese des M.rectus externus mit Doppelbildern, die sich beim Blick nach den Seiten verstärken. Zerebrale Krampfanfälle können als Folge einer Steigerung der elektrischen Erregbarkeit des Gehirns, vor allem bei Prozessen in der Zentralregion, entstehen. Mittelhirneinklemmung: Bei zunehmender Massenverschiebung durch Verlagerung der Mittellinienstrukturen und Einklemmung von Hirnteilen in den Tentoriumschlitz mit Kompression des Mittelhirns und des N.oculomotorius (Klivuskantensyndrom) (Abb. 28-6) können progrediente Bewußtseinseintrübung, einseitige, später doppelseitige Okulomotoriusparese und Halbseitensymptome in Form von Lähmungen, später Streckkrämpfen auftreten. Bei diesem pathophysiologischen Geschehen werden die medialen Schläfenlappenanteile, der Uncus hippocampi, in den Tentoriumschlitz eingekeilt (Uncus-Hernie). Bei der neurologischen Untersuchung findet sich neben der okulären Symptomatik ein Hypertonus der Extremitätenmuskulatur, zunächst einseitig, später doppelseitig, auch Pyramidenzeichen werden positiv. Nimmt die intrakranielle Drucksteigerung weiter zu, so entwickelt sich ein Funktionsausfall des Mittelhirns mit beiderseitig weiten reaktionslosen Pupillen, Streckkrämpfen und tiefem Koma.
S y m p t o m e bei raumfordernden intrakraniellen Prozessen 1. Alfgemeinsymptome: - Kopfschmerz - Schwindel - Bewußtseinsstörung - zerebrale Krampfanfälle - Doppelbilder - hirnorganisches Psychosyndrom • Folge der Drucksteigerung: - Erbrechen - Abgeschlagenheit - zunehmende Bewußtlosigkeit - Stauungspapille - Doppelbilder - zerebrale Krampfanfälle
Einklemmung von Hirnteilen in den Tentoriumschlitz: progrediente Bewußtseinstrübung einseitige, später doppelseitige Okulomotoriusparese Halbseitensymptome: Lähmungen, später Streckkrämpfe Hypertonus der Extremitäten positive Pyramidenzeichen Bei zunehmender intrakranieller Drucksteigerung: Funktionsausfall des Mittelhirns mit weiten, reaktionslosen Pupillen Streckkrämpfen, Koma
270 • Einklemmung der Medutla oblongata: - Atemlähmung; besonders bei rasch auftretenden raumfordernden Prozessen, z.B. Einblutung in Hirntumor • Blockade der Liquorwege: - hochgradige intrakranielle Drucksteigerung, da Liquorproduktion anhält
- Folge Tonsilleneinklemmung mit: - Kopfschmerzen - Nackensteifigkeit - Kribbelparästhesien in den Armen 2. Herdsymptome bei raumfordernden Prozessen • Stirnhirn: ausgeprägtes Psychosyndrom mit: - Apathie, Antriebsarmut, Affektlabilität - inadäquaten Reaktionen • Zentralregion: - fokale oder generalisierte Krampfanfälle und kontralaterale Paresen - hintere Zentralregion: Sensibilitätsstörungen • Fronto-temporale Übergangsregion: - Sprachstörungen evtl. auch Apraxie - Orientierungsstörungen - Dyslexie und Akalkulie
• Schläfenhirn (der nicht dominanten Hemisphäre): - psychische Veränderungen mit depressiven Verstimmungen. Ferner psychomotorische Anfälle • Okzipitallappen: - Sehstörungen • Kleinhirnhemisphäre: - Gangunsicherheit - ataktische Störungen - Dysdiadochokinese - Verlust der Feinmotorik der Hand 3. Stammganglien -> kontralaterale Halbseitenlähmung • Brücke: kaudaler Hirnstamm: - Hirnnervenausfälle - kontralaterale Paresen Hirnnervenausfälle durch Tumoren, z.B.: - Riechstörung - Amaurose - Chiasmasyndrom - Ausfall von Augenmuskelnerven
Ist der N.trigeminus betroffen, resultieren: - Mißempfindungen in der betroffenen Gesichtshälfte
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven Durch Einklemmung der Medulla oblongata im Hinterhauptsloch tritt eine zentrale Atemlähmung ein. Dieser Zeitablauf ist bei rasch entstehenden raumfordernden intrakraniellen Prozessen zu erwarten, z. B. bei einer Einblutung in einen Hirntumor. Bei Tumoren in der Nähe der Foramina Monroi, im dritten Ventrikel und im Bereich der hinteren Schädelgrube kann durch Blockade der Liquorwege frühzeitig eine hochgradige intrakranielle Drucksteigerung beobachtet werden, da der in den Ventrikeln gebildete Liquor (150-250 ml Tagesproduktion) plötzlich nicht mehr abfließen kann, die Produktion unvermindert anhält und dadurch rasch ein gewaltiges Mißverhältnis entsteht. Wird das blockierende Hindernis nicht durch den intrakraniellen Druckanstieg überwunden oder eine externe Liquordrainage angelegt, entsteht rasch eine Tonsilleneinklemmung: starke Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit und Kribbelparästhesien in den Armen. • Herdsymptome bei raumfordernden Prozessen: Prozesse im Stirnhirn können ein ausgeprägtes Psychosyndrom hervorrufen mit Apathie, Antriebsarmut, Affektlabilität, inadäquaten Reaktionen bis zur Distanzlosigkeit. Herde in der Zentralregion verursachen häufig fokale oder generalisierte Krampfanfälle sowie kontralaterale Paresen unterschiedlich starker Ausprägung. Bei Tumorlokalisation in der hinteren Zentralregion werden Sensibilitätsstörungen beobachtet. Bei Sitz eines Tumors in der fronto-temporalen Übergangsregion der dominanten Hemisphäre ist mit Sprachstörungen zu rechnen. Dabei unterscheidet man motorische und sensorische Sprachstörungen sowie eine Globalaphasie. Sitzt eine Geschwulst in den hinteren Abschnitten des Schläfenlappens der dominanten Hemisphäre mit Übergang zur Parietalregion, dann resultieren neben Sprachverständnisstörungen auch Apraxie, Orientierungsstörungen, Dyslexie und Akalkulie. Ein Tumor im Bereich des Schläfenhirns der nichtdominanten Hemisphäre kann zu psychischen Veränderungen führen. Außerdem werden bei Patienten mit Schläfenlappenprozessen psychomotorische („Temporallappen"-) Anfälle beobachtet. Die Geschwülste im Okzipitallappen verursachen eine homonyme Hemianopsie, die stets die kontralateralen Gesichtsfeldhälften betrifft. Tumoren im Bereich der Kleinhirnhemisphären führen zu Gangunsicherheit und ataktischen Störungen, Dysdiadochokinese und Verlust der Feinmotorik der Hand der betroffenen Seite. Bei Prozessen im Kleinhirnwurm kommt es zu einer Rumpfataxie mit Gang- und Standunfähigkeit im fortgeschrittenen Stadium. Tumoren im Bereich der Stammganglien rufen meist kontralaterale Halbseitenlähmungen hervor, Prozesse im Bereich der Brücke und des kaudalen Hirnstamms meist Hirnstammsyndrome mit Hirnnervenausfällen und kontralateralen Paresen. Eine Reihe von Tumoren weist direkte Beziehungen zu den Hirnnerven auf, häufig entstehen hieraus Hirnnervenausfälle. So ruft das Meningeom der Olfaktoriusrinne fast stets eine Riechstörung hervor, die nicht selten erst durch Fremdanamnese (angebranntes Essen) eruierbar wird. Die Störungen im Bereich des N. opticus durch Tumoren sind vielfältig. Eine einseitige Amaurose entsteht bei Sitz eines Tumors im Verlauf der Sehnerven, entweder in der Orbita, im Bereich des Foramen opticum oder in der intrakraniellen Verlaufsstrecke vor dem Chiasma opticum. Ein Chiasmasyndrom mit Auftreten einer bitemporalen Hemianopsie oder Quadrantenanopsie wird meist durch einen suprasellären raumfordernden Prozeß (Hypophysenadenom, Kraniopharyngeom, Tuberculumsellae-Meningeom) hervorgerufen. Entwickelt sich ein Hypophysenadenom mehr nach der Seite, so können eine einseitige Amaurose, eine homonyme Hemianopsie oder eine Okulomotoriusparese auftreten. Störungen am N. oculomotorius resultieren auch bei raumfordernden Prozessen in der Nähe des Sinus cavernosus (meist Meningeome). Neurinome des N. trigeminus rufen meist Mißempfindungen in der betroffenen Gesichtshälfte hervor sowie Sensibilitätsstörungen, Schmerzen jedoch seltener. Gelegentlich wird bei sehr großen Akustikusneurinomen der N.trigeminus stark angeho-
Raumforderungen, Gefäßerkrankungen
271
ben, wodurch eine Sensibilitätsstörung, meistens im Bereich des 2. oder 3. Astes entsteht. Vom N. facialis gehen ganz selten Geschwülste aus, er kann aber bei großen Akustikusneurinomen und bei flächenhaft wachsenden Tumoren in der hinteren Schädelgrube mitbetroffen sein. Das Akustikusneurinom führt typischerweise zuerst zu einem Ausfall des Vestibularorgans, Hörstörungen treten üblicherweise erst später auf und werden nicht selten mit pulsunabhängigen Ohrgeräuschen eingeleitet. Bei sehr langer Anamnese und entsprechend großen Tumoren kommt es zu völligem Hörverlust. Die basale Hirnnervengruppe (IX-XI) sowie der N. hypoglossus werden nur selten von intrakraniellen Tumoren direkt geschädigt.
- Sensibilitätsstörungen
1.1.5 Diagnostik
Diagnostik bei raumfordernden intrakraniellen Prozessen
• Ausfall des Vestibularorgans beim Akustikusneurinom; - Hörstörungen, eingeleitet mit pulsunabhängigen Ohrgeräuschen. J e nach Tumorgröße kann Taubheit eintreten.
Neben Anamnese und neurologischer Untersuchung werden folgende apparative Untersuchungen eingesetzt (Reihenfolge nach Bedeutung): 1. CT und MRT 2. zerebrale Angiographie und Röntgennativdiagnostik des Schädels (Übersichts-, Spezialaufnahmen einschließlich konventioneller Tomographie), 3. EEG und 4. nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden, 5. Echo- und Pneumoenzephalographie und operative Ventrikulographie. Praxishinweis: Die Lumbalpunktion darf bei Verdacht auf raumfordernden intrakraniellen Prozeß nicht angewandt werden, da die Gefahr einer Einklemmung besteht. Bei Vorliegen eines Hirntumors ist sie ebenso kontraindiziert wie die Anwendung eines Mydriatikums zur Spiegelung des Augenhintergrunds. Röntgennativdiagnostik: Die Schädelnativdiagnostik ist nach wie vor wichtig bei der Abklärung einer intrakraniellen Raumforderung. Neben direkten auf einen Tumor zu beziehenden Veränderungen durch Nachweis von Verkalkungen, z.B. bei Kraniopharyngeomen oder Oligodendrogliomen, Hyperostosen bei Meningeomen und Knochenarrosionen, z.B. beim Akustikusneurinom sowie dem Nachweis primärer Sellaveränderungen kennt man auf die indirekte allgemeine intrakranielle Drucksteigerung zurückzuführende Veränderungen: Drucksella oder sekundäre Seilaerweiterung mit allgemeiner Vergrößerung, aber Erhaltung der Knochenstruktur; vermehrte Impressiones digitatae und Bildung eines Wolkenschädels bei chronischer intrakranieller Drucksteigerung, z.B. bei der Aquäduktstenose; „gesprengte" Schädelnähte bei Hirntumoren im Kindesalter. Tatsächlich handelt es sich aber nur um eine Verbreiterung der Nahtzonen. Insgesamt sind bei etwa V3 der Patienten mit raumfordernden intrakraniellen Prozessen direkte oder indirekte Veränderungen am Schädelskelett erkennbar. Elektroenzephalographie (EEG): Mit der E E G lassen sich bei raumfordernden Prozessen häufig frühzeitig hirnelektrische Veränderungen in Form von Delta- oder Theta-Herden nachweisen. Treffsicherheit der Methode bei Großhirntumoren etwa 70 %. Eine Ausschlußdiagnostik erlaubt die E E G nicht, insbesondere nicht bei tiefsitzenden Tumoren oder Prozessen in der hinteren Schädelgrube.
Keine Lumbalpunktion bei Verdacht auf Hirntumor!
Röntgennativdiagnostik des Schädels • wichtige diagnostische Hilfsmethode • Erfassung von Verkalkungen und indirekten Veränderungen, hervorgerufen durch Drucksteigerung: - Drucksella oder sekundäre Seilaerweiterung, - vermehrt Impressiones digitatae - Wolkenschädel (chronische Drucksteigerung) - verbreiterte Schädelnähte bei Kindern
Bei V3 der Patienten werden direkte oder indirekte Veränderungen am Schädelskelett erkennbar. 2. EEG - Delta- oder Theta-Herde weisen auf Veränderungen hin. Treffsicherheit 7 0 % - keine Ausschlußdiagnostik
Echoenzephalographie: Die Echoenzephalographie, mit der sich intrakranielle Massenverschiebungen und Ventrikelerweiterungen nachweisen lassen, wurde durch die CT in den Hintergrund gedrängt. Nur in der Neuropädiatrie sind mit zweidimensionalen Ultraschalluntersuchungstechniken weiterreichende diagnostische Aufschlüsse zu erwarten, die an das computertomographische Auflösungsvermögen heranreichen. Nuklearmedizinische Verfahren: Sie haben in den letzten Jahren bei der Diagnostik raumfordernder intrakranieller Prozesse immer mehr an Bedeutung verloren. In der Differentialdiagnose einzelner Geschwülste sind mit Hilfe der dynamischen Hirnszintigraphie in fraglichen Fällen jedoch zuverlässige Aussagen möglich.
3. Echoenzephalographie - diagnostische Wertigkeit nur in der Neuropädiatrie
CT: Die kraniale CT gestattet in nahezu allen Fällen den sicheren Nachweis eines raumfordernden intrakraniellen Prozesses, wobei aufgrund des unter-
5. Kraniale CT - sicherer Nachweis
4. Nuklearmedizinische Verfahren verlieren an Bedeutung. Einsatz der dynamischen Hirnszintigraphie in fraglichen Fällen zur Differentialdiagnose
272 - artdiagnostische A u s s a g e n möglich
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven
6. Zerebrale Angiographie - Einsatz bei stark vaskularisierten Tumoren - wichtig für die Chirurgie, da Kenntnisse über versorgende Arterien und anliegende Gefäße vermittelt werden
schiedlichen Dichteverhaltens im Nativbild und nach Kontrastmittelgabe in der Mehrzahl der Fälle auch artdiagnostische Aussagen möglich sind. Angiographie: Die zerebrale Angiographie wird bei Nachweis einer Raumforderung im CT vor Durchführung eines operativen Eingriffes meist erforderlich sein, vor allem bei stark vaskularisierten Tumoren. Der Operateur benötigt zur Planung der Operation Kenntnisse über die versorgenden Arterien und dem Tumor anliegende Gefäße. Verzichtet werden kann im allgemeinen auf die Angiographie bei Ventrikeltumoren und Tumoren der hinteren Schädelgrube, vor allem bei Kindern.
7. Pneumenzephalographie, operative Ventrikulographie Einsatz nur in fraglichen Fällen als zusätzliche Diagnosemöglichkeit z. B. bei Aquäduktstenose
Pneumenzephalographie, operative Ventrikulographie: Die Pneumenzephalographie und operative Ventrikulographie mit Gas oder positiven Röntgenkontrastmitteln sind heute zur Diagnose raumfordernder intrakranieller Prozesse kaum mehr gebräuchlich. Nur in einzelnen unklaren Fällen wird eine positive Ventrikulographie zusätzlich Aussagen ermöglichen, z.B. bei der Aquäduktstenose.
8. M R T - subtilere Diagnostik als bei CT - besonders bei Tumoren des Hirnstammes und der hinteren Schädelgrube - Erfassung von Weichteilveränderungen - keine Darstellung knöcherner Läsionen
MRT: Die MRT ermöglicht häufig noch über den Informationsgehalt der CT hinausgehende Aussagen, vor allem bei Prozessen im Bereich der basalen Schläfenlappenanteile, des Hirnstammes und der hinteren Schädelgrube. Im Gegensatz zur CT lassen sich mit der MRT nur Weichteilveränderungen erfassen, knöcherne Läsionen werden als magnetisch stumme Zonen nicht abgebildet.
Therapie raumfordernder intrakranieller Prozesse • medikamentöse Behandlung - Dexamethason in Kombination mit Diuretika (Furosemid) - Therapiebeginn präoperativ - begleitende Behandlung: halbsitzende Lagerung, Beatmung, Korrektur des pH-Wertes
1.1.6 Therapie, Prognose
• operative Behandlung - Erfolg abhängig v o m Sitz der Läsion, Allgemeinzustand und internistischen Risiken - Da jede fortlaufende Steigerung des intrakraniellen Druckes zum Tode führt, m u ß vollständige Exstirpation einer Raumforderung angestrebt werden - ausgedehnte Tumorresektion bei Geschwulst - des Stirnlappens - des Okzipitallappens - des Schläfenlappens - des Kleinhirns • mikrochirurgische Technik bei: - intraventrikulären Tumoren - im Bereich der Schädelbasis und - des Kleinhirnbrückenwinkels • intrazerebrale Metastasen Operation nur bei solitärem Tumorknoten. Kontraindikation: multiple Metastasen • bei Hirnabszessen: Totalexstirpation der Abszeßkapsel Bei großen Abszessen: zunächst Punktion. Nach Verkleinerung: Exstirpation der Kapsel Prognose - Anhaltspunkte für die Überlebenswahrscheinlichkeit s. Kap. 1.1.1, S. 266 - Gliomchirurgie immer noch unbefriedigend, auch mit adjuvanter Strahlentherapie
Medikamentöse Behandlung: Die Langzeitbehandlung stützt sich auf kontinuierliche Gaben von Dexamethason in absteigender Dosierung kombiniert mit der intermittierenden Applikation von Diuretika, z. B. Furosemid. Diese Therapie beginnt bereits präoperativ, um eine Senkung des intrakraniellen Druckes für den Eingriff zu erreichen. Halbsitzende Lagerung, entsprechende Beatmungstechniken und Korrektur des pH-Wertes dienen ebenfalls zur Behandlung des Hirnödems. Operative Behandlung: Die Möglichkeiten einer operativen Therapie sind abhängig vom Sitz der Läsion, vom Allgemeinzustand des Patienten und speziellen internistischen Risiken. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß jeder raumfordernde Prozeß durch fortlaufende Steigerung des intrakraniellen Druckes letztlich zum Tode führt. Im Einzelfall muß daher überprüft werden, ob die vollständige Exstirpation einer Raumforderung möglich ist. Langsam wachsende Gliome in der Zentralregion oder im Bereich des Sprachzentrums, die noch nicht zu schweren Ausfallerscheinungen geführt haben, wird man hier zurückhaltend beurteilen müssen. Großzügiger kann man die Indikation zur Operation bei polaren oder auf einen Stirnlappen, Okzipitallappen oder den Schläfenlappen beschränkten Tumoren der nicht dominanten Hemisphäre stellen. Auch bei Kleinhirntumoren kann eine ausgedehnte Tumorresektion ohne wesentliche Nachteile für den Patienten erfolgen. Tumoren im Bereich der Schädelbasis und des Kleinhirnbrückenwinkels sowie intraventrikuläre Geschwülste lassen sich heute in mikrochirurgischer Technik mit niedrigem Operationsrisiko entfernen (1-5 %). Bei intrazerebralen Metastasen ist nur dann eine Operationsindikation gegeben, wenn ein solitärer Tumorknoten vorliegt. Man wird sich in derartigen Fällen allenfalls zu einem Palliativeingriff, z.B. bei einem tumorbedingten Hydrozephalus zur Implantation eines Ventils, entschließen. Bei Hirnabszessen ist von wenigen Ausnahmen abgesehen die Totalexstirpation der Abszeßkapsel mit dem Eiterherd anzustreben. Wenn ein Hirnabszeß nur unter Inkaufnahme zusätzlicher Ausfallerscheinungen exstirpiert werden kann oder sehr tief sitzt, muß man sich auf die Punktionsbehandlung und Antibiotikainstillation beschränken. Für die Prognose eines Hirntumors sind biologische Wertigkeit und Lokalisation von Bedeutung. Das Grading der Hirntumoren (s. S.266) gibt nur grobe Anhaltspunkte für die Überlebenswahrscheinlichkeit im Einzelfall. Die Gliomchirurgie ist von wenigen Ausnahmen abgesehen auch heute immer noch unbefriedigend.
Raumforderungen, Gefäßerkrankungen
273
Auch der konsequente Einsatz der Strahlentherapie hat nur zu einer Verlängerung der durchschnittlichen Überlebenszeit, jedoch nicht zu einer Dauerheilung von Patienten mit Hirngliomen geführt. Eine Ausnahme bilden lediglich die pilozytischen Astrozytome. Die adjuvante zytostatische Behandlung von Hirntumoren hat bisher keine überzeugenden Erfolge erbringen können. Beim Medulloblastom und anderen auf Zellgifte reagierenden Tumoren wird der Effekt der Strahlentherapie nur über einen begrenzten Zeitraum bei Kombination beider Behandlungsverfahren verstärkt und die Überlebensrate leicht erhöht. Die 5-Jahres-Überlebensrate beim Medulloblastom beträgt ca. 50%.
- pilozytische Astrozytome: Totalexstirpation erfolgversprechend, da keine Rezidivneigung
Patienten mit Hirntumoren bedürfen nach einer Operation häufig intensiver Rehabilitationsmaßnahmen in dafür speziell eingerichteten Institutionen. Bei malignen Tumoren mit nur kurzer Lebenserwartung trotz Operation wird man für den Zeitraum, in dem der Patient noch von der Familie betreut werden kann, eine Unterbringung im häuslichen Milieu anstreben.
Wichtig sind: Rehabilitationsmaßnahmen für hirnoperierte Patienten!
1.2 Gefäßfehlbildungen, -krankheiten des Z N S 1.2.1 Aneurysmen, Angiome, Subarachnoidalblutung (SAB)
Gefäßfehlbildungen und -erkrankungen des Z N S Aneurysmen
Aneurysmen intrakranieller Arterien, die bei 1-2 % der Erwachsenen beobachtet werden, entstehen als sackförmige Ausstülpung unter dem Einfluß des Blutdruckes infolge einer Störung der Gefäßwandstruktur. Die Muskularis ist an bestimmten Gefäßstellen sehr dünn oder gar nicht angelegt; vorwiegend handelt es sich um Nahtstellen großer Gefäße im Bereich des Circulus arteriosus Willisi an der Hirnbasis.
= sackförmige Ausstülpungen unter dem Einfluß des Blutdruckes bei Störung der Gefäßwandstruktur (Muskularis sehr dünn oder nicht angelegt) - oft an Nahtstellen großer Gefäße lokalisiert
Die Größe der Aneurysmen schwankt zwischen Reiskorn und Hühnerei im Extremfall, die meisten sind erbs- bis bohnengroß. Manche Aneurysmen sind mehrfach gelappt und ohne Stiel zum Stammgefäß.
- Aneurysmalokalisationen:
Die häufigste Lokalisation ist die A. communicans anterior, gefolgt von der A. carotis interna unterhalb des Abganges der A. communicans posterior und vom Aneurysma der A. cerebri media, das meist an der Hauptteilung (Bifurkation) des Gefäßes sitzt (Abb. 28-7). Aneurysmen im Bereich der hinteren Schädelgrube machen etwa 10 % aller Aneurysmen aus. Eine besonders problematische Lokalisation stellt die A. basilaris in allen ihren Abschnitten dar (Abb. 28-8).
Die Mehrzahl der Hirngefäßaneurysmen bleibt bis zum Eintritt einer Subarachnoidalblutung stumm. Dies ist vor allem bei sog. Riesenaneurysmen
Abb.28-7: Karotisangiogramm links (L), arterielle Phase. Aneurysma der A.cerebri media (Pfeil) links. Ausschaltung aus der Blutzirkulation mit einem geraden Sugitta-Clip ( i )
Zytostatische Behandlung bringt keine überzeugenden Erfolge. In Kombination mit Strahlentherapie: leichte Anhebung der Überlebensrate
4
- problematische Lokalisation: A. basilaris Meist erstes klinisches Zeichen des Hirngefäßaneurysmas: Subarachnoidalblutung
Abb. 28-8: Prädiliktionsstellen für Aneurysmen (Zahlenangaben in Prozent)
274
Man unterscheidet: - angeborene - arteriosklerotische - mykotische - fusiforme Hirngefäßaneurysmen Auslöser hypertonischer Massenblutung: kleinste arteriosklerotische Aneurysmen Arteriovenöse Angiome - angeborene Fehlbildung von Hirngefäßen mit arteriovenösen Kurzschlüssen - Folge: Zirkulationsstörungen in der Umgebung des Angioms mit Auslösung zerebraler Krampfanfälle Einreißen von Aneurysmen u. Angiomen
Folge: Subarachnoidalblutung (SAB) —1>
Symptome: - meningeale Zeichen - Nackensteifigkeit - Lichtscheu - Apathie - motorische Unruhe - Übelkeit, Erbrechen Bei Bluteintritt in das Hirnparenchym • Mittelhirneinklemmung: - neurologische Ausfälle - Bewußtlosigkeit - Streckkrämpfe - Pupillenstörungen • Bei massivem Bluteinbruch in die Ventrikel: - progredientes Koma - Ausfall der zentralen Regulation - irreversible Atemlähmung
Gradeinteilung der SAB • Grade l-V
Weitere diagnostische Verfahren: - bei Verdacht auf SAB CT (Abb. 28-9) - Lumbalpunktion (nur wenige ml ablassen, da Einklemmungsgefahr)
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven der Fall, die als raumfordernder Prozeß imponieren und nur selten rupturieren. Außer den angeborenen Hirngefäßaneurysmen gibt es noch arteriosklerotische, mykotische sowie fusiforme Aneurysmen. Kleinste arteriosklerotische Aneurysmen sind die Auslöser hypertonischer Massenblutungen. Mykotische Aneurysmen spielen nur eine unbedeutende Rolle. Fusiforme Aneurysmen haben im allgemeinen keine chirurgische Bedeutung.
Arteriovenöse Angiome sind angeborene Fehlbildungen von Hirngefäßen mit mehr oder weniger stark ausgeprägten arteriovenösen Kurzschlüssen. In einzelnen Fällen ist die Gefäßfehlbildung auf den venösen Abschnitt beschränkt. Durch Ausdehnung der Gefäßwände nehmen Angiome im Laufe des Lebens an Größe zu, gleichzeitig steigt das Shuntvolumen, das der Umgebung immer mehr Blut entzieht. Durch diese Zirkulationsstörungen in der Umgebung werden nicht selten zerebrale Krampfanfälle ausgelöst. Durch Verdünnung der Wand können Angiome auch einreißen, das Blut entleert sich entweder in den Subarachnoidalraum oder in das Hirnparenchym. Subarachnoidalblutung. Das klinische Bild ist gekennzeichnet durch einen plötzlich auftretenden Nackenhinterkopfschmerz, der sich von dort über den ganzen Schädel ausbreitet und sich bis zur Bewußtlosigkeit steigern kann. Bei 60 % der Patienten mit Subarachnoidalblutung kommen Bewußtseinsstörungen vor, 20 % sind initial bewußtlos. Die Subarachnoidalblutung kommt in '/ 3 der Fälle aus heiterem Himmel, bei V3 im Schlaf und bei V3 bei körperlicher Anstrengung (Koitus, Defäkation). Symptome der SAB. Es entwickeln sich meningeale Zeichen mit Nackensteifigkeit, Lichtscheu und Apathie, gelegentlich auch motorische Unruhe, so daß meist zunächst die Diagnose einer Meningitis gestellt wird. Häufig klagen die Patienten auch über Übelkeit und Erbrechen. Nicht selten sind hohe Blutdruckwerte, Tachykardien und EKG-Veränderungen (ST-Senkung). Wühlt sich das Blut bei einer Aneurysma- oder Angiomruptur in das Hirnparenchym, so entstehen umschriebene intrazerebrale Blutungen mit raumfordernder Wirkung, die neurologische Ausfälle und schließlich auch durch Massenverschiebung eine Mittelhirneinklemmung mit Bewußtlosigkeit, Streckkrämpfen und Pupillenstörungen hervorrufen können. Bei massivem Einbruch von Blut in das Ventrikelsystem kommt es häufig zu einem rasch progredienten Koma und Versagen der zentralen Regulationen sowie einer irreversiblen Atemlähmung. Vielen atypisch lokalisierten intrazerebralen Hämatomen liegen kleinste Aneurysmen oder Angiome zugrunde, die sich angiographisch nicht darstellen lassen. Das klinische Erscheinungsbild der spontanen SAB wurde von Hunt und Hess in 5 Grade eingeteilt, die für die weitere Prognose und die Operationsindikation von großer Bedeutung sind. Grad I:
beschwerdefrei bis auf leichte Kopfschmerzen, leichte Nackensteifigkeit Grad II: wach, Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, keine neurologischen Ausfälle außer Hirnnervenstörungen Grad III: Bewußtseinstrübung, noch ansprechbar, Desorientierung, leichte Hemiparese oder andere Herdsymptome Grad IV: starke Bewußtseinstrübung, noch erweckbar, Hemiparese, u. U. beginnendes Strecken Grad V: Bewußtlosigkeit, Streckkrämpfe, gestörte vitale Funktionen.
Weitere diagnostische Maßnahmen: Sicherung der Diagnose durch CT. In den meisten Fällen sieht man im Bereich der basalen Zisternen und der übrigen subarachnoidalen Liquorräume hyperdense Strukturen, die Blut entsprechen (Abb. 28-9). Nicht selten sind intraventrikuläre Blutansamm-
Raumforderungen, Gefäßerkrankungen
275
Abb. 28-9: CT 3 Stunden nach einer Subarachnoidalblutung. Nativscan mit Blut in den basalen Zisternen. Beginnende Liquorzirkulationsstörung (Erweiterung der Unterhörner der Seitenventrikel) lungen sowie intrazerebrale Hämatome nachweisbar. Zeigt ein CT bei klinischer Verdachtsdiagnose Subarachnoidalblutung keine Auffälligkeiten, so ist eine Lumbalpunktion gerechtfertigt (Blutbeimengung im Liquor). Man muß sich darauf beschränken, nur wenige Milliliter Liquor abzulassen. Die Gefahr einer Einklemmung ist dadurch jedoch nicht auszuschließen, da aus dem Stichloch innerhalb der nächsten Stunden noch erhebliche Liquormengen abfließen können. Bei Aneurysmen und Angiomen schließt sich an die CT am besten sofort die zerebrale Angiographie an, die zum Ausschluß multipler Aneurysmen als Panangiographie (alle 4 großen Gefäße) ausgeführt werden sollte.
1.2.1.1 Operative Behandlung intrakranieller Gefäßfehlbildungen und Blutungen
Operative Behandlung
Operationsziel beim Aneurysma ist die Verhinderung der Rezidivblutung, die mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 40%, meist innerhalb der ersten 4 Wochen nach dem akuten Ereignis auftritt. Eine weitere Gefahr besteht bei der Aneurysmablutung durch einen zerebralen Gefäßspasmus, auch in vom eigentlichen Aneurysma entfernt gelegenen Gefäßabschnitten. Er tritt bei 30-50 % der Patienten mit schweren Subarachnoidalblutungen etwa ab dem 3. Tag auf. Zur Diagnose und Verlaufsbeobachtung der Spasmen kommt die transkranielle Doppler-Sonografie zum Einsatz. Als Therapie scheinen Kalziumantagonisten (Nimodipin) erfolgversprechend zu sein. Heute wird die Frühoperation innerhalb der ersten 72 Stunden nach dem akuten Ereignis angestrebt. Damit läßt sich nicht nur die Rezidivblutung verhindern, sondern vielfach auch der Vasospasmus abmildern, da ein Großteil des in den Subarachnoidalraum eingedrungenen Blutes herausgespült werden kann. Bei raumfordernden intrazerebralen Begleithämatomen empfiehlt sich in den meisten Fällen eine Sofortoperation, dies gilt auch für Angiomblutungen. Sowohl beim Hirngefäßaneurysma als auch beim zerebralen Angiom wird die Gefäßfehlbildung in mikrochirurgischer Technik ausgeschaltet (Metallclips, Abb. 28-7). Operationssterblichkeit ca. 20%. Bei etwa 15% aller Patienten entwickelt sich eine Liquorresorptionsstörung, welche durch einen Shunt behandelt werden muß. Beim Angiom wird eine Exstirpation der Gefäßmißbildung angestrebt, wenn es zu einer Blutung gekommen ist und das Angiom in zugänglichem Gebiet liegt. Bei Angiomen in unzugänglichen Regionen versucht man durch Embolisation mit verschiedenen Materialien die Wahrscheinlichkeit einer Rezidivblutung zu reduzieren. Die Indikation zur Operation bei Patienten, die bislang nicht geblutet haben, ist sorgfältig zu erwägen. Die Wahrscheinlichkeit einer Blutung liegt etwa bei 1 % pro Jahr.
Ziel: - Verhinderung der Rezidivblutung und des zerebralen Gefäßspasmus Aneurysma • Therapie: - Kalziumantagonisten - Frühoperation - evtl. Sofortoperation
Ausschaltung der Gefäßfehlbildung durch mikrochirurgische Technik (spezielle Metallclips). Operationsletalität ca. 20%
Angiom: • Exstirpation der Gefäßfehlbildung - in unzugänglichen Regionen: • Embolisation
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven
276 Bei intrakraniellen Blutungen unbekannter Genese: • operative Ausräumung, wenn Prozeß raumfordernd Bei hypertonischen Massenblutungen: • Operationsindikation unabhängig von der Grundkrankheit. Häufig nur Liquordrainage Kleinhirnblutungen: • bei Kompression des Hirnstammes sofortige Entleerung
Verschlußkrankheiten im arteriellen und venösen Bereich • Thrombosierung der A. carotis interna —> Hirninfarkt. Bei Totalausfall eines Versorgungsgebietes: -> Hirnödem, Massenverschiebung, Einklemmung, Tod
• Verschluß der A. basilaris: - immer letal - häufig nur einzelne abgehende Gefäße betroffen • Infarkte im Kleinhirnbereich: - Entwicklung eines Ödems, Blockade der Liquorabflußwege Folge: Verschlußhydrozephalus, Beseitigung durch Liquordrainage • Hirnvenen- und Sinusthrombose: Entwicklung in wenigen Tagen mit Bewußtseinsstörung und Krampfanfällen
Schädel-Hirn-Verietzungen (SHV) Man unterscheidet offene und gedeckte SHV Komplikationen: posttraumatische intrakranielle Hämatome Formen der SHV
Intrakranielle Blutungen unbekannter Genese müssen operativ ausgeräumt werden, wenn sie raumfordernd wirken. Bei kleineren Blutungen kann man abwarten. Bei hypertonischen Massenblutungen ist die Operationsindikation vom Allgemeinzustand und der Grundkrankheit abhängig zu machen. Häufig genügt eine externe Liquordrainage. Bei Blutungen in den Thalamus und den Hirnstamm kommt ein operativer Eingriff nicht in Frage. Kleinhirnblutungen mit Kompression des Hirnstammes bedürfen einer sofortigen Entleerung. Bei mehr peripher gelegenen zerebellären Hämatomen genügt eine temporäre externe Liquordrainage bis durch Resorption des Hämatoms die Liquorpassage wiederhergestellt ist. 1.2.2 Verschlußkrankheiten im arteriellen und venösen Bereich Bei der arteriellen Verschlußkrankheit (s. Kap. 34, S. 458) kommt es am häufigsten zu einer Thrombosierung der A. carotis interna, die auf die A.cerebri media übergreift. Hieraus resultiert ein mehr oder weniger ausgeprägter Hirninfarkt, der durch Vorhandensein meningealer Gefäßanastomosen in seinem Ausmaß gemildert werden kann. Bei Totalausfall eines Mediaversorgungsgebietes kann es innerhalb weniger Tage zu einem massiven Hirnödem im Infarktgebiet mit Massenverschiebung und Einklemmung kommen, die letztlich zum Tode führt. Der Verschluß der A. basilaris endet immer letal, häufig sind jedoch nur einzelne aus der A. basilaris abgehende Gefäße betroffen, bevorzugt die A. cerebri posterior, deren Ausfall zu einer homonymen Hemianopsie führt. Die Patienten sind meist nicht bewußtseinsgestört, nur selten kommt es zu gleichzeitigen Lähmungserscheinungen der Extremitäten. Infarkte im Kleinhirnbereich durch Verschluß von zerebellären Arterien können bei Entwicklung eines Ödems die Liquorabflußwege blockieren. Hieraus resultiert ein Verschlußhydrozephalus, der durch externe Liquordrainage über Bohrloch beseitigt werden muß. Die operative Infarktausräumung beseitigt die direkte Hirnstammkompression. Die Hirnvenen- und Sinusthrombose entwickelt sich meist innerhalb weniger Tage und ist durch Bewußtseinsstörung und Krampfanfälle gekennzeichnet. Die Diagnose stützt sich auf CT und Angiographie. Therapie der Wahl ist die sofortige Vollheparinisierung unter PTT-Kontrolle, die etwa um das 4 fache erhöht sein soll.
2. Schädel-Hirn-Verletzungen (SHV) Abgesehen von den unkomplizierten Schädelfrakturen unterscheidet man offene und gedeckte SHV. Wichtigste Komplikation ist das posttraumatische intrakranielle Hämatom. Einteilung: Schädelfrakturen: Kalotten-, Basisfrakturen Offene SHV: Impressionsfrakturen mit Durazerreißung, frontobasale und otobasale Fraktur mit Liquorfistel, posttraumatische Meningitis, Pneumozephalus, Pneumatozele, posttraumatischer Hirnabszeß Geschlossene SHV: Schädel-Hirn-Trauma (SHT) • I. Grades - Commotio cerebri • II. Grades Contusio cerebri, • III. Grades • posttraumatisches Hirnödem • posttraumatische intrakranielle }• Compressio cerebri
Hämatome: - epidurales, akutes subdurales, chronisches subdurales, intrazerebrales Hämatom. Komplikationen und Folgezustände nach SHV: • posttraumatischer Hydrozephalus und posttraumatische Epilepsie, • wachsende Fraktur bei Kindern und apallisches Syndrom.
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Schädel-Hirn-Verletzungen (SHV) Schädelfrakturen. Man unterscheidet Brüche des Schädeldaches und der -basis. Im Bereich des Schädeldachs können Biegungsbrüche durch unmittelbare, mehr umschriebene Gewalteinwirkung entstehen. Berstungsbrüche resultieren meist aus einer stumpfen Gewalteinwirkung mit Kompression des gesamten Schädels. Darüber hinaus kennt man Sprengungen der Schädelnähte, besonders im Bereich der Lambdanaht. Bruchlinien können breit klaffend sein, feine Haarrisse bezeichnet man als Fissuren; sie können sich gelegentlich dem röntgenologischen Nachweis entziehen. Schädelbrüche ohne Dislokation von Bruchstücken bedürfen keiner operativen Thera-
1. Schädelfrakturen
Schädelbasisbrüche sind Folge stumpfer Gewalteinwirkung auf den Schädel. Vielfach handelt es sich um in die Basis einstrahlende Kalottenfrakturen. Eine bevorzugte Lokalisation ist das Felsenbein mit Hämatotympanon, gelegentlich auch Fazialisschädigung oder Liquoraustritt aus dem Ohr.
Schädelbasisbrüche: in die Basis einstrahlende Kalottenfrakturen, bevorzugte Lokalisation: Felsenbein
2.1 Offene Schädel-Hirn-Verletzungen
2. Offene SHV
Definition. Offene SHV sind durch Duraverletzung gekennzeichnet. Hier besteht höchste Infektionsgefahr, da durch die eröffnete Dura Eitererreger in den intrakraniellen Raum mit der Gefahr von Meningitis, umschriebener Enzephalitis und Hirnabszeß eintreten können. Impressionsfrakturen mit Verlagerung von Knochenanteilen um mindestens Kalottenbreite müssen immer operativ gehoben werden. Eine besonders dringliche Operationsindikation stellen offene Impressionsfrakturen dar, bei denen es zusätzlich zu einer Zerreißung der Dura und gelegentlich auch einer Lazeration oberflächlicher Gehirnanteile gekommen ist. Sorgfältige Inspektion des Wundgrundes bei der Erstversorgung, um Hirnverletzung (weißlicher Hirndetritus) zu erkennen.
= Verletzung der Dura Cave: Infektionsgefahr mit Gefahr von Meningitis, Enzephalitis und Hirnabszeß Impressionsfrakturen, vor allem die offenen, müssen immer operativ versorgt werden. Durch sorgfältige Inspektion des Wundgrundes Hinweis auf Hirnverletzung (Austritt von weißlichem Hirndetritus). Röntgenaufnahme ist obligat
Jede Kopfschwartenverletzung muß genauestens untersucht werden. Eine Röntgenaufnahme des Schädels ist obligat. Bei frontalen Impressiohsfrakturen ist sehr häufig eine Verletzung der vorderen Schädelbasis mit Eröffnung der Liquorräume vorhanden (Abb. 2810). Dadurch kommt es zu einer Verbindung von Nasennebenhöhlen und Liquorraum (Liquorfistel) mit hoher Infektionsgefahr (Pneumokokken). Während der röntgenologische Nachweis von Schädelbasisfrakturen meist sehr schwierig ist, können aus dem klinischen Erscheinungsbild häufig Rückschlüsse gezogen werden. Ein Monokel- bzw. Brillenhämatom ist hochgradig verdächtig, ebenso Blut- oder Liquorausfluß aus Mund und Nase. Im Frühstadium der Verletzung können kleine Lufteinschlüsse in den Liquorräumen oder ein Pneumatozephalus wichtige Hinweise auf das Vorhandensein einer offenen Hirnverletzung mit Liquorfistel geben. Sie sind auf
frontale Impressionsfraktur (Abb. 28-10) Verletzung der vorderen Schädelbasis mit Eröffnung der Liquorräume -> Liquorfistel mit Infektionsgefahr Klinische Zeichen: Monokel- bzw. Brillenhämatom Blut- oder Liquorfiuß aus Mund und Nase weitere Hinweise: Lufteinschlüsse in den Liquorräumen Pneumatozephalus, erkennbar im CT
Fistel Liquor
Abb.28-10: Frontobasale Fraktur mit Liquorfistel im Bereich der Stirnhöhlenhinterwand (nach Schirmer 1984) Abb.28-11: CT der vorderen Schädelbasis. Frontobasales Schädel-Hirn-Trauma, Sturz aus großer Höhe. Die Pfeile zeigen auf Frakturierungen des Os frontale und auf intrakranielle Lufteinschlüsse
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28. Kopf, ZNS, periphere Nerven
Otogene Liquorfistel: Spontanheilung keine Meningitisgefahr Frontobasale Impression mit Liquorfistel: bei Liquoraustritt operativer Verschluß Meningitisgefahr!
Wichtigste Maßnahmen bei allen offenen SHV: wasserdichter Verschluß der Dura zur Infektionsverhinderung Entzündliche Komplikationen noch nach Monaten oder Jahren Spätkomplikationen: • Pneumatozele - Eintritt von Luft in eine Kontusionshöhle, bei deren Erwärmung raumfordernder Prozeß mit den Symptomen: - Kopfschmerzen - organisches Psychosyndrom - Bewußtseinsstörungen Später: - zerebrale Krampfanfälle - psychische Veränderungen
einer guten Schädelübersichtsaufnahme und insbesondere im zerebralen CT gut zu erkennen (Abb.28-11). Eine otogene Liquorfistel durch Fraktur im Felsenbein schließt sich fast immer durch Spontanheilung, ohne daß später mit der Gefahr einer Meningitis gerechnet werden muß. Anders liegen die Verhältnisse bei der frontobasalen Impression mit Liquorfistel. Hier muß bei Nachweis von Liquoraustritt unbedingt ein operativer Verschluß durchgeführt werden, da es eine dauerhafte Heilung kaum gibt und die Gefahr einer Meningitis besteht. Heute operiert man frontobasale Verletzungen mit „aufgeschobener Dringlichkeit", d.h. nach etwa einer Woche. Das infolge des Traumas häufig blutig-ödematös veränderte Frontalhirn ist dann weitgehend abgeschwollen und der Eingriff kann unter günstigeren Bedingungen durchgeführt werden. Die wichtigste Maßnahme bei allen offenen SHV ist der wasserdichte Verschluß der Dura, um eine intrakranielle Infektion zu verhindern. Bei nicht erkannter offener SHV kann es nach Wochen bis Jahren zu entzündlichen Komplikationen (Meningitis, Hirnabszeß) kommen. Eine Spätkomplikation stellt die Pneumatozele dar; dabei tritt Luft durch einen Ventilmechanismus in eine Kontusionshöhle ein. Durch Erwärmung der Luft entsteht in Verbindung mit diesem Mechanismus ein immer größer werdender raumfordernder Prozeß, der zunächst Kopfschmerzen und ein organisches Psychosyndrom, später sogar Bewußtseinsstörungen hervorrufen kann. An weiteren Spätkomplikationen sind zerebrale Krampfanfälle sowie psychische Veränderungen zu nennen, da es bei sehr vielen Patienten mit fronto-basalen Verletzungen zu ausgedehnten Kontusionen im Bereich des basalen Stirnhirns kommt.
3. Geschlossene Hirnverletzungen
2.2 Geschlossene Hirnverletzungen
SHT I.Grades: leichteste Form Gehirnerschütterung (Commotio cerebri)
• SHT I. Grades. Bei der Mehrzahl der SHV handelt es sich um geschlossene oder gedeckte Hirnverletzungen. Die leichteste Form ist die Gehirnerschütterung oder Commotio cerebri (SHT I. Grades).
Symptome:
—0 Dauer der Bewußtlosigkeit bis 15 min, keine Dauerbeschwerden!
Gedeckte SHV II. Grades: - bis einstündige Bewußtlosigkeit - bis 24stündige Bewußtseinseintrübung - Rückbildung neurologischer Störungen innerhalb eines Monats Symptome: - anhaltende Kopfschmerzen - Schwindel - Merk- und Konzentrationsschwäche Unterbringung in Intensivtherapiestation III. Grades • Symptome: - länger anhaltende Bewußtlosigkeit - schwere neurologische und vegetative Ausfälle - Temperaturregulationsstörungen - Entgleisung der Wasser- und Elektrolytbalance
Das Kardinalsymptom der Gehirnerschütterung ist die akute, sofort einsetzende Bewußtlosigkeit, während retrograde Amnesie und vegetative Reizsymptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen zwar häufige, aber nur fakultative Symptome sind. Die Bewußtlosigkeit hält etwa bis zu 15 min an, ein eventueller Dämmerzustand bis zu einer Stunde. Sämtliche Beschwerden klingen innerhalb weniger Tage oder Wochen ab. Es gibt keine Bedenken gegen eine Frühmobilisation, im allgemeinen kann der Patient eine Woche nach Verletzung das Krankenhaus verlassen. Keine Dauerbeschwerden. Der Begriff Contusio cerebri wird in SHT II. und III. Grades aufgegliedert. • Bei einer gedeckten SHV II. Grades kann es bis zu einstündiger Bewußtlosigkeit und bis zu einer 24 stündigen Bewußtseinseintrübung kommen; neurologische Störungen bilden sich meist innerhalb eines Monats zurück. Anhaltende Kopfschmerzen, Schwindelerscheinungen sowie Merk- und Konzentrationsschwäche, die man als posttraumatische Hirnleistungsschwäche bezeichnet, können über einen längeren Zeitraum bestehen. In der Initialphase sind diese Patienten stets bewußtlos. Die Unterbringung auf einer Intensivtherapiestation ist anzustreben, um frühzeitig intrakranielle Komplikationen (Hirnödem, intrakranielle Blutung) zu erfaßen. • Als SHT III. Grades wird eine schwere gedeckte SHV bezeichnet mit länger anhaltender Bewußtlosigkeit, schweren neurologischen und erheblichen vegetativen Ausfällen mit Temperaturregulationsstörungen, Entgleisung der Wasser- und Elektrolytbalance, Atmungs- und Kreislaufstörungen sowie Hormonausfällen (Diabetes insipidus). Ein posttraumatisches Hirnödem ist praktisch immer zu erwarten. Als Zeichen umschriebener Hirnläsionen werden fokale und generalisierte zerebrale Krampfanfälle beobachtet. Bei der Mittelhirneinklemmung im Tentoriumschlitz weisen die Patien-
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Schädel-Hirn-Verletzungen (SHV) ten über längere Zeit Streckkrämpfe und Pupillenstörungen auf. Ein SHT dieses Schweregrades hinterläßt fast immer erhebliche Ausfälle und bleibende Störungen. Letalität ca. 50%. Die Dauer der Bewußtlosigkeit bietet ein gutes Maß für das zu erwartende Spätergebnis. Neben der sorgfältigen klinischen Überwachung muß bei diesen Verletzten auch eine mehrfache Kontrolle des CT-Befundes erfolgen. Nur mit dieser Methode läßt sich in einer relativ frühen Phase das Ausmaß der Verletzungen einigermaßen abschätzen. Weisen sowohl der klinische Verlauf als auch das CT auf die Entwicklung eines generalisierten posttraumatischen Hirnödems hin, muß eine Senkung des intrakraniellen Druckes durch Hochlagern des Patienten, Beatmung und hirndrucksenkende Medikamente unter fortlaufender Messung des intrakraniellen Druckes durchgeführt werden. Die Substanzschädigung des Gehirns durch SHV resultiert aus Rotationsund Translationseffekten bei Beschleunigungs- bzw. Verzögerungstraumen. Einen speziellen Mechanismus der Schädelhirnverletzung stellt der Coupund Contre-coup-Effekt dar. Beim Aufprall des Schädels auf ein Hindernis kommt es aufgrund des an der Verletzungsstelle entstehenden Überdrucks zu einer Zerreißung von Gefäßen und damit zu einer Hirngewebeschädigung. A m sog. Gegenstoßpol entstehen gleichartige Verletzungen infolge von Unterdruck. Nach einer schweren gedeckten SHV erlangt der Patient das Bewußtsein nur langsam über verschiedene Zwischenstadien wieder. Nicht selten tritt eine Kontusionspsychose auf, die sich erst innerhalb von Wochen über die Bewußtseinstrübung und verschiedene Stadien des Durchgangssyndroms zurückbildet. Nach traumatischer Substanzschädigung des Gehirns können schwere neurologische und psychopathologische Defektzustände im Sinne von Lähmungen oder einer postkontusionellen organischen Wesensveränderung und traumatischer Hirnleistungsschwäche zurückbleiben, im Extremfall ein apallisches Syndrom. Auch eine posttraumatische Epilepsie kann die Folge eines schweren Schädelhirntraumas sein. Unter den Spätkomplikationen ist der posttraumatische Hydrozephalie als Folge einer schweren traumatischen Subarachnoidalblutung mit Verklebung der Liquorwege und damit gestörter Resorption des Hirnwassers zu nennen (Abb. 28-12). Ventilimplantation erforderlich!
- Atmungs- und Kreislaufstörungen - Hormonausfälle (Diabetes insipidus) - Hirnödem u. zerebrale Krampfanfälle - Gefahr der Mittelhirneinklemmung - bleibende Schäden Dauer der Bewußtlosigkeit ist ein Maß für das Spätergebnis • Therapie: - klinische Überwachung auf ITS - wiederholte Kontrolle durch CT Bei Hinweis auf Hirnödem Senkung des intrakraniellen Druckes durch: - Hochlagern des Patienten - Beatmung - hirndrucksenkende Medikamente unter fortlaufender intrakranieller Druckmessung Substanzschädigung des Gehirns durch Überdruck an der Verletzungsstelle und Unterdruck am Gegenstoßpol Contre-coup-Effekt.
Nach traumatischer Substanzschädigung des Gehirns Auftreten von: • Lähmungen • Wesensveränderungen • Hirnleistungsschwäche Extremfall: apallisches Syndrom und posttraumatische Epilepsie. Spätkomplikationen: posttraumatischer Hydrozephalus (Abb. 28-12). Behandlung: Ventilimplantation
Abb. 28-12: CT. Posttraumatischer Hydrozephalus. Deutlich sind periventrikuläre Dichteminderungen, insbesondere bifrontal, zu erkennen (s. Abb. 28-5)
2.2.1 Posttraumatisches Hirnödem Eine intrakranielle Drucksteigerung nach SHT (Compressio cerebri) wird durch ein primär traumatisches Hirnödem hervorgerufen, das häufig durch sekundäre hypoxische Schäden verstärkt wird. Nach morphologischen Ge-
Posttraumatisches Hirnödem -> intrakranielle Drucksteigerung nach SHT Verstärkung des Hirnödems durch sekundäre hypoxische Schäden
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Einteilung: • interstitielles Ödem: Ursache: Liquorabflußhinderung Therapie: Liquordrainage • vasogenes Ödem: Ursache: Störung der Blut-Hirn-Schranke mit Aufweitung der Endothelbrücken • zytotoxisches Ödem: Intrazelluläre Flüssigkeitsansammlung mit Verkleinerung des extrazellulären Raumes Therapie: - Beatmung mit Hyperventilation - Anheben des Oberkörpers - Onkotherapie mit hypertonen Lösungen - Osmotherapie (Kurzwirkung) - Diuretika mit Steroiden - Barbiturate
Posttraumatisches intrakranielles Hämatom: Komplikation bei gedecktem SHT Typischer Verlauf: • initiale Bewußtlosigkeit • symptomarmes Intervall • erneute Bewußtseinsstörung mit heftigen Kopfschmerzen und Erbrechen • mimische Fazialisschwäche später: • Ptosis • bei Vergrößerung des Hämatoms: Koma • Streckkrämpfe • bei Einklemmung von Schiäfenlappenteilen und bei Kompression des N. oculomotorius: weite, lichtstarre Pupille
• Endstadium: - Atemlähmung - Exitus letalis
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven sichtspunkten wird es in eine interstitielle, eine vasogene und eine zytotoxische Form eingeteilt. Das interstitielle Ödem tritt als Folge einer Liquorabflußbehinderung vorwiegend im periventrikulären extrazellulären Raum auf. Therapie der Wahl externe Liquordrainage. Das vasogene Odem ist am häufigsten und beruht auf einer Störung der Blut-Hirn-Schranke mit Aufweitung der Endothelbrücken. Es entwickelt sich hauptsächlich im Extrazellulärraum mit Betonung des Marklagers. Das zytotoxische Ödem stellt eine intrazelluläre Flüssigkeitsansammlung in allen Zellen mit Verkleinerung des extrazellulären Raumes dar. Eine rasch einsetzende Hypoxie mit Zusammenbruch der Natriumpumpe führt innerhalb kurzer Zeit zu einer Natriumanhäufung mit Wassernachstrom aus dem Extrazellulärraum. Die Therapie, wie auch beim vasogenen Ödem, stützt sich auf künstliche Beatmung mit Hyperventilation. Anheben des Oberkörpers wodurch der venöse Abfluß aus dem Schädelinnenraum unterstützt wird, sowie Kontrolle des systolischen Blutdruckes, der Werte von 140-160 m m H g nicht überschreiten soll. Außerdem wird eine Onkotherapie mit hypertonen Lösungen durchgeführt. Diuretika haben zusammen mit Steroiden nur bei längerer Gabe eine gewisse Wirksamkeit. Barbiturate werden bei der Therapie des posttraumatischen Hirnödems unter Blutspiegelmessungen, EEG-Kontrolle und Überwachung des intrakraniellen Druckes verabreicht (Nebenwirkungen).
2.2.2 Posttraumatische intrakranielle Hämatome Eine der häufigsten Komplikationen gedeckter SHV sind raumfordernde posttraumatische intrakranielle Hämatome. Beim klassischen Verlauf des Hämatoms kommt es nach initialer Bewußtlosigkeit infolge Commotio cerebri nach einem freien oder symptomarmen („luziden") Intervall zu einer erneuten Bewußtseinsstörung, die sich mit heftigen Kopfschmerzen und Erbrechen anbahnen kann. Zunächst wird eine mimische Fazialisschwäche beobachtet, später eine Ptosis auf der Seite des Hämatoms durch beginnende Okulomotoriusparese. Bei weiterer Vergrößerung des Hämatoms wird der Patient komatös, es entwickelt sich eine spastische Parese kontralateral zum Hämatom, später folgen Streckkrämpfe, die zunächst einseitig, im Endstadium doppelseitig auftreten. Auf der Seite des Hämatoms bildet sich eine Mydriasis mit lichtstarrer Pupille, die durch Einklemmung der medialen Schläfenlappenanteile im Tentoriumschlitz und Kompression des N. oculomotorius hervorgerufen wird. Bei weiterer fortschreitender Mittelhirneinklemmung wird auch die zweite Pupille weit und reaktionslos. Letztlich kommt es zum Zusammenbruch aller zentralen Funktionen mit Atemlähmung und Exitus letalis. Spätestens im Stadium der beginnenden Mittelhirneinklemmung mit Mydriasis und kontralateraler Parese muß die Diagnose gestellt und das Hämatom ausgeräumt werden.
typisch für epidurales Hämatom!
Dieser klassische Verlauf ist typisch für das epidurale Hämatom im Gefolge einer Schädelfraktur, die zu einer Zerreißung der A. meningica geführt hat (Abb. 28-13). Bei akuten subduralen Hämatomen besteht meist eine primär anhaltende Bewußtlosigkeit.
Sicherung der Diagnose durch CT
Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch CT (Abb. 28-14). Auch beim epiduralen Hämatom kennt man solche Verläufe, wenn stärkere Begleitverletzungen des Gehirns vorliegen. Andererseits kann die Diagnose des epiduralen Hämatoms bereits im präklinischen Stadium, noch bevor der Patient das Bewußtsein verloren hat, gestellt werden, wenn die Schädelübersichtsaufnahmen eine hämatomverdächtige Frakturlinie zeigen und eine entsprechende Minimalsymptomatik im Entstehen begriffen ist.
Die Prognose nach Entleerung eines akuten intrakraniellen Hämatoms richtet sich in erster Linie nach der Ausgangslage. Bei Patienten mit epidu-
Schädel-Hirn-Verletzungen (SHV)
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Abb. 28-13: CT. Akutes epidurales Hämatom temporal rechts. Blutung aus Ästen der A. meningica. Druckgradient in Richtung Tentoriumschlitz! Abb. 28-14: CT. Akutes subdurales Hämatom nach schwerer SHV (—>), Verlagerung der Mittellinienstrukturen zur Gegenseite. Operative Behandlung äußerst dringend! Stadium Verlagerung
Kopfschmerz
lokaler Druck
Dösigkeit, mimische Schwäche
Uncinatuseinklemmung
einseitige Pupillenerweiterung, Stupor
fortgeschrittene Mittelhirneinklemmung im schlitz Medullaversagen u. Tonsilleneinklemmung im Hinterhauptsloch
Abb. 28-15: Ablauf eines klassischen epiduralen Hämatoms in der Temporalregion (nach R.S. Hooper)
ralem Hämatom im Stadium der beginnenden Mittelhirneinklemmung ist mit einer 90 % igen Überlebenswahrscheinlichkeit zu rechnen; bei den sehr dramatischen und foudroyant verlaufenden akuten subduralen Hämatomen sind nur ca. 10 % der Patienten zu retten. Auch diese weisen meist schwere Ausfälle auf. Prädilektionsstellen. Epidurale Hämatome sind überwiegend in der Temporo-Parietal-Region lokalisiert, folgend dem Verlauf der A. meningica media (Abb. 28-15). In seltenen Fallen kommt es aus Ästen der A. ethmoidalis zu einem epiduralen Hämatom im Frontalbereich, das wegen des axialen Druckes perakut verlaufen kann.
Epidurale Hämatome im Bereich der hinteren Schädelgrube führen frühzeitig zu Atemstörungen; Blutungen in dieser Lokalisation stammen meist aus verletzten Sinus, seltener aus Arterien.
Prognose: • bei beginnender Mittelhirneinklemmung durch sofortige operative Entleerung der Blutung gute Überlebenswahrscheinlichkeit • bei schwer verlaufendem akutem subduralem Hämatom nur in 10% Erfolg Verschlechterung der Chancen durch das hypoxisch bedingte Hirnödem Lokalisation: • epidurale Hämatome: meist in derTemporo-Parietal-Region lokalisiert Im Bereich der hinteren Schädelgrube: frühzeitig Atemstörungen (Abb. 28-13, 15)
28. K o p f , Z N S , p e r i p h e r e N e r v e n
282 • akutes subdurales Hämatom: Rindenkontusionsherde mit Zerreißung von Arterien (Abb. 28-14) • intrazerebrale Hämatome: Einblutung in kontusioniertes Hirngewebe mit häufig ungünstiger Prognose Wenn raumfordernd: operative Behandlung CT ist das beste diagnostische Verfahren!
D a s akute subdurale Hämatom s t a m m t in d e r M e h r z a h l d e r Fälle aus R i n d e n k o n t u s i o n s h e r d e n mit Z e r r e i ß u n g v o n A r t e r i e n , seltener aus abgerissenen Brückenvenen. A u c h intrazerebrale Hämatome n a c h S H T k ö n n e n r a u m f o r d e r n d w e r d e n u n d b e d ü r f e n d a n n der o p e r a t i v e n B e h a n d l u n g . E s h a n d e l t sich d a b e i u m E i n b l u t u n g e n in k o n t u s i o n i e r t e s H i r n g e w e b e . P r o g n o s e ungünstig. Kleinere, teils k o n f l u i e r e n d e , teils m e h r s c h n e e g e s t ö b e r a r t i g e B l u t u n g e n im H i r n parenchym bedürfen keiner operativen Behandlung. U n t e r d e n diagnostischen Methoden steht die C T a n der Spitze. Nur bei foudroyanter Hämatomentwicklung muß auch im kleineren Krankenhaus sofort eine Entlastungstrepanation über Bohrlöcher erfolgen.
Operative Behandlung intrakranieller raumfordernder Hämatome: dringlich: • bei nicht reagierenden Pupillen muß Hämatom innerhalb von 45 min entleert sein, sonst keine Überlebenschancen • bei zentraler Atemlähmung Ausräumung innerhalb von 25-30 min (Abb. 28-17) Komplikation: • chronisches subdurales Hämatom mit - Kopfschmerzen - Antriebsarmut - Wesensveränderung - Bewußtseinsstörung - später: neurologische Ausfälle
D i e operative Behandlung ist meist sehr dringlich, d a die Ü b e r l e b e n s w a h r scheinlichkeit u n d die -qualität v o n d e r D a u e r der M i t t e l h i r n k o m p r e s s i o n a b h ä n g e n . W e n n bereits beiderseits ü b e r m i t t e l w e i t e , nicht m e h r auf Licht r e a g i e r e n d e Pupillen vorliegen, d a n n b e s t e h t n u r eine Ü b e r l e b e n s c h a n c e , w e n n ein H ä m a t o m spätestens i n n e r h a l b v o n 45 min n a c h E i n t r i t t d e r Lichtstarre e n t l e e r t ist. Bei zentraler Atemlähmung s t e h t h ö c h s t e n s n o c h ein Z e i t r a u m v o n 2 5 30 m i n f ü r die A u s r ä u m u n g zur V e r f ü g u n g . In A b b i l d u n g 28-16 ist das diagnostische u n d t h e r a p e u t i s c h e V o r g e h e n b e i m frischen S H T aufgezeigt. E i n e b e s o n d e r e posttraumatische Komplikation stellt das chronische subdurale Hämatom dar, das ein- o d e r doppelseitig v o r k o m m t ( A b b . 28-17). D i e P a t i e n t e n w e r d e n auffällig d u r c h K o p f s c h m e r z e n , A n t r i e b s a r m u t , Wesensv e r ä n d e r u n g , schließlich B e w u ß t s e i n s s t ö r u n g e n , erst später n e u r o l o g i s c h e Ausfälle. Meist h a n d e l t es sich u m ältere M e n s c h e n jenseits d e s 60. L e b e n s jahres. H ä u f i g findet m a n ein leichtes o d e r mittelschweres S H T in d e r Vorgeschichte. D e r zeitliche A b s t a n d zu dieser Verletzung beträgt meist 4 Wo-
Schädel-Hirn-Verletzter mit Hämatomverdacht Echoenzephalographie
CT (wahlweise Angiographie)
/ epidurales Hämatom, akutes subdurales Hämatom
beginnende Einklemmung
Abb.28-16: Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen beim frischen SHT in Abhängigkeit von den apparativ-diagnostischen Möglichkeiten (nach Kazner u. Grumme 1982)
\ Hirnkontusion (generalisiertes Ödem oder Kontusionsblutungen)
Mittelhirneinklemmung
a) Transport in Spezial abtlg. oder b) Trepanation, falls Voraussetzung vorhanden
MittellinienVerlagerung (>5mm)
neuro beginchirurgi- nende sches EinKonsil klemevtl. Ver mung legung in Spezial abteilung
a) Transport nur bei kurzer Entfernung der Spezialabtlg. b) möglichst Nottrepanation
keine Mittellinienverlagerung-• abwarten, bei weiterbestehendem Hämatomverdacht CT anstreben
Mittelhirneinklemmung
wie bei CT
keine apparative Zusatzdiagnostik möglich
Einklemmung, hochgradiger Verdacht auf epidurales Hämatom
Verdacht auf intrakranielle Komplikation, beginnende Einklemmung
kein Transport zu CT oder Neurochirurgie. Nottrepanation (Bohrloch methode)
Transport zum CT, wo auch neuro chirurgische Versorgung möglich
Spaltfehlbildungen, pathologisches Kopfwachstum chen und länger. Bisweilen fehlen Hinweise auf ein Trauma. Durch Wassereinlagerung bei der Verflüssigung „wächst" das Hämatom, deshalb treten häufig erst später neurologische Symptome auf. Die Therapie besteht in der operativen Entleerung der verflüssigten Blutung über ein oder mehrere Bohrlöcher (Abb. 28-17).
283
Therapie: • operative Entleerung über Bohrlöcher
3. Spaltfehlbildungen, pathologisches Kopfwachstum 3.1 Spaltfehlbildungen
Spaltfehlbildungen
D e r größte Teil der Spaltmißbildungen ist auf eine Störung des Medullarrohrverschlusses zurückzuführen, man spricht von dysraphischen Störungen.
Enzephalozele, Myelomeningozele, Dermalsinus Spaltmißbildung ist Störung des Medullarrohrverschlusses 1. Enzephalozele Verlagerung von Hirnteilen durch Defekt in der Schädelkapsel. A m häufigsten über der Hinterhauptschuppe, manchmal faustgroß. Auftreten oftmals in der Stirnmitte an der Nasenwurzel
Bei der Enzephalozele kommt es zu einer Verlagerung von Hirnteilen durch einen kleineren oder größeren Defekt in der Schädelkapsel, meist im Bereich der Mittellinie. A m häufigsten finden sich Enzephalozelen über der Hinterhauptschuppe, sie können dort faustgroß werden. In solchen Fällen treten nicht nur Hirnteile, sondern auch Abschnitte der Seitenventrikel in die Zele ein, man bezeichnet eine derartige Fehlbildung als Enzephalozystozele. Nicht selten treten Enzephalozelen in der Stirnmitte an der Nasenwurzel auf; gelegentlich werden sie auch im Nasenrachenraum beobachtet bei Defekten im Bereich der Schädelbasis. Bei der Myelomeningozele, die überwiegend im lumbosakralen Bereich auftritt, liegt eine Spaltbildung der Wirbelsäule mit Fehlen mehrerer Wirbelbögen vor (Abb. 28-18). Der Zelensack sitzt der Unterlage breit auf. Er ist in einigen Fällen nur zart mit meningealem Gewebe überhäutet, manchmal sogar offen, in einem Teil der Fälle jedoch mit einer schützenden Hautschicht bedeckt, z. T. mit einem ausgedehnten Fettpolster kombiniert oder in ein Lipom übergehend (Lipo-Myelomeningozele). Im Sack endet das Rückenmark, die Cauda equina ist häufig nicht richtig angelegt. Hieraus resultieren nicht selten Blasenmastdarmstörungen sowie partielle oder auch vollständige Querschnittssyndrome mit Paraparese. Bei einfachen Fehlbildungen am Rückenmarkskanal bilden nur Hirnhäute und Liquor den Bruchinhalt, man spricht von Meningozele. Die Spina bifida occulta, eine Spaltbildung der Wirbelbögen im unteren Lendenwirbelsäulenbereich, über der sich nicht selten eine verstärkte Behaarung erkennen läßt, ist oft mit neurologischen Ausfällen, z.B. Blasenstörungen kombiniert.
2. Myelomeningozele Spaltbildung der Wirbelsäule mit Fehlen mehrerer Wirbelbögen. Der Zelensack sitzt der Unterlage breit auf. Manchmal mit ausgedehntem Fettpolster kombiniert Das Rückenmark endet im Sack. Folge: partielle oder vollständige Querschnittssyndrome mit Paraparese (Abb. 28-18) 3. einfachere M i ß b i l d u n g e n a m Rückenmarkskanal: Meningozele 4. Spina bifida occulta: S p a l t m i ß b i l d u n g der Wirbelbögen im unteren Lendenwirbelsäulenbereich, oft v o n neurologischen Ausfällen begleitet
Abb. 28-17: CT. Chronisches subdurales Hämatom (Pfeile). Entlastung über Bohrlochtrepanation mit temporärer Drainage Abb. 28-18. Spinale Spaltfehlbildungen (nach Schirmer 1984): a. spinale Meningozele, b. lumbosakrale Meningeomyelozele, c. Myelozystozele, d. Myelozele
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28. Kopf, ZNS, periphere Nerven
5. D e r m a l s i n u s Meist über O s s a c r u m , Gefahr der Meningitis
E i n e b e s o n d e r e F o r m d e r S p a l t m i ß b i l d u n g ist d e r D e r m a l s i n u s , d e r ü b e r w i e g e n d ü b e r d e m O s s a c r u m b e o b a c h t e t wird. A n d e r H a u t zeigt sich o b e r h a l b d e r C r e n a ani e i n e k l e i n e t r i c h t e r f ö r m i g e E i n z i e h u n g , a u s d e r sich gelegentlich S e k r e t a b s o n d e r t . H ä u f i g r e i c h t v o n h i e r a u s ein H a u t t r i c h t e r d u r c h e i n e W i r b e l s p a l t e bis auf d e n D u r a l s a c k . Auf d i e s e W e i s e k a n n e i n e M e n i n g i t i s e n t s t e h e n . M a n c h m a l setzt sich d i e F e h l b i l d u n g i n t r a d u r a l weiter f o r t in F o r m e i n e s L i p o f i b r o m s , d a s in d e n u n t e r s t e n A b s c h n i t t e n d e s D u r a l s a c k e s liegt.
Operative B e h a n d l u n g • kleine E n z e p h a l o z e l e n an der B a s i s abtragen • g r ö ß e r e Enzephalozelen: Z u r ü c k v e r l a g e r u n g v o n Großhirnanteilen in d e n intrakraniellen R a u m , S c h ä dellücke plastisch verschließen u n d abdecken • offene Myelomeningozelen: plastische D e c k u n g . P r o g n o s e hinsichtlich der Plegie sehr u n g ü n s t i g . G u t überhäutete M y e l o m e n i n g o z e l e n resezieren. Bei Kindern o h n e n e u r o l o g i s c h e A u s f a l l e r s c h e i n u n g e n Operation s c h o n w e n i g e T a g e nach der Geburt
Operative Behandlung Kleinere Enzephalozelen werden an ihrer Basis abgetragen. Die Schädellücke wird durch eine Faszienplastik verschlossen. Bei größeren Enzephalozelen wird man versuchen, vorgefallene Großhirnanteile in den intrakraniellen Raum zurückzuverlagern, um dann unter Zuhilfenahme des Bruchsackes die Schädellücke plastisch zu verschließen. Man kann etwa bis zum 3. Lebensmonat mit dem Eingriff warten. Offene Myelomeningozelen werden aus pflegerischen Gründen und zur Vermeidung von Infektionen plastisch gedeckt. Die Prognose hinsichtlich der Plegie ist sehr ungünstig. Gut überhäutete Myelomeningozelen werden reseziert. Das Nervengewebe verlagert man in den breit offenen Rückenmarkskanal, der dann durch Faszienplastik verschlossen wird. Der Verschluß der Haut erfolgt durch Verschiebeplastik. Bei Kindern mit weitgehend erhaltener Funktion in den unteren Extremitäten oder nur geringen neurologischen Ausfallerscheinungen wird man sich schon wenige Tage nach der Geburt zur Operation entschließen. Meningozelen ohne Inhalt von Nervengewebe stellen kein besonderes operatives Problem dar. Bei Kindern mit Myelomeningozelen kommt es aufgrund der Blasenmastdarmstörungen nicht selten zur Pyelitis und Pyelonephritis. Frühzeitige Betreuung derartiger Kinder durch speziell geschulte Urologen ist unerläßlich. Eine begleitende Fehlbildung der Myelomeningozele stellt die als Arnold-ChiariFehlbildung bezeichnete Veränderung im Bereich des kranio-spinalen Überganges dar. Hierbei besteht ein Tiefstand der kaudalen Hirnstammabschnitte und der Kleinhirntonsillen, die durch das Hinterhauptsloch bis in den Spinalkanal reichen. Der Ausgang des 4. Ventrikels findet sich unterhalb des Niveaus des Foramen Magendi. In diesen Fällen entsteht ein Okklusionshydrozephalus, der operativer Therapie bedarf. Ein offener Dermalsinus wird immer entfernt, einschließlich der bis auf den Duralsack reichenden Hautbrücke, um spätere Meningitiden sicher zu verhindern. Die häufig begleitenden Lipofibrome sind meist nicht ohne Inkaufnahme neurologischer Ausfälle zu resezieren, da enge Verbindungen zu den Kaudawurzeln bestehen.
K o m p l i k a t i o n e n im Bereich der Harnw e g e m a c h e n frühzeitige Betreuung d u r c h g e s c h u l t e U r o l o g e n notwendig Arnold-Chiari-Fehlbildung Tiefstand d e s kaudalen H i r n s t a m m s und der Kleinhirntonsillen
Dermalsinus: i m m e r operative Entfern u n g , begleitende Lipofibrome k ö n n e n oft nicht o h n e n e u r o l o g i s c h e A u s f ä l l e reseziert w e r d e n
Pathologisches Kopfwachstum
3.2 Pathologisches Kopfwachstum
1. Kraniostenosen d . s . vorzeitige Verknöcherung einzelner S c h ä d e l n ä h t e mit unterschiedlichem Erscheinungsbild: • Skaphozephalus: schmaler Längsschädel • Plagiozephalus: Verknöcherung der Koronarnaht • Brachyzephalus: doppelseitiger Befall der Koronarnaht • M . C r o u z o n : gleichzeitige G e s c h l o s s e n heit der b a s a l e n Nähte • Trigonozephalus: bei Betroffenheit der S u t u r a metopica • Turrizephalus: vorzeitige Verknöcher u n g der K o r o n a r n a h t und des v o r d e r e n A b s c h n i t t s der Pfeilnaht Diagnose: - klinisch - Röntgenbild Operative Korrektur i m 3. L e b e n s m o n a t . N o r m a l e S c h ä d e l f o r m kann erreicht werden, w e n n Operation rechtzeitig erfolgt
Kraniostenosen einschließlich Turrizephalie: Bei anlagebedingter vorzeitiger Verknöcherung einzelner oder mehrerer Schädelnähte entstehen sog. Kraniostenosen, die ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild hervorrufen können. Eine Synostose der Sagittalnaht führt zu einem schmalen Langschädel, dem Skaphozephalus, eine einseitige vorzeitige Verknöcherung der Koronarnaht zu einem Plagiozephalus mit typischem, einseitig eingedrückt wirkenden Schädel. Doppelseitiger Befall der Koronarnaht ruft ein charakteristisches Aussehen mit abgeflachter Stirn und verkürzter vorderer Schädelgrube hervor, den Brachyzephalus. Eine noch komplexere Mißbildung des Schädels, bei dem auch basale Nähte vorzeitig geschlossen sind, stellt der Morbus Crouzon dar. Ist die Sutura metopica betroffen, so entsteht ein Trigonozephalus. Beim Turrizephalus sind die Koronarnaht und der vordere Abschnitt der Pfeilnaht vorzeitig verknöchert. Die Diagnose läßt sich meist schon aus dem klinischen Aspekt stellen. Sie wird durch das charakteristische Röntgenbild mit vorzeitigem Verschluß der betreffenden Naht bzw. Nähte untermauert. Die operative Korrektur sollte etwa im 3. Lebensmonat erfolgen. Dabei werden die betroffenen Nahtabschnitte reseziert, die Knochenränder mit Dacron oder lyophilisierter Dura umlagert, um eine erneute Verknöcherung zu verhindern. Dadurch ist ein weitgehend normales Schädelwachstum gewährleistet. Bei zu später Korrektur wird sich der Schädel kaum noch natürlich ausformen. Bei komplexen Mißbildungen im Bereich der Koronarnähte und der basalen Nähte wird nach Resektion der Koronarnähte die vordere Schädelbasis mobilisiert und nach vorne verlagert, wobei auch eine Vergrößerung der Orbitae erreicht wird (lateral canthal advancement).
Spaltfehlbildungen, pathologisches Kopfwachstum Subdurale Ergüsse: Subdurale Ergüsse und Hämatome im Kindesalter haben vielfältige Ursachen: nach SHT, z.B. geburtstraumatischen Blutungen, bei Stoffwechselerkrankungen, im Rahmen von Infektionen, insbesondere nach Influenza-Meningitis. In vielen Fällen bleibt die Genese auch unbekannt. Die Kinder fallen durch eine gespannte, vorgewölbte große Fontanelle auf, die Stirn wölbt sich bei längerem Bestehen eines subduralen Ergusses ähnlich wie bei einem Hydrozephalus (caput quadratum). Die Diagnose wird sonographisch oder computertomographisch gestellt. Am Augenhintergrund finden sich typische chorioretinale Blutungen. Therapie: Bei länger bestehenden Ergüssen kommt es zur Membranbildung. Kleine Ergüsse können durch Fontanellenpunktion ausgeheilt werden, bei größeren ist eine mehrtägige Drainage nach außen erforderlich. Bei sehr großen Ergüssen kann eine innere Dauerdrainage über ein Ventil erforderlich werden. Ein Teil der Kinder behält Spätfolgen (Entwicklungsverzögerung) zurück, bei 20-30 % später zerebrale Krampfanfälle. Frühkindlicher Hydrozephalus: Beim Hydrozephalus des Kindesalters werden 2 Grundformen unterschieden: • Hydrocephalus occlusus durch Verschluß der Liquorwege, meistens im Bereich des Aquädukts oder des 4. Ventrikels. Er kann angeboren sein durch membranösen Verschluß im Bereich des Aquaeductus Sylvii oder erworben nach Meningitis. Besonders häufig ist eine Coli-Meningitis Ursache eines Verschlußhydrozephalus. Mangelhafte Liquorresorption sieht man nicht selten nach geburtstraumatischen Blutungen.
285 2, Subdurale Ergüsse Ursachen: - SHT - Stoffwechselerkrankungen, bei Infektionen, besonders nach InfluenzaMeningitis Symptome: • gespannte, vorgewölbte große Fontanelle • gewölbte Stirn wie bei Hydrozephalus Diagnose: - Sonographie, CT - Augenhintergrund typische chorioretinale Blutungen Therapie: kleine Ergüsse: Fontanellenpunktion größere Ergüsse: mehrtägige Drainage sehr große Ergüsse: innere Dauerdrainage Folgen: Entwicklungsverzögerung, zerebrale Krampfanfälle 3. Frühkindlicher Hydrozephalus 2 Grundformen: 1. Hydrocephalus occlusus: Verschluß der Liquorwege Besondere Form: Arnold-Chiari-Syndrom
Eine besondere Form des frühkindlichen Hydrozephalus stellt die Erweiterung der Hirnkammern beim Arnold-Chiari-Syndrom mit Myelomeningozele dar.
• Hydrocephalus communicans. Dabei unterscheidet man Formen, die auf einer Überproduktion von Liquor beruhen (H. hypersecretorius) oder auf eine mangelnde Rückresorption des Liquors zurückzuführen sind (H. malresorptivus). Ein Hydrocephalus hypersecretorius wird vor allem bei Hyperplasie der Plexus choroidei oder beim Plexuspapillom beobachtet. Durch das Mißverhältnis zwischen Liquorproduktion und -resorption bzw. aufgrund einer Blockade der Liquorwege kommt es rasch zu einer Erweiterung der Hirnkammern, der bald eine Vergrößerung des Hirnschädels folgt. Der Kopfumfang nimmt fortlaufend zu, der Schädel wird ballonartig aufgetrieben, die Kopfhaut dünn und durchscheinend. In fortgeschrittenen Stadien kommt es zum „Sonnenuntergangsphänomen". Bald entsteht ein Mißverhältnis zwischen Kopf und Körper des Kindes, so daß der Kopf nicht mehr gehalten werden kann. Die Verdachtsdiagnose kann aufgrund des typischen Aspekts leicht gestellt werden.
Abb. 28-19: Ventrikuloatriale Liquorableitung über ein Ventilsystem
2. Hydrocephalus communicans: • Ursache: Überproduktion oder mangelnde Rückresorption des Liquors
Folge: Erweiterung der Hirnkammern -> Vergrößerung des Hirnschädels - » Z u nahme des Kopfumfangs -»Schädel ballonartig aufgetrieben —> Kopfhaut dünn und durchscheinend —> Sonnenuntergangsphänomen Mißverhältnis zwischen Kopf und Körper -» Kopf kann nicht mehr gehalten werden
286 Diagnostik: - Überwachung des Kopfumfangs - Sicherung durch CTund Ultraschall - Ausschluß eines intrakraniellen Tumors
Operative Behandlung Beseitigung des Mißverhältnisses zwischen Liquorproduktion und Resorption Ableitung des Liquors aus den Seitenventrikeln über Drainagesystem: über Bohrloch Silikongummikatheter in die erweiterten Seitenventrikel - > A n s c h l u ß eines Ventils - » Katheter über V. facialis in V.jugularis interna und V.cava in den rechten Herzvorhof oder in den Peritonealraum (Abb. 28-19)
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven Diagnostik: Bei routinemäßiger Überwachung der Kopfumfangskurve wird ein Abweichen von der Norm rasch erkennbar, bevor schwere Veränderungen am Schädel und am Gehirn auftreten. Mit Hilfe der Ultraschalltechnik, zuverlässiger jedoch mit der Computertomographie wird die Diagnose gesichert. Die Computertomographie ist vor allen Dingen zum sicheren Ausschluß eines intrakraniellen Tumors unerläßlich. Operative Behandlung: Das Prinzip besteht in der Beseitigung des Mißverhältnisses zwischen Liquorproduktion und -resorption. Dies wird erreicht durch Ableitung des Liquors aus den Seitenventrikeln über ein Drainagesystem entweder in den rechten Herzvorhof (ventrikulo-atriale Drainage, Abb. 28-19) oder in den Peritonealraum (ventrikulo-peritoneale Drainage).
4. Spinalkanal
Raumfordernde Prozesse des Spinalkanals Arten raumfordernder Prozesse
4.1 Raumfordernde Prozesse
Geschwulstlokalisationen im Wirbelkanal (Abb. 28-20): • extradurale Tumoren • intradurale Tumoren - extramedulläre Tumoren - intramedulläre Tumoren • intra- und extradurale Tumoren 1.Tumoren im Extraduralraum meist Malignóme, seltener Neurofibrome. Vordringen des Tumoranteils durch ein Wirbelloch bis in den Thorax (Sanduhrgeschwulst). 2. intradurale extramedulläre Tumoren: meist Meningeome und Neurinome 3. intradurale intramedulläre Tumoren: meist Astrozytome
Im Wirbelkanal unterscheidet man nach den Lagebeziehungen zu den Meningen und den Nervenstrukturen folgende Geschwulstlokalisationen (Abb. 28-20) • extradurale Tumoren, intra- und extradurale Tumoren, • intradurale extra- und intramedulläre Tumoren. Bei den Tumoren im Extraduralraum handelt es sich meist um Malignóme (maligne Lymphome, Plasmozytome, Granulome bei M.Hodgkin, Karzinommetastasen), seltener um Neurofibrome, die auch gleichzeitig intradural entwickelt sein können oder mit einem Tumorzapfen bzw. größeren Tumoranteil durch ein Wirbelloch bis in den Thorax oder das Retroperitoneum vordringen können (Sanduhrgeschwulst). Intradurale extramedulläre Tumoren sind im wesentlichen Meningeome und Neurinome. Im Kaudabereich kommen Ependymome und Epidermoide sowie Wurzelneurinome vor. Unter den intramedullären Tumoren sind vor allem Astrozytome (Stiftgliome) zu nennen.
Metastasierende Karzinome:
= i >
Medulläre Querschnittssyndrome: hervorgerufen durch:
4.1.1 Arten raumfordernder Prozesse, klinische Anatomie
In die Wirbelknochen metastasierende Karzinome führen zu einer Rückenmarkkompression entweder durch Zusammenbruch des Wirbelkörpers oder durch manschettenförmiges Tumorwachstum im Epiduralraum. Am häufigsten werden Metastasen in den Wirbelkörpern bei Bronchial-, Mamma-, Prostatakarzinom und Hypernephrom beobachtet. Erstsymptom: Rückenschmerzen. Vor Auftreten neurologischer Ausfälle klagen die Patienten meist über Rückenschmerzen. Medulläre Querschnittssyndrome können außer durch Tumoren und Metastasen auch durch zervikale Bandscheibenprozesse hervorgerufen werden.
Abb. 28-20: Prädilektionsstellen für spinale Tumoren: a. Extraduraler, aus dem Wirbelkörper hervorwachsender Tumor, b. Intraduraler, extramedullärer Tumor, c. Sanduhrneurinom, d. Intramedullärer Tumor (Tumor jeweils dunkel schraffiert)
Spinalkanal
287
B e i m akuten medialen zervikalen Bandscheibenvorfall entsteht ein m e h r o d e r w e n i g e r a u s g e p r ä g t e s Q u e r s c h n i t t s b i l d , m e i s t in K o m b i n a t i o n m i t r a d i k u l ä r e n S y m p t o m e n a n d e n A r m e n . P a r a s p a s t i k u n d s p i n a l e A t a x i e bis zur G e h u n f ä h i g k e i t werden beobachtet. Bei zahlreichen Patienten treten n e b e n M i k t i o n s s t ö r u n g e n a u c h S c h m e r z e n in d e n B e i n e n ( S p a n n u n g s - u n d Kribbelgefühl) auf. Nicht selten wird bei e i n e m weichen m e d i o l a t e r a l e n B a n d s c h e i b e n v o r f a l l ein spinales H a l b s e i t e n s y n d r o m nach Brown-Sequard beobachtet. Medulläre Kompressionssyndrome mit langsam progredienter E n t w i c k l u n g w e r d e n b e i Enge des Spinalkanals im Halswirbelsäulenbereich durch osteophytäre Randleisten an den Wirbelkörperhinterkanten hervorg e r u f e n . D i e als zervikale Myelopathie b e k a n n t e E r k r a n k u n g ist m e i s t a u f chronische B a n d s c h e i b e n s c h ä d e n im mittleren und unteren H W S - B e r e i c h z u r ü c k z u f ü h r e n , n i c h t s e l t e n in K o m b i n a t i o n m i t e i n e r a n g e b o r e n e n E n g e d e s z e r v i k a l e n S p i n a l k a n a l s ( A b b . 28-21). Klinische Anatomie. Das Rückenmark zeigt auf d e m Querschnitt Anteile grauer und weißer Substanz. Die graue Substanz im Z e n t r u m in schmetterlingsartiger Figur stellt eine Ansammlung von Nervenzellen dar, in denen Nervenbahnen umgeschaltet werden. In der weißen Substanz verlaufen die Leitungsbahnen vom und zum Gehirn in umgrenzten Faserbündeln. Während die für die Willkürmotorik zuständige Pyramidenbahn ebenso wie die Hinterstrangbahn in der Medulla oblongata zur Gegenseite kreuzen bzw. nach Umschaltung zum Thalamus und zur Großhirnrinde der Gegenseite ziehen, kreuzen die Schmerz- und Temperaturbahn im Rückenmarkssegment zur Gegenseite und erreichen dann den Tractus spinothalamicus. Aus dieser Führung der wichtigsten Rückenmarksbahnen erklärt sich das Phänomen der dissoziierten Empfindungsstörung bei halbseitigen Rückenmarksläsionen. Schmerz- und Temperaturausfall liegt stets kontralateral zur Parese und zur Störung der epikritischen Sensibilität. Neurophysiologische und pathophysiologische Voraussetzungen zur Symptomatik. Bei spastischen Lähmungen liegt eine Schädigung des ersten motorischen Neurons vor (motorische Hirnrinde in der Zentralregion bis Vorderhorn im Rückenmarksegment); eine schlaffe Parese beruht auf einer Schädigung des zweiten motorischen Neurons (motorische Vorderhornzelle bis motorische Endplatte am Muskel). D a die Medulla spinalis und damit das erste motorische Neuron in H ö h e des 12. Brustwirbels/1. Lendenwirbels endet und unterhalb nur noch die Cauda equina mit dem 2. motorischen N e u r o n verläuft, führen Tumoren und andersartige r a u m f o r d e r n d e Prozesse im lumbosakralen Abschnitt des Wirbelkanals nur zu schlaffen Lähmungen. Beim kompletten Kaudaquerschnitt treten Sphinkterstörungen an Blase und Mastdarm auf. D e r Sphinkter hat dabei einen schlaffen Tonus. Bei bestimmten Störungen kommt es auch zu einer Tonuserhöhung der Sphinktermuskulatur mit Unfähigkeit zur Miktion.
Abb.28-21: MRT. Medulläres Querschnittssyndrom infolge medialem Bandscheibenvorfall in Höhe C / C j ( P f e i l e )
- zervikale Bandscheibenprozesse (Abb. 28-21) - Tumoren - Metastasen • Akuter zervikaler Bandscheibenvorfall: - ausgeprägtes Querschnittsbild in Kombination mit radikulären S y m p t o m e n an den A r m e n - Paraspastik - spinale Ataxie, z.T. Gehunfähigkeit - Miktionsstörungen - Schmerzen in den Beinen - oft spinales Halbseitensyndrom Zervikale Myelopathie: Ursache: chronische Bandscheibenschäden Anatomie Wegen Kreuzung der Schmerz- und Temperaturbahnen im Rückenmarkssegment zur Gegenseite erklärt sich die dissoziierte Empfindungsstörung bei halbseitigen Rückenmarkläsionen. Schmerz- und Temperaturausfall liegen stets kontralateral zur Parese
Neuro- und pathophysiologische Voraussetzungen Tumoren und raumfordernde Prozesse im lumbosakralen Abschnitt des Wirbelkanals führen zur schlaffen Lähmung. Bei Kaudaquerschnitt treten Sphinkterstörungen an Blase und Mastdarm auf. Bei bestimmten Störungen: Tonuserhöhung der Sphinktermuskulatur, keine Miktion
Abb.28-22: MRT (a), 37jährige Patientin mit Echinokokkenbefall v o n BWK 7 und 8, beginnende Querschnittssymptomatik. b. Transthorakaler Ersatz der befallenen Wirbelkörper und angrenzenden Bandscheiben, Rippeninterponat, Stabilisierung mit ventro-lateraler Platte und von dorsal Fixateur interne (Material aus Titanlegierung)
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven
288 Nach operativer Dekompression Besserung der Symptomatik, teilweise Funktionswiederkehr
Diagnostik raumfordernder Prozesse des Spinaikanals - sorgfältige Anamnese - subtile Erhebung des neurologischen Befundes - Bestimmung des Niveaus der Sensibilitätsstörung Frühsymptome: schwer erkennbar; - halbseitige oder doppelseitige gürtelförmige Schmerzen - Schwierigkeiten beim Treppensteigen mit Hängenbleiben der Fußspitzen - Tonus in den Beinen etwas erhöht - Muskeleigenreflexe an den Beinen leicht gesteigert - evtl. beiderseits ein Fußklonus DD: Halsmarktumor/Multiple Sklerose: Fehlen charakteristischer Krankheitszeichen oder psychischer Veränderungen beim Tumor Kaudakompression: schlaffe Lähmung in den Beinen mit Reflexausfall. Folge: segmentale Sensibilitätsstörungen im Reithosenbereich, keine Kontrolle über Blase und Mastdarm Diagnostik durch MRT
• röntgenologische Untersuchung - Nativaufnahme: tumortypische Veränderungen mit Destruktion von Bogenwurzeln oder Wirbelkörpern - Myelographie: Darstellung des Spinalkanals mit wasserlöslichem Kontrastmittel. Lokalisation des raumfordernden spinalen Prozesses - CT: Nachweis von: - intraspinalen Tumoren - destruierenden Prozessen an den Wirbelkörpern - Bandscheibenvorfällen im Zervikalbereich - computerassistierte Myelographie: vor CT wird wasserlösliches Kontrastmittel in den Spinalkanal gegeben. Verbesserung der Diagnostik - MRT: - Angiographie: Nachweis vaskularisierter Prozesse im Wirbelkanal
Praxishinweis: Je akuter ein Querschnittsbild auftritt, desto schlechter ist die Prognose hinsichtlich einer Restitution; bei mehr subakuter Entwicklung des Querschnitts kann nach operativer Dekompression eine gewisse Besserung erwartet werden. Bei chronisch-progredientem Verlauf kann selbst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium nach Entlastung des Rückenmarkes oder der Rauda mit einer teilweisen Funktionswiederkehr gerechnet werden.
4.1.2 Diagnostik Die richtige Bewertung spinaler neurologischer Ausfälle oder einer Querschnittssymptomatik erfordert eine sehr sorgfältige Anamnese sowie eine subtile Erhebung des neurologischen Befundes. Einen wichtigen Hinweis auf die Höhe der zu erwartenden Läsion gibt das Niveau der Sensibilitätsstörung. Während ausgeprägte Querschnittslähmungen kaum Interpretationsschwierigkeiten bereiten, sind Frühsymptome von Rückenmarkkompressionen wesentlich schwerer zu erkennen. Zu nennen sind hier halb- oder doppelseitige gürtelförmige Schmerzen, Schwierigkeiten beim Treppensteigen mit Hängenbleiben der Fußspitzen. Letzteres führt häufig zuerst zum Orthopäden. Der Tonus in den Beinen ist meist schon etwas erhöht, die Muskeleigenreflexe an den Beinen leicht gesteigert, bis zum Fußklonus. Bei hohen Halsmarktumoren wird nicht selten differentialdiagnostisch eine Multiple Sklerose erwogen, da Sensibilitätsstörungen in den Händen, Gangstörungen und spinale Ataxie durchaus mit der Enzephalomyelitis disseminata in Einklang zu bringen sind. Beim Halsmarktumor fehlen jedoch charakteristische Krankheitszeichen wie Augensymptome (Doppelbilder, Schleiersehen, Papillitis) oder psychische Veränderungen. Bei der Kaudakompression treten schlaffe Lähmungen in den Beinen mit Reflexausfall auf. Es resultieren segmentale Sensibilitätsstörungen, einoder doppelseitig im Reithosenbereich. Die Patienten verlieren die Kontrolle über Blase und Mastdarm. Meist kündigt sich die Blasenstörung durch Unfähigkeit zur Miktion (Retentionsblase) an. Derartige Zustände erfordern rasches Handeln und Überweisung in die Spezialklinik. Diagnostik: Liquor: Unterhalb einer intraspinalen Raumforderung tritt häufig eine nichtentzündliche Eiweißvermehrung auf (Nonne-Froin-Syndrom). Queckenstedt-Versuch und Myelografie treten zugunsten der MRT zunehmend in den Hintergrund. Röntgenologische Untersuchung: Bei knochendestruierenden Prozessen im Bereich der Wirbelsäule zeigen bereits die Nativaufnahmen des Wirbelskeletts tumortypische Veränderungen mit Destruktion von Bogenwurzeln oder ganzen Wirbelkörpern, nicht selten mit Keilwirbelbildung. Die Röntgenuntersuchung kann durch Schichtaufnahmen ergänzt werden. Mit der Myelographie wird der Spinalkanal in seiner ganzen Ausdehnung dargestellt. Intradurale extramedulläre Tumoren zeigen einen käppchenförmigen Kontrastmittelstopp, bei intramedullären Tumoren erkennt man eine Auftreibung des von Kontrastmittel umgebenen Rückenmarks, bei extraduralen Prozessen endet die Kontrastmittelsäule mit unregelmäßiger Begrenzung. Mit der CT lassen sich die meisten intraspinalen Tumoren und auch Wirbelkörper destruierende Prozesse sowie Bandscheibenvorfälle im Zervikalbereich nachweisen. Eine weitere Verbesserung der Diagnostik stellt die computerassistierte Myelographie dar, bei der vor Beginn der CT eine geringe Dosis eines wasserlöslichen Kontrastmittels in den Spinalkanal eingegeben wird. Bei intramedullären Tumoren wird die MRT von keiner anderen Methode in ihrer Aussagekraft auch nur annähernd erreicht. Weiterhin zeigt sie das Ausmaß einer Wirbelsäulenmetastasierung mit Bedrohung neuraler Strukturen am besten. Die spinale Angiographie beschränkt sich auf den Nachweis vaskularisierter Prozesse im Wirbelkanal.
Spinalkanal 4.1.3 Therapie Patienten mit einer akuten oder subakuten Querschnittslähmung durch einen raumfordernden intraspinalen Prozeß müssen sofort operativ dekomprimiert werden. Bei ausgedehnten Metastasierungen wird man bei bereits kompletter Querschnittslähmung durch eine spinale Metastase eher von einer Operation Abstand nehmen. Solche Patienten können erfahrungsgemäß auch nach einem operativen Eingriff das Bett nicht mehr verlassen. Bei inkomplettem Querschnitt und begrenzter Metastasierung wird die Operation je nach Lokalisation des Tumors (ventral, dorsal, dorso-lateral) gezielt vorgenommen. Diese Eingriffe erfolgen in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit dem Chirurgen. Es ist oftmals notwendig, die Entfernung tumorös befallener Wirbelkörper auf transoralem, -thorakalem, retro- oder auch transperitonealem, mitunter kombiniert mit einem dorsalen Vorgehen, vorzunehmen. Eine Stabilisierung individuell nach Ausmaß der Resektion, Dignität des Tumors und biomechanischen Gesichtspunkten schließt sich an (Abb. 28-22). Anders stellt sich die Situation bei der akuten tiefen Kaudalähmung, z.B. durch einen medialen Massenprolaps der Bandscheibe dar. Hier ist bei frühzeitiger Dekompression innerhalb der ersten Stunden nach Eintreten der Läsion noch eine weitgehende Restitution möglich. Solche Patienten müssen daher zu jeder Tages- und Nachtzeit sofort operiert werden. Die Nachbehandlung von Patienten mit Querschnittssyndromen erstreckt sich in der Akutklinik nur auf die ersten 10-14 Tage. Dann sollte sich eine längere Nachbehandlung in einer speziellen Rehabilitationseinrichtung anschließen (Spezialbett für Querschnittsgelähmte, spezielle Gymnastik, häufiges Durchbewegen zur Verhinderung von Dekubitus und Kontrakturen, Warmwasserbewegungsübungen, therapeutisches Schwimmen, Beschäftigungstherapie u. a.).
289 Therapie raumfordernder Prozesse des Spinatkanals 1. akute Querschnittslähmung: sofortige operative Dekompression. Bei ausgedehnter Metastasierung und kompletter Querschnittslähmung kaum Erfolgschancen durch Operation
2. akute tiefe Kaudalähmung: sofortige Operation indiziert. Bei frühzeitiger Dekompression weitgehende Restitution möglich Nachbehandlung: in speziellen Rehabilitationseinrichtungen, Förderung der verbliebenen körperlichen Fähigkeit: - Querschnittsbett - spezielle Gymnastik - häufiges Bewegen - Wasserbewegungsübungen - therapeutisches Schwimmen - Beschäftigungstherapie
4.2 Wurzelkompressionssyndrome
Wurzelkompressionssyndrome
Allgemeine Symptomatik: Bei der Kompression einer oder mehrerer Nervenwurzeln durch einen Bandscheibenvorfall oder osteophytäre Randwülste handelt es sich um ein rein mechanisches Geschehen, das beim weichen Bandscheibenvorfall häufig einen intermittierenden Verlaufzeigt mit plötzlichem Beginn, nicht selten im Anschluß an eine besondere körperliche Belastung (z. B. sog. Verhebetraumen). Ein Teil der Patienten erkrankt jedoch aus dem Schlaf heraus. • Im Vordergrund steht fast immer der Schmerz, der zunächst umschrieben im Bereich des erkrankten Wirbelsäulenabschnitts auftreten kann; man bezeichnet ihn an der LWS als Lumbago. Meist kommt es erst später zu segmental ausstrahlenden Schmerzen im Sinne einer Ischialgie. • Die Wirbelsäulenbeweglichkeit ist durch reflektorische Muskelanspannung der Nackenmuskulatur bzw. des Erector trunci eingeschränkt, es kommt zum Schieflials oder einer eingeschränkten Halswirbelsäulenbeweglichkeit bzw. zur Lendenstrecksteife und Beugeunfähigkeit im Lendenwirbelsäulenbereich. Die Patienten sind hierdurch in ihren alltäglichen Verrichtungen erheblich behindert. Schon das Aufstehen und Anziehen kann große Schwierigkeiten bereiten. Charakteristisch ist eine Schmerzverstärkung bei Stauchungen der Wirbelsäule, beim Husten, Niesen und Pressen (Defäkation). Längeres Sitzen wird bei der lumbalen Wurzelkompression meist schlecht vertragen. Auch körperliche Aktivitäten mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper führen zur Schmerzverstärkung. Um die Schmerzen einigermaßen ertragen zu können, nehmen die Patienten häufig Entlastungshaltungen ein, z.B. Anheben des Armes bei zervikaler Wurzelkompression oder Abstützen des Oberkörpers auf den Knien beim Aufrichten und Liegen mit angezogenen Beinen beim lumbalen Bandscheibenvorfall.
Allgemeine Symptomatik • Schmerz im Bereich der erkrankten Lendenwirbelsäule —> Lumbago • später Ischialgie • eingeschränkte Wirbelsäulenbeweglichkeit: Schiefhals oder eingeschränkte Halswirbelsäulenbeweglichkeit • Lendenstrecksteife • Beugungsunfähigkeit im Lendenwirbelbereich - erhebliche Behinderung des Patienten Charakteristische Schmerzverstärkung bei Stauchungen, Husten, Niesen oder Pressen Entlastungshaltung des Patienten zur Schmerzverminderung
290
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven
B r a c h i a l g i e n u n d Ischiaigien
4.2.1 Brachialgien und Ischiaigien
1. zervikale weiche Bandscheibenvorfälle: seltener als solche i m Lendenwirbelsäulenbereich (Abb. 28-18) Symptome: ausstrahlender Schmerz in Nacken, Schulter, Ober- u n d Unterarm bis in die Hand
Zervikale weiche Bandscheibenvorfälle treten etwa fünfmal seltener als Bandscheiben Vorfälle im Lendenwirbelsäulenbereich auf. Am häufigsten sind die Wurzeln C6 und C7 entsprechend den Etagen HW 5/6 und HW 6/ 7 betroffen, seltener die Etagen HW 4/5 und HW 7/BW 1 mit Kompression der Wurzel C5 bzw. C8. Die Patienten klagen über vom Nacken über Schulter-, Ober- und Unterarm bis in die Hand ausstrahlende Schmerzen, die etwa dem betroffenen Segment entsprechen. Bei einer Kompression der Wurzel C6 strahlt der Schmerz vorwiegend in den Daumen, bei Kompression der Wurzel C7 in den Zeige- und Mittelfinger (Abb.28-23) aus. Bei länger anhaltender Wurzelkompression kommt es zu Sensibilitätsstörungen, die dem Verlauf des Segments folgen. Die Gefühlsstörungen sind meist distal betont, die Patienten beschreiben häufig ein Kribbeln in den Fingern. Motorische Ausfälle im Bereich der Wurzel C6 führen zu einer Bizepsschwäche. Die Kompression der Wurzel C7 führt zu einer Trizepsparese, der Trizepssehnenreflex (TSR) erlischt oder wird schwächer auslösbar. Der seltene zervikale Prolaps unter der Wurzel C5 führt zu einer Deltoideusparese mit Unfähigkeit den Arm anzuheben. Kommt es zu einem Bandscheibenprolaps mit Kompression der Wurzel C8, so resultiert eine Lähmung der kleinen Handmuskeln. Sensible Störungen beschränken sich auf die Außenseite des 4. und 5. Fingers sowie die Unterarmaußenseite.
Bei länger anhaltender Wurzelkompression: Sensibilitätsstörungen und Paresen (Abb. 28-23)
2. lumbale Bandscheibenvorfälle: am häufigsten in den Wurzeln L5 u n d S 1 a) Wurzel L5: Großzehenheberparese u n d Fußheberparese (Abb. 28-24)
b) Wurzel S1: Fußsenkerschwäche bzw. -parese Zehengang u n m ö g l i c h Bei hochgradigen Lähmungen dieser Wurzeln: Glutaeusparesen mit A b k i p p e n des Beckens
Lumbale Bandscheibenvorfälle betreffen am häufigsten die Wurzeln L5 und S1 (zusammen über 90 %) (Abb.28-24). • Bei Schädigung der Wurzel L5 kommt es zu einer Großzehen-, in fortgeschrittenen Stadien zu einer Fußheberparese, so daß der Patient beim Gehen mit der Fußspitze aufschleift. Eine ggf. vorhandene Sensibilitätsstörung zieht über das Gesäß, Außenseite der Ober- und Unterschenkel über den Fußrist bis zur Großzehe. Der Tibialis-posterior-Reflex (TPR) ist erloschen. Allerdings kommt diesem Reflex nur dann pathognomonische Bedeutung zu, wenn er sich am gegenüberliegenden Bein einwandfrei auslösen läßt. • Die Kompression der Wurzel S1 führt zu einer Fußsenkerschwäche bzw. -parese mit dem Verlust der Fähigkeit, den Fuß abzurollen und sich beim Gehen abzustoßen. Der Zehengang ist unmöglich. Die Sensibilitätsstörung betrifft einen Streifen, der über das Gesäß an der Rückseite des Oberschenkels zur Unterschenkelaußenseite, zum Außenknöchel und zu den äußeren Zehen sowie zur Fußsohle zieht. Der Achillessehnenreflex (ASR) ist abgeschwächt oder ausgefallen. Bei hochgradigen Lähmungen kann es bei bei-
Wurzel: Reflex:
Abb.28-23: Neurologische Ausfälle bei zervikalen Wurzelkompressionssyndromen durch Bandscheibenvorfälle (Wurzeln C 5 -C 8 ): a. Ansicht von vorn, b. Ansicht von hinten
Motorik:
C5
Deltoideus
C8 Trömner
Bizeps
Trizeps
kleine Handmuskeln
Spinaikanal
291
Wurzel:
L4
L5
S1
Reflex:
PSR
TPR
ASR
M ,L4 ; Sensibilität: /L5
Motorik:
Oberschenkel Fußheber Strecker Großzehenheber
Fußsenker
Abb. 28-24: Neurologische Ausfälle bei lumbalen Wurzelkompressionssyndromen durch Bandscheibenvorfälle (L4, L6, S,)
den Wurzeln zu Glutaeusparesen mit Abkippen des Beckens (positives Trendelenburg-Zeichen) kommen. • Seltener sind Bandscheibenvorfälle unter der Wurzel L 4. Dabei kann eine Quadrizepsschwäche auftreten, die sich beim Gehen in einem plötzlichen Wegknicken des Beines im Kniegelenk bemerkbar macht. Beim Treppensteigen ist der Patient nicht mehr in der Lage, den Körper mit dem erkrankten Bein hochzustemmen, Patienten mit einer ausgeprägten Quadrizepsparese ziehen sich mit den Armen am Geländer hoch. Die Sensibilitätsstörung betrifft die Oberschenkelvorderseite und das Knie sowie die mediale Seite des Unterschenkels bis zur Fessel. Der Patellarsehnenreflex ist fast immer abgeschwächt oder erloschen.
c) Wurzel L4: seltener, Quadrizepsschwäche. Sensibilitätsstörung: - Oberschenkelvorderseite - Knie - mediale Seite des Unterschenkels bis zur Fessel - kein Patellarsehnenreflex - Einknicken im Knie
Bei länger anhaltender Wurzelkompression kann es plötzlich zu einem Nachlassen des Schmerzes und Auftreten von Paresen kommen. Dieses Phänomen entspricht einer totalen Leitungsunterbrechung, jedoch nicht dem völligen Wurzeltod, man bezeichnet es als aneuralgisches Stadium. Abbildung 28-25 zeigt die Lokalisation lumbaler Bandscheibenvorfälle. Die bei Bandscheibenvorfällen fast regelmäßig zu beobachtenden Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule sind auf reflektorische Muskelkontraktionen im Bereich des Erector trunci zurückzuführen. Häufig setzt auch die Zunahme der Schmerzintensität bei bestimmten Bewegungen der Wirbelsäulenbeweglichkeit Grenzen. Vor allem beim noch durch das hintere Längsband gedeckten Bandscheibenvorfall verstärkt sich durch Drehoder Beugebewegungen der Schmerz infolge Zunahme der Wurzelkompression. Dieses Phänomen läßt sich im Liegen durch Anheben des gestreckten Beines (Lasegue-Zeichen) diagnostisch verwerten. Bei hochgradiger Wurzelkompression kann das gestreckte Bein auf der betroffenen Seite oft nur 30 oder 40 Grad angehoben werden. Hat ein sequestrierter Bandscheibenvorfall eine bestimmte Position in Beziehung zu der betroffenen Nervenwurzel eingenommen, dann resultiert nicht selten eine Fehlhaltung mit Ausweichskoliose, die groteske Ausmaße annehmen kann. Aus der Richtung der Skoliose kann man nicht eindeutig auf die Seite des Vorfalls schließen. Die Zwangshaltung des Kopfes beim zervikalen Bandscheibenvorfall beruht auf den gleichen Mechanismen. Der Patient sucht eine Lage einzunehmen, die mit möglichst geringen Schmerzen verbunden ist. In der Regel wird dies durch Anheben des betroffenen Armes bis über den Kopf in Rükkenlage oder durch Schiefhaltung des Kopfes erreicht. Die Ursachen der Bandscheibenerkrankung liegen in der im Laufe des Lebens abnehmenden Wasserbindungsfähigkeit der Glykoproteide des Nucleus pulposus begründet. Durch embryonale Gefäßkanäle präformierte
Bei länger anhaltender Wurzelkompression -» manchmal Nachlassen des Schmerzes und Auftreten von Paresen Ursache: totale Leitungsunterbrechung, kein völliger Wurzeltod, aneuralgisches Stadium Lokalisation lumbaler Bandscheibenvorfälle (Abb. 28-25). Bei fast allen Bandscheibenvorfällen: Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule
Bei zervikalem Bandscheibenvorfall: Zwangshaltung des Kopfes
Ursachen der Bandscheibenerkrankung:
292
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven LWK2 LWK3
normale Zwischenwirbelscheil
LWK4
Derangeme interne
Wurzel L3 Wurzel L4 Wurzel
5
Wurzel S1
Protrusion
Prolaps
Wurzel S2 Endstadium der BandscheibenDegeneratloi
Abb.28-25: Prädilektionsstellen lumbaler Bandscheibenvorfälle: a. Medialer Massenprolaps zwischen dem 2. und 3. LWK mit Kaudakompression, b. Sequestrierter, nach unten gerutschter lateraler Bandscheibenvorfall L W K ^ mit Kompression der Wurzel L4, weniger auch L5, C. Extraforaminaler Bandscheibenvorfall LWK^g mit Kompression der Wurzel L4, d. Intraforaminaler Bandscheibenvorfall LWKj/Kreuzbein mit Kompression der Wurzeln L6 und S v e. lateraler, axillärer, nach unten sequestrierter Prolaps LWK^g ohne direkte Kompression einer Nervenwurzel, meist nur Schmerzsyndrom, f. Lateraler Prolaps LWK^Kreuzbein mit Kompression der Wurzel S,
präformierte Spalten im Faserring reißen unter dem Druck des degenerativ veränderten Gallertkerns ein Folge: Vorwölbung der Bandscheibe in den Wirbelkanal Dehnung des hinteren Längsbandes dadurch plötzliche Rückenschmerzen Bei Kompression einer Nervenwurzel radikuläre Schmerzen Bei Durchbrechung des Faserrings -» Bandscheibenprolaps Folge: heftige radikuläre Schmerzen mit neurologischen Ausfallerscheinungen
Sequestrierter Bandscheibenvorfall: wenn hinteres Längsband durchbrochen wird, haben Bandscheibentrümmer direkten Kontakt zu nervalen Strukturen Massenprolaps: große Anteile der Bandscheibe dringen in den Spinalkanal ein Symptome: heftige Beschwerdezunahme: Kaudasymptomatik Bei knöcherner Einengung im Bereich des Wurzelabganges:
Abb.28-26: Stadien (nach Erlacher)
der
Bandscheibendegeneration
Spalten im Faserring reißen unter dem Druck des degenerativ veränderten Gallertkerns ein, es kommt zur Vorwölbung der Bandscheibe in den Wirbelkanal hinein (Bandscheibenprotrusion) und zu einer Dehnung des mit zahlreichen sensiblen Nervenendigungen versehenen hinteren Längsbandes (Abb. 28-26). • Hierdurch werden Rückenschmerzen ausgelöst, die plötzlich einschießen („Hexenschuß"). • Führt eine Bandscheibenprotrusion zu einer Irritation oder Kompression einer Nervenwurzel, so treten radikuläre Schmerzen auf. Wird der Faserring ganz durchbrochen und quellen Anteile des Nucleus pulposus bis unter das hintere Längsband, dann spricht man von einem Bandscheibenprolaps. • In diesem Stadium kommt es meist zu heftigen radikulären Beschwerden mit mehr oder weniger ausgeprägten neurologischen Ausfallerscheinungen. Werden Teile des Bandscheibenvorfalls abgesprengt und verlagern sich unter dem hinteren Längsband nach oben oder unten, so wird man sich von einer konservativen Therapie kaum mehr einen Erfolg versprechen können. Von einem sequestrierten Bandscheibenvorfall spricht man, wenn das hintere Längsband durchbrochen wird und die Bandscheibentrümmer in direkten Kontakt zu den nervalen Strukturen gelangen. Als Massenprolaps wird ein sequestrierter Bandscheibenvorfall bezeichnet, bei dem es zum Austritt großer Anteile einer Bandscheibe mit Kaudasymptomatik kommt. Im Gegensatz zu den weichen Bandscheibenvorfällen im zervikalen und lumbalen Bereich kommt es bei den durch degenerativ entstandene knöcherne Einengung im Bereich des Wurzelabganges und der Foramina intervertebralia bzw. des Recessus lateralis zu einem von chronischen Schmerzen charakterisierten Krankheitsbild, das mit geringen Intensitätsschwan-
Spinalkanal
293 Abb.28-27: Operationstechniken beim lumbalen Bandscheibenvorfall, a. Fensterung: Resektion des Lig.flavum, evtl. W e g n a h m e von Knochenanteilen der benachbarten Halbbögen, b. Hemilaminektomie: Resektion eines Halbbogens zur Darstellung von 2 benachbarten Nervenwurzeln bzw. Bandscheibenetagen, c. Laminektomie: Resektion eines gesamten Wirbelbogens einschließlich des Dornfortsatzes zur Darstellung des Duralsackes und der in der Etage abgehenden Nervenwurzeln (in Anlehnung an Oldenkott 1977)
kungen über Monate und Jahre anhalten kann. Bei diesen Patienten findet sich nur eine geringe Bewegungsabhängigkeit der Beschwerden. Die Patienten sind im Durchschnitt älter als das Gros der Kranken mit weichen Bandscheibenvorfällen. Letztere treten überwiegend zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf, die durch Knochenappositionen hervorgerufenen Wurzelkompressionssyndrome überwiegend im 6. und 7. Lebensjahrzehnt. Die Spondylolistese auf degenerativer Grundlage ist nicht selten, Ursache für die Symptomatik der Claudicatio spinalis (s. Abb. 28-27), auch in Verbindung mit einem anlagemäßig engen Spinalkanal. 4.2.2 Diagnostik Die Diagnose eines zervikalen bzw. lumbalen Wurzelkompressionssyndroms muß durch radiologische Untersuchungsverfahren weiter eingegrenzt werden. Übersichtsaufnahmen der Hals- bzw. Lendenwirbelsäule zeigen nie den Bandscheibenschaden direkt. Aufgrund typischer radiologischer Zeichen, wie Steilstellung, Höhenminderung eines Zwischenwirbelraumes mit Sklerosierung der angrenzenden Deck- und Grundplatten mit Ausziehung der Wirbelkörperkanten und Unkarthrose sprechen für eine chronische Bandscheibenschädigung in dem betreffenden Segment.
chronische Schmerzen über Monate und Jahre. Kaum Bewegungsabhängigkeit der Beschwerden. Auftreten im 6.-7. Lebensjahrzehnt
Diagnostik der Wurzelkompressionssyndrome Radiologisch: Übersichtsaufnahmen der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule - > typische radiologische Zeichen
Mit Hilfe der Myelographie lassen sich zervikale und lumbale Bandscheibenvorfälle mit etwa 90 % iger Sicherheit nachweisen.
Myelographie: Nachweis zervikaler und lumbaler Bandscheibenvorfälle
Die Myelographie in der Diagnose des Bandscheibenvorfalls wird zunehmend von der CT verdrängt. Darüber hinaus lassen sich intra- und extraforaminale Bandscheibenvorfälle darstellen, die sich bislang dem radiologischen Nachweis entzogen. Die Aussagekraft der computerassistierten Myelografie liegt bei kleinen Bandscheibenvorfällen höher als von CT oder auch Myelografie allein. Die Übereinstimmung zwischen radiologischem und operativem Befund beim Bandscheibenvorfall liegt heute über 90 %. Die MRT eignet sich ebenfalls zum Nachweis von Bandscheibenvorfällen, besonders um Narben von erneut sequestriertem Bandscheibengewebe bei Verdacht auf Rezidivierung abzugrenzen.
CT: ersetzt Myelographie vielfach. Darstellung von intra- und extraforaminalen Bandscheibenvorfällen nur mit CT
Differentialdiagnose: Bei Schmerzen im Nacken-Schulter-Arm-Bereich sind Wurzelneurinome, Herpes zoster, Skalenussyndrom mit Halsrippe, Kostoklavikularsyndrom, Pancoast-Tumor, neuralgische Schultermyotrophie, serogenetische Neuritis und Engpaßsyndrome im Sulcus ulnaris bzw. Karpaltunnel auszuschließen. Auch die Periarthritis humeroscapularis kann einmal an ein Zervikalsyndrom denken lassen. Gelegentlich führen auch Lungenerkrankungen, eine Perikarditis, ein subphrenischer Abszeß, ein Milzinfarkt oder eine Pankreatitis zu in den Arm projizierten Schmerzen. Der Armschmerz bei Angina pectoris und beim Koronarinfarkt ist fast immer nur Begleitsymptom bei gleichzeitigem heftigen retrosternalen Schmerz.
Computerassistierte Myelographie: Bei kleinen Bandscheibenvorfällen
MRTebenfails zum Nachweis geeignet
Differentialdiagnose: Wurzelkompressionssyndrom
4=
294
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven In der Differentialdiagnose des lumbalen Wurzelkompressionssyndroms ist neben dem Bandscheibenvorfall vor allem an Tumoren, insbesondere Karzinommetastasen, an die Koxarthrose sowie an die diabetische Polyneuropathie und -neuropathien anderer Genese zu denken.
Therapie der Wurzelkompressionssyndrome ohne neurologische Ausfälle -> konservative Behandlung: - schmerzstillende Mittel - muskelentspannende Medikamente - keine Antiphlogistika - physikalische Therapie - chiropraktische Handgriffe
Operationsindikation: • bei Bandscheibenvorfall mit Lähmungserscheinungen: absolute Indikation zur Operation - im aneuralgischen Stadium sofort operieren - bei Blasen- und Mastdarmstörungen sofort operieren - bei Reithosenanästhesie sofort operieren Relative Indikation zur Operation: nach erfolgloser konservativer Behandlung Operationsverfahren: • ventraler Zugang: bei medullärer Kompression auch für Entlastung von Nervenwurzeln durch Bandscheibenvorfall • einfache Diskektomie, günstiger ist Fusion mit Implantat oder Knochenspan dorsaler Zugang: interlaminäre Fensterung oder Foraminotomie Erfolgsquote beim zervikalen Wurzelkompressionssyndrom: 80-90%, bei medullärem Kompressionssyndrom: 50-60%
lateraler lumbaler Bandscheibenvorfall: interlaminäre Fensterung oder Hemilaminektomie. Entfernung des vorgefallenen Bandscheibengewebes (Abb. 28-27)
medialer Bandscheibenvorfall: Extraktion aus kleiner Freilegung spinale Stenose: breite Eröffnung des Spinalkanals evtl. über mehrere Segmente
4.2.3 Therapie Bei allen Wurzelkompressionssyndromen ohne schwerwiegende neurologische Ausfallserscheinungen ist zunächst eine konservative Behandlung indiziert, die konsequent über 4-6 Wochen durchgeführt werden muß. Neben Schmerzmitteln können muskelentspannende Medikamente verabreicht werden. Für die Gabe von Antiphlogistika gibt es keinen plausiblen Grund, da keine entzündliche Erkrankung vorliegt. Einen hohen Rang nimmt in der konservativen Behandlung die physikalische Therapie ein mit Extensionen (Glissonschlinge, Perl-Gerät), Stufenlagerung, Fango-Packungen, Warmwasserbewegungsübungen, gezielten Massagen und krankengymnastischen Übungen. Chiropraktische Handgriffe können rasch zum Erfolg führen, gelegentlich aber auch negative Auswirkungen zeigen. Operationsindikation: Wenn ein zervikaler oder lumbaler Bandscheibenvorfall zu funktionell bedeutsamen Lähmungserscheinungen geführt hat, besteht eine absolute Indikation zur Operation. Im aneuralgischen Stadium muß sofort operiert werden, ebenso, wenn gleichzeitig Blasen- und Mastdarmstörungen oder eine Reithosenanästhesie aufgetreten sind (medialer Massenprolaps). Nach erfolgloser konservativer Behandlung über einen Zeitraum von 4 6 Wochen, davon möglichst einige Wochen stationär, besteht eine relative Indikation zur Operation. In manchen Fällen wird man heute nicht mehr so lange abwarten, z.B. wenn im CT ein sequestrierter Bandscheibenvorfall nachzuweisen ist und heftige Lumboischialgien ohne neurologische Ausfälle vorliegen. Operationsverfahren: Beim zervikalen Bandscheibenvorfall unterscheidet man den ventralen und den dorsalen operativen Zugang. Der ventrale Zugang wird gewählt, wenn eine medulläre Kompression vorliegt; er eignet sich aber auch für die Entlastung von Nervenwurzeln durch einen knöchernen oder weichen Bandscheibenvorfall. Entweder wird nur eine einfache Diskektomie ausgeführt oder, biomechanisch günstiger, die Fusion der benachbarten Wirbelkörper unter Verwendung eines Implantates oder eines autologen Knochenspans, häufig kombiniert mit einer Plattenosteosynthese. Bei der operativen Freilegung von dorsal führt man eine interlaminäre Fensterung, gegebenenfalls mit Foraminotomie, durch. Der dorsale Zugang wird aber zugunsten des ventralen Vorgehens zunehmend verlassen. Die Erfolgsquote dieser Operationen liegt beim zervikalen Wurzelkompressionssyndrom bei 80-90%, z.T. darüber. Bei medullären Kompressionssyndromen wird mit sehr guten und guten Behandlungsergebnissen in 50-60 % gerechnet, nur ein geringer Teil der Patienten verschlechtert sich nach einem solchen Eingriff. Beim lateralen lumbalen Bandscheibenvorfall führt man entweder eine interlaminäre Fensterung oder eine Hemilaminektomie durch (Abb. 28-27). Das vorgefallene Bandscheibengewebe wird entfernt. Zusätzlich geht man in den eröffneten Zwischenwirbelraum ein und räumt diesen so sorgfältig wie möglich aus. Faserringanteile bleiben stets zurück. Der Eingriff wird heute vielfach mikrochirurgisch durchgeführt. Auch der mediale Bandscheibenvorfall läßt sich meist von einer kleinen Freilegung aus extrahieren. Bei völlig verkeiltem medialen Sequester kann aber eine doppelseitige Fensterung oder eine Laminektomie erforderlich werden. Eine breite Eröffnung des Spinalkanals ist auch angezeigt bei knöcherner spinaler Stenose über ein oder mehrere Segmente mit dem klinischen Bild der Claudicatio spinalis. Therapie der Wahl ist bei Spondylolisthese die De-
Spinalkanal
295
Abb.28-28. 72jähriger Patient mit Claudicatio spinalis, a. lumbale Myelografie. Spondylolisthese, degenerativ, in Höhe LWK 4/5 . Totaler Stop des Kontrastmittels, b. Nativ-Rö. Reposition von dorsal, Fusion der Wirbelkörper mit autologem Knochenspan, Fixateur interne
kompression der neuralen Strukturen mit Reposition. Die Fusion der Wirbelkörper mit autologem Knochenspan und Stabilisierung mit einem internen Fixateur schließt sich an (Abb. 28-28). Die Erfolgsaussichten der lumbalen Bandscheibenoperation werden mit etwa 85-90 % sehr guten, guten und zufriedenstellenden Resultaten angegeben. Bei dem verbleibenden Rest von etwa 10-15 % der Patienten treten neuerliche Beschwerden durch Rezidivprolaps, Pseudorezidiv (Bandscheibenvorfälle in einer anderen Etage) und Verwachsungen auf. Die vor einigen Jahren neu aufgelebte fermentative Auflösung erkrankten Bandscheibengewebes durch Chymopapain ist weitgehend verlassen worden. Besser eignet sich die perkutane Diskektomie zur Behandlung von Patienten mit nicht sequestriertem Bandscheibenprolaps. Über einen Arbeitsschaft werden mit speziellen Instrumenten Anteile des Nucleus pulposus entfernt und somit eine intradiskale Druckentlastung geschaffen. Die Erfolgsquote dieses Eingriffs liegt bei etwa 70-80 %.
• Spondylolisthese: Dekompression neuraler Strukturen, Reposition, Fusion der Wirbelkörper, Fixateur interne (Abb. 28-28) - Erfolgsaussichten bei lumbalen Bandscheibenoperationen: 85-90%. Bei 1015% Rezidivprolaps, Pseudorezidiv, Verwachsungen
4.3 R ü c k e n m a r k v e r l e t z u n g e n
Rückenmarkverietzungen
Rückenmarkverletzungen treten fast immer im Zusammenhang mit Wirbelfrakturen auf. Häufigste Ursachen sind Stürze (von der Leiter, aus dem Fenster, Herausgeschleudertwerden aus einem Fahrzeug, Überschlag mit einem PKW, Motorradsturz oder Kopfsprung in seichtes Gewässer). Je nach Richtung der Gewalteinwirkung kommt es zu einer Wirbelkompressions- oder Luxationsfraktur. Bei letzterer sind meist die Wirbelgelenke mitverletzt, der Bruch verhakt, besonders im Bereich der Halswirbelsäule. Aufgrund der engen anatomischen Beziehungen knöcherner Strukturen der Wirbelsäule und des im Spinalkanal verlaufenden Rückenmarks bzw. der Cauda equina verursachen knöcherne Verletzungen sehr häufig auch eine Traumatisierung des Rückenmarks. Neurologische Ausfälle an den Extremitäten bei erhaltenem Bewußtsein sind immer verdächtig auf eine Wirbelsäulen-Rückenmarkverletzung. Derartige Patienten müssen mit sehr großer Vorsicht umgelagert und transportiert werden, damit das Ausmaß der Rückenmarkschädigung nicht weiter verstärkt wird. • Bei den Halswirbelsäulenverletzungen handelt es sich sehr häufig um Luxationsfrakturen. Im Moment des Traumas wird ein Schermechanismus
Auftreten fast i m m e r z u s a m m e n mit Wirbelfrakturen: - Wirbelkompressionsfraktur oder - Luxationsfraktur
Neuere B e h a n d l u n g s m e t h o d e : Perkutane Diskektomie. Nur für Patienten mit nicht sequestriertem Prolaps geeignet
Folge: Traumatisierung des Rückenmarks Anzeichen: neurologische Ausfälle bei erhaltenem Bewußtsein Cave: vorsichtige U m l a g e r u n g und Transport des Patienten
1. Halswirbelsäuienverietzungen: häufig Luxationsfrakturen
296 Folge • sehr hohe vollständige Querschnittslähmung • oberhalb des 6. Halswirbels immer mit Tetraplegie • oberhalb des 4. Halswirbels zusätzlich Zwerchfellähmung mit Verlust der Atemfunktion • Fraktur unterhalb des 1. Brustwirbels mit Rückenmarkschädigung: - Paraplegie - Ausfall der protopathischen und epikritischen Sensibilität und zahlreicher vegetativer Funktionen
• Commotio spinalis oder Contusio spinalis: - bei neurologischen Ausfällen ohne Wirbelfraktur Halswirbelsäulenluxationsfrakturen: - frühe Rehabilitation durch Dauerzug mit der Crutchfield-Klammer und ventrale Fusion mit Verplattung
2. Kaudaverletzungen
• Kompression der Cauda equina: frühzeitige operative Entlastung • bei Wirbelfrakturen: frühzeitige Operation zur Entlastung neuraler Strukturen, frühzeitiger Rehabilitationsbeginn (Abb. 28-29)
Abb. 28-29: Prinzip des transpedunkulären Wirbelkörperaufbaus und der inneren Fixation. a. Über die Schanzschen Schrauben wird der komprimierte Wirbel, die Fixateurbrücke dient als Hypomochlion, aufgerichtet, b. Transpedunkulär werden, über einen Trichter mit einem speziellen Stößel, Knochenspäne in den frakturierten Wirbel eingebracht
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven wirksam, der das Halsmark durchtrennt und zu einer vollständigen hohen Querschnittslähmung führt. Liegt die Fraktur oberhalb des 6. Halswirbels, ist fast immer mit einer Tetraplegie zu rechnen. Liegt die Fraktur oberhalb des 4. Halswirbels, ist zusätzlich durch Zwerchfellähmung die Atemfunktion erloschen. Bei Frakturen unterhalb des 1. Brustwirbels mit Rückenmarkschädigung kommt es zu einer Paraplegie, die Arme können frei bewegt werden. Frakturen im Lendenwirbelsäulenbereich verursachen ein ähnliches klinisches Bild. Eine Unterscheidung aufgrund des neurologischen Untersuchungsbefundes ist erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich, wenn die primär bei allen Verletzungen schlaffe Lähmung bei direkter Rückenmarkschädigung in eine spastische Lähmung übergeht und bei Kaudaläsion eine unverändert schlaffe Lähmung verbleibt. Die Patienten weisen zusätzlich zu den motorischen Störungen meist auch einen weitgehenden Ausfall der protopathischen und epikritischen Sensibilität sowie zahlreicher vegetativer Funktionen (paralytischer Ileus, Blasen-Mastdarmstörungen) auf. Bestehen neurologische Ausfälle im Sinne eines Querschnittssyndroms, ohne daß eine Wirbelfraktur nachweisbar ist, so muß eine Commotio spinalis oder eine Contusio spinalis angenommen werden. Die Prognose dieser Verletzungen ist meist günstig. Bei den primär vollständigen Tetra- und Paraplegien ist durch einen operativen Eingriff im Sinne einer Entlastungslaminektomie keine Besserung zu erwarten. Eine solche Maßnahme führt zu einer Verstärkung der Instabilität der Wirbelsäule, sie ist kontraindiziert. Dagegen muß im Interesse einer möglichst frühen Rehabilitation bei Halswirbelsäulenluxationsfrakturen versucht werden, durch Dauerzug mit der Crutchfield-Klammer die Wirbelsäule wieder aufzurichten, und gegebenenfalls eine Verblockung der betroffenen Segmente durch ventrale Fusion mit Verplattung vorgenommen werden. • Im Gegensatz zum Rückenmark ist die Cauda equina in einem gewissen Umfang erholungsfähig. Bei Kompression der Kauda durch ein Knochenfragment sollte daher frühzeitig in diesem Bereich eine operative Entlastung durchgeführt werden. Die Knochenfragmente werden über eine erweiterte interlaminäre Fensterung oder allenfalls einer Hemilaminektomie in den zertrümmerten Wirbelkörper impaktiert und die Durazerreißung versorgt. Eine transpedunkuläre Wirbelkörperaufbauplastik mit autologem Knochenmaterial schließt sich an. Danach wird unter Einbeziehung nur der benachbarten Wirbel ein Fixateur interne eingesetzt. Eine frühzeitige Mobilisation unter geschulter krankengymnastischer Anleitung ist wegen der Belastungsstabilität der Montage möglich (Abb. 28-29). Gelegentlich entwickelt sich ein traumatischer Querschnitt erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, oder es kommt zu einer sekundären Zu-
297
Periphere Nerven, Schmerzsyndrome nähme der Ausfallserscheinungen. In diesem Fall besteht der Verdacht auf die Entwicklung eines intraspinalen Hämatoms, das sofort ausgeräumt werden muß. Die exakte Höhenlokalisation erfolgt am besten mit Hilfe der Myelographie, der spinalen Computertomographie oder der MRT.
• intraspinales Hämatom: Verzögertes Auftreten eines traumatischen Querschnitts, sekundäre Zunahme von Ausfallserscheinungen Behandlung: sofort Ausräumung
4.3.1 Komplikation der Querschnittslähmung
Komplikation der Querschnittslähmung
In der Initialphase kommt es nicht selten zum spinalen Schock mit Kreislaufkollaps. Die Patienten müssen daher in einer Intensivpflegestation überwacht und entsprechend behandelt werden. Die Störung der Trophik der Haut begünstigt die Entstehung von Dekubitalgeschwüren, die nur durch konsequenten Lagewechsel im Stundenrhythmus oder Spezialbett verhindert werden können. Patienten mit hoher Querschnittslähmung sind pneumoniegefährdet. Der paralytische Ileus stellt eine weitere Bedrohung für den Querschnittsgelähmten dar. Die mit jedem Querschnittssyndrom verbundene Blasenlähmung bedarf der besonderen Aufmerksamkeit. Urethrale Dauerkatheter erhöhen die Infektionsgefahr für den Patienten. Regelmäßige Blasenentleerung mit Einmalkathetern oder eine suprapubische Blasenfistel haben sich besser bewährt. Bei Patienten mit hohen Querschnittslähmungen treten nicht selten Streßulzera mit Blutungen auf. Eine weitere Komplikation sind Gelenkkontrakturen in den gelähmten Extremitäten. Die Patienten müssen daher von Anfang an häufig passiv durchbewegt werden. Die Betreuung eines Querschnittsgelähmten erfordert einen enormen pflegerischen Aufwand rund um die Uhr. Sie erfolgt am besten in speziell dafür eingerichteten Kliniken.
Initial: - spinaler Schock mit Kreislaufkollaps später: • Dekubitalgeschwüre • Gefahr der Pneumonie • paralytischer Ileus • Blasenlähmung
Prognose. Patienten mit Querschnittslähmung oberhalb C5 versterben relativ früh nach dem Unfall. Tetraplegiker sind naturgemäß nur in sehr begrenztem Umfang rehabilitationsfähig. Die Langzeitbehandlung dient der Stabilisierung der vegetativen Funktionen, der Verhinderung von Dekubitalulzera und von Gelenkversteifungen. Dagegen erreichen Patienten mit medullärer Schädigung unterhalb von T h l meist innerhalb eines halben Jahres die Fähigkeit, sich im Rollstuhl fortzubewegen. Dies ermöglicht die Wiedereingliederung in die Familie und im beschränkten Umfang auch in den Beruf. Noch günstiger sind im allgemeinen die Aussichten bei Patienten mit Kaudalähmung. Bis zu einem Jahr nach dem Unfall können Funktionen wiederkehren. Viele Patienten können wieder selbständig gehen, z.T. allerdings nur mit Gehhilfen. Ein sehr wichtiger Aspekt in der Behandlung von Querschnittsgelähmten ist die Aufklärung über das Ausmaß der Verletzung und die zu erwartende Prognose. Die psychische Führung solcher Verletzten erfordert viel Einfühlungsvermögen und ärztliche Erfahrung.
Prognose bei Querschnittslähmung: • oberhalb C 5 sehr ungünstig • Tetraplegiker: nur geringe Rehabilitationsfähigkeit • medulläre Schädigung unterhalb von Th 1: nach einem halben Jahr ist Rollstuhlfahren möglich
bei hohen Querschnittslähmungen: Streßulzera mit Blutverlusten (lebensbedrohlich) Gelenkkontrakturen in den gelähmten Extremitäten
Kaudalähmung: Wiederkehr von Funktionen bis zu einem Jahr, Gehen, z.T. mit Gehhilfen
5. Periphere Nerven, S c h m e r z s y n d r o m e 5.1 Periphere Nerven: Verletzungen, nichttraumatische Schädigungen, Tumoren
Periphere Nerven
Verletzungen: Verletzungen peripherer Nerven und von Nervenwurzeln können durch vielfältige Mechanismen hervorgerufen werden. Bei der traumatischen Armplexuslähmung handelt es sich um eine stumpfe Gewalteinwirkung auf die Schulter mit Zerrung und Zerreißung des Plexus brachialis. Teilweise kommt es auch zum Wurzelausriß am Rückenmark. Schnitt-, Stich- und Rißverletzungen können zur partiellen oder auch vollständigen Durchtrennung peripherer Nerven führen. Am meisten gefährdet sind der N. radialis, der N. medianus und der N. ulnaris sowie der N.peronaeus.
1. Verletzungen Bei vollständiger Nervendurchtrennung: Totalausfall der motorischen, sensiblen und vegetativen Versorgung
298
28. Kopf, Z N S , periphere Nerven
Leitsymptome
Eine vollständige Nervendurchtrennung resultiert in einem Totalausfall der motorischen, sensiblen und vegetativen Versorgung im Ausbreitungsgebiet des betroffenen Nerven. Nach Verletzungen, besonders im Ellenbogenbereich, kann es auch noch nach Jahren zu einer sog. traumatischen Spätlähmung durch narbige Veränderungen im ehemaligen Verletzungsgebiet kommen. Symptome der häufigsten peripheren Nervenlähmungen sind: • Fallhand bei Lähmung des N. radialis mit Unfähigkeit der Dorsalflexion, • Schwurhand bei Lähmung des N. medianus, • Krallenhand bei Lähmung des N.ulnaris, besonders der 2 ulnaren Finger, • Fallfuß bei Peronaeuslähmung mit typischem Storchengang.
Bei Ausfall peripherer Nerven sorgfältige Funktionsanalyse mit: neurologischer Untersuchung, Elektromyographie, Neurographie, Untersuchung der Schweißsekretion Verletzung auch bei therapeutischen Maßnahmen möglich
Operative Versorgung: • Primär- und Sekundärnaht • bei sauberer Schnittverletzung oder Abtrennung einer Extremität - » Primärnaht
unterbleibt Primärnaht: A u s s p r o s s u n g von Nervenfasern mit Neurombildung Folge: heftige Schmerzen und Gebrauchsunfähigkeit der Extremität
• interfaszikuläre Nerventransplantation mit N.suralis als Transplantat. Etwas geringere Chance zur Funktionswiederkehr als bei Primärnaht • bei Teildurchtrennung: Entstehung von intraneuralen Neuromen Konsequenz: - interfaszikuläre Neurolyse - Neuromentfernung - Nervennaht - Faszikeltransplantation Volle Funktionswiederkehr oft erst nach 1 Jahr 2. Nichttraumatische Nervenschädigungen
Jeder Ausfall eines peripheren Nerven bedarf einer sehr sorgfältigen Funktionsanalyse, die eine neurologische Untersuchung, Elektromyographie und Neurographie sowie ggf. Untersuchung der Schweißsekretion mit Jodstärketest oder Ninhydrintest einschließt. Periphere Nerven können nicht nur durch Verletzungsmechanismen durchtrennt, sondern auch bei therapeutischen Maßnahmen insbesondere im Rahmen der Frakturbehandlung geschädigt werden. • Besonders gefährdet aufgrund seines knochennahen Verlaufes im Bereich des Humerusschaftes ist der N. radialis, der bereits primär bei Frakturen in bis zu 70 % der Fälle geschädigt wird. • Bei operativer Versorgung von Unterarmfrakturen kann der N. ulnaris geschädigt werden. • Seltener sind iatrogene Verletzungen am N. ischiadicus und am N. peronaeus, der vor allem bei Gipsverbänden durch Druck auf das Fibularisköpfchen lädiert werden kann. Bei der operativen Versorgung peripherer Nervenverletzungen ist zwischen der primären Naht direkt im Anschluß an die Verletzung und der zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführten Sekundärnaht zu unterscheiden. Handelt es sich um eine glatte, saubere Schnittverletzung mit Durchtrennung eines Handnerven, so wird man eine primäre Nervennaht vornehmen, die in einem hohen Prozentsatz zu einer Funktionswiederkehr führt. Dies gilt selbstverständlich auch für Verletzungen mit teilweiser oder vollständiger Abtrennung einer Extremität. In mikrochirurgischer Technik werden die Nervenstümpfe aneinandergelegt und mit epineuralen bzw. perineuralen interfaszikulären Nähten adaptiert. Unterbleibt eine primäre Nervennaht, so kann es innerhalb von wenigen Wochen bis Monaten durch Aussprossung von Nervenfasern aus dem proximalen Nervenstumpf zur Neurombildung kommen. Dabei entsteht eine abnorme Berührungsempfindlichkeit der Haut über dem Neurom mit heftigen Schmerzen und Gebrauchsunfähigkeit der betreffenden Extremität. Bei der operativen Revision zu einem späteren Zeitpunkt, am besten etwa 3 Wochen nach Verletzung, wenn eine Primärversorgung nicht möglich war, müssen die beiden Stümpfe des durchtrennten peripheren Nerven aufgesucht werden. In den meisten Fällen wird eine interfaszikuläre Nerventransplantation erforderlich sein. Als Transplantat dient der N. suralis. Die Funktionswiederkehr ist gegenüber der primären Nervennaht mit einer Erfolgsquote von ca. 70 % etwas geringer. Bei Teildurchtrennung von peripheren Nerven können intraneurale Neurome entstehen. Bei der Operation führt man eine interfaszikuläre Neurolyse sowie Neuromentfernung mit gleichzeitiger Nervennaht oder Faszikeltransplantation durch. Nach Nervennaht rechnet man mit einem Nervenwachstum von 1-2 mm pro Tag. Die volle Funktionswiederkehr kann sich daher über längere Zeiträume erstrecken und ist oft nach einem Jahr noch nicht abgeschlossen.
Nichttraumatische Nervenschädigungen: Eine Reihe von Engpaßsyndromen können zu Schädigungen peripherer Nerven mit teilweise erheblichen
Periphere Nerven, S c h m e r z s y n d r o m e neurologischen Ausfällen und Schmerzen führen, vor allem im Bereich der oberen Extremität. Das Skalenussyndrom wird durch eine Kompression der unteren Zervikalwurzeln in der sog. Skalenuslücke hervorgerufen. Ähnliche Ausfälle kommen bei einer Halsrippe zustande. Die operative Versorgung besteht in einer Durchtrennung des M. scalenus anterior bzw. in einer Resektion der Halsrippe (s. auch Kapitel 34, S.463). Wesentlich häufiger ist das Sulcus-ulnaris-Syndrom durch chronischen Druck auf den N. ulnaris im Ellenbogenbereich oder als sog. Spätlähmung nach Ellenbogenverletzung. Der Nerv wird auf die Volarseite des Unterarms verlagert und dort neu eingebettet. Häufigstes Engpaßsyndrom ist die Brachialgia paraesthetica nocturna, die durch eine Einengung des N. medianus im Karpaltunnel hervorgerufen wird. Dieses Karpaltunnelsyndrom tritt vor allem bei Frauen jenseits des 60. Lebensjahrs auf, wird aber auch während der Schwangerschaft und bei Akromegalie beobachtet. Die Therapie besteht in einer Dekompression des Nerven durch Spaltung und Resektion des Lig. carpi transversum bis weit in die Hohlhand hinein. Seltener wird die Meralgia paraesthetica mit Schmerzen und Parästhesien im Versorgungsgebiet des N. cutaneus femoris lateralis am äußeren Oberschenkel beobachtet. Bei diesem Leiden besteht eine Einengung des Nerven in unmittelbarer Nähe der Spina iliaca anterior superior am Ansatz des Leistenbandes. Am Fuß entsteht gelegentlich ein dem Karpaltunnelsyndrom vergleichbares Krankheitsbild, das Tarsaltunnel-Syndrom. Dieses wird durch eine Kompression des N. tibialis bzw. seiner Äste, der Nn. plantares im Bereich des Malleolus medialis unter dem Retinaculum mm. flexorum (Lig. laciniatum) hervorgerufen. Die Patienten klagen über Schmerzen in der Fußsohle, besonders beim Gehen. Eine Durchtrennung des Bandes ist angezeigt. Ttanoren: Tumoren peripherer Nerven sind selten. Überwiegend handelt es sich um gutartige Geschwülste, z.B. Neurinome und Neurofibrome; maligne Nerventumoren sind Raritäten (maligne entartete Neurinome, Fibrosarkome). Die Ausfälle werden durch Druckschädigung der Nerven hervorgerufen. Die Diagnose läßt sich meist leicht stellen, wenn die Geschwulst eine gewisse Größe erreicht hat und so durch die Haut hindurch getastet werden kann. Die Therapie besteht in einer Exzision der Geschwulst mit anschließender Nervennaht bzw. interfaszikulärer Transplantation. Zahlreiche Tumoren an den peripheren Nerven treten bei der Neurofibromatose von Recklinghausen auf. Eine Exstirpation einer solchen Geschwulst wird man nur durchführen, wenn Schmerzen in dem befallenen Bereich auftreten oder die Tumoren durch ihre Größe den Patienten stören oder behindern.
5.2 S c h m e r z s y n d r o m e
299 Engpaßsyndrome: Neurologische Ausfälle und Schmerzen Skalenussyndrom: durch Kompression der unteren Zervikalwurzei (ähnlich bei Halsrippe). Operative Versorgung: Durchtrennung des M.scalenus, Resektion der Halsrippe Sulcus-ulnaris-Syndrom: durch chronischen Druck auf den Nervus ulnaris im Ellenbogenbereich Operative Versorgung: Verlagerung des Nerven auf die Volarseite des Unterarms Karpaltunnelsyndrom
Therapie: Dekompression des Nerven durch Spaltung des Lig. carpi transversum
Tarsaltunnel-Syndrom: Kompression des N.tibialis Symptome: Schmerzen in der Fußsohle, besonders beim Gehen Behandlung: Durchtrennung des Bandes 3. Tumoren der peripheren Nerven: seltenes Krankheitsbild Meist gutartige Neurinome und Neurofibrome Ausfälle durch Druckschädigung der Nerven Therapie: Exzision der Geschwulst mit Nervennaht bzw. interfaszikulärer Transplantation
Schmerzleiden
5.2.1 Trigeminusneuralgie, symptomatische Gesichtsschmerzen Die Trigeminusneuralgie ist das häufigste Schmerzleiden. Symptome: plötzlich einschießende Schmerzattacken im Ausbreitungsgebiet eines der 3 Trigeminusäste, am häufigsten des 2. und 3. Astes. Die Schmerzanfälle dauern Sekunden, gelegentlich aber auch mehrere Minuten. Die an diesem Leiden erkrankten Patienten, meist Menschen im höheren Lebensalter, kommen völlig verzweifelt und manchmal dem Selbstmord nahe zum Arzt. Die Schmerzen werden ausgelöst durch Bewegungen, z.B. beim Kauen oder Zähneputzen, auch durch Waschen des Gesichtes, beim Rasieren oder durch kalten Luftzug. Bei der Untersuchung lassen sich die Schmerzen durch Reizung bestimmter Triggerpunkte auslösen. Der Nervenaustrittspunkt des betreffenden Trigeminusastes ist meist sehr druckempfindlich. Man hat die Trigeminusneuralgie früher als idiopathisch bezeichnet im Gegensatz zu symptomatischen Formen. Heute geht man davon aus, daß die
Trigeminusneuralgie < =
Auslösung durch - Bewegungen (Waschen des Gesichts, Zähneputzen) - kalten Luftzug
300 Die idiopathische Trigeminusneuralgie ist ein vaskuläres Hirnnervenkompressionssyndrom.
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven sog. idiopathische Trigeminusneuralgie ein vaskuläres Hirnnervenkompressionssyndrom darstellt. Dies bedeutet, daß bestimmte intrakranielle Gefäße, in erster Linie Arterien, den N. trigeminus nahe seines Eintritts in den Hirnstamm komprimieren und reizen. Die konservative Behandlung besteht zunächst in der Verabreichung von Carbamazepin (Tegretal®). Die lokale Infiltration von Trigeminusästen an den Nervenaustrittspunkten im Gesicht mit Lokalanästhetika bringt meist keinen dauerhaften Erfolg. Auch die Exhairese eines Trigeminusastes kann wegen der hohen Rezidivgefahr nicht empfohlen werden.
Therapie: - Carbamazepin - Elektrokoagulation des Ganglion Gasseri - kontrollierte Thermokoagulation - retroganglionäre Durchtrennung der sensiblen Trigeminuswurzel, vaskuläre Dekompression des Nervus trigeminus am Hirnstamm
Größeren Erfolg verspricht die Elektrokoagulation des Ganglion Gasseri nach Kirschner. In neuerer Zeit führt man eine kontrollierte Thermokoagulation des Ganglions durch, bei der die Oberflächensensibilität weitgehend erhalten werden kann. Auch diese stereotaktischen Operationsverfahren weisen eine gewisse Rezidivquote auf. Als letzte Möglichkeit verbleibt entweder die retroganglionäre Durchtrennung der sensiblen Trigeminuswurzel nach Spiller und Frazier oder die vaskuläre Dekompression des N. trigeminus am Hirnstamm nach Janetta.
Symptomatische Form der Trigeminusneuralgie Ursachen: - Erkrankung und Verletzung des Oberund Unterkiefers - der Nasennebenhöhlen, der Kieferhöhle - Schädelbasisbrüche mit Verletzung von Trigeminusästen - Herpes zoster, Tumoren am N.trigeminus Symptome: • Dauerschmerz, Sensibilitätsstörungen • gelegentlich unerträgliche Schmerzzustände -> Anaesthesia dolorosa
Symptomatischer Gesichtsschmerz. Von der idiopathischen Trigeminusneuralgie sind symptomatische Formen abzugrenzen. Die häufigsten Ursachen sind Erkrankungen und Verletzungen im Bereich des Ober- und Unterkiefers sowie der Nasennebenhöhlen, insbesondere der Kieferhöhle, Schädelbasisbrüche mit Verletzung von Trigeminusästen, Herpes zoster und selten Tumoren am N. trigeminus. Die Symptomatologie dieser Neuralgieformen unterscheidet sich meist von der idiopathischen Form durch Dauerschmerz und Sensibilitätsstörungen. Gelegentlich kommt es trotz Bestehen einer kompletten Analgesie zu unerträglichen Schmerzzuständen, die als Anaesthesia dolorosa bezeichnet werden. Diese treten gelegentlich auch nach Eingriffen am N. trigeminus mit Durchschneidung von Nervenanteilen auf.
Zoster-Neuralgie: therapeutisch kaum beeinflußbare Schmerzzustände Kausatgie: brennender, intensiver anhaltender Schmerz vorwiegend am N. medianus und N.tibialis Therapie: Sympathektomie
Sehr heftige, therapeutisch kaum beeinflußbare Schmerzzustände können bei der Zoster-Neuralgie auftreten. Bei der Kausalgie handelt es sich um einen als brennend empfundenen sehr intensiven, meist anhaltenden Schmerzzustand im Ausbreitungsgebiet eines verletzten Nerven, der besonders reich an vegetativen Fasern ist, vorwiegend des N. medianus und des N. tibialis. Als Therapie der Wahl wird in diesen Fällen die Sympathektomie angesehen. Ein weiterer therapeutisch schwer beeinflußbarer Schmerz ist der Neuromund Stumpfschmerz. Durch Aussprossen der Achsenzylinder und der Schwann-Zellen entsteht am proximalen Ende eines durchtrennten Nerven ein sehr druckempfindlicher Knoten, der auf geringste mechanische Reizung heftigste Schmerzsensationen auslöst. Besonders häufig sind solche Neuromschmerzen an Amputationsstümpfen. Resektion des Neuroms führt nicht immer zur Schmerzfreiheit. Man wird sich in diesen Fällen der Nervenstimulationsmethoden bedienen. Phantomschmerzen im Bereich amputierter Gliedmaßen treten bei ca. V3 solcher Patienten auf. Die Pathogenese des Phantomschmerzes und der Phantomempfindung sind bisher nicht eindeutig geklärt. Eine zuverlässig wirkende Operationsmethode gibt es bisher nicht. Auch hier greift man gern zur Elektrostimulation, gelegentlich hat die Thalamotomie Erfolg. Im Terminalstadium zahlreicher Karzinome sind häufig medikamentös kaum beeinflußbare Schmerzzustände zu beobachten. Bei einseitigen Schmerzen hat sich die offene oder perkutane Chordotomie, mit hoher Erfolgsquote, bewährt. Nicht selten kommt es aber nach Durchtrennung bzw. thermischer Ausschaltung des Tractus spinothalamicus zu Schmerzen auf der Gegenseite, die dann einen zweiten Eingriff erfordern.
Neurom- und Stumpfschmerz: therapeutisch schwer beeinflußbar Am proximalen Ende des durchtrennten Nerven druckempfindlicher Knoten Schmerzsensation. Besonders häufig an Amputationsstümpfen Therapie: bei Resektion nicht immer Schmerzfreiheit, daher Nervenstimulationsmethoden Phantomschmerzen: im Bereich amputierter Gliedmaßen keine zuverlässige Operationsmethode Therapie: Elektrostimulation, gelegentlich Thalamotomie Karzinom-Schmerz. häufig unbeherrschbare Schmerzzustände
5.2.2 Sonstige unbeeinflußbare Schmerzen
Periphere Nerven, Schmerzsyndrome
301
Abb. 28-30: Einsetzen der Medikamentenpumpe unterhalb des Schlüsselbeines subkutan. Ein Schlauchsystem verbindet sie mit dem frontal-rechts über ein Bohrloch gelegten Ventrikelkatheter
Eine neuere Karzinomschmerzbehandlung, besonders des Gesichts- und Kieferbereiches, stellt die intraventrikuläre Opiatapplikation über ein implantiertes Vorrats- und Pumpsystem dar (Abb. 28-30). Eine periodische oder aber auch kontinuierliche Gabe ist erfolgreich. Der tägliche Opiatbedarf ist mit 0,8-1,0 mg Morphin gering, weil es unmittelbar an die Opiatrezeptoren des Zwischenhirnes appliziert wird.
Therapie: Neuere Methode: intraventrikuläre Opiatgabe - sehr geringe Dosis, hohe Erfolgsquote, kaum Nebenwirkungen (Abb. 28-30)
5.2.3 Stereotaktische Hirnoperationen
Stereotaktische Hirnoperationen:
Definition. Stereotaktische Operationsverfahren sind gezielte Eingriffe am Gehirn in vorher exakt berechneten Zielpunkten zur Ausschaltung bestimmter Hirnfunktionen bzw. zur Entnahme von Gewebeproben bei Tumoren in für offene Operationen unzugänglichen Regionen, z.B. im Bereich des Hirnstamms zur Klärung der Artdiagnose. Die Instrumente werden dabei über ein Bohrloch ins Zielgebiet geführt, wobei die darüberliegenden kortikalen Hirnschichten weitgehend geschont werden können. Man führt stereotaktische Eingriffe zur Behandlung unbeeinflußbarer Schmerzzustände durch. Das Verfahren der Wahl ist die Thalamotomie, bei der man verschiedene Kerngebiete am Ende des Tractus spinothalamicus durch Thermokoagulation ausschaltet. Die wichtigsten Indikationen für die Thalamotomie sind • die Anaesthesia dolorosa, die Herpes-Neuralgie, unbeeinflußbare Stumpfend Phantomschmerzen, die Kausalgie und Schmerzen bei Karzinomkranken. In etwa 50 % der Patienten ist auf diese Weise eine Schmerzausschaltung möglich. • Weiteres Hauptindikationsgebiet für stereotaktische Eingriffe sind: krankhafte Bewegungsstörungen des extrapyramidalmotorischen Systems: alle Hyperkinesen, wie Chorea, Athetose, Ballismus, Torsionsdystonie, Tortikollis und Myoklonien. Weitaus häufiger als diese Hyperkinesien ist das Parkinson-Syndrom, das durch Hypo- bzw. Akinese gekennzeichnet ist. Die Behandlungsergebnisse bei dem zuletzt genannten Krankheitsbild sind nach Literaturangaben in 75-80 % der Fälle günstig, der Rigor verschwindet meist prompt. Durch die Einführung der L-Dopa-Therapie ist die Zahl stereotaktischer Eingriffe beim M.Parkinson deutlich zurückgegangen. Neben der stereotaktischen Tumorbiopsie hat die Implantation von rdioaktiven Substanzen in inoperable Hirntumoren auf stereotaktischem Wege an Bedeutung gewonnen.
Eingriffe am Gehirn mit berechneten Zielpunkten, Ausschaltung bestimmter Hirnfunktionen oder Gewebeproben bei Tumoren Instrumentenzugang über Bohrloch
Anwendung: bei Behandlung unbeeinflußbarer Schmerzzustände Verfahren der Wahl: Thalamotomie Indikation für die Thalamotomie: • Anaesthesia dolorosa • Herpes-Neuralgie • unbeeinflußbare Stumpf- und • Phantomschmerzen • Kausalgie • Schmerzen bei Karzinom-Kranken Weiteres Hauptindikationsgebiet für stereotaktische Eingriffe: krankhafte Bewegungsstörungen des extrapyramidalmotorischen Systems. Hierzu gehören: • Hyperkinesen • Parkinson-Syndrom, gekennzeichnet durch Hypo- bzw. Akinese Ergebnisse in 75-80% positiv Beim Morbus Parkinson Therapie mit L-Dopa Heute auch Implantation von radioaktiven Substanzen in inoperable Hirntumoren
302
28. Kopf, ZNS, periphere Nerven
Epileptische Anfälle
6. Epilepsie, Bewußtseinsstörungen
Nach SHT mit Hirnsubstanzläsionen —> Krampfanfälle. Man unterscheidet: • Frühanfälle und • posttraumatische Spätepilepsie, die nicht voneinander abhängen Besonders gefährdet: Patienten mit Verletzungen der Parietallappen
Epileptische Anfalle sind ein häufiges Symptom intrakranieller Prozesse ohne Spezifität. Nach SHT mit Hirnsubstanzläsion treten nicht selten in der Frühphase zerebrale Krampfanfälle auf, entweder fokal oder generalisiert. Frühanfälle bedeuten keineswegs, daß eine posttraumatische Spätepilepsie resultiert. Nach schweren SHT mit Kontusion von Hirngewebe kommt es in ca. 20 % der Patienten zur Spätepilepsie. Besonders gefährdet sind Patienten mit ausgedehnten Verletzungen im Bereich der Parietallappen. Fokale und generalisierte Krampfanfälle können über längere Zeit als einziges Symptom eines langsam wachsenden intrakraniellen Tumors, vor allen Dingen eines Astrozytoms oder Oligodendroglioms beobachtet werden. Auch bei arterio-venösen Angiomen ist oft ein Anfallsleiden der einzige Hinweis auf das Vorliegen eines zerebralen Prozesses. Bei jedem Patienten mit epileptischen Anfällen muß daher eine subtile neuroradiologische Diagnostik durchgeführt werden. Eine besondere Form der epileptischen Anfälle stellen die Dämmerattakken oder Temporallappenanfälle dar, die auch als psychomotorische Anfälle bezeichnet werden. Nicht selten liegen einer solchen Temporallappenepilepsie ein Fehlbildungstumor (Hamartom), ein kleines Angiom oder narbige Veränderungen im Hirngewebe zugrunde. Bei Patienten mit derartigen Läsionen führt man bei Therapieresistenz der Anfälle eine Exzision des Herdes durch, häufig in Verbindung mit einer einseitigen Amygdalektomie oder Hippokampektomie, wenn sich in diesen Hirnarealen mittels Tiefenelektroden epileptische Herde nachweisen lassen. Bewußtseinsstörungen sind häufiges Begleitsymptom oder Leitsymptom intrakranieller Prozesse unterschiedlicher Genese. Die leichteste Form einer Bewußtseinsstörung ist die Somnolenz. Dabei sind die Patienten zwar stets erweckbar und geben adäquat Auskunft, sie verfallen jedoch sofort wieder in einen schlafähnlichen Zustand. Bei zunehmender Somnolenz kommt es zu einem Stadium, in dem die Patienten keine adäquate Antwort mehr geben und die Aufmerksamkeitsphasen immer kürzer werden. Die Patienten sind meist verwirrt, zu Zeit, Ort und Situation nicht richtig orientiert. Gezielten Aufforderungen kommen sie nicht mehr so prompt nach. Die nächste Phase der Bewußtseinsstörung ist der Sopor. Dabei können die Patienten durch heftige Schmerzreize kurzzeitig erweckt werden, geben jedoch auf Fragen keine adäquaten Antworten mehr, sie versuchen gezielt abzuwehren. Im Stadium der Bewußtlosigkeit, des Komas, sind die Patienten durch keinerlei Reize mehr erweckbar. Manche Autoren haben versucht, das Koma in verschiedene Grade einzuteilen, wobei das Vorhandensein oder die Ab-
Krampfanfälle auch als Ausdruck eines langsam wachsenden intrakraniellen Tumors. Hierbei besonders Astrozytom oder Oligodendrogliom. Ferner bei arteriovenösen Angiomen
Temporallappenepilepsie: Ursache: - Mißbildungstumor - kleines Angiom - narbige Veränderung im Hirngewebe Therapie: Exzision des Herdes, evtl. verbunden mit Amygdalektomie oder Hippokampektomie Bewu ßtseinsstöru n g d.s. Begleitsymptome oder Leitsymptome intrakranieller Prozesse. Leichteste Form: Somnolenz
Weiterreichendes Stadium der Somnolenz: Aufmerksamkeitsphasen werden immer kürzer. Verwirrtheit bezüglich Zeit, Ort und Situation Sopor: Bewußtseinsstörungen, bei denen Patienten durch Schmerzreize geweckt werden können. Keine adäquaten Antworten auf Fragen Koma: Bewußtlosigkeit. Durch Reize nicht erweckbar. Einteilung des Komas nach der Glasgow-Komaskala (Tab. 28-1)
Tab.28-1: Glasgow-Komaskala
(nach Jennett und Teasdale, 1977) Bewertung
Augenöffnen
spontan auf Anruf auf Schmerz gar nicht
4 3 2 1
Beste motorische Reaktion
befolgt Aufforderungen gezielte Schmerzabwehr Massenbewegungen Beugesynergien Strecksynergien keine
6 5 4 3 2 1
orientiert verwirrt unzusammenhängende Worte unverständliche Laute keine
5 4 3 2 1
verbale Reaktion
Komabewertung (Summe aller Reaktionen) = 3-15
M
Epilepsie, Bewußtseinsstörungen Wesenheit von motorischen Antworten mit der Tiefe des Komas korreliert wird (Glasgow-Komaskala, Tab. 28-1). Eine akut einsetzende Aphasie wird fälschlicherweise oft als Bewußtseinsstörung bezeichnet, das gleiche gilt für den Stupor und den akinetischen Mutismus, Zustände in denen es nicht möglich ist, mit den Patienten Kontakt aufzunehmen. Das von Kretschmar erstmals beschriebene apallische Syndrom bezeichnet einen Zustand schwerster Hirnschädigung, meistens im Anschluß an zerebrale Hypoxie, nach Entzündungen und SHT mit Mittelhirneinklemmung. In diesem Sinne zeigen die Patienten fast ausschließlich vegetative Reaktionen, weshalb auch der Begriff „chronisches vegetatives Stadium" geprägt wurde. Bewußtseinsstörungen bis hin zur Bewußtlosigkeit können toxisch, metabolisch oder durch Erhöhung des intrakraniellen Druckes bedingt sein. Bei jeder Bewußtseinsstörung muß so schnell wie möglich versucht werden, die Ursache abzuklären, damit eine gezielte Therapie erfolgen kann. Vor allen Dingen ist ein sofortiger Ausschluß eines raumfordernden intrakraniellen Prozesses notwendig. Dafür eignet sich heute besonders die CT, die nicht nur umschriebene raumfordernde Prozesse, z. B. Tumoren, zur Darstellung bringt, sondern auch typische Befunde beim Hirnödem oder den verschiedenen intrakraniellen Blutungen liefert.
303
Aphasie, Stupor, Mutismus nicht möglich mit Patient Kontakt aufzunehmen Apallisches Syndrom: Zustand schwerster Hirnschädigung, oft im Anschluß an zerebrale Hypoxie, nach Entzündungen und Schädel-Hirn-Verletzungen mit Mittelhirneinklemmung. Fast nur vegetative Reaktionen Ursache der Bewußtseinsstörung: - metabolisch - Erhöhung des intrakraniellen Druckes - Schnelle Klärung der Ursache, um gezielte Therapie einzuleiten - Ausschluß raumfordernder Prozesse mit Hilfe der CT
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer N. Schwenzer,
M. Ehrenfeld,
R.
Stellmach
Fehlbildungen, Formanomalien
1. Fehlbildungen, Formanomalien
Häufigste Fehlbildungen sind: - Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKG) - Gesichtsspalten, schräge und quere - kranio-faziale Fehlbildungen - Fehlbildung von Nase, Ohren, Augen - Progenie - Prognathie - Laterognathie - Mikrogenie - Mikrognathie - Okklusionsstörungen
Bedeutung und Häufigkeit: Das Gesicht ist Ausdruck der Persönlichkeit und Spiegelbild der Seele seines Trägers. Da immer unbedeckt, sind alle Abweichungen vom normalen Aussehen unmittelbar auffällig. Mißbildungen im eigentlichen Sinne kommen zustande durch embryologische Fehlleistungen. Am häufigsten sind Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKG), die mit zunehmender Inzidenz auftreten (1:500 Neugeborene). Selten sind: schräge und quere Gesichtsspalten, kraniofaziale Mißbildungen, dungen der Nase, der Ohren (Anotie), der Augen (Anophthalmie).
Fehlbil-
Die wichtigsten Formveränderungen der Kiefer sind: Progenie (Kinn und Unterkiefer stehen vor); Prognathie (der Oberkiefer steht vor); Laterognathie (der Unterkiefer ist nach einer Seite verschoben und schief); Mikrogenie (Unterkiefer und Kinn sind zu klein und rückstehend), Mikrognathie (der Oberkiefer ist zu klein und rückstehend). Störungen der Kieferform führen zur Dysgnathie
Alle Störungen der Kieferform äußern sich in einem fehlerhaften Zusammenbiß der Zahnreihen (Dysgnathie). Okklusionsstörungen kommen aber auch ohne äußerlich sichtbare Formabweichungen der Kiefer vor. Fast jedes 2. Kind benötigt eine kieferorthopädische Behandlung, wenn Eugnathie (= der regelrechte Zusammenbiß der Zahnreihen) erzielt werden soll.
Pathogenese, Ätiologie • embryonale Fehlleistungen
Ätiopathogenese: Die Bildung des Gesichtes ist ein komplizierter Vorgang, an dem 5 Gesichtswülste beteiligt sind, der Stirnwulst und die paarigen Oberkiefer- und Unterkieferwülste. Aus dem Stirnwulst heraus differenzieren sich rechts und links je ein medialer und lateraler Nasenwulst, deren Ränder in der 7. Embryonalwoche verschmelzen. Eine Lippenspalte entsteht, wenn die Nasenwülste nicht zusammentreDer Gaumen bildet sich von der 8. Woche des intrauterinen Lebens an, indem die an den Oberkieferwülsten befindlichen Gaumenfortsätze sich zur Mitte hin bis zur Verwachsung nähern. Gaumenspalten resultieren, wenn die Verwachsung der Gaumenfortsätze ganz oder teilweise unterblieben ist. Bei vollständigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalten ist sowohl die Vereinigung der Lippe und des Kiefers als auch die des Gaumens unterblieben. Gesicherter ätiologischer Faktor ist die Erblichkeit (< 40 % der Fälle). Als andere Ursachen werden Spontanmutationen und exogene teratogene Schäden angenommen (Virusinfektion in der Frühschwangerschaft, Röteln, Masern, Mumps, Windpocken, Toxoplasmose, aber auch Sauerstoff-, Vitaminmangel und ovarielle Insuffizienz). Im Einzelfall lassen sich die wirksam werdenden äußeren Faktoren nicht erfassen.
Klinische Symptomatologie • Lippenspalte: ein- oder doppelseitig. In der vollständigen Form auch der Nasenboden gespalten (Abb.29-1)
bei Doppelseitigkeit gibt es ein Lippenmittelteil mit mobilem Zwischenkiefer
Symptome: Die Lippenspalte kann ein- oder doppelseitig auftreten, kommt links dreimal so häufig vor wie rechts und liegt paramedian an der Stelle, die der Filtrumleiste entspricht (Abb. 29-1). Bei unvollständiger Ausprägung reicht sie unterschiedlich weit bis an das Nasenloch heran, in der vollständigen Form ist auch der Nasenboden gespalten. Als Lippen-Kieferspalte durchsetzt sie den Alveolarfortsatz bis zum Foramen incisivum. Doppelseitige vollständige Lippen-Kieferspalten sind durch ein Lippenmittelteil (Prolabium) und den dahinter befindlichen mobilen Zwischenkiefer
Fehlbildungen, Formanomalien
305
ausgezeichnet. Dieses sog. Bürzel hängt am knorpeligen Nasenseptum. Die Gewebe im Lippenmittelteil sind hypoplastisch, die Lippenmuskulatur fehlt, und der Nasensteg ist kurz• In jeder Form ihrer Ausprägung läßt die Lippenspalte Unregelmäßigkeiten an der Nase erkennen entsprechend ihrer Entstehung aus einem embryologischen Fehlverhalten der Nasenwülste. Der Nasenflügel ist nach lateral verzogen, der Spitzenknorpel steht tief, der Naseneingang ist verbreitert. Bei vollständigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (Abb. 29-2) setzt sich die Spalte durch den harten und den weichen Gaumen fort, die Gaumenlänge ist verkürzt. Auf jeder Seite des Velums erscheint ein verkleinertes (halbes) Zäpfchen. Bei isolierten Gaumenspalten sind Oberlippe, Kiefer und Zahnbogen normal gebildet. Die fehlende Trennung zwischen Mundhöhle und Nasenhöhle läßt sofort Nahrung durch die Spalte in die Nase gelangen. Dies kann durch eine Trinkplatte verhindert werden, die bereits in den ersten Lebenstagen eingesetzt wird. Das gespaltene Velum läßt auch den funktionellen Nasenrachenabschluß beim Schlucken und Sprechen nicht zu. Ohne Operation entsteht die sog. Gaumenspaltsprache mit dem Charakteristikum des offenen Näseln. Ein gespaltener Weichgaumen hat häufig eine gestörte Funktion der Tuba auditiva mit konsekutiven Paukenergüssen und Schalleitungsschwerhörigkeit zur Folge.
dahinter: Fehlen der Uppenmuskulatur, kurzer Nasensteg
Diagnose • Gesichtsspalten: Bei doppelseitigem Spaltvorkommen kann die Manifestation der Spalte auf beiden Seiten unterschiedlich sein, z. B. links vollständige Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, rechts unvollständige Lippenspalte. Die quere Gesichtsspalte verläuft vom Mundwinkel seitlich durch die Wange auf den Gehörgang zu (NichtVerschmelzung des Ober- und Unterkieferwulstes). In ihrer Mikromanifestation ist lediglich eine verbreiterte Mundspalte vorhanden (Makrostomie). Die schräge Gesichtsspalte verläuft vom Filtrumbereich der Lippe zum Auge (NichtVerschmelzung des Oberkieferwulstes mit dem lateralen Nasenwulst). Die kranio-fazialen Fehlbildungen stellen mitunter monströse Verunstaltungen dar, wenn die Augen weit auseinander liegen (Hypertelorismus). Ebenso groteske Erscheinungsbilder können durch Doppelbildungen oder Aplasie der Nase zustande kommen. • Anomalien der Kiefen Von den typischen Formanomalien der Kiefer ist die Progenie am leichtesten zu erkennen durch das vorstehende Kinn, das dem Gesicht einen brutalen Ausdruck verleiht. Bei der Prognathie kann infolge des Vorstehens des vorderen Oberkiefers der Lippenschluß nur unter Anstrengung zustande gebracht werden (Zwangslippenschluß).
Diagnose Fehlbildungen und Anomalien 1. Gesichtsspalten Bezeichnung des Verlaufes der Spaltbildung. • LKG-Spalte: Verlauf paramedian im Filtrum der Oberlippe durch Kiefer und Gaumen bis zur Uvula • quere Gesichtsspalte: - Verlauf vom Mundwinkel seitlich durch die Wange auf den Gehörgang zu • schräge Gesichtsspalte: - Verlauf vom Filtrumbereich der Lippe zum Auge • kranio-faziale Fehlbildung: - oft monströse Verunstaltung
vollständige LKG (Abb. 29-2): wenn doppelseitig, meist vorstehender Zwischenkiefer
Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme sofort nach der Geburt Gaumenspaltsprache ab dem 2. Lebensjahr mit näselndem Beiklang
2. Anomalie der Kiefer • Progenie: vorstehendes Kinn, energischer Gesichtsausdruck • Prognathie: Vorstehen des vorderen Oberkiefers, kaum Lippenschluß
306
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer
• Laterognathie: Schiefstellung des Untergesichtes • Mikrogenie: zurückliegendes Kinn • Mikrognathie: eingezogenes Mittelgesicht, kleine Nase, wenig ausgeprägtes Jochbein. Objektivierung durch Okklusionsbefund, kieferorthopädische Meßverfahren am Röntgenbild
Die Laterognathie ist durch eine Schiefstellung des Untergesichtes charakteristisch. Die Mikrogenie imponiert durch ein zurückliegendes Kinn und die Mikrognathie durch ein eingezogenes Mittelgesicht mit zumeist kleiner Nase und wenig prominenten Jochbeinen. Die Formanomalien der Kiefer werden durch den Okklusionsbefund und durch kieferorthopädische Meßverfahren am Fernröntgenbild objektiviert.
Therapie von Fehibildungen und
Therapie
Anomalien Ziele
= 0
Therapiekonzepte
1. Lippenplastik - Operationsalter 3-5 Monate (Abb. 29-3,4) - plastische Verlagerung von Lippenanteilen nach geometrischer Vermessung und millimetergenauen Einschnitten
Ziele: Die Behandlung der LKG erstrebt in der Reihenfolge ihrer soziologischen Bedeutung: • normales Sprechen durch Gaumenplastik, • normales Aussehen durch Lippenplastik, • normales Hören durch frühzeitigen Gaumenverschluß und otorhinolaryngologische Mitbehandlung (z.B. Parazentese), • normales Kauvermögen und normale Gesichtsrelation durch kieferorthopädische Behandlung. Therapiekonzept. Bei durchgehenden Spalten und Spalten des harten und weichen Gaumens sollte eine kieferorthopädische Behandlung unmittelbar nach der Geburt eingeleitet werden. Sie besteht in der Eingliederung einer Gaumenplatte. Diese trennt Mund- und Nasenhöhle, begrenzt den Mund auf normale anatomische Verhältnisse, normalisiert Zungenlage und -funktion und erleichtert das Trinken. Sie korrigiert die Dislokation der Kiefersegmente und schafft günstigere Bedingungen für den Spalt Verschluß. • Lippenplastik: Lippenspalten werden im Alter von 3-5 Monaten (Mindestgewicht 5000 g) operiert. Die normale Form der Lippe und der natürliche Amorbogen werden dadurch gebildet, daß geometrisch vermessene, millimetergenaue Einschnitte eine plastische Verlagerung von Lippenanteilen erlauben (Abb. 29-3, 4). Der Verschluß erfolgt schichtweise, wobei die Vereinigung der Muskulatur für die spätere Lippenfunktion eine besondere Bedeutung hat.
digen Lippenspalte
Abb.29-4: Schnittführung und Technik der Lippenplastik nach Miliard
Fehlbildungen, Formanomalien
307
• Gaumenplastik: Die Gaumenplastik soll das spontane Erlernen des normalen Sprechens ermöglichen. Die Weichgaumenspalten werden heute zumeist mit 3-5 Monaten verschlossen, die Hartgaumenspalten im 2. Lebensjahr. Es kommt darauf an, die Gaumenseiten nicht nur zu vereinigen, sondern auch die Gaumenweichteile nach dorsal zu verlängern, damit das Velum beim Sprechen an die Rachenwand angelegt werden kann. Hierfür eignen sich die Stiellappenplastik (Abb. 29-5), die Brückenlappenplastik (Abb. 29-6) und die intravelare Muskelplastik. Wenn sich trotzdem näselndes Sprechen entwickelt, ist eine Pharyngoplastik notwendig. Durch eine gewebliche Verbindung zwischen Velum und Rachenhinterwand kann der Nasen-Rachen-Abschluß erleichtert und das Sprechen normalisiert werden. • Bei totalen LKG (Abb. 29-6) erfolgt der Verschluß in mehreren Etappen. Nach kieferorthopädischer Vorbehandlung werden zunächst Lippen und weicher Gaumen geschlossen. Der Verschluß des harten Gaumens erfolgt später (2.-3. Lebensjahr). Ein vielfach vorhandenes Knochendefizit im Kieferspaltbereich erfordert vor Durchbruch des bleibenden Eckzahnes eine Osteoplastik mit Beckenkammspongiosa (12. Jahr). • Korrekturoperationen: In besonderem Maße ist davon die Nase betroffen. Skelettierende Eingriffe am knorpeligen Nasengerüst dürfen erst ausgeführt werden, wenn das Wachstum beendet ist, um operationsbedingte Wachstumsschäden zu vermeiden. Eingriffe an der Lippe können jederzeit, möglichst vor Schuleintritt erfolgen. Auch der Verschluß von Restperforationen im Gaumen kann nach Durchtritt der Milchzähne vorgenommen werden. • Kieferorthopädische Behandlung: Okklusionsanomalien der Kiefer sind die Domäne der konservativen Kieferorthopädie. Mit Behandlungsbeginn im 8. Lebensjahr können die meisten Bißfehler normalisiert werden, da sich die bleibenden Zähne in der Durchbruchsperiode am besten umstellen lassen. Hierzu werden abnehmbare oder festsitzende Behandlungsgeräte eingesetzt. Beim Erwachsenen sind diese Maßnahmen weniger erfolgversprechend, da die Umbaufähigkeit des Knochens nur noch gering ist. • Chirurgische Kieferorthopädie: Bei Erwachsenen (Mindestalter 18 Jahre) kommen chirurgische Verfahren infrage, bei denen die Kiefer in Segmenten osteotomiert, in die gewünschte Form verbracht und durch Platten und Schrauben und/oder Kieferbruchschienen bis zur knöchernen Heilung ruhiggestellt werden. Durch eine kieferorthopädische Vorbehandlung müssen die Kieferbögen vielfach so ausgeformt werden, daß die Zähne nach der Osteotomie genau aufeinander passen
®
2. Gaumenplastik - Operationsalter 3 Monate bis 2 Jahre • Ziel: - Gaumenspalte verschließen und Verlängerung der Gaumenweichteile mit Hilfe der Stiellappenplastik (Abb. 29-4) - Erlernen des normalen Sprechens soll ermöglicht werden
• totale LKG: - Verschluß mehrzeitig
2. Korrekturoperationen - meist an der Nase - Operationszeitpunkt nach Beendigung des Wachstums
3. Kieferorthopädische Behandlung - konservative Kieferorthopädie, - Behandlungsbeginn 8. Lebensjahr - Einsetzen abnehmbarer Bißplatten - bei Erwachsenen wenig erfolgversprechend 4. Chirurgische Kieferorthopädie - Mindestoperationsalter 18 Jahre - Kiefer in Segmenten osteotomieren und in die gewünschte Form bringen - Fragmentfixation durch Osteosynthese, Kieferbruchschienen oder kieferorthopädische Geräte
®
Abb.29-5: Prinzip der Brückenlappenplastik nach Langenbeck-Veau-Axhausen am Beispiel einer isolierten Gaumenspalte, a. Durch Vereinigung der nasalen- und Vomerschleimhaut sind 2 getrennte Nasengänge gebildet. Nach der Originalmethode werden die Palatinalgefäße unterbunden und vom posterioren Schnittende der Pharynxmuskelschlauch abgelöst, was heute als obselet gilt, b. Durch beidseits eingeführte resorbierbare Tamponade wird die Naht entspannt.
Abb.29-6: Prinzip der Stiellappenplastik nach Veau-Rosenthal, am Beispiel einer linksseitigen totalen LKG-Spalte: Die Lappenbildung erfordert ebenfalls eine totale Ablösung der Schleimhautperiostbedeckung des harten Gaumens
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29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer (normale Okklusion). Mitunter kann auch noch eine Nachbehandlung erforderlich sein. Die kieferorthopädische Behandlung erfolgt mit festsitzenden Apparaturen. Progenie, Prognathie
• Mikrogenie und Mikrognathie: - Einstellung der Kiefer- und Zahnbögen in die gewünschte Okklusion durch Osteotomien
- Korrektur aller abnormen Bißlagen in einer einzigen Operation Prognose und Ergebnisse: Lippen- und Gaumenplastiken: bei perfekter Ausführung keine weitere Auffälligkeit Bei Osteotomien der Kieferknochen: Funktionsausfälle, vorübergehende Gefühlsminderung. Längere kieferorthopädische Nachbehandlung
Die Progenie ist die häufigste Operationsindikation. Ohne äußere Narben zu hinterlassen, kann durch Schnittführung vom Munde aus der Unterkieferast durchtrennt und in der notwendigen Weise zurückverschoben werden (Abb. 29-7). Die Prognathie wird korrigiert, indem auf beiden Seiten ein Prämolar entfernt und der alveoläre sowie der Gaumenknochen soweit weggefräst werden, bis sich das mobilisierte frontale Kiefersegment zurückverlagern läßt (Abb. 29-8). Die Rücklage des Oberkiefers (Retromaxillie) wird durch eine Osteotomie in Höhe der Apertura piriformis oberhalb der Zahnwurzeln und Vorverlagerung des zahntragenden Fragmentes korrigiert. Die Knochensegmente werden durch eine Miniplattenosteosynthese stabil fixiert. Sinngemäß werden auch Mikrogenie und -gnathie durch Osteotomien an den Stellen der Wahl operiert, so daß sich die Kiefer- und Zahnbögen in die gewünschte Okklusion einstellen lassen. Hierdurch entstandene Knochendefekte werden mit Hilfe von autoplastischen Knochentransplantaten ausgefüllt, und danach wird die knöcherne Heilung durch Ruhigstellung mit Miniplatten oder Kieferbruchschienenverbänden abgewartet. Alle abnormen Bißlagen können in einer einzigen Operation korrigiert werden, wobei oftmals kombiniert an Ober- und Unterkiefer gleichzeitig vorgegangen werden muß (bimaxilläre Osteotomie). Prognose und Ergebnisse: Lippen- und Gaumenplastiken haben bei perfekter Ausführung so gute Ergebnisse, daß der Spaltträger sein Stigma verliert und die Spalte nicht mehr als solche auffällt. Bei den Osteotomien der Kieferknochen können Funktionsausfälle durch Intervention am N. alveolaris inferior oder am N. infraorbitalis entstehen und vorübergehend eine Gefühlsminderung der gleichseitigen Unter- bzw. Oberlippe zur Folge haben. Bei den Operationen aus kieferorthopädischer Indikation ist eine längere kieferorthopädische Überwachung, ggf. eine Nachbehandlung notwendig, um Rezidive zu verhindern.
Abb. 29-7: Osteotomie im aufsteigenden Unterkieferast mit RückVerschiebung des Unterkieferkörpers bei der Progenieoperation: a. Fragmentfixation durch Stellschrauben oderb. Drahtnähte
Abb. 29-8: Modellstudie einer Prognathieoperation vor (a) und nach (b) der Osteotomie
Verletzungen, Frakturen, Luxationen
309
2. Verletzungen, Frakturen, Luxationen
Verletzungen, Frakturen, Luxationen
Bedeutung: Das Gesicht ist eine wenig geschützte Oberfläche des Körpers. Durch äußere Wunden oder Weichteildefekte und durch Verlagerung der frakturierten Kiefer- und Gesichtsknochen entstehen Störungen des Aussehens bis hin zu schwersten Entstellungen. Sind zahntragende Knochenanteile betroffen, kommt es zu Okklusionsstörungen. Sie können vermieden werden, wenn die Erstversorgung des Unfalls frühzeitig und fachgerecht erfolgt; denn durch Sekundärbehandlung wird oft nicht mehr das optimale Ergebnis der primär möglichen Rekonstruktion erreicht. Da ungestörtes Aussehen für die soziale Anpassung in der Gesellschaft geboten ist, ergibt sich hieraus die Bedeutung der ärztlichen Hilfe schon am Unfallort: sie hat darauf hinzuwirken, daß der Gesichtsverletzte in eine Kiefer-Gesichtschirurgische Klinik überstellt wird.
Bedeutung, Häufigkeit Bei Gesichtsverletzungen Überstellung des Patienten in eine Kiefer-Gesichtschirurgische Klinik
Epidemiologie. Ätiopathogenese. Durch zunehmende Motorisierung stehen die Verkehrsunfälle an der Spitze der Unfallstatistik.
Ätiologie und Pathogenese:
Der Kopf ist mit 71 % der am häufigsten betroffene Körperteil. 70% der Verkehrstoten sterben an einem Schädel-Hirn-Trauma. Insgesamt sind ein Drittel aller Kiefer-Gesichtsschädel-Frakturen durch Verkehrsunfälle bedingt, ein weiteres Drittel kommt durch Rohheitsdelikte zustande, etwa 15% durch Betriebsunfälle, 10% durch Sportunfälle, der Rest durch andere Ursachen. 20 % der Frakturen sind mit Weichteilverletzungen des Gesichtes kombiniert, ebenso hoch ist der Anteil einer begleitenden Gehirnerschütterung. Am häufigsten frakturiert der Unterkiefer (etwa die Hälfte aller Fälle), danach der Oberkiefer-Mittelgesichtskomplex (s. Abb. 29-11; ein Viertel aller Fälle), der Rest betrifft Kombinationsfrakturen beider Bereiche. Unter den Mittelgesichtsfrakturen ist das Jochbein am häufigsten betroffen.
Bei 71 % aller Unfälle ist der Kopf betroffen. A m häufigsten frakturiert der Unterkiefer
Hirnkomplikationen und Weichteilverletzungen sind häufiger mit Mitteige sichts- als mit Unterkieferfrakturen vergesellschaftet, am häufigsten jedoch bei kombinierten Mittelgesichts- und Unterkieferfrakturen, die naturgemäß die schwersten Verletzungen darstellen (Panfaziale Fraktur). Eine Eigentümlichkeit der Kieferfrakturen besteht darin, daß sie meistens nach außen gedeckte, nach den inneren Oberflächen der Mundhöhle und der Nase hin dagegen offene Verletzungen sind. Die Knochenflächen werden in Mund- und Nasenhöhle nur durch eine dünne Schleimhautperiostlage bedeckt, die bei jeder Dislokation einer darunterliegenden Fraktur einreißt. Dagegen sind die äußeren Gesichtsweichteile dick und können beim Auseinandertreten der Bruchstücke nachgeben. Stumpfe Gewalten verursachen beträchtliche Hämatome in den Weichteilen. Bei Oberkieferfrakturen ist das Vollbluten der Kieferhöhle (Hämatosinus) durch Einriß der Kieferhöhlenschleimhaut die Regel. Bei Beteiligung der Orbita ist immer ein Monokel- bzw. Brillenhämatom vorhanden.
Mittelgesichts- und Unterkieferfraktur: ohne äußere Wunden nach außen gedeckt, nach innen hin offene Verletzung Schädel-Hirn-Trauma zumeist bei Mittelgesichts- und bei kombinierten Mittelgesichts-Unterkieferfrakturen
Oberkieferfrakturen: Vollbluten der Kieferhöhle. Bei stumpfen Einwirkungen beträchtliche Hämatome in den Weichteilen
Die Bruchfestigkeit des Knochens wird durch pathologische Veränderungen herabgesetzt, so daß eine Fraktur bereits bei normaler mechanischer Beanspruchung als sog. Spontanfraktur entstehen kann. Ursache sind Zysten, Knochentumoren und Osteomyelitis.
Spontanfraktur: verursacht durch Zysten, Knochentumoren und Osteomyelitis
Am Unterkiefer kommen auch Luxationen vor, entweder ein- oder doppelseitig sowie in Kombination mit Brüchen als Luxationsfrakturen.
Am Unterkiefer: ein- oder doppelseitige Luxationen und Luxationsfrakturen.
2.1 Symptome, Diagnose, Therapie 2.1.1 Klinische Symptomatologie, Diagnose
Klinische Symptomatologie
Symptome. Schwellungen und Hämatome bei äußerlich intakter Hautoberfläche weisen auf mögliche darunterliegende Frakturen hin. Die Schwellungen nehmen im Bereich der Augenumgebung schnell ein beträchtliches Ausmaß an, so daß die prallen Lider nicht geöffnet werden können und die Erkennung von Frakturen im Mittelgesicht durch Inspektion
- Schwellungen und Hämatome weisen auf Fraktur hin. - Jochbein- und Jochbogenbrüche schwer diagnostizierbar, da starke Schwellung in der Augenumgebung
310
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer
Abb. 29-9: Kieferbruchschiene im Oberkiefer und geteilte Schiene im Unterkiefer eingebunden; intermaxilläre Gummizüge zur Reposition des Kinnfragments bei offenem Biß durch Querfraktur des Unterkieferkörpers links eingehängt; Lage des Knochenhakens zur Reposition einer Jochbeinimpressionsfraktur, die anschließend mit Miniplatten versorgt wird
- unterschiedliche Gesichtskonturen durch dislozierte Brüche
- Stufen zwischen den Zähnen bei Frakturen, die durch den Zahnbereich verlaufen Diagnose 1. klinische Untersuchung • unsichere Frakturzeichen: - Schmerzen
Ödem Funktionsstörungen
• sichere Frakturzeichen:
Abb. 29-10: Stufe in der Zahnreihe bei Unterkieferquerbruch
und Palpation unmöglich wird. Dies ist der Grund für das nicht seltene Übersehen von Jochbein- und Jochbogenbrüchen. Seitenungleiche Gesichtskonturen können durch dislozierte Brüche bedingt sein. Von besonderer Bedeutung bei den Kieferbrüchen ist der Zusammenbiß der Zähne. Die Okklusion ist oft nicht mehr so wie vor dem Unfall. Manchmal besteht ein offener Biß (Abb.29-9), d.h., es kommen beim Zusammenbiß nur die Molaren in Kontakt, während die Schneidezähne noch auseinanderstehen. Wenn Frakturen durch den Zahnbereich verlaufen und eine Verschiebung des Alveolarfortsatzes zur Folge haben, fallen Stufen in der Zahnreihe auf (Abb. 29-10). Diagnose. Die Fraktur wird zunächst durch klinische Untersuchung diagnostiziert. Unsichere Frakturzeichen: • Schmerzen im Bruchbereich: werden regelmäßig angegeben, lassen sich durch Druck über der Bruchstelle auslösen oder verstärken. • Stauchungsschmerz: entfernt vom vermuteten Bruchspalt wird ein Fragment gegen das andere gepreßt, z.B. vorsichtiger Stoß auf das Kinn bei Verdacht auf Kiefergelenkfraktur • traumatisches Ödem oder Hämatom der Gesichtsweichteile. • Funktionsstörung, besonders oft Kieferklemme; der Mund kann nicht normal weit geöffnet werden infolge reflektorischer Schonstellung des gebrochenen Knochens und der umgebenden Muskulatur zur Vermeidung von Schmerzen. Kiefersperre: der Mund kann nicht geschlossen werden infolge einer Blockierung des Unterkiefers. Doppelbilder: resultieren durch Absinken des Augapfels bei Jochbeinoder bei Orbitalbodenfraktur (Abb. 29-11,12). Sensibilitätsstörung der Oberlippe oder Unterlippe, entsteht durch Läsion des N. infraorbitalis bzw. alveolaris inferior, wenn die Fraktur durch den Nervenkanal im Knochen verläuft. Sichere Fraktur zeichen: • Dislokation des gebrochenen Knochens, z.B. Eindellung und Schiefstand des Nasenrückens, Eindellung des Jochbogens, Abtasten von Stufen- und Knochenlücken am Infraorbitalrand oder am Unterkieferrand, Stufen in der Okklusion • abnorme Beweglichkeit: ist durch vorsichtige Bewegung der Knochenstümpfe gegeneinander prüfbar. • Krepitation ist im Bereich des Gesichtsschädels selten auslösbar, wird durch Reiben der Fragmentenden gegeneinander erzeugt und ist sehr schmerzhaft.
Verletzungen, Frakturen, Luxationen
A b b . 2 9 - 1 1 : Mittelgesichtsfrakturen
(MGF):
a. Zentrale
M G F (Typ le Fort II),
b. Zentro-Iateraterale MGF (Typ Le Fort III), c. Oberkieferquerfraktur (Typ Le Fort I), d. Laterale MGF (Jochbeinfraktur), e. Nasoethmoidalfraktur, f. Orbitabodenfraktur
Die Diagnose wird gesichert durch eine Röntgenuntersuchung, die umgehend vorgenommen werden sollte (Abb. 29-13). Für die Diagnostik der Kieferbrüche ist das Orthopantomogramm optimal, für die Brüche des Mittelgesichtes Abb. 29-11 sind halbaxiale Schädelaufnahmen, zur Darstellung der Jochbögen ist die axiale Schädelaufnahme erforderlich. Kiefergelenkbrüche werden im Tomogramm, Alveolarfortsatz- und Zahnfrakturen werden auf Zahnfilmen am besten dargestellt. Bei ausgedehnten Mittelgesichtsfrakturen und Beteiligung der Schädelbasis zusätzliche CT-Untersuchung.
Sicherung der Diagnose durch 2. Röntgenuntersuchung: • Orthopantomogramm • halbaxiale Schädelaufnahme • axiale Schädelaufnahmen • Tomogramm (Abb.29-12b) • Zahnfilm
2.1.2 Therapie
Therapie
Maßnahmen am Unfallort: Einrisse der Zunge und des Mundbodens bluten stark und bringen Aspirationsgefahr mit sich. Aus diesem Grunde sind aus dem Munde blutende Verletzte sofort in stabile Seitenlagerung (s. Abb. 21-2, S. 187) oder in Bauchlage zu bringen, damit das Blut aus Mund und Nase abfließen kann. Das gleiche gilt auch für Blutungen aus dem Mittelgesicht (s. Abb. 29-11). Ausschließlich in dieser Lage muß auch der Abtransport erfolgen, und es dürfen keine die Atemtätigkeit mindernde analgetische Medikamente vor der Erstversorgung verabfolgt werden. Es genügt, die äußeren Wunden durch einen einfachen Verband sauber abzudecken. Stark, mitunter lebensbedrohlich blutende Verletzte werden am Unfallort vom Notarzt intubiert. Danach können Mundhöhle, Pharynx und Nasenhaupthöhle zu Blutstillung austamponiert werden.
l . a m Unfallort: - bei Einrissen in Zunge und Mundboden durch starke Blutung Aspirationsgefahr: stabile Seitenlagerung oder Bauchlage auch beim Transport - keine atemdepressiven Analgetika
H C
Abb.29-12: Typische Kaudalverlagerung des Bulbus bei der Jochbeinfraktur, die häufig zu Doppelbildsehen führt.
Abb. 29-13: Fraktur)
Orbitabodenfraktur
i m CT ( 4 >
3000 S00
Kiefersperre:
2.2 L u x a t i o n der K i e f e r g e l e n k e
Mund kann nicht geschlossen werden Auftreten bei extrem weiter Mundöffnung Bei Wiederholung habituelle Luxation
Bei der Luxation des Unterkiefers besteht eine Kiefersperre. Der Mund kann nicht geschlossen werden, weil einer oder beide Gelenkköpfe über das Tuberculum articulare hinweg aus der Gelenkpfanne nach vorn verlagert und durch den Zug der Schließmuskulatur fixiert werden, so daß ein
Verletzungen, Frakturen, Luxationen
315
Abb. 29-19: Reposition des Unterkiefers bei Luxation
spontanes Zurückgleiten nicht mehr möglich ist. Bei der einseitigen Luxation weicht das Kinn zur Gegenseite ab, der Mund steht schief; bei doppelseitigem Vorkommen tritt keine Seitenabweichung auf. Wiederholen sich Luxationen öfter, die der Patient selbst einzurenken vermag, so spricht man von habitueller Luxation. Zur Einrenkung des Unterkiefers empfiehlt sich eine periartikuläre Infiltrationsanästhesie. Folgende Bewegung wird ein- bzw. doppelseitig ausgeführt (Abb. 29-19): der Daumen wird auf die untere Seitenzahnreihe gelegt, während der Unterkiefer mit den anderen Fingern umfaßt wird. Durch Zug des aufsteigenden Astes nach abwärts und gleichzeitiger Dorsalbewegung wird das Kieferköpfchen mit dem Diskus über das Tuberculum articulare in die Gelenkpfanne reponiert. Dabei ist der Daumen vor Bißverletzungen zu schützen. Gelingt die Reposition wegen starker Schmerzen oder Verspannung der Muskulatur nicht, dann muß man sie in Narkose vornehmen. Anschließend ist für einige Tage die Ruhigstellung der Kiefergelenke durch einen Kopfverband oder durch zwei intermaxilläre Drahtligaturen zu empfehlen, damit die überdehnte Gelenkkapsel ausheilen kann. Für einige Monate danach sollte auch das maximale Mundöffnen vermieden werden, um die Luxation nicht habituell werden zu lassen. Prognose und Ergebnisse: Schnitt- und Rißwunden im Gesicht zeigen eine gute Abheilung, wenn die Erstversorgung atraumatisch ausgeführt wurde. Die knöcherne Heilung der Kieferfrakturen ist die Regel, insbesondere am Oberkiefer. Am Unterkiefer besteht im Bereich des Unterkieferkörpers eher die Gefahr einer Pseudarthrose, wenn keine ausreichende Ruhigstellung erzielt werden konnte. Funktionsausfälle des N. infraorbitalis oder alveolaris inferior kommen gewöhnlich nach einigen Wochen oder Monaten zur Resensibilisierung. Erstes Anzeichen sind Parästhesien, die als Kribbeln und Ameisenlaufen imponieren. In Fehlstellung knöchern verheilte Frakturen werden nicht unbedingt im Bereich der dislozierten Bruchstellen, sondern an Stellen der Wahl osteotomiert. Pseudarthrosen verlangen eine funktionsstabile Osteosynthese, gegebenenfalls eine Osteoplastik, um die knöcherne Heilung zu gewährleisten. Kieferbrüche sind von der Gefahr einer Bruchspaltinfektion bedroht, wenn der Bruchspalt durch die Alveole eines devitalen Zahnes verläuft. Durch Aktivierung der apikalen Periodontitis kann es auch zur Osteomyelitis kommen. Im Regelfall sollten daher devitale Zähne aus dem Bruchspalt entfernt werden. Die Korrektur von Unfallnarben im Gesicht erfolgt in den Händen Ungeübter gewöhnlich zu früh und darf erst ausgeführt werden, wenn die Narben ausgereift sind. Dies ist im Regelfall nicht vor einem halben Jahr nach dem Unfall zu erwarten und wird daran erkannt, daß die Narben weich und blaß geworden sind und sich nicht mehr weiter verändern. Abweichend hiervon werden frühzeitig Sekundärkorrekturen dann ausgeführt, wenn die Behebung von Funktionsstörungen im Vordergrund steht
Bei einseitiger Luxation Schiefstellung des Mundes.
Einrenkung: Daumen auf die untere Seitenzahnreihe legen, Unterkiefer mit den anderen Fingern umfassen; Zug des aufsteigenden Astes nach abwärts, gleichzeitiger Druck nach dorsal, -> Kieferköpfchen mit Diskus wird in die Gelenkpfanne zurückbewegt (Abb. 29-19). Ruhigstellung für einige Tage durch Kopfverband oder Drahtligaturen
Prognose und Ergebnisse bei Verletzungen, Frakturen und Luxationen. Schnitt- und Rißwunden im Gesicht: gute Abheilung nach atraumatischer Erstversorgung Kieferfralcturen: knöcherne Heilung ist die Regel Unterkiefer: Gefahr der Pseudoarthrose Erstes Anzeichen der Resensibilisierung der Lippen: Parästhesien, Kribbeln
Kieferbrüche: Gefahr einer Bruchspaltinfektion und Osteomyelitis durch toten Zahn im Bruchspalt
Unfailnarben: beste Ergebnisse, wenn erst nach 1 Jahr korrigiert wird. Ausnahme: Behebung von Funktionsstörungen Salbennachbehandlung über mehrere Monate, besonders nach Verbrennungen
316
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer (Schlußunfähigkeit der Augenlider, des Mundes, Verlegung des Nasenluftweges). Hilfreich ist auch die narbenpflegende Salben-Nachbehandlung über mehrere Monate, um durch lokale Anwendung von Kortison hyperplastische Narbenbildung zu verhindern. In seltenen Fällen, fast stets aber nach Verbrennungen, bilden sich Narbenkeloide, die Bleistiftdicke erreichen können. Sie verursachen quälenden Juckreiz. Ihre Behandlung ist problematisch und verlangt plastische Operationsverfahren in Kombination mit intradermaler Kortison-Injektion und operationsbegleitende Rö.-Bestrahlung.
3. Entzündungen, Zahnerkrankungen, Zysten Odontogene Entzündungen
3.1 Odontogene Entzündungen
Ausgangspunkt: • devitale Zähne und • periapikale Granulome
Häufigkeit und Bedeutung: Unspezifische Entzündungen und fortgeleitete Eiterungen im Gesichtsbereich gehen fast immer von toten Zähnen aus. Über den Wurzelkanal und periapikale Granulationsherde erfolgt der bakterielle Nachschub und das Eindringen der Erreger in den Körper. Da viele Menschen devitale Zähne haben, handelt es sich um häufige Vorkommnisse. Wenn durch Trepanation des verursachenden Zahnes die Entzündung nicht zum Abklingen zu bringen ist, wird stationäre operative Behandlung erforderlich.
Ätiologie und Pathogenese: - Erreger: Staphylokokken, Streptokokken, gramnegative Stäbchen, Anaerobier - Ausbildung von typischen Abszeßformen in der Umgebung der Kiefer, im Gesicht, am Hals - Fortleitung der Oberkiefereiterung: Abszesse in der Wange, der Orbita und im retromaxillären Raum - von dort aus: Schädelbasis, Flügelgaumengrube, Infratemporalgrube und Sinus cavernosus. Meningitis möglich
Ätiopathogenese. Die Erreger sind überwiegend Staphylokokken, Streptokokken sowie gramnegative Stäbchen und Anaerobier. Bei akutem Verlauf kommt es innerhalb weniger Stunden zu einer serösen Periostitis, danach zur zellulären Infiltration und zur eitrigen Einschmelzung. Je nach dem Ausgang von bestimmten Zähnen bilden sich typische Abszeßformen in der Umgebung der Kiefer, im Gesicht und am Halse aus, die sich in anatomisch zugehörigen regionären Spalträumen und Logen ansammeln. Im günstigsten Fall erfolgt der Eiterdurchbruch auf dem kürzesten Wege von der Wurzelspitze zur Oberfläche hin innerhalb der Mundhöhle als submuköser Abszeß. Die Eiterung kann aber auch in weitere Entfernung fortgeleitet werden. Vom Oberkiefer aus entstehen Abszesse in der Wange, der Orbita und im retromaxillären Raum. Von dort aus ist die Ausdehnung zur Schädelbasis, über die Flügelgaumengrube, die Infratemporalgrube und den Sinus cavernosus mit der Folge einer Meningitis möglich. Vom Unterkiefer aus entstehen typische Abszesse im Submandi-
Glandula submandibularis
Abb. 29-20: Abszeß in der Submandibularloge
Abb. 29-21: Eröffnung des Submandibularloge 2 Querfinger unter dem Unterkieferrand zur Vermeidung einer Läsion des Mundastes vom N. VII
Entzündungen, Zahnerkrankungen, Zysten
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bularraum unterhalb des Unterkiefers (Abb. 29-20), im Submentalraum und unterhalb der Zunge. Die Ausdehnung nach dorsal führt in den Parapharyngealraum und von dort entlang der Scheide der großen Halsgefäße von V. jugularis interna und A. carotis communis nach abwärts in das Mediastinum, nach aufwärts zur Schädelbasis und nach lateral zur Parotisloge. Da alle Logen miteinander in Verbindung stehen, können gleichzeitig mehrere, zumeist benachbarte Spalträume befallen sein. Häufigste dentogene Ursachen sind der frühzeitig zerstörte untere Sechsjahrmolar und die unteren Weisheitszähne. Fälschlicherweise werden diese Eiterungen immer noch als Wangen- oder Halsphlegmone bezeichnet.
- vom Unterkiefer aus: Abszesse im Submandibularraum (Abb. 29-20), im Submentalraum und unterhalb der Zunge - weitere Ausdehnung abwärts in das Mediastinum, aufwärts zur Schädelbasis, lateral zur Parotisloge
Symptome: Akute Exazerbation oft über Nacht, Entstehung einer dicken Backe, verbunden mit starker Schmerzhaftigkeit. Das Allgemeinbefinden kann erheblich gestört sein, oft bestehen hohes Fieber, Kieferklemme und Schluckbeschwerden. Diagnose: Beruht auf Angaben des Patienten über Zahnschmerzen oder vorausgegangene zahnärztliche Behandlung. Entzündliche Schwellungen sind stets druckschmerzhaft. Bei Aufsteigen einer Entzündung vom vorderen Oberkiefer gegen die Orbita zu ist eine Strangbildung und Druckschmerzhaftigkeit der V. angularis im Nasen-Augen-Winkel zu beachten, wobei es sich um eine Thrombose bzw. Thrombophlebitis handelt. Die Feststellung, in welche Spalträume der entfernten Kieferumgebung die Eiterung vorgedrungen ist, verlangt spezielle Kenntnisse und bleibt dem Spezialisten vorbehalten.
Klinische Symptomatologie: - akute Exazerbation - dicke Backe - starke Schmerzhaftigkeit - oft hohes Fieber - Kieferklemme, Dysphagie Diagnose: • entzündliche Schwellung • Druckschmerz, bei Aufsteigen der Entzündung am vorderen Oberkiefer: Thrombophlebitis der V. angularis
Therapie: Zunächst konservativ durch ableitende örtliche Maßnahmen: • Trepanation des verursachenden Zahnes, • feuchtkalte Umschläge, wodurch das Spannungsgefühl der Haut vermindert wird, • bei massiven entzündlichen Infiltraten und bei Temperatur über 38°C Antibiotika (z.B. Orale Cephalosporine oder Clindamycin), außerdem Bettruhe und Analgetika.
Therapie: • Trepanation des verursachenden Zahnes • feuchtkalte Umschläge • Antibiotikabehandlung • Bettruhe, Analgetika
Geht die Entzündung innerhalb von 2-3 Tagen nicht zurück, stationäre Einweisung. Beschleunigung der Abszedierung durch Wärmeanwendung, frühzeitige Eröffnung und Drainage zur Eiterentleerung. Von typischen Einschnitten aus (Abb. 29-21), die eine Verletzung der Fazialisäste vermeiden lassen, werden alle infrage kommenden Logen mit der Kornzange erreicht, eröffnet und durch Drains offengehalten. Nach der Eiterentleerung und begleitender Antibiotikatherapie nach Erreger- und Resistenzbestimmung kommt es in wenigen Tagen zur Besserung. Wichtiges Anzeichen hierfür ist die Erholung des Allgemeinzustandes und die Verminderung der Kieferklemme, die durch Ausmessen des Abstandes zwischen den Kanten der Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer objektiviert werden kann. Der die Eiterung verursachende Zahn darf erst nach Abklingen der akuten Entzündung entfernt werden, da die sofortige Extraktion eine zusätzliche Traumatisierung des Kieferknochens bedeutet und die Gefahr einer Osteomyelitis vergrößert.
In schweren Fällen: • stationäre Einweisung • Wärmeanwendung • frühzeitige Eröffnung und Drainage • Öffnung aller beteiligten Logen und deren Drainage
3.1.1 Gesichtsphlegmone, Furunkel, Erysipel
Gesichtsphlegmone:
Die früher häufigen Gesichtsphlegmonen werden kaum noch beobachtet. Es handelt sich dabei um schrankenlos fortschreitende, mehrere Spalträume befallende Eiterungen im Subkutangewebe, die nicht zur Abszedierung neigen. Nach großzügiger Eröffnung aller befallenen Spalträume können Phlegmonen durch höchste Antibiotikagaben (Breitspektrumantibiose) unter Intensivtherapie heute gut beherrscht werden.
- selten! - fortschreitende Eiterung in das Subkutangewebe - verursacht durch Streptokokken - Therapie: höchste Antibiotikagaben
Von nicht dentogenen Entzündungen kommt dem Gesichtsfurunkel besondere Bedeutung zu. Es handelt sich um eine vom Haarbalg ausgehende Eiterung, die sehr schmerzhaft ist und zu erheblichen Schwellungen führt, besonders bei Sitz an der Oberlippe oder an der Nase. Streng konservatives Vorgehen, Bettruhe und hochdosierte Antibiotikabehandlung mit einem penicillinasefesten staphylokokkenwirksamen Antibiotikum (z.B. Oxacil-
Gesichtsfurunkel: - Eiterung, die vom Haarbalg ausgeht - sehr schmerzhaft - erhebliche Schwellungen - Behandlung: konservativ, Bettruhe, hoch dosierte Antibiotikagabe
Erfolgszeichen: • Verbesserung des Allgemeinzustandes • Verminderung der Kieferklemme Extraktion des verursachenden Zahnes erst nach Abklingen der akuten Erscheinungen, da sonst größere Gefahr einer Osteomyelitis
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Erysipel: großflächige Rötung und Schwellung im Gesicht. Streptokokkeninfektion. Penicillin-Behandlung
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer lin®) ist erforderlich. Nach der Reifung stößt sich mit der zentralen Hautnekrose der Nekrosepfropf ab, woraufhin es innerhalb weniger Tage zur Abheilung kommt. Auch das Erysipel kommt im Gesicht vor. Es ist eine intrakutane Phlegmone, die durch großflächige Rötung und Schwellung charakterisiert ist. Es handelt sich um eine hochinfektiöse Streptokokkeninfektion der Haut, die sehr gut auf Penicillinbehandlung anspricht (5-20 Mill. E Penicillin G i. v.). 3.1.2 Dentogene Gesichtsfistel, Osteomyelitis
Dentogene Gesichtsfistet: schmerzlose äußere Fistel, die eitrig sezerniert. Prädilektionsstellen: innerer Augenlidwinkel oder Kinn. Ursache: Periodontitis eines toten Zahns Diagnostik: Aufhellung um die Wurzelspitze im Röntgenbild Therapie: Zahnentfernung, Wurzelspitzenresektion, Wurzelbehandlung
Dentogene Gesichtsfistel: Gelegentlich werden im Gesicht schmerzlose äußere Fisteln beobachtet, die eitrig sezernieren und Prädilektionsstellen in der Nähe des inneren Augenlidwinkels oder über dem Kinn haben. Ursache ist die chronisch granulierende Periodontitis eines toten Zahnes, wobei die Entzündung auf dem Wege der Granulationsbildung erst an weit entfernten Stellen nach außen durchbricht. Die Sondierung durch das Fistelmaul weist in die Richtung der odontogenen Ursache. Im Röntgenbild findet man eine Aufhellung um die Wurzelspitze. Durch Zahnentfernung, Wurzelspitzenresektion oder durch korrekte Wurzelbehandlung kann die Infektionsursache ausgeschaltet werden, wodurch die Fistel versiegt. Zurück bleibt nicht selten eine trichterförmig eingezogene Narbe in der Haut, die später korrigiert werden kann.
Kieferosteomyelitis: • beim Kleinkind zumeist am Oberkiefer - Eiterdurchbrüche zur Mundhöhle und zur Orbita - Folge: Fistelbildung und Abstoßung von Zahnkeimen Therapie: Antibiotika in hohen Dosen
Kieferosteomyelitis: Die Osteomyelitis der Kiefer des frühen Kindesalters tritt zumeist am Oberkiefer auf. Eiterdurchbrüche zur Mundhöhle und zur Orbita, langwierige Fistelbildungen und Abstoßung von Zahnkeimen sind die Folge. Wichtigste Behandlungsmaßnahme ist nach Inzision und Testung der Erreger die gezielte Verabreichung von Antibiotika in hohen Dosen über mehrere Wochen, um den Übergang in das chronische Stadium und monatelange Eiterungen zu verhindern. Die Osteomyelitis im Erwachsenenalter kommt überwiegend im Unterkiefer vor und wird dentogen verursacht. Es gibt akute und chronische Verlaufsformen. Letztere überwiegen. Von wurzeltoten Zähnen aus erfolgt eine Ausbreitung der Entzündung und eitrige Einschmelzung im Markraum des Unterkiefers, was zur Lockerung der Zähne führt. Es finden sich daneben multiple Fistelbildungen im Mundvorhof und Sensibilitätsverlust der Unterlippe durch Schädigung des N. alveolaris inferior (Vincent-Symptom). Gezielte antibiotische Behandlung. Entfernung des verursachenden Zahnes und Schienung der gelockerten Zähne sind erforderlich.
• im Erwachsenenalter: vorwiegend am Unterkiefer. - Ursache: dentogen von wurzeltoten Zähnen. Ausbreitung der Entzündung und eitrige Einschmelzung im Unterkiefer - Folge: Lockerung der Zähne, Fistelbildung im Mundvorhof, Sensibilitätsverlust der Unterlippe Therapie: antibiotische Behandlung, Schienung der gelockerten Zähne
3.1.3 Parotisabszeß, weitere Infektionen Parotisabszeß • Ursache: aufsteigende Infektion von der Mundhöhle durch den Parotisgang Therapie: Abszeßöffnung von außen • Prophylaxe: Kaugummikauen, Mundpflege
Dentogene Kieferhöhleninfektion Ursache: von toten Zähnen ausgehende Durchwanderungssinusitis; unabsichtliche Eröffnung der KH bei Zahnextraktion; Antrumfistel Erste Anzeichen: Durchtritt von Flüssigkeit zur Nase, später eitrige Sekretion Röntgenbild: Verschattung des Antrums Therapie: Schonende Ausräumung der erkrankten Kieferhöhlenschleimhaut, Anlegen eines großen Fensters zum unteren Nasengang Verschluß der Kieferhöhlenfistel durch Zahnfleischlappenplastik
Parotisabszeß: Bei schlechtem Allgemeinzustand, besonders bei älteren Leuten und nach abdominalen Eingriffen kann eine aufsteigende Infektion von der Mundhöhle durch den Parotisgang zum Parotisabszeß führen. Kaugummikauen ist geeignet, den Speichelfluß zu fördern und die Keimaszension zu vermindern. Eine regelmäßige postoperative Mundpflege ist die beste Prophylaxe. Bei der Abszeßeröffnung von außen muß auf den Verlauf der Fazialisäste Rücksicht genommen werden. Dentogene Kieferhöhleninfektion: Von toten Zähnen im seitlichen Oberkiefer ausgehend, kann auch die Kieferhöhle entzündlich erkranken. Auf dem Wege der sog. Durchwanderungssinusitis erfaßt die entzündliche Infiltration unter Zerstörung des Knochens zwischen Zahnwurzel und benachbartem Kieferhöhlenboden die Kieferhöhlenschleimhaut, die sich polypös verändert. Häufiger noch ist die Sinusitis Folge einer nicht erkannten Perforation der Kieferhöhle bei der Zahnextraktion. Es folgt dann die Infektion durch die entstandene Mund-Antrumfistel von der Mundhöhle aus. Der Patient bemerkt hierbei zumeist den Durchtritt von Flüssigkeit zur Nase, z.B. beim Zähneputzen oder Trinken; später kommt es zu eitriger Sekretion. Das Röntgenbild der Nasennebenhöhlen zeigt eine Verschattung des Antrums. Im Gegensatz zu früher wird heute die Radikaloperation der Kieferhöhle eingeschränkt und die Ausräumung der Kieferhöhlenschleimhaut lediglich auf schwer veränderte Bezirke begrenzt. Kieferhöhlenfisteln müssen durch eine Zahnfleischlappenplastik verschlossen werden; gleich-
Entzündungen, Zahnerkrankungen, Zysten
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zeitig ist ein Fenster zum unteren Nasengang anzulegen, damit Drainage und Ausheilung erfolgen können. Spezifische chirurgische Infektionen. Aktinomykose: In ihrer zerviko-fazialen Form k o m m t sie nur noch sporadisch vor. Auf d e m Wege der Mischinfektion unter anaeroben Bedingungen können die Aktinomyzeten über Zahnfleischtaschen und kariöse Z ä h n e in den Körper eindringen. Typisch ist die harte, blau-rote Infiltration der Wange und des Halses mit narbiger Induration. Es k o m m t zu multiplen und langdauernden Fisteleiterungen. Das Auftreten eines Reabszesses trotz Entfernung des verursachenden Z a h n e s ist auf das Vorliegen einer Aktinomykose verdächtig. Antibiotische Behandlung führt zur Ausheilung. Als zusätzliche physikalische T h e r a p i e m a ß n a h m e zur schnelleren Einschmelzung der Infiltrate eignet sich die Jodiontophorese. Tuberkulose: Selten geworden ist die Tuberkulose des Gesichtes, die als Lupus vulgaris früher zu großen Gesichtszerstörungen führte. Tuberkulöse Lymphome am Halse treten dagegen noch vereinzelt in Erscheinung. Es handelt sich dabei um eine tuberkulöse Manifestation in den Halslymphknoten, wobei die Eintrittspforte in der Mundhöhle devitale Zähne, Tonsillenkrypten oder Schleimhautläsionen sein können. Benachbarte tuberkulöse Lymphknoten verbacken zu großen Paketen, die später zentral verkäsen und durch die H a u t nach außen durchbrechen. Chirurgische Behandlung ist angezeigt bei allen Lymphomen, die größer als kirschgroß sind. Die Entfernung erfolgt unter tuberkulostatischer Abschirmung und verlangt erhebliches chirurgisches Geschick, um trotz des notwendigen scharf-stumpfen Präparierens eine Verletzung der Nerven (Accessorius, Hypoglossus, Vagus) und G e f ä ß e (V. jugularis interna, V. retromandibularis) zu vermeiden.
Aktinomykose selten Entstehung über Zahnfleischtaschen und kariöse Zähne, Eindringen in den Körper Typische Zeichen: harte, blau-rote Infiltration der Wange und des Halses Reabszesse, langdauernde und multiple Fisteleiterung Therapie: Antibiotika, Jodiontophorese
3.2 Chirurgische Erkrankungen der Zähne
Chirurgische Erkrankungen der Zähne
Zahnextraktion: Nicht erhaltungswürdige Zähne werden extrahiert. D e r Eingriff wird in örtlicher Betäubung durchgeführt. Außer der terminalen Anästhesie in der U m g e b u n g des Z a h n e s selbst kommt die Leitungsunterbrechung an weiter entfernten Stellen in Frage, am Foramen mandibulae für die Z ä h n e des Unterkiefers, am Tuber maxillae für die Molaren und Prämolaren des Oberkiefers und am Foramen infraorbitale für die oberen Frontzähne. Im Röntgenbild sichtbare apikale Veränderungen, sog. Granulome, müssen kürettiert werden, da es sich bereits um radikuläre Zysten handeln kann. Bei ihrer Belassung wachsen sie weiter und können später als sog. Residualzysten erhebliche G r ö ß e erlangen. Bei einer Extraktion der Prämolaren und Molaren im Oberkiefer ist zu berücksichtigen, daß die Wurzelspitzen eine enge Beziehung zum Kieferhöhlenboden haben können. In diesem Fall kann die Extraktion eine Mundantrumverbindung verursachen, die den sofortigen plastischen Verschluß der Alveolenöffnung erforderlich macht. Dies kann in den meisten Fällen durch einen trapezförmigen Mukoperiostlappen in Kombination mit einer individuell angefertigten Verbandplatte erfolgen. Die Sondierung nach der Extraktion ist ein sicheres Verfahren, um eine eingetretene Perforation nachzuweisen bzw. auszuschließen. Operative Zahnentfernung: Abgebrochene Zahnwurzeln und retinierte Zähne verlangen die Z a h n e n t f e r n u n g durch operative Freilegung. Dies ist im besonderen M a ß e bei den unteren Weisheitszähnen erforderlich, die wegen Platzmangel überhaupt nicht oder nur teilweise durchbrechen. In vielen Fällen reichen die Wurzelspitzen der Weisheitszähne über den Mandibularkanal hinaus, und es droht bei ungenügender Ausfräsung und grober Gewaltanwendung eine Nervenläsion. Sie macht sich als Hyp- oder Anästhesie der gleichseitigen Unterlippenhälfte bemerkbar. Die operative Z a h n e n t f e r n u n g im U n t e r k i e f e r kann als weitere Komplikation außerd e m eine Lingualisanästhesie mit Taubheit und Ageusie der vorderen zwei Drittel der entsprechenden Zungenhälfte zur Folge haben. Hierfür k o m m e n folgende Ursachen in Betracht:
Zahnextraktion bei nicht erhaltungswürdigen Zähnen unter örtlicher Betäubung Granulome müssen kürettiert werden, da Gefahr einer Residualzyste besteht
(1) Das versehentliche Anstechen des Nerven bei der Leitungsanästhesie, (2) Druck- oder Zugschädigung durch Instrumente, (3) die Nervdurchtrennung durch die abrutschende Fräse, (4) das Mitfassen des Nerven bei d e r Naht. Wenn eine vollständige Nervdurchtrennung vorliegt, ist eine sofortige Nervnaht erforderlich. Wurzelspitzenresektion: Devitale Frontzähne und Prämolaren mit periapikalen Granulomen im Röntgenbild werden nach Möglichkeit erhalten, indem zu ihrer Sanierung eine Wurzelspitzenresektion ausgeführt wird. D e r Eingriff besteht in der Entfernung des entzündlichen Granulationsgewebes einschließlich des apikalen Wurzelanteiles, der einen H e r d im Sinne der Fokalinfektion darstellen kann. Gleichzeitig
Tuberkulose selten Eintrittspforte: devitale Zähne, Tonsillenkrypten, Schleimhautläsionen Therapie: operative Entfernung der Lymphome unter tuberkulostatischer Abschirmung und Nachbehandlung
Operative Zahnentfernung - bei abgebrochenen Zahnwurzeln - bei retinierten Zähnen, besonders bei Weisheitszähnen
Komplikationen: Lingualisanästhesie mit Taubheit und Ageusie der vorderen zwei Drittel der Zungenhälfte. Bei Nervdurchtrennung sofortige Nervennaht
Wurzelspitzenresektion - zur Erhaltung devitaler Frontzähne und Prämolaren mit periapikaiem Granulom - Entfernung des entzündlichen Granulationsgewebes einschließlich apikaler Wurzelanteile
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29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer pfplj
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Abb. 29-22: Wurzelspitzenresektion mit Ausräumung der apikalen Granulationen und Wurzelfüllung - Wurzelkanalfüllung des Zahnes (Abb. 29-22) Künstliche Zahnwurzelimplantate - Einpflanzung künstlicher Zahnwurzeln in den zahnlosen Kiefer - Voraussetzung tragfähiger Alveolarfortsatz (Abb. 29-23)
Abb.29-23: Röntgenbild eines Implantatpfeilers im Unterkiefer rechts unter einer Brücke
wird eine Wurzelkanalfüllung des Zahnes vorgenommen (Abb. 29-22). Dieses Verfahren kann bei motivierten Patienten auch als Erhaltungsversuch bei Molaren angeboten werden. Künstliche Zahnwurzelimplantate: Die Entwicklung der zahnärztlichen Implantologie macht es möglich, in den zahnlosen Kiefer künstliche Zahnwurzeln einzupflanzen, um festsitzende oder abnehmbare Brücken darauf verankern zu können. Voraussetzung ist jedoch das Vorhandensein eines noch tragfähigen Alveolarfortsatzes. Zu berücksichtigen ist die Nähe der Kieferhöhle im Oberkiefer und des Mandibularkanals im Unterkiefer; diese Gebiete dürfen durch das Implantat nicht verletzt werden. In günstigen Fällen und bei perfekter Ausführung der prothetischen Zahnersatzarbeiten können derartige künstliche Wurzeln 10 Jahre und länger ihren vorgesehenen Zweck erfüllen. Als besonders geeignetes Implantationsmaterial hat sich Titan herausgestellt (Abb. 29-23).
Zysten
3.3 Zysten
Ätiologie und Pathogenese: epitheliale Gebilde mit Ausgangspunkt: - Epithelreste der Zahnleiste, der Mundhöhle und des Halses aus der embryonalen Entwicklung - Entstehung: chronische Entzündungsreize von devitalen Zähnen. Später: Zellzerfall, Verflüssigung, Vergrößerung
Ätiopathogenese. Zysten sind epitheliale Gebilde, die ihren Ausgang von Epithelresten der Zahnleiste aus der embryonalen Entwicklung nehmen. Auch in den Weichgeweben der Mundhöhle und des Halses befinden sich Epithelreste in den embryonalen Verschmelzungslinien, aus denen Zysten entstehen können. So bilden sich die lateralen und medianen Halszysten aus Kiemengangsepithelien bzw. solchen des Ductus thyreoglossus. 95 % aller Zysten der Mundhöhle liegen in den Kieferknochen. Ihre Entstehung verdanken sie chronischen Entzündungsreizen, die gewöhnlich von devitalen Zähnen ausgehen und schlummernde Epithelien in der Nachbarschaft zur Wucherung veranlassen. Später kommt es zum Zellzerfall, zur Verflüssigung und zur Vergrößerung durch steigenden Innendruck.
Klinische Symptomatologie: - Schmerzen erst bei Infektion - Vorwölbungen der Knochenoberfläche, besonders im Mundvorhof und am Gaumen
Symptome: Zysten bleiben zumeist symptomlos; Schmerzen entstehen, falls es zur Infektion kommt. Sie können sich bemerkbar machen durch Vorwölbungen der Knochenoberfläche, besonders im Mundvorhof und am Gaumen. Auch dadurch werden sie auffällig, daß in ihrem Bereich vorhandene Zahnprothesen abgehoben werden und nicht mehr passen. Diagnose: Pathognomonisch ist die Eindrückbarkeit der äußeren Zystenwand, das Pergamentknistern. Zysten, die sich zwischen die Zahnwurzeln vorwölben, drängen die Wurzeln auseinander, was an den Zahnkronen als Neigung aufeinander zu bemerkbar werden kann. Die Diagnosesicherung erfolgt durch die Röntgenaufnahme, die einen rundlichen ausgestanzten und oft von einer weißlichen Zystenlinie durch Knochenapposition markierten Defekt aufweist. In den Kieferknochen kommen am häufigsten radikuläre Zysten vor. Der verursachende Zahn ist devital (Abb. 29-24). Noch im Kiefer befindliche verlagerte Zähne sind vital und können durch Entartung des Zahnsäck-
Diagnose: • Eindrückbarkeit der äußeren Zystenwand -> „Pergamentknistern" • Auseinanderdrängen der Zahnwurzeln Diagnosesicherung: • Röntgenaufnahme mit scharf begrenzter, rundlicher Aufhellung
Speicheldrüsen, Kiefergelenk, Tumoren
radikulär um die Wurzelspitze
follikulär um die Zahnkrone
321
.. . -Q MDD.
Schema
dentogenerZysten
chens follikuläre Zysten bilden. Diese Zysten verdrängen bei ihrem Wachstum den zystentragenden Zahn. Im Oberkiefer können sie die gesamte Kieferhöhle einnehmen und den Weisheitszahn bis zum Auge hin verlagern; im Unterkiefer findet man Verlagerungen bis zum Unterkieferrand oder weit in den aufsteigenden Unterkieferast hinein; in solchen Fällen droht auch die Spontanfraktur. Im Ductus nasopalatinus können sich große Knochenzysten bilden, die den Nasenboden anheben und zu den fissuralen Zysten gerechnet werden. Therapie: Die Behandlung der Kieferzysten besteht in ihrer Entfernung (Zystektomie). Größere Zystenhohlräume im Knochen können, nachdem sie vollgeblutet sind, mit Fibrinkleber aufgefüllt werden, wodurch das Blutkoagulum stabilisiert wird. Bei primärer Heilung wird das organisierte Koagulum später verknöchert. Zur Auffüllung von Zystenhohlräumen kann auch Trikalziumphosphat verwendet werden, gegebenenfalls auch Spongiosa. Die Zystektomie ist nicht indiziert, wenn die Balgentfernung zur Schädigung von Nachbarorganen führen würde, wie z.B. bei Zysten im Milch- oder Wechselgebiß, oder wenn eine vollständige Entfernung wegen Unzugänglichkeit nicht möglich ist. In derartigen Fällen wird eine Zystostomie ausgeführt, wobei die Zyste zur Nebenbucht der Mundhöhle gefenstert wird. Diese Öffnung muß über mehrere Monate durch einen aus Kunststoff hergestellten Zystenstopfen offengehalten werden, bis sich durch zunehmende Knochenapposition der Zystenhohlraum abflacht. Alternativ kommt auch eine Zystektomie in Betracht, wenn sich die Zystenhöhle verkleinert hat (zweizeitiges Vorgehen). Schuldige Zähne müssen entfernt oder durch Wurzelspitzenresektion erhalten werden. Als besondere Zystenart, die sich oft klinisch nicht von einer odontogenen Zyste unterscheiden läßt, ist die Keratozyste (Primordialzyste).
Retentionszysten: In den Weichgeweben kommen Retentionszysten als bläulich durchschimmernde Ranula der Glandula sublingualis und als Speichelzyste in der Lippen- und Wangenschleimhaut vor, wenn der Ausführungsgang verlegt ist. In der Haut bilden sich Atherome (Grützbeutel) durch Verstopfung der Ausführungsgänge der Talgdrüsen. Die Behandlung besteht in der Exstirpation.
Abb.29-25: Ektasien des Gangsystems der Parotis bei chronischer Parotitis
Follikuläre Zysten können den zystentragenden Zahn verdrängen, im Oberkiefer die gesamte Kieferhöhle einnehmen, im Unterkiefer Verlagerung bis zum Unterkieferrand. Gefahr der Spontanfraktur
Therapie: • Zystektomie Bei größeren Knochenhohlräumen mit einem Koagulum stabilisieren das später verknöchert. Keine Zystektomie, wenn Gefahr der Schädigung von benachbarten Strukturen besteht. In diesen Fällen: Zystostomie: Fensterung zur Nebenbucht der Mundhöhle
Retentionszysten: Vorkommen in Weichgeweben als bläulich durchschimmernde Ranula der Glandula subungualis oder als Speichelzyste in der Lippen- und Wangenschleimhaut. In der Haut: Atherome durch Verstopfung der Talgdrüsen. Behandlung: Exstirpation
4. Speicheldrüsen, Kiefergelenk, Tumoren 4.1 Chirurgische Erkrankungen der Speicheldrüsen
Speicheldrüsen
Entzündungen sind: Sialadenitis, -lithiasis. • Sialoadenitis: Die akute Entzündung der Glandula parotis, submandibularis oder sublingualis verdankt ihre Entstehung zumeist der aufsteigenden Infektion von der Mundhöhle durch den Ausführungsgang bei herabgesetzter Speichelsekretion und dadurch verminderter Selbstreinigungstendenz.
Entzündungen 1. Sialoadenitis • eitrige Entzündung
322 • Ursache: aufsteigende Infektion von der Mundhöhle aus bei verminderter Speichelsekretion. Folge: - Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens - Kieferklemme Therapie: - breite Inzision - Drainage - wenn bereits chronisch —»Exzision der Drüse
2, Siatolithiasis • bei Lokalisation von Speichelsteinen im Ausführungsgang: - Schlitzung des Ganges über der Sondenspitze und Entfernung des Steines - ggf. Entfernung der Glandula submandibularis von außen - Gefahr der aufsteigenden Infektion
Tumoren Mischgeschwülste bestehen aus epithelialen, schleimigen und knorpeligen Anteilen. Lokalisation meist in der Glandula parotis. Nach längerer Zeit Entstehung eines Karzinoms im pleomorphen Adenom möglich Bösartige Tumoren Karzinome am häufigsten in der Parotis: • Plattenepithelkarzinome • Adenokarzinome • Folge: - Fazialislähmung - Lymphknotenmetastasen Sonderform: adenoidzystisches Karzinom -> rezidivfreudig, infiltrierendes Wachstum Tumortherapie • gutartige Tumoren: konservative Parotidektomie mit Erhaltung des N. facialis • bösartige Tumoren: - radikale Parotidektomie mit N. facialis sofortige Autonerventransplantation - ggf. Neck dissection
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer Unter erheblichem Fieber kann es zur Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens und zur Kieferklemme kommen. Durch starke Drüsenschweüung wird das Ohrläppchen ab- bzw. die Zunge angehoben. Durch Ausstreichen entleert sich oft Eiter aus dem Ausführungsgang. Drüsenabszesse werden breit inzidiert, wobei auf wirksame Drainage zu achten ist. Alle Speicheldrüsen können primär und bei unvollständiger Ausheilung akuter Entzündungen chronisch erkranken, wobei es zum narbigen Ersatz von Drüsengewebe kommt (Abb. 29-25). Entzündliche Schübe wechseln mit längeren freien Intervallen ab. Die narbigen Stenosen der Ausführungsgänge verhindern eine Ausheilung, so daß gewöhnlich nur die Exstirpation der betroffenen Drüse zur Dauerheilung führt. Dies ist bei der Glandula submandibularis und subungualis unproblematisch, bei der chronischen Parotitis bedeutet jedoch die Parotidektomie einen sehr komplizierten Eingriff, da sich der N. facialis mit allen seinen Ästen wegen der schwieligen Vernarbungen nur schwer - mit Hilfe des Operationsmikroskops - aus der Drüse herauspräparieren läßt. • Sialolithiasis: Speichelsteine sind Konkrementbildungen, die besonders oft in der Glandula submandibularis vorkommen. Sie liegen dort am Knick des Ausführungsganges um den Hinterrand des M. mylohyoideus herum und stehen mit Entzündungen in enger Wechselbeziehung. Die Steine selbst verursachen kaum Beschwerden außer einer Speichelstauung, die sich durch äußerlich sichtbare Schwellung bei Beginn des Essens zu erkennen gibt. Sie verliert sich nach einiger Zeit durch langsamen Speichelabfluß. Erst das Hinzutreten einer aufsteigenden Infektion führt zu akuten Beschwerden. Gelegentlich stößt sich ein kleiner Stein ab und führt dann zu Spontanheilung. Konkremente lassen sich im Röntgenbild nachweisen. Können Steine im Gang sondiert werden, ist eine Schlitzung des Ganges über der Sondenspitze und die Entfernung des Steines zu versuchen. Die operative Entfernung der Glandula submandibularis von außen ist erforderlich, wenn die Steine nicht durch den Gang exstirpiert werden können. l\imoren sind Misch- und maligne Tumoren. • Mischgeschwülste: In den Speicheldrüsen und hier wiederum in der Glandula parotis kommen am häufigsten sog. Mischgeschwülste vor, bei denen es sich histologisch um gutartige pleomorphe Adenome handelt. Sie bestehen aus epithelialen, schleimigen und knorpeligen Anteilen und liegen zumeist in der Glandula parotis. Mischtumoren wachsen extrem langsam und können Faustgröße erreichen. Nach langem Bestand ist die Entstehung eines Karzinoms im pleomorphen Adenom möglich. • Bösartige Tumoren: Karzinome kommen am häufigsten in der Parotis vor. Man findet sowohl Plattenepithelkarzinome, die sich von den Ausführungsgängen entwickeln, als auch Adenokarzinome, die im Drüsenepithel entstehen. Die Malignóme durchwachsen schnell die Drüse, führen zur Fazialislähmung und zu regionären Lymphknotenmetastasen. Eine oft vorkommende Sonderform stellt das adenoidzystische Karzinom dar, das als sog. Zylindrom außer in den Speicheldrüsen auch in den Schleimdrüsen des harten und weichen Gaumens gefunden wird. Es macht seltener Metastasen, ist jedoch extrem rezidivfreudig und zeigt infiltrierendes Wachstum mit weiten Ausläufern. Tumortherapie: Tumoren der Glandula submandibularis und sublingualis werden samt den Drüsen entfernt. Gutartige Tumoren der Glandula parotis stellen die Indikation für die konservative Parotidektomie dar, bei der der Fazialis von seinem Stamm am Foramen stylomastoideum in allen Ästen präpariert und unter gleichzeitiger Entfernung der Geschwulst und des gesamten Drüsengewebes erhalten wird. Bösartige Parotistumoren erfordern die radikale Parotidektomie mit Opferung des Fazialis, bei Vorliegen von Halslymphknotenmetastasen zugleich die Lymphknotenausräumung im Block (Neck dissection). Die freie mikrochirurgische Autonerventransplantation und eine gleichzeitige Muskelstützplastik durch Verlagerung von Masseteranteilen sind fortschrittlicher Opera-
Speicheldrüsen, Kiefergelenk, Tumoren
323
tionsstandard, um die Entstellung des Gesichtes durch die motorische Lähmung zu verhindern. Als Nerveninterponat wird der sensible N. suralis bevorzugt, dessen Kabel faszikelweise in die benötigten Abgänge aufgeteilt werden können. Die Reinnervation dauert mehrere Monate und führt bei perfekter Operationstechnik zu weitgehender mimischer Beweglichkeit des Gesichtes. Jedoch unterbleibt zumeist die Wiederkehr der Funktion des Stirnastes.
4.2 Chirurgische Erkrankungen der Kiefergelenke
Chirurgische Erkrankung der Kiefergelenke
Klinische Anatomie: Das Kiefergelenk, das einzige Doppelgelenk des menschlichen Körpers, zeigt einen komplizierten Aufbau; mit Hilfe des Discus articularis sind sowohl Rotation und Vorschub des Unterkiefers zur Mundöffnung sowie seitliche Mahlbewegungen möglich (Drehgleitbewegung). Alle diese Bewegungen werden im Kauvorgang vereinigt. Die Zahnreihen verhindern durch den Zusammenbiß der Prämolaren und Molaren, daß bei starker Kontraktion der Schließmuskeln das Kieferköpfchen zu weit in die Pfanne hineingezogen und damit das Gelenk übermäßig beansprucht wird.
Entzündliche Erkrankungen: Die akute Arthritis des Kiefergelenks kommt durch Fortleitung von Infektionen aus der Nachbarschaft, besonders aus dem Mittelohr, zustande, aber auch als funktionell-mechanische Entzündung durch Überbeanspruchung. Ein seröser Reizguß oder Eiteransammlung im Kiefergelenk führen zum Heraustreten des Kieferköpfchens aus der Pfanne, was sich als Störung des Zusammenbisses der Zähne auf der gleichen Seite und als Schmerzen im Kiefergelenk bei Druck auf die Kinnspitze zu erkennen gibt. Folge der Gelenkeiterung sind Zerstörungen des knorpeligen Gelenküberzuges mit nachfolgenden fibrösen Verwachsungen und Einschränkung der Mundöffnungsfähigkeit. Durch spätere Knocheneinlagerung kann eine Ankylose entstehen. Neben der akuten kommen auch primär chronische Arthritisformen vor, vor allem bei der primär chronischen Polyarthritis. Degenerative Erkrankungen: Häufigste chirurgische Erkrankung ist die deformierende Arthropathie. Ursache der primären degenerativen Erscheinungen sind wahrscheinlich Überbelastungsphänomene als Folge von ungünstigen Okklusionsverhältnissen. Auch Traumen kommen ursächlich in Betracht sowie Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Führendes Zeichen ist der anatomische Umbau des Diskus und des Kieferköpfchens. Bevor im Röntgenbild Randzacken und Verformungen sichtbar sind, treten gewöhnlich Gelenkgeräusche als Knirschen, Reiben und Knakken auf. Die Gelenke erscheinen morgens wie eingerostet. Das Mundöffnen wird zunehmend eingeschränkt und schmerzhaft. Tritt die Gelenkzerstörung bereits im Kindesalter, meist als Folge einer übersehenen oder ungenügend behandelten Kiefergelenkfraktur, auf und folgt daraus eine Ankylosierung und Schädigung der köpfchennahen Knochenwachstumszentren, entwickelt sich bei einseitigem Vorkommen ein Schiefgesicht mit Abweichung der Kinnspitze zur kranken Seite. Bei doppelseitiger Ankylose entsteht das Vogelgesicht, das durch abnorme Kleinheit des Unterkiefers und fehlende Kinnprominenz charakterisiert ist. Therapie: Die Behandlung der Arthropathien erfolgt zunächst konservativ. Ursächliche Faktoren, wie ungünstige Bißverhältnisse, müssen durch prothetische Maßnahmen beseitigt werden, um die Kiefergelenke zu entlasten. Unterstützung durch Physiotherapie (Massage, Mikrowelle). Schwere, therapieresistente oder voroperierte Arthrosen können eine Kondylektomie mit autologem Kondylusersatz durch ein zusammengesetztes Rippentransplantat erforderlich machen. Massive fibröse Verwachsungen und knöcherne Ankylosen (Abb. 29-26) erfordern die breite Knochenresektion und Gelenkneubildung zur Wiedererlangung der Mundöffnungsfähigkeit. Eine mehrmonatige Nachbehandlung mit Dehnungsübungen zur Öffnung und Führung des Unterkiefers ist erforderlich.
Entzündliche Erkrankungen • akute Arthritis des Kiefergelenks als seröser Reizerguß oder durch Infektionsfortleitung aus der Nachbarschaft mit eitriger Einschmelzung - Folge: Zerstörung des knorpeligen Gelenküberzuges, fibröse Verwachsungen, Einschränkung der Mundöffnungsfähigkeit
- später: Ankylose • akute und chronische Arthritisformen Degenerative Erkrankungen Am häufigsten: deformierende Arthropathie
Führendes Symptom: • anatomischer Umbau des Kieferköpfchens • Gelenkgeräusche als Knirschen, Reiben, Knacken • Mundöffnung eingeschränkt und schmerzhaft nach Gelenkzerstörung im Kindesalter und Ankylosierung: einseitig -> Schiefgesicht doppelseitig Vogelgesicht
Therapie: - zunächst konservativ - zahnärztliche Aufbißschienen zur Gelenkentlastung und Physiotherapie - wenn massive fibröse Verwachsungen und hochgradige Kieferklemme: breite Knochenresektion (Abb. 29-26) zur Wiederherstellung der Mundöffnungsfähigkeit - mehrmonatige Nachbehandlung mit Dehnungsübungen
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29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer
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Das Mundhöhlenkarzinom stellt 1-A % aller Karzinome und ist damit herausragende Todesursache für chirurgische Erkrankungen im Kiefer-Gesichts-Bereich.
4.3.1 Epitheliale Geschwülste Papillom: gutartige Geschwulst auf Haut und Schleimhäuten. Reizantwort auf chemische oder mechanische Noxen Basaliom: Malignom der Gesichtshaut langsam wachsend, infiltrierend, destruierend Keine Metastasen. Rezidive bei ungenügender Entfernung Therapie: radikale Exzision Karzinom: Vorkommen: • Zunge • Alveolarfortsätze
Abb.29-27: Mundboden- und Zungenkarzinom
Papillom: Dieses gutartige Gewächs kommt sowohl auf der H a u t als auch auf den Schleimhäuten vor. Papillome werden erbsen- bis bohnengroß und können eine Reizantwort auf chemische oder mechanische Noxen sein. Sie besitzen einen bindegewebigen Grundstock, der von einer mehrschichtigen Plattenepithellage überzogen ist. Basaliom: Das Basalzellkarzinom ist ein häufiges epitheliales Malignom der Gesichtshaut, es wächst langsam, infiltrierend und destruierend, setzt aber äußerst selten Metastasen. Rezidive sind bei ungenügender Entfernung die Regel. Die radikale Exzision und plastische Defektdeckung führt sicherer als die Strahlentherapie zur Heilung. Karzinom: D e r Mundhöhlenkrebs ist zur Hälfte auf der Zunge und zu je ein Viertel der vorkommenden Fälle an den Alveolar)brtsätzen von Ober- und Unterkiefer bzw. an Wangenwandungen und im Mundboden lokalisiert (Abb. 29-27). Typisch erscheint ein zentrales Geschwür mit wallartigem,
Abb. 29-28: Orbitaepithese, fixiert durch Implantate und Magnet
325
Speicheldrüsen, Kiefergelenk, Tumoren derbem Rand, das schmerzlos bleibt. Plattenepithelkarzinome wachsen schnell und infiltrativ zerstörend, sie bilden auch frühzeitig regionäre Lymphknotenmetastasen. Die Metastasen sitzen im Submandibular- und Submentalraum und befallen danach die Lymphknotenkette am Hals abwärts vor dem M. sternocleidomastoideus bis zum Jugulum (s.Abb. 30-9, S.339). Die zunächst kleinen harten und nicht druckdolenten Knoten sind so lange beweglich, bis der durchwachsende Tumor die Kapsel mit der Umgebung verlötet. Bei 80% der Mundhöhlenkarzinome findet sich eine Alkohol- und Raucheranamnese. Betroffen sind häufiger Männer als Frauen. Das Vorzugsalter liegt zwischen dem 5. und 7. Jahrzehnt. Die Mundhöhlenkarzinome werden international einheitlich nach dem TNM-System klassifiziert. Am Oberkiefer kann das Karzinom auch von der Kieferhöhlenschleimhaut ausgehen. In diesem Falle kommt es erst spät zu klinischen Erscheinungen, zumeist besteht längerdauernder einseitiger Schnupfen. Gewöhnlich ist die ganze Kieferhöhle bereits vom Tumor ausgefüllt, wenn es zum Durchbruch in die Mundhöhle, zur Nase oder zur Orbita hin kommt. Das Lippenkarzinom tritt in 90 % der Fälle an der Unterlippe auf und betrifft meist ältere Männer. Das Zungenkarzinom (Abb. 29-27) befällt vorwiegend die seitlichen Zungenpartien, aber auch den Zungengrund. Es ist um so schwerer zu entdekken, je weiter dorsal es sitzt. Im Anfang kann die Abgrenzung gegen ein traumatisches Ulkus schwierig sein, wenn in der Nachbarschaft spitze Zahnkanten oder scharfrandige Wurzelreste vorhanden sind. Nach Entfernung derartiger Ursachen heilen traumatische Ulzera innerhalb von 14 Tagen ab. Weiterbestehen und Verhärtung der Ränder macht ein Neoplasma sehr wahrscheinlich.
• Wangenwandungen • Mundboden Symptome: zentrales Geschwür mit derbem Rand, schmerzlos Wachstum: schnell, infiltrativ, zerstörend, frühzeitig Lymphknotenmetastasen (S.Abb. 28-9): kleine, harte nicht druckdolente Knoten anfangs beweglich Bei den meisten Mundhöhlenkarzinomen: Alkoholanamnese
• am Oberkiefer: Ausgangspunkt auch Kieferhöhlenschleimhaut. Späte klinische Erscheinungen (länger dauernder einseitiger Schnupfen)
Lippenkarzinom: meist an der Unterlippe und bei älteren Männern Zungenkarzinom (Abb. 29-27): Befall der seitlichen Zungenpartie, Zungengrund Diagnostik: Probeexzision Differentialdiagnose: traumatisches Ulkus durch Zahn kanten
Die Zunge ist ein besonderes Objekt der Karzinophobie, zumal die am seitlichen hinteren Zungenrand liegenden Papillae foliatae als rötliche und hypertrophische Gebilde nicht selten ihren Träger verunsichern. Solange sie weich sind, besteht kein Verdacht. Bei diagnostischer Unsicherheit ist jedoch stets eine Probeexzision angezeigt.
Wangen- und Mundbodenkarzinome (s. Abb. 29-27) entstehen oft auf dem Boden einer Leukoplakie. Vorstufen sind die papillären Leukoplakieformen und der verwandte Morbus Bowen sowie die Erythroplakie.
Wangen- und Mundbodenkarzinome: entstehen oft auf dem Boden einer Leukoplakie
Karzinomtherapie: Die radikale chirurgische Behandlung der Karzinome der Kieferknochen verlangt die Resektion der betroffenen Kiefer ab schnitte im Gesunden. Beim Vorliegen von submandibulären oder zervikalen Lymphknotenmetastasen ist die Resektion des Tumors im Zusammenhang mit der Halsausräumung (Neck dissection) notwendig. Dabei wird das regionäre Lymphknotengebiet von der Schädelbasis bis zum Thoraxeingang ausgeräumt. Man unterscheidet eine konservative Neck dissection, bei der nur die Lymphknoten und das Binde- und Fettgewebe entfernt werden und eine radikale mit Resektion der Vena jugularis und des M. sternocleidomastoideus. Ein Einbruch von Karzinomen in die Orbita zwingt zu gleichzeitiger Exenteratio orbitae. In der Nachbarschaft des Oberkiefers müssen auch ggf. die Siebbeinzellen, die Keilbeinhöhle und die Stirnhöhle ausgeräumt werden. Die Operation ist nach wie vor die Behandlung der ersten Wahl. Sie wird ergänzt durch zusätzliche Vor- oder Nachbestrahlung und durch Chemotherapie. Diese adjuvanten Maßnahmen sollen restliche Tumorzellen vernichten. Während Tl-Tumoren (größter Tumordurchmesser < 2 cm) damit eine 5Jahresheilungsrate von 90% erreichen, geht diese bei T4-Tumoren (Einbruch in die Nachbarstrukturen) unter die 50%-Grenze zurück. Hieraus folgt, daß Früherkennung und Frühbehandlung therapieentscheidend sind. Fälle, die aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Operation kommen (inoperabel, Gesundheitsrisiko, hohes Alter, Operationsverweigerung), werden kombiniert radiologisch-chemotherapeutisch angegangen. Während Tumorremissionen oft gesehen werden und der Verlauf der Erkrankung
Karzinomtherapie Resektion der Kiefer im Gesunden. Bei Lymphknotenmetastasen: • Resektion im Zusammenhang mit der Halsausräumung • evtl. gleichzeitig Exenteratio orbitae Neben einer kombinierten chirurgischradiologischen Therapie auch Chemotherapie
326 Radikaloperation und Sofortrekonstruktion mit gestielten und mikrochirurgischen Transplantaten
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer sowohl aufgehalten als auch erträglicher wird, liegen die Heilungsaussichten unter 30%. Die moderne rekonstruktive Chirurgie ermöglicht ausgedehnte lokale Resektionen, die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes und die Defektdeckung mit vitalen mikrochirurgischen Transplantaten. Auch vorbestrahlte Patienten können radikal operiert und rekonstruiert werden. Folgende Transplantate kommen in Betracht: Mikrochirurgische Beckenkammtransplantate, gestielte Pectoralismajor-Lappen, gestielte und mikrochirurgisch angeschlossene Latissimus-dorsi-Lappen, JejunumTransplantate und radiale Unterarmlappen.
Mesenchymale Geschwülste
4.3.2 Mesenchymale Geschwülste
Gutartige Formen: harte oder weiche Fibrome Lokalisation: • Gesichtshaut, Wange • Zunge, harter Gaumen • Tubera des Oberkiefers Chondrome Lokalisation: • Nase, Kieferköpfchen Harte Gebilde mit langsamen Wachstum Osteom Lokalisation: Alveolarfortsätze und Gaumen. Im Röntgenbild: knochendichte Verschattung Entfernung schwierig, da keine Kapsel Exostosen Lokalisation: • Gaumen, Innenseite des Unterkiefers Lipome weiche Geschwülste von Bindegewebekapsel umgeben Lokalisation: • Wange, Mundboden Malignóme: Am häufigsten Spindelzellsarkom. Ausgangspunkt: Sehnen, Faszien oder Periost Osteoklastische Sarkome: destruieren den Kieferknochen frühzeitig Osteoplastische Sarkome: zusätzlich begrenzter Knochenanbau im Röntgenbild sichtbar Durchbruch in die Mundhöhle oder nach außen Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome können sich im Halsbereich manifestieren
Gutartige Tumoren: Fibrome können hart oder weich sein, sie kommen vor auf der Gesichtshaut, in der Wange, auf der Zunge, am harten Gaumen sowie symmetrisch an den Tubera des Oberkiefers. Chondrome werden beobachtet auf der Nase und im Bereich des Kieferköpfchens. Es sind harte Gebilde, die ein sehr langsames Wachstum zeigen. Von noch größerer Härte ist das Osteom, das sich besonders in den Alveolarfortsätzen und am Gaumen zeigt. Gewöhnlich fehlt eine scharfe Abgrenzung zum gesunden Knochen. Charakteristisch ist das Röntgenbild, das eine knochendichte Verschattung aufweist. Exostosen kommen bevorzugt als Torus palatinus im Bereiche der Sutura palatina mediana des Gaumens sowie an der Innenseite des Unterkiefers über der Linea mylohyoidea vor (sogen. Torus mandibulae). Nicht so selten sind auch Lipome zu beobachten. Diese weichen Geschwülste sind von einer Bindegewebekapsel umgeben und vor allem in der Wange oder im Mundboden lokalisiert. Die vorgenannten Tumoren sind gutartig, nach ihrer vollständigen Entfernung bilden sich keine Rezidive. Bei den Osteomen ist die Entscheidung ihrer ausreichenden Entfernung schwierig, da sie keine Kapsel haben.
Naevi und pigmentbildende Geschwülste: Muttermal, Vergrößerung nur im Ausmaß des normalen Wachstums, behaart, teilweise flächenhaft behaart Maligne Naevi sind Melanome von schwarz-brauner Farbe auf der Haut Lokalisation: Alveolarfortsatz der Kiefer, Gaumen, Gesichtshaut, frühzeitige Metastasierung Therapie: Chirurgische Entfernung mit Sicherheitsabstand
Maligne Tumoren. Am häufigsten tritt das Spindelzellsarkom auf, das von Sehnen, Faszien oder vom Periost seinen Ausgang nimmt. Es entwickelt sich überwiegend in jüngerem Lebensalter. Der Verdacht auf das Vorliegen eines Sarkoms ergibt sich bei schnellem Wachstum eines Tumors in der Tiefe, ohne daß zunächst eine Veränderung der darüberliegenden Schleimhaut oder Haut zu bemerken ist. Osteoklastische Sarkome destruieren den Kieferknochen frühzeitig; osteoplastische Sarkome zeigen daneben Knochenanbau, der sich im Röntgenbild als feines Geflechtwerk darstellen kann. Durch Autolyse des Tumorzentrums kommt es zum Durchbruch nach außen oder in die Mundhöhle. In der Submandibular- und Halsregion können sich Hodgkin- und NonHodgkin-Lymphome bilden. Die Diagnose wird durch Probeexstirpation gesichert. Chemo- und Strahlentherapie sind die Verfahren der Wahl.
4.3.3 Naevi und pigmentbildende Geschwülste Derartige Veränderungen kommen als Muttermal im Gesicht häufig vor, ihre Anlage ist bereits bei der Geburt vorhanden. Die Naevi speichern Melanin, vergrößern sich nur im Ausmaß des normalen Wachstums der Haut und können behaart sein. Tierfell-Naevi imponieren als flächenhaft behaarte Hautveränderungen. Maligne Naevi sind Melanome, die als flache Gebilde von schwarz-brauner Farbe auf der Haut, aber auch am Alveolarfortsatz der Kiefer und am Gaumen vorkommen. Sie metastasieren sehr frühzeitig auf dem Blutwege. Die Therapie besteht in einer radikalen Tumorentfernung mit wechselnden Sicherheitsabständen je nach Lokalisation.
Speicheldrüsen, Kiefergelenk, Tumoren
327
4.3.4 Geschwülste der Blut- und Lymphgefäße
Geschwülste der Blut- und Lymphgefäße:
Auch diese Veränderungen sind bereits bei der Geburt vorhanden. Als Naevi flammci (Feuermäler) zeigen sich weinrote Flecken im Gesicht, die in typischer Weise segmental dem Ausbreitungsgebiet der Trigeminusäste zugeordnet sind. Echte Hämangiome haben eigenständiges Wachstum und ein solides oder kavernöses Baumuster. Am gefährlichsten sind sie bei Sitz in den Kieferknochen, da ihre unbeabsichtigte Eröffnung bei einer Zahnextraktion zum Verblutungstod führen kann. Die Hämangiome der Haut vergrößern sich gewöhnlich in den ersten Lebenswochen und -monaten, kommen aber mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 80 % in den ersten zwei Lebensjahren von selbst zu Stillstand und Rückbildung. Die beginnende Regression zeigt sich an einer weißlichen Induration von Anteilen der Oberfläche. Trotzdem kann je nach Lokalisation eine frühzeitige Entfernung angezeigt sein. Die operative Behandlung erfordert eine sofortige plastische Deckung. Bei Knochenhämangiomen und ausgedehnten Hämangiomen der Mundhöhle und Gesichtsweichteile wird vor der Operation eine selektive Embolisierung auf dem Wege der zuführenden Arterie vorgenommen, um die Operationsblutung zu vermindern. Ebenfalls angeboren findet man Lymphangiome, die als diffuse Verdickungen ohne deutliche Abgrenzung zur gesunden Umgebung imponieren und bei Sitz in der Zunge zu einer Makroglossie führen. Die Schleimhaut in ihrem Bereich zeigt oft papilläre Formationen. Am Hals kommen angeborene zystische Lymphangiome vor, die Faustgröße erreichen können. Hämangiome und Lymphangiome treten auch gemischt auf, ihre Entartung ist eine Rarität.
Naevi flammei (Feuermäler): weinrote Flecken im Gesicht im Ausbreitungsgebiet der Trigeminusäste Hämangiome: Wenn im Kieferknochen: unbeabsichtigte Öffnung bei Zahnextraktion kann zum Verblutungstod führen Vergrößerung der Hämangiome der Haut in den ersten Lebensmonaten, in den ersten 2 Lebensjahren Stillstand und Rückbildung - Diagnosesicherung durch CT oder MRT Therapie: operativ und plastische Deckung Präoperative Embolisation bei großen Angiomen
4.3.5 Odontogene Geschwülste
Odontogene Geschwülste entwickeln sich aus Resten der Zahnanlage
Sie entwickeln sich aus Anteilen der Zahnanlage infolge von Fehlleistungen bei der Zahnentwicklung. Odontom: Fibroepithelialer gutartiger Tumor, der die Hartsubstanzen des Zahnes bildet. Er gleicht oft multiplen kleinen Zähnchen, die durch Zement und Bindegewebe zu einer kompakten Masse zusammengefaßt sind. Im Röntgenbild imponieren scharf abgegrenzte, schattendichte Gebilde. In seltenen Fällen gibt es auch weiche Odontome ohne Dentinbildung. Ameloblastom: Häufigste und wichtigste odontogene Geschwulst. Dieser zentral im Kieferknochen gelegene und vorwiegend den Unterkiefer befallende Tumor besteht aus soliden Tumorformationen, die zystisch werden können. Er geht von den schmelzbildenden Zellen, den Ameloblasten aus. Viele kleine Zysten konfluieren im Verlauf des weiteren Wachstums zu monozystischen Ameloblastomen, bei denen die Abgrenzung gegenüber den einfachen dentogenen Zysten nur histologisch zu erbringen ist. Ameloblastome wachsen langsam und verursachen keine Beschwerden. Gelegentlich führt im Unterkiefer erst die Spontanfraktur zu ihrer Entdeckung. Der Röntgenbefund ist vor allem bei polyzystischen Tumorformen pathognomonisch. In seltenen Fällen sind karzinomatöse Entartungen beobachtet worden.
Lymphangiome: diffuse Verdickung, bei Sitz in der Zunge Makroglossie. Am Hals angeborene zystische Lymphangiome Sehr selten Entartung
Odontom: gutartiger Tumor, gleicht oft kleinen Zähnen Röntgenbild: scharf abgegrenzt, dicht verschattet Ameloblastom: häufigste odontogene Geschwulst. Lokalisation: vorwiegend Unterkiefer. Kann solide, poly- oder monozystisch auftreten langsames Wachstum, selten karzinomatöse Entartung.
Therapie: Odontome müssen operativ entfernt werden, da sie vielfach bleibende Zähne am Durchbruch hindern bzw. wenn eine Verbindung zur Mundhöhle auftritt, Entzündungen hervorrufen. Ameloblastome können bei ihrer Erstbehandlung konservativ chirurgisch im gesunden Knochen ausgefräst werden. Die Kontinuitätsresektion am Unterkiefer bzw. die radikale Entfernung im Oberkiefer ist bei allen Tumoren, die die Kortikalis durchbrochen haben, angezeigt. In der Regel Sofortrekonstruktion des Knochens.
Therapie: operative Entfernung Ameloblastome bei Erstbehandlung konservativchirurgisch ausfräsen. Bei Rezidiv: Kontinuitätsresektion am Unterkiefer, radikale Entfernung am Oberkiefer, Knochenersatz
4.3.6 Granulationstumoren
Granulationstumoren
Diese in der Sammelbezeichnung Epulis genannte häufigste gutartige Neubildung in der Mundhöhle sitzt auf dem Zahnfleisch und bildet sich nur in Anwesenheit von Zähnen.
gutartige Neubildung in der Mundhöhle auf dem Zahnfleisch
Pathogenese: Granulationstumoren verdanken ihre Entstehung einem örtlich reparativen Vorgang auf Reize hin, weshalb die Epulis keine echte Geschwulst darstellt. A m unbezahnten Kiefer kann sich eine Epulis nicht neu bilden, da ihr Muttergewebe das Periodont (Wurzelhaut) des Zahnes ist.
328
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer
Klinische Symptomatologie: • blau-rotes Aussehen und weiche Konsistenz Riesenzellepulis • derb und blaß-rosa —> fibröse Epulis • weich, leicht blutend -> granulomatöse Epuiis Zerstörung der Alveolen durch Lockerung der betroffenen Zähne. Zentrale Lokalisation im Unter- und Oberkiefer in Form von zentralen reparativen Riesenzellgranulomen (Enulis)
Therapie: konservativ-chirurgisch
Symptome: Der äußere Überzug der Epulis besteht aus normaler Schleimhaut. In den meisten Fällen enthält sie Riesenzellen, hat dann ein blau-rotes Aussehen und weiche Konsistenz. Der Granulationstumor zerstört die Alveolen der betroffenen Zähne und lockert sie. Neben der Riesenzellenepulis kommen die derbe und blaß-rosa erscheinende fibröse Epulis sowie die leicht blutende weiche und aus reinem Granulationsgewebe bestehende granulomatöse Epulis vor. Auch im Kieferknochen, vorwiegend im Unterkiefer, können Riesenzellgranulome auftreten. Sie werden als zentrale reparative oder resorptive Riesenzellgranulome (Enulis) bezeichnet. Sie führen zu Auftreibungen des Kieferknochens und verdrängen die Zähne. Therapie: Die Behandlung der Granulationstumoren erfolgt konservativchirurgisch. Durch den Einsatz von Gewebeexpandern können auch größere Defekte gedeckt und die Entnahmestellen primär verschlossen werden.
5. Rekonstruktiv-plastische Verfahren Rekonstruktive plastische Chirurgie vor» Defekten des Gesichtes und der Kiefer
5.1 Rekonstruktiv-plastische Chirurgie bei Gesichtsund Kieferdefekten
Behandlung von Folgezuständen nach Tumorbehandlung und schweren Traumen. Man unterscheidet:
Die plastische Chirurgie dient der Behandlung von Folgezuständen nach der Radikaloperation bösartiger Tumoren und nach Substanzverlusten durch schwere Traumen. Zu unterscheiden ist zwischen der Wiederherstellung der Weichteile und der Rekonstruktion des knöchernen Stützgerüstes. Weichgewebeersatz: Im Gesicht ist maßgeblich, daß aussehensgleiche Ersatzgewebe nur im Gesicht selbst zu finden sind. Es wird deshalb nach Möglichkeit von Nahlappenplastiken Gebrauch gemacht, zumeist in der Form von Rotationslappen. Dabei ist jedoch die ästhetische Forderung nach Unauffälligkeit von Sekundärdefekten am Entnahmeort zu beachten. Für die Neubildung der Nase eignet sich am besten die Stirnhaut. Größere Substanzverluste der Weichteile, die ortsständig nicht gedeckt werden können, werden heute meist durch Verpflanzung geeigneter entfernter Gewebe mit mikrochirurgischem Gefäßanschluß ersetzt.
Weichgewebeersatz: im Gesicht: aussehensgleiche Ersatzgewebe erforderlich (Nahlappenplastik). Für die Nase: Stirnhaut. Bei größeren Substanzverlusten: Verpflanzung entfernter Gewebe mit mikrochirurgischem Gefäßanschluß
Zur Deckung oberflächlicher Defekte eignen sich fasziokutane Transplantate (Haut, Subkutis und Faszie). Hier sind der an der A. radialis gestielte Unterarmlappen, der Skapula- und der Paraskapulalappen zu nennen, auch für Defekte in der Mundhöhle geeignet. Bei ausgedehnten Weichgewebsdefekten kommen muskulokutane Transplantate entweder vom M. latissimus dorsi oder vom M. rectus abdominis zum Schleimhautersatz in der Mundhöhle und im Pharynx auch Jejunum-Transplantate in Betracht.
• Knochenersatz: für Wiederherstellung autogene Knochentransplantate. Besonders geeignet freies, oder gefäßgestieltes Beckenkammtransplantat
Augmentationsplastik:
Es können auch gestielte Myokutanlappen in das Gesicht transplantiert werden, deren Gefäßstiel weitgehend skelettiert werden kann. Besonders bewährt haben sich der Pectoralis-major- und Latissimus-dorsi-Myokutanlappen. Knochenersatz: Die Schwierigkeiten der Gesichtswiederherstellung erhöhen sich beträchtlich, wenn Knochendefekte bestehen. Dies trifft besonders auf die Resektion des Unterkiefers zu. Zur Wiederherstellung müssen körpereigene Knochentransplantate eingepflanzt werden; hierfür am besten geeignet ist der Beckenkamm. Neben die freie Knochenverpflanzung ist das gefäßgestielte Beckenkammtransplantat getreten, das mikrochirurgisch an entsprechende Gefäße anastomosiert wird. Die Vorteile ergeben sich besonders bei großen Knochendefekten und bei insuffizientem Transplantationslager und bestehen im Ausbleiben der Infektionsanfälligkeit und der Knochenresorption, da das verpflanzte Knochenstück autonom blutversorgt bleibt. Der eingepflanzte Beckenkamm ist gut für enossale Zahnimplantate geeignet, mit deren Hilfe die Wiederherstellung der Kaufunktion optimal gelingt. Augmentationsplastik: Konturdefekte des Gesichts, z.B. durch traumatische Impression der Stirn oder der Jochbeine wie auch Sattelnasen lassen
Rekonstruktiv-plastische Verfahren sich durch Unterpflanzung eines passend geformten Implantates vollständig ausgleichen. Für diese Augmentation kommen lyophilisierter Bankknorpel und Bankknochen ebenso in Frage wie inerte Kunststoffkörper aus Keramik. Größere subkutane Substanzdefekte können mit mikrovaskulär angeschlossenen Transplantaten vom Omentum majus oder mit deepithelisierten Leistenlappen oder entsprechenden Lappen aus der Skapularegion aufgefüllt werden. Für den Nasenaufbau wird auch körpereigener Rippenknorpel verwendet. Der Verlust der Augenbrauen ist durch freie oder gestielte behaarte Kopfhauttransplantate zu rekonstruieren. Auffällige Defekte der Kopfhaut können durch Verschiebeplastik in weniger sichtbare Regionen verlegt und dann durch Überkämmen unauffällig gemacht werden. Besonders schwierig ist der Ersatz einer gesamten Ohrmuschel. Die Wiederherstellung der feinen und sehr detaillierten Ohrmuschelform ist nur bei Verwendung eines Knorpelgerüstes aus geschnitztem und entsprechend zusammengefügten körpereigenem Rippenknorpel möglich, der in den Ohrbereich frei transplantiert wird. Durch eine Reihe von konsekutiven Operationen und zusätzliche Verwendung frei verpflanzter Vollhautlappen kann ein Ohrersatz gelingen, der ein zufriedenstellendes Ergebnis zeigt.
329 Unterpflanzung eines Implantats Material: lyophilisierter Bankknorpel, -knochen, Keramikimplantate oder deepithelisierte Fasziokutanlappen
Für den Nasenaufbau: körpereigener Rippenknorpel Augenbrauen: freie oder gestielte Kopfhaut
Ohrmuschel: Knorpelgerüst aus geschnitztem und zusammengefügtem Rippenknorpel
5.2 Gesichtsepithesen, Resektionsprothesen
Gesichtsepithesen (Aufsatzstücke)
Epithesen (Aufsatzstücke): Äußere Gesichtsdefekte können temporär oder bei älteren Patienten auch dauernd durch Gesichtsepithesen überdeckt werden. Je nach Größe des Defektes werden Teile der Wange, die Nase und das Auge individuell aus Kunststoff geformt und im Gesicht in der Regel mit Hilfe eines Brillengestells oder mit enossalen Titanimplantaten fixiert. Die Implantate werden an den Defekträndern eingesetzt und dienen zur Aufnahme von Stegen oder Magneten, mit denen die Epithese zuverlässig befestigt werden kann (Abb. 29-28). Wenn auch die Funktionsfähigkeit derartiger Epithesen begrenzt ist, so wird doch das abstoßende Aussehen des Betroffenen wesentlich verbessert und die Resozialisierung erleichtert. Resektionsprothesen: Die Resektionen der Kiefer hinterlassen große Knochendefekte, die sowohl die Kau- und Sprechfunktion als auch das Aussehen durch Einsinken der darüberliegenden Gesichtsweichteile in den Defekt beeinträchtigen. Durch die Eingliederung von Resektionsprothesen können diese Nachteile weitgehend beseitigt werden. Es handelt sich dabei um zahnärztliche Prothesen, die nach Abdrucknahme zur Defektauffüllung entsprechend erweitert werden. Im Oberkiefer dienen derartige Obturatoren gleichzeitig zum Abschluß der Mundhöhle gegen die Nasenhöhle und gewinnen für das Sprechen und die Nahrungsaufnahme Bedeutung. Bei Zahnlosigkeit können auch sie mit Hilfe von Zahnimplantaten fixiert werden. Resektionsprothesen können im Unterkiefer erst eingesetzt werden, nachdem die Kontinuität durch eine Knocheneinpflanzung wieder hergestellt worden ist.
Deckung von nicht operablen Gesichtsdefekten. Wesentliche Verbesserung des Aussehens und Resozialisierungsmöglichkeit (Abb.29-28)
5.3 Ästhetisch-plastische Gesichtschirurgie (s. Kapitel 43)
Ästhetisch-plastische Gesichtschirurgie
Resektionsprothesen: zahnärztliche Prothesen zur Defektauffüllung
Definition. Operationen zur Beseitigung konnataler und altersbedingter Auffälligkeiten oder von Formanomalien, die der Verbesserung des Aussehens dienen, ohne daß ein krankhafter Zustand vorliegt.
Indikation: Beseitigung konnataler Auffälligkeiten zur Verbesserung des Aussehens
Ohranlegeplastik, Nasenkorrektur s. Kapitel 43. Profilplastik: Wenn die Konturen des Gesichtes seitenungleich oder zu wenig ausgeprägt sind, können die zurückstehenden Partien über knöchernen Unterlagen, wie die Jochbeinregion, dadurch vorgeschoben werden und normale Konturen erhalten, daß man Implantate unter die Weichteile einpflanzt.
Ohranlegeplastik, Nasenkorrektur (Kap. 43.) Profilplastik zumeist: Verkleinerung der Nase und Vergrößerung des Kinns
330
29. Gesicht, Mundhöhle, Kiefer Für diese Augmentation bieten sich u. a. Keramikimplantate an, die zumeist ohne äußerlich sichtbare Narben von intraoral aus eingebracht werden können. Vorstehende Knochenpartien werden auf dem gleichen Wege modellierend abgefräst.
Die Umgestaltung des Gesichtes zur Erzielung eines besseren Profils nennt man Profilplastik. Sie besteht aus Korrekturen an der Nase und am Kinn. Das Ausmaß der Veränderung (Verkleinerung, Vergrößerung) wird durch fotografische und röntgenologische Profilstudien vorher fixiert. Die ästhetischen Normen des Gesichtes gelten dabei als Vorbild. Facelifting Beseitigung der Alterungsfolgen (Erschlaffung, Faltenbildung) an Gesicht und Hals durch Straffung der Haut (Rhytidektomie) und des Subkutangewebes.
Facelifting: Besonders oft wird die Korrektur des alternden Gesichtes gewünscht. Durch abnehmenden Turgor und Erschlaffung der Haut kommt es zur Faltenbildung im Gesicht und am Hals sowie zum Hängen der Wangen. Diese Veränderung kann durch eine Gesichtsanhebung mit Exzision der überschüssigen Haut weniger augenfällig gemacht werden. Unter Benutzung von Schnitten, die unauffällig am Ohransatz und hinter dem Ohr in der Nacken-Haar-Region verlaufen, wird die Gesichtshaut bis an den Mundwinkel heran und am Hals durchgehend bis zum Zungenbein freipräpariert, angespannt und nach Exzision des Hautüberschusses zurückgenäht. Dabei ist es gleichzeitig möglich, Fettansammlungen (Doppelkinn, Fetthals) durch Exzision oder Absaugung (Liposuktion) zu reduzieren. Die neueste Entwicklung auf diesem Gebiet ist die SM AS- und Platysmaplastik, mit der auch das unter der Haut gelegene und ebenfalls erschlaffte Subkutane Muskulo-zlponeurotische System durch Imbrikation (Abb. 29-29 oben) oder nach Lappenbildung gerafft wird; das Platysma wird in Zungenbeinhöhe partiell durchtrennt, nach dorsal auf die Faszie des Sternocleidomastoideus zurückgenäht und medial mit dem Rand der anderen Seite in der Mitte vom Zungenbein bis zum Kinnrand vereinigt. Hierdurch gelingt es besonders effektiv, die Alterungsfolgen an Gesicht und Hals nachhaltig zu vermindern.
Blepharoplastik Korrektur der „Schlupflider" (Oberlider) „Tränensäcke" (Unterlider) durch Hautexzision und Lippenektomie von Orbitafett (Lidlifting)
Blepharoplastik: Faltenbildung und Erschlaffung zeigt sich zuerst an den Augenlidern. An den Oberlidern kann eine Hautduplikatur entstehen, die über die Wimpern herüberreicht und die Lidspalte einengt. An den Unterlidern kommt es zusätzlich zur Bildung von Tränensäcken, die im Zusammenhang mit Erschlaffung des Orbicularis oculi durch vorquellendes Orbitafett bedingt werden.
DTTTTypyni),
Abb.29-29: Operationsschema beim Facelifting; a. Schnittführung, A u s m a ß der Präparation und Anlegen von Raffnähten für das Subkutangewebe; b. nach der Hautnaht
Rekonstruktiv-plastische Verfahren
331
Durch ein Lidliftung kann die überschüssige Haut am Oberlid mittels einer Inzision von der Hauptlidfalte aus, am Unterlid von einem Einschnitt nahe dem Ziliarrand aus entfernt werden. Dabei ist am Unterlid Vorsicht geboten, um nicht durch zu ausgedehnte Hautentfernung eine Ektropium zu provozieren. Die Tränensäcke werden durch eine Fettexzision beseitigt. Stirnkorrektur (s. Kap. 43). Chemochirurgie: Die Feinfältelung der perioralen Region und der Gesichtshaut insgesamt kann nachhaltig durch eine chemochirurgische Behandlung (Chemical-Peel) verbessert werden. Zur Verwendung kommt eine Phenol enthaltende Lösung, die für 48 h auf die Haut aufgetragen wird und eine Verätzung 1. Grades erzeugt. Die unter dem Schorf entstehende Hautdecke entspricht dem mehr jugendlichen Aussehen der Haut. Zurückhaltung ist jedoch geboten, um eine zu tiefe Schälung und damit die mögliche Narbenbildung zu verhindern. Dermabrasion: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Haut oberflächlich abzuschleifen. Diese Methode kann im Gegensatz zur Chemochirurgie mehrfach wiederholt werden. Kollagenimplantation. Bei ausgeprägten Falten und vertieften Narben kann mit Kollagen unterspritzt werden. Wegen Abbau des Kollagens müssen die Implantationen wiederholt werden.
Stirnkorrektur Chemochirurgie, Dermabrasion Gesichtspeeling bei penoraler Feinfältelung und bei Knitterfalten des Gesichtes. Cave: Narben bei zu tiefer S c h ä l u n g !
30. Hals (ohne Schilddrüse) H.Zühlke
Der Hals dient als Leitgebilde für die Gefäße des Gehirns und des knöchernen Schädels. Er beherbergt Trachea und Ösophagus von ihrem Eintritt vorn im Schädel bis in den Thorax. Er ist Sitz eines wichtigen Teils des Lymphsystems, der Schilddrüse und Nebenschilddrüsen. Die Weichteile des Halses sind für die Inspektion und Palpation gut zugänglich; Sonografie, CT und MRT können effizient eingesetzt werden.
Fehlbildungen des Halses (Abb. 30-1)
1. Fehlbildungen, benigne Tumoren 1.1 Kongenitale Fisteln und Zysten Im Bereich des Halses kommen angeborene Fehlbildungen vor. Sie sind entweder im Säuglingsalter bereits erkennbar oder entwickeln sich im Laufe der ersten Lebensjahre. Einige Erkrankungen treten sogar erst im Erwachsenenalter in Erscheinung (Abb. 30-1). Fehlbildungen der Halsweichteile können sich als branchiogene Fehlbildungen (laterale Halszysten und -fisteln) darstellen sowie sich aus thyreoglossalen Residuen (mediale Halszysten und -fisteln, Zungengrundstruma) entwickeln. Weiterhin werden muskuläre, ossäre und neurogene Anomalien beobachtet. Neben vaskulären Fehlbildungen (Lymphangiom, Hämangiom) können terratogene (dysontogenetische) Tumoren (embryonale Tumoren, Teratom, Desmoid, Hamartom) entstehen.
M e d i a n e Halszysten u n d -fisteln bei unvollständiger Rückbildung des Ductus thyreoglossus —> Sekretansammlung zystische Umwandlung der Epithelzellen -»Zystenbildung
Lokalisation: - entlang des Ductus thyreoglossus - bei Spontanperforation von infizierten Zysten sekundäre Fisteln
Differentialdiagnose: - ektopische Schilddrüse -» Schilddrüsenszintigramm - Dermoidzyste —> Sonographie, Fisteldarstellung
Die Diagnostik erfolgt durch Sonographie, CT oder MRT, bei fraglichen Gefäßprozessen Doppler-Sonografie und Angiografie. • Mediane Halszysten und -fisteln: Ätiologisch stellen die medianen Halszysten ein Relikt des embryonalen Ductus thyreoglossus dar und stehen damit in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung der Schilddrüse. Ist die Rückbildung des Ductus thyreoglossus unvollständig, kommt es durch Sekretansammlung und zystische Umwandlung der den Gang auskleidenden Epithelzellen (Flimmerepithel, selten Platten- bzw. Zylinderepithel) zur Zystenbildung. Die Zysten können entlang des Ductus thyreoglossus zwischen Foramen caecum der Zunge und dem Isthmus der Schilddrüse lokalisiert sein. Besteht eine Verbindung zur Mundhöhle, können Infektionen auftreten. Durch Spontanperforation infizierter Zysten ist eine sekundäre Fistelbildung möglich. Die mediane oder paramediane Halszyste ist unterhalb des Zungenbeins lokalisiert, von prallelastischer Konsistenz und am Zungenbein fixiert (Abb. 30-2). Differentialdiagnostisch ist die mediane Halszyste von der seltenen, ektopischen Schilddrüse abzugrenzen. Eventuell ist ein Schilddrüsenszintigramm für die Diagnose notwendig. Submental und suprajugulär muß mit der Dermoidzyste gerechnet werden, die aber gut verschieblich ist. Sonographie und Fisteldarstellung erleichtern die Diagnostik. Die Komplikationen der Thyreoglossuszyste bestehen in einer Kompression der Trachea und einer malignen Entartung im Erwachsenenalter.
Therapie: - operativ, vollständige Exstirpation
Therapie: Die Halszysten müssen sobald wie möglich operiert werden, um bei eventueller Verbindung zur Mundhöhle einer Infektion vorzubeugen.
Fehlbildungen, benigne Tumoren
333 Abb.30-1: Fisteln und Zysten des Halses, 1 mediale Halszyste und -fistel, 2 Lokalisationsmöglichkeit der lateralen Halsfisteln, 3 laterale Halszyste, 4Zungengrundstruma, 5 Dermoid, Hamartom, 6 Lymphangiom, Hämangiom, 7 mediane Halsspalte, 8 kongenitale Ohr-Hals-Fistel, 9 muskuläre Fehlbildungen
Abb.30-2: Mediane Halszyste in typischer Lokalisation
Ziel der Operation ist die vollständige Exstirpation, die blande Verhältnisse voraussetzt. Einspritzen von Farblösungen erleichtert das Auffinden des Gangsystems und dessen Präparation. Die Schnittführung bei der medianen Halszyste bzw. -fistel ist abhängig von der Lage: entweder Längs- oder Querschnitt. Sorgfältige Präparation des Zystensackes. Es muß nicht nur die Zyste, sondern evtl. auch der als Strang imponierende Ductus thyreoglossus bis zum Foramen caecum entfernt werden, wobei - um ein Rezidiv mit sekundärer Fistelbildung zu vermeiden der Mittelteil des Zungenbeins mitreseziert werden muß (Abb. 30-3). Bestehen intraoperativ Unklarheiten an der Genese, muß ein Schnellschnitt angefertigt werden, um nicht Schilddrüsengewebe zu exstirpieren. Bei Radikalexstirpation ist ein Rezidiv unwahrscheinlich. • Laterale Halszysten und -fisteln: Die kongenitalen lateralen (branchiogenen) Fisteln und Zysten stehen in engem Zusammenhang mit der Entwicklung und mangelhaften Rückbildung des Kiemenspaltes und -bogensystems. Nur unter gestörten Verhältnissen kommt es zur Verbindung zwischen den Halsspalten und dem Pharynx. Symptome und Diagnose. Sichtbare und sondierbare Fistelöffnung sowie der oft als derber Strang imponierende Fistelgang ergeben zusammen mit der Anamnese die Diagnose. Die Prädilektionsstellen erstrecken sich entlang des vorderen Randes des M. sternocleidomastoideus zwischen unterem und mittlerem Drittel. Klinisch tritt häufig eine winzige Hautöffnung mit Sekretion in Erscheinung. Die lateralen Halsfisteln können inkomplett oder durchgehend sein, d. h. sie haben entweder eine innere oder äußere Öffnung (Sinus) oder beides. Sie verlaufen zwischen der Karotisgabel und münden in der Tonsillenloge. Obliteriert nur ein Teil des Fistelganges, entwickelt sich eine mit Plattenepithel ausgekleidete Zyste. Sie können bilateral auftreten.
• Schnittführung: - Längs- oder Querschnitt -» Präparation des Zystensacks —» mit Resektion des Zungenbeins zur Rezidivprophylaxe (Abb. 30-3) - Cave: kein Schilddrüsengewebe exstirpieren
Laterale Haiszysten und -fistein - Entwicklung: bei mangelhafter Rückbildung des Kiemenspaltes und -bogensystems Diagnose: - sieht- und sondierbare Fistelöffnung, derber Fistelgang • Lokalisation: - vorderer Rand des M.sternocleidomastoideus • Symptome: winzige Hautöffnung mit Sekretion, innere oder äußere Öffnung (oder beides) - Auftreten: uni- oder bilateral
Die Patienten werden durch Schwellung oder rezidivierende Abszesse im Bereich des kutanen Mündungsbereiches auf die Fistel aufmerksam. Häufig wird jedoch die Behandlung bis in das Erwachsenenalter verschoben. Im Alter Gefahr der malignen Entartung (branchiogenes Karzinom).
Diagnose: - Schwellung oder rezidivierende Abszeßbildung - im Alter: maligne Entartung möglich
Differentialdiagnostisch müssen vor allem eingeschmolzene solide Tumoren, Halsabszesse und Weichteiltumoren abgegrenzt werden (s. Tab. 30-1).
Differentialdiagnose: • Lymphome, Strumazysten, zystisches Lymphangiom, Dermoidzysten, Bursitis. Therapie: - sorgfältige Präparation über einer Sonde im Bereich der Karotisgabel
Therapie: Nach ovalärer Umschneidung der Fistelöffnung, Weiterführung des Hautschnittes parallel entlang des M. sternocleidomastoideus, sorgfältige Präparation über einer Sonde im Bereich der Karotisgabel (Cave: N. hypoglossus) und Darstellung des Gangsystems im Bereich der Pharynxwand.
334
30. Hals (ohne Schilddrüse)
Zungenbein
Abb.30-3: Operative Technik zur Exstirpation einer medialen Halszyste (2. Kiemengang), a. Präparation der Zyste über queren Hautschnitt, b. Resektion des mittleren Anteils des Zungenbeins, c. Präparation des Ductus thyreoglossus bis zum Zungengrund, d. Abtragen des Ganges mit Zyste und Zungenbein. Fortlaufende Naht der Gangbasis
Ursachen für Lymphknotenschwellungen s.Tab. 30-1
Tab.30-1: Ursachen für Lymphknotenschwellungen . .. ... . Entzündlich Tumoren
r
(1) Lymphadenitis (follikuläre Hyperplasie) (1) gutartige Tumoren: ohne Spezifität - lokalisiertes benignes (2) Lymphadenitis durch fortgeleitete bakteLymphom rielle Infektion (Zähne, Nasennebenhöhlen, - Lymphangiom Tonsillen, Zysten) (2) maligne Tumoren: (3) Lymphadenitis durch spezifische Erkran- M. Hodgkin (60%) kungen: Toxoplasmose, Tbc, Sarkoidose, - Non-Hodgkin-LymViruserkrankungen (Herpes Simplex, infekphome (40%) tiöse Mononukleose, Röteln, Masern); (3) Metastasen Lues; Zytomegalie; Katzenkratzkrankheit, Tularämie (4) Lymphknotenvergrößerungen bei Autoimmunerkrankungen (rheumatoide Arthritis) (5) Lymphknotenveränderungen bei HIV-Infektion Darstellung des Gangsystems im Bereich der Pharynxwand Ligatur und Abtragung, evtl. Tonsillektomie (Abb. 30-4) günstiger Operationszeitpunkt 3. Lebensjahr
D u r c h z i e h e n des isolierten Fistelganges in den Rachen, Ligatur u n d Abtragung, w o b e i eine Tonsillektomie erforderlich sein kann (Abb. 30-4). Problem e entstehen bei der Präparation im B e r e i c h der G e f ä ß s c h e i d e und nach a b g e l a u f e n e n Entzündungen. Günstigster Zeitpunkt für die Operation ist das 3. Lebensjahr.
Fehlbildungen, benigne Tumoren
335
digastricus
Fistelgang
N.hypoglossus A. carotis N.vagus V. jugularis int.
"äußere Fistelöffnung mit exzidierter Haut
äußere Fistelöffnung mit exzidierter Haut
Abb. 30-4: Lagebeziehung des Fistelganges der lateralen Fistel (a) und Halszyste (b) zu Karotisgabel und N.hypoglossus
Die lateralen Halszysten werden in toto freipräpariert und exstirpiert. Ein vorhandener Fistelgang (s. o.) muß ebenfalls radikal präpariert und exstirpiert werden, wobei die Injektion von Farblösung die Lokalisation erleichtert (Abb. 30-4). Rezidive sind möglich. • Ohr-Hals-Fisteln: Fisteln, die sich aus dem ersten Kiemengang entwikkeln und mit dem äußeren Gehörgang in Verbindung stehen, werden als Ohrfisteln bezeichnet. Um Infektionen vorzubeugen, müssen auch sie radikal entfernt werden. Gefahr der Verletzung des N. facialis (Abb. 30-5). • Mediane Halsspalte: Die mediane Halsspalte stellt eine seltene Fehlbildung aufgrund mangelhafter Verschmelzung der lateralen Halsanlagen in der Mittellinie dar. Die Therapie besteht in der Exzision der Spalte und Deckung des Hautdefektes durch eine Z-Plastik. • Hämangiom (s. Kap. 41, S. 822). • Lymphangioma cysticum (Hygroma colli cysticum): Das zystische Hygrom oder Lymphangiom nimmt seinen Ausgang vom Saccus lymphaticus jugularis. Es stellt ein Konglomerat aus Lymph- und Bindegewebe dar und hat keinen Anschluß zum venösen System. Hygrome entwickeln sich vorwiegend im hinteren und seitlichen Halsdreieck. Sind sie bereits bei der Geburt vorhanden, können sie ein mechanisches Geburtshindernis darstellen.
äußerer Gehörgang
N. facialis ! •+— Sinus
//
Parotis
Fistelöffnung
— Fistelöffnung
a)
Abb.30-5: Exstirpation einer Ohr-Hals-Fistel (1. Kiemengang) a. anatomischer Verlauf, b. freigelegter Fistelgang
- Exstirpation von lateralen Halszysten Rezidive sind möglich
Ohr-Hals-Fisteln Bildung aus erstem Kiemengang, Verbindung mit äußerem Gehörgang (Abb. 30-5) Therapie: radikale Entfernung, um Infektion zu verhindern Mediane Halsspalte - mangelhafte Verschmelzung der lateralen Halsanlagen in der Mittellinie Therapie: Exzision der Spalte
Lymphangioma cysticum - Ausgang v o m Saccus lymphaticus jugularis - Konglomerat aus Lymph- und Bindegewebe
336 - Aussehen der Zyste: glatt, bucklig, teigig-schwammige Konsistenz, komprimierbar - evtl. mechanisches Geburtshindernis - Kompression von Nachbarorganen -> • Komplikationen: Makroglossie, Stridor, Dyspnoe, Dysphagie Differentialdiagnose: laterale Halszysten, Kavernome, Lipome, Thyreoideazysten Therapie: Exstirpation Komplikationen: Lymphfisteln, Infektionen
Schiefhals: - angeboren, vererblich - wenn keine spontane Heilung: Wachstumsstörung der befallenen Gesichtshälften, Asymmetrie, Gesichtsdeformität, Schädel- und Gesichtsskoliose (Abb. 30-6)
30. Hals (ohne Schilddrüse) Die Zysten sind glatt oder bucklig, von teigiger, schwammiger Konsistenz und komprimierbar. Bei Größenzunahme führen sie zur Kompression von Nachbarorganen mit entsprechender Symptomatik (Makroglossie, Dyspnoe, Dysphagie und Stridor). Durch Instillation von verdünntem wasserlöslichem Kontrastmittel kann die Ausdehnung ermittelt werden. Differentialdiagnostisch sind laterale Halszysten, Kavernome, Lipome und Thyreoideazysten abzugrenzen. Die Therapie besteht in den ersten Lebensmonaten in der Exstirpation, evtl. in mehreren Sitzungen. Als Komplikationen der Operation sind Lymphfisteln und Infektionen bekannt, so daß der Eingriff unter Antibiotikaschutz durchgeführt werden sollte. Verletzungen von Nerven (N. accessorius, N. facialis, N.vagus) und Gefäßen (A. carotis, V.jugularis) sind beschrieben. Mit Rezidiven muß gerechnet werden. • Schiefhals (Caput obstipum, Tortikollis): Der angeborene oder während des Geburtsvorganges erworbene muskuläre Schiefhals stellt die Kontraktur mit sehniger Degeneration des M. sternocleidomastoideus dar. Mädchen werden häufiger betroffen. Kommt es während des ersten Lebensjahres nicht zur spontanen Heilung, führt der Schiefhals zur Wachstumsstörung der befallenen Gesichtshälfte mit Asymmetrie, Gesichtsdeformität, Schädel- und Gesichtsskoliose und Verkürzung sämtlicher Halsweichteile der betroffenen Seite (Abb. 30-6).
Differentialdiagnose: - spastischer Schiefhals - Schiefhals durch Verbrennungsnarben - Entzündung - Rheuma - traumatisch Therapie - frühe Durchtrennung des verkürzten fibrös umgewandelten Halsmuskels
Differentialdiagnostisch kommt der spastische (neurogene) Schiefhals durch zentralbedingte klonische und tonische Kontrakturen der Halsmuskulatur - und der erworbene Schiefhals - durch Verbrennungsnarben, Entzündungen, bei rheumatischer und traumatischer Genese - in Betracht.
Benigne T u m o r e n
1.2 Benigne Tumoren
• Fibrome • neurogene Tumoren • Lipome • Atherome Therapie: Exstirpation
Fibrome, neurogene Tumoren, Lipome (Lipomatosis colli = Madelung-Fetthals) u n d Atherome können ebenfalls im Halsbereich manifest werden. Die Therapie besteht in d e r Exstirpation bei kosmetischer Indikation, bei Funktionseinschränkung und bei möglicher späterer Entartung. Die neurogenen Tumoren des Halses sind häufig solitär u n d zeigen nur eine geringe Wachstumstendenz, Ausnahme bilden die Tumoren bei Morbus von Recklinghau-
Die Therapie besteht in einer möglichst frühen Durchtrennung der verkürzten fibrösen Halsmuskulatur. Der Kopf kann durch einen Gipsverband oder eine Bandage anschließend fixiert werden. Eine krankengymnastische Nachbehandlung ist obligat.
kompressive Läsion
Abb.30-6: Schiefhals. Narbige Kontraktur des M.sternocleidomastoideus mit Neigung und Drehung des Gesichtes zur erkrankten Seite
Abb. 30-7: Neurovaskuläre Kompressionssyndrome im Bereich der Skalenuslücke verursacht durch: Halsrippe, Hochstand der 1. Rippe und Hypertrophie des M. scalenus anterior
337
Skalenussyndrom, Lymphknotenerkrankungen, Entzündungen sen. Die neurogenen Himoren entwickeln sich aus Nervenscheiden, Schwann-Zellen, Neurozyten und Paraganglien der Hirnnerven, vegetativen Nerven, dem zervikalen und brachialen Nervenplexus. Von besonderer Bedeutung sind die Karotisglomustumoren, ausgehend von Paraganglien der Karotisgabel (Glomustumor) mit klinisch langsamem Wachstum. Bei ihnen ist eine maligne Entartung möglich. Sie kommen ein- und beidseitig sowie familiär vor. Bei Druck auf einen Glomustumor kann ein Karotissinusreflex-Syndrom (Pressorezeptorreflex, Ohnmacht oder Herzstillstand) ausgelöst werden. Die Therapie besteht in der radikalen Exstirpation, wobei evtl. gefäßrekonstruktive Maßnahmen der Karotisgabel durchgeführt werden müssen (s. Kapitel 34, S.463).
Karotisglomustumoren: - maligne Entartung möglich. - Cave: durch Druck: Auslösung eines Ka roti ss i n u s ref I exes Therapie: radikale Exstirpation, evtl. Gefäßrekonstruktion erforderlich
2. Skalenussyndrom, Lymphknotenerkrankungen, Entzündungen 2.1 Skalenus- oder Halsrippensyndrom
Skalenus-, Halsrippensyndrom
Das Halsrippensyndrom (s. Kapitel 34, S. 432) stellt ein Kompressionssyndrom der Skalenuslücke dar, welches durch Halsrippe, Exostose bzw. durch einen hypertrophierten M. scalenus anterior hervorgerufen werden kann (Abb. 30-7). Differentialdiagnostisch müssen neurologische Erkrankungen (HWS-Syndrom, Karpaltunnelsyndrom, Rückenmarktumoren und Polyneuropathien) sowie die Endangiitis obliterans, Morbus Raynaud und Tumoren der Supraklavikulargrube (Pancoast-Tumor) sowie Entzündungen (Periarthritis humero-scapularis) abgegrenzt werden.
= Kompressionssyndrom der Skalenuslücke (Abb. 30-7) - selten neurologische Reizsymptome Diagnostik: Angiographie, neurologische Untersuchung (EMG) Differentialdiagnose beachten!
2.2 Lymphknotenerkrankungen
Benigne und maligne
Die klinisch wesentlichen Anteile des zervikalen Lymphsystems sind die zahlreichen Lymphknoten (ein Drittel aller Lymphknoten des Organismus), die als mechanische Filter bzw. immunologische Barrieren zum Pharynx die Lymphgefäßverläufe unterbrechen. Die Lymphknoten variieren stark in ihrer Größe, Zahl und Struktur. Weiche, mobile Lymphknoten sind bei Kindern und jugendlichen Erwachsenen palpabel. Die Tastbarkeit nimmt mit dem Alter ab. Am Hals besteht eine enge Beziehung zwischen Lymphknoten und Venen, Nerven und Muskulatur. Die Kenntnis der topographischen Anatomie ist für die Chirurgie der Halslymphknoten äußerst wichtig (Abb. 30-8, 9). Voraussetzung für die Bewertung von Lymphknoten im Halsbereich ist die genaue Anamnese (Größenzunahme, Dauer der Schwellung, Schmerzhaftigkeit, vorangegangene Operation bzw. Radiatio) sowie der generelle Lymphknotenstatus einschließlich Milz und Leber, Blutuntersuchung, evtl. Sternalpunktion, Thoraxaufnahme und HNO-Status. Auch die Inspektion des Halses (Muskelprofilierung, Fettpolster, Schilddrüse) und Palpation (Größe, Verschieblichkeit, Druckschmerzhaftigkeit, Konsistenz) ist für die Untersuchung obligatorisch. Sonographie, CT und MRT dokumentieren die Lokalisation der Lymphome. Benigne Veränderungen der Halslymphknoten: Da die Lymphknoten die Aufgabe besitzen, in den Organismus eingedrungene Krankheitserreger zu eliminieren, kommt es bei Kontamination zu mehr oder weniger ausgedehnten Reaktionen des zervikalen Lymphsystems. Die unspezifische und spezifische Lymphadenitis mit reaktiver Hyperplasie ist die häufigste Ursache der Lymphknotenschwellung, spezifische Infektionen sind (Tab. 30-1): • Tbc, Sarkoidose, Toxoplasmose; Mononucleosis infectiosa, • Katzenkratzkrankheit, Tularämie, Bruzellose; Aktinomykose. Bei unklarer Diagnose sollte grundsätzlich die Feinnadelbiopsie führt werden.
durchge-
Am Hals enge Beziehung zwischen Lymphknoten und Venen, Nerven und Muskulatur (Abb.30-8, 9)
Topographische Einteilung nach anatomischen und funktionellen Gesichtspunkten besonders wichtig (Metastasenwege) Diagnostik der Lymphknoten durch: - Größenzunahme - Schwellung - Schmerzhaftigkeit - Lymphknotenstatus (einschließlich Milz, Leber) - Blutuntersuchung - evtl. Sternalpunktion - Thoraxaufnahme - HNO-Status - Inspektion und Palpation des Halses obligatorisch
Lymphadenitis = häufigste Ursache der Lymphknotenschwellung, Vergesellschaftung von Krankheiten mit einer Lymphknotenschwellung
338
30. Hals (ohne Schilddrüse)
Abb.30-8: Hauptlymphbahnen und Lymphkollektoren am Hals: 1. Nll.occipitales, 2. Nil. retroauriculares, 3. Nil. parotidei, 4. Nll.submandibulares, 5. Nil. submentales, 6. Nil. retropharyngei, 7. Nll.cervicales profundi, 8. Nil. praeund paralaryngotracheales, 9. Nll.cervicales superficiales (nervi accessorii), 10. Nil. nuchales, 11. Nil.supraclaviculars, A. N.accessorius, B. N. phrenicus
Therapie: Behandlung der Grundkrankheiten
Lymphknotenschwellung auch bei gutartigen Tumoren des Lymphsystems
Die Indikation zum chirurgischen Eingriff beschränkt sich bei den oben genannten Erkrankungen auf die Diagnostik oder die Intervention bei Komplikationen, z.B. Einschmelzung und Fistelbildung - z.B. bei Tuberkulose und Aktinomykose. Im übrigen steht die spezifische Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Neben den Lymphknotenschwellungen entzündlicher Genese bewirken gutartige Tumoren des Lymphsystems, wie das lokalisierte benigne Lymphom oder Lymphangiom (s. dort) eine Schwellung der Lymphknoten. Für das benigne Lymphom existiert keine spezifische chirurgische Therapie. Alle vergrößerten Halslymphknoten können Primärmanifestation einer HIV-Infektion (vor allem bei Risikogruppen) sein.
Maligne Veränderungen der Haislymphknoten: - Manifestation systemischer und metastatischer Erkrankungen in den Halslymphknoten u.a. HIV-Infektion - 50% aller malignen Lymphknotenschwellungen: Hodgkin-Krankheit - weitere 50% fallen auf: Non-Hodgkinlymphome (NHL)
auch durch Metastasen von Tumoren anderer Organe
• Suche des Primärtumors erforderlich!
Maligne Veränderungen der Halslymphknoten: Maligne systemische und metastatische Erkrankungen können als primäre Manifestationen in den Halslymphknoten auftreten. Mit über 50 % ist die Hodgkin-Krankheit Ursache für maligne Lymphknotenschwellungen. Die histologische Differenzierung erfolgt nach der Konferenz von Rey. Knapp 50% entfallen auf Non-Hodgkin-Lymphome (s. R. E. A.L.-Klassifikation in Lehrbuch der Pathologie in dieser Reihe). Sowohl Hodgkin-Lymphom als auch NHL werden heute nach Leitlinien (Protokollen) stadiengerecht therapiert. Bei der diagnostischen Exstirpation muß mit besonderer Sorgfalt (Operateur, Schwestern) vorgegangen werden. Die metastatische Absiedlung von Tbmoren anderer Organe stellt die zweite Gruppe der malignen Lymphknotenvergrößerungen dar. Bevorzugte Tumorlokalisation ist der Kehlkopf, Mundhöhle, Oro- und Hypopharynx. Männer in der 6. und 7. Lebensdekade sind bevorzugt betroffen (Alkoholund Tabakkonsum). Halslymphome können durch Metastasen von primären Plattenepithelkarzinomen der Schleimhaut des oberen Atmungs- und Verdauungstraktes hervorgerufen werden. Seltener kommt es zur Metastasierung von Karzinomen aus dem Gastrointestinaltrakt (Magenkarzinom —> Virchow-Drüse), dem Bronchialsystem und aus dem Urogenitalsystem.
Skalenussyndrom, Lymphknotenerkrankungen, Entzündungen
Abb.30-9: Seitliche Halslymphknoten (nach Entfernung von Haut und M.sternocleidomastoideus) zusätzlich Nll.n.accessorii, Nll.supraclaviculares und Nll.jugulares craniales et caudales: 1. A.carotis, V.jugularis interna, 2. Lymphknotenketten entlang der V.jugularis interna, 3. N.vagus, 4. Ductus thoracicus im Winkel zwisehen V.jugularis und V.subclavia, 5. M.sternocleidomastoideus, 6. N. accessorius und Lymphknoten, 7. M.trapezius, 8. Nll.cervicales transversi
339
Abb.30-10: Hautschnitte am Hals, 1. Schnitt am Vorderrand des M.sternocleidomastoideus (Karotisbifurkation, V.jugularis, Lymphknoten, Halszysten und-fisteln), 2. Kocher-Kragenschnitt (Schilddrüse, Nebenschilddrüse), 3. Submandibulärer Hautschnitt (Lymphknoten, Glandulae submandibulares, Abszesse), 4. Schnitt am Hinterrand des M.sternocleidomastoideus (V.jugularis, Lymphknoten, A.carotis com.), 5. med. Hautschnitt (Tracheotomie, med. Halszysten), 6. supraklavikulärer Zugang (Lymphknoten, A.subclavia), 7. bogenförmiger Schnitt submental (med. Halszyste, Pharyngotomia suprathyroidea), 8. Schnitt im Bereich des Processus mastoideus (Lymphknoten), 9. Stufenschnitte nach Welti (Lymphknoten, lat. Halszysten und -fisteln)
Bei Halslymphknotenmetastasen und unbekanntem Primärtumor ist eine Feinnadelbiopsie und Panendoskopie erforderlich. Bei Metastasen eines Adenokarzinoms ist u. a. eine Schilddrüsendiagnostik sowie eine Untersuchung der Atemwege und eine Diagnostik des oberen Gastrointestinaltraktes unumgänglich. Bestehen Krankheitsprozesse, die die Gefäße mit einbeziehen, so ermöglicht die Doppler-Sonographie sowie eine Subtraktionsangiographie eine exakte Diagnostik. Zur Beurteilung von Lymphknoten können in separaten Fällen szintigrafische Verfahren eingesetzt werden. Therapie ist neben der Behandlung des Primärtumors die radikale oder selektive Neck dissection, evtl. in Kombination mit einer Radiatio- und Chemotherapie.
2.2.1 Operation und Komplikationen
Operation und Komplikationen
Im Rahmen maligner systemischer Erkrankungen dient die operative Freilegung und Exstirpation von Lymphknoten der Diagnostik. Biopsie bei nicht tastbaren Lymphknoten aus dem Trigonum omoclaviculare (Zusammenfluß von V.jugularis interna u. V.subclavia - Daniels-Biopsie). Danach erfolgt die definitive Therapie (Radiatio, systemische Zytostase) der malignen Grunderkrankung. Bei metastatischer Absiedlung von Tumoren anderer Organe wird die Lymphknotenexstirpation sowohl zur Diagnostik als auch zur Therapie im Frühstadium der Erkrankung (Neck dissection —» en-bloc-Exstirpation der Lymphknoten mit V.jugularis und Fettgewebe sowie M. sternocleidomastoideus) mit anschließender Radiatio durchgeführt.
Exstirpation von Lymphknoten zur Diagnostik.
Im Frühstadium der Erkrankung therapeutische Lymphadenektomie Neck dissection
340
30. Hals (ohne Schilddrüse) Kommt es zu größeren Defekten, müssen sämtliche Möglichkeiten der plastischen Chirurgie (Rotations-, Myokutanlappen, Hauttransplantationen) eingesetzt werden.
- bei jeder länger andauernden Schwellung der Halslymphknoten: Probeexstirpation - bakteriologische und histologische Untersuchung exstirpierter Lymphknoten - Hautschnitte beim operativen Vorgehen zeigt Abb. 30-10 Komplikationen: • Nervenverletzungen • Gefäßverletzungen • Lymphfisteln Nervenverletzung typisch: N.accessorius mit Lähmung
• -
klinische Trias der Accessoriuslähmung typisches Op.-Gebiet Schulterschmerz Abduktion im Schultergelenk behindert
Lymphfistel = postoperativ wird klares Sekret sezerniert Therapie: häufig Spontanverschluß, andernfalls Lymphbahn umstechen Verletzung von Venen und Arterien • Venen: Cave: Luftembolie • Arterien: Cave: zerebrale Ischämie
Pneumothorax
Entzündungen
Furunkel: Infektion, die zu eitriger Einschmelzung führt Karbunkel: stark schmerzhafte Rötung und Schwellung mit Einschmelzung und konfluierenden Nekrosen Therapie: radikale Exzision des Infiltrats. Antibiotika bei Tiefenausbreitung und Abwehrschwäche
Bei jeder länger andauernden Schwellung der Halslymphknoten erfolgt die Probeexstirpation, wobei ein Lymphknoten in toto (mit Kapsel) entfernt werden muß. Exstirpierte Lymphknoten müssen bakteriologisch und histologisch untersucht werden. Die Exstirpation gelingt häufig in Lokalanästhesie, jedoch in der Supraklavikulargrube und im hinteren Halsdreieck in Allgemeinnarkose. Mögliche Schnittführung s. Abb. 30-10. Komplikationen bei Operationen im Halsbereich: Nerven- und Gefäßverletzungen, Lymphfisteln. • Nervenverletzung: Die Verletzung des N.accessorius ist die typische Komplikation einer Lymphknotenexstirpation im seitlichen Halsdreieck. Vor allem nach Entfernung von Atheromen, Lipomen, lateralen Halsfisteln und Zysten und plastischen Operationen kann eine Accessoriuslähmung auftreten. Typische klinische Trias: • Operation im seitlichen Halsdreieck oder Trigonum caroticum, • Schulterschmerz und • Abduktion im Schultergelenk nicht möglich. Bei leichter Lähmung steht die konservative Therapie durch krankengymnastische Übungsbehandlung im Vordergrund. Eventuell kann eine operative Rekonstruktion (Neurolyse, Nervennaht, autologe Transplantation) durchgeführt werden, da bei Vorliegen einer schweren Accessoriuslähmung eine gravierende Behinderung auf Dauer nicht zu vermeiden ist. • Lymphfisteln: Kommt es postoperativ zur Sezernierung von klarem Sekret aus dem Wundgebiet, ist an eine Lymphfistel zu denken. Therapie: Zunächst kann man abwarten, da sich eine Lymphfistel häufig spontan verschließt. Kommt es nicht dazu, muß die Lymphbahn umstochen werden. Ist bei einer linksseitigen Operation der Ductus thoracicus (Venenwinkel) verletzt worden, wird dieser freigelegt und ligiert. • Verletzung von Venen und Arterien: Die Verletzung von Venen im Halsbereich hat keine Folgen, da auch größere Venen problemlos ligiert werden können. Cave: Luftembolie! Dagegen erfordert die Verletzung der A. carotis oder A. subclavia gefäßchirurgische Maßnahmen, da die Ligatur von größeren Gefäßen zu erheblichen Funktionseinschränkungen vor allem des Gehirns führen kann. • Pneumothorax: Bei Operation im Bereich der Supraklavikulargrube kann durch Verletzung der Pleura ein Pneumothorax entstehen. Therapie: Thoraxsaugdrainage.
2.3 Entzündungen Im Bereich des Halses können alle Entzündungsformen (bakteriell, viral, parasitär, fungoid) auftreten, die sich auch in anderen Körperregionen entwickeln. Von besonderer Bedeutung im behaarten Halsbereich sind Furunkel, eine vom Haarbalg ausgehende Infektion (Staphylokokken), die sich über die Folliculitis simplex zu einer perifollikulären tiefen eitrigen Einschmelzung entwickelt. Durch die konfluierende Einschmelzung mehrerer benachbarter Haarfollikel kommt es - meist im Nacken - zum Karbunkel. Das klinische Bild ist gekennzeichnet durch eine umschriebene, stark schmerzhafte bis handflächengroße Rötung und Schwellung mit multiplen Einschmelzungen und Nekrosen sowie Temperaturerhöhung (s. Kap. 10, S.76). Therapie: radikale Exzision des eitrig-nekrotischen Infiltrates, beim Karbunkel bis auf die Halsfaszie sekundär plastische Deckung des Defektes sowie stadiengerechte Lokalbehandlung (PVP-Jod, medikamentöse Wundreinigung). Antibiotika nur bei Tiefenausbreitung und Abwehrschwäche.
Skalenussyndrom, Lymphknotenerkrankungen, Entzündungen Phlegmonen am Hals sind gefährlich wegen der Gefahr eines Glottisödems (Atemnot!). Symptome sind Temperaturerhöhung, Spontan- oder Druckschmerz, Rötung, Ödem und eine fortschreitende Nekrosebildung. Im Halsdreieck können Phlegmonen von erkrankten Zähnen, einer Sinusitis oder einer Tonsillitis ausgehen. Wegen fehlender Abgrenzung zum Mediastinum Gefahr einer Mediastinitis. Therapie: großzügige Inzision und Drainage mit eventueller Gegeninzision, bei Mediastinitis collare Inzision im Jugulum und Drainage. Systemische Antibiotikatherapie ist obligat, um eine Ausbreitung (Mediastinum) zu verhindern (Cave: Glottisödem und infizierte Thrombose der V. jugularis interna!). Auch am Hals kann sich eine oberflächliche Entzündung der Lymphspalten und -gefäße des oberen Koriums durch betahämolysierende Streptokokken (Erysipel) entwickeln. Therapie: hochdosierte Antibiotika (Penicillin).
341 • Phlegmonen: - Gefahr eines Glottisödems (Atemnot) - Symptome: Temperaturerhöhung, Spontan- oder Druckschmerz, Rötung, Ödem, fortschreitende Nekrosebildung. Ausgangspunkt: erkrankte Zähne, Sinusitis, Tonsillitis - Therapie: großzügige Inzision und Drainage: Antibiotika-Therapie obligat
31. M a m m a c h i r u r g i e M. Probst
1. Entwicklung, Anatomie Entwicklung der Brust Weibliche Brustdrüse ab Pubertät (hormonelle Einwirkung) —> Zunahme von Milchgängen, Binde- und subkutanem Gewebe Anatomie Ausdehnung von der 3.-6. Rippe Brustdrüse liegt Muskelfaszien auf Klinische Einteilung in 4 Quadranten (s.Abb. 31-4) Blutversorgung: - A.thoracica interna - 2.-3.Aa.intercostales - A. thoracica lateralis Mamille: durch Äste aus dem Drüsenkörper Lymphabfluß und Lymphknotengruppen
Physiologische Veränderungen 1. in der Schwangerschaft Gewichtszunahme der Mamma (220 -> 400 g) 2. in der Menopause (bereits > 35. Lebensjahr beginnend) Involutionsvorgänge
Entwicklung: Die Brustdrüse entwickelt sich zur hochdifferenzierten Hautdrüse aus paarig angelegten verdickten Ektodermstreifen, die von der embryonalen Axilla bis zur Inguinalregion reichen. Im Gegensatz zu vielen Tierarten reifen nur die Anlagen in der Pektoralisregion aus. Die weibliche Brustdrüse zeigt ab der Pubertät unter Einwirkung von FSH und LH eine Vermehrung von Milchgängen, Binde- und subkutanem Fettgewebe. Die männliche Brustdrüse entwickelt sich nicht weiter, behält jedoch ihre Reaktionsfähigkeit auf hormonelle Einflüsse. Klinische Anatomie: Die ausgereifte Brustdrüse reicht von der 3.-6. Rippe sowie vom Brustbein bis zur vorderen Axillarlinie. Die Basis der Brustdrüse liegt den Faszien der Mm.pectoralis major und serratus lateralis auf. Der Drüsenkörper besteht aus 15-20 Drüsenlappen, deren Ausführungsgänge in der Brustwarze münden. Die Milchgänge sind von Bindegewebe umgeben, dazwischen ist Fettgewebe eingelagert. Die Mamma wird klinisch in 4 Quadranten und die Mamillenregion eingeteilt: oberer innerer und äußerer, unterer innerer und äußerer Quadrant. Blutversorgung: aus der 2. und 3.Aa.intercostales, A. thoracica interna, A. thoracica lateralis. Die Mamille wird durch Äste aus dem Drüsenkörper versorgt. Der Lymphabfluß nimmt 3 Hauptwege mit ca. 30 eingeschalteten Lymphknoten (Abb. 31-1): • axillär: Lymphgefäße am Unterrand des M.pectoralis major —» in axilläre Lymphknoten, hier Verbindung zur Fossa supraclavicularis, den zervikalen und subskapularen Lymphknoten. • interpektoral: netzartiger Lymphabfluß direkt in die axillären und infraklavikulären Lymphknoten. • parasternal: Lymphbahnen zu interkostalen und parasternalen Lymphknoten —> Verbindung zur kontralateralen Seite und zur V. subclavia, Verbindung auch zum subpektoralen und diaphragmalen Lymphsystem. Physiologische Veränderungen. Während der Schwangerschaft wachsen die Drüsenläppchen. - Histologie: Dilatation der Lobuli, kapillare Sprossung, Hypertrophie myoepithelialer Zellen. Gewichtszunahme von ca. 200 Gramm auf ca. 400 Gramm (reversibel!). In der Menopause (beginnend jenseits des 35. Lebensjahres) Involutionsvorgänge, das Drüsengewebe wird durch Fett und Fibrose ersetzt.
2. Entwicklungsvarianten, gutartige Mammaerkrankungen Fehlbildungen • Amastie • Aplasie « Athelie • Mikromastie • Polymastie (Polythelie) Erkrankungen • Mammae aberrantes (erhöhte maligne Entartung) • Makromastie: - echte Hypertrophie mit übermäßigem Wachstum aller Brustdrüsenbestandteile
• Fehlbildungen: angeborene Hemmungsfehlbildungen kommen als Amastie (vollständiges Fehlen der Brustdrüse), Aplasie (Mamillenanlage vorhanden, Drüsenkörper fehlt), Athelie (Drüsenkörper vorhanden, Mamille fehlt) vor. Mikromastie bezeichnet eine abnorme Kleinheit der Mamma (auch einseitig möglich!). Falls im Verlauf der Milchleisten m e h r e r e Mamillen oder Brustdrüsen entwickelt sind, spricht m a n von Polymastie. Versprengte Brustdrüsenanteile (Mammae aberrantes) werden gehäuft in der Axilla, aber auch in der Leiste, am Oberschenkel und am Rücken nachgewiesen. Diese haben eine erhöhte Potenz zur malignen Entartung. • Makromastie: Jede Größenzunahme der Brust über das altersentsprechende M a ß wird als Makromastie bezeichnet. 80 % treten während der Pubertät auf. Dabei werden das Fett- und Bindegewebe erheblich vermehrt, das Milchgangsystem proliferiert und wird weitgestellt. D e r Warzenhof ist
Entwicklungsvarianten, gutartige Mammaerkrankungen
Abb. 31-1: Lymphabflußwege der Mamma (modifiziert n. Siewert): 1 zentrale Lymphknotengruppe, 2 Lymphknoten um die V. axillaris, 3 subskapuläre L., 4 intrapektorale L., 5 subpektorale L., 6 L. der Apex axillae
343
Abb.31-2: Lokalisation von Mammaabszessen: 1 subkutan, 2 retromamillär, 3 submammär, 4 intramammär
vergrößert, die Mamille kann verstrichen sein. Die Patientinnen sind häufig psychisch und in ihrem Körpergefühl gestört. Häufig sind Wirbelsäulenfehlhaltungen oder ein Schulter-Arm-Syndrom zu beoachten. Die konservative Therapie mit synthetischen Androgenen oder Prolaktinhemmung kann eine weitere Größenzunahme meist hemmen, jedoch ist keine Reduktion zu erwarten. Hier ist eine Indikation zur plastisch-chirurgischen Korrektur zu sehen. • Mastoptose (Hängebrust): Bei der hypertrophen Form (Therapie: Reduktionsplastik), bedingt durch das Gewicht der Brust, bei der atrophen Form (Therapie: Augmentationsplastik, Prothese), bedingt durch mangelhafte Anlage der bindegeweblichen Befestigung oder Entwicklung des Drüsenkörpers. • Gynäkomastie ist die Vermehrung des Drüsenkörpergewebes einseitig oder symmetrisch beim Mann (Überwiegen von Östrogenen gegenüber Testosteron). Eine Gynäkomastie findet sich gehäuft im Adoleszenten- und höheren Lebensalter. Ursachen können sein: Klinefelter-Syndrom, Lebererkrankungen, hormonaktive Tumoren (Hoden, Prostata, NNR), Medikamente (Östrogene, Spironolaktone, Digitalis, Meprobamat). Therapie: bei akuten Spannungs- oder Berührungsschmerzen: Salbenverband; subkutane Mastektomie.
Indikation für Reduktionsplastik: psychische Belastung Schulter-Arm-Syndrom kosmetische Gesichtspunkte
• Mastoptose - Reduktionsplastik bei hypertropher Form - Augmentationsplastik bei atropher Form • Gynäkomastie: Vermehrung des Drüsengewebes der männlichen Brust - Ursache: Lebererkrankung, hormonaktive Hoden - Prostata-, NNR Tumoren, Hormongaben Therapie: subkutane Mastektomie
2.1 Entzündungen
Entzündungen: akute Mastitits
Die akute Mastitis tritt in 2 Formen auf: puerperale und nonpuerperale Mastitis. • Die puerperale Mastitis ist eine akute Erkrankung der Wöchnerinnen. Die Häufigkeit liegt unter 1 %. Meist wird sie durch fehlerhaftes Stillen und mangelnde Hygiene verursacht. Über Hautläsionen gelangen pathogene Keime in die Lymphspalten (interstitielle Mastitits) oder in die Milchgänge (parenchymatöse Mastitis). Durch Milchstau kann die parenchymatöse Form rasch progredient sein. Der häufigste Erreger ist mit mehr als 90% Staphylococcus aureus, auch: Pseudomonas aeruginosa, E.coli, Proteus mirabilis (Schmierinfektion!, Hygiene!). Symptome: Meist einseitige Entzündung der Mamma mit Rötung, Schmerzen und Infiltration. Temperaturen > 38 °C. Therapie: Kühlung und Hochbinden der erkrankten Brust. Reduktion der Milchproduktion durch Prolaktinhemmung mit Bromocriptin-Präparaten (Pravidel®), 3 Tage 2-3 x 2,5 mg täglich, dann für weitere elf Tage 2 x 2,5 mg/die. Antibiotika sind indiziert, wenn die Symptomatik nicht bin-
2 Formen: 1. puerperale Mastitis - Erkrankung der Wöchnerin - entsteht durch Milchstau - Staphylokokkeninfektion Hygiene!
• • -
Symptome starke Schmerzen Fieber Rötung Therapie: Hochbinden der Brust Reduktion der Milchproduktion durch Prolaktinhemmung
344
31. Mammachirurgie
- Antibiotika, Inzision bei Abszeß 2. nonpuerperale Mastitis: • abakterielle Form, entsteht durch Sekretretention
bakterielle Form, häufig tiefliegende Abszesse, dann DD: Fibroadenom, Karzinom - » Op.-Indikation
nen 24 Stunden deutlich rückläufig ist. Eine chirurgische Intervention erfolgt bei Abszeß. • Die nonpuerperale Mastitis umfaßt alle Entzündungen der Mamma außerhalb der Laktationsphase. Es werden abakterielle und bakterielle Formen unterschieden. Ursache für die abakterielle Mastitis ist meist eine Sekretretention, die durch Übertritt des Sekretes in das umgebende Gewebe zu einer Entzündungsreaktion führt. Die bakterielle Form weist eine unterschiedliche Lokalisation auf (Abb. 312). Abszedierungen sind häufig. Erreger: In 40 % wird Staphylococcus aureus gefunden. Der Infektionsweg ist kanalikulär und wird durch Mamillensekretion begünstigt, selten Tbc. Tiefliegende Abszesse treten manchmal nicht mit den typischen Entzündungszeichen auf, dann müssen differentialdiagnostisch ein Fibroadenom oder Karzinom erwogen werden absolute Indikation zur operativen Entfernung.
Therapie • Abszeßeröffnung • Hochbinden der Brust, Kühlung, Prolaktinhemmung • Antibiotika
Therapie: Bei Abszessen Inzision und Gegeninzision, evtl. BardenheuerSchnitt. Akute, nicht abszedierte Entzündungen können durch Hochbinden, lokale Kühlung und medikamentöse Prolaktinhemmung sowie Antibiotika behandelt werden. Die nonpuerperale Mastitis neigt zu Rezidiven und Fisteln.
Gutartige Tumorer»
2.2 Gutartige und potentiell maligne Tumoren
1. Fibroadenome: - häufigste Knotenerkrankung der Brust im Alter v o n 16 bis 25 Jahren
Fibroadenome: Häufigste Knotenerkrankung der Brust im Alter von 1625 Jahren. Man unterscheidet 2 Wachstumsformen, intra- und perikanalikulär. In 10 % der Fälle können sie multipel auftreten. Nach der Menopause sind sie seltener zu beobachten, dann im Rahmen einer Mastopathia fibrosa et cystica. 2 Formen sind bekannt: • Riesenadenom mit 2 Erkrankungsgipfeln, um das 16. und zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr • Phylloides-Tumor, oft fälschlich als Cystosarkoma phylloides bezeichnet, was die maligne Potenz überbewertet.
• Riesenadenom • Phylloides-Tumor - benigne Form, aber (selten) maligne Entartung
Neben der benignen Form finden sich histologisch gelegentlich Kriterien malignen Wachstums, auch ist dann eine Metastasierung möglich!
Therapie: • Riesenadenome und Phylloides-Tumoren müssen operativ entfernt werden • gesicherte Fibroadenome vor dem 25. Lebensjahr werden nicht operiert, später Op. empfehlenswert 2. Zysten: - Diagnose durch Sonographie - Punktionsbehandlung plus zytologische Untersuchung
Therapie: Nach dem 25. Lebensjahr ist die Entfernung erforderlich. Riesenadenome und Phylloides-Tumoren sollten operiert werden. Zysten: 7 % aller Frauen entwickeln Zysten von klinisch relevanter Größe in der Brust. Die Entstehung von Zysten ist ungeklärt. Die Diagnose wird mit Ultraschall (Abb. 31-3) gestellt. Wurden früher die Zysten chirurgisch entfernt, lautet heute die Empfehlung, sie durch Punktion zu entleeren, verbleibt tastbares knotiges Gewebe, sollte dies durch Feinnadelaspiration oder Resektion histologisch geklärt werden.
Abb.31-3: Sonographie: Zyste Mamma
in der rechten
Seltene Tumoren: Milchgangpapillom (Symptom: Blutung aus der Mamille), multiple Papillome, Lipom, Neurofibrom, Leiomyom, H ä m a n g i o m .
A b b . 31-4: Klinische Einteilung der M a m m a in 4 Quadranten und Häufigkeit der Karzinomlokalisationen
345
Mammakarzinom Potentiell maligne Erkrankungen der Brust. Die fibrozystische fibröse Mastopathie ist mit 30-50 % der Erkrankungen die häufigste Brustveränderung von Frauen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. Symptome sind der Brustschmerz, Spannungsgefühl sowie Knoten- und Zystenentwicklung. Da histologisch proliferative und involutive Veränderungen nebeneinander gefunden werden, die von Parenchymhyperplasie mit und ohne Epithelproliferation bis zum Nachweis gehäufter Atypien (= Carcinoma in situ) reichen, hat die WHO den sehr unpräzisen Begriff „Mamma Dysplasie" in ihre Nomenklatur aufgenommen.
In 90 % der Fälle sind die Veränderungen sicher gutartig, in 5 % sind fakultative Präkanzerosen oder bereits ein Carcinoma in situ vorhanden. Entartungsrisiko von Veränderungen in der Brust: • gering erhöhtes Risiko (1,5-2 x): mäßig bis ausgeprägte Hyperplasie, Papillome • mäßig erhöhtes Risiko (4-5 x): Atypien mit duktaler und lobulärer Hyperplasie • stark erhöhtes Risiko (8-10 x): duktales und lobuläres Carcinoma in situ Praxishinweis: Aus dem verwirrenden Sprachgebrauch (Hyperplasie, Atypie, Adenose, Epitheliose, Papillomatose) sind die Hyperplasie, also die drei- oder mehrlagige Zellenanordnung, und die Atypie, das Vorhandensein von Zellveränderungen in Form, Nachbarschaft und Erscheinungsbild des Nukleus, für die Charakterisierung entscheidend.
Mastopathia fibrosa cystica • 30-50% aller Brustveränderungen von Frauen zwischen 35. und 45. Lebensjahr • Symptome - Knoten - Zysten - Spannung - Schmerz • „Mammadysplasie" Unpräziser Begriff 90% benigne, in 5% fakultative Präkanzerosen Entartungsrisiko
Man unterscheidet 2 Formen des Carcinoma in situ (CIS): • duktales Carcinoma in situ: präinvasive maligne Zellproliferation ohne Infiltration der Basalmembran. Mammographisch ist es am Mikrokalk zu erkennen. Abhängig von der Ausdehnung muß, nach lokaler Exzision, mit einer Latenz von 10-15 Jahren mit einem invasiven duktalen Karzinom gerechnet werden. • lobuläres Carcinoma in situ: Zellproliferation ohne interstitielle Räume und Ausdehnung über die Kontur eines lobulären Azinus hinaus. Das Risiko, in ein invasives Karzinom überzugehen, ist mit 25 % in 20 Jahren, nach Biopsie, geringer als beim duktalen Carcinoma in situ. Das lobuläre CIS tritt auch prämenopausal auf. Zu beachten sind die Multizentrizität (in 70 %) und das bilaterale Auftreten (in 20 %).
Carcinoma in situ (CIS) 2 Formen 1. duktales CIS: • Zellproliferation ohne Infiltration der Basalmembran
3. Mammakarzinom
Mammakarzinom
Epidemiologie. Das Mammakarzinom ist neben dem kolorektalen Karzinom und neuerdings dem Bronchialkarzinon das häufigste Karzinom der Frau: 22 % aller Karzinome sind Mammakarzinome. In den Altersgruppen bis 70 Jahre ist bei 7 % der Frauen mit einem Karzinom zu rechnen (Prävalenz). Vor dem 20. Lebensjahr sind Mammakarzinome selten, Erkrankungsgipfel liegen zwischen dem 45. und 50. sowie dem 60. und 65. Lebensjahr. Bei tastbaren Tumoren handelt es sich prämenopausal in 30%, postmenopausal in 90% um ein Karzinom. Lokalisation (Abb. 31-4). Die Ätiologie des Mammakarzinom ist weitgehend ungeklärt, gesichert ist der fördernde Einfluß von Östrogenen auf das Wachstum. Die Risikofaktoren sind in 3 Gruppen zu unterteilen: genetisch, endokrin, Umwelt.
• häufigstes Karzinom der Frau! • Erkrankungsgipfel zwischen 45. und 50. sowie 60. und 65. Lebensjahr • Prävalenz bis 70. Lebensjahr - > 7 % • Lokalisation (Abb. 31-4) • Ätiologie - unbekannt - fördernder Einfluß von Östrogenen (Medikation!) auf das Wachstum (?) • Risikofaktoren: - genetisch - endokrin - Umwelt
Hauptfaktoren: weibliches Geschlecht (100 x häufiger bei der Frau als beim Manne), Alter, frühere Brustkrebserkrankung, familiäre Belastung, keine Geburten, gutartige Brusterkrankung daneben: frühe Menarche, späte Menopause, Bestrahlungsbehandlung, Körpergewicht (höheres Alter) Umstritten: Alkohol, Diät (Cholesterinzufuhr), hormonelle Kontrazeptiva und hormonelle Ersatztherapie
2. lobuläres CIS: • Zellproliferation nicht über einen lobulären Azinus hinaus • Multizentrizität 70% • bilaterales Auftreten 20%
346
31. Mammachirurgie
Einteilung der Karzinome
3.1 Einteilung der Karzinome, Stadien, Metastasierung
• duktale Karzinome -» 80% • lobuläre Karzinome 5-10% (häufig bilaterales Auftreten) - inflammatorisches Karzinom: hochmaligne - adenoid-zystisches Karzinom: sehr selten, gute Prognose - muzinöses Karzinom: gute Prognose - tubuläres Karzinom: selten, kaum Metastasierung - papilläres Karzinom: selten, kaum Metastasierung 1. Invasives duktales Karzinom • solides Ca. • papilläres + kribriformes Ca. - Komedokarzinom • Morbus Paget - schuppende Hautveränderungen der Mamillenregion - intraepidermales Tumorwachstum - zu 80% Milchgangkarzinom - beim tastbaren Tumor 50% Metasta sen 2. Invasives lobuläres Karzinom - 5 Gruppen - häufig bilateral
Am häufigsten sind die duktalen (80 %) und lobulären Karzinome (5-10 %).
Stadieneinteilung nach TNM-Klassifikation
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• Cancer en cuirasse Metastasierung: • lymphogen - 1., 2., 3. Lymphknotenstation Pektoralisrand, Axilla, unter dem M.pectoralis minor - Bei großen Tumoren in 30-40% Beteiligung der Lymphknoten entlang der A. mammaria int.
Erheblich seltener treten auf: das inflammatorische Karzinom, als hochmalignes infiltrativ wachsendes solides Karzinom mit lymphangischer Tumorausbreitung, das adenoid-zystische Karzinom (sehr selten, gute Prognose), das muzinöse Karzinom (reichliche Schleimbildung, gute Prognose), das tubuläre und das papilläre Karzinom (selten, kaum Metastasierung, gute Prognose).
• Invasives duktales Karzinom. Histologisch werden folgende Wachstumsformen unterschieden: das solide Karzinom mit soliden Tumorzellverbänden und geringem Bindegewebeanteil, das Komedokarzinom mit zentraler Nekrose, das - deskriptiv - papilläre und kribriforme Karzinom und verschiedene Differenzierungen, die nach ihren Zellanteilen (tubulär, muzinös, medullär) klassifiziert werden. Sonderform: Morbus Paget - schuppendes „Ekzem" der Mamillenregion durch intraepidermales Tumorwachstum, in der Histologie zu 80% ein Milchgangskarzinom; ist ein Tumor palpabel, muß zu 50 % mit einer Metastasierung gerechnet werden. • Invasives lobuläres Karzinom - hier werden mehrere Untergruppen nach den Wachstumsformen unterschieden: klassisch (mit den Untergruppen solide, alveolar, Mischtyp) und pleomorph. Es besteht eine Tendenz zu bilateralem Auftreten, die pleomorphe Variante hat eine deutlich schlechtere Prognose als die anderen Formen. Die Stadieneinteilung erfolgt heute nach der aktuellen TNM-Klassifikation: (UICC = Union Internationale Contre le Cancer, 1990): T T, s T0 T, Tla
= Primärtumor = präinvasives Karzinom (CIS, M. Paget der Mamille) = kein Anhalt für Primärtumor = Tumorgröße bis 2 cm = Tumordurchmesser < 0,5 cm, T l b = > 0,5 cm, aber < 1 cm, T l c = > 1 cm, aber < 2 cm T 2 = Tumorgröße 2-5 cm T 3 = Tumorgröße > 5 cm T 4 = Tumor jeder Größe mit Infiltration von Brustwand oder Haut T 4a = mit Ausdehnung auf die Brustwand, T ^ = mit Ödem, Ulzeration der Haut oder Metastasen der Haut ipsilateral, T ^ = Kriterien 4a und 4b gemeinsam, T ^ = inflammatorisches Karzinom N = regionäre Lymphknoten N 0 = keine, N, = bewegliche ipsilaterale axilläre Lymphknoten, N 2 = ipsilaterale fixierte axilläre Lymphknoten, N 3 = ipsilaterale infra- oder supraklavikuläre Lymphknoten oder Lymphödem des Armes M = Fernmetastasen, M 0 = keine Fernmetastasen nachweisbar, M, = Fernmetastasen vorhanden. Die pathologische Klassifikation am entnommenen Gewebe wird als pTNM bezeichnet.
Fortschreitende Tumoren infiltrieren frühzeitig Binde- und Fettgewebe, später die Pektoralismuskulatur und die Thoraxwand. Als extreme Wachstumsform findet sich der Cancer en cuirasse (Panzerkrebs), eine panzerartige Einmauerung des Thorax. Lymphogene Metastasierung: Entsprechend dem häufigsten Sitz der Karzinome im oberen äußeren Quadranten erfolgt die lymphogene Metastasierung überwiegend in die axillären Lymphknoten (s. Abb. 31-1), weiter über die Lymphknoten an den Mm. pectoralis major et minor (2. und 3. Lymphknotenstation) zur Thoraxapertur. Bei großen Tumoren in fortgeschrittenen Stadien sind zu 30-45 % die Lymphknoten entlang der A. mammaria interna beteiligt. - Abhängig von der Tumorgröße ist mit einer lymphogenen Metastasierung zu rechnen: bei weniger als 2 cm Tumordurchmesser in 20 %, bei 2-5 cm in ca. 35 % und bei Tumoren größer als 5 cm in 50 %.
Mammakarzinom Hämatogene Metastasierung: Prädilektionsstellen sind die Knochen (70 %), Lungen (60 %) und die Leber (50 %). Seltene Metastasierungsorte sind: Ovarien, Haut, Gehirn und Nebennieren.
Multizentrizität. Ein Phänomen des Mammakarzinoms ist das primär multizentrische Auftreten, das als Tumornachweis in einem anderen Quadranten als der Primärtumor definiert wird. Nach Studien ist in ca. 45 % mit einem multizentrischen Auftreten zu rechnen, knapp die Hälfte dieser Tumoren ist mehr als 2 cm, ca. 10 % sind mehr als 4 cm vom Primärtumor entfernt.
347 • hämatogen selten: Ovarien, Haut, Gehirn, Nebennieren Multizentrisches Wachstum Karzinome in mehreren Quadranten
Zu unterscheiden ist die Multizentrizität vom multifokalen Wachstum, wie die simultane Tumorentstehung in einem Quadranten genannt wird.
Multifokales Wachstum -> simultane Karzinomknoten in einem Quadranten
3.2 Symptome und Diagnostik
Klinik u n d Diagnostik
Klinik. Typischer Befund ist der tastbare, derbe Knoten, der je nach Tumorsitz die Mamille oder die darüberliegende Haut einziehen kann (Abb. 315). Die Hauteinziehung wird als Orangenhaut (peau d'orange) beschrieben. Bei fortschreitendem Wachstum kann ein Karzinomulkus entstehen und der Tumor die gesamte Brust durchsetzen (Abb. 31-6). Beim Cancer en cuirasse sind alle Schichten, auch das Corium infiltriert. Die Variation des Tumorwachstums ist sehr groß; kleine, oder nicht palpable Karzinome mit ausgedehnter Metastasierung treten ebenso auf wie große, lokal expansiv wachsende ohne Metastasen.
• derber Knoten, Hautveränderung, peau d'orange Knoten auch in der Axilla, Einziehung der Haut und der Mamille
Vorsorgeuntersuchung. Frauen sollten jenseits des 45. Lebensjahres jährlich untersucht, Risikogruppen in kürzeren Abständen überwacht werden. Bei Screening-Untersuchungen, klinisch und mammographisch, werden bei 1 2%o positive Befunde registriert, die zu 80% bereits klinisch nachweisbar sind. Die Selbstuntersuchung zählt, nach Schulung der Frauen, zu den wichtigsten Maßnahmen der Vorsorge, Palpation und Betrachtung vor dem Spiegel sollten eine Selbstverständlichkeit sein. Durch klinische Untersuchung lassen sich ca. 80 % aller Mammaveränderungen erfassen:
• Vorsorgeuntersuchung - ab 45. Lebensjahr jährlich, 1-2%o positive Befunde - Risikogruppen in kürzeren Abständen untersuchen!
Die Anamnese gibt Auskunft vor allem über Veränderungen der Mammae und Risikofaktoren: • Brustschmerz —» Lokalisation, Zeitpunkt der Entdeckung eines Knotens, ggf. dessen Entwicklung • Veränderungen in der Axilla, Sekretion aus der Mamille - wann? Art des Sekretes • letzte Menses, Kontrazeptiva, Schwangerschaften, Geburt - Alter bei 1. Schwangerschaft, Dauer der Stillzeit • Brusterkrankungen in der Ahnenreihe, frühere eigene Erkrankungen, Mammographien
• Selbstuntersuchung -> wichtige Maßnahme 80% aller Mammaveränderungen sind klinisch zu erfassen: • Anamnese
Abb. 31-5: Typischer Karzinombefund in der linken Brustdrüse mit Einziehung der Haut und der Mamille (->) Abb. 31-6: Weit fortgeschrittenes Mammakarzinom mit Exulzeration im äußeren oberen Quadranten der rechten Mamma
348
31. Mammachirurgie
• Inspektion und Palpation
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Apparative Diagnostik
Bei Inspektion und Palpation ist besonders zu achten auf: • Größe, Form, Symmetrie der Brüste, Hautbeschaffenheit (peau d'orange) • Knoten, deren Konsistenz, Beweglichkeit gegenüber der Haut • Hautveränderungen, Ödem, Entzündung, Veränderungen der Mamille, Einziehung? Vergleich zur Gegenseite • Lymphknotenstatus, Lokalisation, einzeln? Paket?, Dokumentation der Befunde, Quadrantenzuordnung 3.2.1 Apparative und bioptische Diagnostik 3.2.1.1 Apparative Untersuchungsverfahren
1. Mammographie immer in 2 Ebenen, Treffsicherheit ca. 95%
Mammographische Karzinomkriterien: „gruppierter" Mikrokalk unrunde Knoten mit strahliger Oberfläche Dichteunterschiede im Vergleich zur Gegenseite Veränderungen gegenüber Voruntersuchungen
Mammographie: Radiologisches Verfahren, das immer beide Mammae in mediolateralem und kraniokaudalem Strahlengang untersucht. Durch Rastertechnik und spezielles Filmmaterial konnte bei modernen Geräten die Strahlenbelastung deutlich gesenkt werden. Maligne Veränderungen in der Mamma können mit einer Treffsicherheit von ca. 95 % erfaßt werden. Die Indikation zur Mammographie ist bei jeder Auffälligkeit in der Brust gegeben, darüber hinaus im Rahmen der Vorsorge und Nachsorge nach Operationen. Mammographische Kriterien für ein Karzinom sind: Ansammlungen von Mikrokalzifikationen („gruppierter" Mikrokalk), unrunde Knoten mit strahliger Oberfläche (Abb. 31-7), Dichteunterschiede im Vergleich zur Gegenseite, besonders —> Mastopathie, Veränderungen gegenüber Voruntersuchungen. Verkalkungen in der Mamma sind ein häufiger mammographischer Befund. Sie finden sich entlang der Blutgefäße, der Drüsengänge und in den Lobuli sowie in Fibroadenomen. Eine lineare Anordnung des Mikrokalks oder der singulare Nachweis sind meist unverdächtig, suspekt ist die konzentrierte Anordnung, möglicherweise in einer knotigen Struktur.
Markierung verdächtiger Befunde mit einem Widerhakendraht, dann Mammographie
Praxishinweis: Findet sich mammographisch ein verdächtiger Befund, der zum Beispiel bei voluminöser Brust kein klinisches Korrelat hat, kann dieses Areal mit einem sehr dünnen Draht, der einen Widerhaken hat, mammographisch markiert werden. Eine Kontrollaufnahme des entnommenen Gewebes kann die Entnahme des richtigen Areals bestätigen.
2. Sonographie • Differenzierung zwischen soliden und zystischen Knoten, gleichzeitig gesteuerte Punktion und zytologische Untersuchung
Die Sonographie ist eine Ergänzung zur Mammographie. Sie erlaubt die Differenzierung solider und zystischer Tumoren, die mammographisch unauffällig sind. Zysten können sonographisch gesteuert punktiert werden. Bleibt nach der Punktion kein tastbarer Knoten zurück und ist die zytologische Untersuchung (Papanicolaou) unverdächtig, kann auf die operative Entfernung verzichtet werden, eine Kontrolluntersuchung ist obligat.
Abb.31-7: Mammographie mit unscharf begrenzter Knotenbildung in der rechten Brust. Histologie: Mammakarzinom
Mammakarzinom
Image No:
52-72 956/95
iniige (fcpge: Abb. 31-8: a. MRT der Mamma. Durch Anfärbung mit einem spezifischen Kontrastmittel stellt sich ein Karzinomknoten in der rechten Brustdrüse dar, b. Die Kinetik der Anfärbung des Tumors läßt zwischen benignem und malignem Tumor unterscheiden
Aspirationszytologie: zu berücksichtigen ist eine falsch negative Befundung wegen Fehlpunktion (20 %). Auch sollte eine Punktion niemals ohne gleichzeitige Mammographie durchgeführt werden. Galaktographie: Darstellung der Milchgänge mit Rö.-Kontrastmittel von der Mamille aus. Die Untersuchung ist bei rezidivierender oder blutiger Sekretion aus der Mamille indiziert, immer in Kombination mit einer Mammographie. In 8 % der Fälle ist ein Malignom Ursache für die Sekretion. M R T : Durch Entwicklung einer speziellen Untersuchungsmethode ist die Kernspintomographie zu einem wichtigen diagnostischen Hilfsmittel geworden, insbesondere, da keine Strahlenbelastung entsteht. Neben einer Nativuntersuchung wird, nach Gabe eines Kontrastmittels, das Färbeverhalten von suspekten Knoten geprüft. Eine Darstellung in Kurvenform, die die Schnelligkeit der Kontrastmittelaufnahme (enhancement) zeigt, erlaubt die Differenzierung von benignen und malignen Befunden (Sensitivität > 95 %, Abb. 31-8).
• Aspirationszytologie - durch Fehlpunktion 20%) falsch negativer Befund möglich. Deshalb immer in Kombination mit Mammographie durchführen! 3. Galaktographie • Milchgangdiagnostik bei rezidivierender, besonders bei blutiger Sekretion indiziert in 8% Karzinome als Ursache 4. Kernspintomographie • Treffsicherheit > 9 5 % • Kontrastmittelkinetik erlaubt Differenzierung benigne-maligne
Andere Untersuchungsverfahren wie Xeroradiographie oder Thermographie wurden verlassen, da ihre Aussage weniger spezifisch war als die der genannten Methoden. Im Falle eines Rezidivs können noch die CT und nuklearmedizinische Verfahren eingesetzt werden.
5. Weitere Untersuchungsverfahren • Xeroradiographie und Thermographie heute weitgehend verlassen • CTund nuklearmedizinische Diagnostik (Knochenmetastasen) beim Rezidiv
3.2.1.2 Biopsie
Bioptische Diagnostik
Die Indikation zur Gewebeentnahme ist bei klinischem oder mammographischem Verdacht gegeben. Oftmals ist die psychische Belastung der Patientinnen ausschlaggebend. Die Probeentnahme soll so erfolgen, daß bei gutartigem Befund eine nicht oder nur wenig sichtbare Narbe verbleibt und bei positivem Tumornachweis die Inzision in die Schnittführung der erweiterten Operation einbezogen werden kann. Als Schnittführungen haben sich bewährt (Abb. 31-9): der transareoläre Schnitt, vorteilhaft für retromamillär gelegene Veränderungen, der Mamillenrandschnitt, der, kosmetisch günstig, den Zugang zu fast allen Anteilen des Drüsenkörpers erlaubt. Der konzentrische Schnitt, da in Hautspaltenrichtung, geeignet für Tumorexzisionen mit Hautanteilen. Der radiäre Schnitt sollte nicht mehr, allenfalls in den unteren 2 Quadranten verwendet
Indikation bei klinisch oder mammographischem Verdacht, auch aus psychischen Gründen bei Patientinnen, die den Knotenbefund kennen
• Schnittführungen zur Biopsie - besonders günstig: Mamillenrandschnitt - Schnitt so legen, daß er bei notwendiger Erweiterung der Operation genutzt werden kann
350
31. Mammachirurgie
Abb. 31-9: Schnittführungen bei der Tumorexstirpation an der Mamma: 1 transmamillär, 2 periareolär, 3 radiär, 4 konzentrisch, 5 submammär, 6 nach Patey
Abb.31-10: Operationsverfahren beim Mammakarzinom: a. Einfache Mastektomie: querovale Schnittführung, Ausräumung des gesamten Drüsenkörpers und axilläre diagnostische Lymphknotendissektion, b. Erweiterte Mastektomie n. Patey: Wegnahme der gesamten Mamma mit Hautmantel, diagnostische axilläre Lymphknotendissektion, c. Ablatio mammae n. Rotter-Halsted, bzw. erweiterte radikale Mastektomie: Entfernung der gesamten Brustdrüse mit Hautmantel und Mm.pectorales major et minor, ausgedehnte Axillaausräumung (heute nur noch indiziert bei Karzinomen, die den Brustmuskel infiltrieren)
Tumor immer in toto entfernen mit einem 1 cm Saum normalen Gewebes (s. Abb. 31-9) histologische Untersuchung ist obligat, am besten als Schnellschnitt.
werden, hinterläßt oft kosmetisch ungünstige Narben. Der submammäre Schnitt (Bardenheuer), breiter Zugang zu brustwandnahen Veränderungen, ist kosmetisch günstig. Bei subkutan gelegenem Tumor muß ein ovaläres Hautareal über dem Tumor mit entfernt werden. Der Tumor sollte in toto mit einem 1 cm breiten Saum gesunden Gewebes entnommen werden. Ein Anschneiden des Tumors ist zu vermeiden! Die histologische Schnellschnittuntersuchung des Gewebes mit der Möglichkeit der Erweiterung des Eingriffs in gleicher Narkose ist Standard.
Wird bei positivem Befund nicht sofort die Radikaloperation ausgeführt, kann dies innerhalb von 4 Tagen ohne Gefahr einer zwischenzeitlichen Tumorzelldissemination erfolgen • Komplikationen Bei voluminöser Brust ist der Knoten schwierig aufzufinden. Hier ist die Röntgenuntersuchung des Operationspräparates hilfreich!
Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, kann, ohne die Gefahr einer lokalen Tumorzellaussaat, auch innerhalb von 4(-7) Tagen ein zweiter Eingriff erfolgen. Dieses zweizeitige Vorgehen ist jedoch mit einer wesentlich höheren psychischen Belastung verbunden.
Komplikationen. Intraoperativ kann es schwierig sein, den diagnostizierten Knoten aufzufinden, speziell bei voluminöser oder diffus mastopathisch veränderter Brust. Hier kann die neuerliche Röntgenuntersuchung des Präparates hilfreich sein. Die Entnahme größerer Gewebebezirke hinterläßt eine Höhle, die mit einer Saugdrainage versehen werden sollte, damit kein Hämatom als Wegbereiter eines Infektes entsteht.
3.3 Therapie Chirurgische Therapie
3.3.1 Chirurgische Therapie
• Mammakarzinom —> Systemerkrankung (?) supraradikale Operationen sind deshalb verlassen
Die chirurgische Therapie des Mammakarzinom hat sich gewandelt. War früher das primäre Ziel der Operation die möglichst radikale Entfernung des Tumors, so hat die zunehmende Kenntnis der Tumorbiologie dazu geführt, das Karzinom als eine Systemerkrankung aufzufassen, die durch lokale chirurgische Maßnahmen nicht zu beherrschen ist (Fisher-Theorem). Entsprechend wurden die supraradikalen Operationen, z. B. mit Eröffnung des Thorax zur Lymphadenektomie, aufgegeben, da sie keinen Vorteil bezüglich des Überlebens erbracht haben. Chirurgische Verfahren sind: • Tumorexstirpation (s. Biopsie): gleiches Vorgehen wie bei der Biopsie —> Entfernung des Tumors mit einem 1 cm breiten Saum gesunden Gewebes.
1. Tumorexstirpation -» Biopsie
Mammakarzinom Bei sicheren Fibroadenomen ist die alleinige Tumorausschälung ausreichend. • Quadrantenresektion: bei Verdacht auf diffuse Veränderungen in einem Quadranten; bei Malignomen ist das Vorgehen abhängig von der Relation Tumorgröße zur Größe der Brust. Heute Therapie der Wahl bei Tumorgröße T].2, obligat ist die Dissektion der axillären Lymphknoten zum Tumorstaging und zur Festlegung der weiteren Therapie. Die Methode wurde als QUART-Methode (= Quadrantenresektion, Axillaravision, Radiotherapie) von Veronesi beschrieben. Das Vorgehen beinhaltet die Bestrahlungsbehandlung. • Subkutane Mastektomie bei disseminierten Veränderungen, im Extremfall auch beidseitig: Mastopathie mit Proliferation und Atypien, multiple, diffuse duktale Papillome, Carcinoma lobulare in situ (CLIS), Gynäkomastie. Technik. Abhängig von der Größe der Brust und der Relation zum Drüsenkörper wird die Inzision gewählt. Zumeist ist ein Mamillenrandschnitt ausreichend. Bei sehr großer Brust oder beidseitiger Operation ist der submammäre Schnitt geeignet, da er auch kosmetisch günstig ist. Möglichst vollständige Entfernung des Brustdrüsenkörpers. • Mastektomie (Abb. 31-10): bei CLIS und fortgeschrittenen Karzinomen oder Metastasierung als Palliativmaßnahme (sog. kunstlose Absetzung). Technisch wird die Operation von einem querovalen Schnitt aus vorgenommen, der Drüsenkörper bis zur Pektoralisfaszie reseziert. Ziel der Operation ist die Vermeidung lokaler Tumorkomplikationen. • Erweiterte Mastektomie (nach Patey): Standardoperation für alle Tumoren, die nicht durch eine Tumorentfernung oder Quadrantenresektion behandelt werden können. Die Operationsmethode beschreibt die vollständige Entfernung des Drüsenkörpers sowie die Axilladissektion bis zur V. axillaris. Die Schnittführung ist queroval, aus kosmetischen Gründen, und erlaubt eine en bloc Resektion von Drüsenkörper und axillärem Fettkörper. Wichtig ist die Ausräumung der Lymphknoten der 2. und 3. Station, also bis unter den M.pectoralis minor. Die kranial der V. axillaris gelegenen Lymphknoten werden zur Vermeidung eines Lymphödem des Armes belassen. Zu achten ist auch auf die Schonung der Nn. thoraco dorsalis et thoracicus longus (Scapula alata!). Komplikationen: Nachblutung aus der großflächigen Wunde, Lymphödem oder -zysten (Infektionsgefahr). Unter strikter Beachtung der Leitstrukturen kann das früher sehr gefürchtete, weil entstellende und funktionell behindernde, Lymphödem des Armes vermieden werden. Seltene Komplikation eines chronischen Lymphödems ist die Entwicklung eines anaplastischen Sarkoms —> Steweart-Treves-Syndrom. • Erweitert radikale Mastektomie (Rotter-Halsted): Dieses Vorgehen ist heute für Tumoren reserviert, die die Pektoralismuskulatur infiltrieren und damit ein lokal radikaleres Vorgehen erforderlich machen mit Resektion der Mm. pectoralis major und minor. Es resultiert oft eine Veränderung der Schulterhaltung und -kontur, damit eine Entstellung. • Supraradikales Vorgehen: Die Operationsmethoden sind, da sie keine Verbesserung der Lebenserwartung gebracht haben, verlassen worden. Teilweise waren neben dem lokal radikalen Vorgehen eine Lymphadenektomie entlang der A. mammaria interna des Zwerchfells und abdominell empfohlen worden. Axilläre Lymphknotendissektion: Der Tumorbefall axillärer Lymphknoten ist der wichtigste prognostische Parameter, außerdem Tumorgröße, Grading, Hormonrezeptorstatus sowie Alter, Menopause, Gefäßeinbrüche. Während eine singulare Mikrometastase in einem Lymphknoten die Prognose noch nicht beeinflußt, ist für eine weitere prognostische Aussage und die Therapieplanung die Relation von befallenen zu entfernten Lymph-
351
2. Quadrantenresektion - heute Therapie der Wahl bei T,_2 Tumoren - QUART-Methode, obligate Nachbestrahlung 3. subkutane Mastektomie Operation bei disseminierten Veränderungen, auch beidseitig • Mastopathie mit Proliferationen und Atypien • multiple duktale Adenome • Carcinoma lobulare in situ (CLIS) • Gynäkomastie • Technik: Mamillenrand-oder Bardenheuer-Schnitt, möglichst vollständige Entfernung des Brustdrüsenkörpers. Bei Ptose aus kosmetischen Gründen Hautmantelresektion 4. Mastektomie Indikation: - bei fortgeschrittenem Mammakarzinom - CLIS 5. Erweiterte Mastektomie: (nach Patey) Operation für alle Tumoren, die nicht durch Quadrantenresektion beseitigt werden können - Querovaler Schnitt, komplette Entfernung des Brustdrüsenkörpers mit Hautsegment bis auf die Pektoralisfaszie, Axilladissektion bis auf die Vene, Ausräumung der 2. und 3. Lymphknotenstation (bis unter den M. pectoralis min.) Nervenschonung! • •
Komplikationen: Hämatom Lymphödem des Armes Komplikationen: chronisches Lymphödem —> Stewart-Treves-Syndrom = anaplastisches Sarkom
6. Erweitert radikale Mastektomie: frühere Standardoperation, mit Entfernung des M. pectoralis, keine Verbesserung der Überlebensrate, kosmetisch entstellend. Nur indiziert, wenn der M. pectoralis infiltriert ist 7. Supraradikale Eingrife: lokal radikales Vorgehen zugleich mit Lymphadenektomie entlang der A. mammaria int. und des Zwerchfells. Keine Überlebensverbesserung, heute weitgehend verlassen 8. Axilläre Lymphknotendissektion • wichtigstes Prognosekriterium bei Befall
352
31. Mammachirurgie Forderung: 12-14 der ca. 30 Lymphknoten entfernen, wenn mehr als 4 /,2 Lymphknoten befallen Hochrisikopatientin Lymphknotenentfernung hat keinen tifiTiuio aut UDenöDenszGu!
Rekonstruktion der Brust
Augmentationsplastik Reduktionsplastik
Implantation von Prothesenmaterialien Replantation der Mamille Implantation eines Hautexpanders am besten beim Primäreingriff andere Methoden: Lappenplastiken mit M. latissimus dorsi, M. rectus abdominis
knoten entscheidend. Die Forderung lautet deshalb, Entfernung von mindestes 12-14 der vorhandenen ca. 30 Lymphknoten zur histologischen Begutachtung. Bei Befall von > 4/12 Lymphknoten muß die Patientin der Hochrisikogruppe zugerechnet werden. Die regelhafte Entfernung der axillären Lymphknoten i • i • t . * % . , r* n r bei Mammakarzinom hat, wie Studien belegen konnten, keinen Einfluß auf die Überlebenszeit.
3.3.1.1 Rekonstruktion der weiblichen Brust nach Tumoroperation Die Mamma bestimmt durch ihre ausgewogene Größe und Form wesentlich das Erscheinungsbild und das Körpergefühl der Frau. Eine Korrektur angeborener oder Entwicklungsstörungen (s.S. 342) kann durch Augmentationsplastiken bei Hypoplasie oder Segmentresektionen bei Asymmetrie erfolgen, eine Reduktionsplastik ist bei Makromastie indiziert. Ziel der Operationen ist es immer, eine Harmonie der symmetrischen Erscheinung in Relation zum Körperbau herzustellen. Rekonstruktion der Mamma nach Ablatio: Der Wiederaufbau der Mamma nach einer radikalen Tumoroperation ist grundsätzlich sinnvoll. Kontraindikation: lokal fortgeschrittener Tumor, Metastasierung. Da die besten Ergebnisse bei einem Wiederaufbau mit der Implantation eines Gewebeexpanders bereits beim primären tumorchirurgischen Eingriff zu erreichen sind, ist beim Wunsch zur Rekonstruktion der plastische Chirurg hinzuziehen (s. Kap. 43, S. 875). Die Mamille kann, wenn tumorfrei, in die Haut des Unterbauches verpflanzt werden, nach einer Rekonstruktion wird sie replantiert. Die Mamille kann auch aus Teilen der Mamille der kontralateralen Seite oder der großen Labien gebildet werden. In jedem Fall ist die umfassende Aufklärung der Patientin über die Vor- und Nachteile dieser Operationen erforderlich, gerade auch im Hinblick auf die Diskussionen über die verwendeten Prothesen. Bei ausgedehnten Vernarbungen oder Strahlenschäden sowie Operationen von Lokalrezidiven sind Deckungen von Weichteildefekten oder ein Wiederaufbau auch mit M.latissimus dorsi-Lappen, Omentumtransposition oder M. rectus abdominis-Lappen möglich.
Tab.31-1: Stadienabhängige Therapie des Mammakarzinoms Klassifikation
Operation
Bestrahlung
Hormon-/Chemoth.
Besonderes
CLIS
subkutane Mastektomie
keine
keine
P E Gegenseite
CDIS < 2,5 cm
Exzision oder subkut. Mastekt.
Nachbestrahlg. (Studien) keine
keine
CDIS > 2,5 cm
subkutane Mastekt. Axilladissektion (Studie), Exzision
Nachbestrahlg.
keine
keine
Karzinom TINoMo
Mastektomie oder Tu-Exstirp. + Axilla
bei Tu-Exstirpat. Nachbestrahlung
keine
Hormonrezeptor? p.o. Kontrollen
T2NoMo
Mastektomie Axilladissektion
keine
keine
Hormonrezeptor? Kontrollen
bei Tu < 3 cm Tumorektomie
Nachbestrahlung
T1-2N1MO
Mastektomie + Axilladissektion
Nachbestrahlung
adjuvante Chemobzw. Hormontherapie
T3-4N1Mo
Tumorreduktion/Mastektomie
evtl. präop. Bestrahlung
evtl. Chemotherapie
TxNxMx
palliative Mastektomie, Rezeptorbestimmung
palliativ, Schmerzen, drohende Fraktur
angezeigt
lokoregionäres Rezidiv
Exstirpation, Rezeptorbest.
falls möglich
Chemo- oder Hormontherapie (Rezeptor?)
inflammatorisches Karzinom
Mastektomie nach
kombinierter Strahlen/Chemotherapie (präoperativ)
CLIS: Carcinoma lobulare in situ; CDIS: Carcinoma ductale in situ
Kombination RadioChemotherapie (?)
Mammakarzinom 3.3.2 Adjuvante Therapie Da sich die Heilungschancen durch eine Steigerung der operativen Radikalität nicht verbessern lassen, richtet sich das Augenmerk auf die adjuvante Therapie (Tab. 31-1): Bestrahlung, Hormontherapie, Chemotherapie. Behandlungsziele sind die Vermeidung des lokoregionären Tumorrezidivs und die Verbesserung der Überlebensrate, die bei nodal-negativer Axilla 75 %, bei histologisch befallener Axilla 25 % beträgt. Die Beschwerdelinderung ist Ziel beim palliativen Behandlungsregime. Kontrollierte Studien definieren die kombinierte adjuvante Behandlungen nach Art und zeitlicher Abfolge in den Risikogruppen: Risikogruppen (tumorbezogen) • niedriges Risiko: Tumor T,_2, keine Metastasen • mittleres Risiko: Tumor T,. 3 N,.,, Hormonrezeptoren positiv • hohes Risiko: Tumor T,_3 N,_X M (m , Hormonrezeptor negativ Neben diesen Faktoren sind Lage und Größe des Tumors, die Zahl der axillär befallenen Lymphknoten, der Malignitätsgrad (Grading), und der Menopausenstatus (Östrogen- und progesteronrezeptorpositiv- oder -negativ) weitere Faktoren, die in eine Therapieentscheidung einbezogen werden.
3.3.2.1 Strahlentherapie
353 Adjuvante Tumortherapie Ziel: Verbesserung der Heilungsrate, Verlängerung des rezidiv- und metastasenfreien Intervalls durch • Strahlentherapie • Hormonbehandlung • Chemotherapie Heilungsraten negative axilläre Lymphknoten 75%, bei histologisch befallener Axilla 25% Risikogruppen
Radio- und Chemotherapie, dann erst Op. - Vermeidung lokoregionärer Rezidive, kein Einfluß auf Langzeitüberlebensrate
Postoperativ: Obligat ist die postoperative Bestrahlung bei allen Operationsmethoden mit eingeschränkter operativer Radikalität (z.B. QUART). Die Bestrahlung dient allein der Vermeidung lokoregionärer Rezidive, eine Verbesserung der Langzeitüberlebensrate ist nicht zu erwarten. Die Bestrahlungsfelder liegen über dem Tumorbett, der Axilla oder beim Tumor der inneren beiden Quadranten, paramediastinal. Auch die axillären und klavikulären Lymphknotenstationen werden mit einem Feld erfaßt. Als Palliation kann die Bestrahlung ossärer Metastasen die Schmerzen lindern.
- bei ossären Metastasen zur Schmerzlinderung
Komplikationen können lokale Hautreaktionen, Übelkeit, Erbrechen, Reizung der Schleimhäute oder der Lunge (Pneumonitis) sein.
• Technik: - Telekobalt - Linearbeschleuniger - energiereiche Elektronen - Dosis: 50 Gy in 5 Wochen
3.3.2.2 Endokrine Therapie
2. Endokrine Therapie
Voraussetzung für eine adjuvante endokrine Therapie ist der Östrogenrezeptornachweis im Tumorgewebe. Durch Tamoxifen (20 mg/die) kann die Gesamtüberlebensrate signifikant erhöht werden. Eine Verbesserung hinsichtlich des rezidivfreien Überlebens um 8,3 % (Studie an 30000 Patientinnen) wurde in den ersten 5 Jahren nach der Operation registriert. Nodal-positive Patientinnen profitieren mehr als nodal-negative von der Therapie (8,8 %/5,l % - Zielkriterium: Rezidiv - Mortalitätsrisiko).
• Voraussetzung: Hormonrezeptorstatus positiv • Tamoxifen 20 mg/die verbessert die Gesamtüberlebensrate signifikant und rezidivfreies Überleben um ~ 8%. Nodal-positive profitieren mehr als nodal-negative Patienten
Technisch erfolgt die Bestrahlung mit Telekobalt oder energiereichen Elektronen (Linearbeschleuniger). Die Dosis sollte etwa 50 G y in 5 Wochen betragen.
D i e Ovarektomie ist eine Behandlung operativ ablativer A r t bei prämenopausalen Frauen, andere ablative M a ß n a h m e n (Adrenalektomie, Hypophysektomie) werden heute kaum noch durchgeführt.
3.3.2.3 Chemotherapie
3. Chemotherapie
Die Indikation zur adjuvanten Chemotherapie ist bei prämenopausalen Frauen mit positivem Axillabefund, unabhängig vom Rezeptorstatus gegeben. Bei prämenopausalen Frauen mit einer Hochrisikokonstellation, auch
• Schemata: CMF -»Cyclophosphamid, Methotrexat, 5-Fluorouracil AC -» Adriablastin, Cyclophosphamid
354
31. Mammachirurgie
• Indikation: - prämenopausal bei positivem Axillabefund - Hochrisikokonstellation - postmenopausal bei positivem Lymphknotenbefund und negativem Hormonrezeptorstatus • Ergebnisse: - bei prä- und perimenopausalen Frauen Senkung der Frühmortalitätsrate um 30% - bei postmenopausalen Frauen nur - 15% Kombination Chemotherapie + Hormontherapie beim metastasierenden Mammakarzinom • Remissionsraten -> 10-20% komplett 50-70% partiell • mittlere Überlebensdauer bei Remission 20-25 Monate
Mammakarzinom beim Mann sehr selten, schlechte Prognose metastasierendes Mammakarzinom beim Manne -> Orchidektomie, kann Metastasierung stoppen Lokalrezidive, Metastasen
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ohne axillären Lymphknotenbefall, kann sie erwogen werden, ebenso bei postmenopausalen Frauen mit positivem Lymphknotenstatus und negativem Hormonrezeptorstatus. Ergebnisse: Bei prä- und perimenopausalen Frauen kann die Frühmortalitätsrate um ca. 30 % gesenkt werden, bei postmenopausalen Frauen nur um ca. 15 %. Angewandte Therapien: CMF-Schema -> Cyclophosphamid 100 mg/m 2 für 14 Tage, Methotrexat 40 mg/m2 i. v. Tag 1 und 8, 5-Fluorouracil 600 mg/m 2 Tag 1 und 8. ACSchema —> Adriablastin 40 mg/m2 iv. Tag 1, Cyclophosphamid 200 mg/m 2 Tag 3-6.
Chemo- und Hormontherapie sind beim metastasierenden Mammakarzinom indiziert. Bei Leber- oder Lungenmetastasen sollte eine Chemotherapie begonnen werden, je nach Hormonrezeptorstaus prämenopausal in Kombination mit der Ovarektomie, peri- und postmenopausal in Kombination mit Tamoxifen. Jede Chemotherapie muß so lange fortgeführt werden, bis eine andauernde Teilremission erreicht ist. Remissionsraten liegen nach oben genannten Schemata bei 10-20 % komplette Remission und 5070 % komplette und Teilremissionen. Die mittlere Remissionsdauer beträgt 8-12 Monate, die mittlere Überlebensdauer bei Remission 20-25 Monate. • Das Mammakarzinom ist beim Mann sehr selten (~ 1-2 % aller Mammakarzinome). Es tritt überwiegend im 7. Dezennium auf und hat eine schlechte Prognose. Das metastasierende Karzinom wird mit Orchidektomie behandelt. Damit ist in 50-60 % die Metastasierung zu stoppen. Lokalrezidive, Metastasen. Die 5-Jahres-Überlebensrate hat keine Gültigkeit: 90% aller Lokalrezidive und Metastasen zeigen sich in den ersten fünf Jahren nach der Primärbehandlung, es wird jedoch auch über solche berichtet, die bis zu 20 Jahre danach aufgetreten sind. Eine Änderung des Behandlungsregimes ergibt sich bei später Metastasierung nicht.
Nachsorge Ziele: • Erfassung eines lokoregionären Rezidivs und Metastasen • Erkennung und Therapie von Komplikationen
Nachsorge. Ziele sind die frühe Erfassung des lokoregionären Rezidivs, die Erkennung und Therapie von Behandlungskomplikationen, die Erfassung und Behandlung von Metastasen und die Diagnose von kontralateralen Tumoren (Inzidenz < 1 %/Jahr). In den ersten beiden Jahren nach der Operation sollte die Kontrolle vierteljährlich erfolgen, danach halbjährlich. Einmal jährlich sollten eine Mammographie der gesunden Brust und eine Thoraxübersichtsaufnahme angesetzt werden.
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum R. Häring, R. U. Häring
1. B r u s t w a n d
Brustwand
1.1 Formveränderungen
Formveränderungen
TYichterbrust s. Kap.41, S.793. Hühnerbrust (Pectus carinatum) s. Kap.41, S.793,795. Deformitäten durch Erkrankungen der Thoraxorgane: Formveränderungen des Thorax können durch pulmonale und kardiale Erkrankungen verursacht sein. Sie sind für die klinische Diagnostik von großer Bedeutung. Asthma bronchiale und chronisches Lungenemphysem führen zu einer „faßförmigen" Brustkorberweiterung. Bei Erkrankungen des Herzens und der großen Gefäße, z. B. Pulmonalstenose, Aneurysmen der Aorta ascendens, Tumoren usw., kann sich die Brustwand isoliert vorwölben. Entzündliche Pleuraschwarten, Atelektasen, Schrumpfungsprozesse bei Lungentuberkulose oder nach Pneumonektomie u. v. a. verursachen oft asymmetrische Einziehungen und Verschmälerungen der Brustwand. Seltene Deformitäten. Zu erwähnen sind Sternumspalten, Rippenaplasien und -deformitäten. Sternumspalte und Aplasie mehrerer Rippen bedingen eine Instabilität der Thoraxwand mit paradoxer Atmung und Dyspnoe, gefährlich bei körperlicher Anstrengung und Atemwegsinfekten. Die Therapie besteht in der operativen Vereinigung der Sternumhälften. Da Rippenaplasien überwiegend einseitig auftreten, können Rippen von der intakten Brustkorbhälfte subperiostal entnommen und in den Defekt zwischen Pleura und Haut zur Stabilisierung eingepflanzt werden. Vom Periost der entnommenen Rippen aus entwickelt sich bald ein Rippenregenerat. Auf Röntgen-Thoraxaufnahmen sind Abnormalitäten der Rippen, denen meist keine klinische Bedeutung zukommt, oft als Zufallsbefund zu erkennen. Es gibt gabelförmige Rippen, Fusion von 2 Rippen, zusätzliche Rippen (z.B. Halsrippe) und fehlende Rippen. Die Halsrippe kann die A. subclavia komprimieren und typische Beschwerden hervorrufen (Thoracic-outlet-Syndrom, s. Kap. 34, S.463. Gefäßchirurgie)-
Faßthorax bei - Asthma bronchiale und - chronischem Lungenemphysem Isolierte Vorwölbung der Brustwand: bei Erkrankung des Herzens und der großen Gefäße. Verschmälerung der Brustwand: bei - entzündlichen Pleuraschwarten - Atelektasen - Schrumpfungsprozessen - nach Pneumonektomie Seltene Deformitäten: - Sternumspalten - Rippenaplasien - Halsrippe (Thoracic-outlet-Syndrom) Therapie: - operative Vereinigung der Sternumhälften - Resektion der Halsrippe
Brustwandbrüche. Im Bereich kongenitaler oder erworbener Brustwanddefekte kann eine Pneumatozele oder „Lungenhernie" auftreten. Bei Bindegewebeschwäche im Bereich der Pleurakuppel beobachtet man supraklavikulär gelegene Pneumatozelen, besonders bei Trompetern und Glasbläsern vorkommend.
Brustwandbrüche: bei Brustwanddefekt: Pneumatozele (Lungenhernie).
1.2 Entzündungen
Entzündungen
Ätiologie, Formen. A n der Brustwand können alle Formen spezifischer und unspezifischer Entzündungen auftreten, die ihren Ausgangspunkt von den Weichteilen und dem knöchernen bzw. knorpeligen Thorax oder den Lymphknoten nehmen. Fortgeleitete Infektionen stammen vorwiegend aus Pleurahöhle (Empyema necessitatis) und Lunge (Abszesse, Aktinomykose). Besonders gefürchtet sind Phlegmonen, die sich in den Weichteilen weit ausdehnen. Sie entstehen durch eingedrungene Fremdkörper (z.B. Granatsplitter) oder auch bei einer Rippen- oder Sternumosteomyelitis, die aber, ebenso wie Rippentuberkulose und Aktinomykose, sehr selten ist. Subpektorale oder subskapuläre Abszesse bilden oft sehr ausgedehnte Eiterhöhlen. Ursache sind purulente Lymphknotenentzündungen der Axilla, Osteomyelitis der Skapula oder Granatsplitter (z.B. auch als Spätabszeß).
Auftreten spezifischer und unspezifischer Entzündungen: • fortgeleitete Infektion aus der Pleurahöhle • Phlegmonen durch eingedrungene Fremdkörper • Abszesse durch purulente Lymphknotenentzündungen der Axilla oder Osteomyelitis, Granatsplitterverletzungen
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32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Therapie: großzügige Inzisionen Drainage Antibiotika
Therapie. Entsprechend den Regeln der septischen Chirurgie sind großzügige Inzisionen und Drainagen erforderlich, ggf. auch Antibiotika. Entwikkeln sich bei der Rippen- oder Sternumosteomyelitis Abszesse und Fisteln, so ist die subperiostale Rippenresektion angezeigt; im Frühstadium wird man Antibiotika applizieren.
Rippentuberkulose: hämatogene Entstehung an der KnochenKnorpel-Grenze. Schmerzlose Verdickung. Therapie: Tuberkulostatika, Op. nur bei infektiösen Komplikationen. Tietze-Syndrom • schmerzhafte Verdickung der Rippenknorpel • sieht- und tastbare druckschmerzhafte Vorwölbung • kein typisches Röntgenbild Therapie: symptomatisch. Gute Prognose. Morbus Mondor: - umschriebene strangartige Thrombophlebitis an der Brustwand - keine Schmerzen und Entzündungszeichen Meist spontane Rückbildung.
Die seltene Rippentuberkulose entsteht vorwiegend hämatogen und beginnt an der Knochen-Knorpel-Grenze als schmerzlose Verdickung. Behandelt wird sie mit Tuberkulostatika, operativ nur bei Fisteln und Superinfektion. Tietze-Syndrom: Schmerzhafte parasternale Verdickung der Knorpel der 1.-5. Rippe. Die Ätiologie ist unbekannt. Das Syndrom tritt vorwiegend bei Frauen im 20.-50. Lebensjahr auf. Man findet bei der Untersuchung eine sieht- und tastbare, flache, etwa markstückgroße und sehr druckschmerzhafte Vorwölbung. Die Haut ist weder gerötet noch ödematös, auch im Röntgenbild ist nichts Typisches zu erkennen. Differentialdiagnostisch sind die Tuberkulose, Osteomyelitis, ein Chondrom oder multiples Myelom oder eine Knochenmetastase auszuschließen. Die Therapie ist symptomatisch, die Prognose gut. Meist verlieren sich die Schmerzen nach einiger Zeit. Morbus Mondon Umschriebene, strangartige Thrombophlebitis an der lateralen Brustwand, zur Achselhöhle hinziehend. Die Veränderung entspricht dem Verlauf der V. thoracica lateralis. Schmerzen und akute entzündliche Zeichen fehlen meist. Die Ursache ist unbekannt (Infektion oder Trauma?). Differentialdiagnostisch kann die Veränderung - wenn im Bereich der Mamma lokalisiert - mit einem Karzinom verwechselt werden. Eine Behandlung erübrigt sich wegen der meist spontanen Rückbildung innerhalb von Wochen.
Geschwülste
1.3 G e s c h w ü l s t e
zu 2 / 3 bösartig, daher: jeden Brustwandtumor exstirpieren und histologisch untersuchen. Gutartige Tumoren a) Weichteilgeschwülste: • Lipome: flache, weiche, schwer abgrenzbare Geschwülste • Fibrome, Hämangiome, Lymphangiome, Neurinome, Atherome
Tumoren der Brustwand gehen von den Weichteilen (s. Kap. 39, S. 742) und dem Skelett (s. Kap. 48, S. 1042) aus. Sie sind zu etwa zwei Drittel bösartig: jeder Brustwandtumor ist zu exstirpieren und histologisch zu untersuchen! Gutartige Tumoren: Unter den gutartigen Weichteilgeschwülsten sind die Lipome am häufigsten; sie können multipel vorkommen und finden sich nicht nur im subkutanen Fettgewebe, sondern auch subfaszial und intermuskulär. Sie imponieren meist als flache, weiche, bisweilen schwer abgrenzbare Geschwülste. Außerdem kommen Fibrome (derbe Konsistenz), Hämangiome, Lymphangiome, Neurinome und Atherome (kein echter Tumor!) vor. Oft ist die exakte Diagnose, insbesondere hinsichtlich der Dignität, vor der Operation nicht zu stellen.
b) Thoraxskelett: • Chondrome • Osteochondrome • Osteome • rundliche, flache, gut abgrenzbare Verdickungen —» Röntgenaufnahme -» CT. Therapie: radikale Geschwulstexstirpation.
Gutartige, vom Thoraxskelett ausgehende Geschwülste sind Chondrome (Chondromyxom, Myxom), Osteome und Osteochondrome. Sie wölben sich oft nach außen vor und sind als rundliche, flache und gut abgegrenzte Verdickungen zu tasten. Durch Druck auf Nerven können sie Schmerzen verursachen. Weitere Abklärung durch Röntgenzielaufnahme und CT.
Bösartige Tumoren • Liposarkome, Myosarkome, Fibrosarkome, maligne Melanome • Knochengeschwülste: Chondrosarkome, osteogene Sarkome, Ewing-Sarkom, Plasmozytom. Diagnose: Palpation, Röntgenuntersuchung, CT, Punktionszytologie. Therapie: radikale Exstirpation, bei Inoperabilität: Strahlen- und Chemotherapie
Therapie: Radikale Geschwulstexstirpation, unabhängig von der Dignität! Bei großen Tumoren ist der Eingriff dem Allgemeinzustand des Patienten anzupassen. Bei Chondromen und Osteomen ist die Resektion der entsprechenden Rippenanteile, evtl. mit den Weichteilen, erforderlich. Chondrome neigen zum Rezidiv. Bösartige Ttamoren: Es gibt Weichteilsarkome (Lipo-, Myo- und Fibrosarkome), maligne Melanome und bösartige Knochengeschwülste, wie Chondrosarkome, osteogene Sarkome, Ewing-Sarkom, Plasmozytom. Daneben werden auch Metastasen in der Brustwand beobachtet. Die Diagnose wird durch Palpation, Röntgenuntersuchung und CT sowie Punktionszytologie gesichert. Therapie: Radikale Exstirpation der Sarkome (Brustwandteilresektion). Deckung der Defekte in der Brustwand durch plastische Eingriffe kann erforderlich sein. Bei Inoperabilität Strahlen- und Chemotherapie. Rippenmetastasen sprechen gut auf Bestrahlung an.
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Zwerchfell (Diaphragma)
2. Zwerchfell (Diaphragma)
Zwerchfell (Diaphragma)
Klinische Anatomie. Das Zwerchfell, Trennwand zwischen Brust und Bauchhöhle, besteht aus einer beweglichen Muskelsehnenplatte, die an den lumbalen Wirbelkörpern, an den Rippen und dem Sternum fixiert ist. Man unterscheidet: Pars lumbalis, - costalis, - sternalis und Centrum tendineum. Es finden sich Öffnungen für den Durchtritt der Speiseröhre, der Aorta und V. cava, Nerven und des Ductus thoracicus. Außerdem gibt es muskelschwache Stellen: Larrey-Spalte links vorne zwischen Pars sternalis und costalis, die Morgagni-Spalte rechts, Bochdalek-Dreieck dorsal am lumbokostalen Dreieck (Abb. 32-1). Durch diese Spalten können sich Hernien entwickeln. Die rechte Zwerchfellhälfte steht gewöhnlich höher als die linke. Die arterielle Gefäßversorgung stammt aus der A. pericardiacophrenica und der A. musculophrenica, die nervale Versorgung vom N.phrenicus aus dem Plexus cervicalis. Wichtig sind die topographischen Beziehungen: thorakal Lunge und Herz, abdominal rechts in ganzer Fläche die Leber, rechte Niere und Nebenniere, links der Magenfundus, Milz, evtl. linke Kolonflexur, Nebenniere und Niere.
Anatomie (Abb. 32-1) - Trennwand zwischen Brust- und Bauchhöhle - bestehend aus beweglicher MuskelSehnenplatte - fixiert an lumbalen Wirbelkörpern, Rippen und Sternum
Physiologie: Der Normalzustand des Zwerchfells ist je nach Form des Brustkorbs, nach Alter und Geschlecht (Pykniker -> Tiefstand, Astheniker —> Hochstand) variabel. Es erfüllt 3 Aufgaben: (1) anatomische und funktionelle Trennwand zwischen Brust- und Bauchhöhle, (2) Unterstützung der Atmung, besonders bei größeren körperlichen Leistungen, (3) Unterstützung des venösen Blutrückflusses zum Herzen.
3 Aufgaben des Zwerchfells: 1. Anatomische und funktionelle Trennwand zwischen Brust- und Bauchhöhle 2. Unterstützung der Atmung 3. Unterstützung des venösen Blutrückflusses zum Herzen
2.1
Hernien
W i r u n t e r s c h e i d e n angeborene, Zwerchfellhernien.
erworbene
u n d traumatische
(Prolaps)
2.1.1 Kongenitale Hernien, Duplikaturen, Aplasien (s. Kap.41, S.795). 2.1.2 E r w o r b e n e Hernien
Erworbene Hernien
A m h ä u f i g s t e n sind Hernien am Hiatus oesophageus (s. Kap.35./1., S.488). Die erworbenen sternokostalen (Larrey, Morgagni) und lumbokostalen (Bochdalek) Hernien sind sehr selten und beim Erwachsenen von geringer Bedeutung.
Lücken im Zwerchfell: Ausgangspunkt für Hernien. am häufigsten am Hiatus oesophageus —> Magenprolaps. Symptome: Prolaps von Baucheingeweiden in die Brusthöhle (Abb.32-2). Typisch: • schmerzhaftes Druckgefühl • Passagestörungen: Erbrechen, Stuhlund Windverhaltung • kardio-pulmonale Erscheinungen: Tachykardie, Dyspnoe
Symptome: D e r P r o l a p s von B a u c h e i n g e w e i d e n (Kolon, M a g e n , Milz, L e b e r k u p p e ) in die B r u s t h ö h l e k a n n j e n a c h A r t u n d G r ö ß e d e r O r g a n v e r l a g e r u n g zunächst a s y m p t o m a t i s c h sein. Typische B e s c h w e r d e n sind ein schmerzhaftes Druckgefühl hinter dem Sternum, Passagestörungen durch Torsion o d e r A b k n i c k u n g der p r o l a b i e r t e n E i n g e w e i d e ( E r b r e c h e n , Stuhlu n d W i n d v e r h a l t u n g ) , k a r d i o p u l m o n a l e E r s c h e i n u n g e n (Tachykardie, D y s pnoe). Parasternale Hernie (Morgagni) Angeborener oder erworbener Defekt (= traumatisch -•Prolaps)
Hernie (Bochdalek) Hiatus oesophageus (Hiatushernien) Abb.32-1: Prädilektionsstellen worbene Lücken
für Zwerchfellhernien:
Angeborene und er-
Abb.32-2: Traumatische Zwerchfellruptur mit Prolaps von Magen und Kolon sowie mit Kranialverdrängung der Lunge und MediastinalVerlagerung nach rechts
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32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Diagnostik: • Röntgenuntersuchung: Thoraxübersicht in 2 Ebenen, • Sonographie, Kontrastdarstellung des Magen-Darmtraktes, CT. Befunde: Mediastinalverdrängung, Herzverlagerung, Luft und Flüssigkeit in Magen, Darm, Pleurahöhle (Abb.32-2). Auskultation: Darmgeräusche. Differentialdiagnose
Diagnostik. Am wichtigsten ist die Röntgenuntersuchung: Thoraxübersicht in 2 Ebenen und Durchleuchtung, Kontrastdarstellung des Magen-Darmtraktes, Sonographie, CT. Man findet eine Mediastinalverdrängung, Herzverlagerung, luft- und flüssigkeitsgefüllte Magen- und Darmanteile in der Pleurahöhle (Abb. 32-2). Bei der Auskultation hört man evtl. Darmgeräusche.
Therapie: Indikation zur Operation bei Komplikationen: Inkarzeration, Perforation, Blutung, Obstruktion. Prinzip der Operation: RückVerlagerung der Baucheingeweide, Nahtverschluß, evtl. plastische Deckung. Rezidive sind möglich.
Therapie. Die Indikation zur Operation ergibt sich in erster Linie aus den möglichen Komplikationen: Inkarzeration, Perforation, Blutung, Obstruktion. Dies gilt speziell für die traumatischen Hernien (= Prolaps). Prinzipien der Operation sind Rückverlagerung der Baucheingeweide, Nahtverschluß der Zwerchfellücke, evtl. mit plastischer Deckung (lyophilisierte Dura, Kunststoffnetz). Frische traumatische und die angeborenen Hernien im Säuglings- und Kindesalter operiert man von abdominal her. Ansonsten ist der transthorakale Zugang besser. Das Operationsrisiko der elektiven Operation ist gering, steigt aber bei der Notoperation. Hernienrezidive sind möglich.
Traumatische Hernien (Prolaps)
Differentialdiagnostisch sind Mediastinal-, Lungen- und Pleuratumoren, Perikardzysten, Pleuraempyem und Lungenabszess abzugrenzen.
2.1.3 Traumatische Hernien (Prolaps)
Prolaps von Baucheingeweiden in den Thorax durch stumpfe oder scharfe Trau men.
Eine Verletzung des Zwerchfells kann spontan oder durch stumpfe bzw. durch scharfe (Schuß, Stich) Gewalteinwirkungen auftreten. Hierbei kann es zu erheblichen Blutungen kommen. Im Vordergrund aber steht der Prolaps von Baucheingeweiden (Magen, Milz, Darm, Netz) in den Thoraxraum. Er kann ein- oder zweizeitig erfolgen. Terminologisch handelt es sich hierbei nicht um eine „echte Hernie", da der Bruchsack fehlt. Häufigkeit der Zwerchfellruptur etwa 5 % bei abdominellem Trauma; die linke Seite ist häufiger betroffen.
Symptome: - Verdrängungserscheinungen, Einklem mungen - Tachykardie u. Rhythmusstörungen - Vollgefühl
Symptome. Bei stärkerer Blutung Schock und Anämie, z. B. bei Hämatothorax (Röntgenbild!) oder Blutung in die Bauchhöhle (Sonographie). Im Vordergrund stehen aber Verdrängungserscheinungen durch den Eingeweideprolaps: Atemnot besonders bei Anstrengungen, Herzsensationen (Tachykardie, Arrhythmie), Verdauungsbeschwerden, Völlegefühl. Diagnostik: Nicht selten wird der Prolaps - besonders beim polytraumatisierten Patienten - in der Akutphase übersehen und erst Monate, ja sogar Jahre später entdeckt. Die Diagnose ist durch klinische Untersuchung allein schwer zu stellen. Typisch sind Darmgeräusche über der linken Thoraxhälfte, ferner Nachweis eines Hämato- bzw. Pneumothorax. Folgende apparative Untersuchungen führen weiter: • Röntgenübersichtsaufnahme des Thorax und Thoraxdurchleuchtung zum Ausschluß von Pleuraergüssen oder Lungenzysten
Diagnostik: • Auskultation (Darmgeräusche) • Rö-Übersicht • Rö-Durchleuchtung • Rö-Kontrastmitteluntersuchung (Magen, Darm) • CT
Abb.32-3: Linksseitige Zwerchfellruptur. Beim Kolonkontrasteinlauf liegt ein großer Anteil des Dickdarmes in der Brusthöhle (Röntgeninstitut Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin)
Abb.32-4: CT bei traumatischem Zwerchfellprolaps links. Verlagerung des Magens und eines Teils des Kolons in den Thoraxraum (—>) (Röntgeninstitut im Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin)
Zwerchfell (Diaphragma) • Röntgenkontrastmitteluntersuchungen von Ösophagus, Magen, Dünnund Dickdarm (Abb. 32-3) • Sonographie, CT mit enteraler Gastrografingabe (Abb. 32-4), Leberszintigraphie bei intrathorakaler Verlagerung der Leber. Differentialdiagnose: Klinisch: Koronare Herzkrankheit, Gastritis, Gallenschmerzen, Roemheld-Syndrom. Röntgenologisch: Im Frühstadium: Lungenatelektase, Hämato-, Pneumothorax, Zwerchfellhochstand. Im Spätstadium: Paraösophageale Hiatushernie, Zwerchfell- und Pleuratumoren, Lungenabszeß, Zwerchfellrelaxation. Therapie: Absolute Operationsindikation wegen Inkarzerationsgefahr! Bei frischer linksseitiger Ruptur abdomineller Zugang, später besser thorakaler. Reposition der Baucheingeweide, Verschluß des Defektes mit Matratzennähten, evtl. Muskelplastik (M. latissimus dorsi) oder mit lyophilisierter Dura bzw. Teflonnetz.
2.2 Tumoren, Zysten, Entzündungen Tumoren des Zwerchfells sind äußerst selten. Gut- und bösartige halten sich die Waage. Sie werden meist erst entdeckt, wenn sie Verdrängungserscheinungen machen. Die Diagnose wird durch Röntgenuntersuchung und CT gestellt. Die Therapie ist immer die operative Exstirpation via Thorakotomie. Entstehen hierbei große Zwerchfelldefekte, so müssen diese plastisch gedeckt werden (Dura, Teflonnetz, M. latissimus dorsi). Zysten sind noch seltener als Tumoren. Sie entstehen durch Störungen der fetalen Entwicklung, z. B. Mesothelzysten und bronchogene Zysten. Außerdem gibt es Pseudozysten. Meist werden sie als Zufallsbefund bei einer Röntgenuntersuchung festgestellt. Die Zysten werden transthorakal exstirpiert. Eine primäre Entzündung des Zwerchfells ist umstritten, wohl aber können entzündliche Prozesse der Nachbarschaft auf das Zwerchfell sowohl von abdominal (subphrenischer Abszeß) als auch thorakal (Pleuraempyem) übergreifen. Auf dem Lymphwege gelangen Eiterprozesse transdiaphragmal von einer Körperhöhle in die andere. Die Diagnose wird durch Röntgenuntersuchung, Durchleuchtung und CT gestellt. Typisch sind Zwerchfellhochstand, Unverschieblichkeit bei der Atmung, basale Ergußbildung, Verschwartung. Die Therapie richtet sich nach dem Ausgangspunkt des Prozesses (Punktion, Drainage, Antibiotika).
2.3 Funktionelle Störungen: Zwerchfellkrampf (Singultus), Relaxatio diaphragmatica Singultus: Blitzartige Zwerchfellkontraktionen nach Exspiration, Drucksteigerung in der Bauchhöhle und Ansaugung von Luft in die Lungen. Pathogenetisch handelt es sich um einen komplizierten Reflexvorgang. Die Ätiologie ist vielfältig: Stoffwechselstörungen, Infektionen (subphrenische Abszesse), häufig nach Laparotomie, Urämie, meist ohne nachweisbare Ursache. Der Singultus verschwindet fast immer von selbst, kann aber in Extremfällen Tage und Wochen anhalten. Therapie: Körperliche und psychische Reize, Luft anhalten, Bulbusdruck, Pressen, medikamentös mit Sedativa, Narkotika und Ganglienblockern. Relaxatio diaphragmatica. Synonyme: idiopathischer Zwerchfellhochstand, Megadiaphragma, Zwerchfellinsuffizienz. Definition: Extremer Hochstand einer Zwerchfellhälfte, vorwiegend links, mit und ohne Läsion des N.phrenicus (Abb.32-5). Die Störung kann angeboren (Eventration) und erworben sein, die Ätiologie ist unbekannt. Symptome. Kardiopulmonale Störungen, Dyspnoe, spastischer Husten, Tachykardie, Rhythmusstörungen, Aufstoßen, Magenüberblähung, Volvulus. Röntgenologisch ist die Beweglichkeit des Zwerchfells aufgehoben (Abb. 32-5). Differentialdiagnostisch abzugrenzen ist die Zwerchfellhernie. Therapie. Bei ausgeprägten Symptomen ist die Operation angezeigt: Verstärkung und Senkung des Zwerchfells durch Raffung oder Doppelung.
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Differentialdiagnose beachten - KHK - Gastritis, Cholelithiasis - Roemheld-Syndrom u.a. Therapie: Operation
Tumoren und Zysten
Tumoren: selten. Diagnose: Röntgenuntersuchung, CT. Therapie: operative Exstirpation via Thorakotomie. Zysten: selten. Therapie: transthorakale Exstirpation. Entzündungen
Übergreifen benachbarter Entzündungen -» subphrenischer-, paranephritischer-, Leberabszeß, Pleuraempyem.
Diagnose: Röntgenuntersuchung, Durchleuchtung, CT: Zwerchfellhochstand, Unverschieblichkeit bei Atmung, basaler Erguß, Verschwartung. Therapie: Punktion, Pigtail-Drainage, Antibiotika. Funktionelle Störungen
1. Zwerchfellkrampf (Singultus!
= blitzartige Zwerchfellkontraktion nach Exspiration. Folge: Drucksteigerung in der Bauchhöhle. Ansaugung von Luft in die Lungen. Ursache: Infektionen, nach Laparotomien, Stoffwechselstörungen, Urämie, unbekannt. Therapie: körperliche und psychische Reize, Luftanhalten, Bulbusdruck, Pressen, Sedativa, Ganglienblocker. 2. Relaxatio diaphragmatica:
extremer Hochstand einer Zwerchfellhälfte. Ätiologie: angeboren oder erworben. Symptome: Dyspnoe, spastischer Husten, Tachykardie, Rhythmusstörungen, Aufstoßen, Magenüberblähung, Volvulus. Röntgen: Beweglichkeit des Zwerchfells aufgehoben. Therapie: operativ: Verstärkung und Senkung des Zwerchfells durch Raffung oder Doppelung.
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
360
Abb.32-5: Relaxatio diaphragmatica mit extremem Zwerchfellhochstand links und streifiger Atelektase der basalen Lungenabschnitte
Abb.32-6: Ausgeprägter Spannungspneumothorax rechts: Totalkollaps der Lunge, Verbreiterung der rechten Pleurahöhle und der Interkostalräume, fehlende Lungenzeichnung, Verdrängung der Mediastinalorgane nach der gesunden Seite
Pleura
3. Pleura
Zarte, seröse Haut, die Lunge und den inneren Brustkorb bedeckt. Zwischen beiden Blättern befindet sich ein Spalt, der mit Flüssigkeitsfilm überzogen ist. Funktion: Gleitfläche, Übertragung von Atembewegungen der Thoraxwand auf die Lunge, sekretorische, resorptive Funktionen.
Klinische Anatomie. Die Pleura (= Rippen- oder Brustfell) ist eine zarte, seröse Haut, die die Lunge (Pleura visceralis) und den inneren Brustkorb (Pleura parietalis = costalis, diaphragmatica, pericardiaca, mediastinalis) bedeckt. Zwischen diesen beiden Blättern findet sich ein kapillärer, mit einem Flüssigkeitsfilm überzogener Spalt. In diesem bestehen negative Druckwerte von - 5 cm H 2 0 bei Exspiration, die bei tiefer Inspiration bis auf - 1 0 cm H 2 0 absinken. Der Flüssigkeitsspalt dient als Gleitfläche und überträgt die Atembewegungen der Thoraxwand auf die Lungen. Außerdem hat die Pleura sekretorische und resorptive Funktionen.
Pneumothorax
3.1
= Luft- oder Gasansammlung im Pleura' räum.
Definition. Luft- bzw. Gasansammlung im Pleuraraum, die zur Beeinträchtigung der Ventilation führen kann.
Einteilung nach: • Ausdehnung: 3 Typen • Ursache: 4 Typen • Klinik: 4 Typen
Einteilung. Nach der Ausdehnung unterscheidet man den totalen, partiellen (Mantelpneu) und abgesackten Pneumothorax, nach der Ursache den idiopathischen oder spontanen Pneumothorax, den traumatischen, den symptomatischen und den artefiziellen Pneumothorax. Außerdem können wir nach dem klinischen Bild 4 Typen differenzieren:
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Pneumothorax
(1) den nach außen offenen Pneumothorax (bei vollständig offener Brustwand) (2) den geschlossenen Pneumothorax (die Brustwandöffnung ist wieder geschlossen) (3) den innen offenen Pneumothorax (Luft ist durch den Bronchialbaum in die Pleurahöhle eingedrungen) (4) Ventil- bzw. Spannungspneumothorax (= Lufteintritt bei jedem Atemzug, jedoch infolge eines Ventilmechanismus kein Luftaustritt aus der Pleurahöhle).
Einfacher P n e u m o t h o r a x
3.1.1 Einfacher Pneumothorax
Pathophysiologie: Luft dringt in den Pleuraspalt ein. Lunge kollabiert
Pathophysiologie und Klinik. Dringt Luft in den Brustspalt ein, retrahiert sich die Lunge infolge ihrer Elastizität und durch Aufheben der Adhäsionskräfte im Pleuraspalt; der Brustkorb dehnt sich aus. Bei Inspiration wird der Druck im Pleuraraum erniedrigt, so daß weitere Luft eindringen kann. Meist verschließt sich aber das Luftleck spontan durch den zunehmenden Kollaps der Lunge.
Pleura Der Lungenkollaps hat folgende Auswirkungen: • die Atemmuskulatur der gedehnten Brustwand wird insuffizient, • die Atemarbeit der Lunge ist erschwert, • der in- und exspiratorische Strömungswiderstand ist erhöht, • die Ventilationsfläche der Lunge ist verkleinert, • der pulmonale Gefäßwiderstand steigt an. Symptome. Plötzlicher, stechender, ziehender Schmerz auf der betroffenen Brustkorbseite, oft mit Atemnot, seltener mit Husten verbunden. Meist nach Anstrengungen, Pressen und Husten auftretend. Diagnose. Physikalische Untersuchung: (1) hypersonorer Klopfschall, (2) aufgehobenes, zumindest abgeschwächtes Atemgeräusch, (3) Stimmfremitus fehlt, (4) evtl. „Hammans-Zeichen" (= Knirschen über dem unteren Ende des Sternums bei Mediastinalemphysem. die Herzaktionen pressen lufthaltiges mediastinales Gewebe wie „Zuckerwatte" zusammen). Das Röntgenbild des Thorax (möglichst im Stehen) sichert die Diagnose: • sichtbarer Saum der viszeralen Pleura, • fehlende Lungenzeichnung, • vermehrte Strahlentransparenz, • zentrale Verschattung durch kollabierte Lunge und • Zwerchfelltiefstand (Abb. 32-6). Röntgenologisch kann man den Spitzen-, Mantel- und Totalpneumothorax unterscheiden. Differentialdiagnose: Bullöses Emphysem, Resthöhlen nach Entzündungen, Lungenhypoplasie, Zwerchfellhernien, Fehlbildungen, extrakorporale Überlagerungen (Skapularänder, Mammaschatten).
3.1.2 Idiopathischer oder Spontanpneumothorax Ursachen: meist durch Ruptur subpleural gelegener Emphysemblasen - besonders in der Lungenspitze - verursacht, überwiegend bei Männern. Therapie. Eine Akuttherapie ist nur beim Spannungspneumothorax erforderlich. Bei einem Mantelpneu wird man die Resorption abwarten oder ihn punktieren. Eine Thoraxsaugdrainage ist (Sog 30-80 cm H z O) nur bei einem Totalpneumothorax notwendig und muß u.U. 1-2 Wochen liegen, bis die Leckstelle verklebt und die Lunge ausgedehnt bleibt. Ist die Lunge nach 1 Woche noch nicht wieder vollständig entfaltet, oder handelt es sich bereits um einen rezidivierenden Spontanpneumothorax, so ist die Operation angezeigt (s. auch VATS, S.258).
361 Auswirkungen des Lungenkollaps: - Atemmuskulatur der gedehnten Brustwand wird insuffizient, - Erschwerung der Atemarbeit der Lunge, - Erhöhung des Strömungswiderstandes, - Verkleinerung der Ventilationsfläche, - Ansteigen des pulmonalen Gefäßwiderstandes. Symptome: plötzlicher, stechender, ziehender Schmerz, oft mit Atemnot, nach Anstrengungen, Pressen und Husten. Diagnose: • hypersonorer Klopfschall • aufgehobenes Atemgeräusch • Stimmfremitus fehlt • evtl. „Hamman-Zeichen" • Röntgenbild zur Diagnosesicherung: (Abb. 32-6)
3%). Ursachen: Rechtsherzinsuffizienz, Dysproteinämie (beidseitige Ergüsse), Karzinose (oft blutig), Pleuritis (Pneumonie, Lungeninfarkt), abdominale Erkrankungen (Pankreatitis, subphrenischer Abszeß, Leberabszeß), im Rahmen einer rheumatischen Erkrankung, Leberzirrhose. Transsudat ist durch Stauung bedingt, Exsudat durch entzündliche oder tumoröse Prozesse. Wir unterscheiden den freien, abgekapselten, interlobären sowie intra- oder subpulmonischen Erguß. Diagnose: Klinisch: Klopfschallverkürzung (Ellis-Damoiseau-Linie = obere Begrenzung von Pleuraergüssen in Form einer nach oben konvexen parabelförmigen Linie), abgeschwächtes Atemgeräusch, Dyspnoe. Röntgenologisch (Abb.32-11): lageabhängige, mehr oder minder ausgeprägte Verschattung, bei gleichzeitigem Pneumothorax Spiegelbildung (Seropneumothorax). Bei unklarer Situation Sonographie, evtl. auch CT. Differentialdiagnose: Atelektase, Pleuraschwarte, Pleuramesotheliom. Therapie: Die Pleurapunktion hat 2 Ziele: (1) Ursachensicherung (bakterielle, zytologische und laborchemische Untersuchung), (2) Entlastung (Abb. 32-10). Weitere Maßnahmen je nach Ursache des Ergusses (s. auch VATS, S.241).
• Hydrothorax: Transsudat - Eiweißgehalt < 3 % • Serothorax: Exsudat - Eiweißgehalt > 3 % zahlreiche Ursachen für Transsudat und Exsudat.
Abb. 32-11: Ausgedehnter Pleuraerguß rechts (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin Fl) Berlin)
Diagnose: Klopfschallverkürzung, abgeschwächtes Atemgeräusch, Dyspnoe. Röntgen: ausgeprägte Verschattung. Sonographie, CT.
Therapie: Ziele: 1. Ursachensicherung 2. Entlastung der Pleurahöhle
364
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Hämatothorax
3.2.2 Hämatothorax
= Blutungen in die Pleurahöhle durch verschiedene Ursachen: • Trauma • iatrogen durch Punktionen • Ruptur eines Aortenaneurysmas • postoperativ nach thorakalen Eingriffen Symptome: Druckgefühl im Brustkorb, Dyspnoe, Tachykardie, Blutdruckabfall, Hb-Sturz. Therapie: möglichst vollständige Entleerung des Hämatoms durch Punktion oder Saugdrainage, wenn nicht möglich durch Thorakotomie. Bei Pleuraschwarte evtl. Dekortikation (Abb. 32-12).
Definition, Ursache: Blutungen in die Pleurahöhle durch Trauma (s. Kapitel 44./1., S.886), iatrogen nach Venenpunktionen (V. subclavia), Pleuraoder Lungenpunktionen, Ruptur einer Emphysemblase oder eines Aortenaneurysmas, postoperativ nach thorakalen Eingriffen. Symptome: Druckgefühl im Brustkorb, Dyspnoe, Tachykardie, Blutdruckabfall, Hb-Sturz. Therapie: ursachenbezogen. Bei traumatischem oder iatrogenem Hämatothorax möglichst vollständige Entleerung des Hämatoms durch Punktion, besser durch Saugdrainage (Abb.32-10). Gelingt dies wegen der Schwere der Blutung oder Koagel nicht, ist die Thorakotomie angezeigt, einmal zur definitiven Blutstillung und zum anderen zur Ausräumung des Hämatoms, um einer Pleuraschwarte vorzubeugen (s. auch VATS, S.241). Die ausgedehnte Pleuraschwarte erfordert bei funktioneller Beeinträchtigung eine Dekortikation (Abb. 32-12).
Pyothorax (Pleuraempyem)
3.2.3 Pyothorax (= Pleuraempyem)
para-/metapneumonische Perforation Lungenabszeß oder Tbc-Kaverne, nach Lungenoperationen, Nahtinsuffizienz am Ösophagus, fortgeleitet aus dem Abdomen etc. Empyem kann Thoraxwand und Diaphragma durchbrechen. Folgen: - Lungenfesselung durch Pleuraschwarte - Rechtsherzinsuffizienz - Hirnabszeß (metastatisch)
Entstehungsursachen: Para- bzw. metapneumonisch, Perforation eines Lungenabszesses oder einer tuberkulösen Kaverne (spezifisches Empyem), postoperativ (z.B. Bronchusstumpfinsuffizienz nach Lungenresektion, Nahtinsuffizienz an der Ösophagusanastomose), posttraumatisch (infiziertes Hämatom), Durchwanderung von Abszessen im Oberbauch (Leberoder subphrenischer Abszeß). Das Empyem kann die Thoraxwand (Empyema necessitatis) und ebenso das Diaphragma durchbrechen, ferner zur chronischen Eiterung mit Empyemresthöhle und direkter Pleuraschwarte führen. Deren Folge ist eine zunehmende „Lungenfesselung" mit Widerstandserhöhung im kleinen Kreislauf und Rechtsherzinsuffzienz, evtl. Hirnabszeß (metastatisch). Symptome, Diagnose: Zeichen der akuten Infektion, wie hohes Fieber, Schüttelfrost, Leukozytose, Senkungsbeschleunigung, Abgeschlagenheit, Dämpfung und abgeschwächtes Atemgeräusch, evtl. Ikterus (toxisch!). Röntgenologisch findet sich eine Verschattung, im CT Flüssigkeitsansammlung (Abb. 32-13), oft abgekapselt. Die Pleurapunktion sichert die Diagnose (mikrobiologische und Resistenztestung, Tbc?). Hämatogene mikrobielle Streuung möglich (z.B. Hirnabszeß). Therapie: Vollständige Entleerung des Eiters durch Punktionen, besser durch Thoraxsaugdrainage VATS. Antibiotika nach Resistenztestung. Bei spezifischem Empyem Tuberkulostatika. Blutkonserven bei Anämie. Wichtig ist die völlige Wiederausdehnung der Lunge und Verkleben der Pleurablätter. Zur Säuberung der Thoraxhöhle Spülungen mit physiologischer Kochsalzlösung, evtl. mit Zusatz von Antiseptika (Polyvidon-Jod) oder Antibiotika. Haben diese Maßnahmen keinen Erfolg, empfiehlt sich die frühzeitige Dekortikation der Lunge (Thorakotomie mit Entfernung der Pleuraschwarte).
Symptome und Diagnose: Zeichen der akuten Infektion, Abgeschwächtes Atemgeräusch, Klopfschallverkürzung. Röntgen: Verschattung (Abb. 32-13), Pleurapunktion zur mikrobiologischen Untersuchung. Therapie: • Entleerung des Eiters durch Punktion oder Saugspüldrainage oder VATS • Antibiotika • Tuberkulostatika • Blutkonserven • bei Erfolglosigkeit Dekortikation der Lunge
Abb.32-12: Ausgedehnte Pleuraschwarte im Bereich der rechten Lunge, a. Entfernung der Schwarte durch Dekortikation der parietalen und viszeralen Pleura, b. Nach Entfernung der Pleuraschwarte dehnt sich die zuvor „gefesselte" Lunge wieder aus
Abb.32-13: Thorax-CT: ausgedehntes abgekapseltes Pleuraempyem in der rechten Brusthöhle
365
Pleura Wird das Empyem chronisch, so bildet sich eine Empyemresthöhle, in der die Eiterung nie ausheilt. Die Operation besteht in der Thoraxfensterung oder Dekortikation bzw. Thorakoplastik (= Resektion mehrerer Rippen. Muskeln und Weichteile füllen dann die Resthöhle als „lebende Plombe" aus) (Abb. 32-12).
• chronisch: Thoraxfensterung oder Dekortikation.
Chylothorax (s. S.392)
3.3 Pleuratumoren
Pleuratumoren
Einteilung, Epidemiologie: Wir unterscheiden zwischen primären und sekundären sowie zwischen gut- und bösartigen Tumoren. Sie sind im Vergleich zu den Lungengeschwülsten selten. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, Altersgipfel zwischen 60-70 Jahren.
Primäre Tumoren Im Vergleich zu Lungengeschwülsten selten, bei Männern häufiger. Unterscheidung zwischen primären und sekundären Tumoren. 1. Benigne Geschwülste, meist Fibrome, von der Pleura parietalis ausgehend, wachsen langsam, verdrängend. • Diagnose: Rö-Übersicht, CT, Thorakoskopie mit Biopsie. • Therapie: bei Beschwerden und großen Tumoren Op. 2. Malignes Pleuramesotheliom: Überwiegend an der P. parietalis oder diffus. Häufig Einbeziehung von Lunge, Zwerchfell, Herzbeutel und Brustwand. Inzidenz: 2,2 Erkrankungen pro Jahr pro 1 Mill. Einwohner. Histologisch epithelialer, mesenchymaler und biphasischer Typ. Asbestexposition gesichert. Symptome: Thoraxschmerzen, Dyspnoe, Druckgefühl, Gewichtsabnahme, Leistungsknick. Diagnose: abgeschwächtes Atemgeräusch, Dämpfung, Vorwölbung der Brustwand (selten). • Asbestanamnese! • Pleurapunktat: hämorrhagisch (50%), geringe Glukosekonzentration, niedriges pH, Tumorzellen nachweisbar. • Thorakoskopie mit Gewebeentnahme. • Röntgenologisch: Tumorverschattung, Pleuraerguß.
Die benignen Pleurageschwülste, meist Fibrome, gehen in 80 % von der viszeralen und nur in 20 % von der parietalen Pleura aus. Sie kommen isoliert und selten multipel vor, teils auch gestielt und erreichen oft beachtliche Größe. Es sind langsam und verdrängend wachsende Tumoren. Diagnose durch Röntgenübersichtsaufnahme und CT, Sicherung durch thorakoskopische Gewebeentnahme. Therapie: Bei Beschwerden und sehr großen Geschwülsten operative Entfernung.
Das maligne Pleuramesotheliom entsteht überwiegend auf der Pleura parietalis, kann jedoch in Lunge, Zwerchfell, Brustwand und Herzbeutel einwachsen. Die Inzidenz liegt bei 2,2 Erkrankungen pro 1 Mill. Einwohner pro Jahr. Histologisch unterscheidet man 3 Varianten: epithelialer (50%), mesenchymaler und biphasischer Typ. Eine Asbestexposition ist gesichert. Die Latenzzeit beträgt etwa 20 Jahre. Der Tumor kann lokalisiert (rundlicher, breitbasiger oder gestielter Knoten) oder diffus (flächenhaft wachsend, mit exzessivem Pleuraerguß) auftreten. Symptome und Diagnose: Wir finden folgende Symptome: • Thoraxschmerzen (nicht obligat!); Druckgefühl durch Erguß • Dyspnoe, abhängig von der ergußbedingten Lungenkompression • Gewichtsabnahme und Leistungsknick. Bei der klinischen Untersuchung auskultatorische und perkutorische Zeichen wie beim Pleuraerguß, selten Vorwölbung der Brustwand. Diagnostik: Asbestanamnese! Pleurapunktat (Abb.32-14): in 50% blutig, geringe Glukosekonzentration, niedriges pH, zytologisch evtl. Tumorzellen nachweisbar. Durch Thorakoskopie mit Gewebeentnahme ist die Diagnose in 98 % zu sichern. Röntgenologisch erkennt man glatt begrenzte Tumorverschattungen (Abb. 32-15) und den Pleuraerguß. Im CT ist die Ausdehnung der Geschwulst verläßlicher abzugrenzen.
klinische Untersuchung
Röntgen Ultraschall CT
Klinische Cemie
Punktion
»-Zytologie/ Histologie
- Thorakoskopie :
Pleurasaugdrainage
l Instillation
l
Thorakotomie
Abb.32-14: Diagnostische und therapeutische Strategie bei malignem raerguß (n. Branscheid u. Bischoff)
Pleu-
Abb.32-15: Pleuramesotheliom: knollige, glattbegrenzte Verschattung parakardial rechts (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FU-Berlin)
366
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Differentialdiagnose: Pleurakarzinose, Brustwandtumor, Zwerchfellhernie. Therapie: Partielle Pleurektomie bei lokalisiertem Tumor. Bei der diffusen Form extrapleurale Pleuropneumektomie Methode der Wahl. Nicht selten Mitresektion von Nachbarstrukturen erforderlich (Zwerchfell, Brustwand, Herzbeutel).
Differentialdiagnose: vor allem Pleurakarzinose, seltener Brustwandtumoren und Zwerchfellhernien. Therapie: Beim umschriebenen Tumor kommt die partielle Pleurektomie in Frage. Bei der diffusen Form insbesondere, wenn Brustwand, Zwerchfell und Lunge einbezogen sind, ist die extrapleurale Pleuropneumonektomie die Methode der Wahl. Meist ist eine plastische Deckung von Brustwand und Zwerchfelldefekten mit lyophilisierter Dura bzw. Kunststoffnetz erforderlich.
Bei Inoperabilität lokale oder systemische Chemo- oder Strahlentherapie bzw. beides. Schlechte Ergebnisse.
Bei Inoperabilität kommt eine lokale oder systemische Chemo- oder Strahlentherapie bzw. auch die Kombination beider Methoden in Betracht. Die Ergebnisse sind bescheiden. Die Polychemotherapie hat im Vergleich zur Monotherapie keine Vorteile. Ziel der palliativen Therapie ist vor allem eine Schmerzlinderung.
Überlebenszeit abhängig v o m histologischen Typ, Letetaiität der erweiterten Pleuropneumonektomie 5 - 8 % , 5-JahresÜberlebenswahrscheinlichkeit 11 % .
Ergebnisse, Prognose: Die Überlebenszeit ist abhängig vom histologischen Typ. Für die erweiterte Pleuropneumonektomie liegt die Letalität zwischen 5-8%, die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei 11 %. Je jünger der Patient, desto günstiger die Überlebenszeit.
3. Pleuritis carcinomatosa - sehr häufig besonders beim Mamma-, Bronchus- und Kolonkarzinom, meist mit hartnäckiger Ergußbildung
Sekundäre Pleuratumoren (Pleuritis carcinomatosa): Sie ist sehr häufig und kommt vor allem beim Bronchus-, Mamma- und Kolonkarzinom vor. Auch Pleurametastasen gehen mit erheblicher Ergußbildung einher, die starke Schmerzen und Dyspnoe verursacht. Die diagnostische Abklärung erfolgt wie bei den primären Pleuratumoren. Meist genügt eine ultraschallgesteuerte und gezielte Punktion mit zytologischer Untersuchung. Bei der thorakoskopischen Untersuchung kann eine sorgfältige Inspektion des gesamten Pleuraraumes erfolgen und reichlich Biopsiematerial entnommen werden, vor allem zur Hormonrezeptorbestimmung beim Mammakarzinom. Die alleinige Pleurapunktion ist therapeutisch ineffektiv. Es kommt zu einem raschen Rezidiv des malignen Ergusses. Daher empfiehlt sich eine chemische Pleurodese z.B. mit Tetracyclinhydrochlorid, Yttrium-90 oder mit Radiogold. Führt diese Behandlung nicht zum Erfolg, ist die Pleurektomie durch VATS (s. S.241) oder offene Thorakotomie angezeigt, die in 90% gute Ergebnisse hat. Die 30-Tage-Letalität bei dieser Operation liegt bei-2%.
• Diagnose wie bei den primären Pleuratumoren.
Therapie: Pleurapunktion allein ineffektiv. chemische Pleurodese z. B. mit Tetracyclinhydrochlorid günstiger. Beste Therapie: Pleurektomie: in 9 0 % gute Ergebnisse bei einer 30-Tage-Letalität 0,5-2%.
Lungen
4. Lungen 4.1 Anatomie, Funktion, Funktionsuntersuchungen, -Störungen
Anatomischer Aufbau der Lunge (Abb. 32-16).
Ausgeprägtes Lymphdrainagesystem: Abfluß v o n der Peripherie in Richtung Lungenhilus Beim Bronchuskarzinom wichtig Funktion
Klinische Anatomie: Lungenresektionen orientieren sich am Aufbau der beiden Lungenflügel mit Lungenlappen und Segmenten entsprechend den Verzweigungen des Bronchialbaumes und der A.pulmonalis (Abb. 32-16). Die Lungenvenen verlaufen zwischen den einzelnen Segmenten, die im Gegensatz zu den Lappen nicht durch einen freien Pleuraspalt getrennt sind. Die rechte Lunge hat 3, die linke 2 Lappen. Diese sind wiederum in 2-5 Segmente unterteilt, die international mit den Ziffern 1-10 bezeichnet werden. Rechts gibt es 10, links 9 Segmente (Nr.7 fehlt). Die Lunge besitzt ein ausgeprägtes Lymphdrainagesystem, das vor allem beim Bronchialkarzinom von Bedeutung ist. Man unterscheidet intrapulmonale, hiliäre und mediastinale Lymphknoten: tracheobronchial, paratracheal, paraaortal, paraösophageal. Zusätzlich zu den intrathorakalen zählen auch die supraklavikulären und die Skalenuslymphknoten zum regionalen Lymphabflußgebiet der Lunge. Der Lymphstrom fließt von der Lungenperipherie in Richtung Hilus. Klinische Physiologie. Wichtigste Funktion der Lunge ist der Gasaustausch zwischen der Atemluft und dem Blut. Grundlage für diese äußere Atmung sind verschiedene Funktionen: Respiration, Perfusion, Diffusion und der Gastransport im Blut. Jede dieser Teilfunktionen kann durch spezielle diagnostische Verfahren geprüft werden. Störungen im physiologischen Zusammenspiel der Gesamtfunktion sind nicht selten. Durch Eingriffe an den Organen der Brusthöhle werden Atmung und Kreislauf beeinträchtigt, insbesondere bei lungenverkleinernden Operationen. Dabei ist - auch bei großen Eingriffen im Oberbauch - eine umfangreiche präoperative Funktionsdiagnostik erforderlich.
Lungen
367
Abb. 32-16: Lappen- und der Lunge rechte Lunge OL 1 = apikal 2 = posterior 3 = anterior ML 4 = lateral 5 = medial UL 7 = mediobasal 8 = anterobasal 9 = latero basal 10 = posterobasal
Die Lunge hat neben ihrer respiratorischen Funktion auch Aufgaben bei der Regulation des Wasserhaushaltes, der pH-Regulation, der Immunabwehr und der Blutgerinnung zu erfüllen.
Die wichtigste Aufgabe der Lunge ist die Respiration, der Gasaustausch zwischen atmosphärischer Luft und Blut. 3 Teilfunktionen sind hierfür von Bedeutung: • Ventilation: Belüftung der Alveolen, Perfusion: Durchblutung des Lungenparenchyms; • Diffusion: Transport der Gasmoleküle entlang der Alveolar- und Kapillargrenzen. Pathophysiologie. Ursächlich für die respiratorische Insuffizienz sind: • Totraumventilation: Ventilation nicht durchbluteter Alveolen, z.B. bei der Lungenarterienembolie • Rechts-Links-Shunt: Durchblutung nicht belüfteter Alveolen, z.B. bei der Bronchusobstruktion • Störung der Atemmechanik, obstruktive Form: vermehrter in- und exspiratorischer Strömungswiderstand, restriktive Form: Reduktion des ventilierten und durchbluteten Lungenparenchyms. Funktionsuntersuchungen. Wichtige präoperative Untersuchungsverfahren zur Festlegung der funktionellen Operabilität sowie peri- und postoperativen Risikoabschätzung sind: • Spirometrie zur Bestimmung der Ventilationsgrößen • Perfusionsszintigraphie zur Abschätzung der postoperativ verbleibenden Funktion • Blutgasanalyse zur Bestimmung der 0 2 und C0 2 -Partialdrücke und respiratorisch bedingten Gasaustauschstörungen • Pulmonalarteriendruckmessung zur Operabilitätsbeurteilung in Grenzbereichen, z.B. verbietet ein Druckanstieg > 45 mmHg unter leichter Belastung (1 W/kg KG) eine Pneumonektomie. Die wichtigsten spirometrischen Verfahren und ihre Werte sind: Vitalkapazität (VK): Luftmenge (3,5-5,5 1), die nach tiefer Inspiration ausgeatmet wird. Verminderung spricht für eine restriktive Lungenerkrankung. Tiffeneau-Test {Atemstoßtest, FEV 1): Luftmenge, die nach max. Einatmung mit forcierter Exspiration in der 1. Sekunde ausgestoßen wird (normal: 7080 % der VA). Wichtig zur Beurteilung einer obstruktiven Lungenerkrankung.
Segmentaufteilung
linke Lunge OL 1 = apikal 2 = posterior 3 = anterior 4 = superior lingulae 5 = inferior lingulae UL 6 = dorsal 8 = anterobasal 9 = laterobasal 10 = posterobasal
Lungenbeteiligung bei: - Regulation des Wasserhaushaltes - pH-Regulation - Immunabwehr - Blutgerinnung Wichtigste Aufgabe der Lunge ist die Respiration. 3 Teilfunktionen sind v o n Bedeutung: • Ventilation, Perfusion, Diffusion.
Respiratorische Insuffizienz durch: • Totraumventilation • Rechts-Links-Shunt • Störung der Atemmechanik (obstruktive und restriktive Form)
Funktionsuntersuchungen
Spirometrische Untersuchungen: • VK • FEV 1
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32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum Atemminutenvolumen (AMV): Luftvolumen (6-81/min), das in 1 Minute ventiliert wird. Atemgrenzwert (AGW): Luftmenge, die in 1 min max. ventilierbar ist (normal: d 1201/min, 9 1101/min). Residualvolumen (RV): Luftmenge, die nach max. Ausatmung in der Lunge zurückbleibt (altersabhängig, z. B. bei 20jährigen 30 % der Totalkapazität), beim Emphysem erhöht. Totalkapazität (TK): Fassungsvermögen der Lungen bei max. Inspiration. Funktionelle Residualkapazität (FRK): Summe aus Residualvolumen und expiratorischem Reservevolumen.
AMV AGW RV
TK FRK Weitere Lungenfunktionsuntersuchungen: • Bronchospirometrie • Body-Plethysmographie • Ergospirometrie • Compliance • Pulmonaliskatheter
Spezielle und aufwendigere Lungenfunktionsuntersuchungen sind: • Bronchospirometrie: Ventilationsuntersuchung eines isolierten Bronchussegmentes bei Intubation. • Ganzkörperplethysmographie (Boyle-Mariotte-Gesetz): Messung des intrathorakalen Gasvolumens und des Atemwegswiderstandes. • Spiroergometrie: Ermittlung der funktionellen Leistungsfähigkeit der Lunge bei stufenweiser Arbeitsbelastung (Fahrradergometrie). • Compliance (elastischer Widerstand): Volumendehnung des Brustkorb-Lungensystems entspricht dem Quotient der Zunahme des Lungenvolumens und des intrapulmonalen Druckes. Erhöht bei Lungenödem, Atelektasen, Pneumonie, erniedrigt beim Emphysem.
Blutgasanalyse: Bestimmung von Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck Normalwerte: • p0 2 : 90-102 mmHg • pC0 2 : 34-46 mmHg • Standardbicarbonat: 24-32 mmol/l • Basenüberschuß: ± 2 mmol/l Störungen der Lungenfunktion 1. Respiratorische Insuffizienz - p C 0 2 > 5 0 mmHg - p 0 2 < 60 mmHg 2. Partialinsuffizienz - pCO,: normal - p02i
Blutgasanalyse. Sauerstoff- (p0 2 ) und Kohlendioxidpartialdruck (pC0 2 ) erfassen Lungenfunktionsstörungen. Normalwerte: p 0 2 = 90-102 mmHg (11,1-13,6 kPa; p C 0 2 = 34-46 mmHg (4,53-6,13 kPa); Standardbicarbonat 24-32 mmol/l; Basenüberschuß (BE) ± 2 mmol/l. Respiratorische Störungen müssen vor einem geplanten Eingriff, insbesondere am Thorax, erfaßt und bei der Operationsindikation berücksichtigt werden: • respiratorische Insuffizienz: Verschiebung des Gleichgewichts von p 0 2 und p C 0 2 : p 0 2 < 60 mmHg (7,99 kPa), p C 0 2 > 50 mmHg (6,67 kPa). • Partialinsuffizienz: Mangelbelüftung einzelner Alveolarbezirke mit Änderung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses. Gut belüftete Lungenpartien eliminieren CO z kompensatorisch durch Hyperventilation, pCO z normal, p 0 2 erniedrigt.
FEVi präop. gemessen^ geplante Operation
Ventilationsgrößen >50% des Sollwertes >55-60% der Ist-VK 45%-75 i/min
Vitalkapazität (VK) Tiffeneau (FEVi) Atemgrenzwert
Pneumonektomie Lobektomie Segmentresektion
Blutgasanalysen P02 >65 mmHg PC02 2,5 I >1,751 >1,5 I
1,21 >1,21
0,8-1,21 0,8-1,21
Abflußbehinderung des Bronchialsekretes —»Dilatation, Infektion, Gerüstschäden an der Wand -> irreversible Erweiterung des Bronchus. Symptome und Komplikationen:
Diagnostik: grobblasige RG, Röntgen: streifige Verschattung in Unterlappen. Sicherung durch Bronchographie und CT.
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32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Differentialdiagnose: • chron. Bronchitis, Pneumonie • Tbc, Lymphangiosis carcinomatosa • Nebenlunge, idiopathische Bronchorrhoe
Therapie: tägliche Lagerungsdrainage, Atemgymnastik, Inhalation, Mukolytika, Expektoranzien, Antibiotika. Operationsindikation: - jüngere Patienten mit ein- oder beidseitigem Befall - rezidivierende Hämoptysen - drohende Invalidität Kontraindikationen beachten! Chirurgische Therapie der Lungentuberkulose:
Die Bronchographie sichert die Diagnose und informiert über Art, Ausdehnung und Lokalisation der Bronchiektasen. Sie ist für die Operationsplanung unerläßlich. Bei Jugendlichen ist außerdem nach einer Mukoviszidose zu fahnden. Im CT stellen sich Bronchiektasen sehr gut dar; Sekretspiegel sind gut sichtbar. Differentialdiagnose: • Erkrankungen mit einer Bronchorrhoe: chronische Bronchitis, Tuberkulose, idiopathische Bronchorrhoe, Lymphangiosis carcinomatosa. • Röntgenologisch: Krankheiten mit multiplen Einschmelzungen oder Blasenbildungen. • chronische Pneumonien, besonders im Unterlappen lokalisierte und Lungensequestration (Abb. 32-32). Therapie: Konservativ: tägliche Lagerungsdrainage, Atemgymnastik, Inhalationen, Mukolytika, Expektoranzien, Antibiotika nach Testung. Operationsindikation ist gegeben bei jüngeren Patienten mit ein- oder beidseitigem Befall, bei rezidivierenden Hämoptysen und bei drohender Invalidität. Bei schwerem doppelseitigen Befall, Cor pulmonale und Amyloidose mit Niereninsuffizienz ist die Operation kontraindiziert. Der Eingriff soll parenchymsparend durchgeführt werden, Segmentresektion, allenfalls Lobektomie (s. auch VATS, S.242).
4.5.6 Chirurgische Therapie der Lungen-Tbc Die Behandlung der Lungentuberkulose hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt.
Operation heute selten angezeigt, da wirksame Tuberkulostatika zur Verfügung stehen.
Tuberkulostatika führen meist zur Heilung, eine Operation ist nur noch selten angezeigt. Früher stand die Kollapstherapie (Pneumothorax, Pneumoperitoneum, Pneumolyse, Thorakokaustik, Thorakoplastik) im Vordergrund.
Resezierende Verfahren indiziert bei:
Heute sind es die resezierenden Verfahren bei:
• • • •
Restkavernen, Tuberkulom > 2 cm Bronchusstenose, „destroyed lung" Kavernenperforation Lungenbluten
• Restkavernen ohne Rückbildungstendenz unter konservativer Therapie • Tuberkulom, das als Rundherd oft von einem Tumor nicht abzugrenzen ist. Bei einer Größe von > 2 cm empfiehlt sich auch bei gesicherter Diagnose die Operation wegen der Gefahr der Streuung virulenter Tuberkelbakterien. • Tuberkulöse Bronchusstenose (selten), die zur Sekretstauung, Atelektase, Bronchiektasie und Abszedierung führen kann • destroyed lung: Zerstörung eines ganzen Lungenflügels mit käsiger Pneumonie, Kavernisierung und chronischer Schrumpfung • Kavernenperforation in die Pleurahöhle mit spezifischem Empyem • bei massiver Lungenblutung.
Abb. 32-32: Bronchiektasen mit streifigen Verdichtungen im rechten Unterlappen Z^ (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin)
Abb. 32-33: Schwere tuberkulöse Zerstörung des linken Lungenflügels, sog. destroyd lung
Lungen Operative Therapie: Parenchymsparende Resektionen (Segment- und Lappenresektion) unter tuberkulostatischem Schutz. Pneumonektomie, evtl. mit Thorakoplastik, nur bei der destroyed lung (Abb. 32-33) angezeigt.
379 Operative Therapie: parenchymsparende Resektionen. Pneumonektomie bei „destroyed lung". Nachbehandlung mitTuberkulostatika über 4-6 Monate erforderlich.
Eine spezifische Nachbehandlung mit Tüberkulostatika (s. Lehrbücher der Inneren Medizin) ist, um eine bei der Operation mögliche Streuung zu beeinflussen, über 46 Monate erforderlich.
4.5.7 Pilzinfektionen (Mykosen)
Pilzinfektionen (Mykosen)
Pathogenese: Lungenmykosen entstehen überwiegend bei Patienten mit erheblich reduzierter Abwehrlage (Karzinomkachexie, Intensivtherapiepatienten mit breiter Antibiotikatherapie, AIDS usw.). Die Pilzinvasion erfolgt durch hämatogene Streuung oder durch Überwucherung saprophytisch lebender Pilze der Haut und Schleimhäute (nach Antibiotika-Therapie!). Erreger: Am häufigsten treten Hefepilze (Candida albicans), Schimmelpilze (Aspergillus-Arten) und Blastomyces auf. In der Lunge entstehen eitrige, verkäsende, kalzifizierende und granulomatöse Herde, solitär oder auch multipel. Der Verlauf ist chronisch. Symptome: Abgeschlagenheit, Fieber, Husten mit Auswurf, Hämoptysen, Übelkeit, Erbrechen, meningitische Zeichen. Diagnose: Röntgenologisch sieht man mehr oder weniger scharf begrenzte inhomogene Rundherde, typisch beim Aspergillom mit lageverschieblicher Luftsichel. Sicherung der Diagnose durch mikrobiologischen Pilznachweis im Sputum und zusätzlich durch serologisch-immunologische Tests. Senkungsbeschleunigung, im Blutbild Leukozytose. Differentialdiagnose: Rundherde, (Tuberkulose, Metastasen, s. S.380), Echinokokkuszysten: Serologie, Anamnese, Bronchopneumonie. Therapie: Mykostatika (Amphotericin B, Flucytosin). Operatives Vorgehen, falls klinisch und funktionell vertretbar: beim Aspergillom, bei umschriebener Kryptokokkuspneumonie. Operationsverfahren: gewebesparende Resektionen (VATS, S. 242).
Pilzinvasion durch hämatogene Streuung oder durch Überwucherung von Hautpilzen. Am häufigsten: - Hefepilze - Schimmelpilze - Blastomyces Herdentstehung in der Lunge
4.5.8 Echinokokkose
Echinokokkose
Die Lunge ist der zweithäufigste Absiedlungsort des Echinokokkus (Leber 75-80%, Lunge 10-15 %, andere Organe 5 %). Die Zysten kommen solitär und multipel vor. Die Infektion erfolgt vom Verdauungstrakt her, dann auf dem Blutwege nach Passage der Leber in die Lungen. Die Aspiration von Echinokokkusbläschen ist sehr selten. Näheres über die Parasitologie des Echinokokkus s. Kap.35./10, S.667. Für die Therapie ist wichtig der dreischichtige Aufbau der Echinokokkuszyste: Wirtskapsel, Cuticula und Keimschicht.
am zweithäufigsten in der Lunge, solitäre und multiple Zysten. Ausgangspunkt: Verdauungstrakt -» Blutweg —> Leber Lunge.
Symptome, Diagnose. Klinik: Häufig Reizhusten und Hämoptyse, seltener Dyspnoe und Brustschmerzen. Bei Zystenruptur größere Mengen wäßriges Sputum, allergische Reaktionen, im Röntgenbild schwimmende Membran (waterlily sign), Ivanissewich-Zeichen (Membran imponiert als „unregelmäßig" begrenzter Rundherd). Auf dem Röntgenbild sieht man homogene, rundliche, scharf begrenzte Verschattungen (Abb. 32-34). Zwischen Wirtskapsel und Cuticula kann Luft eindringen und eine perivaskuläre, ringförmige Aufhellung verursachen. Wichtig ist die Computertomographie. Bei rupturierten Zysten hilft die Bronchoskopie bei der differentialdiagnostischen Abgrenzungen eines Bronchuskarzinoms. Punktionen sind wegen der Verschleppungsgefahr strikt zu vermeiden! Immunologische Testreaktionen (Immunfluoreszenztest, Hämagglutinationstest, Komplementbindungsreaktion nach Weinberg, Casoni-Hauttest) unterstützen die Diagnose, Trefferquote 80-90%. Differentialdiagnose: solitäre und multiple Rundherde.
Symptome und Diagnose: häufig Husten und Hämoptyse, selten Dyspnoe und Brustschmerz. Bei Zystenruptur wäßriges Sputum, allergische Reaktionen. Röntgenbild: scharf begrenzte Verschattung. CT wichtig. Bronchoskopie bei rupturierten Zysten, keine Punktion, immunologische Testreaktionen.
Chronischer Verlauf. Symptome: Abgeschlagenheit, Fieber, Husten mit Auswurf, Hämoptyse. Diagnose: • Röntgen: inhomogene Rundherde. • Sicherung der Diagnose: - mikrobiologischer Pilznachweis im Sputum - serologisch-immunologisch - Senkungsbeschleunigung - im Blutbild Leukozytose Differentialdiagnose beachten! Therapie: Mykostatika, Parenchymsparende Resektionen bei unklarer Diagnose, Aspergillom, umschriebener Krytokokkuspneumonie.
Differentialdiagnose: solitäre und multiple Rundherde.
380
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Abb. 32-34: Mehrere glattbegrenzte Rundherde in beiden Lungen: Echinococcus cysticus (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin)
Abb. 32-35: Gut begrenzter Rundherd im linken Unterfeld: peripheres Bronchialkarzinom (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin)
Komplikationen: bronchogene Verschleppung, Abszedierung, Atelektasen, Einbruch in die Pleurahöhle —> anaphylaktischer Schock, Pneumothorax, Pleuraechinokokkose. Therapie: operative Entfernung der Zysten. Cave: Verschleppung der Hydatidenflüssigkeit. Operationsverfahren: 1. Perizystektomie 2. Enukleation 3. Entfernung der Parasitenzyste 4. Lungenresektion, selten
Komplikationen: Rupturiert die Echinokokkusblase, sind folgende Komplikationen möglich: bronchogene Verschleppung des Zysteninhalts, Abszedierung durch Sekundärinfektion, Atelektasen durch Bronchusobturation, Einbruch in die Pleurahöhle mit anaphylaktischem Schock, Pneumothorax, Pleuraechinokokkose. Therapie: Operative Entfernung der Zysten (s. Abb. 35.10-8, S. 668). Cave: Verschleppung der Hydatidenfliissigkeit! Folgende Operationsverfahren: 1. Perizystektomie (Parasitenzyste mit Wirtskapsel), 2. Enukleation der Parasitenzyste, 3. Entfernung der Parasitenzyste nach vorheriger Absaugung und Abtötung des Parasiten mit 40 % iger NaCl-Lösung oder 0,5 % iger Argentum-Nitricum-Lösung, 4. Lungenresektion nur selten.
Tumoren
4.6 Tumoren
Rundherde:
4.6.1 Rundherde und ihre Differentialdiagnose
Röntgen: runde, scharf begrenzte homogene, evtl. teils verkalkte Verschattung, umgeben von gesundem Lungenparenchym. Anzeichen für gut- und bösartige Prozesse.
Definition: Im Röntgenbild rundliche, relativ scharf begrenzte homogene, teils auch verkalkte Verschattung, die von gesundem Lungenparenchym umgeben ist (Abb. 32-34, 35). Der Durchmesser schwankt zwischen 1,5 und 8 cm. Der röntgenologische Begriff Rundherd wurde von der Klinik übernommen.
=» Symptome: teilweise symptomlos, Schmerzen, Husten, Hämoptysen, Belastungsdyspnoe. Diagnose: - Röntgenübersichtsaufnahme (2 Ebenen) - CT - Bronchoskopie - Thorakoskopie - Labor- und mikrobiologische Untersuchungen Im Zweifelsfall: Thorakotomie. Sicherung der Diagnose: mikrobiologisch, histologisch.
Der Rundherd ist solange malignitätsverdächtig, bis ein bösartiger Tumor ausgeschlossen ist: ca. 2/3 sind maligne, V3 gutartig! Symptome. 20 % der Rundherde sind asymptomatisch und werden zufällig oder bei Röntgenreihenuntersuchungen entdeckt. Je zentraler der Herd lokalisiert ist, um so häufiger und intensiver sind die Symptome: Schmerzen, Husten, Hämoptysen oder Belastungsdyspnoe. Diagnose. Die Abklärung eines Rundherdes kann Röntgenübersichtsaufnahmen (2 Ebenen), CT, Bronchoskopie, videoassistierte Thorakoskopie incl. Biopsie und Zytologie, Labor- und mikrobiologische Untersuchungen erforderlich machen, im Zweifelsfall wird thorakotomiert. Nur der histologische oder mikrobiologische Befund sichert die Diagnose. Schnelle Größenzunahme des Herdes spricht für Malignität. Von der Lokalisation her gibt es keine Prädilektion für den malignen Rundherd, aber
Lungen
381
Tab.32-1: Lungenrundherde und ihre Differentialdiagnose (nach W.Bautz 1987) 1. Maligne Rundherde Bronchuskarzinom Metastasen maligne Lymphome
2. Benigne und semimaligne Hamartochondrome Bronchusadenome Neurofibrome Fibrome Lipome Osteome
3. Entzündliche Rundherde Tuberkulome Pneumonien Abszesse eosinophile Infiltrate Aspergillome Echinokokkus Lues
4.
Rundherde
Gefäßprozesse arteriovenöse Fisteln Varixknoten
5. Zysten Zystische Bronchiektase bronchogene Zyste
70-80 % der spezifischen Herde liegen in den Oberfeldern. Ihre Einschmelzungstendenz nimmt mit der Größe zu. Kalkeinlagerungen sprechen für Gutartigkeit. Differentialdiagnose der Rundherde: Tab. 32-1.
Schnelle Größenzunahme: Malignität, Kalkeinlagerung: Gutartigkeit.
4.6.2 Bronchialkarzinom
Bronchialkarzinom
Differentialdiagnose (Tab. 32-1 ).
4.6.2.1 Epidemiologie, Ätiologie, Prävention Epidemiologie: 1984 kamen in der Bundesrepublik 9.5 Todesfälle auf 100000 Einwohner durch Lungenkrebs; dies bedeutet eine Steigerung von 22 % in den letzten 10 Jahren.
Epidemiologie In der B R D 9.5 Todesfälle durch Bronchuskarzinom auf 100000 Einwohner/Jahr.
1996 werden voraussichtlich 38000 Menschen an einem Bronchialkarzinom erkranken, und nur etwa 10% von ihnen werden vermutlich 5 Jahre überleben können (H.-N.Macha)!
Das Bronchialkarzinom ist der häufigste bösartige Tumor des Mannes; aber auch bei Frauen steigt die Zahl der Erkrankungen, 1987 starben 5198 Frauen an diesem Tumor.
• häufigster Tumor des Mannes, • steigende Tendenz, auch bei der Frau.
In Deutschland gibt es eindeutige regionale Schwerpunkte für die Bronchialkrebssterblichkeit: Bei Männern hohe Raten in den Ballungsgebieten an Rhein und Ruhr sowie in den Stadtstaaten, mittlere Erkrankungsraten im Norden und niedrige im Süden. Für Frauen ist das Verteilungsmuster ähnlich. Eine familiäre Häufung des Tumors ist inzwischen erwiesen (Familienanamnese!). Genetische Faktoren, können die konstitutionelle Empfindlichkeit für kanzerogene Noxen modulieren. Der Altersgipfel liegt zwischen 55 und 65 Jahren.
Regionale Schwerpunkte: Rheinland, Ruhrgebiet, Stadtstaaten. Altersgipfel: 55-65 Jahre
Ätiologie. Das Bronchialkarzinom wird durch exogene Noxen induziert. Dabei steht das inhalative Zigarettenrauchen (Teerprodukte, Benzpyrene) mit 80-90 % (Abb. 32-36) im Vordergrund.
Ursache (Abb. 32-36): - Inhalationskarzinogene - Zigarettenrauchen - > 8 5 %
In nur 10-15 % kommen andere Noxen, z. B. Umweltfaktoren wie Asbest, Kohleverbrennungsprodukte, Radon, Röntgenstrahlen, genetische und Ernährungsfaktoren in Frage.
- Umweltnoxen Benzpyren, Radon, Asbest - genetische Faktoren
Das Zigarettenrauchen wird - wie durch Studien belegt werden konnte - synergetisch und additiv. Ebenso konnte gezeigt werden, daß die Gefährdung mit der Zahl der pro Tag gerauchten Zigaretten linear zunimmt und bei mehr als 40 Zigaretten pro Tag sogar exponentiell ansteigt. Die Zunahme des Lungenkrebses bei der Frau ist in 88 % ebenfalls durch den Faktor Rauchen erklärbar. Raucherinnen sind außerdem häufiger von Tümoren des kleinzelligen Typs betroffen.
Zigarettenrauchen wirkt synergistisch und additiv!
4=
382
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
A
Narben Röntgenstrahlen Ernährungsfaktoren (Vit.A-Mangel)? genetische Faktoren ? unbekannte Faktoren ?
andere Faktoren
EI
Luftverschmutzung
pulmotrope Karzinogene
8%
\
Asbest Chromate Arsen Haloäther Nickel Kohlenverbrennungsprodukte Radon etc.
Tabakrauch 85%
Abb. 32-36: Geschätzte Anteile ätologischer Faktoren am Bronchialkarzinom (n. D. Schmähl)
Prävention: - Aufklärung - Raucherentwöhnung - Ausschaltung von Berufs- und Umweltnoxen.
Prävention. Disposition und Exposition bestimmen also das individuelle Risiko, an einem Bronchialkarzinom zu erkranken. Die Prävention durch Aufklärung und Raucherentwöhnung sowie durch die Ausschaltung von Berufs- und Umweltnoxen muß nachdrücklich vertreten werden!
Pathomorphologie
4.6.2.2 Pathomorphologie
• Karzinomlokalisation ist für Prognose und Operationstaktik von Bedeutung: 1. Zentrales Karzinom -> Haupt- und Lappenbronchus, häufig kleinzelliges Karzinom 2. Intermediäres Karzinom Segmentund Subsegmentbronchus, meist Plattenepithelkarzinom 3. Peripheres Karzinom Bronchien 5. Ordnung, meist Adenokarzinome
Die WHO unterteilt die Karzinome nach der Lokalisation: • zentrale Bronchialkarzinome: vom Haupt- oder Lappenbronchus ausgehend, überwiegend kleinzellig • intermediäre Karzinome: vom Segment- und Subsegmentbronchus ausgehend, evtl. auf Haupt- oder Lappenbronchus übergreifend, meist Plattenepithelkarzinome • periphere Karzinome: von Bronchien 5. oder höherer Ordnung ausgehend. Ausbreitung hiluswärts möglich, überwiegend Adenokarzinome. Die Karzinomlokalisation ist für Prognose und Operationstaktik von Bedeutung. Die rechte Lunge ist häufiger befallen als die linke, die Oberlappen häufiger als die Unterlappen.
Die rechte Lunge und die Oberlappen sind am häufigsten betroffen. • Tumorklassifikation (Tab.32-2 u. 32-3)
5 histologische Grundformen
Die Tumorklassifikation (WHO 1981, UICC 1987) berücksichtigt • die Histomorphologie der Tumoren wie Typing und Grading (s. u.) • die anatomische Ausbreitung zum Zeitpunkt der Diagnosestellung: Staging, TNM-Klassifikation (Tab. 32-2) • das Vorhandensein oder Fehlen von Residualtumorgewebe nach Therapie, R-Klassifikation. Die Tumorklassifikation beeinflußt die Prognose und Therapie; sie ermöglicht die Beurteilung und den Vergleich der Behandlungsergebnisse. Entsprechend dieser Klassifizierung werden Tumorstadien definiert (Tab. 32-3). Histologie. Für den Lungenkrebs ist histomorphologisch die Tendenz zu pluriformen mikroskopischen Strukturen typisch. Man unterscheidet 5 histologische Grundformen (WHO 1981):
Lungen
383
1. Plattenepithelkarzinom (= epidermoidales Karzinom) 2. kleinzelliges Karzinom: Haferzell-(oat cell) Karzinom, Intermediär-Typ, kombiniertes Haferzell-Karzinom 3. Adenokarzinom: azinäres, papilläres, bronchioloalveoläres, solides mit Schleimbildung 4. großzelliges Karzinom: riesenzelliges, hellzelliges 5. adenosquamöses Karzinom: Karzinoid; Bronchusdrüsenkarzinome: adenoid-zystisches, mukoepidermoidales Karzinom, sonstige Karzinome Tab.32-2: Klassifizierung des Bronchialkarzinoms nach TNM-System Klassifikation (UICC, 1987)
und R-
Tumor Ts T1
Carcinoma in situ: Tumor nur im Epithelbereich, Basalmembran nicht durchbrochen. Tumor auf den Ursprungsort beschränkt. Zentraler Tumor: Segmentb r o n c h u s . Peripherer
Tumor:
< 3 cm.
T2
Tumor über den Ursprungsort hinausgewachsen, jedoch auf das Organ beschränkt. Zentraler Tumor: auf den Lappenbronchus übergreifend.
T3
Tumor jeder Größe, beginnt Organgrenze zu überschreiten. Zentraler Tumor: Auf den Zwischen- oder Hauptbronchus übergreifend. Peripherer Tumor: Übergreifen auf Pleura oder beginnendes Einwachsen in die Brustwand, Mediastinum, Zwerchfell oder Tumor im Hauptbronchus < 2 cm distal der Karina. Tumor jeder Größe. Massives Einwachsen in die Umgebung. Zentraler Tumor: auf die Trachea übergreifend oder breiter Einbruch in Herzbeutel, Mediastinum (Phrenikuslähmung), Zwerchfell, Wirbelkörper, maligner Pleuraerguß. Peripherer Tumor: Breiter Einbruch in die Brustwand (Rippendestruktion), Mediastinum, Zwerchfell.
Peripherer
T4
Tumor:>
3 cm.
Lymphknoten NO Keine Lymphknotenmetastasen nachweisbar. N1 Befall der ersten Lymphknotenstation ipsilateral. Lymphknoten in der Gabelung der größeren Segment- oder Lappenbronchien, N2
Befall der 2. Lymphknotenstation, der oberen tracheobronchialen Lymphknoten und links des „Botalli-Lymphknotens". N3 Befall der 3. Lymphknotenstation. Kontralaterale mediastinale Lymphknoten. Kontralaterale Hilus-, ipsi oder kontralaterale Skalenus- o d e r s u praklavikuläre Lymphknoten. Fernmetastasen: MO keine Fernmetastasen nachweisbar, MI Fernmetastasen: lymphogen: Carcinosis pleurae, Lymphangiosis carcinomatosa der Lunge, supraklavikuläre Lymphknoten. Hämatogen: Organmetastasen. R-Klassifikation: RxVorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden, flOkein Residualtumor, R1 mikroskopischer, R2 makroskopischer Residualtumor.
Tab.32-3: Stadiengruppierung (UICC, 1987) Okkultes Karzinom
Tx
NO
MO
Stadium 0
Tis
NO
MO
Stadium I
T1 T2
NO NO
MO MO
Stadium II
T1 T2
N1 N1
MO MO
Stadium IIIA
T1 T2 T3
N2 N2 NO, N1, N2
MO MO MO
Stadium HIB
jedes T T4
N3 jedes N
MO MO
Stadium IV
jedes T
jedes N
M1
- Plattenepithel-, Adeno-Ca. - kleinzelliges, großzelliges Ca. - adenosquamöses Ca.
384
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
• Malignitätsgrad (Tab. 32-2) - G1 bis G4
Grading. Beim Malignitätsgrad (Grading) werden unterschieden: Gl —> gut differenziert, G2 —> mäßig differenziert, G3 —> schlecht differenziert und G4 undifferenziert.
Ausbreitung und Metastasierung
Ausbreitung, Metastasierung und daraus entstehende Komplikationen. 4 Ausbreitungs- bzw. -Metastasierungswege sind möglich: (1) kontinuierliches Wachstum in der Lunge: Rundherde —> Segmentatelektasen, Kavernenbildungen; in die Lungenaiveolen —> „Krebspneumonie"; Lymphgefäße —> Lymphangiosis carcinomatosa, Lunge überschreitend: • Pancoast-Tumor (sog. Ausbrecherkrebs) in der Lungenspitze —»Infiltration des Plexus brachialis (Schmerzen, Lähmungen), des N. sympathicus (Horner-Syndrom), in die Brustwand (Schmerzen, Pleuritis hämorrhagica) • in den Herzbeutel —> Perikarditis; das Diaphragma; benachbarte Lungenlappen • ins Mediastinum —> Ösophagus (Dysphagie), N. recurrens (Heiserkeit), Trachea. (2) lymphogene Metastasierung (Abb. 32-37). Der Lymphstrom fließt von der Lungenperipherie zum -hilus. Die-regionären Lymphknoten sind die intrathorakalen, d. h. peribronchiale und mediastinale mit ihren Untergruppen (s. dieses Kap. 4.1). Von den Bifurkationslymphknoten aus können auch die Lymphknoten der kontralateralen Seite befallen werden. (3) hämatogene Metastasierung, bevorzugt in Leber, Knochen (Wirbelsäule), Gehirn, Nebennieren. (4) kanalikulär (selten), in die Lichtung eines Bronchus und von dort innerhalb derselben Lunge oder in die kontralaterale.
• Kontinuierliches Wachstum: Innerhalb der Lunge und die Lunge überschreitend -> Pancoast-Tumor („Ausbrecherkrebs"), Infiltration des Herzbeutels, der Brustwand, des Zwerchfells, der V. cava, des Ösophagus
Lymphogene Metastasierung: thorakal peribronchiale und mediastinale Lymphknoten, abdominale Lymphknoten Hämatogene Metastasierung. Bevorzugt in Leber, Knochen, Gehirn, Nebenniere Kanalikuläre Ausbreitung (selten) über das Bronchialsystem der gleichseitigen und kontralateralen Lunge Symptome
4.6.2.3 Symptomatik und Diagnostik
Keine Frühsymptome! Daher schlechte Prognose!
Symptome. Das Bronchialkarzinom hat keine Frühsymptome! Treten Symptome auf, so ist es oft für eine Heilung schon zu spät. Fast immer kommen die Patienten erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium zur Diagnostik.
Zigarettenraucher chron. Husten Hämoptyse \ > Dyspnoe ^ Gewichtsverlust x
Anamnese
Labor
Ultraschall
Bronchoskopie
< <
rundliche, wenig scharf begrenzte Verschattung, oft bis apfelgroß (s. Abb. 32-35),
1. Basisdiagnostik - Anamnese, status praesens - Labor: CEA, TPA, NSE u.a. - Röntgenthorax a.p. u. seitlich - Sputumzytologie - Lungenfunktion - Bronchoskopie 2. Weiterführende Diagnostik zur • Metastasensuche • Operabilitätsbeurteilung
Je nach Sitz des Tumors typische Zeichen im Röntgenbild:
386
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum • Subsegmentatelektase, Retentionspneumonie, Karzinomzerfallshöhle, evtl. mit Infektion (Abszeß), • Pancoast-Tumor —> Karzinom der Lungenspitze mit röntgenologisch plattenartiger oder keilförmiger Verschattung und fehlender Abgrenzung zur Brustwand (Infiltration), Pleuraerguß. • Lymphknotenmetastasen im Hilus, Lymphangiosis carcinomatosa.
Operationsindikationen
4.6.2.4 Therapie, Ergebnisse, Prognose, Nachsorge
• funktionelle und allgem. Operabilität • technische Operabilität • prognostisch noch günstig Kontraindikationen • schlechte Lungenfunktion • Fernmetastasen • lokale Inoperabilität
Die Indikation zur Operation besteht, wenn die Untersuchungen • die funktionelle, allgemeine und technische Operabilität sowie eine günstige Prognose ergeben haben. Daraus leiten sich die Kontraindikationen ab: • schlechte Lungenfunktion trotz vorbereitender intensiver bronchospasmolytischer- und Physiotherapie, • Fernmetastasen, die nicht radikal entfernbar sind und lokale Inoperabilität.
Inoperabilität —> Unterscheidung zwischen prognostischer und technischer Inoperabilität.
Inoperabilität. Wir unterscheiden zwischen der prognostischen und technischen Inoperabilität. Prognostische Inoperabilität: Der Tumor ist zwar technisch lokal operabel, jedoch ist aufgrund des fortgeschrittenen Stadiums die Prognose ungünstig und eine wesentliche Lebensverlängerung nicht zu erwarten: multiple Or-
Abb.32-39: Röntgenbefunde beim Bronchialkarzinom: 1 zentrales Karzinom, 2 PancoastTumor, 3 zerfallendes Karzinom mit Abszedierung, 4 stenosierendes Karzinom mit Atelektase des entsprechenden Lungenabschnittes, 5 peripheres Karzinom (Rundherd)
Abb. 32-40: Zentral sitzendes Bronchuskarzinom im rechten Oberlappen mit besenreiserartigen Ausläufern
Abb. 32-42: Derselbe Patient wie Abb. 32-41. CT des Thorax mit ausgedehntem Bronchuskarzinom und Atelektase Abb.32-41: Fortgeschrittenes Karzinom im rechten Lungenoberlappen mit Totalatelektase des Oberlappens
Lungen
387
ganmetastasen, Verdrängung des Ösophagus durch vergrößerte (metastasenbefallene?) Lymphknoten, Befall der V. oder A. subclavia. Technische Inoperabilität: Der Tumor ist lokal weit fortgeschritten und in benachbarte Organe eingebrochen: Parese des N. larnygeus recurrens (Heiserkeit), Parese des N. phrenicus (Zwerchfellhochstand), Dysphagie durch Ösophagusinfiltration, obere Einflußstauung durch Ummauerung der V. cava superior. U n t e r Umständen ist jedoch auch eine palliative Tumorentfernung sinnvoll, z. B. bei Bronchusobstruktion, massiven Hämoptysen, erheblichen Schmerzen oder einer Abszedierung. Diese Entscheidung muß jeweils individuell getroffen werden. Je nach Ausdehnung und histologischem Befund (kleinzelliges Karzinom, Pancoast-Tumor) ist ein interdisziplinäres onkologisches Konsilium unbedingt notwendig.
Palliative Tumorresektion bei • Bronchusobstruktion • massiver Hämoptyse • erheblichen Schmerzen • Abszedierung
Das Resektionsverfahren richtet sich nach Sitz, Größe, Mitbeteiligung benachbarter Strukturen und Lymphknotenmetastasierung: • Lob- und Pneumonektomie sind die klassischen Verfahren. Um einer intraoperativen Tumorzellverschleppung vorzubeugen, werden zuerst die Venen unterbunden. Die Resektionsebene am Bronchusstumpf ist ggf. durch Schnellschnittuntersuchung auf Tumorfreiheit zu überprüfen. Alle erreichbaren Lymphknoten müssen sorgfältig ausgeräumt werden. Kurative Resektionen sind möglich bis zu den Tumorstadien T3N1M0, bisweilen auch noch im Stadium T2N3M0 aber nur ganz vereinzelt im Stadium T4N2M0.
Resektionsverfahren
• Angiobronchoplastische oder Manschettenresektionen (sleeve resection mit Bronchusplastik und evtl. Gefäßanastomose, Abb. 32-21, S.371) sind zur Begrenzung des Resektionsausmaßes (Vermeidung der Pneumonektomie) indiziert, wenn das funktionelle Risiko zu hoch ist (Alter!) oder wenn bei kleinen Tumoren der Eingriff bereits ausreichend radikal ist.
2. Angiobronchoplastische oder Manschettenresektion zur Vermeidung einer Pneumonektomie bei hohem funktionellen Risiko oder bei kleinen Tumoren, wenn der Eingriff radikal ausgeführt werden kann. 3. Minimal-invasive Chirurgie: Nur begrenzt radikale Methode, bei der nur wenig Erfahrungen vorliegen.
• Minimal-invasive chirurgische Verfahren bieten nach der bisherigen Erfahrung nur sehr begrenzte Möglichkeiten in der kurativen Therapie des Bronchialkarzinoms (s. Kap. 27/2, S.242).
• Interventionelle bronchoskopische Therapie: Es handelt sich um lokale, meist palliative Maßnahmen zur Beseitigung tracheobronchialer Stenosen. Sie werden besonders beim inoperablen stenosierenden Bronchialkarzinom aber auch beim Karzinoid eingesetzt. Es gibt folgende 3 Techniken: Afterloading-Bestrahlung mit 192Iridium, Lasertherapie und bronchoskopische Stent-Einlage. Die endobronchiale Therapie ist relativ komplikationsarm: Letalität ca. 1 %. Die Verfahren können die Lebensqualität verbessern und die Überlebenszeit kurzfristig verlängern (in ca. 20% 1-Jahres-Überlebenszeit). • Adjuvante Therapieformen sind bei bestimmten Tumoren notwendig und sinnvoll (Abb. 32-43). Im Rahmen der operativen Behandlung hat die adjuvante Zytostatikaund Strahlentherapie folgende Ziele: (1) postoperativ eine hämatogene Metastasierung zu vermeiden (2) die Rate der Lokalrezidive zu senken (3) die anatomische Resektabilität herzustellen („Down-Staging"). Bewährt hat sich die Polychemotherapie mit 2 oder 3 Substanzen, z. B. Vincristin-Antracyclin-Cyclophosphamid (VAC-Schema) oder Cisplatin-Etoposid oder Ifosfamid-Etoposid oder Adriamycin-Cyclophosfamid-Vincristin (ACO-Schema): Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom, das eine besonders ungünstige Prognose hat, ist die zytostatische Therapie vor und nach der Operation in Verbindung mit einer adjuvanten Strahlentherapie des Gehirns und des Mediastinums indiziert. Für das nichtkleinzellige Karzinom keine gesicherten Daten vor.
I.Lob- und Pneumonektomie sind die klassischen Verfahren. Venen zuerst unterbinden wegen Gefahr der Tumorzellverschleppung. Lymphknoten sorgfältig ausräumen. Kurative Resektionen sind bis zu verschiedenen Tumorstadien möglich.
4. Interventionelle bronchoskopische Therapie: - Afterloading-Bestrahlung - Lasertherapie - Stent-Einlage Palliative Methoden zur Behandlung von Bronchusstenosen. Relativ komplikationsarm. 1-Jahres-Überlebenszeit ca. 20%. 5. Adjuvante Therapie:
Ziele:
Chemotherapie hat sich als Polychemotherapie bewährt:
Beim kleinzelligen Karzinom ist eine kombinierte zytostatische, operative und Strahlentherapie obligat.
liegen bezüglich einer adjuvanten Theapie noch
Beim Pancoast-Tumor und anderen „Ausbrecherkarzinomen" wird eine prä- und postoperative Bestrahlung empfohlen. Der Erfolg der postoperati-
Beim Pancoast-Tumor ist die prä- und postoperative Bestrahlung sinnvoll.
388
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Zytostase + Radiatio
Radiatio oder (evtl. Atterloading)
Abb.32-43: Behandlungsschema für Operation, Strahlenund Chemotherapie beim Bronchialkarzinom (n. den Empfehlungen d. Deutschen Gesellschaft f. Pulmologie u. d. Deutschen Gesellschaft f. Thorax-, Herz- u. Gefäßchirurgie)
Abb. 32-44: Stadienadaptierte Überlebenszeitprognose des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms nach radikaler Operation (RO-Resektion (n. D. Branscheid et al. 1994)
ven Radiatio ist als Rezidivprophylaxe gesichert. Auch bei R1 und R2-Resektionen sollte nachbestrahlt werden. Beim Rezidiv am Bronchusstumpf kann eine intrabronchiale Afterloading-Bestrahlung durchgeführt werden. Ergebnisse und Prognose Beurteilungskriterium: • Resektionsquote 30-50% • Operationsletalität - Lobektomie 1 - 5 % - Pneumonektomie 5 - 8 % - bronchoplastische Eingriffe- 8% Überlebenszeit abhängig von Malignitätsgrad und Tumorstadium: nichtkleinzelliger Tumor: 5-JahresÜberlebenszeit im Stadium IA - > 7 3 % , im Stadium HIB - » 1 2 % (Abb.32-44). kleinzelliges Karzinom (Operation + adjuvante Therapie) im Stadium I und II - 6 % . Bei alleiniger Strahlen- oder Chemotherapie 0,4%.
Nachsorgsuntersuchungen Dienen z.T. wissenschaftlichen Verlaufsbeobachtungen. Aufwendige diagnostische Maßnahmen sind nicht notwendig. Gelegentlicher Besuch beim Arzt ist aus psychologischen Gründen oder für eine evtl. Schmerztherapie wichtig.
Ergebnisse, Prognose. Wichtig für die Beurteilung sind: • Resektionsquote, durchschnittlich 30-50 % • Operationsletalität, deutlicher Rückgang im letzten Jahrzehnt. Sie liegt für die Lobektomie zwischen 1-5%, für die Pneumonektomie bei 5-8%, bei den bronchoplastischen Eingriffen ca. 8%. Dank der verbesserten diagnostischen Verfahren ist die Probethorakotomie wesentlich seltener notwendig • Überlebenszeit, abhängig von Malignitätsgrad und Tumorstadium. Die in der Literatur mitgeteilten Ergebnisse zeigen relativ geringe Abweichungen. Die Überlebenszeitprognose eines großen Krankengutes 1065 resezierten Patienten (n. D. Branscheid et al.) mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom ergab stadienabhängig eine 5-Jahres-Überlebenszeit von 73 % im Stadium IA und von 12 % im Stadium HIB (Abb. 32-44). Für das kleinzellige Karzinom betragen die 5-Jahres-Überlebenszeiten mit adjuvanter Therapie für die Stadien I und II ~ 6 %. Bei alleiniger Bestrahlung und/oder Chemotherapie nur 0,4%. Unbehandelt führt dieser Tumor in 2-3 Monaten zum Tode. Nachsorgeuntersuchungen. Schematisierte Nachsorgeuntersuchungen wie z. B. beim Kolonkarzinom - sind bei Patienten mit einem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom nach bisherigen Erkenntnissen nicht sinnvoll, es sei denn, sie werden aus wissenschaftlichen Gründen durchgeführt. Eine kurative oder zumindest deutlich lebensverlängernde Behandlung von Tumorrezidiven ist auch bei dem theoretischen Vorteil einer frühzeitigen Diagnose und Therapie kaum möglich. Man sollte jedoch den Patienten empfehlen, sich gelegentlich oder bei Beschwerden zu einer ambulanten Untersuchung vorzustellen. Dies dient der psychologischen Betreuung des Kranken und einer evtl. notwendigen Schmerztherapie. Diagnostische Maßnahmen sollten sich dabei auf eine Thoraxaufnahme beschränken.
Lungensarkom: selten.
Lungensarkom. Primäre Sarkome sind äußerst selten. Sie können im Parenchym und endobronchial lokalisiert sein, wachsen rasch und erfassen meist
Lungen
389
einen ganzen Lungenlappen. Histologisch handelt es sich um fibro-, lympho-, myo-, Chondro- und polymorphzellige Sarkome. Die Symptomatologie ist ähnlich wie beim Karzinom, gleiche Diagnostik. Als Therapie kommt in erster Linie die Resektion und zwar die Pneumonektomie in Frage. Eine kombinierte adjuvante Megavolt- und Chemotherapie ist nur beim Lymphosarkom erfolgversprechend. Die Prognose scheint noch ungünstiger als beim Karzinom zu sein.
Symptome und Diagnostik: wie bei Karzinom.
4.6.3 Lungenmetastasen
Metastasen
Die Chirurgie der Lungenmetastasen hat für bestimmte Tumoren an Bedeutung gewonnen: z.B. gonadale Geschwülste, Nierenzellkarzinom, Sarkome, kolorektales- und Mammakarzinom sowie malignes Melanom. Sie ist Bestandteil eines differenzierten Behandlungskonzepts. Metastasen kommen in der Lunge solitär und multipel sowie ein- und beidseitig vor.
Metastasenchirurgie der Lunge hat große Bedeutung erlangt.
Symptome. Periphere Metastasen sind asymptomatisch, zentrale führen zur Dyspnoe, wenn der Bronchus komprimiert wird und endobronchiale verursachen Hustenattacken, Hämoptysen und Fieber. Schmerzen entstehen bei Einbruch in die Pleura. Diagnostische Grundlage ist die Röntgenaufnahme in 2 Ebenen, ergänzt durch ein CT oder Spiral-CT (Staging). Metastasen sind im Spiral-CT bereits bei einer Größe von 4 mm sichtbar. Sie stellen sich überwiegend als solitäre oder multiple, scharf abgesetzte Rundherde dar. Sie vermögen aber auch miliar (Schilddrüse, Mamma) oder netzartig (Magenkarzinom) in Erscheinung zu treten.
Symptome: - meist asymptomatisch - bei Bronchuskompression Dyspnoe - Hustenattacken, Hämoptysen und Fieber bei endobronchialer Lokalisation - Schmerzen bei Pleurabeteiligung. Diagnostik: - Röntgenaufnahme in 2 Ebenen - Spiral-CT: Metastasen ab 4 mm sichtbar, stellen sich als solitäre oder multiple, scharf begrenzte Rundherde dar.
Die Indikation zur operativen Entfernung von Metastasen mit kurativer Intention setzt voraus: • radikale Entfernung des Primärtumors • Ausschluß von nicht mehr entfernbaren extrapulmonalen Fernmetastasen • die Metastasen in der Lunge müssen hinsichtlich Anzahl und Lokalisation vollständig eliminierbar sein. Palliative Resektionen sind gerechtfertigt bei: • rezidivierenden Blutungen, Retentionspneumonie, poststenotischen Einschmelzungen • ausgedehnten Tumorzerfallshöhlen, schmerzhafter Thoraxwandinfiltration.
Indikation zur operativen Entfernung mit kurativer oder palliativer Intention.
Operationsverfahren. Methode der Wahl ist die atypische Resektion oder Enukleation, seltener sind Segment- oder Lappenresektionen oder gar eine Pneumonektomie indiziert. Pleuranahe Metastasen können u. U. mit minimal-invasiver videoassistierter Technik entfernt werden (s. Kap. 27/2, S. 242).
Operationsverfahren: Standardthorakotomie. Enukleation oder „atypische Lungenresektion", Segment- oder Lappenresektion bzw. Pneumonektomie selten. Bei Befall beider Lungenflügel mediane oder quere Sternotomie mit bilateraler Thorakotomie. Evtl. auch Entfernung durch minimal-invasive videoassistierte Thorakotomie (bei pleuranahen Knoten). Ergebnisse: Letalität etwa 2%, 5-JahresÜberlebenszeit 15-45%, im Schnitt 30%.
Operativer Zugang. Anterolaterale Standardthorakotomie. Bei Befall beider Lungen mediane oder quere Sternotomie mit bilateraler Thorakotomie oder durch VATS bei pleuranahen Knoten.
Ergebnisse: Postoperative Letalität 0,5-2%, 5-Jahres-Überlebenszeit (abhängig von der Art des Primärtumors) 15^45 %, im Schnitt 30 %.
Therapie: Resektion, Kombination mit Strahlen- und Zytostatikabehandlung. Ungünstige Prognose.
4.6.4 Gutartige Tumoren
Gutartige Tumoren
Epidemiologie, Pathomorphologie: Im Vergleich zum Bronchialkarzinom sind gutartige Geschwülste der Lunge selten. Nach pathomorphologischen Gesichtspunkten kann man sie folgendermaßen einteilen: • epitheliale Tumoren, z.B. Polypen, Adenome, Papillome, Zylindrome und Karzinoide, • mesenchymale Tumoren, wie Hämangiome, Lymphangiome, Chondrome, Fibrome, Leiomyome und • embryonale Tumoren, wie Teratome und Hamartome. Über die wirkliche Dignität entscheidet der klinische Verlauf, da viele Geschwülste vom histologischen Aspekt her gutartig scheinen, sehr wohl aber
Einteilung • epitheliale • mesenchymale • embryonale
390
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Symptome und Diagnose: - Lokalisation - Größe - Hormonausschüttung -> spezielle Symptome (Flush, 5-Hydroxyindolessigsäureausscheidung) - Röntgenthorax in 2 Ebenen - Bronchoskopie - Biopsie, Zytologie Differentialdiagnose beachten. Therapie: jeden gutartigen Tumor entfernen. Bronchusstenose kann schwerwiegende Komplikationen bewirken.
zur Metastasierung neigen. Dies gilt vor allem für Karzinoide und Zylindrome, aber auch Adenome metastasieren in 10-13 %. Symptome und Diagnose: Lokalisation und Größe prägen das klinische Bild. Hinzu kommt, daß hormonell aktive Tumoren, z.B. die Karzinoide, durch Hormonausschüttung spezielle Symptome (z.B. Flush) auslösen können, wobei die Ausscheidung von 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin erhöht ist. Diagnose wie beim Bronchuskarzinom: Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen, Bronchoskopie, bioptische und zytologische Untersuchung. Bei der Differentialdiagnose ist vor allem an Tbc und Bronchuskarzinom zu denken. Therapie: Man sollte jeden gutartigen Tumor entfernen, insbesondere dann, wenn er endobronchial wächst, weil durch Bronchusstenose schwerwiegende Komplikationen (Atelektase, Pneumonie) entstehen können. Polypöse Geschwülste, die bronchoskopisch erreichbar sind, lassen sich auf diesem Wege abtragen. Periphere Tumoren werden je nach Sitz enukleiert oder durch atypische Resektion, Segmentresektion oder Lobektomie entfernt.
Mediastinum
5. Mediastinum
Topographie Mittelfellraum, begrenzt durch Wirbelsäule, Sternum, Zwerchfell. Im Mediastinum: lebenswichtige Organe: Herz, große Gefäße, Trachea, Ösophagus, Nervenstämme, Ductus thoracicus.
Topographische Einteilung. Der zwischen den beiden Pleurahöhlen liegende Mittelfellraum wird dorsal von der Wirbelsäule, ventral vom Sternum und kaudal vom Zwerchfell begrenzt. Kranialwärts fehlt die schützende Gewebeschranke. Im Mediastinum liegen, umgeben von lockerem Binde- und Fettgewebe sowie zahlreichen Lymphknoten, lebenswichtige Organe (Herz, große Gefäße, Trachea, Ösophagus), Nervenstämme (Nn.vagi, recurrentes, phrenici, Grenzstrang des N. sympthicus) und der Ductus thoracicus. Aus praktischen klinischen Gründen wird das Mediastinum durch 3 Ebenen in topographische Räume geteilt (Abb. 32-45). • sagittal: vorderes Mediastinum (Raum zwischen Sternum und Herz), mittleres Mediastinum (Herz und große Gefäße) und hinteres Mediastinum (retrokardialer Raum bis zur Wirbelsäule), • horizontale Ebene: oberere, mittlerer und unterer mediastinaler Raum, • frontale Ebene: rechts und links von der Mittellinie. Mediastinum, Pleurahöhlen, Lungen, Zwerchfell und bewegliche Brustwand bilden eine funktionelle Einheit. Lage- und Formveränderungen eines Organs können nicht isoliert gesehen werden.
Einteilung in verschiedene topographische Räume (Abb. 32-45): • vorderes M.: - zwischen Sternum und Herz gelegen • mittleres M.: - Herz - herznahe Gefäße • hinteres M.: - Ösophagus - Aorta thoracica, D. thoracicus - Tr.sympathicus - Nn.splanchnici - Vv.azygos et hemiazygos
oberes Mediastinum
vorderes Mediastinum
hinteres Mediastinum
Abb.32-45: Anatomische Einteilung des Mediastinums in verschiedene Ebenen. Man unterscheidet: oberes, hinteres, vorderes und mittleres Mediastinum
5.1 Untersuchungsverfahren Die klassischen physikalischen Untersuchungsmethoden haben nur begrenzten Wert. Die wichtigsten Verfahren sind heute:
391
Mediastinum Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen, CT, MRT Sonographie, Endosonographie spezielle Untersuchungsverfahren für die Mediastinalorgane: Kontrastdarstellung des Herzens, der großen Gefäße, des Ösophagus Mediastinoskopie mit der Möglichkeit der Gewebeentnahme. VATS
Untersuchungsverfahren
5.2 Lageveränderungen, Verletzungen, Entzündungen Lageveränderungen. Das Mediastinum reagiert mit Lage- und Bewegungsveränderungen auf krankhafte Prozesse einer Thoraxhälfte. Lageänderungen (im Röntgenbild sichtbar) sind möglich durch: Druck: Mediastinalverdrängung (Pneumothorax, Pleuraerguß, große Lungentumoren, Zwerchfellhochstand, Zwerchfellhernien), Sog: Mediastinalverziehung (Atelektasen, Zustand nach Lungenresektion), Narbenzug: chronische schrumpfende Lungenerkrankungen, z.B. Tbc, Deformierungen der Brustwand und Wirbelsäule: Kyphoskoliose, Trichterbrust.
Pathologische Lageveränderungen • Druck Verdrängung • Sog -> Verziehung • Narbenzug • Kyphoskoliose, Trichterbrust
Verletzungen (s. Kap. 44/1., S. 886): Isolierte Verletzungen des Mittelfells u n d der in ihm gut geschützten Organe werden nur selten beobachtet. Sie sind aber oft lebensbedrohlich. Klinisch unterscheidet man: • geschlossene Verletzungen durch stumpfe Traumen (Commotio und Compressio thoracis mit Blutungen, Herzbeuteltamponade, Reizung vegetativer Nerven, Bronchusabriß, Aortenruptur) • offene Verletzungen durch penetrierende Gewalteinwirkung (z.B. Schuß-, Stichund Pfählungsverletzungen, Perforationen der Trachea und des Ösophagus (instrumenten, R u p t u r ) ) . Therapie: Die stumpfe Mediastinalverletzung erfordert in erster Linie Schockbekämpfung und vegetative D ä m p f u n g des Patienten. Behandlung der penetrierenden Verletzung richtet sich nach der Organbeteiligung. Bei Blutungen und Hohlorganperforationen ist die sofortige bzw. dringliche Operation angezeigt.
Verletzungen:
Akute Mediastinitis. Ätiologie: Das lockere, fettreiche Bindegewebe, das ausgeprägte Lymphgefäßsystem des Mediastinums die fehlende Abgrenzung zum Hals begünstigen die Ausbreitung akuter entzündlicher Prozesse. Die Infektion entsteht: • direkt: Perforation der Trachea und des Ösophagus durch Tumor, Ulkus oder bei der Endoskopie, Bougierung, ferner Fremdkörper, selten durch stumpfes Trauma (Boerhaave-Syndrom), Nahtinsuffizienz an Ösophagusanastomosen, • fortgeleitet: entzündlich-eitrige Prozesse aus der Nachbarschaft, wie Pleuraempyem, Lungen- und subphrenischer Abszeß usw., • lymphogen und hämatogen: sehr selten, meist Teilerscheinung einer allgemeinen Lymphadenitis bei Masern, Scharlach, Pleuritis, Pneumonie. Symptome und Diagnose. • Klinisch: Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, Fieber, Schüttelfrost, trockene Zunge, Tachykardie, Tachypnoe, Singultus, Schmerzen hinter dem Brustbein, Dysphagie, bei oberer V.cavaThrombose Einflußstauung, Hautemphysem am Hals und Gesicht bei Trachea- oder Ösophagusverletzung. • Röntgenologisch zeigt sich ein verbreitertes Mediastinum, Pneumomediastinum, Röntgenkontrastmittelgabe (wasserlöslich!!) bei Verdacht auf Ösophagusperforation oder Nahtinsuffizienz einer Ösophagusanastomose (s. Abb. 35.1-25, S.498), Ösophago- bzw. Bronchoskopie. • Die laborchemischen Veränderungen entsprechen denen einer akuten Entzündung und Sepsis. Therapie: Dringliche operative Entlastung und Drainage, je nach Lokalisation des Herdes: kollare, abdominale oder transpleurale Mediastinotomie.
Klinisch unterscheidet man: 1. geschlossene Verletzungen, • Commotio et Compressio thoracis. 2. offene Verletzungen • penetrierend, instrumentell
Therapie: richtet sich nach Organbeteiligung. Bei Blutungen und Hohlorganperforation sofortige Operation. Schockbekämpfung und vegetative Dämpfung. Entzündungen: 1. Akute Mediastinitis Entstehung der Infektion: 1. direkt 2. per continuitatem 3. lymphogen, hämotogen
Symptome und Diagnostik
Therapie: dringend operative Entlastung und Drainage,
392
32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Antibiotika, Intensivtherapie, Hohe Letalität.
Versorgung von Verletzungen oder Nahtinsuffizienzen am Tracheobronchialbaum und Ösophagus. Zusätzliche hochdosierte Antibiotika-Gabe. Intensivtherapie: Die Letalität ist hoch.
2. Chronische Mediastinitis hervorgerufen durch: Tbc, Lues, Aktinomykose, Fremdkörper, Paraffinose. Symptome und Diagnose: retrosternale Schmerzen, Kompression von Trachea, Ösophagus, V.cava. Diagnosesicherung durch: CT, Kontrastmitteldarstellungen. Therapie: Tuberkulostatika, Antibiotika, Fremdkörperentfernung.
Chronische Mediastinitis. Ätiologie: Tbc (Lymphknoten- oder Senkungsabszeß), Lues, Aktinomykose, eingedrungene Fremdkörper (z.B. Granatsplitter), Paraffinose (Paraffinplombierung bei Kollapstherapie der Tbc). Symptome und Diagnose: retrosternale Schmerzen, Kompression von Trachea, Ösophagus und V. cava mit ihren spezifischen Auswirkungen. Diagnosesicherung durch Röntgenthoraxaufnahme, CT, Kontrastmitteldarstellungen. Therapie: nach der Ursache: Tuberkulostatika, Antibiotika, Fremdkörperentfernung usw.
Erkrankungen des Ductus thoracicus: Chyiothorax Topographie
5.3 Erkrankungen des Ductus thoracicus: Chyiothorax
Lymphaustritt mit Entwicklung eines Chyiothorax. Ursache: - Verletzungen - Spontanruptur Symptome und Diagnose: Veränderung von Lunge und Mediastinum mit Dyspnoe und Tachykardie. Röntgen: diffuse Verschattung der Pleurahöhle. Diagnosesicherung: Punktion von milchig-weißer Flüssigkeit. Laboranalyse. Differentialdiagnose beachten! Therapie: Entlastungspunktion oder Bülau-Drainage. Bei Versagen: operative Ligatur des Ductus thoracicus, evtl. durch VATS
Topographie: Der Ductus thoracicus transportiert 75 % der Lymphe des menschlichen Körpers. Er tritt durch den Hiatus aorticus in das hintere Mediastinum und verläuft zwischen Brustwirbelsäule und Aorta. Im oberen Mediastinum wendet er sich nach links und mündet im Venenwinkel in die linke V. subclavia.
Das wichtigste Krankheitsbild des Ductus thoracicus ist der Lymphaustritt mit Entwicklung eines Chyiothorax. Als Ursachen kommen in Frage: • Verletzungen: z. B. Wirbelfrakturen, Stich-, Schußverletzungen, stumpfes Bauchtrauma, operative Verletzungen. • Spontanruptur: bei Abflußhindernissen durch Tumoren, Metastasen, Tbc, venöse Thromose am Venenwinkel und idiopathisch (sehr selten). Symptome und Diagnose: Der chylöse Erguß entwickelt sich meist zunächst stumm, erst bei entsprechender Größe kommt es zur Verdrängung von Lunge und Mediastinum mit Dyspnoe, Tachykardie. Auf dem Röntgenbild sieht man eine diffuse Verschattung der entsprechenden Pleurahöhle. Die Punktion von milchig-weißer Flüssigkeit sichert die Diagnose. Zur differentialdiagnostischen Abgrenzung gegen andere Ergüsse oder ein Empyem ist das Punktat laborchemisch zu analysieren. Beweisend ist der hohe Fettgehalt, die positive Sudan-Probe und die hohe Lymphozytenzahl (40000/mm 3 ).
Therapie: Zunächst konservativer Versuch: Entlastungspunktionen oder Bülau-Drainage in der Hoffnung, daß die Leckstelle verklebt. Gleichzeitig Nahrungskarenz zur Drosselung des Lymphstromes. Parenterale Substitution mit Blutkonserven, Plasma und kolloidalen Lösungen. Kochsalz- und Glukose-Tnfusionen sind weniger geeignet, da sie den Lymphstrom anregen. Wenn die konservativen Maßnahmen versagen (nach ca. 8-14 Tagen) ist die operative Ligatur des Ductus thoracicus unbedingt angezeigt (s. auch VATS). Die Unterbindung erfolgt an der Verletzungsstelle selbst oder am Übertritt des Ganges vom Abdomen in den Thorax (Thorakotomie rechts). Bei Verletzungen im Halsbereich proximale Unterbindung des Duktus von links thorakal. In aussichtslosen Fällen ausgedehnte Pleuraentfernung, damit der Pleuraspalt verödet.
Tumoren und Zysten
5.4 Tumoren und Zysten
Im Mediastinum Tumore unterschiedlichen geweblichen Ursprungs mit bevorzugten Lokalisationen (Abb. 32-46).
„Mediastinaltumor" ist ein Sammelbegriff für die Vielfalt der Geschwülste, die hier lokalisiert sein können und eine mehr oder weniger einheitliche Symptomatik verursachen. Diese Geschwülste - maligne und gutartige entstehen nicht nur aus dem Mediastinalgewebe, sondern von den verschiedenen Organen, Lymphknoten und Nerven. Hinzu kommt, daß im Mediastinum die embryonale Differenzierung der Organanlagen für den oberen Verdauungstrakt, das Herz- und die Respirationsorgane stattfindet, die
Mediastinum
393
oberes vorderes Mediastinum Thymome Struma endothoracica Lymphome Sarkome Lipome Teratome
hinteres Mediastinum Neurinome Neurofibrome Strumen Chordome, Aortenaneurysmen mittleres Mediastinum Lymphome Teratome Ösophaguskarzinom bronchogene Zysten
unteres vorderes Mediastinum Perikardzyste Lipome Zwerchfellhernien (Morgagni, Larrey)
unteres hinteres Mediastinum Bochdalek-Hernie Hiatushernie
Abb.32-46: Bevorzugte Lokalisationen von
Mediastinaltumoren
aber auch auf dementsprechende embryonale Fehlbildungen hinauslaufen kann. Analog zum geweblichen Ursprung der Tumoren zeigen sie bevorzugte Lokalisationen (Abb. 32-46). Im vorderen oberen Mediastinum finden sich Struma- und Thymustumoren, im hinteren Mediastinum neurogene Geschwülste, im mittleren Lymphknotentumoren, im vorderen unteren Raum Teratome, Dermoide, Zysten und Lipome und im hinteren unteren Mediastinum Bochdalek- und Hiatusgleithernie. Symptome: Oft werden Mediastinaltumoren zufällig bei einer Röntgenuntersuchung entdeckt. Ihre Symptome sind so unterschiedlich wie die Tumoren selbst und von ihrer Lage und der Schnelligkeit ihres Wachstums abhängig. Im Vordergrund stehen die Auswirkungen durch Kompression und Verdrängung wichtiger mediastinaler Organe. Daraus resultieren Husten, Heiserkeit, Stridor, Dysphagie, obere Einflußstauung, Herzrhythmusstörungen, Schmerzen. Diagnose. Für die diagnostische Abklärung sind wichtig: Thoraxübersicht (in 2 Ebenen) und vor allem die CT evtl. MRT. Spezielle Verfahren, wie Mediastinoskopie (Punktionszytologie!), Bronchoskopie, Ösophagoskopie, transösophageale Endosonographie, Schilddrüsenszintigraphie, Phlebographie, Aortographie müssen gezielt eingesetzt werden. Oft gelingt erst bei der Thorakotomie die Diagnosesicherung.
Abb. 32-47: Scharf begrenzte homogene Verschattung im oberen Mediastinum links. Histologie: Neurinom
Abb.32-48: Kindskopfgroßes Thymom vom „gemischten" Typ bei einer 84jährigen. Der Tumor wurde operativ entfernt
Bevorzugte Topographie verschiedener „Mediastinalverschattungen". Symptome und Diagnose: je nach Tumorart unterschiedlich. Im Vordergrund stehen Kompressionen und Organveränderungen mit: Husten, Heiserkeit, Stridor, Dysphagie, oberer Einflußstauung, Herzrhythmusstörungen, Schmerzen. Diagnostische Abklärung durch: - Thoraxübersicht - CT Gezielter Einsatz von: - Bronchoskopie - Ösophagoskopie - Schilddrüsenszintigraphie - transösophageale Endosonographie - Phlebographie - Aortographie
Abb. 32-49: Große
Perikardzölomzyste
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32. Thoraxchirurgie: Brustwand, Zwerchfell, Pleura, Lunge, Mediastinum
Differentialdiagnose beachten!
Die wichtigste Differentialdiagnose sind: Ösophagustumoren und -divertikel, Achalasie, Zwerchfellhernien (Hiatus, Larrey, Morgagni), Herzwand-, Aortenaneurysmen.
Tumorarten 1. neurogene Tumoren
Die wichtigsten Tumoren sind Neurogene Tumoren (Abb. 32-47) haben folgenden Ursprung: N. sympathicus, N.phrenicus und N.vagus sowie den Interkostalnerven. Das Neurofibrom (M. Recklinghausen) kann maligne entarten. Die Tumoren der Interkostalnerven können zur Kompression des Rückenmarks führen (sog. Sanduhrtumoren). Thymome: Sie sind aus lymphozytären und epithelialen Zellen aufgebaut und können sowohl gut- als auch bösartig sein (Abb. 32-48). Die Myasthenia gravis beruht im jugendlichen Alter in etwa V5 der Fälle auf einem Thymom. Teratome entstehen aus Gewebeanteilen mehrerer Keimblätter, ein Drittel ist maligne. Die Dermoidzysten enthalten Haare, Zähne, Knochenanteile und sind gutartig, können aber perforieren. Vorderdarmzysten entwickeln sich aus dem Endo- und Mesoderm und gehen von Ösophagus, Magen und Bronchialsystem aus. Die Zysten sind mit organspezifischem Epithel ausgekleidet, enthalten Flüssigkeit, Bronchialzysten auch Luft und Magenzysten Salzsäure (Ulkusentwicklung möglich!). Komplikationen sind Blutung, Perforation und Infektion. Die Zysten machen Verdrängungserscheinungen, Husten, Dyspnoe, Schmerzen und sollten deshalb exstirpiert werden. Mesothelzysten: Aus Anlagen des Perikards und der Pleura entstehen die Perikardzölom- und Pleurazölomzysten (Abb. 32-49). Die zystischen Lymphangiome werden dazugerechnet. Bevorzugte Lokalisation ist der kardiophrenische Winkel, daher mit Zwerchfellhernien leicht zu verwechseln. Die Endothorakale Struma unterteilt man in Struma endothoracica vera und falsa (mit strangartiger Verbindung zur Halsschilddrüse). Entdeckt wird sie meist zufällig bei einer Röntgenuntersuchung, die Trachea ist oft eingeengt und verdrängt. Meist speichert die endothorakale Struma kein Jod, so daß Radiojodtest und Szintigraphie versagen.
2. Thymome
3. Teratome
4. Vorderdarmzysten
5. Mesothelzysten
6. Endothorakale Struma
7. Lymphome
Lymphome sind die häufigsten „Mediastinaltumoren" und überwiegend im mittleren und vorderen Mediastinum lokalisiert. Meist ist die Mediastinalverbreiterung beidseits vorhanden, im Röntgenbild unscharf begrenzte polyzyklische und inhomogene Verschattungen. Es handelt sich meist um M. Boeck, Tbc oder um maligne Lymphome. Sicherung der Diagnose durch Operation und histologische Untersuchung, wenn möglich Totalexstirpation und nachfolgende Strahlen- und Chemotherapie.
Therapie: immer operative Entfernung durch: - mediane Sternotomie - anterolaterale Thorakotomie
Therapie. Da die Dignität eines „Mediastinaltumors" oft unklar ist, sollte man ihn immer operativ entfernen, auch wegen der möglichen Verdrängungserscheinungen. Zugangswege sind bei vorne liegenden Prozessen die mediane Sternotomie, bei Lokalisation im hinteren Mediastinum die anterolaterale Thorakotomie rechts oder links.
Prognose: abhängig von der Dignität.
Die Prognose der Mediastinaltumoren ist abhängig von ihrer Dignität.
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße W. Konertz
Die Herzchirurgie umfaßt die operative Behandlung der angeborenen und erworbenen Krankheiten des Herzens und der großen herznahen Gefäße. Als besondere Methode wird die extrakorporale Zirkulation mit einer Herz-Lungen-Maschine angewandt, die es erlaubt, das Herz für die Dauer der Korrektur aus der Zirkulation auszuschalten und stillzustellen.
Aufgaben der Herzchirurgie: operative Therapie der angeborenen und erworbenen Krankheiten des Herzens und der großen herznahen Gefäße.
Historische Entwicklung der Herzchirurgie: 1896 L. R e h n : erste erfolgreiche Naht einer Stichwunde des Herzens. 1923 E. C. Cutler und S. A . Levine: Erweiterung einer stenosierten Mitralklappe. 1924 M. Kirschner: pulmonale Embolektomie nach fulminanter Lungenembolie. 1929 W. Forssmann: erste Herzkatheterisierung und Kontrastdarstellung im Tierexperiment, dann im Eigenversuch (ohne brauchbare Röntgenbilder). 1931 F. Sauerbruch: erste erfolgreiche Operation eines Aneurysmas der rechten Herzkammer. 1938 E . K. Frey: erste Unterbindung eines Ductus Botalli. 1943 L. Löffler: erste Kontrastdarstellung des Herzens und der Lungengefäße beim Menschen mit brauchbaren Röntgenbildern. 1944 A. Blalock: Shunt zwischen A. subclavia und A.pulmonalis zur Verbesserung der Lungendurchblutung bei Kindern mit Fallot-Tetralogie. 1956 J . H . G i b b o n , J.W.Kirklin, C.W.Lillehey: Entwicklung der Herz-Lungen-Maschine; diese brachte die Voraussetzungen für gezielte Eingriffe am Herzen. 1960 D. E. H a r k e n : Ersatz einer Aortenklappe. 1961 A. Starr: prothetischer Mitralklappenersatz; 1962 M. F. Sones: Einführung der selektiven Röntgendarstellung der Herzkranzgefäße; 1967 R . G . F a v a l o r o und R.Johnson: Entwicklung der aortokoronaren Bypassoperation. 1967 Ch. Barnard: erste erfolgreiche Herztransplantation am Menschen; 1981 Reitz: erste erfolgreiche Herz-Lungen-Transplantation bei pulmonaler Hypertonie.
Historie der Herzchirurgie
1. M e t h o d e n in der H e r z c h i r u r g i e
Spezielle Methoden in der Herzchirurgie
Die Anwendung der Herz-Lungen-Maschine, auch kombiniert mit tiefer Hypothermie und induziertem Kreislaufstillstand, ermöglicht zeitlich ausgedehnte Eingriffe am Herzen. Die komplexen pathophysiologischen Vorgänge während der Operation mit der HLM und die postoperative Betreuung sind Besonderheiten der Herzchirurgie gegenüber anderen operativen Fächern.
1.1 H e r z - L u n g e n - M a s c h i n e ( H L M )
Herz-Lungen-Maschine
Die HLM übernimmt temporär die Funktion von Herz und Lungen. Dazu sind 3 Bauteile erforderlich: • Blutpumpen: Roller- oder Zentrifugalpumpen kommen zum Einsatz. Diese erzeugen einen kontinuierlichen, nichtpulsatilen Fluß.
besteht aus 3 Elementen:
D a dieser unphysiologische Zustand nur einen begrenzten Zeitraum aufrechterhalten w e r d e n kann, sind pulsatile Blutpumpen in der Erprobung.
• Oxygenator: 2 Typen finden Verwendung: Schaum- (Bubbeloxygenator): dabei wird ein 0 2 -C0 2 -Gemisch durch eine im Oxygenator stehende Blutsäule geschickt. Durch den direkten Kontakt
1. Blutpumpe (Roller- oder Zentrifugalpumpen): - übernimmt die Funktion des Herzens
2. Oxygenator (Schaum- oder M e m b r a n oxygenator):
396
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße hat die Aufgabe das venöse Blut mit Sauerstoff aufzusättigen und Kohlendioxid zu eliminieren.
3. Wärmeaustauscher: - dient der Temperaturregulation - ermöglicht Senkung der Körpertemperatur (Op. in Hypothermie). Schutzmaßnahme während der unphysiologischen Perfusion mit der HLM Vorteile: Stoffwechselreduktion, Verlängerung der Ischämiephasen fürs Gehirn. Folgende Kreisiaufstillstandszeiten sind zulässig: • 25-30 °C-> 15 min • 25-20°C —> 15-30 min • < 20 °C —> 30-60 min Standardverfahren
Komplikationen der extrakorporalen Zirkulation: • inadäquate Organperfusion • Bluttrauma: - Schädigung zellulärer Blutbestandteile und Denaturierung von Plasmaproteinen • Postperfusionssyndrom - Beeinträchtigung der plasmatischen Gerinnung, Freisetzung vasoaktiver Substanzen ->beeinträchtigen lebenswichtige Organe
des Blutes mit dem Gas kommt es zu einer erheblichen Schaumbildung und Schädigung zellulärer Blutbestandteile. Membranoxygenator: hier sind Blut- und Gasphase durch eine semipermeable Membran getrennt. Der Gasaustausch findet ähnlich wie in der Lunge statt. Das Blut wird geringer traumatisiert. • Wärmetauscher: dieser ist in den Oxygenator integriert und ermöglicht Änderungen der Körpertemperatur und Operationen in Hypothermie. Durch Stoffwechselreduktion stellt diese einen Schutzmechanismus während der unphysiologischen Perfusion mit der HLM dar. Bei Routineeingriffen wird die Temperatur auf 28-34° gesenkt. Bei Operationen im Bereich des Aortenbogens werden zum Schutz des Gehirns Temperaturen unter 20° erreicht, bei denen ein totaler Kreislaufstillstand für etwa 1 Stunde ermöglicht wird. Sichere Zeiten für einen Kreislaufstillstand in Hypothermie sind: 25-30 °C 15,25-20° 15-30, < 20 °C 30-60 Minuten. 1.1.1 Standardverfahren Kanülierung der Aorta ascendens und des rechten Vorhofs (Abb. 33-1). Das Blut fließt durch Schwerkraftdrainage in ein „venöses Reservoir". Aus diesem wird es über eine Pumpe abgesaugt, durch den Oxygenator mit integriertem Wärmetauscher gepumpt und in die Aorta ascendens zurückbefördert. Die Maschine übernimmt so die Pumpfunktion des Herzens und die Oxygenierung sowie C0 2 -Eliminierung der Lunge. Das Herz kann nun stillgestellt, eröffnet und die Korrektur durchgeführt werden. Komplikationen der extrakorporalen Zirkulation entstehen durch inadäquate Organperfusion und Bluttrauma. Schädigung der zellulären Blutbestandteile infolge unphysiologischen Kontakts des Blutes mit der Kunststoffoberfläche der HLM: Hämolyse, Denaturierung von Plasmaproteinen und Beeinträchtigung des thrombozytären und plasmatischen Gerinnungssystems. Vasoaktive Substanzen aus Leukozyten und Thrombozyten können zusätzlich die Funktionen von Lunge, Gehirn, Leber, Niere oder Darm beeinträchtigen. Diese, früher als Postperfusionssyndrom bezeichneten Krankheitszustände, treten insbesondere bei langen Bypasszeiten (> 5 Stunden) auf.
Abb. 33-1: Standardverfahren der extrakorporalen Zirkulation mit der HLM. RA: rechter Vorhof, PA: Pulmonalarterie, HLM: HerzLungen-Maschine
Methoden in der Herzchirurgie
397
1.1.2 Sonderformen Hypothermie, Kreislaufstillstand. Sonderformen der extrakorporalen Zirkulation sind die Kombination von Standardbypass mit Kreislaufstillstand in tiefer Hypothermie. Diese Verfahren werden bei Operationen von Aortenaneurysmen mit Beteiligung des Aortenbogens sowie in der Säuglingsherzchirurgie angewandt. Hier wird die HLM eingesetzt, um den Patienten zu unterkühlen. Die Hypothermie verlangsamt die Stoffwechselvorgänge. Die Zirkulation kann in Abhängigkeit von der Temperatur unterbrochen werden, um den Eingriff im blutleeren Operationsfeld zu ermöglichen. Der Linksherzbypass (Abb. 33-2) dient zur Unterstützung des linken Herzens durch eine Pumpe. Die Lunge übernimmt weiterhin die Funktion der Oxygenierung. Diese Form der extrakorporalen Zirkulation ist besonders bei Aneurysmen der Aorta descendens sinnvoll.
Sonderformen der extrakorporalen Zirkulation Kombination von Standard-Bypass mit Kreislaufstillstand in tiefer Hypothermie. Indikationen: • Aortenbogenaneurysma • Herzchirurgie beim Säugling
Linksherzbypass (Abb. 33-2)
Femorofemoraler Bypass (Abb. 33-3). Normalerweise werden in der Herzchirurgie Aorta und rechter Vorhof kanüliert (s. o.) Unter speziellen Bedingungen (rupturiertes Aszendensaneurysma, Reoperationen) kann es vorteilhaft sein, die A. und V. femoralis zu kanülieren. Dabei wird die venöse Kanüle möglichst bis in Höhe des rechten Vorhofs vorgeschoben und die A. femoralis retrograd kanüliert.
Femorofemoraler Bypass (Abb. 33-3)
1.2 Assistierte Zirkulation, Myokardprotektion
Assistierte Zirkulation
Assistierte Zirkulation. Neben der extrakorporalen Zirkulation, die auch eine Form der assistierten Zirkulation darstellt, steht der Herzchirurgie heute ein ausgefeiltes Arsenal an Geräten zur mechanischen Kreislaufunterstützung zur Verfügung. Dafür gibt es 3 Indikationen: 1. der akute, therapierefraktäre kardiogene Schock 2. der Patient kann nicht von der HLM entwöhnt werden und
- mechanische Kreislaufunterstützung Indikationen: • therapierefraktärer kardiogener Schock • w e n n E n t w ö h n u n g v o n der H M L problematisch ist
Abb. 33-2: Linksherzbypass ohne Oxygenator. D a s oxygenierte Blut wird aus d e m linken Vorhof (LA) entn o m m e n und mittels P u m p e über die A.femoralis in den Kreislauf zurückgeleitet
Abb. 33-3: Femoro-femoraler Bypass. Die Leistengefäße werden kanüliert, das venöse Blut in der H L M oxygeniert und über die A.femoralis d e m Kreislauf wieder zugeführt
398
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
Abb.33-4: Prinzip der intraaortalen Ballongegenpulsation. Ein rasch aufblasbarer Plastikballon wird durch perkutane Punktion (Seldinger-Technik) oder operativ über die A.femoralis in die Aorta descendens plaziert. Durch herzsynchrones Füllen und Entleeren des Ballons wird der systolische Druck entlastet, der diastolische Druck steigt an. Dies bewirkt eine Verbesserung der koronaren Durchblutung
terminale Herzinsuffizienz -» Zeitüberbrückung bis zur Transplantation.
3. die terminale Herzinsuffizienz, überbrücken.
Funktionsprinzip der assistierten Zirkulation intraaortale Ballongegenpulsation je nach Art der Implantation unterscheidet man komplett implantierbare und parakorporale Systeme (Abb. 33-5 u. 6)
Die einfachste Form der mechanischen Kreislaufassistenz ist die intraaortale Ballongegenpulsation (Abb. 33-4). Hierbei wird ein gasgefüllter Ballon perkutan über die Femoralarterie in die Aorta descendens plaziert. Durch pulssynchronisiertes Füllen und Entleeren des Ballons wird eine diastolische Augmentation des Blutdruckes erzielt. Damit geht eine Verbesserung der Koronardurchblutung einher. Dieses Verfahren findet insbesondere beim kardiogenen Schock (koronare Herzkrankheit) Verwendung. Unterstützung oder Ersatz der Herzfunktion durch Blutpumpen ist beim fortgeschrittenen myogenen Pumpversagen angezeigt. Hier werden Zentrifugalpumpen (nichtpulsatiler Fluß) und Verdrängerpumpen (pulsatiler Fluß) eingesetzt. Je nach Implantationsweise unterscheidet man komplett implantierbare „künstliche Herzpumpen" von parakorporalen, heterotopen Systemen. Letztere haben den Vorteil der leichteren Anwendbarkeit und geringeren Komplexizität, gleichzeitig den Nachteil, daß ihr Einsatz zeitlich nur begrenzt möglich ist, da durch das Ausleiten der Blutschläuche aus dem Thorax erhöhte Infektionsgefahr besteht (Abb. 33-5). Die total implantierbaren Systeme sind komplex (NOVACOR, TCI). Sie werden zur Überbrückung bis zur Transplantation und vereinzelt auch bereits als definitive Lösung ohne nachfolgende Transplantation eingesetzt (Abb. 33-6).
um die Zeit bis zur Transplantation zu
Intraoperative Myokardprotektion Ischämieschutz
Intraoperative Myokardprotektion. Um am stillgestellten Herzen über einen Zeitraum von 1 - 2 Stunden operieren zu können, muß das Herz vor den Folgen der Ischämie geschützt werden. Hierzu gibt es mehrere Verfahren:
Methoden: • Hypothermie • kardioplegische Lösungen - Kristalloide Kardioplegie - Blutkardiopiegie
Das älteste ist die Anwendung der Hypothermie. Kälte reduziert die Stoffwechselvorgänge beträchtlich, so daß vor allem in Verbindung mit zuätzlicher lokaler Eiskühlung des Herzmuskels auch komplexe Herzoperationen möglich sind.
Eine verbesserte Technik stellt die Applikation von kardioplegischen Lösungen dar. Man unterscheidet zwischen kristalloider und Blutkardiopiegie. Erstere ist eine Elektrolytlösung, die durch ihre Zusammensetzung einen Herzstillstand einleitet. Sie wird kalt appliziert, so daß zusätzlich die Kühlung von Vorteil ist. Bei der Blutkardiopiegie, die kalt oder warm angewendet werden kann, wird das Herz mit verdünntem hyperkaliämischem Blut perfundiert, so daß es zwar nicht schlägt, aber weiterhin mit Substrat versorgt wird.
399
Methoden in der Herzchirurgie
Abb.33-5: Operationssitus nach Implantation eines parakorporalen Unterstützungssystems (Kunstherz) für den linken Ventrikel. Das arterielle Blut wird aus dem linken Vorhof abgeleitet und der Aorta ascendens mithilfe der Pumpe wieder zugeleitet
Abb.33-6: Darstellung des implantierten NOVACOR-Unterstützungssystems. Das System liegt in der Bauchwand, die Einflußkanüle bringt das Blut aus dem linken Ventrikel in die Pumpe, die es über die Ausflußkanüle in die Aorta ascendens wieder zurückgibt. Batterien und Kontrollgeräte trägt der Patient an einem Gürtel mit sich
1.3 Zugangswege, Monitoring Zugangswege in der Herzchirurgie. Der Standardzugang für Operationen mit extrakorporaler Zirkulation ist die mediane Sternotomie. Das Sternum wird mit einer Stichsäge längs gespalten. Die mediane Exposition bietet einen optimalen Zugang zu allen Herzhöhlen. Weitere Zugangswege sind die posterolaterale Thorakotomie im Bett der vierten Rippe links, für Operationen am distalen Aortenbogen und des Isthmus, sowie zur Ligatur des offenen Ductus arteriosus. Zum Anlegen von epikardialen Schrittmacherelektroden und intraperikardialen Drainagen hat sich die inferiore Perikardiotomie bewährt.
Operative Zugangswege in der Herzchirurgie • mediane Sternotomie Standardzugang • inferiore Perkardiotomie • videoassistierte thorakoskopische Operationstechnik MIC
Zunehmend gewinnen auch minimal-invasive Verfahren für die Herzchirurgie an Bedeutung (s. auch Kapitel 27.2, S.260, 261).
Intra- und postoperatives Monitoring. Um die komplexen Einwirkungen der Perfusion mit der HLM auf den Organismus besser verstehen und therapeutisch eingreifen zu können, ist intra- und postoperativ ein umfassendes Monitoring der Vitalparameter erforderlich. Das normale Monitoring umfaßt eine kontinuierliche EKG-Kontrolle in mindestens 2 Ableitungen (II und V 5 ), die blutige Messung des Druckes in der A. radialis, selten in der A.femoralis, des zentralvenösen Druckes (ZVD), des pulmonalarteriellen Druckes und -kapillären Wedge-Druckes (Swan-Ganz-Katheter) sowie die Bestimmung des HMV. Bisweilen ist die Messung des linksatrialen Drucks sinnvoll. Zusätzlich wird die Körpertemperatur in Ösophagus und Harnblase gemessen. Die Bestimmung der arteriellen 0 2 -Sättigung wird während der HLM-Phase kontinuierlich und im Anschluß daran intermittierend zusammen mit den arteriellen Blutgasanalysen durchgeführt, außerdem routinemäßig die Elektrolyte i.S., Blutbild, Gerinnungsstatus und Laktat. Diese patientenbezogenen Parameter werden auch in den ersten Stunden postoperativ auf der Intensivstation teils kontinuierlich, teils in kurzen Abständen bestimmt.
Intra- und Dostooeratives Monitoring Überwachung der Vitalparameter: • Ekg • arterieller Druck (mit Kanüle in der A. radialis) • ZVD • Pulmonalarteriendruck (Swan-GanzKatheter) • Messung des HMV • Blutgasanalysen • Elektrolyte, Blutbild, Laktat, Gerinnungsstatus Überwachung der Pumpenfunktion: • Bluttemperatur
400
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße Während der HLM-Phase werden diverse Parameter, die die Qualität der Perfusion und den Funktionszustand der HLM anzeigen, kontrolliert: Druck im arteriellen Schenkel der HLM, Druckverlust im Oxygenator, arterielle und venöse Sauerstoffsättigung, Blut- und Gasfluß, Temperaturen im Ein- und Auslaßteil des Wärmetauschers, Bluttemperaturen im venösen und arteriellen Teil der HLM.
Intensivmedizin in der Herzchirurgie
1.4 Herzchirurgische Intensivmedizin
engmaschige Überwachung der Vitalfunktionen Blutgasanalysen wichtige Laborparameter
Die engmaschige Überwachung der Vitalfunktionen wird in den ersten Stunden nach der Operation auf der Intensivstation nahtlos fortgeführt. Besonders interessieren die Kreislaufparameter: arterieller-, zentralvenöser-, pulmonalarterieller-, -kapillärer Wedge-Druck und das HMV. Indirekte Parameter für eine adäquate Kreislaufsituation sind ausreichende Urinausscheidung und warme Extremitäten. Neben dem kontinuierlichen EKGMonitoring ist die Überwachung der Beatmung und nach Extubation die Kontrolle der Gasaustauschfunktion der Lunge erforderlich. Laboruntersuchungen in der postoperativen Phase schließen die Bestimmung des Blutbildes (Hb, HK), arterielle und evtl. venöse Blutgasanalysen, Elektrolyte (Kalium), Gerinnungsstatus sowie Leber- und Pankreasenzyme ein. Sehr wichtig ist die Erfassuang der stündlichen Drainageverluste. Sind sie erhöht, so muß nach Ausschluß einer Gerinnungsstörung eine chirurgische Blutung angenommen werden!
Bedrohliche postoperative Komplikationen • Herzbeuteltamponade • Nachblutung stündliche Messung des über die liegenden Drainagen abfließenden Blutes • Hypertonie • Herzrhythmusstörungen • perioperative Myokardischämie
Postoperative Komplikationen betreffen überwiegend den Kreislauf. Als erstes ist ein fehlerfreies Monitoring sicherzustellen. • Hypotonien werden am ehesten durch Volumenmangel (niedriger Z V D ) oder Perikardtamponade bedingt sein. Typisch hierfür sind ein hoher ZVD, niedriger pulmonaler- und Wedge-Druck, Mediastinalverbreitung im Röntgenbild, Flüssigkeitsansammlung um das Herz im transthorakalen oder -ösophagealen Echokardiogramm, Oligurie oder Anurie. Entlastung des Herzbeutels durch sofortige operative Exploration des Operationsgebietes. • Eine Hypertonie, muß ebenso vermieden werden, da die Nahtlinien im Bereich von Aorta, Koronargefäße, Herzklappen belastet werden. Außerdem ist die Hypertonie für ein postischämisches Herz extrem gefährlich, da die reparativen Prozesse am Herzmuskel ungünstig beeinflußt werden. • Herzrhythmusstörungen können durch Entgleisungen im Elektrolythaushalt, Azidose, Volumenmangel oder Anämie bedingt sein. Bradykarde Rhythmusstörungen werden mit passagerem Schrittmacher, tachykarde medikamentös oder durch Kardioversion behandelt. • Besonders ist auf eine perioperative Myokardischämie zu achten. Dazu werden neben dem Monitor-EKG regelmäßig (in 2 Ableitungen) auch 12-Kanal-EKGs abgeleitet. Die Bestimmung herzspezifischer Enzyme ist unerläßlich, ebenso die Echokardiographie. Bei gesicherter Myokardischämie ohne hämodynamische Auswirkungen wird mit Nitraten und Kalziumantagonisten behandelt, mit hämodynamischen Folgen ist neben der koronaren Vasodilatation, evtl. die Implantation einer Ballonpumpe indiziert, oder man gibt Katecholamine niedrig dosiert. Nach Stabilisierung des Patienten ist, je nach Situation, eine invasive Diagnostik notwendig, um den Frühverschluß eines Bypass auszuschließen. • Bei erhöhten Drainageverlusten ist eine umfassende Gerinnungsdiagnostik erforderlich. Extrakorporale Zirkulation und Thrombozytenaggregationshemmer stören oft die Gerinnung postoperativ. • Bei intakter Gerinnung und persistierenden Blutverlusten (> 250 ml innerhalb der ersten Stunde, > 1000 ml innerhalb der ersten 6 Stunden oder > 100 ml/h ohne nachlassende Tendenz) ist die Reexploration notwendig! Bei diffuser Blutung Normalisierung der Gerinnungsaktivität! • Eine Niereninsuffizienz kann auf einer gestörten Elektrolytbalance (Natrium!) beruhen. Daraus leiten sich weitere Maßnahmen ab: Serumelektrolyte und Azidose ausgleichen, intravasalen Volumenmangel beseitigen, Perikardtamponade ausschließen. Diuretika sind nach Herzoperationen in den ersten Tagen oft indiziert, bisweilen auch eine venovenöse Hämofiltration. Die Überwachung der postoperativen Lungenfunktion ist unerläßlich, ebenso die sofortige Behandlung pulmonaler Komplikationen. Wichtig ist die Kontrolle des Flüssigkeitshaushaltes, der infolge der Hämodilution (HLM) und damit Überwässerung der Patienten (vorbestehende Vitien, fortgeschrittene Herzinsuffizienz, erhöhte Kapillarpermabilität) gestört sein kann. Die postoperative Flüssigkeitsbilanz ist sorgfältig zu dokumentieren (Einfuhr, Ausfuhr), um Abweichungen entsprechend behandeln zu können.
Behandlung der Myokardischämie: • Nitrate, Kalziumantagonisten • Katecholamine in niedriger Dosierung • evtl. Implantation einer „Ballonpumpe" zur temporären assistierten Zirkulation Frühverschluß des aortokoronaren Bypass ausschließen!
Überwachung weiterer Parameter: • Kontrolle der Gerinnungsparameter • Überwachung der postoperativen Lungenfunktion • Überwachung des Flüssigkeitshaushalts, der durch Hämodilution bei der extrakorporalen Zirkulation gestört ist.
Zeitpunkt und Art der Operation
2. Zeitpunkt und Art der Operation
401 Operationszeitpunkt
Operationszeitpunkt. Eine Operation ist angezeigt, wenn sie den natürlichen Verlauf bzw. den Verlauf unter medikamentöser oder nach interventioneller Therapie und Berücksichtigung des generellen und individuellen Operationsrisikos günstig beeinflussen kann. Das individuelle Risiko wird durch Zweitkrankheiten erheblich belastet. Je weniger dringlich die Operation, um so mehr müssen vorher begleitende pathologische Befunde beseitigt werden, z.B. symptomatische Karotisstenosen.
für das Operationsrisiko wird unterschieden zwischen • generellem und • individuellem Risiko
Foki an den Zähnen oder im HNO-Bereich müssen präoperativ saniert werden, insbesondere vor einem geplanten Herzklappenersatz oder einer Herztransplantation; Hauterkrankungen im Bereich des Operationszugangs sollen präoperativ behandelt werden; bei Hyperthyreose euthyreote Stoffwechsellage erforderlich, Ödeme sind präoperativ auszuschwemmen, das Körpergewicht soll möglichst normalisiert werden; Normalisierung des Blutdrucks und eine mindestens öwöchige Nikotinkarenz sind wünschenswert; floride Ulzera im Magen-Darm-Trakt müssen präoperativ behandelt werden. Wichtig für die Indikationsstellung zur Operation ist neben der Überlebenszeit auch die Lebensqualität, da nicht wenige Patienten unter Angina pectoris und einem Vernichtungsgefühl leiden.
Merke: Möglichst vor jeder Herzoperation eine Fokussanierung! bei Schilddrüsenüberfunktion euthyreote Stoffwechsellage herstellen! Körpergewicht normalisieren!
wichtig für die Indikationsstellung ist die Frage nach der „Lebensqualität"!
Die Schweregrade der Herzinsuffizienz nach der New York Heart Association (NYHA) sind: NYHA I: Symptomfreiheit, NYHA II: Beschwerden bei starker Belastung, NYHA III: Beschwerden bei leichter Belastung, NYHA IV: Beschwerden in Ruhe.
Schweregrade der Herzinsuffizienz (NYHA)
Die Dringlichkeit der Operation wird in 3 Stadien zusammengefaßt: • akute Indikation: Sofortoperation bzw. Op. innerhalb von 24 Stunden • dringende Operation: innerhalb 1 Woche • elektive Operation: innerhalb von 2-3 Monaten.
Dringlichkeit der Operation
Palliation und Korrektur. Palliative Operationen verbessern das Grundleiden, ohne den Fehler zu korrigieren. Bei der Korrekturoperation wird der Herzfehler ursächlich beseitigt und damit eine möglichst normale Kreislaufphysiologie wiederhergestellt. Palliativoperationen finden vor allem in
Abb. 33-7: Blalock-Taussig-Shunts. Die A. subclavia wird mit der A. pulmonalis End-zu-Seit anastomosiert. Der Kurzschluß verbessert die Lungendurchblutung: r. PA und I.PA: rechter und linker Ast der A. pulmonalis, Ao: Aorta, S: A. subclavia
Abb. 33-8: Prädilektionsstellen für Stenosen des rechtsventrikulären Ausflußtraktes: infundibulär, valvulär, supravalvulär, peripher, RA rechter Vorhof, RV rechter Ventrikel, A P A . pulmonalis
0 Palliative Eingriffe verbessern das Grundleiden, besonders bei angeborenen Herzfehlern. Inzwischen haben sie an Bedeutung verloren
402
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
Beispiele: • Vitien mit verminderter Lungendurchblutung -> systemisch-pulmonalarterielier Shunt von der Aorta oder A.subciavia zur A.pulmonalis • Vitien mit erhöhter Lungendurchblutung Drosselung der A.pulmonalis durch „Banding" Bei Korrekturoperationen wird der Herzfehler ursächlich beseitigt
der Chirurgie der angeborenen Herzfehler Anwendung, insbesondere bei Vitien mit verminderter Lungendurchblutung (systemisch-pulmonalarterieller Shunt, Abb. 33-7). Bei Vitien mit erhöhter Lungendurchblutung wird durch chirurgische Einengung (Banding) der A.pulmonalis der Lungendurchfluß gedrosselt.
Angeborene Herzfehler
3. Angeborene Herzfehler
Von 1000 Neugeborenen haben 7-9 einen Herzfehler, davon 95% angeboren. In 5% erworbene Herzfehler im Säuglingsalter.
7-9/1000 Neugeborenen haben einen Herzfehler, davon 95 % angeboren. Nur etwa 5 % der Herzerkrankungen im Säuglings- und Kindesalter sind entzündlich erworbene Vitien.
Die palliativen Herzoperationen haben durch die frühen Korrekturoperationen im Neugeborenen- bzw. Säuglingsalter an Bedeutung verloren.
Herzfehler sind die häufigsten angeborenen Erkrankungen überhaupt; sie können in einem hohen Prozentsatz operiert werden (Tab. 33-1). Dabei wird, wenn immer möglich und sinnvoll die frühzeitige Korrektur im Säuglingsalter angestrebt. Einteilung. Herzfehler • ohne Kurzschlußverbindungen (Shunt) • mit Links-Rechts-Shunt (ohne Zyanose) und Rechts-Links-Shunt (mit Zyanose). Weiterhin unterteilt man Anomalien mit normaler, verminderter oder vermehrter Lungendurchblutung.
Einteilung: • Herzfehler ohne Kurzschlußverbindung • Links-Rechts-Shunt (ohne Zyanose) • Rechts-Links-Shunt (mit Zyanose) Zyanose —> Beimischung von venösem Blut in das arterielle System durch RechtsLinks-Shunt
3.1 Azyanotische Herzfehler Definition. Vitien ohne Zyanose infolge fehlender Shuntverbindung zwischen linkem und rechtem Herzen oder infolge Links-Rechts-Shunt mit zentraler Beimischung von arteriellem (zum venösen) Blut. 3.1.1 Azyanotische Herzfehler mit normaler Lungendurchblutung
Azyanotische Herzfehler mit normaler Lungendurchblutung
Definition. Vitien ohne Verbindung (Shunt) zwischen System- und Pulmonalkreislauf. Kennzeichnend sind Stenosen in den Ausflußtrakten der rechten oder linken Kammer bzw. Fehlbildungen an den großen Arterien. Die Stenosen im Auslaßteil der Herzkammer sind subvalvulär, valvulär oder supravalvulär lokalisiert. Mischformen sind häufig.
Rechtsventrikuläre Ausflußbahnstenosen werden eingeteilt in: - subvalvuläre (infundibulär) - valvuläre - supravalvuläre (zentrai-peripher)
3.1.1.1 Obstruktion der rechtsventrikulären Ausflußbahn Kongenitale Pulmonatstenose
Am häufigsten ist die kongenitale Pulmonalstenose (Abb. 33-8). Sie imponiert meist als valvuläre oder kombiniert mit einer subvalvulären (häufig sekundären) Stenose.
Tab.33-1: Herzfehler und ihre Häufigkeit Diagnose
Häufigkeit (%)
Diagnose
Häufigkeit (%)
Ventrikelseptumdefekt (VSD) Persist. D.arteriosus (PDA) Vorhofseptumdefekt (ASD) Pulmonalstenose (PS) Aortenisthmusstenose (AolST) Aortenstenose (AS)
25 12 11 9 6 6
Transposition d. großen Arterien (TGA) Schwere Dysrhythmien Trikuspidalatresie (TA) Fehlerhafte Einmündung großer Venen Singulärer Ventrikel Pulmonalatresie Andere Fehlbildungen
5 3 2 1 1 1 8
403
Angeborene Herzfehler Klinische Anatomie, Pathophysiologie. Die valvuläre Pulmonalstenose entsteht durch Verschmelzung der Pulmonalklappen an den Kommissuren mit zentraler Restöffnung. Die Druckbelastung der rechten K a m m e r führt zur Hypertrophie, die das Infundibulum erfassen und hier eine sekundäre Stenose bewirken kann. Bei einer hochgradigen Obstruktion (Pulmonalatresie), ist ein Überleben der Kinder nur möglich, wenn durch das offene Foramen ovale ein Rechts-Links-Shunt besteht und gleichzeitig die Lungendurchblutung über einen offenen Ductus arteriosus gewährleistet ist.
• Hämodynamik: Druckbelastung der re. Kammer -» Hypertrophie und sek. Pulmonalstenose. Bei Pulmonalatresie ist Überleben nur möglich bei offenem Foramen ovale mit Rechts-Links-Shunt und offenem D. arteriosus
Symptome und Diagnostik: Bei schwerer Pulmonalstenose/ atresie wird bereits im Säuglingsalter eine Herzinsuffizienz manifest. Die meisten erreichen jedoch relativ symptomarm ein höheres Lebensalter. Die Diagnose erfolgt häufig zufällig aufgrund eines systolischen Geräuschbefundes; Bestätigung durch zweidimensionale Echokardiographie. Mit der Doppler-Methode läßt sich der Druckgradient über der rechtsventrikulären Ausflußbahn bestimmen. Eine Herzkatheteruntersuchung schließt weitere Anomalien aus. Natürlicher Verlauf, Operationsindikation: Dieser ist durch das Ausmaß der Pulmonalstenose und damit der rechtsventrikulären Belastung gekennzeichnet. Je früher die Kinder symptomatisch werden, um so ungünstiger ist die Prognose. Die Indikation zur Intervention ist bei schwerer Herzinsuffizienz und bei einem systolischen Gradienten > 60 mm Hg in Ruhe gegeben. Operationsverfahren: Die rein valvuläre Pulmonalstenose wird heute nur noch selten operiert. Sie besteht in der chirurgischen Kommissurotomie. Bei sub- und supravalvulären Pulmonalstenosen kann gelegentlich eine Patcherweiterung nötig werden. Die valvulären und supravalvulären Pulmonalstenosen werden durch Ballondilation und Stentimplantation behandelt. Ergebnisse und Prognose: Das Operationsrisiko liegt deutlich unter 5 % , ebenso das Risiko bei der Katheterintervention. Ein schweres Rechtsherzversagen, besonders bei notfallmäßigen Operationen im frühen Säuglingsalter, erhöht das Risiko. Die Prognose ist im allgemeinen gut.
Symptome: - oft asymptomatisch - Herzinsuffizienz • Diagnostik: - systolisches Herzgeräusch - Echokardiographie - Doppler-sonographische Bestimmung des Druckgradienten über der rechtsventrikulären Ausflußbahn Je früher Symptome, desto ungünstiger die Prognose! • Operationsindikation: - Druckgradient > 60 mm Hg - Herzinsuffizienz
3.1.1.2 Obstruktionen der linksventrikulären Ausflußbahn
Linksventrikuläre Ausflußbahnstenosen
Zu einer linksventrikulären Obstruktion führen (Abb. 33-9): subvalvuläre Aortenstenose, hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie (HOCM), valvuläre und supravalvuläre Aortenstenose und weiter distal gelegen die Aortenisthmusstenose.
Einteilung: • subvalvuläre (incl. HOCM), fibrös oder muskulär • valvuläre • supravalvuläre • Aortenisthmusstenose (distal) Anatomie und Hämodynamik Bei subvalvulären Stenosen Widerstandserhöhung im Ausflußtrakt des linken Ventrikels. Prä- und poststenotischer Druckgradient
Klinische Anatomie und Pathophysiologie. Die subvalvulären Stenosen können muskulär oder fibrös sein. Obstruktionen des linksventrikulären Ausflußtraktes als gemeinsame Krankheitsentität sind nach dem Ventrikelseptumdefekt die häufigste Form von angeborenen Herzfehlern. Die Stenose bewirkt eine Widerstandserhöhung im Ausstromteil des linken Ventrikels, zu deren Überwindung von der K a m m e r
supravalvulär valvulär
subvaivular
infundibuiär (hoch)
Abb. 33-9: Prädilektionsstellen für Stenosen des linksventrikulären Ausflußtraktes: infundibulär, subvalvulär, valvulär, supraval-
vujä[V peripher
(Aortenisthmus-
stenose), LV linker Ventrikel. LA linker Vorhof, Ao Aorta
• Operationsverfahren: - subvalvuläre Pulmonalstenose -> Infundibulektomie und Patch-Erweiterung - valvuläre und supravalvuläre Pulmonalstenosen perkutane Ballonvalvuloplastie • Ergebnisse: - Operationsletalität < 5 % - bei notfallmäßigen Operationen im Säuglingsalter höheres Risiko - nach erfolgreicher Korrektur gute Prognose
404
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße ein erhöhter Druck aufgebaut werden muß. Der Druckgradient bezeichnet die Differenz zwischen prä- und poststenotischem Druck.
Symptome: • Linksherzinsuffizienz: - Dyspnoe, Angina pectoris - Herzrhythmusstörungen - Muskelhypertrophie - Systolikum • keine invasive Diagnostik erforderlich I
Op.-Indikation • Gradient > 60 m m Hg • Linksherzhypertrophie (Echo) • Repolarisationsstörungen (EKG)
Op.-Verfahren • subvalvuläre Stenosen: - Exzision der fibrösen, stenosierenden Struktur - Myektomie bei muskulären Stenosen (HOCM) - valvuläre Stenosen Ballonvalvuloplastie oder Kommissurotomie - supravalvuläre Stenosen: Patcherweiterungsplastik Prognose - Operationsrisiko: Neugeborenes ~ 20%, Kleinkind < 5%, Rezidivstenosen in 20-40% Aortenisthmusstenose Häufigkeit 6%. Oft mit intrakardialen Herzfehlern kombiniert. Einteilung: • präduktal (infantiler Typ) • postduktal (adulter Typ) - Hypertonie in der oberen Körperhälfte die typische Beschwerden, Hypotonie in der unteren Körperhälfte symptomlos. Symptome: - bei der kritischen Isthmusstenose im Säuglingsalter schwere Herzinsuffizienz. - wird häufig erst im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter entdeckt. - Blutdruckdifferenz zwischen Armen und Beinen, Kopfschmerzen. Diagnose: - zweidimensionale Echokardiographie - Doppler-SonographieBestimmung des Druckgradienten - Aortographie und Herzkatheteruntersuchung fakultativ Komplikationen • Aortenruptur, • intrakranielle Aneurysmen intrazerebrale Blutung (Hypertonie!) • bakterielle Endokarditis
Symptome und Diagnostik: Bei hochgradigen Stenosen besteht bereits im Säuglingsalter eine Linksherzinsuffizienz. Bei älteren Kindern und Jugendlichen ist die Symptomatik oft gering. Im weiteren Verlauf wird das klinische Bild von Leistungsminderung, Dyspnoe, Angina pectoris und Herzrhythmusstörungen mit gelegentlichen synkopalen Zuständen gekennzeichnet. Bei langbestehender myokardialer linksventrikulärer Druckbelastung stellt sich eine Hypertrophie der Muskulatur mit entsprechendem EKG (Repolarisationsstörung) ein. Herzgeräusch (Systolikum) und zweidimensionales Echo bestätigen die Diagnose. Bei der kritischen Aortenstenose des Neugeborenen ist eine weiterführende invasive kardiale Diagnostik nicht erforderlich. Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Bei der kritischen Aortenstenose im Neugeborenenalter unter dem klinischen Bild der Herzinsuffizienz ist der Spontanverlauf ungünstig, ohne Operation besteht eine infauste Prognose. Die milderen Formen der Obstruktion des linksventrikulären Ausflußtraktes werden häufig erst im 2.-3. Lebensjahrzehnt, dann aber rasch zunehmend, symptomatisch. Über Herzrhythmusstörungen kann es zum plötzlichen Herztod kommen. Bei der valvulären Aortenstenose im Neugeborenenalter besteht die Indikation zur notfallmäßigen Operation, ansonsten werden die Kinder bei Druckgradienten über 60 mmHg und beginnenden Schädigungszeichen im EKG bzw. Linksherzhypertrophie operiert. Operationsverfahren: Die Operation besteht bei der valvulären Aortenstenose in der Kommissurotomie. Supravalvuläre Verengungen werden durch eine Erweiterungsplastik der Aorta ascendens mit autologem Perikard oder Kunststoffflicken, die subvalvuläre Stenose durch transaortale Resektion des fibrösen Ringes oder durch rinnenförmige Inzision des obstruierenden Muskelwulstes beseitigt. Ergebnisse und Prognose: Das Operationsrisiko bei der valvulären Aortenstenose beträgt im Neugeborenenalter als Notfalleingriff ~ 20 %, bei Elektiveingriffen jenseits des Säuglingsalters < 5 % . Die Langzeitresultate sind günstig. Bei der valvulären Aortenstenose kommen im Langzeitverlauf in 20-40 % Rezidivstenosen vor, die dann einen prothetischen Herzklappenersatz erfordern. Die Aortenisthmusstenose ist die am weitesten distal gelegene Form (Abb. 33-10). Klinische Anatomie und Pathophysiologie. Der Aortenisthmus liegt zwischen Abgang der linken A. subclavia und der Einmündung des Ductus arteriosus. Stenosen in diesem Bereich können präduktal, d.h. vor Einmündung des Duktus, juxtaduktal im Bereich der Einmündung des Duktus und postduktal, distal des Duktus gelegen sein. Häufig finden sich in Verbindung mit der Aortenisthmusstenose intrakardiale Herzfehler. Im Bereich der oberen Körperhälfte besteht eine Hypertonie und in der unteren eine Hypotonie. Der Niederdruck in der unteren Hälfte ist asymptomatisch, in der oberen dagegen können langfristig alle Probleme der arteriellen Hypertension auftreten. Mit einer Inzidenz von 6 % kommt die Aortenisthmusstenose genauso häufig vor wie die kongenitale Aortenstenose.
Symptome und Diagnostik: Bei der kritischen Isthmusstenose im Säuglingsalter findet sich eine schwere Herzinsuffizienz. Diese Kinder haben häufig noch andere intrakardiale Fehlbildungen. Bisweilen jedoch bleibt die Aortenisthmusstenose bis ins jugendliche oder frühe Erwachsenenalter symptomfrei. Sie wird dann im Zusammenhang mit einer Hypertoniediagnostik erkannt. Eine Blutdruckdifferenz zwischen Armen und Beinen sowie ein Stenosegeräusch sind typisch. Diagnosestellung durch zweidimensionale Echokardiographie und Doppler-Sonographie zur Abschätzung des Druckgradienten. Im Säuglingsalter ist eine Herzkatheteruntersuchung nicht erforderlich, wenn keine weiteren Herzfehler vorliegen. Im späteren Lebensalter kann die Aortographie zur Darstellung der Stenosemorphologie sinnvoll sein.
Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Gefahr der Ruptur von Aorta und intrakraniellen Aneurysmen, intrazerebrale Blutung, bakterielle Endokarditis, Linksherzversagen als Hypertoniefolge. Nicht operiert, leben
Angeborene Herzfehler
Abb. 33-10: Formen der Aortenisthmusstenose: (infantiler) Typ, b. Postduktaler (adulter) Typ
405
a. Präduktaler
Abb. 33-11: Korrektur von Aortenisthmusstenosen: a. Resektion mit End-zu-End-Anastomose, b. Patch-Erweiterungsplastik, c. Protheseninterposition
mit 40 Jahren nur noch etwa 30 % der mit einer Aortenisthmusstenose geborenen Patienten. Somit ist eine Operationsindikation grundsätzlich gegeben. Bei Neugeborenen mit kritischer Aortenistmusstenose besteht eine notfallmäßige Operationsindikation. Operationsverfahren (Abb. 33-11): Bei kurzstreckigen Stenosen (im Säuglings- und Kleinkindesalter) ist die Resektion der Gefäßeinengung mit Endzu-End-Anastomose anzustreben. Bei Operationen im späteren Lebensalter oder bei langstreckigen Stenosen empfiehlt sich die Patcherweiterung des Isthmus nach Vossschulte oder die Protheseninterposition. Gelegentlich wird vor allem beim Säugling die peripher abgetrennte A. subclavia zur plastischen Erweiterung des Aortenisthmus verwandt (Waldhausen-Plastik). Ergebnisse und Prognose: Das Operationsrisiko im Säuglings- und Kleinkindesalter beträgt RechtsLinks-Shunt
Wegen des meist zusätzlich vorhandenen großen Ventrikelseptumdefekts besteht ein Links-Rechts-Shunt, die Gefäßanteile distal der Unterbrechung werden durch den persistierenden Ductus arteriosus durchblutet. Die Patienten sind bereits im Neugeborenenalter schwer herzinsuffizient. Die definitive Diagnose wird durch Herzkatheteruntersuchung gestellt. Ohne Operation versterben 80 % der Patienten im ersten Lebensmonat. Somit ist die Operationsindikation in jedem Fall gegeben. Die Kontinuität zwischen den unterbrochenen Segmenten des Aortenbogens wird durch End-zu-EndAnastomose wiederhergestellt und der meist vorhandene Ventrikelseptumdefekt gleichzeitig verschlossen. Hohes Operationsrisiko von 20-30 %. Gefäßanomalien im Aortenbogenbereich treten als vaskuläre Ring- oder Schlingenbildungen auf. Sie komprimieren Trachea oder Ösophagus. Die Klinik ist daher von Dysphagie, Stridor, Dyspnoe und Tracheomalazie gekennzeichnet. Morphologisch können diese Gefäßanomalien als doppelter Aortenbogen, rechtsdeszendierende Aorta mit linkem Lig. arteriosum und als aberrierende Arteria subclavia dextra (A.lusoria) imponieren (Abb. 3312). Bei der Operation wird der einschnürende Gefäßring durchtrennt. Operationsletalität < 5 % , gute Spätergebnisse.
Operationsverfahren: - End-zu-End-Anastomose - Verschluß des VSD Ergebnisse: - ohne Operation versterben 80% im 1. Lebensmonat - hohe Operationsletalität: 20-30%
Gefäßanomalien im Bereich des Aortenbogens • doppelter Aortenbogen • rechtsdeszendierende Aorta • aberrierende A. subclavia dextra (A. lusoria) Operation: Durchtrennung des einschnürenden Gefäßringes Op.-Letalität < 5 % , Spätergebnisse gut
406
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße Trachea rechter! AortenJ bogen
Trachea
Ösophagus
Ösophagus
Trachea A. subclavia sin. A. carot. comm.s Ligamentum arteriosum
Truncus brachiocephalicus Abb.33-12: a. Doppelter Aortenbogen. Trachea und Ösophagus werden durch den rechten posterioren und linken anterioren Schenkel des Aortenbogens komprimiert, b. Ringbildung mit dem Aortenbogen rechts und dem Lig. arteriosum links. Ösophagus und Trachea werden komprimiert, c. Ösophagus und Trachea werden durch die A. lusoria eingeengt. Die A.subclavia dext. entspringt distal des Abgangs der A.subclavia sin. aus der proximalen Aorta descendens und zieht hinter dem Ösophagus und der Trachea zum rechten Arm: PA: A. pulmonalis, 1 A. carotis dext., 2 A. carotis sin., 3 A. subclavia dextra, 4 A. subclavia sinistra
Azyanotische Herzfehler mit vermehrter Lungendurchblutung
3.1.2 Azyanotische Herzfehler mit vermehrter Lungendurchblutung
Verbindungen zwischen dem linken und rechten Herzen oder der Aorta und A. pulmonalis. Beimischung von arteriellem zum venösen Blut. Links-Rechts-Shunt Kurzschlußverbindungen im Vorhof- oder Ventrikelseptum oder auf Gefäßebene: • Ductus arteriosus Botalli • aortopulmonales Fenster • Truncus arteriosus Je nach Shuntgröße und Dauer der Druckbelastung sekundäre Lungengefäßsklerose -» Eisenmenger-Reaktion: - Reaktion der peripheren Lungenstrombahn auf chronische Druck- und Flußbelastung - irreversible Mediaveränderung der Lungengefäße -> pulmonale Hypertonie
Definition. Verbindung zwischen Kreislaufabschnitten höheren und geringeren Druckes: zwischen linkem und rechtem Herzen bzw. Aorta und A. pulmonalis. Das arterielle Blut strömt somit in das Niederdruckgebiet. Es findet eine Beimischung von arteriellem zu venösem Blut statt: LinksRechts-Shunt. Die Kurzschlußverbindungen können auf Vorhofebene (Septumdefekte), Ventrikelebene (ebenfalls Septumdefekte) oder im Bereich der großen Gefäße liegen (persistierender Ductus arteriosus, aortopulmonales Fenster, Truncus arteriosus). Der Shunt wird durch die Kurzschluß Verbindung und die Widerstandsverhältnisse im Hoch- und Niederdruckgebiet bestimmt. Je nach Shuntgröße, zeitlicher Dauer und Druckbelastung des Lungenkreislaufs bildet sich eine sekundäre Lungengefäßsklerose mit Erhöhung des -gefäßwiderstandes aus. Dadurch nimmt das Shuntverhältnis ab. Von einem gewissen Ausmaß an sind diese Lungenveränderungen irreversibel und es kommt zur Erhöhung des pulmonalarteriellen Druckes mit evtl. Shuntumkehr (Eisenmenger-Reaktion). So sind bei allen Vitien mit vermehrter Lungendurchblutung sowohl die Früh- wie Spätergebnisse vom pulmonalen Widerstand abhängig. Bei normalem pulmonalen Druck ist die Operationsletalität gering und das Langzeitergebnis exzellent, bei mäßiger Widerstandserhöhung noch gering und die Langzeitergebnisse durch die beeinträchtigte pulmonale Situation gekennzeichnet. Bei EisenmengerReaktion besteht Inoperabilität.
Kontraindikation zur Operation!
Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
3.1.2.1 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
postnatales Fortbestehen der fetalen Kreislaufverbindung zwischen A. pulmonalis und Aorta descendens. • Häufigkeit 5-10% • oft zusätzliche Herzfehlbildungen Bei verminderter Lungendurchblutung ist die Persistenz des Duktus nach der Geburt überlebenswichtig. Prostaglandin-Therapie (Min-Prog) zum Offenhalten der Verbindung
Klinische Anatomie und Pathophysiologie: Der Ductus arteriosus Botalli (DAB) ist als fetale Kreislaufverbindung zwischen A. pulmonalis und Aorta offen (Abb. 3313). Über diese intrauterine Kurzschlußverbindung gelangt das sauerstoffangereicherte Plazentablut unter Umgehung der Lunge aus der A. pulmonalis in die Aorta. Unter dem Einfluß der Atmung und der steigenden 0 2 -Partialdrücke verschließt sich der Duktus innerhalb von Stunden bis Tagen nach der Geburt meist spontan. Bei 1:4000 Neugeborenen bleibt er offen und ist mit 5-10% ein relativ häufiger Herzfehler. Nicht selten ist der PDA mit komplexen kardialen Fehlbildungen vergesellschaftet. Bei postpartal verminderter Lungendurchblutung ist der PDA für das Überleben wichtig. In solchen Fällen kann er mit Prostaglandin E, (Min-Prog) offengehalten werden.
407
Angeborene Herzfehler
Abb.33-13: Offener Ductus Botalli: Blut strömt von der Aorta in die Pulmonalarterie (Pfeile -» Links-Rechts-Shunt), PA Pulmonalarterie, RA rechter Vorhof, RV rechter Ventrikel, LA linker Vorhof
Abb.33-14: Vorhofseptumdefekte rechter Vorhof, LA linker Vorhof
und ihre Lokalisation:
RA
Symptome und Diagnostik: Fehlen weitere Herzfehler, so ist die Pathophysiologic postnatal durch einen Links-Rechts-Shunt gekennzeichnet: Blut strömt aus der Aorta über den Duktus in die Pulmonalarterie. Daraus resultiert eine Überlastung des linken Herzens, welche zu Herzinsuffizienz führen kann. Die Überströmung der Lunge kann im Langzeitverlauf zur Eisenmenger-Reaktion (s. o.) führen. Aufgrund der Volumenüberlastung ist eine Herzinsuffizienz im Neugeborenenalter möglich (Tachykardie, Lungenödem, Pneumonie). Bei kleinem Duktus bleiben die Patienten lange Zeit asymptomatisch. Typischer Auskultationsbefund: systolisch-diastolisches Maschinengeräusch; differentialdiagnostisch abzugrenzen gegen ein aortopulmonales Fenster. Die zweidimensionale Echokardiographie stellt den Duktus zuverlässig dar. Bei schwieriger Diagnose ist eine Herzkatheteruntersuchung angezeigt. Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Ohne Operation versterben etwa 40% der Patienten bis zum 45. Lebensjahr. Eine dringliche Operationsindikation besteht bei unreifen Neugeborenen mit Atemnotsyndrom, bei denen der PDA eine zusätzliche Belastung der Lunge darstellt. Falls es nicht gelingt den Duktus durch Medikamente (Indometacin) zu verschließen, muß das Gefäß ligiert werden. Operationsmethode: Bei älteren Kindern ist anstelle des chirurgischen Duktusverschlusses heute das interventionelle Vorgehen mit speziellen Okkludern zu empfehlen. Bei unreifen Neugeborenen mit Geburtsgewichten < 2000 g ist diese Technik nicht anwendbar. Bei diesen Kindern wird über eine kleine posterolaterale Thorakotomie der Duktus mit einem Gefäßclip verschlossen. Die perioperative bzw. -interventionelle Letalität beträgt beim Elektiveingriff < 0,5 %; bei der Notoperation im Säuglingsalter ist sie höher.
Symptome: • Links-Rechts-Shunt -> Überlastung des linken Herzens Herzinsuffizienz bereits im Neugeborenenalter: - Tachykardie - Lungenödem, Pneumonie Diagnose: - systolisch-diastolisches Maschinengeräusch - Nachweis des offenen Duktus mittels Echokardiographie - Herzkatheteruntersuchung aus differentialdiagnostischen Gründen bisweilen erforderlich
3.1.2.2 Vorhofseptumdefekte (ASD)
Vorhofseptumdefekte (ASD)
Sie gehören zu den häufigsten Herzfehlern (s. Tab. 33-1). Mädchen sind doppelt so häufig betroffen wie Jungen.
zählen zu den häufigsten Herzfehlern. Bei Mädchen doppelt so häufig wie bei Knaben
Klinische Anatomie und Pathophysiologie: Man unterscheidet nach der Lokalisation: • Ostium-sekundum-Defekt (ASD II), Ostium-primum-Defekt (ASD I) und Sinusvenosus-Defekt (Abb. 33-14). Mit 90 % ist der ASD II der häufigste Vorhofseptumdefekt mit einem Links-RechtsShunt auf Vorhofebene. Die Folgen sind eine vermehrte Volumenbelastung für den rechten Ventrikel mit zunehmender rechtsventrikulärer Funktionsstörung.
• Links-Rechts-Shunt —> Volumenbelastung des rechten Ventrikels • Einteilung: - Sekundum-Defekt (ASD II) - Primum-Defekt (ASD I) - Sinus-venosus-Defekt
Operationsindikationen - beim Frühgeborenen mit Atemnotsyndrom dringliche Indikation. - elektiv im Säuglingsalter. Operationsverfahren - bei Frühgeborenen Clipverschluß, falls Therapie mit Indometacin erfolglos. - sonst interventionell mit speziellen „Okkludern". - bei älteren Kindern chirurgischer Duktusverschluß nur noch selten (durch videoassistierte Thorakoskopie) Ergebnisse: - Letalität 0,5%, bei Noteingriffen im Säuglingsalter höher
408
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
• Symptome: - h ä u f i g über J a h r z e h n t e s y m p t o m l o s . - S y s t o l i k u m über P u l m o n a l k l a p p e . Diagnostik: - bei g r o ß e m S h u n t v o l u m e n i m Rö-Thorax Z e i c h e n vermehrter L u n g e n p e r f u s i o n - D a r s t e l l u n g des Defektes mit zweidimensonaler Echokardiographie - bei Herzkatheteruntersuchung erhöhte 0 2 - S ä t t i g u n g i m rechten Vorhof, Ventrikel u n d in der A . p u l m o n a l i s - S p o n t a n v e r l a u f sehr g ü n s t i g - O p e r a t i o n s i n d i k a t i o n bei e i n e m Shuntvolumen >30% - frühzeitig operieren, u m rechtsventrikuläre F u n k t i o n s s c h ä d e n zu v e r m e i d e n Operationsmethode - kleiner A S D II: interventionelle „Schirm"-lmplantation. - g r o ß e r A S D II, A S D I u n d S i n u s - v e n o sus-Defekt w e r d e n o p e r a t i v v e r s c h l o s s e n (Naht oder Patch) Ergebnisse: - Operationsletalität < 1 %, Langzeitprog n o s e gut, bisweilen rechtsventrikuläre F u n k t i o n s s t ö r u n g e n nicht reversibel (Herzrhythmusstörungen)
Symptome und Diagnostik: Meist über Jahrzehnte ohne Symptome, evtl. systolisches Geräusch über der Pulmonalklappe (relative Pulmonalstenose). Bei großem Shuntvolumen Zeichen der vermehrten Lungenperfusion im Röntgenthorax. Mit der zweidimensionalen Echokardiographie kann der Defekt dargestellt werden. Bei der Herzkatheteruntersuchung findet man eine erhöhte Sauerstoffsättigung im rechten Vorhof, rechtem Ventrikel und in der A. pulmonalis.
Ventrikeiseptumdefekte (VSD)
3.1.2.3 Ventrikeiseptumdefekte (VSD)
=» • Lokalisation: - infundibulär - p e r i m e m b r a n ö s (am häufigsten) - muskulär Die V e r b i n d u n g z w i s c h e n d e n b e i d e n H e r z k a m m e r n hat v o n der D e f e k t g r ö ß e abhängige Auswirkungen: - drucktrennende - druckreduzierende u n d - druckangleichende D r u c k e r h ö h u n g i m linken Ventrikel kann zur E i s e n m e n g e r - R e a k t i o n f ü h r e n Symptome: - auskultatorisch lautes h o l o s y s t o l i s c h e s Geräusch - p u l m o n a l e Hypertension m i t Linksinsuffizienz - N e i g u n g z u p u l m o n a l e n Infekten Diagnostik: - zweidimensionale Echokardiographie - Doppler-Sonographie - Herzkatheter im S ä u g l i n g s a l t e r überflüssig, später s i n n v o l l Verlauf: Bei 3 0 % der S ä u g l i n g e mit V S D S p o n t a n v e r s c h l u ß i n n e r h a l b der ersten 2 Lebensjahre m ö g l i c h , bei 20% V e r k l e i n e r u n g des Defektes. Der nicht operierte g r o ß e V S D führt i m I . L e b e n s j a h r in 10% z u m Tode (akute Linksinsuffizienz, P n e u m o n i e ) . Bei m a n c h e n S ä u g l i n g e n G e d e i h s t ö r u n g e n —> O p e r a t i o n indiziert Operationsverfahren - V e r s c h l u ß des Defektes transatrial mit e i n e m Dacron-Patch
Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Der Spontanverlauf ist ausgesprochen günstig. Krankheitszeichen sind im Kindesalter sehr selten. Eine Operationsindikation besteht bei einem Shuntvolumen von >30%. Zur Vermeidung rechtsventrikulärer Funktionsschäden sollte die Operation frühzeitig erfolgen. Operationsmethode: Kleine Sekundumdefekte lassen sich meist durch eine Direktnaht verschließen, während der Primumdefekt und der Sinus-venosus-Defekt eine Patch-Rekonstruktion erfordern. Die kleinen ASD (Ductus < 15 mm) können heute sicher durch interventionelle Verfahren (perkutane Schirmimplantation) verschlossen werden. Ergebnisse und Prognose: Das Operationsrisiko ist mit < 1 % gering. Die Langzeitergebnisse sind gut, rechtsventrikuläre Funktionsstörungen jedoch nicht immer komplett reversibel und im Spätverlauf mit Herzrhythmusstörungen verbunden.
Der VSD ist der häufigste Herzfehler und wird isoliert und in Kombination mit weiteren Vitien angetroffen. Kleinere Defekte verschließen sich innerhalb der ersten beiden Lebensjahre oft spontan. Klinische Anatomie und Pathophysiologie: Die Direktverbindung zwischen beiden Herzkammern ist entweder drucktrennend (Defektgröße < 0,5 cm2/m2 Körperoberfläche), druckreduzierend (Defektgröße 0,5-1 cm2/m2 Körperoberfläche) oder druckangleichend (Defektgröße > 1 cm2/m2 Körperoberfläche). Der Links-RechtsShunt mit Druckerhöhung im rechten Ventrikel und kleinen Kreislauf kann durch gleichzeitige Druck- und Volumenbelastung zur Eisenmenger-Reaktionen führen. Lokalisation; infundibulär (subaortal), perimembranös (in topographischer Nachbarschaft zum Septum membranaceum, häufigster VSD-Typ) oder muskulär (Abb. 33-15). Fehlt das Kammerseptum, liegt ein singulärer Ventrikel vor (s. S.413).
Symptome und Diagnostik: Die klinischen Zeichen hängen von der Größe des Defektes und damit von der Druck- und Volumenbelastung des Herzens ab. Kleine VSD sind lange Zeit asymptomatisch, zeigen jedoch einen ausgeprägten Auskultationsbefund (lautes holosystolisches Geräusch). Große VSD führen zur pulmonalen Hypertension mit Linksinsuffizienz und Neigung zu pulmonalen Infekten. Diagnosesicherung durch die zweidimensionale Echokardiographie und Doppler-Untersuchung mit Nachweis des Shunts. Eine Herzkatheteruntersuchung ist im Säuglingsalter überflüssig, später zur Bestimmung des pulmonalen Widerstands ratsam. Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Bei etwa 30 % der Säuglinge kommt es innerhalb der ersten beiden Lebensjahre zu einem Spontan Verschluß. Bei weiteren 20 % verkleinert sich der VSD, und nicht operierte große VSD führen bei 10% der Patienten innerhalb des ersten Lebensjahres durch akute Linksinsuffizienz und rezidivierende bronchopulmonale Infekte zum Tode. Im späteren Alter Entwicklung einer Eisenmenger-Reaktion. Säuglinge mit großem VSD zeigen häufig Gedeihstörungen und müssen oft früh operiert werden. In der Regel sollte man den VSD aber wegen des möglichen Spontanverschlusses erst nach dem 2. Lebensjahr verschließen. Operationsverfahren: Der interventionelle Verschluß mit transvenös eingebrachtem Schirm ist noch in der Entwicklung. Bei der Operation wird der VSD transatrial mit einem Dacron-Patch verschlossen.
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Angeborene Herzfehler
subarteriellinfundibulärer Defekt
perimembranöser Defekt muskuläre Defekte
Abb. 33-15: Penmembranöse, infundibuläre und muskuläre Ventrikelseptumdefekte: RA rechter Vorhof, TKTrikuspidalklappe, RV rechter Ventrikel, Ao Aorta, PA A. pulmonalis
Abb.33-16: Fallot-Tetralogie. Infolge Einengung der rechtsventrikulären Ausflußbahn kann venöses Blut aus dem rechten Ventrikel in die Aorta strömen (Rechts-Links-Shunt). RV rechter Ventrikel, PA A. pulmonalis, Ao Aorta
Ergebnisse und Prognosen: Die Operationssterblichkeit liegt unter 5 %, bei erhöhtem Lungenwiderstand entsprechend höher, bei Eisenmenger-Reaktion inoperabel.
Prognose: - Operationsletalität< 5%, bei erhöhtem Lungenwiederstand größeres Risiko - bei Eisenmenger-Reaktion Inoperabilität
3.2 Zyanotische Herzfehler
Zyanotische Herzfeh!«
Definition. Beimischung von venösem zum arteriellen Blut durch Kurzschlußverbindungen im Herzen oder zwischen großen Gefäßen (Rechts-Links-Shunt) mit zentraler Zyanose, besonders an Zunge, Lippen und Konjunktiven. Bei ausgeprägten Formen bestehen • Polyglobulie mit erhöhter Blutviskosität und Thromboseneigung (bes. in Hirngefäßen) • Leistungsminderung und körperlicher Entwicklungsrückstand • Neigung zu Synkopen (Hirnischämie) und Bakterienausschwemmung ins Blut mit septischen Komplikationen (Hirnabszeß).
konzentrische Hypertrophie des rechten Ventrikels. • Rechts-Links-Shunt offenes Foramen ovale oder ASD • Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz führen zur Diagnose • Operation: Erweiterung der rechtsventrikulären Ausflußbahn • Säuglinge: interventionelle Eröffnung der Ausflußbahn Trikuspidalatresie -»Rechts-Links-Shunt mit verminderter Lungendurchblutung. Das venöse Blut fließt über ein offenes Foramen ovale oder einen A S D in den Ii. Ventrikel und von dort durch einen VSD in den rudimentären re. Ventrikel, das Mischblut teils in die A. pulmonalis, teils in die Aorta Ebstein-Anomalie fehlgebildete und verlagerte Trikuspidalklappe. Ü ber einen ASD Rechts-LinksShunt mit Zyanose, verstärkt bei Trikuspidalinsuffizienz und Rhythmusstörungen • Operation: Verschluß des A S D und Rekonstruktion der dysplastischen Trikuspidalklappe
3.2.1.2 Pulmonalstenose mit Vorhofseptumdefekt, Trikuspidalatresie, Ebstein-Anomalie
Symptome und Diagnostik: Kardinalsymptom ist die Zyanose. Bei schweren Krankheitsbildern kommt es zu hypoxischen Anfällen mit Bewußtlosigkeit und Krämpfen. Gelegentlich nehmen die Kinder eine charakteristische Hockstellung ein, um über die Steigerung des peripheren Widerstandes die Lungendurchblutung zu verbessern. Die kardiale Fehlbildung ist in der zweidimensionalen Echokardiographie gut darzustellen. Wegen einer häufig gleichzeitig vorhandenen peripheren Pulmonalstenose, zur Darstellung aortopulmonaler Kollateralen und ggf. zum interventionellen Verschluß, ist die Herzkatheteruntersuchung in jedem Falle angezeigt. Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Ohne Operation erreichen nur 25 % der Patienten das 10.Lebensjahr und nur 5 % das dreißigste. Daher ist die Indikation zur Operation gegeben. Bei schwerer Zyanose, Hypoxie und hypoxämischen Anfällen ist die Operation dringlich, ja notfallmäßig durchzuführen. Operationsverfahren: Die Korrektur verfolgt 2 Ziele: Verschluß des VSD und Erweiterung bzw. Rekonstruktion der rechtsventrikulären Ausflußbahn durch Infundibulektomie und Patcherweiterung. Ergebnisse und Prognose: Das Operationsrisiko liegt deutlich unter 10%. Die möglichst frühzeitige Korrektur normalisiert durch Wegfall der Hypoxie die Hämodynamik und ermöglicht ein normales Gedeihen der Kinder. Gelegentlich ist bei sehr kleinen schmalen Pulmonalarterien ein zweizeitiges Vorgehen ratsam. In der ersten Stufe der Operation wird nur der rechtsventrikuläre Ausflußtrakt rekonstruiert, der VSD zunächst belassen und dann später in zweiter Sitzung verschlossen.
Pulmonalstenose mit ASD. Die hochgradige valvuläre Pulmonalstenose oder -atresie mit intaktem Ventrikelseptum führt zur konzentrischen Hypertrophie des rechten Ventrikels. Der erhöhte Füllungsdruck verursacht einen Rechts-Links-Übertritt des Blutes auf Vorhofebene durch ein offenes Foramen ovale oder einen A S D Klinische Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz führen zur Diagnostik. Die rechtsventrikuläre Ausflußbahn kann interventionell oder chirurgisch eröffnet werden. Bei hypoplastischem rechten Ventrikel kommen nur Palliativoperationen in Frage. Ist der rechte Ventrikel gut entwickelt, werden durch Eröffnen der rechtsventrikulären Ausflußbahn physiologische Verhältnisse geschaffen. Die postoperative Sterblichkeit, insbesondere bei Säuglingen, ist hoch; interventionelles Vorgehen ist daher vorzuziehen. Bei der Trikuspidalatresie strömt das gesamte venöse Blut durch ein offenes Foramen ovale oder einen A S D in den linken Ventrikel. Von dort aus gelangt es durch einen VSD in den meist rudimentär angelegten rechten Ventrikel. Ein Teil des arteriell-venösen Mischblutes fließt in die A. pulmonalis, der andere aus dem linken Ventrikel in die Aorta. Die seltene Ebstein-Anomalie besteht aus einer fehlgebildeten, ventrikelwärts verlagerten Trikuspidalklappe mit dünnwandigem, vergrößerten rechten Vorhof und kleinem rechten Ventrikel. Ein ASD führt zum Rechts-Links-Shunt mit Zyanose, der sich bei Trikuspidalinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen verstärkt. Bei der operativen Korrektur wird der ASD verschlossen und die dysplastische Trikuspidalklappe rekonstruiert bzw. durch eine Prothese ersetzt.
411
Angeborene Herzfehler Die Operationsletalität liegt - abhängig von einer präoperativen Herzinsuffizienz - zwischen 5-20 %.
Letalität 5-20%.
3.2.2 Zyanotische Herzfehler mit vermehrter Lungendurchblutung 3.2.2.1 Transposition der großen Arterien (TGA)
Zyanotische Herzfehler mit vermehrter Lungendurchblutung
Definition. Die Aorta entspringt anterior aus dem morphologisch rechten Ventrikel und die A. pulmonalis posterior aus der morphologisch linken Herzkammer (Abb. 33-17).
Transposition der großen Arterien (TGA) < J =
Klinische Anatomie und Pathophysiologie. Durch den Parallelschluß des großen und kleinen Kreislaufs rezirkuliert das venöse Blut im Körper- und das arterielle im Lungenkreislauf. Ein Überleben ist nur durch Kurzschlußverbindungen zwischen den beiden Kreisläufen möglich, entweder durch einen ASD oder VSD oder zwischen großen Gefäßen (PDA)
Infolgedessen zirkuliert das venöse Blut im Körperkreislauf, das arterielle im Lungenkreislauf. Überleben ist nur durch Kurzschlußverbindungen der beiden Kreisläufe möglich
Symptome: Leitsymptom ist die Zyanose des Neugeborenen vom ersten Lebenstag an. Falls keine ausreichende Kommunikation zwischen beiden Kreisläufen besteht, kommen eine schwere Hypoxie und Azidose hinzu. Die Diagnose ist durch die zweidimensionale Echokardiographie möglich. Eine präoperative Herzkatheteruntersuchung ist bei nur geringer Zyanose (gute Shuntverbindungen) nicht nötig. Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Die mittlere Lebenserwartung liegt bei 6-8 Monaten. Unbehandelt sterben 90 % der Kinder im 1. Lebensjahr. Mit der Diagnose ist die Operationsindikation gegeben. Operationsverfahren: Bei schwer zyanotischen Kindern mit unzureichendem Shunt (restriktiver ASD) wird die Ballonseptostomie nach Rashkind durchgeführt. Danach meistens Besserung. Zugleich versucht man mit Prostaglandin den Duktus offen zu halten.
Symptome: - Leitsymptom —»Zyanose - bei unzureichender Kommunikation schwere Hypoxie und Azidose. Diagnose - Echokardiographie, Herzkatheter nur bei ausgeprägter Zyanose. Verlauf: - mittlere Lebenserwartung 6-8 Monate - ohne Operation sterben 90% der Kinder im 1. Lebensjahr Operationsverfahren - bei schwerer Zyanose zunächst Ballonseptostomie nach Rashkind - Offenhalten des Ductus Botalli mit Prostaglandin - anatomische Korrektur durch arterielle Switch-Operation, bei der die fehlentspringenden großen Gefäße vertauscht werden
Früher wurde durch eine Vorhofumkehr, das in die Aterien fließende system- oder pulmonalvenöse Blut durch geeignete Kanäle der entsprechenden AV-Klappe zugeführt.
Heute führt man die anatomische Korrektur, die arterielle Switch-Operation durch. Hierbei werden die fehlentspringenden großen Gefäße vertauscht. Kritisch ist der Transfer der Koronargefäße (Abb. 33-18). Dieser Eingriff muß in den ersten 14 Lebenstagen erfolgen, weil sich der pulmonalarterielle Ventrikel, der bei der Geburt noch gleich stark wie der Systemventrikel ist, regressiv verändert und nach ca. 2 Wochen nicht mehr imstande ist, den Systemkreislauf zu unterstützen. Ergebnisse und Prognose: Die Letalität der arteriellen Switch-Op. liegt unter 5 % . Nach vorliegenden Ergebnissen haben die Kinder nach mehr als
Abb. 33-17: Pathologische Anatomie bei kompletter Transposition der großen Arterien (TGA): PA Pulmonalarterie, LA linker Vorhof, LV linker Ventrikel, RA rechter Vorhof, RV rechter Ventrikel
Operationsletalität linke Kammer, Trikuspidalatresie rechte Kammer). Häufig liegt auch eine rechts gelegene linksventrikulär strukturierte große Herzkammer vor aus der die Pulmonalaterie entspringt, während die Aorta aus einer rudimentären links anterior gelegenen Auslaßkammer über das Foramen bulboventriculare mit der großen Kammer in Verbindung steht (Abb. 33-20).
Kammerseptum fehlt komplett (s. Abb. 33-19). Beide AV-Klappen öffnen sich in eine Kammer. Differenzierung zwischen linkem und rechtem ventrikulären Typ. Häufig Obstruktion der pulmonalen Ausflußbahn
Symptome. Das klinische Bild ist vom Perfusionszustand der Lunge abhängig. Im frühen Säuglingsalter wird je nach der Pathophysiologie der ASD durch Ballonatrioseptostomie vergrößert, bei starker Lungenüberflutung gleichzeitig mit Banding der A. pulmonalis. Ist die Lungendurchblutung gering, Anlage eines aortopulmonalen Shunts. Im weiteren Verlauf müssen
Symptome: • vom Funktionszustand der Lunge abhängig: - ohne Pulmonalstenose -»Gefahr der Eisenmenger-Reaktion
414 - mit Pulmonalstenose -»Zyanose, Hypoxie Operationsverfahren - evtl. Ballonatrioseptostomie - bei starker Lungenveneriüberflutung -> Banding der A. pulmonalis - bei geringer Lungenüberflutung Aortopulmonaler Shunt - später: Fontan-Operation, Anastomosierung zwischen Hohlvene und A. pulmonalis
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße diese Kinder engmaschig kontrolliert und spätestens im 2. Lebensjahr einer Fontan-Operation zugeführt werden. Dabei wird das systemvenöse Blut durch eine direkte Anastomose zwischen den Hohlvenen und der A. pulmonalis ohne Zwischenschalten einer Pumpkammer zur A. pulmonalis geleitet (Abb. 33-21). Das Blut der unteren Hohlvene wird entweder durch einen inner- oder außerhalb des Herzens verlaufenden Tunnel zur Pulmonalarterie geführt. Beim hypoplastischen Linksherzsyndrom ist primär die Operation nach Norwood indiziert, bei der man den Aortenbogen und die häufig vorliegen-
Abb. 33-19: Univentrikuläres Herz mit einem gemeinsamen Ventrikel. Das Ventrikelseptum fehlt. RA rechter Vorhof, Ao Aorta, PA Pulmonalarterie, LA linker Vorhof
Abb. 33-20: Univentrikuläres Herz mit linksseitiger Ausflußkammer (OC) aus der die Aorta entspringt. RA, LA rechter und linker Vorhof, PA Pulmonalarterie, Ao Aorta, OF Foramen bulbuventriculare
Abb.33-21: Fontan-Operation durch einen lateralen Tunnel. Aus dem rechten Vorhof wird das Blut der unteren Hohlvene zur Pulmonalarterie geleitet. Durch kavopulmonale Konnektion wird das venöse Blut ohne zwischengeschaltete Pumpkammer der Lungenarterie zugeführt
Abb. 33-22: Norwood-Operation bei hypoplastischem Linksherz-Syndrom. Die Aorta ascendens und der Aortenbogen wurden erweitert. Die Lunge wird über einen aortopulmonalen Shunt durchblutet
415
Erworbene Herzerkrankungen de Aortenisthmusstenose erweitert, den Duktus verschließt, die Pulmonalarterien zentral rekonstruiert und mit einem systemisch pulmonalen Shunt versorgt (Abb. 33-22). Auch hier sollte eine möglichst frühe Umwandlung in eine Fontan-Operation erfolgen, da der Langzeitverlauf eher ungünstig ist und bei lange bestehenden Shunts u. U. die Voraussetzungen für eine spätere Fontan-Operation ungünstiger werden. Eine weitere Möglichkeit beim hypoplastischen Linksherzsyndrom ist die Herztransplantation.
4. Erworbene Herzerkrankungen
Operation nach N o r w o o d : Erweiterung des Aortenbogens und der häufig gleichzeitig bestehenden Aortenisthmusstenose. Der PDA w i r d verschlossen alternativ beim hypoplastischen Linksherzsyndrom —> Herztransplantation
Erworbene Herzerkrankungen
Mit 50% Anteil an der Sterbestatistik sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen führende Todesursache in Deutschland und in anderen Industrieländern (Abb. 33-23). Den größten Anteil daran haben erworbene Herzerkrankungen, insbesondere die koronare Herzkrankheit. In Deutschland sind fast 2 Mill. Menschen von koronarer Herzkrankheit bedroht; bei den unter 50jährigen Patienten überwiegen die Männer.
4.1 Koronare Herzkrankheit (KHK)
Koronare Herzkrankheit (KHK)
Definition. Arteriosklerotische Stenosierung der Herzkranzgefäße, durch die der Blutfluß zum Herzmuskel beeinträchtigt wird. Inzidenz• Auf 1 Mill. Einwohner kommen 700-800 Operationen an den Herzkranzgefäßen, in Deutschland jährlich etwa 60000. Die chirurgische Therapie bei der KHK umfaßt die Revaskularisation des ischämischen Myokards und die Behandlung der Komplikationen des Myokardinfarktes.
= arteriosklerotische Stenosierung der Koronararterien m i t Myokardischämie In den westlichen Industrienationen ist die KHK mit 3 0 % f ü h r e n d in der Todesursachenstatistik. Pro 1 Million Einwohner bedürfen 700-800 Patienten einer Operation an den Herzkranzgefäßen; in Deutschland jährlich ~ 60000 Eingriffe. Anatomie und Hämodynamik • oberhalb der Aortenklappen entspringen in den Sinus Valsalvae die Herzkranzarterien: - Die linke Kranzarterie teilt sich in den R. interventricularis anterior (RIVA) und R. circumflexus - Die rechte Kranzarterie verläuft i m Sulcus atrioventricularis und endet i m R. interventricularis posterior (RIVP)
Klinische Anatomie und Pathophysiologie: Direkt oberhalb der Aortenklappe, in den Sinus Valsalvae, entspringen die Herzkranzarterien (Abb. 33-24). Es gibt eine linke und rechte Herzkranzarterie. D e r linke H a u p t s t a m m teilt sich in den R. interventricularis anterior (RIVA) und den R. circumflexus (RCX). Der R I V A gibt diagonale und septale Äste ab, der R C X Marginaläste. Die rechte Kranzarterie verläuft im Sulcus atrioventricularis der rechten H e r z k a m m e r zur Hinterwand und endet im R . interventricularis posterior. Bereits in R u h e benötigt der Herzmuskel einen sehr hohen Anteil des Sauerstoffs aus d e m koronararteriellen Blut, so daß bei Belastung d e r erhöhte Verbrauch überwiegend durch Steigerung der Koronardurchblutung und nur in geringerem Ausmaß durch vermehrte Ausschöpfung des Sauerstoffanteils erreicht wird. Eine Stenose von
Unfälle, Vergiftungen, Gewalt
Verdauungsorgane
Abb. 33-23: Todesursachen in Deutschland: 1994 erlagen fast 5 0 % der Verstorbenen einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems (Quelle: Statistisches Bundesamt) Abb.33-24: Topographie der Herzkranzgefäße. HS linker Hauptstamm, RCX R. circumflexus, S septaler Ast, D diagonaler Ast, M marginaler Ast, RIVA R. interventricularis anterior, RCA rechte Koronararterie
416
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
• eine Stenose der Kranzarterie von > 5 0 % hat hämodynamische Auswirkungen -> Myokardinfarkt
~ 50 % wird hämodynamisch wirksam; der Blutfluß kann nicht mehr bedarfsgemäß gesteigert werden. Bei weiterer Progredienz führt die Mangelversorgung schließlich zum Myokardinfarkt und damit zur Funktionseinschränkung des Herzens.
• •
Klinisch unterscheidet man: Eingefäßerkrankungen 20% Zweigefäßerkrankungen 35% Dreigefäßerkrankungen 35% Stenosen des linken Hauptstammes gefährden oft die gesamte linke Kammer. Epidemiologie. In Deutschland sind etwa 2 Millionen Menschen von der KHK bedroht. A m häufigsten erkranken Männer unter 50 Jahren
Klinisch unterscheiden wir die Ein-, Zwei- und Dreigefäßerkrankung: Eingefäßerkrankungen kommen bei - 2 0 % , Zwei- und Dreigefäßerkrankungen bei je - 35 % vor. Besonders relevant sind Stenosen des linken Hauptstammes (in 10-20 % isoliert), da sie das Perfusionsareal von RIVA und RCX, d. h. fast die gesamte linke Kammer betreffen.
3 Gruppen von Risikofaktoren: 1. unvermeidbare: Alter Geschlecht, familiäre Disposition 2. beeinflußbare: Hypertonie, emotionaler Streß, Hypercholesterinämie, Diabetes, Hyperurikämie 3. vermeidbare: Zigarettenrauchen, übergewicht, Bewegungsmangel • Einfluß des Zigarettenrauchens
Ätiopathogenese: 3 Gruppen von Risikofaktoren sind abzugrenzen: • unvermeidbare: Alter, Geschlecht, familiäre Disposition • beeinflußbare: Hypertonie, emotionaler Streß, Stoffwechselerkrankungen: Hypercholesterinämie, Hyperproteinämie, Diabetes mellitus, Hyperurikämie • vermeidbare: Zigarettenrauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel.
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Der natürliche Verlauf läßt sich im Einzelfall nicht exakt abschätzen. Wir wissen aus großen Studien, daß die Sterblichkeit ohne chirurgische Intervention bei Stenosen des linken Hauptstammes und bei fortgeschrittenen Dreigefäßerkrankungen besonders hoch ist und innerhalb von 5 Jahren nach Diagnosestellung > 50 % der nicht operierten Patienten verstorben sind.
Der Einfluß des Zigarettenrauchens auf die Herzinfarktrate ist eindrucksvoll zu belegen: Von 100000 Männern unter 45 Jahren versterben jährlich bei Nichtrauchern 7 und bei starken Rauchern (> 25 Zigaretten/Tag) 104! Bei mehreren Risikofaktoren erhöht sich das Infarktrisiko; bei Rauchern mit Diabetes mellitus ist es um das 22fache erhöht.
• pathomorphologisch entwickeln sich arteriosklerotische Plaques, die exulzerieren können Anlagerung von Thromben mehr oder weniger plötzlicher Verschluß
Die KHK geht von arteriosklerotischen Plaques aus, die sich durch Cholesterineinlagerung zunehmend vergrößern. Die Plaques können exulzerieren und Thrombozyten anlagern. Schließlich kommt es zum thrombotischen Verschluß des Gefäßes und zum Infarkt im abhängigen Versorgungsgebiet der Kranzarterie.
Symptome: • KHK kann asymptomatisch verlaufen und nicht selten durch einen plötzlichen Herztod erschrecken! • Leitsymptom: AP -> 4 Schweregrade
Symptome. Die KHK kann asymptomatisch verlaufen aber auch durch einen plötzlichen Herztod erstmals in Erscheinung treten. Leitsymptom ist die Angina pectoris (AP), die analog zur Klassifizierung der Herzinsuffizienz der NYHA nach der Canadian Cardiovascular Society (CCS) in 4 Schweregrade eingeteilt wird:
Bei diesen Formen besteht eine dringliche Operationsindikation
Diagnostik • Ruhe- und Belastungs-EKG • zweidimensionale- und Streß-Echokardiographie • szintigraphische zur Beurteilung der Koronarperfusion • Herzkatheter mit Ventrikulographie • Koronarangiographie (unerläßlich für die Operationsplanung) Neu • Fast-CT • Positonenemissionstomographie (PET) Therapieziele • Beseitigung der Angina pectoris • Infarktprophylaxe • Normalisierung der linksventrikulären Pumpfunktion
• CCS I: KHK ohne AP, • CCS II: AP bei schwerer Belastung, • CCS III: AP bei leichter Belastung, • CCS IV: Ruheangina. • Man unterscheidet außerdem Sonderformen: stabile und instabile Angina. Die instabile Angina ist durch Intensität und Progredienz (Präinfarktangina oder Crescendoangina) gekennzeichnet. Eine medikamentöse Therapie kommt kaum infrage, die Operationsindikation ist dringlich. Die Prinzmetal-Angina entsteht wahrscheinlich auf dem Boden von Koronarspasmen und nicht durch Gefäßsklerose. Diagnostik: Die Diagnostik der KHK umfaßt: • Ruhe-, Belastungs-£A^G und zweidimensionale Echokardiographie auch als Streßechokardiographie: Bestimmung akinetischer Bezirke und kontraktiler Reserven für die Indikation zur Revaskularisation wichtig • Fast-CT und die PET (Positonenemissionstomographie, Neuentwicklungen). • invasiv: Herzkatheter mit Ventrikulographie und Koronarangiographie (Abb. 33-25), wichtig für Planung und Durchführung der Operation. Therapie: Ziel ist die AP zu beseitigen, Infarkten vorzubeugen und die Voraussetzungen für eine Lebensverlängerung zu schaffen. Die Therapie der KHK steht auf 3 Säulen: • medikamentöse Behandlung: Nitrate, Betablocker, Kalziumantagonisten, Thrombozytenaggregationshemmer (ASS), außer bei Patienten mit Befall des linken Hauptstammes oder Veränderungen am proximalen
Erworbene Herzerkrankungen
417
b ••hkb., Abb. 33-25: Koronarangiographie: hochgradige RIVA-Stenose, a. Abgangsstenose des ersten Diagonalastes (-*), b. Hochgradige Stenosierung der rechten Koronararterie (->). Der RIVA ist verschlossen und wird über die RCA retrograd über Kollateralgefäße mit Kontrastmittel gefüllt
RIVA, bei medikamentös gut zu führenden Patienten mit stabiler AP und guter Ventrikelfunktion. • interventionelle Verfahren (PTCA, intrakoronare Stents, Atherektomie): erste Maßnahmen, jedoch nicht bei Hauptstammstenosen. • chirurgische Revaskularisation: aortokoronarer Bypass mit folgenden Indikationen: - Hauptstammstenose (> 50 %) links, - fortgeschrittene Dreigefäßerkrankung mit reduzierter Ventrikelfunktion - Zwei- und Eingefäßerkrankung mit proximaler RIVA-Stenose (nicht geeignet für eine PTCA) - schwere instabile AP (PTCA nicht möglich), - frischer Myokardinfarkt, der durch interventionelle Maßnahmen nicht beeinflußbar ist (kardiogener Schock) und - Notfälle nach Intervention z.B. Gefäßverschluß, Dissektion oder Perforation. Die Koronarchirurgie unterscheidet elektive, dringliche und Notfallindikationen. Elektiv operiert werden Patienten mit stabiler AP und nicht zu weit fortgeschrittener Hauptstammstenose. Dringlich ist der Eingriff bei Hauptstammstenosen mit einer Einengung von > 70 %, bei hochgradiger proximaler Stenose des RIVA und bei Patienten, die mit instabiler AP nicht stabilisiert werden können. Notfalleingriffe sind indiziert bei therapieresistenter instabiler AP, Spontandissektion der Herzkranzgefäße und Komplikationen nach interventionellen Maßnahmen. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Revaskularisation sind anschlußfähige periphere Gefäße (Gefäßdurchmesser > 1 mm). In der Regel sollte noch kontraktiles Myokard versorgt werden. Das Operationsziel ist die möglichst komplette Revaskularisation. Als Bypassmaterial kommen die A. mammaria interna für den RIVA und Segmente der V. saphena magna zur Revaskularisation der übrigen Myokardabschnitte infrage. Der Vorteil der A. mammaria interna (IMA) ist im Vergleich zur Vene eine höhere Offenheitsrate (nach 5 Jahren 95 % gegenüber 80-85 % bei der Vene). Häufig wird die sequentielle Bypasstechnik angewandt (Abb. 33-26): der Bypass wird terminal End zu Seit anastomosiert, in seinem weiteren Verlauf ein- oder mehrfach Seit-zu-Seit mit den Seitenästen der Kranzarterien. Nach Fertigstellung der distalen Anastomosen wird die Vene proximal an die Aorta angeschlossen (ACVB: aortokoronarer Venenbypass).
3 Therapieverfahren, (die sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern oft in Kombination angewandt werden): 1. medikamentös: Nitrate, Betablocker, Kalziumantagonisten, Acetylsalizylsäure (ASS) 2. interventionell: Perkutane transkardiale Angioplastie (PTCA), Stents, Atherektomie 3. chirurgisch:
• zeitabhängige Indikationen in der Koronarchirurgie: - elektiv: bei stabiler Angina - dringlich: bei Hauptstammstenosen von > 70% - notfallmäßig: bei instabiler Angina und Spontandissektion eines Kranzgefäßes
Wichtigstes Operationsziel ist eine möglichst komplette Revaskularisation • Bypassmaterial: 1. A. mammaria interna für den RIVA 2. V. saphena magna Offenheitsrate bei Verwendung der A. mammaria um 10% günstiger • sequentiale Bypasstechnik - vorteilhaft wegen des proximal hohen Blutflusses
418
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße Segment
aneurysmatisches Segment Abb. 33-26: Sequentieller Venenbypass zur Revaskularisation eines Diagonalastes (DIAG) und des RIVA. Der Bypass ist mit dem R.diagonalis Seit-zu-Seit und m i t dem RIVA End-zu-Seit anastomosiert
Abb.33-27: Linksventrikuläre Konturen bei postinfarziellem Aneurysma an der Spitze der Vorderwand des linken Ventrikels. Das Aneurysma w i r d abgetragen, der Aneurysmaeingang w i r d verkleinert und mit einem Patch verschlossen
Nachbehandlung • Ausschaltung der Risikofaktoren • Thrombozytenaggregationshemmer Ergebnisse - Operationsletalität 1 - 3 % , 5-JahresÜberlebensrate 85-95%, ohne Op. 5 0 % Die Revaskularisation der Koronararterien ist palliativ, keine Ä n d e r u n g der Grundkrankheit Ausschalten der Risikofaktoren kann Progredienz verhindern
Nachbehandlung: Ausschaltung der Risikofaktoren, medikamentös Thrombozytenaggregationshemmer (ASS). Ergebnisse und Prognose: Die Operationsletalität liegt bei 1-3 %; sie ist jedoch höher bei fortgeschrittener linksventrikulärer Funktionseinschränkung, höherem Alter, bei Frauen, instabiler AP und frischem Myokardinfarkt. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen zwischen 85 und 95%. Viele Patienten werden bei gebesserter linksventrikulärer Funktion dauerhaft beschwerdefrei. Wiederauftreten der AP nach Revaskularisation durch Progression der Grunderkrankung, Bypassstenosen- oder -Verschlüsse oder bei inkompletter Revaskularisation.
Chirurgie v o n I n f a r k t k o m p l i k a t i o n e n
4.1.1 Chirurgie der Infarktkomplikationen
Beim akuten Myokardinfarkt - Lyse - PTCA, Stent - Bypass
Unmittelbar nach Okklusion eines Koronargefäßes können Relaxationsund Kontraktionsstörungen mit Anstieg der Füllungsdrücke, EKG-Veränderungen und klinischen Symptomen auftreten. Sind große Areale vom Infarkt betroffen, entwickelt sich durch Pumpversagen der linken Herzkammer ein kardiogener Schock. Beim akuten Myokardinfarkt ist daher die möglichst schnelle Wiedereröffnung des Infarktgefäßes anzustreben: • Lyse: Strepto-, Urokinase, Plasminogeninhibitoren • interventionell durch sofortige PTCA, evtl. mit Stent • sofort chirurgisch durch aortokoronaren Bypass.
Komplikationen des Infakts
1. Postinfarzieller Ventrikelseptumdefekt - Ruptur des Ventrikelseptums mit LinksRechts-Shunt • Diagnose - Echokardiographie und Doppler-Untersuchung - Rechtsherzkatheter 0 2 -Differenz zwischen re und Ii Ventrikel - Koronarangiographie und Ventrikulographie
Komplikationen. Die Letalität des akuten Myokardinfarkts liegt bei 15-20%. Bei 20% der Patienten treten Komplikationen auf. Frühkomplikationen sind: • kardiogener Schok und Ventrikelseptumruptur mit postinfarziellem VSD • Herzwandruptur mit Perikardtamponade und Ruptur eines Papillarmuskels mit akuter Mitralinsuffizienz. Spätkomplikation: Ventrikelaneurysma. Postinfarzieller Ventrikelseptumdefekt. Bei ~ 1 % der Infarktpatienten entsteht meist im Versorgungsgebiet des RIVA innerhalb weniger Tage nach dem Infarktereignis, eine Ruptur des Ventrikelseptums mit großem LinksRechts-Shunt. Die Folge ist eine akute hämodynamische Verschlechterung mit schwerer Linksinsuffizienz. Diagnostische Klärung durch zweidimensionale Echokardiographie, Doppler-Untersuchung, Rechtsherzkatheter (typische 0 2 -Differenz zwischen rechtem Vorhof und A.pulmonalis), Koronarangio- und Ventrikulographie. Ohne Operation ist der Verlauf extrem ungünstig; nur 20 % der Patienten überleben den ersten Monat nach dem
Erworbene Herzerkrankungen Infarktereignis. Die Operationsindikation beim postinfarziellen VSD ist sehr dringlich. Bei der Operation wird der VSD mit einem Perikardpatch vom linken Ventrikel her verschlossen. Bei gleichzeitigem Ventrikelaneurysma wird dieses mitversorgt. Die Operation hat im kardiogenen Schock eine Letalität bis zu 50 %. Die Myokardruptur mit Perikardtamponade verläuft häufig tödlich. Bei der notfallmäßig durchzuführenden Operation wird der Defekt durch einen Patch oder durch direkte Naht verschlossen. Die Letalität dieses Eingriffes liegt > 5 0 % . Die postinfarzielle Mitralinsuffizienz kann in 2 Formen auftreten. Akut beim Infarkt mit Abriß des Papillarmuskels und akuter Mitralklappeninsuffizienz. Klinische Zeichen: akute Linskinsuffizienz, Lungenödem und Schock. Bei der Notoperation wird die Mitralklappe durch eine Prothese ersetzt (Letalität 20-40%). Die postinfarzielle Mitralinsuffizienz kann auch später nach dem Infarkt bzw. bei ischämischer Dysfunktion der Herzhinterwand entstehen. Die Symptomatik der Linksinsuffizienz entwickelt sich dann verzögert. Die Klappe wird im Rahmen der koronaren Revaskularisation rekonstruiert. Die Operationsletalität liegt um 10 %. Postinfarzielle Aneurysmen des linken Ventrikels treten in 10-15 % innerhalb 6 Monaten nach Infarktereignis auf. Sie sind häufig mit thrombotischem Material ausgekleidet (Emboliegefahr) und liegen meist an der Vorderwand des linken Ventrikels. Funktionell kann man ein kontraktiles und akontraktiles Segment unterscheiden (akinetisches oder dyskinetisches Segment, Abb. 33-27). Das Restmyokard ist dagegen häufig hyperkinetisch. Der linke Ventrikel wird stark belastet: Verlust an kontraktilem Myokard, veränderte Geometrie der Myokardfasern durch das vergrößerte linksventrikuläre Kavum. Neben einer Linksinsuffizienz entwickeln 15-30% der Patienten zusätzlich maligne ventrikuläre Tachykardien, die einen plötzlichen Herztod zur Folge haben können. Wegen progredienter Herzinsuffizi-
Abb.33-28: Transmyokardiale Laser-Revaskularisation (TMR). Durch einen hochenergetischen Laserblitz werden Kanäle in die Wand des linken Ventrikels „gebohrt", die sekundär Anschluß an Koronargefäße und Sinusoide im Myokard finden. Die Kanäle werden von der Herzkammer aus mit sauerstoffreichem Blut durchströmt. A m Perikard verschließen sich die „Bohrkanäle" schon während der Operation, so daß keine Blutung nach Außen auftritt
419 • Operationsindikation: - Herzinsuffizienz, kardiogener Schock. • Operation: Verschluß des Defektes mit Dacron-Patch. - ohne Operation überleben nur 20% der Patienten - Op.-Letalität im kardiogenen Schock 50%, unter günstigeren Bedingungen 10% 2. Myokardruptur mit Herzbeuteltamponade - meist primär letal - Notoperation: Defektverschluß mit Kunststoff-Patch - Operationsletalität > 50% 3. Postinfarzielle Mitralinsuffizienz - akute Form: durch Papillarmuskelabriß - chronische Form: durch ischämische Dysfunktion der Papillarmuskeln • Operationsindikation: - kardiogener Schock, Lungenödem - akute Linksherzinsuffizienz • Operation. Klappenrekonstruktion oder Klappenersatz - Risiko im Infarktstadium 20-40% - bei Klappenrekonstruktion und gleichzeitiger Letalität ~ 10% 4. Postinfarzielles Ventrikelaneurysma = aneurysmatische Aussackung des linken Ventrikels im Bereich einer Infarktnarbe • Häufigkeit 10-15% in den ersten 6 Monaten nach Infarkt • Emboliegefahr durch Thromben im Aneurysmasack - Linksherzinsuffizienz und maligne ventrikuläre Tachykardien sind nicht selten - Operationsindikation ergibt sich aus den Komplikationen • Operationsverfahren - Aneurysmaresektion und Defektverschluß, evtl. mit Dacron-Patch
Abb.33-29: Blutfluß im Herzen und Lokalisation der Herzklappen
420
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
- bei Tachykardien kann gleichzeitig der „arrhythmogene Bereich" abgetragen oder ein automatischer Defibrillator implantiert werden • Ergebnisse: Abtragen der arrhythmogenen Zone führt in 90% zur Heilung, Defibrillator dagegen ungünstiger Neuere Therapieverfahren In klinischer Erprobung bzw. noch im experimentellen Stadium: • direkte Revaskularisation durch LaserAtherektomie • indirekte Revaskularisation durch Anlegen von „Bohrlöchern" im Myokard mittels Laser. Entwicklung neuer Blutgefäße. • Gentherapie mit eingeschleusten Genen, die eine Gefäßeinsprossung induzieren (im Experimentierstadium) • Entwicklung minimal-invasiver Operationstechniken (MIC)
enz und rezidivierender Tachykardien ist die Operation angezeigt. Hierbei wird der Aneurysmasack eröffnet und durch einen Patch verschlossen. Bei Tachykardien läßt sich gleichzeitig der arrhythmogene Bereich abtragen; die Tachykardien verschwinden dann zu 90 %. Alternativ kann ein automatischer Defibrillator implantiert werden.
Erworbene Herzklappenfehler
4.2 Erworbene Herzklappenfehler
Neuere Entwicklungen. Bei Hochrisikopatienten können eine PTCA oder andere interventionelle Verfahren mit Assistenz der HLM durchgeführt werden. Mit Hilfe von Laserstrahlen lassen sich verschlossene Koronargefäße auf interventionellem Wege wiedereröffnen. Der Laser wird auch zur indirekten Revaskularisation zunehmend eingesetzt. Dabei werden Löcher in den Herzmuskel „gebohrt" in deren Bereich sich neue Blutgefäße entwickeln, um den Herzmuskel aus der linken Herzkammer mit Blut zu versorgen (Abb. 33-28). Ferner versucht man experimentell durch eingeschleuste Gene das Einsprossen neuer kapillärer Gefäße zu stimulieren und durch gentechnisch gewonnene rekombinante humane Wachstumsfaktoren die Neubildung von Kollateralen anzuregen. Außerdem versucht man minimal-invasive Operationstechniken auch am Herzen einzusetzen.
Bei den erworbenen Herzklappenfehlern zeigt sich in den letzten 30 Jahren ein deutlicher Wandel: Früher standen die rheumatischen Mitralstenosen im Vordergrund, heute die Aortenklappenvitien. Häufigkeitsgipfel im 7. und 8. Dezennium - im Vordergrund bakterielle Endokarditis und degenerative Prozesse - Herzklappenfehler beim Marfan-Syndrom und myxoider Degeneration
Die Altersverteilung zeigt einen Gipfel im 7. und 8. Dezennium. Die rheumatische Endokarditis bevorzugt die Mitralklappe, seltener die Aortenklappe. Für die Ätiologie der erworbenen Klappenfehler spielen heute die infektiöse bakterielle Endokarditis neben degenerativen (Marfan-Syndrom, myxoide Degeneration) und sklerotischen Prozessen die Hauptrolle.
Herzklappen leiten den Blutstrom in Richtung der nachgeschalteten Kammer oder des nachgeschalteten Kreislaufsegments • Funktionsstörungen der Klappen: - SchlußunfähigkeitInsuffizienz - Klappenstenose 7-10% der Herzklappenfehler entstehen durch infektiöse Endokarditis am parietalen valvulären Endokard
Die Herzklappen leiten den Blutstrom immer in Richtung auf die nachgeschaltete Kammer bzw. Kreislaufsegment. So verhindern die AV-Klappen, während der Ventrikelsystole den Rückstrom von Blut aus den Herzkammern in die Vorhöfe. Die Semilunarklappen halten den Rückstrom des Blutes aus den Arterien in die Herzkammern auf (Abb. 33-29).
• Kriterien für eine infektiöse Endokarditis: - Blutkulturen positiv - Herzgeräusch, embolische Komplikationen - Herzinsuffizienz - anhaltendes Fieber, Anämie, Splenomegalie • Erreger: meist Staphylo-, Strepto- und Enterokokken Am häufigsten werden die linken Herzklappen u.a. Aortenklappe (50%) befallen • Diagnostik - Echokardiographie und Doppler-Untersuchung - Bakteriennachweis durch Blutkultur, Antibiogramm - Koronarangiographie zum Ausschluß einer KHK • Letalität der bakteriellen Endokarditis 40-50%
Die Herzklappen des linken Vetrikels (Mitralis, Aorta) erkranken wesentlich häufiger als die der rechten Kammer (Trikuspidalis, Pulmonalis). 7 10% aller operationsbedürftigen Herzklappenfehler basieren auf einer bakteriellen Endokarditis. Abnorme Blutströmungen und endokardiale Oberflächenläsionen an vorgeschädigten oder künstlichen Klappen sind prädisponierend für eine Besiedlung und Ausbreitung von Keimen. Für die Diagnose einer Endokarditis gelten folgende Kriterien: • positive Blutkulturen bei einem neu aufgetretenen Herzgeräusch, embolische Komplikationen • progressive Herzinsuffizienz, anhaltendes Fieber, Anämie und Splenomegalie. Die meisten Endokarditiden werden durch Streptokokken, Staphylokokken, Enterokokken oder gramnegative Bakterien hervorgerufen. Die Endokarditis führt zur lokalen Gewebedestruktion mit Perforation von Klappensegeln, Abriß von Papillarmuskeln und Sehnenfäden, Fistel- und Abzeßbildung im Anulus oder im Myokard. Auf den Klappen bilden sich bakterielle Vegetationen die embolisieren können. Hämodynamisch ist die infektiöse Endokarditis durch eine akute Klappeninsuffizienz mit Volumenüberlastung des Ventrikels gekennzeichnet. Diagnostische Abklärung durch Echokardiographie, Doppler-Untersuchung und Erregernachweis mit Antibiogramm. Letalität der infektiösen Endokarditis 40-50 %. Für einen frühzeitigen Tod sind verantwortlich: Endokarditis durch Staphylococcus aureus, gramnegative Bakterien oder Pilze, persistierende Sepsis, progrediente Herzinsuffizienz, septische arterielle Embolien und Niereninsuffizienz. Trotz erfolgrei-
Erworbene Herzerkrankungen
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eher Antibiotikatherapie wird aus hämodynamischen Gründen häufig ein Klappenersatz notwendig. Die Indikation zum chirurgischen Vorgehen hängt vom Schweregrad der Klappeninsuffizienz, von der medikamentösen Sanierung des endokarditischen Fokus und von flottierenden Vegetationen an der Klappe ab. Bei Endokarditiden durch Staphylokokken, gramnegative Keime und Pilze ist in der Regel eine frühzeitige Operation anzustreben. Eine Prothesenendokarditis erfordert in jedem Fall eine baldige Reoperation. Der Eingriff soll den Fokus beseitigen und die Funktionsfähigkeit der Herzklappe durch Rekonstruktion oder Ersatz wieder herstellen. Die Operationsletalität beträgt 1030%. Patienten mit Herzklappenersatz, nicht operierten kongenitalen Herzfehlern oder verkalkten Klappenstenosen haben ein hohes Endokarditisrisiko, ausgehend von anderen infektiösen Herden im Körper. In derartigen Situationen ist eine Antibiotikaprophylaxe unerläßlich.
Operationsindikation - auch nach erfolgreicher Behandlung der Endokarditis, w e n n sich Funktionsstörungen entwickeln, - Op. abhängig v o m Schweregrad der Klappeninsuffizienz oder Stenose - bei Infektion der Prothese absolute Indikation Operation: Klappenersatz Operationsletalität bei der infektiösen Endokarditis und Klappenersatz 10-30% Perioperative Antibiotikatherapiel
4.2.1 Operationsverfahren bei erworbenen Herzklappenfehlern
Operationsverfahren bei e r w o r b e n e n Herzklappenfehlern
Grundsätzlich gibt es 2 Möglichkeiten: Rekonstruktion oder Klappenersatz. Rekonstruktionsverfahren werden vorwiegend bei AV-Klappen, vor allem bei der Mitralinsuffizienz angewandt.
2 Methoden: 1. Rekonstruktion der Klappe • erfolgt v o r allem an den atrioventrikulären Klappen, insbesondere an der Mitralis: - Kürzung v o n Sehnenfäden - Resektion überschüssigen Segelmaterials - Verschluß v o n Perforationsöffnungen oder Verkleinerung der Klappe 2. Ersatz der Klappe durch Prothesen mit - mechanischen Klappen aus Metall und Kunststoff - Bioprothesen • mechanische Klappen: - lebenslange Marcumar-Therapie! - trotzdem hohes t h r o m b o e m b o l i s c h e s Risiko - Blutungskomplikationen (MarcumarTherapie) beachten! • Bioprothesen - Antikoagulanzien nicht erforderlich - nachteilig ist ihre begrenzte Lebensdauer - Auswechseln der Prothese kein höheres Risiko
Die Mitralklappe ist ein komplexes anatomisches Gebilde und besteht aus d e m subvalvulären Halteapparat (Papillarmuskel, Sehnenfäden), Klappensegel (anteriores und posteriores) und dem Anulus. D a meist m e h r e r e Strukturen gleichzeitig betroffen sind, stellt die Mitralklappenrekonstruktion an den Operateur hohe Anforderungen. Sie hat langfristig ein wesentlich besseres klinisches Ergebnis.
Für den Klappenersatz gibt es mechanische Klappen und Bioprothesen von denen jede Art ihre Vor- und Nachteile hat. Die mechanischen Klappen sind im Verschleiß günstiger und zwingen weniger häufig zu Reoperationen als die Bioprothesen. Andererseits stören die von den mechanischen Klappen verursachten Geräusche häufig den Patienten. Außerdem ist eine lebenslange Antikoagulation mit Marcumar erforderlich. Daher ist das thromboembolische- und Blutungsrisiko bei Kunstklappen höher als bei Bioprothesen. Wir kennen 2 Typen mechanischer Herzklappen: Kippscheibenventile (Abb. 33-30) und Doppelflügelprothesen (Abb. 33-31). Folgende Typen von Bioprothesen stehen zur Verfügung: • durch Glutaraldehyd denaturierte Aortenklappen vom Schwein (antigenfrei) und auf ein Stützgerüst montiert.
Abb. 33-30: Björk-Shiley-Monostrut-Kippscheiben-Prothese mit Einzelknopfnähten in Aortenposition implantiert. Man blickt durch eine supravalvuläre Aorteninzision auf die Prothese, deren Kippscheibe mit einer Pinzette aufgehalten w i r d
Abb. 33-31: St. Jude Medical ( S J M ) - D o p p e l f l ü gelprothese i m geöffneten Zustand
Abb. 33-32: Aus Rinder-Perikard hergestellt Mitroflow-Bioprothese
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33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
• 4 Klappentypen 1. vom Schwein 2. aus Rinderperikard 3. gerüstmontierte und gerüstfreie Bioprothesen 4. Homografts (von Verstorbenen und in „Klappenbanken" kryokonserviert) • Auswahl der Klappen richtet sich danach - ob eine Therapie mit Antikoagulanzien aus anderen Gründen notwendig ist (Komorbidität, Vorhofflimmern usw.) -> mechanische Klappe - ob eine Antikoagulanzienbehandlung nicht zu empfehlen ist, z. B. bei sportlicher Betätigung, Berufen mit erhöhtem Verletzungsrisiko, Frauen mit Kinderwunsch -> Bioprothese
Die gerüstmontierten Bioprothesen lassen sich entsprechend der Richtung wie man sie implantiert zum Aorten- und auch Mitralklappenersatz verwenden. Gerüstfreie und homologe Klappen sind technisch schwieriger zu implantieren als die gerüstmontierte Version, bieten dafür jedoch hämodynamisch erhebliche Vorteile. Bioprothesen benötigen keine Antikoagulanzientherapie. Nachteilig ist aber ihre begrenzte Lebensdauer. Die Reoperation zum Auswechseln einer degenerierten Bioprothese hat kein höheres Operationsrisiko als die primäre Operation. Ist jedoch aus anderen Gründen (z.B. Vorhofflimmern) eine Antikoagulanzienbehandlung erforderlich, so wird man sich eher zu einer mechanischen Klappe entschließen. Bestehen Kontraindikationen für eine Antikoagulation (sportliche Betätigung, hohes berufliches Verletzungsrisiko, Kinderwunsch) sind biologische Klappen wegen der besseren Lebensqualität zu bevorzugen.
Aortenvitien
4.2.2 Aortenvitien
Ursache: • Aortenstenosen entstehen auf dem Boden angeborener Anomalien, z. B. biskupide Klappen. Sonst durch rheumatisches Fieber und Arteriosklerose Häufig massive Klappenverkalkung • Für die Aorteninsuffizienz gleiche Ursachen, außerdem -»Marfan-Syndrom • Kombinierte Vitien (Insuffizienz + Stenose) rheumatisch bedingt • Hämodynamisch - bei Aortenstenose -» Hypertrophie des linken Ventrikels - bei Aorteninsuffizienz —> Dilatation des linken Ventrikels - beim kombinierten Aortenvitium Hypertrophie + Dilatation, evtl. mit relativer Mitralinsuffizienz
Aortenstenosen (AS) entstehen häufig auf der Basis angeborener Anomalien z.B. bikuspide Klappen. Rheumatisches Fieber oder Arteriosklerose sind weitere ätiologische Faktoren. Meist sind die Klappen verdickt und massiv verkalkt, wobei die Klappen, ihr freier Schließungsrand und der Anulus einbezogen sein können. Die Aorteninsuffizienz (AI) entsteht auf rheumatischer Basis, durch Anuluektasie bei Mediaerkrankungen (Marfan-Syndrom), bei kongenitalen Anomalien mit Klappenprolaps (hochsitzender VSD), bei bakterieller Endokarditis mit Substanzverlust an den Taschenklappen oder durch Perforation anulärer Abszesse. Kombinierte Vitien (Stenose plus Insuffizienz) sind meist rheumatischer Natur.
• • -
Symptome und Diagnostik: Leitsymptome der hochgradigen Aortenstenose sind Schwindel und Angina pectoris. Gelegentlich können Synkopen auftreten, im weiteren Verlauf Zeichen der progredienten Linksherzinsuffizienz. Bei längerem Verlauf kommt es zu einer Volumenzunahme der linken Kammer und schließlich zur Dekompensation. Diagnostisch ist die Echokardiographie und die Bestimmung des Stenose- bzw. des Insuffizienzgrades wichtig. Bei Patienten die zur koronaren Risikogruppe zählen (Männer > 35, Frauen > 40 Jahre) ist vor einer Operation eine Herzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie erforderlich. Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Aortenvitien sind die häufigsten erworbenen Herzklappenfehler (>60%). Symptome der isolierten Aortenstenose treten meist erst nach Jahren auf. Nach Diagnosestellung beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate ohne Operation - 5 0 % , nach 10 Jahren leben noch 20 %. Bei der Aorteninsuffizienz ist die Prognose anfangs etwas günstiger; Überlebensrate 30-20 %. Bei der Aortenstenose wird operiert, wenn sich eine Linksherzinsuffizienz manifestiert und im EKG eine Hypertrophie zu sehen ist. Die Operation ist bei der Aorteninsuffizienz angezeigt, sobald sich eine Funktionseinschränkung des linken Ventrikels unter Belastung zeigt oder klinische Symptome auftreten. Operationsverfahren: Besteht das Aortenvitium schon länger, sind klappenerhaltende chirurgische Maßnahmen meist unbefriedigend. Deshalb ist es günstiger primär einen Aortenklappenersatz entweder mit einer mechanischen- oder Bioprothese (Abb. 33-32) vorzunehmen. Die Operationsletalität nach isoliertem Aortenklappenersatz liegt unter 5%, die 10-JahresÜberlebensraten bei - 80%. In dieser Zeit geht es den Patienten funktionell sehr gut.
Leitsymptome der AS Schwindel, Angina pectoris Gelegentliche Synkopen Zeichen der Linksherzinsuffizienz Diagnostik zweidimensionale Echokardiographie Doppler-Sonographie (Stenosegrad?) Koronarangiographie, wenn für eine KHK entsprechende Risiken bestehen - mit 60% sind Aortenvitien die häufigsten erworbenen Herzfehler • Überlebensraten ohne Op. 5 Jahre nach Erkrankungsbeginn ~ 50%, nach 10 Jahren 20% Die Aorteninsuffizienz hat eine etwas günstigere Prognose • Operationsindikationen - AS bei Linksinsuffizienz und Ventrikelhypertrophie, Schädigungszeichen im EKG - AI bei Funktionseinschränkung des linken Ventrikels unter Belastung Operationsverfahren: Klappenersatz Operationsletalität < 5% 10-Jahres-Überlebensrate - 8 0 %
• Klappen aus Rinderperikard, ebenfalls in Glutaraldehyd fixiert, denaturiert und auf ein Gerüst gezogen (dreizipflige Klappe, Abb. 33-32). • gerüstfreie Bioprothesen vom Schwein und kryokonservierte homologe Klappen von Verstorbenen.
Die Hämodynamik ist bei der Aortenstenose durch die Druckbelastung des linken Ventrikels mit konsekutiver Hypertrophie gekennzeichnet, während bei der Aorteninsuffizienz durch die Volumenbelastung eher eine Dilatation der linken Kammer eintritt. Beim kombinierten Aortenvitium werden Mischformen von Hypertrophie und Dilatation, bisweilen auch eine relative Mitralinsuffizienz beobachtet.
Erworbene Herzerkrankungen
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4.2.3 Mitralvitien
Mitralvitien
Häufigste Ursache sind rheumatische Herzerkrankungen. Bei der Mitralstenose (MS) finden sich Verklebungen im Bereich der Kommissuren, Verdickungen der Segel, später auch Verkalkungen. Häufig ist auch der subvalvuläre Halteapparat verdickt oder verkürzt, so daß die Klappe unbeweglich wird. Die Mitralinsuffizienz (MI) entsteht durch Anulusdilatation, Segelschrumpfungen und Sehnenfadenverkürzung oder -Verlängerung. Nach bakterieller Endokarditis finden sich häufig Substanzdefekte in den Segeln. Bei KHK kann es durch eine akute Papillarmuskelruptur oder durch ischämische Dysfunktion der Papillarmuskeln (s. o.) zur Mitralinsuffizienz kommen.
meist rheumatisch bedingt. • Stenose: Verklebungen der Klappensegel und Sehnenfäden • Insuffizienz: zusätzlich Anulusdilatation, nach bakterieller Endokarditis, bisweilen Substanzdefekte in den Segeln Eine akute Mitralinsuffizienz kann durch Ruptur von Papillarmuskeln bei akutem Myokardinfarkt entstehen • Mitralklappenprolaps: beim MarfanS y n d r o m und Barlow-Syndrom
Hämodynamisch wird die Mitralstenose erst bei einer Einschränkung der Öffnungsfläche auf 5 0 % relevant. D e r Rückstau des Blutes vor dem Strömungshindernis führt z u m Druckanstieg im linken Vorhof und zum Rückstau in die Lungenvenenund -arterien sowie in den rechten Ventrikel. Daraus entwickelt sich allmählich eine Dilatation des rechten Vorhofs und eine druckbedingte Hypertrophie des rechten Ventrikels. Tritt die Mitralinsuffizienz akut auf und übersteigt der Druck in den Lungenkapillaren den kolloidosmotischen (25-30 m m H g ) , so kann ein akutes Lung e n ö d e m die Folge sein. Im Langzeitverlauf ist dies jedoch eher selten; es k o m m t zu chronischen Veränderungen in der peripheren Lungenstrombahn mit pulmonaler Widerstandserhöhung. Bei der Mitralinsuffizienz tritt eine Volumenbelastung sowohl d e s linken Vorhofs wie auch des linken Ventrikels auf. Bei Linksherzinsuffizienz entsteht durch Rückstau in den Lungenkreislauf konsekutiv eine Rechtsherzdekompensation. Dabei k o m m t es wie bei der sekundären Herzinsuffizienz häufig zu einer relativen Trikuspidalinsuffizienz. Aufgrund des niedrigen H M V und der verstärkten 0 2 -Ausschöpfung in der Peripherie besteht eine periphere Zyanose.
Hämodynamik • MS: Einschränkung der Mitralöffnungsfläche auf - 50% ist h ä m o d y n a m i s c h wirksam: Druckanstieg im linken Vorhof, Rückstau in Lungenvenen- und -arterien sowie rechten Ventrikel • MI: chronische Volumenbelastung des linken Vorhofs mit evtl. akutem Lungenödem. - » Rückstau in den Lungenkreislauf m i t Rechtsherzdekompensation
Symptome und Diagnostik: Die Patienten sind lange Zeit asymptomatisch. Im fortgeschrittenen Stadium findet man bei der Mitralstenose Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz. Die Diagnose kann durch Doppler- und echokardiographische Untersuchung erhärtet und dokumentiert werden. Bei Patienten mit Risikofaktoren einer KHK (Männer > 35, Frauen > 40 Jahre) ist vor der Operation eine Katheteruntersuchung mit Koronarangiographie erforderlich. Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: Die Mitralvitien machen etwa 30 % der erworbenen Herzklappenerkrankungen aus. Bei rheumatischen Mitralfehlern vergehen 15-20 Jahre bis sich klinische Symptome zeigen, bis zum Auftreten des Schweregrades (NYHA) III-IV, weitere 5 10 Jahre. Patienten mit reiner Mitralstenose ohne Operation überleben etwa 4 Jahre und Patienten mit operationsbedürftiger Mitralinsuffizienz etwa 2 Jahre. Besonders ungünstig ist die Prognose bei pulmonaler Druckund Widerstandserhöhung. Bei Mitralvitien besteht grundsätzlich eine Operationsindikation wenn der klinische Schweregrad III (nach NYHA) erreicht ist. Operationsverfahren: Die reine Mitralstenose läßt sich heute zunächst interventionell erweitern. Dies gelingt mit der perkutanen Ballonvalvuloplastie fast immer. Bei der Mitralinsuffizienz steht die Rekonstruktion der Klappe im Vordergrund. Sie sollte möglichst angestrebt werden. Bei ausgeprägten Verkalkungen an den Klappen, am Anulus und den Segeln mit Verkürzung und Verplumpung der Papillarmuskeln und der Sehnenfäden ist ein Rekonstruktionsverfahren oft nicht mehr möglich, so daß es besser ist, eine mechanische Herzklappe oder eine Bioprothese einzusetzen. Nur etwa 20-30 % der Mitralvitien lassen sich rekonstruieren. Ergebnisse und Prognose: Die Operationsletalität der perkutanen Valvuloplastie beträgt nur < 1 %, nach Klappenrekonstruktion bei Mitralinsuffizienz < 5 % , beim isolierten Mitralklappenersatz 5-10%. Die 10-JahresÜberlebensraten nach Mitralklappenersatz liegen zwischen 60-80%. Im Verlauf entwickeln ca. 10% der Patienten nach Klappenrekonstruktion ein operationsbedürftiges Rezidiv. Nach Valvuloplastie muß innerhalb 10 Jahren mit einer Restenoserate von 25-50 % gerechnet werden. Eine funktionelle Verbesserung nach Mitralklappenoperation, hängt vom Grad der Rechtsherzinsuffizienz und den Veränderungen der Lungenstrombahn ab.
• -
Diagnostik Echokardiographie Doppler-Sonographie präoperative Herzkatheteruntersuchung
Natürlicher Verlauf, Operationsindikation Mitralvitien machen 3 0 % der erworbenen Herzklappenerkrankungen aus Vom Auftreten der ersten S y m p t o m e bis zum Erreichen des Schweregrades III-IV vergehen 15-20 Jahre Bei operationsbedürftiger Mitralstenose beträgt die Überlebenszeit ohne Operation 4 Jahre, bei der Mitralinsuffizienz 2 Jahre Operationsindikation • Beim klinischen Schweregrad III (NYHA) • bei akuter postinfarzieller Mitralinsuffizienz • nach Embolie Operationsverfahren • reine M S zunächst perkutane Ballonvalvuloplastie, sonst Mitralklappenrekonstruktion oder Klappenersatz Letalität bei der Valvuloplastie < 1 %, nach Klappenersatz < 5%, Rezidivquote - 10% 10-Jahres-Überlebensrate 6 0 - 8 0 %
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33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
Mehrfachvitien
4.2.4 Mehrfachvitien und rechtsseitige Herzklappenvitien
• bei rheumatischem Fieber kombinierte Aorten-Mitralvitien. Häufigkeit - 6% Operation • prothetischer Aorten- und Mitralklappenersatz. Operationsletalität < 10%
Bisweilen treten im Gefolge eines rheumatischen Fiebers kombinierte Aorten-Mitralklappenerkrankungen auf 6 % der erworbenen Herzklappenfehler). In der Regel ist ein prothetischer Aorten-Mitralklappenersatz indiziert, wenn die Patienten das Stadium III-IV (NYHA) erreicht haben. Sterblichkeitsrisiko des Doppelklappenersatzes < 1 0 % . Die Langzeitprognose entspricht der des isolierten Mitralklappenersatzes und wird durch vorbestehende Lungenstrombahnveränderungen mitbeeinflußt.
Trikuspidalvitien • relative Insuffizienz durch andere Klappenerkrankungen oder Endokarditis, z.B. bei Schrittmacherinfektionen und bei Drogensüchtigen • bei der Trikuspidalinsuffizienz erhebliche Dilatation des rechten Vorhofs infolge der systolischen Regurgitation -> Rechtsherzinsuffizienz mit Hepatomegalie und Aszites • Therapie: möglichst medikamentös, bei Schweregrad III, IV (NYHA) ist die Operation angezeigt! - Resektion der infizierten Anteile der Klappensegel zur Fokussanierung bei infektiöser Endokarditis - Ersatz der Trikuspidalklappe nur selten indiziert; deutlich höheres Operationsrisiko als bei anderen Klappen Pulmonalklappenviten: als erworbene Erkrankung extrem selten
Trikuspidal-, Pulmonalklappenvitien: Erkrankungen der Trikuspidalklappen finden sich meist als relative Insuffizienz im Gefolge anderer Klappenvitien oder bei Endokarditis. Diese tritt bisweilen bei infizierten Schrittmachersystemen auf. Die meisten Endokarditiden an der Trikuspidalis finden sich aber bei Drogenabhängigen, gelegentlich auch bei rheumatischen Erkrankungen. Typisch für die Trikuspidalinsuffizienz ist die systolische Regurgitation vom rechten Ventrikel in den rechten Vorhof. Die Folge ist eine erhebliche Vorhofdilatation mit Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz im fortgeschrittenen Stadium (Lebervergrößerung und Aszites). Die Behandlung sollte möglichst konservativ sein. Nur bei einem klinischen Schweregrad III-IV wird operiert. Bei einer Endokarditis müssen die infizierten Anteile der Trikuspidalklappen reseziert werden (Fokussanierung!). Meist ist eine Rekonstruktion und Erhaltung der Klappe möglich; ein Trikuspidalklappenersatz ist selten indiziert, er hat ein deutlich höheres Risiko als bei den anderen Klappen. Erworbene Erkrankungen der Pulmonalklappen sind extrem selten.
Erkrankungen der thorakalen Aorta
4.3 Erkrankungen der thorakalen Aorta
Chirurgisch relevant sind • traumatische Ruptur • akute Dissektion • chronisches Aneurysma
Chirurgische Relevanz haben Traumen, die akute Dissektion und chronische Aneurysmen.
Traumatische Aortenruptur
4.3.1 Traumatische Aortenruptur
Entsteht bei Verkehrsunfällen und im Rahmen eines Dezelerationstraumas Häufigste Todesursache am Unfallort infolge sofortiger Verblutung! Nur 10-20% der Patienten erreichen lebend die Klinik! Bleiben Adventitia und Pleuraabdeckung erhalten, mediastinales Hämatom, später evtl. ein Aneurysma spurium Diagnostik • Röntgen-Thorax: - Mediastinalverbreiterung, evtl. - linksseitiger Hämatothorax • Aortographie oder CT beweisen das Aneurysma spurium Verlauf • Überleben hängt von der rasch gestellten Diagnose und unverzüglichen Operation ab: - bei großem Hämatom: sofort operieren - bei alleinigem Intimaeinriß zunächst abwarten unter Intensivüberwachung
Meist entsteht sie bei Dezelerationstraumen. Es kommt zum Intimaeinriß bis zur kompletten Wanddurchtrennung. Prädilektionsstelle ist der Aortenisthmus. Symptome und Diagnostik: Bei kompletter Ruptur tritt innerhalb weniger Minuten der Verblutungstod ein, bei erhaltener Pleuraabdeckung kann sich günstigenfalls ein ausgedehntes mediastinales Hämatom entwickeln mit Schocksymptomatik infolge des Blutverlustes. Ist die Adventitia ebenfalls intakt, kann sich später ein Aneurysma spurium ausbilden. Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese, im Röntgenbild Mediastinalverbreiterung und evtl. ein linksseitiger Hämatothorax. Gesichert wird die Diagnose durch CT oder Aortographie. Natürlicher Verlauf: Etwa 15 % der tödlichen Verkehrsunfälle sind durch eine Aortenruptur hervorgerufen. Die meisten Patienten versterben am Unfallort, nur 10-20 % erreichen lebend eine Klinik. Das weitere Überleben hängt von der raschen Diagnosestellung und dem weiteren Management ab. Bei großen Extravasaten und Ruptur aller Gefäßwandschichten ist die sofortige Operation angezeigt. Besteht hingegen nur ein Intimaeinriß, so wird man abwarten und den Kreislauf stabilisieren. Erst bei Komplikationen, z.B. Verlegung des distalen Strombetts (Einrollen einer Intimalefze) besteht eine Operationsindikation. Operationsverfahren: Das betroffene Aortensegment wird reseziert und durch eine Gefäßprothese ersetzt. Ergebnisse und Prognose: Gefürchtet ist eine Paraplegie, die bei 5-15 % der Patienten durch eine ischämische Schädigung des Rückenmarks während der Abklemmphase auftreten kann. Operationsletalität im akuten Stadium 25-35%.
Operation: Resektion des eingerissenen Aortensegments und Rekonstruktion mit Gefäßprothese Ergebnisse • Letalität im akuten Stadium 25-35% • Paraplegie durch Rückenmarkischämie 5-15%
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Erworbene Herzerkrankungen 4.3.2 Akute Aortendissektion
Akute Aortendissektion
Klinische Anatomie und Pathophysiologie: Bei einem Einriß der Intima wühlt sich das Blut zwischen die Gefäßwandschichten und drängt in einem falschen Lumen (Dissektionskanal) nach distal. Der Intimaeinriß (Entry) liegt meist im Bereich der Aorta ascendens direkt oberhalb der Aortenklappe (Typ A —> 80 %) oder im Bereich der Aorta descendens (Typ B —> 20%). Häufig endet dieser nicht blind, sondern mündet durch zusätzliche weiter distal gelegene Einrisse (Reentry) wieder in das echte Gefäßlumen. Ursache der akuten Dissektion ist zu 80 % die Arteriosklerose; weitere prädisponierende Faktoren sind Erkrankungen der Media (zystische Mediaerkrankung, MarfanSyndrom, Morbus Erdheim-Gsell, Morbus Ehlers-Danlos), zusätzlich begünstigt durch eine arterielle Hypertonie.
Intimaeinriß bei arteriosklerotischer Aorta und Hypertonie, Marfan-Syndrom, EhlersDanlos-Syndrom, Erdheim-Gsell-Syndrom Intimariß (Entry) —» falsches Aortenlumen -»weiterer Intimaeinriß Re-Entry 2 Dissektionstypen: • Typ A (80%) -> Einriß in der Aorta ascendens • Typ B (20%) -> Einriß in die Aorta descendens Leitsymptom: heftiger, plötzlicher Thoraxschmerz, vergleichbar mit akutem Myokardinfarkt Diagnostik • transthorakale oder-ösophageale Echokardiographie • CT (Doppellumen erkennen) Verlauf Sterblichkeit bei akuter Dissektion 3% pro Stunde innerhalb der ersten 24 Stunden nach Ereignis. Ohne Intervention überleben 80% 1 Monat Operationsindikation • Typ A sofort operieren • Kontraindikationen: - hohes Alter, protrahierter Schock - zerebrale Symptomatik durch Verlegung der supraortalen Äste • Typ B: Blutdrucksenkung und Intensivüberwachung, Verlauf mit Op. nicht günstiger Operationsverfahren • Typ A: HLM, tiefe Hypothermie und Kreislaufstillstand. Wände vernähen, Gefäßprothese. • Typ B: Resektion und Interposition einer Gefäßprothese, evtl. mit Linksherzbypass (Rückenmarkischämie!)
Symptome und Diagnostik: L e i t s y m p t o m ist ein h e f t i g e r T h o r a x s c h m e r z . D i f f e r e n t i a l d i a g n o s t i s c h ist ein M y o k a r d i n f a r k t auszuschließen. A b k l ä r u n g d u r c h t r a n s t h o r a k a l e o d e r besser - ö s o p h a g e a l e E c h o k a r d i o g r a p h i e mit D a r stellung des Entry, d e s e c h t e n L u m e n s und evtl. das R e - E n t r y . Natürlicher Verlauf und Operationsindikation: D i e O p e r a t i o n sollte unverzüglich d u r c h g e f ü h r t w e r d e n , da die a k u t e Typ A - D i s s e k t i o n eine Sterblichkeit v o n 3 % p r o S t u n d e i n n e r h a l b d e r ersten 24 S t u n d e n hat. D i s s e k t i o n e n d e r A o r t a d e s c e n d e n s (Typ B) v e r l a u f e n weniger dramatisch. O h n e Interv e n t i o n ü b e r l e b e n 80 % d e r P a t i e n t e n einen M o n a t . D i e O p e r a t i o n bei d e r Typ A - D i s s e k t i o n ist n o t f a l l m ä ß i g d u r c h z u f ü h r e n . K o n t r a i n d i k a t i o n sind h o h e s L e b e n s a l t e r , p r o t r a h i e r t e r l a n g a n d a u e r n d e r S c h o c k z u s t a n d o d e r zusätzliche z e r e b r a l e S y m p t o m a t i k infolge Verlegung d e r s u p r a a o r t i s c h e n Äste. B e i m Typ B ist, w e n n k e i n e S e k u n d ä r k o m p l i k a t i o n e n ( H ä m a t o t h o rax, I s c h ä m i e distaler O r g a n e ) vorliegen, e i n e b l u t d r u c k s e n k e n d e T h e r a p i e angezeigt. Im Vergleich z u m natürlichen Verlauf bringt hier die a k u t e o p e rative I n t e r v e n t i o n k e i n günstigeres Ergebnis. Operationsverfahren: D i e O p e r a t i o n der Typ A - D i s s e k t i o n mit Befall d e s A o r t e n b o g e n s u n d d e r s u p r a a o r t i s c h e n Ä s t e m u ß mit der H e r z - L u n g e n M a s c h i n e in t i e f e r H y p o t h e r m i e u n d in Kreislaufstillstand d u r c h g e f ü h r t w e r d e n . Falsches u n d echtes L u m e n v e r n ä h t m a n m i t e i n a n d e r u n d ersetzt die A o r t a a s c e n d e n s d u r c h eine R o h r p r o t h e s e ( A b b . 33-33). O p e r a t i o n s -
A. s u b c l a v i a j j f A. carot. comm. sin. Truncus "" brachioceph. .— (a) 1
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»falsches« . »wahres« Lumen
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^•'rfäis"'*' J [ \ Dacron-Gefäßprothese
Abb. 33-33: Akute Dissektion der Aorta ascendens: a. Dissektionsbefund: Intima, Media und Adventitia sind voneinander separiert. Zusätzlich zum „wahren" Lumen ist ein „falsches" entstanden, b. Das Aortensegment mit dem Intimaeinriß ist reseziert, das „falsche" Lumen an beiden Gefäßstümpfen mithilfe von Filzstreifen vernäht, c. Proximales und distales Aortensegment sind durch Interposition einer Gefäßprothese wieder miteinander verbunden
426
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
Ergebnisse: Operationsletalität 1 0 - 3 0 % , bei sek. Komplikationen durch die Dissektion 6 0 % . 5-Jahres-Überlebensraten 60-80%
letalität zwischen 10 und 30%, bei zusätzlichen Dissektionskomplikationen um 60%. Je nach Ätiologie beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 6080%.
Chronisch«thorakaleAortenaneurysmen
4.3.3 Chronische throakale Aortenaneurysmen
Ätiologie • M a r f a n - S y n d r o m (am häufigsten) • Arteriosklerose • Erdheim-Gsell, Lues Prädilektionsstellen: • Aorta ascendens ( 4 5 % ) • Aortenbogen ( 1 0 % ) • Aorta descendens ( 3 5 % ) • thorakoabdominal ( 1 0 % ) Diagnostik - häufig Zufallsdiagnose bei einer thorakalen Röntgenuntersuchung! S y m p t o m e durch Druck des A n e u r y s m a s - auf die Trachea (Stridor) - auf den Ö s o p h a g u s (Dysphagie) - auf den N. recurrens (Heiserkeit) - Aortenklappeninsuffizienz Untersuchungsverfahren: • CT, Aortographie mit Koronarographie
Klinische Anatomie und Lokalisation: Prädilektionsstellen: Aorta ascendens (45 %), Aortenbogen (10 %), Aorta descendens (35 %), selten: thorakoabdominale Aorta (10 %). Die Aszendensaneurysmen entstehen am häufigsten als anulo-aortale Ektasie beim Marfan-Syndrom bzw. bei einer zystischen nekrotisierenden Mediaerkrankung (Gsell-Erdheim); posttraumatisch (im Deszendensbereich). Symptome und Diagnostik: Die Diagnose wird meist zufällig bei einer Röntgen-Thoraxaufnahme gestellt, bisweilen auch durch Symptome einer zusätzlichen Aortenklappeninsuffizienz. Außerdem können durch Kompression des Ösophagus oder der Trachea Dysphagie, Stridor oder Heiserkeit (N. recurrens) entstehen. Diagnostische Abklärung durch CT sowie Aorto- und Koronariographie. Spontanverlauf und Operationsindikation: Chronische thorakale Aortenaneurysmen sind rupturgefährdet. Bei symptomatischem Aneurysma besteht eine relativ dringliche Operationsanzeige. Größere asymptomatische Aneurysmen sollten ab einem Durchmesser von ca. 6 cm operiert und kleinere halbjährlich echokardiographiert werden. Bei Vergrößerungstendenz Operation. Operationsverfahren: Das aneurysmatische Segment wird durch eine Gefäßprothese ersetzt, im Bereich der Aorta ascendens und des Aortenbogens immer mit extrakorporaler Zirkulation. Aneurysmen der Aorta descendens werden mit Linksherzbypass operiert. Ergebnisse und Prognose: Die Operationsletalität ist abhängig von der Lokalisation; im Aortenbogenbereich ist sie am höchsten (8-20 %, bei isoliertem Ersatz der Aorta ascendens < 5 % ) . Bei der Operation an der Aorta descendens muß in 5 % mit einer Paraplegie oder Paraparese gerechnet werden. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen nach Ersatz der Aorta ascendens und der Aortenklappe bei 60-70 %, am Aortenbogen oder bei der Deszendensoperation bei 50-60 %.
Operationsindikationen • > 6 c m - > Op. • dringend bei symptomat. A n e u r y s m e n . Operationsverfahren • prothetischer Ersatz • Aorta descendens: Linksherzbypass Ergebnisse • Operationsletalität: a m A o r t e n b o g e n 8 - 2 0 % , ohne Klappenersatz < 5 % • A n e u r y s m a der Aorta d e s c e n d e n s in 5 % Paraplegie • 5-Jahres-Überlebensraten 6 0 - 7 0 %
Herzschrittmacher und Rhythmusstörungen Herzschrittmacher (HS)
4.4 H e r z s c h r i t t m a c h e r u n d H e r z r h y t h m u s s t ö r u n g e n
25000 Neuimplantationen in Deutschland. Ziele der HS-Therapie: • Vermeidung v o n S y n k o p e n AdamStokes-Anfälle • Supression intermittierender Tachykardien Indikationen bradykarde Herzrhythmusstörungen: • Funktionsstörungen im S i n u s k n o t e n • AV-Blockierungen • bradykarde absolute Arrhythmie • Karotissinus-Syndrom HS-Typen • Festfrequenz-HS • frequenzvariable sensorgesteuerte H S , steuern nach QT-Intervall, HZV, A t e m frequenz, 0 2 - S ä t t i g u n g etc.
In Deutschland werden jährlich ca. 25000 HS neu implantiert, überwiegend bei Patienten im 7. Dezennium. Ziele: Die Stimulation mit HS vermeidet Synkopen (Adam-Stokes-Syndrom) und unterdrückt intermittierende Tachykardien. Indikationen sind in erster Linie bradykarde Herzrhythmusstörungen: Sinusknoten-Funktionsstörungen, AV-Blockierungen, bradykarde absolute Arrhythmien, Karotissinus-Syndrom. Vor der Implantation ist die Rhythmusstörung durch Standard- und Langzeit-EKG, Bestimmung der Sinusknoten-Erholungszeit und der atrioventrikulären Leitungszeiten zu überprüfen.
Implantation des H S - Lokalanästhesie
Implantation: Lokalanästhesie. Kleine infrakalvikuläre Hautinzision. Elektrodeneinführung über die freigelegte V. cephalica bis in den rechten Vorhof
4.4.1 Herzschrittmacher (HS)
Typen: HS bestehen (1) aus einem batteriebetriebenen multiprogrammierbaren Aggregat (Lithiumjodid-Zellen) mit 10-15jähriger Lebensdauer. (2) aus einer Elektrode, die sowohl herzeigene Signale aufnimmt als auch intrakardial die Reizleitung stimuliert. Sinkt z. B. die Herzfrequenz < 70 ab, so erfolgt eine entsprechende Stimulation, die wieder unterbrochen wird, wenn die Frequenz ansteigt (Festfrequenzstimulation). Für Patienten, bei denen die Herzfrequenz unter Belastung nicht ansteigt, gibt es sensorgesteuerte frequenzvariable HS, die nach QT-Inervall, HMV, Atemfrequenz, 0 2 -Sättigung oder zentralvenöser Temperatur, stimulieren.
427
Erworbene Herzerkrankungen
Abb. 33-34: Seitliche Röntgenaufnahme des Thorax nach transvenöser Implantation eines Herzschrittmachers. Beide Elektroden wurden über die obere Hohlvene in das Herz eingeführt. Die Elektrodenspitzen liegen im rechten Herzohr (A) und in der Spitze des rechten Ventrikels (V)
oder Ventrikel (Röntgen-Bildwandler, Abb. 33-34). Messung der Stimulationsreizschwellen (minimale Energiemenge für die Stimulation). Unterbringung der Batterie in einer subfaszialen Tasche über dem M. pectoralis major. Ergebnisse: Operationsletalität ~ 0,1 %. Technische Störungen: Elektrodendislokation- oder -bruch - 3 % , Wundheilungsstörungen und Infektionen 0,5-2%. Regelmäßige Überwachung der HS-Träger erforderlich. Revisionseingriffe sind ambulant möglich.
- Elektrodeneinführung über V.cephalica bis in den re. Vorhof oder Ventrikel - Messung der Stimulationsreizschwelle - Implantation der Batterie subfaszial über dem M. pectoralis major Ergebnisse: Operationsletalität 0,1 % Technische Störungen: - Elektrodendislokation-oder-bruch ~ 3% - Wundheilungsstörungen 0,5-2%
4.4.2 Herzrhythmusstörungen
Herzrhythmusstörungen
Reizleitungssystem: Vom Sinusknoten (SK) gehen Impulse über 4 Internodalbahnen zum AV-Knoten (AVK) und dann zum His-Bündel. Dies teilt sich in einen rechten und linken Schenkel, letzterer wiederum in einen vorderen und hinteren.
Reizleitungssystem: • SK -» AVK His-Bündel • Schenkel
Bradykarden Herzrhythmusstörungen liegen meist degenerative Veränderungen des Reizbildungs- oder Erregungsleitungssystems zugrunde, die im höheren Lebensalter durch ischämische oder entzündliche Myokarderkrankungen verursacht sind: • Sinusknotenkrankheit (Sick-Sinus-Syndrom) und Karotissinus-Syndrom • Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern und höhergradigen AV-Blockierungen. Für die Diagnose sind EKG, Langzeit-EKG und je nach Situation ein Belastungs-EKG wichtig, nicht zu vergessen auch der Karotissinus-Druckversuch. HS-Implantation vermeidet synkopale Zustände, Bradykardien und intermittierende Tachykardien.
Bradykarde Rhythmusstörungen = degenerative, ischämische oder entzündliche Veränderungen im Reizleitungssystem: • Sick-Sinus-Syndrom • Karotissinus-Syndrom • Bradyarrhythmie • AV-Blockierungen Diagnostik - Belastungs- und Langzeit-EKG, - Karotissinusdruckversuch Therapie: SH-Implantation
Tachykarde Herzrhythmusstörungen sind • WPW-Syndrom = supraventrikuläre Tachykardien auf der Grundlage akzessorischer AV-Überleitungsbahnen (Wolf-Parkinson-White-Syndrom) • rezidivierende therapieresistente ventrikuläre Tachykardien im chronischen Postinfarktstadium, meist bei Ventrikelaneurysma. Tachykarde Herzrhythmusstörungen verlangen nur noch selten eine chirurgische Intervention, da die interventionellen Katheterabiationen beim WPW-Syndrom und bei der postischämischen ventrikulären Tachykardie fast immer erfolgreich sind. Bei der Resektion eines chronischen postinfarziellen Ventrikelaneurysmas kann das arrhythmogene Areal nach Lokalisation durch endokardiales Mapping entfernt werden. Anderenfalls werden die postischämischen ventrikulären Tachykardien mit einem implantierbaren automatischen Defibrillator palliativ behandelt. Dieser Schrittmacher wird ebenfalls transvenös plaziert und ist imstande plötzlich auftretende ventrikuläre Tachykardien zu beenden.
Tachykarde Rhythmusstörungen Man unterscheidet 2 Formen: 1. supraventrikuläre Tachykardie bei WPW-Syndrom 2. rezidivierende therapieresistente ventrikuläre Tachykardien im chronischen Postinfarktstadium oder bei Ventrikelaneurysma Therapie Indikationen für chirurgische Verfahren sind selten, Katheterabiationen Bei ventrikulären Tachykardien Implantation eines automatischen Defibrillators
re. + Ii.
428
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
Erkrankungen des Perikards
4.5 Erkrankungen des Perikards
1. Akute Erkrankungen • blutige oder seröse Flüssigkeitsansammlung (postinfektös, Metastasen, Urämie, iatrogen) im Herzbeutel • Tamponade verhindert die Füllung des rechten Herzens • Therapie: Perikardiozenthese und Drainage des Herzbeutels 2. Chronische Perikarderkrankungen In 30% geht die akute Perikarditis in ein chronisches Stadium über: Pericarditis constrictiva mit Verschwielungen und Verkalkungen (= Panzerherz) -> Complianceverlust beider Ventrikel Rechtsherzinsuffizienz Symptome: • Rechtsherzinsuffizienz -»Lebervergrößerung, Aszites, Beinödeme • Linksherzinsuffizienz Dyspnoe, Leistungsminderung • Herzgeräusche abgeschwächt, Halsvenenstauung, Niedervoltage im EKG Therapie: Dekortikation des Herzens Herztumoren
Akute Erkrankungen. Flüssigkeitsansammlungen im Herzbeutel (blutig oder serös) können folgende Ursachen haben: Metastasen, Infektionen (Tbc), Urämie, iatrogen (nach kardialen Interventionen), Verletzungen, postinfarzielle Herzruptur. Die Herzbeuteltamponade verhindert die Füllung des rechten und konsekutiv auch des linken Herzens. In dieser lebensbedrohenden Situation ist als Sofortmaßnahme eine Entlastung des Herzbeutels durch Perikardiozenthese unverzüglich notwendig. Daran schließt sich die definitive Diagnosestellung (Echokardiographie, EKG, CT) und Therapie an. Chronische Erkrankungen: Die akute Perikarditis geht in 30 % der Fälle in ein chronisches Stadium über mit konstriktiver verschwielender und verkalkender Perikarditis („Panzerherz"). Diese hat einen Complianceverlust mit diastolischer Füllungsbehinderung beider Ventrikel zur Folge. Symptome: Rechtsherzinsuffizienz mit Lebervergrößerung, Aszites, Beinödeme; Linksherzinsuffizienz mit Dyspnoe, Leistungsminderung; abgeschwächte Herzgeräusche, Halsvenenstauung, Niedervoltage im EKG. Bei symptomatischen Patienten wird eine operative Dekortikation durchgeführt, häufig mit Hilfe der HLM.
• primäre und metastatische Tumoren • in 25% maligne Geschwülste Lokalisation • perikardiale, intramurale, intrakavitäre - am häufigsten metastasieren Bronchuskarzinom und malignes Melanom in den Herzbeutel
Primäre und sekundäre (metastatische) Tumoren des Herzens sind seltene Erkrankungen.
4.6 Tumoren des Herzens
Die meisten Tumoren sind gutartig, 25 % jedoch maligne. Man unterscheidet perikardiale, intramurale und intrakavitäre Herztumoren. Fast alle malignen Geschwülste können ins Herz und Perikard metastasieren, am häufigsten jedoch Bronchialkarzinome und maligne Melanome.
Die primären intrakavitären Tumoren des Herzens sind meist gutartig, können jedoch durch massives Wachstum, Verlegung der Klappenostien oder durch Embolisation den Patienten gefährden. Am häufigsten sind gutartige Myxome, die zu 3/4 im linken Atrium lokalisiert sind. Gutartige intramurale Geschwülste sind meist Fibrome Komplikationen: • Obstruktion der Herzkranzgefäße • Reizleitungsstörungen • Embolisierungen (beim Myxom) • Verlagerung des Mitralostiums (Pseudo-Mitralstenose) Therapie: Op. mit HLM
Gutartige intramyokardiale Tumoren sind Fibrome, die durch verdrängendes Wachstum zu Sekundärkomplikationen, vor allem an den Herzkranzgefäßen und am Reizleitungssystem des Herzens führen können. Da bis zu V4 aller Tumoren am Herzen bösartig sind besteht grundsätzlich die Indikation zur Entfernung des Herztumors, damit die Dignität histologisch geklärt werden kann. Bei Myxomen besteht zudem die Gefahr der Embolisation und der Verlegung des Mitralklappenostiums (Pseudomitralstenose). Die Tumoren werden möglichst vollständig entfernt (HLM erforderlich). Nur selten ist es sinnvoll, Herzbeutelmetastasen operativ zu entfernen.
Herzverietzungen
4.7 Verletzungen des Herzens
1. Penetrierende Verletzungen: • Ursachen: Messerstich- und Schußverletzungen • Symptome: Volumenmangelschock, Herzbeuteltamponade • Sofortmaßnahmen: Schockbehandlung und Perikarddrainage, bzw. sofortige Operation
Man unterscheidet geschlossene (stumpfes Trauma) und offene (scharfes Trauma) Verletzungen. Häufigkeit einer Herzverletzung beim stumpfen Trauma etwa 10-15%. Häufige Begleitverletzungen sind Sternum- und Rippenfrakturen. Bei penetrierenden Thoraxtraumen kann es, zu unterschiedlichen Läsionen im Bereich des Herzens, der Lunge und herznahen Gefäße kommen. Patienten mit schweren penetrierenden Herz- oder Gefäßverletzungen bieten das klinische Bild eines Volumenmangelschocks und der Herzbeuteltamponade. Schockbehandlung und Drainage des Thorax sowie des Herzbeutels stehen an erster Stelle. Sofort daran schließt sich eine orientierende Diagnostik und je nach Dringlichkeit der Situation die sofortige Operation an.
Transplantation von Thoraxorganen Stumpfes Thoraxtrauma. Unfallursachen sind Kompressionen oder Dezelerationstraumen (Sturz aus großer Höhe). Häufige Begleitverletzungen sind Sternum- oder Rippenfrakturen. Äußere Verletzungszeichen können mitunter fehlen. Die Contusio cordis entsteht bei stumpfer Gewalteinwirkung. Dabei keine Schädigung intrakardialer Strukturen. Die klinischen Zeichen sind: präkordiale Schmerzen, Perikardreiben, evtl. Zeichen einer Herzinsuffizienz. EKG-Veränderungen mit Rhythmus- und Erregungsausbreitungsstörungen, Repolarisationsstörungen und Anstieg der herzspezifischen Enzyme in den ersten Tagen. Wegen drohender Rhythmusstörungen ist anfangs eine Intensivüberwachung nach dem Unfall erforderlich. Bei stärkerer Gewalteinwirkung kann es zur Herzruptur kommen. Die Ventrikelruptur ist ein tödliches Ereignis, während eine Ruptur im Bereich der Vorhöfe günstiger verläuft. Hier präsentieren sich die Patienten unter dem Bild der Perikardtamponade. Ebenso wie die äußeren können auch die inneren Herzwände mitbetroffen sein. Traumatische Ventrikelseptumdefekte sind extrem selten. Verletzungen der Herzklappen betreffen die Aorten-, Mitral- und Trikuspidalklappe. Bei der Aortenklappe kommt es zu Einrissen im Bereich der Taschen, bei den AV-Klappen wird meistens der valvuläre Halteapparat (Sehnenfäden, Papillarmuskeln) in Mitleidenschaft gezogen. Die Patienten zeigen das Bild der akuten Klappeninsuffizienz. Die Diagnose wird durch die zweidimensionale Echokardiographie bestätigt. Die Indikation zur Operation richtet sich nach dem hämodynamischen Ausmaß der akuten Klappeninsuffizienz.
5. Transplantation von Thoraxorganen Indikation: Erkrankungen, die nach Ausschöpfen medikamentöser und chirurgischer Verfahren innerhalb weniger Monate zum Tode führen. Transplantationen der Lunge können sowohl als Ein- oder Zwei-LungenTransplantation durchgeführt werden. Die Patienten sind durch eine postoperative obliterative Bronchiolitis gefährdet. Indikationen: Endstadium primärer Lungenerkrankungen, Mukoviszidose, Emphysem (Alpha-l-Antitrypsinmangel) angeborene Vitien mit mittelgradiger pulmonaler Hypertension. Operationstechnik: HLM meist nicht erforderlich. Anastomosierung in der Reihenfolge (1) Lungenvenen en bloc mit einem Vorhofsegment, (2) Hauptbronchus, (3) A. pulmonalis.
429 2. Stumpf® Versetzungen • Ursache: Kompressions-, Aufprall- und Dezelerationstraumen. Häufig mit Rippen-, Sternum- oder Wirbelsäulenfrakturen kombiniert • Herzkontusion: präkardiale Schmerzen, Perikardreiben, EKG-Veränderungen, Rhythmusstörungen • Therapie: Intensivüberwachung bei Rhythmusstörungen • tödliche Ventrikelruptur: entsteht bei starker Gewalteinwirkung auf den Thorax • Einriß der Vorhöfe: Herzbeuteltamponade. Sofortige Operation! • posttraumatische Ventrikelseptumdefekte oder Herzklappenverletzungen sind sehr selten - Symptome: akute Herzinsuffizienz Diagnose: zweidimensionale Echokardiographie Je nach A u s m a ß der Klappeninsuffizienz besteht eine Operationsindikation
Transplantation von Thoraxorganen Lungentransplantation Ein- oder Zwei-Lungen-Transplantation möglich Transplantatlunge durch obliterative Bronchiolitis gefährdet! Indikationen - Mukoviszidose - Emphysem u.a. Operationstechnik - HLM meist nicht erforderlich - Anastomosierung: 1. Lungenvenen en-bloc mit Vorhofsegment 2. Hauptbronchus End-zu-End 3. A. pulmonalis
5.1 Herz-Lungen-Transplantation
Herz-Lungen-Transplantation
Herz und beide Lungen werden en bloc transplantiert.
• En-bloc-Transplantation. • Indikationen: - primäre pulmonale Erkrankungen (Emphysem, zystische Lungenfibrose, primäre pulmonale Hypertonie) - sekundäre pulmonale Hypertonie bei angeborenen Vitien (Eisenmenger-Reaktion) Operationstechnik - Entnahme des Spenderorgans in tiefer Hypothermie (< 15°C) en-bloc - Konservierung mit kardioplegischer Lösung - HLM erforderlich Ergebnisse - Operationsletalität 1 5 - 2 0 % - 1-Jahres-Überlebenszeit60% - 4-Jahres-Überlebenszeit40% Sehr strenge und begrenzte Indikationen!
Im akuten Organversagen ist sie wegen Mangel an Spenderorganen kaum realisierbar. Deshalb versucht man neuerdings die Wartezeit mit der extrakorporalen Membranoxigenierung (ECMO) temporär zu überbrücken. Bisher wurden nur einzelne erfolgreiche Kasuistiken mitgeteilt.
Indikationen für die En-bloc-lVansplantation: • primäre pulmonale Erkrankungen (Emphysem, zystische Lungenfibrose, primäre pulmonale Hypertonie) • sekundäre pulmonale Hypertension (Eisenmenger-Reaktion) bei angeborenen Vitien. Operationstechnik: Organentnahme in tiefer Hypothermie (< 15 °C). Konservierung mit kardioplegischer Lösung. Mediane Sternotomie. HLM. Zuerst Entfernung der Empfängerlungen, dann des Herzens. Anastomosierung in der Reihenfolge: End-zu-End-Anastomose der Trachea, atrioatriale Anastomose der rechten Vorhöfe, End-zu-End-Anastomose der Aorta. Ergebnisse: Operationsletalität 15-20%. 1-Jahres-Überlebenszeit 60%, 4Jahres-Überlebenszeit 40 %. Gefährdung durch Bronchiolitis obliterans.
430
33. Thoraxchirurgie: Herz und herznahe Gefäße
Orthotope Herztransplantation
5.2 Orthotope Herztransplantation
Weltweit wurden bisher ~ 30000 Herztransplantationen durchgeführt Indikationen • Transplantation nur bei Patienten im Endstadium einer Herzinsuffizienz KHK 40% und kongestive Kardiomyopathie 45% Voraussetzungen:
D i e Transplantation des H e r z e n s ist ein a n e r k a n n t e s V e r f a h r e n . Weltweit w u r d e n bislang ü b e r 30000 H e r z t r a n s p l a n t a t i o n e n d u r c h g e f ü h r t . F ü r die Transplantation k o m m e n n u r P a t i e n t e n infrage, die sich i m E n d s t a d i u m einer Herzinsuffizienz b e f i n d e n , ü b e r w i e g e n d bei K H K (> 4 0 % ) o d e r kongestiver K a r d i o m y o p a t h i e (45 % ) . V o r a u s s e t z u n g e n sind:
—î> Kontraindikationen: • Spenderalter > 6 0 Jahre • Diabetes Typ I, pulmonale Hypertension • chron. Niereninsuffizienz • Alkohol-, Drogenabusus • ZNS-Erkrankungen Wegen Organmangels können viele Patienten nicht transplantiert werden I • immunologische Voraussetzungen: - identische Blutgruppen - Fehlen von Antikörpern gegen SpenderLymphozyten
Operationstechnik Kältekonservierung des Spenderherzens mit kardioplegischen Lösungen. Vorhöfe und große Arterien werden beim Empfänger belassen. Anastomosierung zwischen Empfänger- und Spendervorhöfen, End-zu-End-Naht der Pulmonalarterien und der Aorta Immunsuppression Kombination von Cyclosporin A, Prednisolon und Azathioprin Anfangs zusätzlich Antikörper gegen TLymphozyten
• Klinischer Schweregrad I V ( N Y H A ) , L e b e n s e r w a r t u n g < 6 M o n a t e • Alter: zwischen 15 u n d 50 ( - 6 0 ) J a h r e • keine w e i t e r e n e x t r a k a r d i a l e n E r k r a n k u n g e n , k o o p e r a t i v e r P a t i e n t . Kontraindikationen: A l t e r des S p e n d e r s > 60 Jahre, insulinpflichtiger D i a b e t e s mellitus, p u l m o n a l e r H o c h d r u c k , chronische N i e r e n e r k r a n k u n g e n , E r k r a n k u n g e n des ZNS, chronischer A l k o h o l - o d e r D r o g e n a b u s u s , aktive Infektionen. Wegen Mangels an Spenderherzen können viele Patienten nicht operiert werden; von ihnen versterben die meisten in den folgenden 6 Monaten. Um die Wartezeit auf ein Spenderherz zu überbrücken, versucht man künstliche Herzen verschiedenster Konstruktion extrakorporal an den Kreislauf des Empfängers anzuschließen (assistierte Zirkulation). Die ersten Bemühungen dieser Art waren bereits erfolgreich. A l s Herzspender k o m m e n nur j ü n g e r e h e r z g e s u n d e V e r s t o r b e n e (möglichst nicht älter als 40 Jahre) infrage. I m m u n o l o g i s c h e V o r a u s s e t z u n g e n zwischen S p e n d e r u n d E m p f ä n g e r sind identische B l u t g r u p p e n u n d F e h l e n von A n t i k ö r p e r n gegen S p e n d e r l y m p h o z y t e n . Operationstechnik: D a s k r a n k e H e r z wird so e n t f e r n t , d a ß die V o r h ö f e u n d g r o ß e n A r t e r i e n belassen b l e i b e n ( A b b . 33-35). D a s k ä l t e k o n s e r v i e r t e S p e n d e r h e r z (kardioplegische L ö s u n g e n ) wird situationsgerecht mit d e n belassenen S t r u k t u r e n a n a s t o m o s i e r t . Immunsuppression: U m eine A b s t o ß u n g des Transplantats zu v e r h i n d e r n ist die B e h a n d l u n g mit I m m u n s u p p r e s s i v a erforderlich (s. K a p . 26, S.243). Die zur Zeit angewandte Therapie besteht in einer Kombination von Cyclosporin A, Prednisolon und Azathioprin. Zu Beginn werden zusätzlich Antikörper gegen TLymphozyten gegeben, um akute zelluläre Abstoßungskrisen zu verhindern.
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Abb.33-35: a. Herztransplantation I: Operationssitus nach Entfernung des kranken Herzens. Die dorsalen Anteile des rechten (RA) und linken (LA) Vorhofes wurden belassen. Ao Aorta, PA A. pulmonalis, VCS V.cava superior, VCI V.cava inferior, b. Herztransplantation II: Operationssitus nach Anschluß des Spenderherzens. Anastomosen an der Aorta, der Pulmonalarterie und der Vorhöfe (die links-atriale Anastomose liegt hinter der Pulmonalarterie und ist daher von vorne nicht sichtbar)
Transplantation v o n T h o r a x o r g a n e n Im weiteren Verlauf ist es wichtig, durch spezielle Untersuchungen Abstoßungskrisen frühzeitig zu erfassen: Endomyokardbiopsien, zytoimmunologisches Monitoring aus dem Blut, Echokardiogramm, frequenzverstärktes E K G und Antimyosin-Szintigraphie. Infolge der Immunsuppression sind die Patienten durch Infektionen besonders gefährdet. Ergebnisse: Operationsletalität 5-10%. Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt bei etwa 80%, nach 10 Jahren leben noch - 5 0 % der transplantierten Patienten. Ihre Lebensqualität ist gut.
431 Abstoßungskrisen frühzeitig erfassen! • Diagnostik: - Endomyokardbiopsien - Echokardiogramm - frequenzverstärktes E K G - Antimyosin-Szintigraphie Ergebnisse - Operationsletalität 5 - 1 0 % - 1 - J a h r e s - Ü b e r l e b e n s r a t e 80% - 10-Jahres-Überlebensrate 50% Die Lebensqualität nach Transplantation ist gut
34. Gefäßchirurgie W. Hepp
Gefäßchirurgie Erkrankungen der • Arterien • Venen • Lymphgefäße Am wichtigsten: chronische arterielle Verschlußkrankheit
Die Gefäßchirurgie befaßt sich mit Erkrankungen von Arterien, Venen und Lymphgefäßen
Arterien
1. Arterien
Arterielle Verschiußkrankheit (AVK)
1.1 A r t e r i e l l e V e r s c h l u ß k r a n k h e i t (AVK)
Epidemiologie — 0
Ätiologie, Pathogenese, Pathologische Anatomie und Pathophysioiogie Physiosklerose physiologische Alterung der Arterien Pathosklerose - » degenerative und entzündliche Gefäßveränderungen Pathogenese: exogene und endogene Faktoren (Risikofaktoren) Ursachen: - Verdickung der Intima mit Plaquebildung - Anlagerung von Thromben und zunehmende Gefäßeinengung - dilatierende Form - obliterierende Form juvenile Form Mönckeberg-Mediasklerose beim Diabetiker
Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten Sterblichkeitsrate an degenerativen Erkrankungen des Gefäßsystems. Ca. 30000 Beinamputationen werden jährlich durchgeführt, wovon etwa 90% verursacht sind durch Arterienerkrankungen und den diabetischen Fuß. Etwa 400000 Schlaganfälle treten jährlich auf (80 % auf ischämischer Genese). Jeder 5. Betroffene verstirbt. Jeder dritte Deutsche ist venenkrank.
Epidemiologie: In den hochindustrialisierten Ländern ist die AVK die wichtigste Volkskrankheit und ab dem 40. Lebensjahr die häufigste Todes- und Morbiditätsursache: chronische Verschlußprozesse der Becken- und Beinarterien, ischämischer Hirn-, Herzinfarkt, periphere arterielle Embolien, Komplikationen von Aortenaneurysmen, Mesenterialinfarkt, Nierenversagen und Komplikationen nach Amputationen.
1.1.1 Pathologie, Pathophysioiogie Die Alterung der Arterien ist physiologisch. Sie ist mit einem Elastizitätsverlust ohne Strombahneinengung verbunden und wird von Ratschow als Physiosklerose bezeichnet. Im Gegensatz dazu schließt die Pathosklerose alle degenerativen und entzündlichen Veränderungen ein. Ätiopathogenese: Für chronische Arterienverschlüsse sind exogene (Nikotinabusus, Adipositas) und endogene Faktoren (Hypertonie, Hyperlipoproteinämie, Diabetes mellitus, Gicht) verantwortlich. Die AVK ist ein nosologisch nicht einheitliches Krankheitsphänomen und noch nicht vollständig geklärt. Ihre kausale Pathogenese läuft über eine Verdickung der Intima mit darauf folgender Einlagerung von Cholesterin und ulzerösem Gefäßwandaufbruch. Es kann, vor allem bei großen Gefäßen, auch zu Aneurysmen kommen (dilatierende Form der AVK). Desweiteren bilden sich Abscheidungsthromben mit konsekutiver Einengung des Gefäßlumens (obliterierende Form) Bei jüngeren Menschen (juvenile Form, ungünstige Prognose) herrscht in der Intima eine zelluläre Proliferation vor. Eine weitere Sonderform ist die für den Diabetiker typische Mönckeberg-Mediasklerose: steinharte Kalkeinlagerungen, oft spangenförmig („Gänsegurgelarterie") ohne wesentliche Intimaverdickung mit lange Zeit nicht eingeengtem Lumen.
AVK-Prädilektionsorte sind: Bevorzugte Lokalisation der AVK
• große Leit- oder Stammarterien, Transportarterien, Abschnitte ohne größere Seitenäste, z.B. A.femoralis superficialis • dichotome Gefäßaufzweigungen z.B. Aorten- und Femoralisgabel, Karotisbifurkation, Trifurkation der A.poplitea
Arterien
433
rechtwinklig abgehende Seitenäste z.B. Aortenbogenabgänge, Vertebral-, Nieren- und Viszeralarterien u. a. Wesentlich später werden die Versorgungsarterien erfaßt: Verteilerarterien, z.B. A.profunda femoris, typisch für den Diabetiker. Da die Gefäßeinengungen meist nur sehr langsam zunehmen, können sich leistungsfähige präformierte Kollateralgefäße entwickeln. Die Ausprägung eines solchen Umgehungskreislaufes ist abhängig von Lokalisation und Ausdehnung des Verschlusses.
Kollateralkreisläufe
Beim Diabetes mellitus wird eine Makro- und eine Mikroangiopathie unterschieden. Die Makroangiopathie entspricht der üblichen AVK, entwickelt sich aber schneller und betrifft häufiger die peripheren Gefäße (Unterschenkeltyp, Mönckeberg-Sklerose). Die Mikroangiopathie beim diabetischen Fuß wird dagegen heute in Zweifel gezogen.
Dsabets mellitus - schnellere Entwicklung der Makroangiopathie - häufig Unterschenkeltyp - Mikroangiopathie fraglich
Typisch für diese Stoffwechselerkrankung ist die Polyneuropathie, die isoliert oder in Kombination mit einer Makroangiopathie auftritt (Prognose ungünstiger). Typisch für die Polyneuropathie sind:
- diabetische Polyneuropathie
schmerzlose Ulzera, Nekrosen und Gangrän an Zonen normaler und besonders pathologischer Belastung (Planta pedis, Zehenballen, Ferse, lateraler Fußrand u. a.), auch atypisch lokalisierte Druckschäden, z.B. durch zu enges Schuhwerk, tastbare Fußpulse und Minderung des Vibrationsempfindens reduzierte Schmerzempfindung (daher häufig erst sehr später Arztbesuch), trockene und warme Haut (spontane Sympathikusausschaltung).
Typische Veränderungen
DD: diabetischer Fuß: warm und trocken angiopathischer Fuß: kalt und feucht
Eine gute Diabeteseinstellung kann die Entwicklung der Polyneuropathie und Angiopathie verlangsamen. Die Amputationsinzidenz ist beim Diabetiker 35x höher als beim Nichtdiabetiker (wichtig: rechtzeitige Erfassung von diabetischen Fußschäden, Prophylaxe, Druckentlastung bedrohter Partien durch entlastende Sohleneinlage oder orthopädisches Schuhwerk).
Amputationsinzidenz beim Diabetiker 35x höher als beim Nicht-Diabetiker Fußprophylaxe beim Diabetiker
Knapp 10 % der AVK ist durch eine Entzündung verursacht: • Immunoangiopathien bei Panarteriitis nodosa (Extremitäten-, Viszeral- und Zerebralarterien), Riesenzellarteriitis (Horton) u.a. Gefäßläsionen sowie bei Kollagenose. • Thrombangiitis obliterans (M. Winiwarter-Buerger): segmentäre und multilokulare, thrombosierende, chronisch rezidivierende Entzündung der kleineren und mittelgroßen Beinarterien einschließlich der angrenzenden Venenabschnitte (typisch auch Thrombophlebitis saltans), besonders bei Männern asymptomatisch - 70-90%ige Stenose -> hämodynamische Auswirkungen - > 90%ige Stenose —> Ruhedurchbiutung i Organempfindlichkeit auf Sauerstoffentzug: • Gehirn 3-5 min • Niere 20-30 min • Extremitäten bis max. 6 h Diagnose und Differentialdiagnose 1. Klinisch-angiologische Untersuchung Inspektion - auf Seitenunterschiede achten Palpation der Arterienpulse (wichtigste klinische Untersuchung!) • untere Extremitäten: - A.tibialis anterior und posterior - A.fibularis • Auskultation der Stammarterien: - pulssynchrone Geräusche (ab 70% Stenosierung), je enger die Stenose desto hochfrequenter - bei arteriovenösen Fisteln: Maschinengeräusch, p. m. über der Fistel Blutdruckmessung an beiden Armen: - systolische Differenz von > 20 mm Hg ist pathologisch Rekapillarisierungszeit: - nach Druck auf Fingernagel/Zehenkuppe (Grenze 1 sec) Zeitdauer bis Nagelbett/Zehenkuppe wieder rosig Periphere Ischämiezeichen: - fehlende Venenfüllung, - kühle Hauttemperatur, Blässe - Nekrosen/Gangrän, evtl. aszendierende Weichteilinfektion • später: - blaue Ischämie, Muskelrigidität - Spannungsblasen - sensorische und motorische Störung Aneurysma: • pulssynchron pulsierender Tumor: - Abdomen, Leiste, distaler Oberschenkel medial - Kniekehle, Hals • Rob-Handgriff: - Aneurysma gegen Rippenbogen abgrenzbar = infrarenale Lokalisation
1.1.2 Symptome Die klinischen Erscheinungen hängen von der Lokalisation und vom Schweregrad ab: • Verschluß der Becken- und Beinarterien —> Claudicatio intermittens, Ruheschmerz und Nekrose/Gangrän • bei zerebraler Minderdurchblutung (Stenose/Vcrschluß A. carotis interna) —> passageres neurologisches Defizit/Schlaganfall bis zum klinischen Hirntod • Verschluß der A. mesenterica superior —> Angina abdominalis, Darmgangrän. Hämodynamische Auswirkungen zeigen sich bei einem Stenosegrad von 70-90 % unter Belastung. Ab 90 % ist die periphere Durchblutung auch in Ruhe vermindert, die Gefahr des thrombotischen Verschlusses des Restkanals ist hoch (= akute arterielle Thrombose s. S. 452). Dennoch besteht wegen der Kollateralen keine feste Korrelation zwischen Stenosierung und klinischer Symptomatik. Die Klinik ist neben der Kollateralisation von weiteren Faktoren abhängig: Empfindlichkeit des jeweiligen Organes auf Sauerstoffentzug (Gehirn 3-5 min, Nieren 20-30 min, untere Extremitäten bis max. 6 h), rheologische Fließeigenschaften des Blutes, Pumpleistung des Herzens, 0 2 -Sättigung des Blutes.
1.1.3 Diagnostik 1.1.3.1 Angiologische Basisuntersuchungen Inspektion. Zu achten ist auf Blässe der Haut (Fußsohle, Handfläche), Verfärbung der Akren und der Auflageflächen, akrale Nekrosen, beim Diabetiker besonders Inspektion der Planta pedis und der Interdigitalräume, Behaarung, fehlende Venenfüllung, Ödeme, lymphangitische Streifen, Seitenunterschiede (!). Die Palpation der Arterienpulse ist noch heute die wichtigste klinische Untersuchung (Abb. 34-1). Die A.fibularis wird häufig nicht erwähnt, fehlt in anatomischen Lehrbüchern, ist aber bei Verschluß der A. tibialis ant. Sive post. häufig adaptativ weitgestellt und für die krurale Gefäßchirurgie unverzichtbar. Auskultation der Stammarterien (s. Abb. 34-1): Stenosebedingte pulssynchrone Geräusche sind ab 70%iger Stenosierung hörbar: je höhergradiger die Stenose desto hochfrequenter (schärfer) das Gefäßgeräusch. Präokklusive Stenosen lassen jedoch häufig kein Geräusch mehr nachweisen. Geräusche an den supraaortalen Arterien sind abzugrenzen gegen fortgeleitete Herzgeräusche (letztere werden zum Herzen hin lauter). AV-Fisteln verursachen ein Maschinengeräusch mit Punctum maximum über dem Entstehungsort. Blutdruckmessung an beiden Armen: eine systolische Blutdruckdifferenz von > 20 m m H g ist pathologisch, jedoch sehr häufig klinisch asymptomatisch (Läsionen an den Aortenbogenabgängen, Schultergürtelsyndrom). Rekapillarisierungszeit: Nach Druck auf den Fingernagel oder auf die Finger-(Zehen-)kuppe (Seitenvergleich!) wird die Zeit gemessen, bis das nun weiße Nagelbett wieder rosig wird; eine Ischämiezeit > 1 Sekunde weist auf einen deutlich verminderten arteriellen Einstrom hin. Periphere Ischämiezeichen: kühle Hauttemperatur, Blässe, Nekrosen (trokkene Nekrose —> Mumifizierung, feuchte Gangrän —> aszendierende Infektion —> Sepsis). Bei fortgeschrittener Ischämie: Muskelrigidität, Spannungsblasen und „blaue Ischämie" (globale intravasale Gerinnung), hier ist eine Restitutio ad integrum nicht mehr zu erreichen. Aneurysma: pulssynchron pulsierende Tumoren (Abdomen, Leiste, distaler Oberschenkel innenseitig, Kniekehle, Hals). Abdominale Aortenaneurysmen sind meist links ausladend. Ist ihre Pulsation gegen den Rippenbogen und das Sternum abgrenzbar, weist dies auf eine infrarenale Lokalisation hin (Rob-Handgriff).
Arterien A. temporalis superfic. A. carotis comm.—
435 Karotis-Gabel -A. subclavia A. axillaris
brachialis cubitalis
-A. renalis ~Aorta abdominalis
A.radialis A. ulnarisA. fem. comm.
-A. iliaca externa "Femoralis-Gabei
A. popliteaPalpation
Auskultation
A. fibularis A. tib. post. A. dorsalis pedis -
Abb.34-1: Klinisch-angiologische Untersuchung des arteriellen Gefäßsystems: Palpation und Auskultation der Pulse
Auf-Abwärts-Bewegung im oberen Sprunggelenk, 2 Minuten lang: • Blässe des Fußes? • Wadenschmerzen?
Unterschenkel hängen lassen: • Venenfüllung im Bereich des Fußes? • reaktive Hyperämie?
Abb.34-2: Ratschow-Lagerungsprobe s.Text)
der Beine (Erklärung
1.1.3.2 Belastungs- und Provokationstests untere Extremitäten
2. Belastungs- und Provokationstests
• Ratschow-Lagerungsprobe (Abb. 34-2): Der liegende Patient hebt beide Beine und bewegt die Füße im oberen Sprunggelenk (Heben/Senken) bis zu 2 min, wobei die Kniekehlen unterstützt werden (häufig alte Menschen!). Die Zeit bis zur Abblassung der Fußsohle bzw. zum Schmerzeintritt, meist in der Wade, wird gemessen. Nach dem Aufsitzen füllen sich an den hängenden Beinen die Fußrückenvenen (max. 10-15 sec.), nach < 15 sec tritt eine reaktive Hyperämie auf. • Gehtest (standardisierte Gehstreckenbestimmung): Mit Hilfe eines Laufband-Ergometers (3 km/h, 5 % Steigung) ist eine exakte Bestimmung möglich, auch für Verlaufskontrollen. Einfacher, jedoch ungenauer, kann dies mittels Metronoms mit vorgegebener Schrittanzahl (120 min) vorgenommen werden. Dies scheitert jedoch nicht selten am eingeschränkten kardialen bzw. pulmonalen Leistungsvermögen. Bestimmt werden die schmerzfreie Gehstrecke bis zum Eintreten des ersten Schmerzes und die maximale Gehstrecke bis zur schmerzbedingten Unfähigkeit, weiter zu gehen.
a) Ratschow-Lagerungsprobe (Abb. 34-2)
Obere Extremitäten: • Faustschlußprobe: Der sitzende Patient hebt die Arme, öffnet und schließt die Hände kräftig und möglichst schnell zur Faust bis zu 2 min. Pathologischer Befund: Claudicatio der Armmuskulatur (Stenose der A. subclavia zentral oder distal des A. vertebralis-Abganges) oder vertebrobasiläre Insuffizienz (isoliert oder kombiniert mit Armclaudicatio) bei Stenose der A. subclavia proximal des Abganges der A. vertebralis (Subclavian-StealSyndrom, s. S.461). • AER-Test (abduction external rotation test): Beide Arme werden um 90° abduziert und außenrotiert. Der Patient wird aufgefordert, in dieser Position 3 min lang alle 2 sec einen kräftigen Faustschluß durchzuführen. Pathologischer Befund: < 3 min Ermüdung, Schmerzen in der Schulter, Schweregefühl, lang anhaltende schmerzhafte Abblassung der Finger mit Gefühlslosigkeit, Kribbelparästhesien, pralles Hervortreten der Hand- und Unterarmvenen mit Stauungs- und Schweregefühl im gesamten Arm (Venenbeteiligung). Sehr sicherer Test bei Thoracic-outlet-Syndrom (TOS).
b) Gehtest • Laufband-Ergometer - standardisierte Gehstreckenbestimmung - tägliches Training mitzunehmender Belastung • Metronom: -> schmerzfreie Gehstrecke -»maximale Gehstrecke Obere Extremität c) Faustschlußprobe
d) AER-Test: sehr zuverlässiger Test bei der TOS-Diagnostik
436 e) Adson-Test
f) Kältetest
34. Gefäßchirurgie • Adson-Test: Abduktion des Armes, Dorsalflexion und Drehen des Kopfes in aufrechter („militärischer") Haltung: bei TOS (s. S.463) Pulsabschwächung bzw. Auslöschung (A. radialis), aufgehobene Stenosegeräusche, Verstärkung der Symptomatik, Zunahme der Schmerzen, Zunahme der venösen Stauung (negativer Test spricht jedoch nicht gegen ein TOS, da zu unspezifisch). • Kältetest: Durch Kälteexposition der Hände - „Waschbewegungen" der Hände unter fließendem kaltem Wasser - kann ein Raynaud-Phänomen ausgelöst werden.
3. Klinische Zusatzuntersuchungen
1.1.3.3 Klinische Zusatzuntersuchungen, Differentialdiagnose
• Status praesens • neurologischer und orthopädischer Status
Aus Gründen der Differentialdiagnose sind folgende klinische Zusatzuntersuchungen wichtig: • allgemeine körperliche Untersuchung besonders von Herz und Lunge, • neurologische Untersuchung, z.B. bei zerebraler Durchblutungsstörung, TOS (DD.: zervikales Wurzelreizsyndrom, Karpaltunnelsyndrom, N.ulnaris-Syndrom) und bei unklaren Beinschmerzen, die nicht als Claudicatio oder Ruheschmerzen eingeordnet werden können (DD: Ischialgien, Spinalkanalenge), • orthopädische Untersuchung, insbesondere bei unklaren Beinschmerzen (DD: Arthrose, Senk- und Spreizfüße). Die Beschwerden gefäßkranker Menschen sind in 40 % durch orthopädische Symptome überlagert. • psychosomatische Untersuchung.
Die Beschwerden gefäßkranker Menschen sind in 40% durch orthopädische Symptome überlagert
4. Apparative Untersuchung ersetzt nicht die sorgfältige klinisch-angiologische Untersuchung
Nichtinvasive Untersuchungsmethoden a) Ultraschall-Doppler-Untersuchung (uni- und bidirektional): • Indikationen: - Früherkennung extrakranieller Gefäßläsionen - zur konservativen wie auch postoperativen Verlaufskontrolle • systolische postokklusive Blutdruckmessung an den Unterschenkelarterien
1.1.3.4 Apparative Untersuchungen Die klinisch-angiologische Untersuchung deckt an den Becken-, Beinund Armarterien bereits eine Ischämie auf und legt deren Lokalisation und Schweregrad fest. Weitere Aussagen liefern nichtinvasive Untersuchungsmethoden, die in der Priorität vor den invasiven Verfahren stehen. Nichtinvasive Untersuchungsmethoden: Ultraschall-Doppler-Untersuchung (uni- und bidirektional): Prinzip: gebündelte Ultraschallwellen werden an einem fließenden und korpuskuläre Bestandteile enthaltenden Medium nicht nur reflektiert sondern auch - proportional zur Strömungsgeschwindigkeit - in ihrer Frequenz verändert. Diese Frequenzdifferenz liegt im hörbaren Bereich.
-> Bein-Arm-Index - 1,0 und höher = Normalwert - 0,5 und darunter = kritische Ischämie
Die Methode dient zur Früherkennung und zum Screening extrakranieller Gefäßläsionen, zur konservativen wie auch postoperativen Verlaufskontrolle (Stenosen, Verschlüsse, Strömungsumkehr). Bei Extremitätenarterienverschlüssen wird der postokklusive Druck an den Fußarterien (A.tib. ant., A.tib. post., A.fibularis, A.poplitea) gemessen (analog auch an den Armarterien) (Abb. 34-3) und zum systolischen Systemdruck (A. brachialis) in Relation gesetzt, sog. Bein-Arm-Index: 1,0 und höher gilt als Normalwert, 0,5 und darunter als chronische kritische Ischämie. Hier besteht meist rascher Handlungsbedarf.
b) Gepulster Ultraschall: - Bestimmung der Strömungsgeschwindigkeit
Der gepulste Ultraschall ist durch Spezifizierung des Untersuchungsabschnittes ein weiterer Fortschritt. Die Strömungsgeschwindigkeit an einem genau festzulegenden Punkt wird bestimmt.
c) Bildgebende Ultraschallverfahren: - B-Bild, - Farbduplexsonographie -> Gefäßwandbeurteilung
Bildgebende Ultraschallverfahren: Hier kann die Gefäßwand beurteilt werden (B-Bild, Farbduplexsonographie): supraaortische Arterien, Beckenund Beinarterien), eignet sich daher gut als Screening-Verfahren.
d) Sonographie: - Frühdiagnostik und Verlaufskontrolle von Aortenaneurysmen - Nachweis von Poplitea- und Femoralarterienaneurysmen e) Venenverschlußplethysmographie:
Sonographie: als abdominale Sonographie unentbehrlich zur Frühdiagnostik und Verlaufskontrolle von Aortenaneurysmen (gerade auch bei abwartendem Verhalten bei kleinen Aneurysmen), auch bei Poplitea- und Femoralarterien-Aneurysmen.
Die Erfassung lumeneinengender Prozesse von > 50 % liegt beim erfahrenen Untersucher bei deutlich über 90 %.
Venenverschlußplethysmographie: Registrierung der Volumenzunahme des entsprechenden Extremitätenabschnittes nach Unterbrechung des venösen
Arterien
437
Abb. 34-3: Messung des Ultraschall-Doppler-Druckes an den Fußarterien. Eine Oberarm-Blutdruckmanschette wird knapp oberhalb des Knöchels angelegt: der systolische Druck in den 3 Unterschenkelarterien wird durch Ablassen des Manschettendruckes ermittelt
Abflusses als Maß des arteriellen Zuflusses. Quantitative Methode zur Durchblutungsmessung sowohl im arteriellen wie auch venösen System. Durch zunehmende apparative Vereinfachung und Standardisierung zum klinischen Einsatz heute eine geeignete Methode.
Quantitative Durchblutungsmessung im arteriellen und venösen System - im klinischen Einsatz heute geeignet
CT: zur Diagnostik und Verlaufskontrolle von Aortenaneurysmen und -dissektionen. Zeigt im Gegensatz zur Angiographie die „wahre" Aneurysmagröße mit Kontrastmittel (KM)-Bolus durchgeführt zur Differenzierung des KM-durchflossenen Restkanals vom intravasalen Thrombus (Abb. 344)MRT: gegenüber CT zusätzlich longitudinale Schnitte möglich, im Thorax der CT überlegen.
f) CT: Diagnostik und Verlaufskontrolle von - Aortenaneurysmen, Aortendissektion zeigt im Gegensatz zur Angiographie die „wahre" Aneurysmagröße g) MRT: gegenüber CTauch longitudinale Schnitte, im Thorax der CT überlegen • MR-Angiographie: an den supraaortalen Arterien qualitätsmäßig der i.a. D S A gleichwertig • Angiographie: Darstellung des Gefäßsystems durch Kontrastmittel - digitale Subtraktionsangiographie = DSA • Indikationen zur Angiographie
Erste Untersuchungen mit der MR-Angiographie zeigten an spezifischen Lokalisationen Gefäßdarstellungen, die der i.a. DSA gleichwertig sind (z.B. in der Diagnostik supraaortaler Arterienläsionen).
Angiographie. Invasive Untersuchung: Darstellung des durch Kontrastmittel und Serienaufnahmen. Indikationen:
Gefäßsystems
• die nichtinvasive Diagnostik ergibt kein Ergebnis; Therapieversager • präoperative Therapiefestlegung und -planung: Ausdehnung der Verschlüsse, Ausbildung des Kollateralkreislaufes sowie - ganz wesentlich - Ein- und Ausstrombahn.
Abb.34-4: a. CT bei infrarenalem Aortenaneurysma (hell: KM-durchströmter Restkanal, dunkel intravasaler Thrombus), b. Schnittebene im Endabschnitt der Aorta
Abb.34-5: Hochgradige Sfenoseder A. carotis interna (DSA)
438
34. Gefäßchirurgie
• Techniken: - indirekte Katheterangiographie n. Seldinger als DSA: intraarterielle Kontrastmittelinjektion - computertechnische Digitalisierung der Röntgenbilder, störende Strukturen (Knochen, Weichteile) werden subtrahiert. -> Übersichtsbild, selektive Angiographie -» superselektive Angiographie - Feinnadel-DSA (A.femoralis, A. brachialis) mit KM-Direkt-Injektion sehr gute Darstellung bis in die Peripherie (Fuß- und Handbereich)
• Indirekte Katheterangiographie n. Seidinger (Lokalanästhesie) als i.a. DSA: i.a. Kontrastmittelinjektion und computertechnische Digitalisierung der Röntgenbilder mit Hilfe eines Rechnersystems. Störende Strukturen (Knochen, Weichteile) werden subtrahiert, wodurch sich eine wesentlich verbesserte Darstellung des Gefäßbildes ergibt (Abb. 34-5) bei geringem Kontrastmittelverbrauch und damit niedriger Komplikationsrate. Punktion der A.femoralis (A.axillaris), Vorschieben eines flexiblen Katheters, über den das KM in den gewünschten Gefäßabschnitt injiziert wird (Übersichtsbild, selektive bzw. superselektive Angiographie). • Feinnadel-DSA (A. femoralis, A. brachialis) gestattet aufgrund des hohen Auflösungsvermögens eine sehr gute Abbildung bis in die Peripherie (Fuß- und Handbereich), außerordentlich niedriger KM-Verbrauch.
Therapieverfahren
1.1.4 Therapie
• konservativ-angiologische Th. • interventionell-endoluminale Th. • chirurgische Gefäßrekonstruktion Erkennung und Ausschaltung der Risikofaktoren: - Nikotinabusus - HPL, Diabetes, Hyperurikämie, Hypertonie behandeln Stadium ist entscheidend: a) Stadium II primär konservativ bei konservativer Behandlung präformierter Kollateralkreislauf entscheidende Voraussetzung: z. 6. über A.profunda femoris
Konservative, endoluminale (= endochirurgische) Behandlung und chirurgische Gefäßrekonstruktion stehen zur Verfügung. Behandlungsvoraussetzung ist die Ausschaltung der Risikofaktoren, die die Progression der AVK verhindert (Langzeitprognose!): Einstellung des Nikotinabusus, fettarme Diät evtl. zusätzliche medikamentöse Behandlung der Hyperlipoproteinämie, exakte Diabetes -Einstellung, Normalisierung einer Hypertonie und Hyperurikämie.
b) Stadium III und IV primär lumeneröffnende Verfahren - Angioplastie - gefäßchirurgische Rekonstruktion
Konservative Therapie Basistherapie: 1. kardiopulmonale Behandlung
Stadiumabhängigkeit. Für die untere Extremität ist das Stadium entscheidend: • Der Oberschenkelarterienverschluß wird im Stadium II bei offener tiefer Oberschenkelarterie (= Kollateralgefäß zur A.poplitea) primär konservativ behandelt. • Dies trifft auch auf die Becken- und Unterschenkeletage zu. Hier wird allerdings ein alleiniges Gehtraining meist nicht ausreichend sein (präformierter Kollateralkreislauf ungünstiger). • Im Stadium III und TV hingegen, wo es sich um eine amputationsbedrohte Extremität handelt, ist die mehrwöchige Zeitdauer, die eine konservative Behandlung erfordert, kontraindiziert. Rasche Verbesserung der Durchblutung ist notwendig. Methoden der Wahl sind daher lumeneröffnende Verfahren (Angioplastie, operative Rekonstruktion). Lumeneröffnung hat vor jeder Amputation ihre Berechtigung.
1.1.4.1 Konservative Therapie Basistherapie ist die kardiopulmonale Behandlung (KHK 50% im Stadium II, 90 % im Stadium III) und vor allem das Gehtraining.
In manchen Fällen zur Behandlung der AVK ausreichend
Die kardiopulmonale Therapie führt durch Verbesserung des HMV zur Erhöhung der postokklusiven Perfusion. Verbesserung des arteriellen P 0 2 erhöht das postokklusive Sauerstoffangebot. Kann in manchen Fällen zur Behandlung einer AVK schon völlig ausreichend sein, ist auch Voraussetzung für ein effektives Gehtraining.
2. Gehtraining
Gehtraining. Bei ausreichender kardiopulmonaler Leistung kann allein das Gehtraining einen chronischen Oberschenkelarterienverschluß kompensieren, z. B. ausreichende Kollateralisierung über die A. femoralis profunda.
- Laufbandtraining (standardisiert, unter steigender Belastung), Metronom - Gruppen-Gehtraining unter Anleitung
Laufbandtraining (standardisiert, unter steigender Belastung, exakte Dokumentation der Gehleistung und des Zugewinnes), Metronom, Gruppen-Gehtraining unter Anleitung. Sehr effektiv! Therapeutische Grundlage ist die unter Belastung zunehmende Blutdruckdifferenz (prä- und postokklusiv) mit dann verbesserten Fließeigenschaften und konsekutiver Weitstellung der peripheren arteriellen Strombahn, d. h. reduziertem peripherem Widerstand. Becken- und Unterschenkelarterienprozesse sind dafür nur unzureichend geeignet.
439
Arterien
Das Medikament (Streptase, Urokinase, rtPA = recombinant tissue plasminoge activator) wird lokal über einen arteriellen Katheter (transfemoral) appliziert. Letalität < 1 %. Die systemische Lyse ist bei arteriellen Prozessen heute verlassen. Die Behandlung wird als Infusionslyse (höhere Dosierung, Dauer 1 - 4 Tage) oder als Infiltrationslyse (direkt in den Thrombus, niedrigere Dosis, Dauer 1-4 Stunden) durchgeführt. Zusätzliche Antikoagulation ist notwendig (i. v. Heparin), muß durch laufende Kontrolle der Gerinnungsparameter überwacht werden (Intensivstation!) -» PTT auf den doppelten Normalwert anheben.
3. Vasoaktive Medikamente: zusätzlich zum Gehtraining! - Verbesserung der intrazellulären 0 2 Utilisation (Stoffwechsel) - Verbesserung der Mikrozirkulation (Hämodynamik) Im Stadium II wirksam (insbesondere nach parenteraler Gabe): - Naftidrofuryl, Pentoxifyllin - Buflomedin, Gingko biloba Extrakt - Prostaglandin E, • Wirkungsweise der Prostaglandine: - Hemmung der Thrombozytenfunktion - Steigerung der Glukoseutilisation - Vasodilatation, Fibrinolyse - Reduzierung der Proliferation von Gefäßwand-Muskelzellen u.a. Im Stadium ill/IV wirksam: - Prostaglandin E-, und l2 4. Rheologische Maßnahmen -> Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes (besonders bei Polyglobulie) 5. Passagere medikamentöse Sympathikusblockade (PDA-Katheter) bei schweren Schmerzzuständen 6. Fibrinolyse: - akute bis subakute arterielle Thrombosen, periphere arterielle Embolien - bei chronischer AVK des Diabetikers als ultima ratio - am Arm weniger geeignet! • Fibrinolytika: - Streptase, Urokinase, rtPA • lokale i. a. Katheterlyse - Infusionslyse (höhere Dosierung, Dauer 1-4 Tage) - Infiltrationslyse (direkt in den Thrombus, niedrigere Dosis, Dauer 1-4 Stunden)
1.1.4.2 Interventionelle endoluminale Therapie
Interventionelle endoluminale Therapie
Mit der perkutanen transluminalen Angioplastie (PTA) können kurzstrekkige Stenosen und Verschlüsse mit Ballonkathetern unter hohem Druck aufgedehnt werden: Nieren-, Koronar-, Becken- und Oberschenkel-, seltener auch Unterschenkelarterien (Abb. 34-6), nicht jedoch an der A. carotis interna und am Vertebralisabgang. Für die Angioplastie gelten die gleichen Indikationen wie zur Gefäßrekonstruktion.
Kurzstreckige Stenosen und Verschlüsse werden mit Ballonkathetern unter hohen Drucken aufgedehnt: - Nierenarterien, Koronararterien - Becken- und Oberschenkelarterien - selten auch Unterschenkelarterien • Obsolet: - A. carotis interna - Vertebralisabgang
Vasoaktive Substanzen: Ihre Wirkung beruht auf einer Verbesserung der intrazellulären 0 2 -UtiIisation (Stoffwechsel) und der Mikrozirkulation (Hämodynamik). Wirksam sind: • im Stadium II Naftidrofuryl, Pentoxifyllin, Buflomedin und Gingko biloba Extrakt (insbesondere nach parenteraler Gabe). Den Prostaglandinen wird eine Reihe von positiven Wirkungsmechanismen zugeschrieben: Hemmung der Thrombozytenfunktion, Steigerung der Glukoseutilisation, Vasodilatation, Steigerung der Fibrinolyse, Reduzierung der Proliferation von Gefäßwandmuskelzellen u. a. • PGE] ist ebenfalls im Stadium IIb wirksam. Im Stadium III und IV zeigten Prostaglandin E, und I2 in kontrollierten Studien den Beweis ihrer Wirksamkeit. Im allgemeinen stellen diese Pharmaka eine Zusatztherapie zum Gehtraining dar, in seltenen Fällen (Gehtraining nicht möglich u. a.) auch eine alleinige Therapie. Andere häufig als „Gefäßmedikamente" bezeichnete Substanzen haben keine Berechtigung. Rheologische Maßnahmen: Ziel ist eine Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes (besonders bei Polyglobulie), Hämodilution: Aderlaß und Ersatz des Volumens durch Hydroxyäthylstärke (HÄS), dabei H b von 11-12 g% und HK von 30% nicht unterschreiten (Vorsicht bei kardialer Erkrankung!). Der Wert dieser Behandlung wird heute kritisch betrachtet. Auch eine passagere medikamentöse Sympathikusblockade (PDA-Katheter) ist bei schweren Schmerzzuständen angezeigt.
Fibrinolyse: möglich bei akuten bis subakuten arteriellen Thrombosen, bei peripheren arteriellen Embolien (Unterschenkel), bei chronischer AVK des Diabetikers als ultima ratio. Weniger geeignet am Arm!
Jedoch erscheint es an den Becken- und Oberschenkelarterien sinnvoll, eine kurzstreckige hochgradige Stenose bereits im Stadium II a/b zu dilatieren, um einen langstreckigen Verschluß zu verhindern.
Die Angioplastie ist:
Angioplastie
• alleiniges Therapieverfahren bei Nieren-, Becken- und Oberschenkelarterien • ergänzendes Verfahren: Beseitigung einer Stenose nach erfolgreicher lokaler Fibrinolyse bei arterieller Thrombose, PTA des arteriellen Einstromgebietes zur Erleichterung einer Gefäßrekonstruktion, Verbesserung des Ein- bzw. Ausstromes nach Gefäßrekonstruktion, auch im Langzeitverlauf • kombiniertes Verfahren: PTA und Gefäßoperation in einer Sitzung/ Zweietagenprozesse. Weitere Verfahren sind die Rotationsangioplastie (maschinell betriebene Katheterwelle ersetzt den Führungsdraht, sucht sich den Weg des geringsten Widerstandes durch das weichere intraluminale Verschlußmaterial), perkutane transluminale Katheterembolektomie mit Gerinnselaspiration, Katheteratherektomie (Abtragung
Rotationsangioplastie Katheterembolektomie mit Gerinnselaspiration Katheteratherektomie
440
34. Gefäßchirurgie < Abb. 34-6: a. Verschluß der A.poplitea links im Stadium IV, b. Erfolgreich behandelt durch Angioplastie
Abb.34-7: Ballonkatheter nach Fogarty, Dissektorspatel, Ringstripper • perkutane Einlage von selbstexpandierenden Stents/Endoprothesen • Laserangioplastie - seltene Indikation - meist nur als laserunterstützte Angioplastie • transkutane Katheterembolisierung Komplikationen (1 %): - Nachblutungen, Rezidivthrombose - Embolisation von abgelöstem Material (Plaque, Gerinnsel, Cholesterinkristalle) - Perforation - falsches Aneurysma - arteriovenöse Fistel Operative Indikationsstellung
von Plaquematerial mit rotierendem Messer) und auch die perkutane Einlage von selbstexpandierenden Stents/Endoprothesen bei zwar diktierten aber instabilen Stenosen. Letztere Methode kann auch in ausgewählten Fällen bei peripheren Aneurysmen zur Anwendung kommen (beim infrarenalen Aortenaneurysma erste klinische Erfahrungen noch nicht abgeschlossen). Die Laserangioplastie läßt bei kritischer Einschätzung gegenwärtig noch keine wesentlichen Vorteile gegenüber den konventionellen Katheterverfahren erkennen. Eine Indikation ist nur selten gegeben, dann als laserunterstützte Angioplastie (d.h. Lumeneröffnung durch Laser gefolgt von konventioneller Katheterangioplastie, s.a. S.211). Eine Embolisierung von Gefäßen (Kunststoffkügelchen, Spiralen u.a.) kann bei Gefäßtumoren in Frage kommen (alleinige Therapie oder zur Operationsvorbereitung).
Komplikationen (1 %): Nachblutungen, Rezidivthrombose, Embolisation von abgelöstem Material (Plaque, Gerinnsel, Cholesterinkristalle) in die Peripherie, Perforation, falsches Aneurysma, arteriovenöse Fistel.
1.1.4.3 Operative Indikation, chirurgische Methoden, Gefäßersatz Indikation. Grundsätzlich gilt für jede gefäßchirurgische Indikation:
0
Regionalanästhesie (Plexus-/Spinal-/Peridural-A.) bei Eingriffen - am Arm - an den Beckenarterien mit retroperitonealem Zugang - an den infrainguinalen Arterien Gefäßchirurgische Methoden 1. Embolektomie:
(1) Darf operiert werden? = allgemeine Indikation = Operationsrisiko: pulmonale, kardiale, renale und zerebrale Faktoren, Adipositas, Hypertonie, Lebensalter. (2) Soll operiert werden? = klinische Indikation. Entscheidend sind die Beschwerden, nicht der angiographische Befund. (3) Kann operiert werden? = lokale Indikation (Ein- und Ausflußbahn geeignet?). Eingriffe am Arm, an den Beckenarterien (mit retroperitonealem Zugang) und an den infrainguinalen Arterien sind in aller Regel in risikoärmerer Regionalanästhesie und zeitlich unlimitiert (Periduralkatheter) durchführbar. Gefäßchirurgische Methoden sind: • Embolektomie: operative Entfernung eines Embolus, als Katheterfernembolektomie (von A. femoralis bzw. A. brachialis in der Ellenbeuge (= A. cubitalis) aus.
Arterien
441
Der mit 0,9 %iger Kochsalzlösung zu füllende Ballonkatheter (Abb. 34-7) wird nach proximal oder distal vorgeschoben und entfernt beim Zurückzug nach Füllung des Ballons den Embolus mit appositionellem Thrombus (Abb. 34-8). Intraoperative Lumenkontrolle ist erforderlich, um verbliebene Embolusteile aufzudecken (DSA, Angioskopie). Eine quere Gefäßeröffnung (gesunde Arterie) ermöglicht einen Direktverschluß. Narkose: am Arm in Lokalanästhesie oder axillärer Plexusanästhesie, am Bein Lokalanästhesie möglich (aber häufig unübersichtlich), Regionalanästhesie, seltener Allgemeinnarkose.
a) Katheterfernembolektomie Von der Peripherie aus können zentrale und periphere Thrombembolie entfernt werden
• Thrombendarteriektomie (TEA = Ausschälplastik = Desobliteration): Längseröffnung der Arterie (erkrankte Arterie, bessere Übersicht) und intramurale Ausschälung des arteriosklerotischen Materials (oft als langstrekkiger Zylinder) in bestimmten Wandschichten (Lamina elastica externa oder interna).
b) Thrombendarteriektomie - ¡ntramurale Ausschälung des arteriosklerotischen Zylinders
Eine distale Intimastufe (sollte sie wirklich nicht verhindert werden können) muß zur Dissektionsvermeidung durch Naht fixiert werden. Verschluß der Arteriotomie direkt (großlumige Arterien: Aorta, A. iliaca communis) oder durch Patch zur Vermeidung einer Nahtstenose (ist kein Erweiterungspatch!!) mit Vene oder Kunststoffmaterial.
- distale Intimastufe zur Dissektionsvermeidung durch Naht fixieren
D e r Eingriff kann als „offene" T E A nur im eröffneten Gefäßabschnitt (typisch für Karotisgabel, Profundaabgang, Nierenarterien) oder bei längerstreckigen Läsionen als „halbgeschlossene" T E A ausgeführt werden (Abb. 34-9) Die Ergebnisse sind in der Hand des G e ü b t e n gleichwertig mit denen des Bypass.
„offene" T E A (kurzstreckige Lasionen) „halbgeschlossene" T E A (langerstrekkige Lasionen) intraoperative Kontrolle durch Angioskopie oder D S A
• Interpositionsverfahren. Bei Aneurysmen wird der betroffene Abschnitt ausgeschaltet und Kunststoff (zentral) oder Vene (peripher) in das alte Lu-
Abb.34-8: Indirekte transfemorale Fernembolektomie mit dem Ballonkatheter, a. Nach querer Arteriotomie wird der nicht gefüllte Ballonkatheter in die Peripherie vorgeschoben, b. Beim Zurückziehen des nun gefüllten Ballons wird der Embolus entfernt
Abb.34-9: Halbgeschlossene Ausschälplastik mit Ringstripper: Lokale Isolierung des Verschlußzylinders, Auffädelung durch den Ringstripper und intramurales spiralartiges retrogrades Vorschieben zur Ablösung und Entfernung des arteriosklerotischen Zylinders, kann auch in geeigneten Fällen (A. iliaca externa) retrograd ohne Gegeninzision durchgeführt werden
2. Interpositionsverfahren - bei Aneurysmen
442
34. Gefäßchirurgie
Abb.34-10: Operationstechnik des infrarenalen Aortenaneurysmas (Kunststoffprothese): a. Inzision, b. Aorto-aortale Protheseninterposition (bevorzugtes Verfahren bei Ruptur und im höheren Lebensalter), c. Aorto-biiliakale Interposition. Dies kann aber auch bifemoral oder nur einseitig femoral erfolgen in Abhängigkeit von der Aneurysmaausdehnung oder einer begleitenden AVK, d. Die A. mesenterica inferior wird bei Offenheit mit einem Aortenwandpatch in die Prothese reinseriert (mesenterialer Kreislauf und Kreislauf zu den Organen des kleinen Beckens!). Auch auf einen möglichen Erhalt zumindest einer A. iliaca interna sollte geachtet werden. Der Aneurysmasack wird nach Dissektion der erkrankten Innenwand vor der Prothese wieder vereinigt (= partielle Aneurysmaresektion, = Inlay-Technik, = Dissektionsmethode)
men bzw. bei peripherer Aneurysmaexstirpation in die alte Position interponiert (Abb. 34-10). 3. Bypass-Op. = Umgehung eines Gefäßverschlusses - bei langstreckigen Verschlüssen - anatomischer Gefäßverlauf (z. B. aortofemoraler Bifurkationsbypass) - extraanatomischer Transplantatverlauf z.B. quererfemorofemoraler Bypass
• Bypass-Verfahren (= Umgehung eines Gefäßverschlusses) sind vor allem bei langstreckigen Verschlüssen angezeigt, die alte Arterie bleibt in situ.
4. Sympathektomie = Grenzstrangresektion • lumbale Sympathektomie (L II—V) ->Weitstellung der kleinsten Arterien —> gleichzeitig Verminderung der Schweißdrüsensekretion - positiver Sympathektomieeffekt: warme(r) und trockene(r) Fuß/Hand
• Sympathektomie (= Grenzstrangresektion). Bei Erkrankung peripherer nicht mehr rekonstruierbarer Gefäße kann der lumbale Grenzstrang (L IIV) reseziert werden. Damit wird eine Weitstellung der kleinsten Arterien erreicht, der periphere Widerstand gesenkt, der Fluß erhöht und die Durchblutung, überwiegend der Haut, verbessert. Gleichzeitig tritt eine Verminderung der Schweißdrüsensekretion ein —> positiver Sympathektomieeffekt: warme(r) und trockene(r) Fuß/Hand.
Bei Diabetes mellitus nur selten eine Sympathektomie indiziert = spontane Sympathikusausschaltung • Triaden-Operation - aortofemoraler Bypass + - Profundaplastik + - lumbale Sympathektomie Fluß in der A. profunda femoris nimmt deutlich zu (+60%)
Bei Diabetes mellitus besteht nur selten eine Indikation zur Sympathektomie, da bei diabetischer Polyneuropathie auch das autonome Nervensystem (= spontane Sympathikusausschaltung) beteiligt ist. Daher ist der neuropathische diabetische Fuß warm und trocken. Eine beidseitige Grenzstrangresektion soll in seltenen Fällen Ejakulationsstörungen auslösen, bei strenger Limitierung auf LII-V, ist dies zu vermeiden. Die lumbale Sympathektomie ist Bestandteil der sog. Triaden-Operation (Vollmar) beim Zweietagenverschluß der Becken- und Oberschenkeletage: Aortofemoraler Bypass + Profundaplastik + lumbale Sympathektomie. Dadurch wird der Fluß in der A. profunda femoris (Kollateralenfunktion) deutlich erhöht (+60%); auf eine zusätzliche Rekonstruktion der Oberschenkeletage kann meistens verzichtet werden.
Die Anschlüsse des Transplantates erfolgen proximal und distal des Gefäßverschlusses (Abb. 34-11 u. -12). Dabei kann ein anatomischer (entsprechend dem normalen Gefäßverlauf (z.B. aortofemoraler Bifurkationsbypass) oder ein extraanatomischer Transplantatverlauf, (z.B. querer femorofemoraler Bypass, lateraler Tibialis-anterior-Bypass) gewählt werden (Abb. 34-13). Hämodynamisch günstiger ist meist der anatomische oder orthotope) Verlauf (Ausnahme: querer femorofemoraler Bypass, lateraler Tibialis-anterior-Bypass).
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Arterien
Abb.34-11: Kniegelenküberschreitender Zweisprung-Bypass (a), kniegelenküberschreitender Sequential-Bypass mit distaler Anastomose auf zwei Unterschenkelarterien
Abb.34-12: Femoropoplitealer Bypass zur Umgehung eines langstreckigen Verschlusses der A.femoralis superficialis
Die isolierte Ausschaltung des lumbalen Sympathikus wird heute CT-gesteuert perkutan in Lokalanästhesie durch Injektion von hochdosiertem Äthanol in die Nervenumgebung durchgeführt.
- CT-gesteuerte perkutane isolierte Ausschaltung des lumbalen Sympathikus in Lokalanästhesie mit Äthanol
Nachteil: 1 - 3 Sitzungen zur Ausschaltung von L II-Verforderlich. In seltenen Fällen wird daher auch heute noch auf die chirurgische lumbale Sympathektomie zurückgegriffen, da hier in einer Sitzung die gewünschte Ausschaltung sofort vorgenommen wird (Zeitfaktor!).
Die thorakale Sympathektomie (Th II-III) hat ihre Indikation bei therapieresistentem M.Raynaud, akralen Gefäßverschlüssen; kann heute auch endoskopisch vorgenommen werden (chirurgischer Zugang: transaxillär thorakal). Gefäßersatz ist autologes und alloplastisches (= Kunststoff) Material: • Der Ersatz großkalibriger Arterien (thorakale Aorta, aortofemoraler Abschnitt) erfolgt mit Kunststoffprothesen (überwiegend Dacron). • Bei den kleinerkalibrigen Arterien im kniegelenküberschreitenden Bereich sowie bei den kurzen infragenualen Transplantaten in orthotoper Position ist die autologe Vene Transplantat der Wahl. Autolog (= autogen): V. saphena magna (am besten geeignet), V. saphena parva, Armvenen. In unterschiedlicher Vorbereitung kommen sie zur Anwendung: • freies und umgedrehtes (= reversed) Transplantat (venenklappenwärts gerichteter Blutstrom), • in-situ-Vene (V. saphena magna) nach vorheriger atraumatischer Diszission der Venenklappen mit intraoperativer Lumenkontrolle. Hierbei verbleibt die Vene in ihrem „Bett" (wird nicht devaskularisiert), sie wird nur proximal und distal so weit freipräpariert, daß sie zur Arterie verlagert werden kann (z.B. femoro-kururaler Bypass). Die Seitenäste werden intra operationem identifiziert (Angioskopie, DSA, Doppler) und gezielt ligiert. • orthograder Venenbypass: hierbei wird ein Venensegment nach Klappendiszission entnommen und in orthograder Richtung als freies Transplantat
• -
thorakale Sympathektomie (Th II-III) bei therapieresistentem M. Raynaud akralen Gefäßverschlüssen auch endoskopisch durchführbar chirurgischer Zugang: transaxillär transthorakal Gefäßtransplantate
1. autolog (= autogen): • V. saphena magna • V. saphena parva • Armvene • autologer Venenersatz: - freies reversed Transplantat -» Umkehrbypass - In-situ-Bypass (V. saphena magna). Vorher Diszission der Venenklappen - orthograder Venenbypass —> Venensegment wird nach vorheriger Klappendiszission orthograd eingesetzt
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34. Gefäßchirurgie eingesetzt, eignet sich besonders für kurzstreckige Venenbypässe (popliteotibialer Bypass, tibio-pedaler Bypass). Vorteil des in-situ- und auch des orthograden Venenbypass ist die kaliberadaptierte Anastomosierung (distales enges Venenkaliber zur kleinkalibrigen distalen Anschlußarterie und zentral umgekehrt). Venenpatcherweiterung an der proximalen Anastomose, die beim reversed-Graft häufig erforderlich ist, entfällt dadurch und der Fluß durch diese Grafts ist physiologischer.
2. alloplastisch: • Dacronprothesen - gestrickte primär undicht Einheilung - gewebte -» primär dicht Blutverluste
bessere
geringere
• Teflonprothesen (PTFE) - primär dicht, dünnwandig - ringverstärkte —> für gelenküberschreitenden Bypass
Alloplastisch: gestrickte (primär undicht) und gewebte (primär dicht) Dacron prothesen, heute mit Innen- und Außenvelour besetzt. Mittlerweile stehen auch imprägnierte gestrickte Dacron-Prothesen (Kollagen, Gelatine, Albumin), die primär dicht sind zur Verfügung. Letztere Substanzen werden innerhalb weniger Wochen abgebaut, so daß dann eine vollwertige und gut inkorporierbare gestrickte Dacronprothese vorliegt. Die gestrickte Prothese heilt besser ein, so daß heute bei Bedarf einer primär dichten Dacronprothese meistens einer imprägnierten gestrickten Prothese der Vorzug gegeben wird: Operationen mit zu erwartendem höheren Blutverlust, Aortenaneurysmen, bes. rupturierte A. u.a.). Die mikroporösen Teflon prothesen sind primär dicht. Sie sind äußerst dünnwandig (0,37 mm) und werden neben einer nicht verstärkten Ausführung auch als verstärkte Prothesen durch extern aufgebrachte Ringe oder Spirale angeboten (kniegelenküberschreitender Bypass, manchmal auch im extraanatomischen Verlauf sinnvoll, sowie in der Dialyseshuntchirurgie). Allogene und xenogene Implantate haben sich wegen hoher Komplikationsrate langfristig nicht bewährt.
1.1.4.4 Medikamentöse Nachsorge: Antibiotika, Antikoagulanzien Antibiotika-Prophylaxe
Antibiotika-Prophylaxe. Die Notwendigkeit wird sehr kontrovers diskutiert, obgleich einige Untersuchungen den Vorteil einer Prophylaxe zeigen konnten (besonders bei Kunststoff).
- Single-shot-Gabe bei Narkoseeinleitung - bei längerdauernden Eingriffen eine zweite Gabe nach 6 Stunden
Vorgehen- Single-shot-Gabe bei Narkoseeinleitung bei Eingriffen bis zu 2 Std. Dauer und bei längerdauernden Eingriffen eine zweite Gabe nach 6 Stunden. Verwendet werden vor allem Cephalosporine der zweiten Generation mit verlängerter Halbwertszeit.
Antikoagulanzien
Antikoagulanzien. Indikationen für eine Antikoagulation durch Cumarine bestehen bei:
• Cumarinpräparate
=Ì>
• Heparin
• dilatierender Arteriopathie mit (anzunehmenden) wandständigen Thromben • Embolien bei bekannter nicht zu eliminierender Emboliequelle, • fakultativ zur Reverschlußprophylaxe nach Lyse oder PTA, • Stenosierungen an strategisch wichtigen Stellen, • Bypass-Reverschlußprophylaxe im femorokruralen Abschnitt. Nach Rekonstruktionen im aortofemoralen Bereich unnötig (hoher Durchfluß bei großem Gefäßkaliber). • Venenthrombose (auch nach Thrombektomie oder Lyse) Antikoagulation mit Heparin (cave: heparininduzierte Thrombozytopenie): • lokal intra operationem bei gefäßchirurgischen Eingriffen, • i.v. während Einlage eines intraluminalen Shunts in der Karotischirurgie, • nach femorokruralen Bypass-Operationen (i.V.), ca. 7-14Tage —> überlappend Übergang auf Cumarine, • analog nach Embolektomie und bei Venenthrombose (auch nach Thrombektomie und Lyse).
Aggregationshemmer
Aggregationshemmer. Acetylsalicylsäure ist indiziert: • nach TEA im femoropoplitealen Abschnitt, • nach gefäßchirurgischen Eingriffen im aortofemoralen Abschnitt und an den supraaortalen Arterien,
Arterien
445
• nach Eingriffen an den Nierenarterien und Viszeralarterien, • nach PTA und fakultativ in der Dialyseshunt-Chirurgie, • als Progressionsprophylaxe der AVK. Über die Dosierung besteht keine Einigkeit. Meist werden 100 bzw. 200 mg Acetylsalicylsäure/die gegeben (bei der K H K in kontrollierten Studien als wirksam bewiesen). Bei der AVK sind als niedrigste Dosierung 375 mg/die gesichert. Häufig besteht eine Unverträglichkeit (bei 100 mg seltener) —> ausweichen auf Ticlopidin.
1.1.4.5 Postoperative Komplikationen, Nachsorge
Postoperative Komplikationen
Allgemeine Komplikationen sind vor allem durch das arteriosklerotische Grundleiden sowie das meist höhere Lebensalter bedingt: Herzinfarkt, -Insuffizienz, pulmonale Komplikationen, Niereninsuffizienz, zerebrale Störungen. Mit diesen Komplikationen ist am häufigsten bei thorakalen und abdominalen Gefäßeingriffen sowie beim akuten Arterienverschluß zu rechnen. Vaskuläre Komplikationen: Nachblutung und Sofort-Reverschluß (innerhalb der ersten 2 Tage).
• allgemeine Komplikationen - vor allem durch das arteriosklerotische Grundleiden sowie das meist höhere Lebensalter bedingt - Herzinfarkt, Herzinsuffizienz - pulmonale Komplikationen - Niereninsuffizienz - zerebrale Störungen • vaskuläre Komplikationen - Nachblutung (heute seltener) - Sofort-Reverschluß (innerhalb der ersten 2 Tage)
Letzterer ist meist Folge technischer Fehler (Nahtstenose, unzureichende Ausschälung, nicht bemerkte Dissektion, belassene distale Stufe nach T E A , hämodynamisch ungünstige Transplantatlage, belassener Thrombus u. a.). Sofortige operative Revision angezeigt.
Transplantatverschlüsse im Verlauf des ersten Jahres (Frühverschluß) und im Langzeitverlauf (Spätverschluß) sind beim Kunststoffbypass der zunehmenden Abflußverschlechterung (häufig) oder des Zuflusses (seltener) anzulasten.
- Früh- und Spätverschlüsse
Ursache ist die Progression der Arterioklerose (Spätverschlüsse) oder die sog. Intima-Myo-Hyperplasie. Sie entwickelt sich stenosierend an den Arterien im Anastomosenbereich und beim Venenpypass deutlich geringer ausgeprägt als beim Kunststoffbypass —»Frühverschlüsse.
Ursachen: - Progression der Arterioklerose (Spätverschlüsse) - Intima-Myo-Hyperplasie (Frühverschlüsse)
Im Verlauf einer transplantierten Vene sind nicht selten kurzstreckige bzw. auch langstreckige Stenosen festzustellen. Reeingriffe mit partiellem oder kompletten Bypassaustausch sind angezeigt. Tiefe Wundinfektion. Häufigkeit: 1 - 3 % . Bei freiliegendem Kunststoffbypass kann dies eine Katastrophe bedeuten. Sind die Anastomosen nicht be-
Abb.34-13: Extraanatomische Bypass-Varianten: a. Axillo-bifemoral, b. Quer femoro-/ilio-femoral (ilio-femoral hämodynamisch günstiger, erfordert retroperitonealen Zugang knapp oberhalb des Leistenbandes)
• tiefe Wundinfektion (d.h. Beteiligung der Gefäßstrecke) - gefährlichste Komplikation (1-3%)
446 Behandlung: - offene antiseptische Behandlung, meist Entfernung des infizierten Kunststoffmaterials und - extraanatomisches Bypaßverfahren - autogene Rekonstruktion im infizierten Gebiet - gestielte Omentum-Plastik Postoperative Nachsorge - Ausschaltung der Risikofaktoren (schlechte Compliance der Patienten) - lebenslange Nachsorge - Überprüfung der Durchblutung - Bypasskontrolle - Versorgung nicht abgeheilter Läsionen im Fußbereich
Angeborene Mißbildungen: Coarctatio aortae s. Kapitel 32, S.404
34. Gefäßchirurgie troffen, gelingt es manchmal, eine derartige Prothese unter offener antiseptischer Behandlung zu erhalten. Meist muß der Kunststoff entfernt werden. Die Durchblutung der Peripherie wird durch extraanatomische Bypass-Verfahren (Obturator-Bypass, axillofemoraler Bypass, querer femorofemoraler Bypass, lateraler Tibialis-anterior-Bypass) gesichert (Abb. 34-13). Postoperative Nachsorge. Gefäßoperationen haben nur palliativen Charakter. Das Grundleiden der AVK wird dadurch allein nicht beeinflußt, zwingend ist daher die Ausschaltung der Risikofaktoren. Daher bedürfen Patienten nach Gefäßoperationen einer umfassenden und lebenslangen Nachsorge. Dies beinhaltet Behandlung der Risikofaktoren, Überprüfung der Durchblutung, klinische und Doppler-sonographisch/duplexsonographische Bypasskontrolle. Bei pathologischem Befund sowie bei Abschwächung oder Auslöschung eines zuvor nachgewiesenen arteriellen Pulses angiographische Überprüfung. Viele dieser vom Verschluß bedrohten Gefäßrekonstruktionen sind in diesem Stadium leichter zu therapieren (PTA, Erweiterungsplastik, partieller Bypassaustausch, Bypassverlängerung u. a.) als erst im Stadium des Verschlusses. Die Nachbehandlung schließt auch die Versorgung noch nicht abgeheilter Läsionen im Fußbereich ein. Meist handelt es sich hier um Patienten mit diabetischem Fuß. .2 A n g e b o r e n e F e h l b i l d u n g : C o a r c t a t i o aortae s.Kapitel 32, S.404
Arterielle Aneurysmen
1.3 A r t e r i e l l e A n e u r y s m e n
• Entwicklung in Längsrichtung Elongation • Entwicklung in querer Richtung -» Aneurysma
Die dilatierende Arteriopathie führt zur Elongation (Entwicklung in Längsrichtung, klinisch bedeutsam nur bei Abknickung) und zu lokalisierter oder langstreckiger aneurysmatischer Veränderung (in querer Richtung) mit ausgeprägter Wandverdünnung. Aneurysmen werden nach Ätiologie, Form und Lokalisation klassifiziert: Aneurysma verum (echtes Aneurysma): sack- oder spindelförmige Erweiterung der gesamten Arterienwand (Abb. 34-14). Dabei ist die Gefäßwandschädigung meist durch Arteriosklerose bedingt.
1. Aneurysma verum (echtes Aneurysma (Abb. 34-14) = Erweiterung der gesamten Arterienwand • Ursachen: - AVK, Arteriitis, Mediasklerose - Trauma - Infektion - zwiebelschalenartige Thrombenauskleidung im Aneurysma Embolisierungsgefahr! 2. Aneurysma falsum (falsches Aneurysma) „Leck" in der Arterienwand -> extravasale Blutung -» bindegewebige Kapsel • Ursache - traumatisch, iatrogen - nach Gefäßoperation - bei Infektion einer Gefäßanastomose - Nahtaneurysmen sind meist Spätkomplikationen (Jahre!!), I n z i d e n z ~ 1 0 %
3. Aneurysma dissecans = Intimaeinriß -» Zweitkanal (95 %) • Ursache - Medianekrose, Marfan-Syndrom - Entzündungen - AVK - Coarctatio aortae
Seltene Ursachen: unspezifische Arteriitiden, Mediasklerose (thorakale Aorta!). Trauma und Infektion (= mykotisches A., selten luetisches A.) sind noch seltener.
Pathogenese: An der Innenwand des Aneurysmas lagern sich zwiebelschalenförmig Thromben an. Vom Lumen verbleibt oft nur ein zentraler oder exzentrischer „Rest-Kanal". Auch ein thrombotischer Aneurysmaverschluß wird beobachtet (z. B. thrombosiertes Popliteaaneurysma, meist akute Bedrohung der Extremität).
Aneurysma falsum (= A. spurium, = falsches Aneurysma): durch ein „Leck" in der Arterienwand blutet es nach extravasal. Dieser Bezirk wird bei entsprechendem Gegendruck von einer bindegewebigen Kapsel begrenzt (s. Abb. 34-14). Diese Lecks entstehen entweder traumatisch nach perforierender Verletzung oder indirektem Trauma, nach Punktion einer Arterie (Herzkatheter, Angiographie: iatrogene Aneurysmen) oder nach Gefäßoperationen: Nahtausriß aus der Arterienwand (steriles falsches A.), bei Infektion einer Gefäßanastomose (= infiziertes falsches Aneurysma), bzw. Erweiterung der Arterienwand nach zusätzlicher Ausschälung der Arterie im Anastomosenbereich („echtes Nahtaneurysma", meist Spätkomplikationen (Jahre!!), Inzidenz bis zu 10 %). Aneurysma dissecans (Sonderform der Aneurysmen): Initial ist die Media (Medianecrosis Erdheim-Gsell, Marfan-Syndrom, Entzündungen, AVK, Coarctatio aortae) geschädigt. Überwiegend ist die Aorta betroffen. Primär kommt es zu einem intramuralen Hämatom (Blutung aus eingerissenen Vasa vasorum). Durch einen sekundären Intimaeinriß („entry", 95 %) fließt das Blut unter die Intima und spaltet die Wandschichten in orthograder
Arterien
447 falsches Lumen ( " Dissektionslumen)
bindegewebige Kapsel (reaktiv) j Aneurysma dissecans
Aneurysma falsum
Abb.34-14: Aneurysmamorphologie: Aneurysma verum, dissecans, falsum
Richtung (selten auch retrograd) auf (= Dissektion, s. Abb. 34-14). Auf diese Weise entsteht ein Doppellumen, wovon das falsche Lumen fast immer kaliberkräftiger ist mit Uberdehnung der äußeren Wand und Rupturgefahr (Übergang der Dissektion in dissezierendes Aneurysma) und Verschluß abgehender Seitenäste (absteigendes, häufig in der Intensität auch wechselndes Ischämiesyndrom ). Auch ein Wiedereintritt des Blutstroms in das normale Lumen ist durch einen zweiten distalen Einriß mit Ausbildung eines Intimafensters möglich (sog. „reentry" = Spontanheilung). Leitsymptome sind: Ruptur, periphere Ischämie, mechanische Verdrängungs- bzw. Kompressionssyndrome. • Zentrale A. verursachen häufiger eine Ruptur, periphere eine Ischämie.
• Doppellumen: —> „entry" - falsches Lumen meist kaliberkräftiger - „reentry" -> 2. distaler Intimaeinriß = Spontanheilung
Klinische Leitsymptome
1.3.1 A n e u r y s m a verum
Aneurysma verum
Wir unterscheiden Aorten- (= zentrale A.) und periphere Aneurysmen. In der Aorta liegt das Aneurysma zu 85 % abdominal (hiervon in > 95 % infrarenal), zu 15 % thorakal und äußerst selten thorakoabdominal. Ätiologie: AVK (96 %), Lues (meist thorakal 1-3 %), mykotisch d. h. durch Infektion 1-2 %.
Aortenaneurysma (= zentrales A.) - 85% abdominal > 95% infrarenal - 15% thorakal • Ätiologie - AVK (96%) - Lues (meist thorakal, 1-3%) - mykotisch 1-2% Abdominales Aortenaneurysma
1.3.1.1 A b d o m i n a l e s Aortenaneurysma Inzidenz. Nach Sektionsstatistiken beträgt die Inzidenz 2%, Altersgipfel zwischen 60 und 70 Jahren, beim > 65jährigen Inzidenz von 4-5 %. Männer sind viermal häufiger betroffen.
Inzidenz 2%, beim > 65jährigen 4 - 5 %
Symptome. 40-50 % sind Zufallsbefunde, 10 % sind symptomatisch: Rükken- und Flankenschmerzen, Verdrängung von Organen, Nierenkolik oder Lumbalgie vortäuschend), 10-20% Claudicatio intermittens, 20% rupturiert (abnehmende Tendenz durch verbesserte nichtinvasive diagnostische Möglichkeiten und frühzeitige Operation). Jährliche Größenzunahme der Aneurysmen ca. 0,4 cm, aber auch rasches „Wachstum" bekannt.
Symptomatik: - 40-50% asymptomatisch - 10% symptomatisch - 10-20% Claudicatio intermittens - 20% rupturiert • jährliche Größenzunahme der Aneurysmen ca. 0,4 cm, aber auch mehr
Komplikationen: Ruptur. Die größte Gefahr ist die Ruptur: überwiegend retroperitoneal/gedeckt, seltener intraperitoneal/frei.
Komplikationen: • Ruptur: - überwiegend retroperitoneal/gedeckt - seltener intraperitoneal/frei - Häufigkeit 16% • aortokavale Fistel (selten) - schnell einsetzende Herzinsuffizienz - beidseitige Beinödeme - „Maschinengeräusch" auskultierbar
Nach neuerer Literatur liegt die Rupturhäufigkeit bei 16 % (bei zwischenzeitlicher Operation asymptomatischer und symptomatischer Aneurysmen, Ausdehnung der Operationsindikation während der letzten zwei Jahrzehnte). Die Ruptur in die V.cava inferior ist selten = akute aortokavale Fistel mit relativ schnell einsetzender Rechtsherzinsuffizienz, beidseitigen Beinödemen, „Maschinengeräusch". Aortoduodenale Fistel ebenfalls sehr selten (Aneurysmaruptur in die Pars caudalis des Duodenums, auch Ruptur in tiefer gelegene Dünndarmabschnitte mög-
448 • aortoduodenale Fistel (sehr selten) - akute obere Gl-Blutung, auch rezidivierend • Embolie - Claudicatio intermittens - akute Ischämie der Beine
Konkomittierende Risikofaktoren: - KHK - Hypertonie - AVK, Herzinsuffizienz - zerebrovaskuläre Insuffizienz - Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz Operationsindikation
=i>
Richtlinien für die Operation
Operationstechnik - partielle Resektion des Aneurysmas Protheseninterposition - Stenteinlage Postoperative Komplikationen - kardiale und pulmonale - Gangrän des linken Hemikolons - Ejakulationsstörungen, „trash foot" • Letalität - elektive Operationen 1%-5% - im Rupturstadium ca. 50%
34. Gefäßchirurgie lieh) —> Zeichen der akuten oberen gastrointestinalen Blutung, auch rezidivierende Blutung (Ursache oft fehlgedeutet oder zu spät diagnostiziert). Eine weitere Komplikation ist die Embolie aus dem Aneurysma: Claudicatio bzw. akute Ischämie der Beine.
Kleine Aneurysmen (bis 4,0 cm, keine exzentrische Kontur), können je nach Risiko beobachtet werden, verpflichten jedoch zu regelmäßiger Ultraschallkontrolle. Typisch für den Aneurysmapatienten sind konkomittierende Risikofaktoren: Koronare Herzkrankheit 60%, Hypertonie 37%-77%, AVK ca. 40%, Herzinsuffizienz 30%, Diabetes mellitus, zerebrovaskuläre (15 %), Niereninsuffizienz 10 %. Operationsindikation. Jedes Aortenaneurysma (zumal infrarenal) sollte operiert werden (s. unten). Aus dieser Einstellung heraus begründet sich die deutliche Abnahme symptomatischer und rupturierter Aneurysmen während der letzten 2 Jahrzehnte. Operationsindikation: elektiv (keine Schmerzen): • < 75 Jahre: jedes Aneurysma (> 4 cm) • 75-80 Jahre: bei > 4 cm Durchmesser und begrenztem Risiko • > 80 Jahre: bei großem Aneurysma und Symptomatik Symptomatische Aneurysmen: Op. innerhalb von Stunden (altersunabhängig) Aneurysmaruptur: Notfall-Op. bei jedem Aneurysma (einzige Überlebenschance!) Operationstechnik: partielle Resektion des Aneurysmas und Interposition einer Rohr-Kunststoffprothese (aortoaortal) oder-Y-Prothese (distaler Anschluß auf die Beckenarterien A. iliaca communis oder externa) oder auf die A.femoralis (s. Abb.34-10). Transfemorale Einlage eines selbstexpandierenden Stent bei nicht perforiertem Aneurysma möglich. Langzeitergebnisse stehen noch aus. Postoperative Komplikationen: kardiale und pulmonale, Gangrän des linken Hemikolons, Ejakulationsstörungen, „trash foot". Die Letalität für elektive Operationen liegt bei 1 %-5 % (abhängig von Lebensalter und Aneurysmagröße), im Rupturstadium ca. 50 %.
1.3.1.2 Aortenaneurysmen anderer Lokalisationen Thorakoabdominale Aneurysmen Einbeziehung von - Viszeralarterien, Nierenarterien - unteren Interkostalarterien (Rückenmarksdurchblutung) - A. radicularis magna (Rückenmarksdurchblutung) A. iliaca-Aneurysma - meist als aortoiliakales Aneurysma - selten isoliert operative Korrektur durch Y-Prothese Periphere Aneurysmen selten - A.femoralis communis, A. poplitea, Karotisgabel Komplikationen - Embolie, Thrombose (Poplitea-Aneurysma!) -> akute Ischämie - Nervenkompression, Rupturselten Operationsindikation absolut: - Ausschaltung des Aneurysmas - Interposition durch Vene oder Prothese - Bypass (Poplitea-Aneurysma) manchmal vorteilhafter (Begleitvenen, N.tibialis)
Thorakale Aortenaneurysmen s. Kap. 33, S. 426 Thorakoabdominale Aneurysmen sind durch Einbeziehung der Viszeralund Nierenarterien sowie der unteren Interkostalarterien und der A. radicularis magna (Rückenmarksdurchblutung) problematischer. Hauptkomplikation ist die Durchblutungsstörung viszeraler Organe. A. iliaca-Aneurysma: meist als aortoiliakales Aneurysma, selten isoliert —» operative Korrektur durch Y-Prothese wie bei abdominalem Aortenaneurysma. Ausnahmsweise auch endochirurgische Korrektur durch Stent (hohes Lebensalter).
1.3.1.3 Periphere Aneurysmen Betroffen sind vorwiegend A.femoralis communis, A.poplitea und Karotisgabel. Sie sind gefährlich als Embolusstreuherd, gerade für die zerebrale Strombahn. Durch Thrombosierung (Poplitea-Aneurysma!) kommt es zur akuten Gliedmaßengefährdung: absolute Operationsindikation. Auch Druck auf Nerven stellt eine dringliche Operationsindikation dar: Ausschaltung des Aneurysmas und Interposition durch Vene, Prothese oder Bypass (Poplitea-Aneurysma) ist möglich und manchmal vorteilhafter (Begleitvenen, N.tibialis).
Arterien
449
1.3.2 Aneurysma falsum
Aneurysma falsum
Gefahren sind: Blutung, typisch für zentrale Aneurysmen; Penetration, Thrombose und Embolie, typisch für periphere Aneurysmen; Einbruch in benachbarte Organe (z.B. Duodenum bei benachbarter aortaler Anastomose, Abb. 34-15). Prophylaxe: Deckung der aortalen Anastomose durch AneurysmawandManschette, zweischichtiger retroperitonealer Verschluß, evtl. primäre gestielte Omentum-Plastik, Arteriovenöse Fistel —» arteriovenöses Aneurysma (typisch für iatrogene Katheterläsion/A.femoralis) —> absolute Operationsindikation. Kleine iatrogene Aneurysmen können in der Frühphase auch durch duplexgesteuerte Kompressionsbehandlung therapiert werden.
Gefahren: • Blutung -> zentrale Aneurysmen • Penetration, Thrombose, Embolie: -»periphere Aneurysmen • Einbruch in benachbarte Organe: - Duodenum bei benachbarter aortaler Anastomose
1.3.3 Aneurysma dissecans
Aneurysma dissecans
Betrifft fast ausschließlich die Aorta, Alter meist 40-70 Jahre, Männer bevorzugt. In Abhängigkeit von Lokalisation und orthograder Dissektion haben sich 2 Klassifikationen bewährt (DeBakey, Stanford):
fast ausschließlich thorakale Aorta Klassifikationen: - DeBakey l-lll - Stanford A und B • DeBakey I und II und Stanford A: hohe Letalität, daher primäre Operation • DeBakey III und Stanford B: deutlich niedrigere Komplikationen und Letalität, daher primär konservativ
Intimaeinriß
Dissektion bis
Aorta ascendens Aorta ascendens Ende d. Aortenbogens Ende d. Aortenbogens
Aorta Aorta Aorta Aorta
abdominalis asc./Aortenbogen descendens abdominalis
Klassifikation deBakey Stanford I A II A III B III B
- Duplexgesteuerte Kompressionsbehandlung kleiner iatrogener inguinaler Aneurysmen
• Dissektion an der Aorta ascendens (65 %): meist 2 cm oberhalb der Aortenklappe, schlechte Prognose/1-Monats-Uberlebensrate maximal 10% (häufige Mitbeteiligung der Aortenklappe/akute Klappeninsuffizienz, Verlegung der Koronararterien, Mitbeteiligung der Aortenbogenabgänge, frühzeitige intraperikardiale Ruptur —> Herzbeuteltamponade). • Kaudaler Ursprungstyp der Dissektion direkt unterhalb des Abganges der linken A. subclavia (ca. 35%) zeigt eine bessere Prognose: 1-MonatsÜberlebensrate ca. 65 %. Daher Typ A primäre Operation, Typ B primär konservativ (s. Kap. 33., S.425). Leitsymptome: akuter Schmerz, absteigendes Ischämiesyndrom. Die Dissektion kann bis zur abdominalen Aorta, den Beckenarterien und auch bis zur A.femoralis reichen (Mitbeeinträchtigung der Rilckenmark-
falsches
passagerer Thrombus Gewebefetzen Abb.34-15: Sekundäre aortoduodenale thetischem Aortenersatz
Prothese
Fistel nach pro-
Abb.34-16: Dissezierendes Aortenaneurysma mit Beteiligung der linken Nie- • renarterie und infrarenalem Aortenverschluß durch den „Kopf" der Dissektion (Typ III n. DeBakey bzw. Typ Stanford B = kaudaler Dissektionstyp mit Beginn unterhalb des Abganges der linken A. subclavia)
Klinische Leitsymptome • akuter Schmerz • absteigende Ischämie
34. Gefäßchirurgie
450 - Beeinträchtigung der Rückenmarkdurchblutung - häufige Okklusion des wahren Aortenlumens durch den „Kopf" der Dissektion - aortaler Doppelkanal, kann in das asymptomatische chronische Stadium übergehen.
„Reentry" am Kopf der Dissektion ist möglich, aber selten —> aortaler Doppelkanal, kann in das asymptomatische chronische Stadium übergehen. Die Dissektion an anderen Arterien stellt eine ausgesprochene Rarität dar (abdominale Aorta, Beckenarterien, Nierenarterien, A. carotis interna).
Akuter Arterien verschluß
1.4 Akuter Arterienverschluß
durchblutung, der Viszeral- und Nierenarterien). Sehr häufig Okklusion des wahren Arterienlumens durch den „Kopf" der Dissektion (Abb. 34-16).
Definition. Plötzliche Verlegung einer Arterie mit akutem Ischämiesyndrom im nachgeschalteten Gewebe bzw. Organbezirk. Ursache: - arterielle Thrombose oder Embolie - Traumen - Aneurysmen - Arteriospasmus - externe Kompression der Arterie - Phlegmasia coerulea dolens
Ursache. Arterielle Thrombose (ca. 30 %, nimmt heute deutlich zu) auf dem Boden einer lokalen oder generalisierten AVK mit konsekutiver Thrombosierung des bereits eingeengten Lumens, arterielle Embolie (ca. 60 %, heute deutlich weniger), ausgehend von einem Streuherd im linken Herzen oder vorgeschalteter arterieller Strombahn. Weitere Ursachen: Traumen (ca. 10%), Aneurysmen, Arteriospasmus, Kompression der Arterie von außen (Hämatome, Knochenfragmente, Halsrippe), Phlegmasia coerulea dolens.
Akute Ischämiesymptome im Bereich der Extremitäten:
Symptome: akutes Ischämiesyndrom der Extremitäten (in Klammern die „6 P" von Pratt) • Schmerz (pain), Blässe (paleness), Gefühlsstörung (paresthesia) • Pulslosigkeit (pulselessness), Bewegungsunfähigkeit (paralysis), Erschöpfung/Schock (prostration).
• komplettes Ischämiesyndrom: Aufhebung von Motorik und Sensibilität • inkomplettes Ischämiesyndrom: Motorik und Sensibilität noch erhalten • Ischämie abhängig von: - allgemeiner Kreislaufsituation - präformierten Koliateralen - Ausdehnung und Lokalisation der Strombahnblockade, Zeitdauer - Entwicklung der aszendierenden oder deszendierenden Thrombose
Bei ausgedehnter Ischämie (Verschluß der Aortenbifurkation) steht schon nach wenigen Stunden der Schock im Vordergrund, bedingt durch Hypovolämie (interstitielles Ödem), Azidose (saure Stoffwechselendprodukte), Toxineinschwemmung (Eiweißzerfallsprodukte). Man unterscheidet: komplettes und inkomplettes Ischämiesyndrom: Motorik und Sensibilität aufgehoben/noch erhalten. Seine Ausprägung ist abhängig von der allgemeinen Kreislaufsituation, Kollateralen (z. B. am Arm besser ausgebildet) sowie ganz entscheidend von Ausdehnung und Lokalisation der Strombahnblockade sowie von der Zeitdauer seit Ischämiebeginn und der Entwicklung einer aszendierenden oder deszendierenden Thrombose (Abb. 34-17).
Arterielle Embolie Embolusstreuherd: 80% linkes Herz - KHK, Herzinfarkt - absolute Arrhythmie mit Vorhofflimmern, - mit Thromben gefülltes Herzwandaneurysma - Herzklappenfehler Ursache der kardialen Thrombusablösung: - plötzliche Rhythmusstörungen - Digitalisierung - körperliche Anstrengung u.a. • weitere Embolusstreuherde: - vorgeschaltete arterielle Strombahn (AVK, Gefäßwandulkus u.a.) - intraoperative Embolisierung (Gefäßrekonstruktion, Angioplastie) - poststenotisches Aneurysma der A. subclavia beim Schulter-Arm-Syndrom - in 10% Doppelembolie - sehr selten Dreifachembolie Embolusstreubahn (Reihenfolge der Häufigkeit): 1. Hirnarterien (Schlaganfall)
1.4.1 Arterielle Embolie Ca. 80 % der Embolien stammen aus dem linken Herzen: KHK, absolute Arrhythmie mit Vorhofflimmern, Herzinfarkt, mit Thromben gefülltes Herzwandaneurysma, Herzklappenfehler (in deutlicher Abnahme begriffen). Verursacht wird die kardiale Thrombusablösung durch plötzliche Rhythmusstörungen, Digitalisierung, körperliche Anstrengung u. a. Auch die vorgeschaltete arterielle Strombahn kommt ursächlich in Betracht (AVK, Gefäßwandulkus, Schulter-ArmSyndrom, Aneurysmen). Auch operative Eingriffe (Gefäßrekonstruktion, Angioplastie/auch koronar, iatrogene Embolie) sind ursächliche Faktoren. Das poststenotische Aneurysma der A. subclavia beim Schulter-Arm-Syndrom wird häufig übersehen, kann rezidivierend embolisieren und nicht selten zum Armverlust führen.
Die arterielle Embolie ist vornehmlich eine Erkrankung des älteren Menschen (Durchschnittsalter > 70 Jahre, Frauen sind häufiger betroffen). Bei 10% aller Betroffenen findet sich eine Doppelembolie (Embolusteilung beim Aufprall an Bifurkationen), sehr selten eine Dreifachembolie. Die meisten Embolien betreffen die Hirnarterien (Schlaganfall!) und enden oft tödlich. Der embolische Verschluß der - daher selektionierten - gefäßchirurgischen Patienten liegt zu etwa 2/3 distal der Aortenbifurkation, zu 25 % im Bereich der Armarterien, zu 5 °/o im Bereich der A. mesenterica sup. (Mesenterialinfarkt) und der Nieren-
Arterien
451
arterien. In etwa 3 % bleibt der Embolusstreuherd unbekannt (an paradoxe Embolie denken: offener VSD/ASD). Differentialdiagnose. Grundsätzlich ist bezüglich der einzuschlagenden Behandlung an den Extremitäten zwischen Embolie und arterieller Thrombose zu unterscheiden (Tab. 34-1). Bei eindeutiger Extremitätenembolie (vor allem am Arm) ist eine Angiographie überflüssig, jedoch ist häufig eine intraoperative Lumenkontrolle angezeigt (Angiographie, Angioskopie). Sofortmaßnahmen: 5000-10000 I.E. Heparin i.V., Schmerzbekämpfung, Erhöhung des HMV durch Infusion, Tieflagerung der Extremität, Abpolsterung der Auflageflächen, Transport in die Klinik. Prognose der Extremitätenembolie: der Zeitfaktor ist vor allem bei der kompletten Ischämie entscheidend, zentrale Lokalisationen sind meist unTab.34-1: Differentialdiagnose arterielle Embolie - Thrombose Embolie (meist bei gesundem Gefäßsystem) Anamnese
2. untere Extremität 3. obere Extremität 4. Viszeralarterien, Nierenarterien 5. Venenthrombose (paradoxe Embolie) 6. unbekannt bei ca. 3% • DD: Unterscheidung zwischen Embolie und arterieller Thrombose (Tab. 34-1) -»unterschiedliche Therapie Bei Extremitätenembolie (vor allem am Arm) ist eine Angiographie überflüssig Erste Behandlungsmaßnahmen: - 5000-10000 I.E. Heparin i.v. - Schmerzbekämpfung, Infusion -> HMV - Tieflagerung der Extremität - Abpolsterung der Auflageflächen - schnellstmöglich in die Klinik
Thrombose (bei Arteriosklerose)
Herzerkrankung (Infarkt, Claudicatio intermittens Vorhofflimmern, ASD/VSD), Aortenaneurysma, periphere Aneurysmen, Schultergürtelsyndrom
Embolusstreuherd +
-
Beginn
akut („Peitschenschlag")
subakut bis akut
Schmerzen
stark
mäßig bis stark
Ischämiesyndrom häufiger komplett (keine Kollateralen)
häufiger inkomplett (präformierte Kollateralen)
Übriger arterieller Status
meist normal
pathologisch
Angiographie
lokaler Stop mit „Kuppelzeichen" bei glatt konturierten Gefäßen
lokaler Stop mit generalisierten Wandveränderungen
aszendierende Thrombose roter Appositionsthrombus einige
speckiger Embolus
+
speckiger Embolus
einige Stunden einige Std.
Thromboembolie deszendierende Thrombose
Abb.34-17: Deszendierende und aszendierende arterielle Thrombose bei akutem embolischem Verschluß im Bereich des Adduktorenkanals (deszendierende Thrombose prognostisch ungünstiger wegen Verschlusses des AbStromgebietes)
Abb.34-18: Profunda-Kollateralkreislauf bei akuter arterieller Thrombose präexistente Kollateralen öffnen sich weiter
452
34. Gefäßchirurgie
Bleibt der Streuherd bestehen - Langzeitantikoagulation mit Dicumarinen
günstiger. Bei Operation innerhalb von 12 h beträgt die Amputationsrate 3 %, innerhalb von 48 h 10 %, für alle Embolien ca. 6 %. Die postoperative Letalität ( - 3 5 % ) bestimmen die Grunderkrankung (meist krankes Herz und gesunde Gefäße) und das Alter. Post operationem ist eine Ausschaltung des Embolusstreuherdes anzustreben (Ausschaltung vorgeschalteter Aneurysmen, Gefäßwandulzera, Herzklappenersatz u.a.), ist jedoch meist nicht möglich (Herz!). Bleibt dieser Streuherd bestehen, ist eine Langzeit-Antikoagulations-Prophylaxe mit Dicumarinen notwendig, um Rezidive und das weitere Wachstum von Thromben zu verhindern.
Arterielle Thrombose
1.4.2 Arterielle Thrombose
Prädilektionsstellen: mittel- und kleinkalibrige Arterien - Ober- und Unterschenkel - A. carotis interna - A. mesenterica superior - Koronararterien Symptome: infolge bereits ausgebildeter Kollateralen -» Symptomatik häufig nicht dramatisch
Prädilektionsstellen sind die mittel- und kleinkalibrigen Arterien von Oberund Unterschenkel, A. carotis interna, A. mesenterica superior, Koronararterien. Seltener sind großkalibrige Arterien (Aorta, Beckenarterien) betroffen.
Therapeutisches Vorgehen hat sich in den letzten 15 Jahren grundlegend geändert —> zurückhaltendere Op.-Indikation! • Angiographie ist immer indiziert. Notfall-Op. bei: - komplettem Ischämiesyndrom - Befall der aortoiliakalen Strombahn - Befall des Armes (äußerst selten) Bei infrainguinalen Prozessen und inkompletter Ischämie lokale Lyse (auch notfallmäßig) -> angiographische Verifizierung der Ursache -»Angioplastie -» bei frustraner Angioplastie (meist) sekundär Gefäßrekonstruktion Seltenere Ursachen des akuter« Arterienverschlusses Traumatischer Arterienverschluß (s. Kap. 44/3, S.901) Aortendissektion (s.S.449 u. Kap.33, S.425) Phlegmasia coerulea dolens (s. S.474) Arterielle Mikroembolie = Verschluß kleinster Gefäße Ätiologisch Verschleppung von - Thrombozytenaggregaten oder - Cholesterinkristallen • Herkunftsorte - Aneurysmen - ulzeröse arteriosklerotische Plaques - poststenotische dilatierte Bezirke - perioperativ (Angioplastie, Gefäßrekonstruktion)
Therapie. Die Operationsindikation (zumal notfallmäßig) wird heute zurückhaltend gestellt (Gegensatz: Embolie). Sofortmaßnahmen wie bei Embolie. Die Angiographie ist immer indiziert. Nur bei einem kompletten Ischämiesyndrom (Zeitfaktor!) der unteren Extremitäten, bei Befall der aortoiliakalen Strombahn und des Armes ist die notfallmäßige Operation angezeigt.
Klinik: 1.ZNS: • Amaurosis fugax = kurzfristige Blindheit • TIA (transitorische ischämische Attacke)
Symptome. Die Mikroembolie durch Thrombozytenaggregation wird nur in Organen geringer Ischämietoleranz klinisch manifest: • ZNS: Netzhaut: Amaurosis fugax, Gyrus prae- und postcentralis: TIA mit kurzfristiger Halbseitenparästhesie bzw. -parese. Die klinische Symptomatik entspricht der Zeitdauer des perifokalen ischämischen Ödems (Minuten bis Stunden). Bei der Mikroembolie von Cholesterinkristallen ist der ischämische Defekt definitiv.
Prognose: Amputationsrate 6%, bei Op. bis 12 h —»3%, bis 48 h —»10%. Letalität ~ 35% - postoperative Ausschaltung des Embolusstreuherdes anstreben
Wegen der chronischen Gefäßveränderungen hat sich ein Kollateralkreislauf entwickelt (Abb. 34-18). Die Symptomatik ist deshalb meist nicht so dramatisch, vor allem wenn die periphere Ausflußbahn erhalten bleibt und Verteilerzonen (Aorten- und Femoralisgabel, popliteale Trifurkation) partiell offen bleiben.
Lokale Lyse. Bei infrainguinaler Thrombose ist bei inkompletter Ischämie der Einsatz der lokalen Lyse immer in Erwägung zu ziehen (auch notfallmäßig). Ist diese erfolgreich, läßt sich sofort die Verschlußursache angiographisch verifizieren und ggf. sofort oder aufgeschoben eine Angioplastie durchführen. Ist dies nicht möglich oder nicht erfolgreich, wird (meist) erst sekundär eine Gefäßrekonstruktion durchgeführt. 1.4.3 Arterienverschluß durch Trauma und seltene Ursachen Traumatischer Arterienverschluß (s. Kap.44/3, S.901). Aortendissektion (s. Kap.33, S.425). Phlegmasia coerulea dolens (s. S.474).
1.4.4 Arterielle Mikroembolie Definition. Verschluß kleinster Blutgefäße durch max. 1 mm große Embolie: Thrombozytenaggregate oder Cholesterinkristalle. Herkunftsorte sind Aneurysmen oder ulzeröse arteriosklerotische Plaques in der Wand großlumiger Arterien (Abb. 34-19, 20). Sie können auch perioperativ (Angioplastie, Gefäßrekonstruktion) embolisierend verschleppt werden. Thrombozytenaggregate können durch die körpereigene „endogene Lyse" wieder aufgelöst werden. Handelt es sich aber um Cholesterinkristalle, so ist der Gefäßverschluß irreversibel.
Arterien
453
carotis interna poststenotisches Mikroembolus
Mikro- und Makroembolus
Stenose (>70%)) carotis communis Stenose
Ulkus
Abb.34-19: Pathophysiologie der transitorischen ischämischen Attacke (TIA): Stenose und Ulkus (jeweils arteriosklerotisch bedingt). Sfenose:vornehmlich Reduktion von Druck und Flow, aber Mikroembolie möglich aus poststenotischem wandständigem Thrombus (häufigere Ursache). Ulkus: vornehmlich Mikro- und Makroembolie (die Stenoseproblematik ist meist untergeordnet).
Abb.34-20: Selektive Angiographie A. carotis communis: links Stenose (->), rechts ulzeröser Plaque (->), jeweils im Abgangsbereich der A.carotis interna
• Auch akrale Bezirke der Extremitäten können betroffen sein: „blue-toe"Syndrom = „trash foot" (Zehenverfärbungen und -Nekrosen) bei vorgeschalteten ulzerösen Aortenplaques u. a., organisches Raynaud-Phänomen der Hände (periphere Nekrosen bei kompletten Digitalarterienverschlüssen, z.B. aufgrund eines poststenotischen Aneurysmas der A.subclavia bei TOS).
2. Extremitäten • „blue-toe"-Syndrom = trash foot • organisches Raynaud-Phänomen der Hände
Ein Beispiel ist auch der Mesenterialinfarkt im Versorgungsgebiet der A. iliocolica (funktionelle Endarterien).
• Mesenterialinfarkt im Versorgungsgebiet der A. iliocolica
Therapie: Am Ort des Verschlusses ist eine chirurgische Therapie nicht möglich: systemische Heparinisierung, Prostaglandine. An den Extremitäten: zusätzliche Sympathektomie erwägen, Demarkierung abwarten —> Grenzzonenamputation. Der Defekt ist hier meist sehr begrenzt. Ausschaltung des Streuherdes.
Therapie -»systemische Heparinisierung ->Prostaglandine, Sympathektomie -> Demarkierung der Akren abwarten Grenzzonenamputation -»Ausschaltung des Streuherdes
1.5 Arterielle Verschlußkrankheit (AVK) der unteren Extremität
Arterielle Verschlußkrankheit der unteren Extremität
In über 80 % ist die AVK an den unteren Extremitäten lokalisiert. 3 Prädilektionsstellen: • Beckentyp: Leistenpuls ist nicht tastbar. • Oberschenkeltyp: Der Leistenpuls ist tastbar, der Popliteapuls nur schwach oder ausgelöscht. • Unterschenkeltyp: Der Popliteapuls ist tastbar, die Fußpulse nicht (auch A.fibularis palpieren!). Praxishinweis: ein nicht tastbarer Puls bedeutet nicht, daß das vorgeschaltete Gefäß verschlossen oder hochgradig stenosiert ist (Blutdruck unterhalb der Stenose deutlich erniedrigt, daher nicht mehr palpabel), auch nicht, daß die Arterie unterhalb der Palpation verschlossen ist. Der isolierte Befall einer Gefäßetage ist selten, meist Mehretagenbefall (alte Patienten, starke Raucher). Führend ist in ca. 60 % der kombinierte Beckenund Oberschenkelverschlußtyp. Beim Diabetiker tritt die Angiopathie an den Stammarterien meist früher und ausgeprägter auf; häufiger ist hier der Unterschenkel betroffen (Mediasklerose). Eine seltene Ausnahme ist der M. Winiwarter-Buerger (s. S.433).
Verschlußlokatisationen
• fehlender Puls ist kein Hinweis auf Verschluß oder Stenose des vorgeschalteten Gefäßabschnittes, auch nicht der distalen Arterie • meist Mehretagenbefall - kombinierter Becken- und Oberschenkelverschlußtyp in 60% führend • Diabetiker: Angiopathie an den Stammarterien früher und ausgeprägter auftretend -> Unterschenkeltyp häufiger
454 Klinische Stadieneinteilung
34. Gefäßchirurgie Symptome. 4 klinische Stadien (modifiziert n. Fontaine): Stadium I: keine klinische Symptomatik Stadium II: Claudicatio intermittens = Schaufensterkrankheit. IIa: schmerzfreie Gehstrecke > 200 m, IIb schmerzfreie Gehstrecke < 200 m Stadium III: Ruheschmerzen, besonders in Horizontallage und nachts: der Patient läßt das Bein aus dem Bett heraushängen. DD: beim venösen Schmerz wird unter Beinhochlagerung Schmerzabnahme angegeben.
Stadium IV: trophische Störungen, periphere Nekrosen (—» Mumifikation) oder Gangrän. IVa mit, IVb ohne Ruheschmerz (typisch für Diabetiker, Polyneuropathie!) Definition: • Nekrose -> trockener Brand • Mumifikation -> zunehmende Demarkierung ohne Infektion • Gangrän -»feuchter Brand mit bakterieller Infektion
Der Diabetiker hat häufig im Stadium IV b noch eine gewisse schmerzfreie Gehstrecke.
Diagnose - Anamnese, klinische Untersuchung - Provokationstests - nichtinvasive Verfahren • Schmerz als Hinweis auf Verschlußlokalisation: - Oberschenkel -> aortoiliakal - Wade Oberschenkeletage - Fuß: A.poplitea, Unterschenkelarterie - Angiographie vor invasiver Therapie unabdingbar (Einstrom, Abfluß?).
Diagnose: Anamnese, klinische Untersuchung (Inspektion, Palpation, Auskultation, ggf. Provokationstests) erlauben eine klare Beurteilung von Lokalisation und Schweregrade: • Schmerzen im Oberschenkel —> Verschlüsse im aortoiliakalen Abschnitt • Schmerzen in der Wade —> Verschluß in der Oberschenkeletage • Schmerzen im Fuß —> Verschluß A. poplitea/Unterschenkelarterien. Die häufigen Mehrfachetagenverschlüsse „verfälschen" die Symptomatik. Eine weitere Beurteilung erfolgt durch Ultraschall-Doppler mit postokklusiver Druckmessung und Bestimmung des Bein-Arm-Index (s. S.436). Duplexsonographie zeigt die Gefäßwandmorphologie. Präoperativ ist die Angiographie unabdingbar (Einstrom, Abfluß?).
AVK-Therapie
1.5.1 Therapie der AVK
Therapie-Entscheidung hängt ab vom • Stadium der Erkrankung • Patienten: - Allgemeinzustand, Alter, Beruf - sozialen Umfeld, privaten Aktivitäten
Die Behandlung ist abhängig vom Stadium der Erkrankung, von der Situation des Patienten (Allgemeinzustand, Alter, Beruf, soziales Umfeld, private Aktivitäten u. a.), Gefäßmorphologie und den Erfolgsaussichten.
Stadienabhängige Behandlung
Nekrose: trockener Brand, kann übergehen in Mumifikation: zunehmende Demarkierung und Abstoßung devitalen Gewebes, ohne bakterielle Besiedlung. Gangrän: feuchter Brand mit bakterieller Infektion. Die feuchte Gangrän kann sich in wenigen Stunden ausbreiten und zur Unterschenkelphlegmone oder Sepsis führen (besonders gefährdet sind: Diabetiker, Dialysepatienten, Alkoholiker, Patienten mit reduzierter Immunabwehr).
Stadium I: Behandlung der Risikofaktoren, Aggregationshemmer, Verlaufskontrolle Stadium II: großzügiger für die Beckenetage und beim jüngeren Patienten (Gehstrecke 200-300 m) und zurückhaltender für die Oberschenkeletage (Gehstrecke deutlich < 100 m). Primär konservativ bei nicht erkrankter Profunda (beim Diabetiker ist sie häufig langstreckig erkrankt). Stadium III, IV: drohende Amputation. Lumeneröffnendes Verfahren: Angioplastie, Gefäßrekonstruktionen (Abb. 34-21, 22,23, 24,25). Vor allem an den Unterschenkelarterien ist eine Operation nur als Alternative zur Amputation indiziert (Stadium III, IV). Ein Bypass-Sofort- oder Frühverschluß kann zu einer Verschlechterung führen. 1.5.1.1 Aortoiliakaler Abschnitt
Behandlungsverfahren Aortoiliakaler Abschnitt
Langstreckige Stenosen/Verschlüsse des aortoiliakalen Segmentes: aortofemoraler Bifurkationsbypass (s. Abb. 34-21). Offenheitsrate nach 5 Jahren 80-90%.
Arterien
455
Abb.34-21: Aortofemoraler Bifurkations-Bypass (Kunststoffgabel muß höher sitzen als Aortengabel, hämodynamisch günstiger) bei chronischer AVK des aorto-iliakalen Segmentes: links mit Profunda-Plastik bei zusätzlichem Verschluß der A.femoralis superficialis, kann durch lumbale Sympathektomie (L ll-V) ergänzt werden (Triaden-Operation)
Abb.34-23: PTA einer kurzstreckigen Stenose der A. iliaca communis, kann mit Stent-Implantation bei instabilem PTA-Ergebnis gesichert werden
Abb. 34-25: Operative Therapie bei langstreckigen Läsionen der A.femoralis superficialis und der A. poplitea (a). Überbrückung mit V.saphena magna. Distaler Anschluß nur an die Unterschenkelarterien möglich
Abb.34-22: Operative Behandlung bei arteriosklerotischem Ulkus (Mikroembolie) der infrarenalen Aorta: Ausschälung und Direktverschluß. Analoges Vorgehen bei kurzstreckiger Stenose oder Verschluß, kann als offene TEA auch in die Beckenarterien verlängert werden (aorto-iliakale TEA)
Abb.34-24: Profundaplastik. Längerstreckige Abgangsstenose der A. profunda femoris (a), Standard-Profundaplastik: TEA und Patchplastik mit Venenstreifen oder Kunststoff (b)
456 - differenziert nach Lokalisation und Ausmaß
34. Gefäßchirurgie Hoher Aortenverschluß Häufigkeit 18 % (Gefahr der aszendierenden Thrombose mit Beteiligung der Nierenarterien äußerst gering). Die Indikation ergibt sich aus der pe-
ripheren Durchblutungsstörung: Aortoiliakaler bzw. -femoraler Bifurkations-Bypass aus Kunststoff nach offener TEA bzw. Thrombektomie der infrarenalen Aorta. Atheromatoses Ulkus der Aorta mit peripherer Mikroembolisation/Stenose (Abb. 34-22): offene TEA mit Direktverschluß der Aortotomie. Kurzstreckige Stenose/Verschluß der Beckenarterien (Abb. 34-23): Angioplastie. Besonderheit: Risikopatient, Voroperationen
Infektionen nach Gefäßoperationen -»extraanatomische Bypassmethoden
Beim Risikopatienten oder auch bei Voroperierten kann bei einseitiger Bekkenarterienläsionen durch einen queren femoro- oder auch iliofemoralen (Cross-over) Bypass das Operationsrisiko deutlich reduziert werden (s. Abb.34-13 b). Bei beidseitigen Beckenarterienprozessen läßt sich durch einseitige iliakale PTA oder TEA oder iliofemoralem Bypass mit retroperitonealem Zugang das Spendergefäß für einen queren Bypass zur Gegenseite vorbereiten (Kunststoffprothese). Die Langzeitfunktion des queren Bypass steht der der Y-Prothese nicht nach. Bei Infektionen nach Gefäßoperationen kommen für die aortoiliakale Etage extraanatomische Bypass-Methoden (axillofemoraler Bypass, querer femorofemoraler Bypass, Obturator-Bypass u. a., s. Abb. 34-13, S. 445) infrage.
Femoropoplitealer Abschnitt
1.5.1.2 Femoropoplitealer Abschnitt
Konservative Behandlung hat im Stadium II Vorrang Operative Verfahren: - Angioplastie - Profundaplastik - TEA - Femoropoplitealer Bypass
Isolierter Verschluß der A. femoralis superficialis bei guter Kollateralisation über die A. profunda femoris, Wiedereintritt in Höhe Adduktorenkanal): Eindeutige Indikation zur konservativen Behandlung, Gehtraining meist ausreichend. Bei Profundaabgangsstenose im Stad.II: Profundaplatik (Abb. 34-24). Femoropoplitealer Bypass (supragenual) indiziert bei: • unzureichender Gehstrecke trotz konservativer Behandlung/Profundaplastik, • im Stadium III und IV und beim Diabetiker (mit langstreckiger Erkrankung der Profunda, fällt als Kollateralgefäß aus). Langstreckiger Verschluß der A. femoralis superficialis bis distal des Kniegelenkes: konservative Behandlung weniger aussichtsreich, dennoch indiziert im Stadium IIb, bei zusätzlicher Erkrankung der A. Profunda Profundaplastik oder langer Bypass, im Stadium III und IV absolute Operationsindikation. - keine primäre Operation im Stadium IIb sondern konservative Therapie/ Gehtraining - bei Zimmergehstrecke (ca. 20 m) Operation angezeigt: femoropoplitealer Venen- oder Kunststoffbypass. Eine Profundaabgangsstenose immer simultan als Profundaplastik mitkorrigieren. Keine geplanten Nachoperationen, wenn man beides gleichzeitig korrigieren kann (Zweitoperation erschwert, Infektionsgefahr) (Ausnahme: Triadenoperation, isolierte Profundaplastik in IIb). - Kurzstreckige Stenose oder Verschluß der A. femoralis superficialis/A. poplítea (Stad. II-IV) -> Angioplastie (s. Abb. 34-6, S.440).
Femorokruraler Abschnitt
1.5.1.3 Femorokruraler Abschnitt
• Femorokruraler Bypass
• Verschluß im Bereich des femoropoplitealen Abschnittes (s. Abb. 34-11, S. 443): femorokruraler Bypass mit peripherem Anschluß an eine (evtl. auch 2) Unterschenkelarterien, bei noch offener A. femoralis superficialis kurzer Bypass mit zentralem Anschluß an die distale A.fem. superficialis (Vene!) • Bei Mitbeteiligung der Unterschenkelarterien und drohendem Extremitätenverlust sind auch Bypass-Verfahren auf ein distales Unterschenkelarteriensegment (A.fibularis) angezeigt (Vene/in-situ/reversed/orthograd).
auch distale Segmente der Unterschenkelarterien geeignet - A.fibularis - auch distaler pedaler Anschluß Diabetische Angiopathie - Querschnittsverschluß auf Unterschenkelhöhe - häufig leeres Unterschenkelangiogramm unverzichtbar Darstellung der distalen Unterschenkel- und Fußarterien
1.5.1.4 Diabetische Angiopathie • Sondersituation beim Diabetiker: Unterschenkelarterien-Querschnittsverschluß: häufig leeres Unterschenkelangiogramm, daher unverzichtbar Darstellung auch der distalen Unterschenkelarterien und Fußarterien —> nicht seltener Befund: offene A.poplitea und offenes, wenn auch kurzes, distales
Arterien Arteriensegment (krural/pedal): Indikation zum popliteo-tibialen/tibiopedalen Venenbypass. Auch langer femoropedaler Bypass ist indiziert, aber kurze Transplantate sind hämodynamisch immer günstiger.
1.5.2 K o m p r e s s i o n s s y n d r o m e a n der u n t e r e n Extremität Ursachen: Insgesamt selten anatomische Varianten, durch Hypertrophie bedingte Drucksteigerungen in einzelnen Muskelkompartments, raumfordernde Prozesse (Baker-Zyste, Synovaliom).
457 -> oft findet man: - offene A.poplitea und - offenes distales Arteriensegment -> Indikation zum popliteo-tibialen/tibiopedalen Venenbypass (kurze Transplantate hämodynamisch günstiger) Kompressionssyndrome an der unteren Extremität
Symptomatik: claudicatio-ähnliche Beschwerden, manchmal Schwellneigung —> Zeichen der arteriellen Thrombose (selten auch Venenthrombose), bei Raumforderung lokalisierter Schmerz. Diagnostik: klinisch-angiologische Untersuchung, CW-Doppler, FK-Duplexsonographie, Angiographie (alle Untersuchungen in Normal- und Provokationsstellung: Plantarflexion und Dorsalextension), CT. Transkutane Kompartmentdruckmessung beim chronischen Kompressionssydrom (> 15 m m Hg pathologisch).
Untersuchungen in Normal- - • und Provokationsstellung
Kompressionssyndrom der A.poplitea (= popliteales Entrapment-Syndrom): Alter: 20-50 Jahre, häufig Sportler • Verlaufsanomalien der A. poplitea (am häufigsten) • Hypertrophie der Gastrocnemiusköpfe, Soleus-Syndrom • atypischer Verlauf des N.tibialis Die Varianten im Verlauf der A. poplitea werden am sinnvollsten nach Insua klassifiziert (Modifikation nach Kogel). Bei Insua Typ 1 liegt eine Verlagerung der A.poplitea vor (häufiger), bei Typ 2 wird die Arterie durch abnorme Ligamente eingeengt (seltener):
Kompressionssyndrom der A.poplitea - Verlaufsanomalien d. A. poplitea - Hypertrophie d. Gastrocnemiusköpfe - Soleus-Syndrom - atypischer Verlauf des N.tibialis
Insua-Typ 1: A.poplitea verläuft um den medialen Gastrocnemiuskopf, Insua-Typ 1 a: zusätzliche Kranial Verlagerung des medialen Gastrocnemiuskopfes, Insua-Typ 2: akzessorischer lateraler Ausläufer des med. Gastrocnemiuskopfes, auch abnorm verlaufender M. plantaris, Insua-Typ 2 a: atypische Muskelzüge vom lateralen Femurkondylus setzen am medialen Gastrocnemiuskopf an.
Klassifikation nach Insua
60 %). Gleichzeitige weitere arterielle Veränderungen (kontralaterale ACI, VA, A. subclavia) erhöhen die Dringlichkeit der Operation. Für beide Stadien haben Studien den Vorteil der Operation gegenüber der konservativen Behandlung (Risikofaktoren ausschalten, kardiale Diagnostik und Behandlung, Acetylsalicylsäure-Prophylaxe) bei > 60%-Stenosen gezeigt.
Stadium I, II: Op. der konservativen Behandlung überlegen bei > 60%-Stenosen
Niedrigergradige Stenosen sind mit Ausnahme von embolisierenden Ulzera nur konservativ zu behandeln (aber regelmäßige doppler-/duplexsonographische Kontrollen), bei Stenoseprogression: Operation. Merke: Der Eingriff hat nur prophylaktischen ßen Schlaganfall verhindern.
Charakter und soll den gro-
Stadium III: Operationsindikation nur sehr selten gegeben (innerhalb der ersten 612 Stunden bei Erhaltung des Bewußtseins, nur bei Verschluß der ACI). Innerhalb dieser Zeitspanne gelangt kaum noch ein Patient mit abgeschlossener Diagnostik zum Gefäßchirurgen. Stadium IV: Op. ist seltener indiziert: • kontralateral bei hochgradiger Stenose zur Verhütung eines weiteren Schlaganfalls, • ipsilateral nur bei deutlicher Rückbildung des neurologischen Defizits.
- Op. hat in den Stadien I, II (und IV) nur prophylaktischen Charakter
460
34. Gefäßchirurgie
stenosierender Intimazylinder
Venen-oder Kunststoffpatch
fortlaufende Naht
Abb.34-28: Offene Ausschälung (Thrombendarteriektomie) der Karotisgabel unter Verwendung eines intraluminalen Shunts. Verschluß der Arteriotomie durchKunststoffpatc h/Ve n e n st re ife n
Kontraindikationen - hohes Lebensalter - aligemeine Risikofaktoren (KHK) - ausgeprägte Zerebralsklerose Operationstechniken • VY-Plastik = Bifurkationsplastik • Eversionsendarteriektomie • offene TEA mit Patchverschluß
Kontraindikationen sind hohes Lebensalter (mit Vorbehalt!), allgemeine Risikofaktoren (KHK, da mindestens jeder zweite Patient mit ACI-Stenose daran verstirbt!) und ausgeprägte Zerebralsklerose (Hirnatrophie). Operationsverfahren: Offene Ausschälung des stenosierenden Zylinders, meist unter (Abb. 34-28) Zuhilfenahme eines intraluminalen Shunts (wird kontrovers beurteilt). Der Verschluß erfolgt mit einem Patch als VY-Plastik (Y-förmige Inzision in ACI und ACE hinein mit Direktverschluß (Abb. 3429). Eine weitere Technik, ist die Eversionsendarteriektomie (EEA), die allerdings oft ein intraoperatives intraluminales Kontrollverfahren erfordert (Angioskopie, DSA, Abb.34-30).
Abb.34-29: VY-Plastik. a. Durch die Y-förmige Inzision läßt sich die ACE sicherer offen ausschälen. Sie kann bei einem ACI-Rezidiv für die Kollateralisierung wichtig werden, b. Durch direkte Vereinigung von ACI und ACE wird eine neue Hinterwand gebildet, durch die ACE der Internabereich erweitert und die verbleibende vordere Arteriotomie direkt verschlossen (mittelfristig degradierbares Nahtmaterial)
Arterien
461
Abb.34-30: Eversionsendarteriektomie: Die ACI wird schräg an ihrem Abgang abgesetzt (a), evertierend ausgeschält (b), bei Bedarf gekürzt und reinseriert
Bei Knickstenose wird die ACI entsprechend gekürzt und reinseriert. Bei langstreckigen Stenosen der ACI bis an die Schädelbasis ist heute die Rekonstruktion durch Bypass (Vene/Prothese) möglich. Ein chronischer ACI-Verschluß gilt als inoperabel (Ausnahme: ausschließlich extrakranieller Verschluß. Alternativ kann dann in ausgewählten Fällen ein sog. extra-intrakranieller Bypass zwischen der A.temporalis superficialis und einem Gyrus-Ast der A.cerebri media (Kraniotomie!) durchgeführt werden. Operationsergebnisse: Letalität 1%, Schlaganfallrate (permanent) 1 - 2 % , Gesamtletalit/-Morbidität bis zu 3%. Schädigung des N. hypoglossus 5 10% (meist komplette Rückbildung). Weitere Nervenläsionen betreffen den Mundast des N. facialis, N. recurrens, N.vagus, N. glossopharyngeus (meist komplette Rückbildung).
• Kürzung und Reinsertion bei Knickstenose Chronischer ACI-Verschluß -»extra-intrakranieller Bypass zwischen A.temporalis superficialis und A.cerebri media Operationsergebnisse: • Gesamtletalit/-Morbidität bis zu 3% • extrakranielle Läsion von Hirnnerven fast immer komplette Rückbildung
1.6.1.1 Aortenbogenäste
Aortenbogenäste
Aortenbogensyndrom: Stenosen und Obliterationen von Truncus brachiocephalicus (TBC, häufig embolisierende Ulzerationen), linker A. carotis communis (ACC) und A.subclavia.
1. Aortenbogensyndrom = Obliteration und Stenose von Stammarterien des Aortenbogens, besonders: • Tr. brachiocephalicus • A.carotis comm. Ii. • A.subclavia Ii. 2. Takayasu-Syndrom = Aortenbogensyndrom wegen Panarteriitis
Aus funktioneller Sicht zählen auch die TBC-Abgänge, rechte ACC und A. subclavia dazu. Ursache: überwiegend AVK. Takayasu-Syndrom: Unspezifische chronische Panarteriitis mit Riesenzellen (j u n g e Frauen): Aortenbogensyndrom mit Sehstörungen und ausgelöschten Armarterienpulsen. Bei uns sehr selten, häufiger in Osteuropa und Ostasien. Subclavian-Steal-Syndrom (= Anzapfsyndrom der A. subclavia). Zahlenmäßig die größte Bedeutung haben Abgangsläsionen der A. subclavia (70 % links). Da hierbei auch der direkte Zufluß zu den Armen behindert ist, wird dieser retrograd über die gleichseitige Vertebralarterie (VA) perfundiert mit Zuflußzunahme bei Armbelastung (Steal-, = Entzugssyndrom). Der Zufluß beim Vertebralis-Steal erfolgt orthograd über die kontralaterale VA oder retrograd aus der A. basilaris (dadurch nicht selten zusätzlich ein klinisch wirksamer Entzug aus der Karotisstrombahn, besonders bei zusätzlicher ACI-Stenose, Abb. 34-31. Auch externo-vertebraler und karotido-subklavialer Entzug (sehr selten) sind möglich.
Subclavian-Steal-Syndrom
Vertebralis-Steal - vertebro-vertebraler Steal - vertebro-basilarer Steal - externo-vertebraler Steal - karotido-subklavialer Steal
462
34. Gefäßchirurgie
Symptome - stets reversibel - Schwindel - zentrale Sehstörungen (Doppelbilder) - zentrale Parästhesien - Ataxie, „drop-attacks" - Arm-Claudicatio Diagnose: - schwacher/fehlender Radialispuls - Stenosegeräusch über A. subclavia - Blutdruckdifferenz an den Armen - Strömungsumkehr gleichseitige VA (Doppler-Untersuchung) - Duplexsonographie (FKI) - Angiographie (i.a.DSAals Übersichtsund selektive Darstellung) Operationsindikation: • nur bei ausgeprägter Symptomatik • Abgangsstenosen der A. subclavia —> Angioplastie, evtl. mit Stent • ACI-Stenose zuvor korrigieren Operationsmethoden: a) extrathorakale und -anatomische Verfahren: • Karotis-Subklavia-Kunststoffbypass • Subklavia-Karotis-Transposition • subklavio-subklavialer Bypass • axillo-axillärer Bypass
b) transthorakale Verfahren bei Läsionen aller 3 Aortenbogenabgänge • Aorta-ascendens-Bypass Ergebnisse: • Letalität: extrathorakale Methoden 0%, transthorakale 4%. • Beschwerdefreiheit: > 90%
Symptome: Stets reversibel: Schwindel, zentrale Sehstörungen (Doppelbilder), zentrale Parästhesien, Ataxie und „drop attacks" sowie Arm-Claudicatio. Durch eine gute Kollateralenausbildung im Schultergürtelbereich ist eine Belastungssymptomatik des Armes oft nicht oder nur sehr gering ausgeprägt (typische Arm-Symptomatik bei „ Über-Kopf-Arbeiten"). Diagnose: Abgeschwächter oder ausgelöschter Radialispuls, auskultatorisch Stenosegeräusch über der A. subclavia, Blutdruckdifferenz an den Armen (> 20 mmHg ist pathologisch). Bei der Doppler-sonographischen Untersuchung zeigt sich eine Strömungsumkehr in der gleichseitigen VA. Duplexsonographie und Angio (i. a. DSA als Übersichts- und selektive A. zur Entscheidung einer Operationsindikation unabdingbar, gleichfalls Viergefäßdarstellung erforderlich). Differentialdiagnose: Kardial und otogen verursachten Schwindel abklären! Therapie: Operation nur bei ausgeprägter Symptomatik, diese wird jedoch häufig nicht erkannt oder fehlgedeutet. Abgangsstenosen der A. subvlavia (selten auch Läsionen des TBC) können durch Angioplastie behandelt werden (evtl. auch mit Stent). Eine gleichzeitige ACI-Stenose muß zuvor korrigiert werden. Oft ist die Anzapf-Symptomatik dadurch ausgeschaltet (Voraussetzung: guter intrakranieller Kollateralkreislauf). Operationsmethoden der Wahl sind heute die weniger belastenden extrathorakalen und -anatomischen Verfahren: • Karotis-Subklavia-Kunststofßypass (Abb. 34-32 a) bezogen auf die am häufigsten vorkommenden Läsionen an der A. subclavia und • Subklavia-Karotis-Transposition (Abb. 34-32b). Beide Methoden haben vergleichbare sehr gute Ergebnisse. Die VA wird danach wieder orthograd durchströmt. Weitere extraanatomische Bypassverfahren sind quer verlaufender subklavio-subklavialer und axillo-axillärer Bypass (hämodynamisch ungünstig). Ist kein extrathorakales Spendergefäß vorhanden (Läsionen aller 3 Aortenbogenabgänge) ist ein transthorakales Verfahren angezeigt (ca. 20%: transsternale Thorakotomie, heute nur als Bypassverfahren (Rohr/Y-Prothese mit Anzapfung der aszendierenden Aorta) zu einer oder mehreren extrathorakalen Arterien. Ergebnisse: Letalität der extrathorakalen Methoden nahezu 0 %, transthorakaler Eingriff bis zu 4 %. Beschwerdefreiheit und Strömungsnormalisierung bei beiden Methoden in > 90 %.
Circulus Willisii
Abb.34-31: Vertebro-vertebraler und karotidobasilarer Entzug bei Abgangsverschluß der linken A.subclavia, retrograde Perfusion der linken A.vertebralis (Subclavian-Steal-Syndrom)
Abb.34-32: a. Karotis-Subklavia-Bypass, b. Karotis-Subklavia-Transposition
Arterien
463
1.6.1.2 A.vertebralis
A. vertebralis
Die A. vertebralis (VA) wird in 4 Segmente eingeteilt (Abb. 34-33). Die Läsionen betreffen überwiegend VI als Abgangs- und Knickstenose (häufig kombiniert). Weitere Läsionen der VA in den Foramina intervertebralia der HWS (V2-Segment) bei degenerativen HWS-Veränderungen (primär häufig in orthopädischer Behandlung).
• • -
Symptomatik: heftiger Hinterkopfschmerz, Schwindel, Nystagmus, Ohrgeräusche, beidseitige Doppelbilder, Gefühlsstörungen der Hand, Ataxie, „drop attacks" und Sprachstörungen. Häufig geäußerte Beschwerden sind: unsicheres Gehen, taumelndes Gangbild wie unter Alkoholeinfluß, Gefühl, daß Zimmerdecke oder -wände bedrohlich auf einen zukommen. Die Symptome werden sehr häufig nicht erkannt oder fehlgedeutet. Diagnostik: Doppler-, Duplexsonographie, Angiographie der VA einschließlich der A. basilaris sowie der Karotisstrombahn. Therapie. Op. nur bei Erkrankung beider Arterien:
Symptomatik - heftiger Hinterkopfschmerz - Schwindel, Nystagmus, Tinnitus - beidseitige Doppelbilder - Gefühlsstörungen der Hand - Ataxie, „drop attacks" - Sprachstörungen Diagnostik - Doppler-Sonographie - Duplexsonographie - selektive Angiographie der VA, A. basilaris und Karotisstrombahn Operationsindikation nur bei Erkrankung beider Arterien
• VI-Läsion: Transposition des poststenotischen oder -elongierten Abschnittes der VA zur gleichseitigen ACC • V2-Läsionen: distaler Bypass (V3/4-Segment) mit Transposition der ACE oder der A. occipitalis zur VA oder Venenbypass von der ACC zur VA (Cl-Bypass).
4 Segmente Läsionen betreffen überwiegend V1/Abgang-/Knickstenose V2-Segment
Isolierte Ausschälplastiken und Patcherweiterungen am Abgang der VA ebenso wie die Rotationsplastik bei Coiling sind nicht mehr angezeigt. Ergebnisse: Bei der Transposition Letalität nahezu 0 %, neurologisches Defizit < 1 %. Komplikationsrate beim Cl-Bypass höher (3 %). Praxishinweis: Häufig besteht eine zu restriktive Einstellung gegenüber Operationen an der VA.
Ergebnisse: • neurologisches Defizit < 1 % • Letalität - Transposition ~ 0 % - C1-Bypass 3%
1.6.2 Obere Extremität 1.6.2.1 Kompressionsyndrome: TOS, A.cubitalis
Obere Extremität
Thoracic-outlet-Syndrom (TOS): Neurovaskuläre Kompressionssyndrome der oberen Thoraxapertur (Tab. 34-2). Betroffen ist die A. subclavia jenseits ihres Austrittes aus dem Thorax, oft vergesellschaftet mit Läsionen des Plexus brachialis und der V. subclavia. Ursachen: Skalenuslücke: Halsrippen-, Scalenus-anterior/minimus-Syndrom. Betroffen: Arterie, Plexus.
Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) = Kompression neurovaskulärer Strukturen im Bereich der oberen Thoraxapertur, betroffen sind: - A. subclavia - V. subclavia - Plexus brachialis
Kompressionssyndrome
Skalenuslücke (Halsrippensyndrom)
Kostoklavikularspalt (Kostoklavlkularsyndrom)
Pektoralls-mlnor-Enge (Korakopektoralsyndrom)
Abb. 34-33: Einteilung der A.vertebralis in 4 Segmente (V1-V4)
Abb.34-34: Thoracic-outlet-Syndrom (TOS): Dargestellt sind die physiologischen Engstellen Skalenuslücke, Kostoklavikularspalt und Pectoralis-minorEnge für das neurovaskuläre Bündel im Bereich der oberen Thoraxapertur (W.Hepp, 1996)
464
34. G e f ä ß c h i r u r g i e Tab. 34-2: Klinische Einteilung des TOS Ort der Kompression
Bezeichnung des Syndroms
1. Skalenuslücke
- Halsrippensyndrom - Syndrom der I.Rippe - Skalenussyndrom
2. Kostoklavikularspalt
-
3. Korakopektoralraum
- Korakopektoralsyndrom
Kostoklavikularsyndrom Hyperabduktionssyndrom
Physiologische Engstellen (Tab. 34-2): - Skalenuslücke - kostoklavikuläre Enge - Pectoralis-minor-Enge
Kostklavikularspalt: Kostoklavikularsyndrom (typische Venenkompression). Korakopektoralraum: Pectoralis-minor-Syndrom (= Hyperabduktionssyndrom), jeweils betroffen: Arterie, Vene, Plexus.
Andere Ursachen: - persistierende 7. Halsrippe - Skalenushypertrophie und-fibröse - Steilstellung der ersten Rippe - überschießende Kallusbildung bei Klavikulafraktur - Exostosen der ersten Rippe Symptome - Schmerzen lokal und ausstrahlend in den A r m - feinmotorische Störungen - Arm-Claudicatio
Weitere Ursachen: persistierende 7. Halsrippe (knöchern, knorpelig, ligamentär), Skalenushypertrophie (Gewichtheber), Skalenusfibrose (nach Muskelriß), Steilstellung der ersten Rippe (beim Astheniker), überschießende Kallusbildung oder Ausheilung in Defektstellung bei Klavikulafraktur, Exostosen der ersten Rippe.
Diagnose - Pulspalpation - AER-Test, Adson-Test - FK-Duplexsonographie - Röntgenaufnahme Thoraxapertur - Neurophysiologische Untersuchung • Untersuchungen in Normal- und Provokationsstellung • Diagnose häufig sehr spät gestellt Therapie - Physiotherapie bei asthenischem Habitus - bei vaskulärem oder nervalem Befall Entfernung der I.Rippe (und Halsrippe) - transaxillärer Zugang • alleinige Resektion der 7. Halsrippe oder alleinige Skalenotomie sind unzureichend
Skalenuslücke und kostoklavikuläre Enge sind die wichtigsten physiologischen Engstellen (Abb. 34-34).
Symptome: lokale Schmerzen, Schmerzausstrahlung in die Peripherie, N. ulnaris-Irritation, feinmotorische Störungen aufgrund von Lähmungen der kleinen Handmuskeln, Arm-Claudicatio (bes. bei „Über-Kopf-Arbeiten"), Muskelkrämpfe und Umfangvermehrung bei venösem Schultergürtel-Syndrom (auch bezeichnet als Thoracic-inlet-Syndrom = TIS), Armvenenthrombose (Thrombose der A. axillaris/subclavia = Paget-v. SchroetterSyndrom = thrombose d'effort). Diagnose: Bei arterieller Behinderung Pulsabschwächung oder -ausfall in Normal-/Provokationsstellung (s. AER- und Adson-Test, S.436). Stenosegeräusch (in Normalstellung unauffällig, in Provokationsstellung nachweisbar), Thrombosezeichen bei V. subclavia-Thrombose. Nachweis durch FK-Duplexsonographie und Angiographie in Normal- und Provokationsstellung, Röntgenaufnahme der oberen Thoraxapertur (7. Halsrippe), neurophysiologische Untersuchung. Die Diagnose wird häufig erst sehr spät gestellt (ca. 4,3 Jahre nach Symptomatikbeginn - daran denken!). Therapie: Physiotherapie bei asthenischem Habitus zur Stärkung der Schultermuskulatur immer angezeigt, Voraussetzung: keine Gefäßveränderungen. Bei ausgeprägten vaskulären Zeichen (Stenose, Aneurysma, Mikroembolisation, Venenverschluß) und neurologischen Komplikationen Entfernung der Hals- und 1. Rippe. Der transaxilläre Zugang ist weniger traumatisierend als der supra- oder infraklavikuläre (s. Abb.34-35). Die alleinige Resektion einer 7. Halsrippe wie auch alleinige Skalenotomie sind unzureichend.
1. Rippe
Abb.34-35: Thoracic-outlet-Syndrom (a), Entfernung der 1. Rippe durch transaxillären Zugang. Hierdurch werden Skalenuslücke und Kostoklavikularspalt dekomprimiert (b)
465
Arterien Praxishinweis: Häufigster Fehler ist die unzureichende Resektion der ersten Rippe mit langen ventralen und dorsalen Stümpfen. Ergebnisse: Bei kompletter Dekompression der Engstellen in ca. 90 % gut. Neurologische Symptomatik meist ungünstiger wegen zu lange bestehender Schädigung.
Ergebnisse in 9 0 % gut
Kompressionssyndrom der A. cubitalis. Physiologische Enge beim Gefäßdurchtritt unter d e m Lacertus fibrosus des M. biceps brachii (rein arteriell!). Bei kräftiger Muskelausprägung kann es zur Arterienkompression zwischen Lacertus und M. pronator teres (Supination, Flexion) k o m m e n - daran denken!
Kompressionssyndrom der A. cubitalis Enge beim Durchtritt der A. cubitalis unter dem Lacertus fibrosus rein arteriell! Wichtig: daran denken! Therapie - Dekompression durch Lacertusspaltung
Therapie: Dekompression durch Lacertusspaltung, evtl. auch Einkerbung des M. pronator teres.
1.6.2.2 Armarterien Arteriosklerotische Veränderungen ausgesprochen selten.
Armarterien der Armarterien distal des Abganges der VA sind
Arteriosklerotische Veränderungen der Armarterien selten
Größere Bedeutung hat der M. Raynaud (primär) bzw. das Raynaud-Syndrom (sekundär). M.Raynaud: = primäre spastische Vasomotionsstörung ohne organische Ursache. Symptome: anfallsweiser Vasospasmus der Digitalarterien, oft symmetrisch, durch Kälte und psychische Erregung auslösbar („digitus mortuus" = weißer Finger, ca. 30 min andauernd, anschließend oft eine tiefviolette, stark schmerzende Verfärbung als Ausdruck der postischämisch reaktiven Hyperämie), 80 % junge Frauen.
1. M.Raynaud (primär) = primäre spastische Vasomotionsstörung: - ohne organische Ursache - ohne organische Veränderungen
Raynaud-Syndrom = organische akrale Gefäßerkrankung, entweder Erkrankung der Gefäßwand wie bei Kollagenosen und Autoimmunerkrankungen (Sklerodermie, Dermatomyositis, Periarteriitis nodosa, Lupus erythematodes, Endangiitis obliterans), oder Digitalarterienverschlüsse aufgrund rezidivierender Embolien (kardial, vorgeschaltete Strombahn: Aorta ascendens, Aortenbogen, meist aus poststenotischem Aneurysma bei TOS/ca. 20%). Auch Kälteagglutinine, leukämische Erkrankungen kommen in Frage. Die Klinik des Raynaud-Syndroms ist meist nicht so ausgeprägt wie die des M. Raynaud.
Raynaud-Phänomen (sekundär) = akrale organische Gefäßerkrankung
Diagnose: Ausschluß eines TOS, röntgenologische Ösophagusdarstellung (Sklerodermie), Labor: BSG, großes Blutbild, Kälteagglutinine, antinukleäre und antimitochondriale Antikörper, C-reaktives Protein. FK-Duplexsonographie zur Beurteilung der organischen Wandveränderungen, bei Verdacht auf vorgeschaltete Arterienerkrankungen zentrale und periphere Angiographie.
Diagnose - TOS ausschließen - Rö.-Ösophagus - Labor - FKDS, Angiographie
Therapie. M. Raynaud: Vasodilatanzien, Nitroglycerin (lokal als Salbe oder Pflaster), Prostaglandin E,. Nur bei Therapieversager thororakale Sympathektomie. Raynaud-Syndrom: Ausschaltung des Embolusstreuherdes u. a. Ursachen. Ebenfalls medikamentöser Therapieversuch, bei Scheitern thorakale Sympathektomie.
Therapie • M . Raynaud: - Vasodilatanzien - Nitroglycerin, PGE, • Raynaud-Syndrom - Embolusstreuherd ausschalten
1.7 Nierenarterien (NA)
Nierenarterien
Ursache der NA-Stenosen sind in 70 % eine AVK, in 25 % fibromuskuläre Hyperplasie und in 5 % sonstige Läsionen: NA-Aneurysma, AV-Fistel, externe Kompression, kongenitale Hypoplasie, Embolie. Die arteriosklerotische NA-Stenose befällt überwiegend das proximale Drittel, selten den peripheren Abschnitt. In dieser Lokalisation (mittlerer Abschnitt und Segmentarterien) liegt häufiger eine fibromuskuläre Dysplasie vor (s.S.433). Der poststenotische Druckabfall löst im juxtaglomerulären A p p a r a t die Sekretion von Renin aus, das über den Angiotensin-Mechanismus eine renovaskuläre Hypertonie ( R V H ) erzeugt (Goldblatt-Mechanismus, etwa 5 % aller Hypertoniker).
Ursachen der NA-Stenosen
Renovaskuläre Hypertonie • etwa 5 % aller Hypertoniker (unter 40 Jahre)
466
Diagnostik: - i.a.DSA (Standard) - Spiral-CT - FK-Duplexsonographie - Nierensequenzszintigraphie (seitengetrennt) - Reninbestimmung - röntgenologische Beurteilung der Nierengröße (i.a.DSA) Therapie: • Operationsindikation bei: - Versagen medikamentöser Therapie - drohendem Nierenfunktionsverlust - Gefahr des NA-Verschlusses bei hochgradiger Stenose • Ziel der Op.: - Verbesserung der arteriellen Hypertonie - Erhaltung/Besserung der Funktion • überwiegend Behandlung durch Angioplastie • Operation Methode erster Wahl bei: - NA-Aneurysma - kombinierten Läsionen - an der NA selbst - an der NA und Aorta - an der NA und viszeralen Arterien - NA-Stenose einer Einzelniere
Ergebnisse: • Letalität 1-2% • funktionelles Langzeitergebnis: - Hochdrucknormalisierung 59% - Hochdruckbesserung 33% - Organerhalt 90%
34. Gefäßchirurgie Bei unter 40jährigen Hypertonikern muß daher an eine RVH gedacht werden, bei jedem zweiten sind beide Nierenarterien betroffen. Diagnostik: Im Vordergrund stehen i.a.DSA (Standard), Spiral-CT mit dreidimensionaler Darstellung, farbkodierte Duplexsonographie. Weitere Diagnostik zur Nierenfunktion: • Nierensequenzszintigraphie mit seitengetrennter Clearance • seitengetrennte Reninbestimmung in den Nierenvenen: ein Quotient von >1,5 ist beweisend • röntgenologische Beurteilung der Nierengröße als Funktionsparameter (kleinerer Längsdurchmesser der betroffenen Niere von über 1,5 cm), in der DSA beurteilbar. Operiert wird bei: • Versagen einer medikamentösen Behandlung (Dreiermedikation) • drohendem Nierenfunktionsverlust • Gefahr des NA-Verschlusses bei hochgradiger Stenose • lokaler Operabilität (periphere Strombahn frei). Ziele sind die Verbesserung der arteriellen Hypertonie und die Erhaltung der Organfunktion. Überwiegend wird die NA-Stenose heute durch Angioplastie behandelt (geringes Risiko), dennoch werden die Indikationen zur Angioplastie bzw. Operation äußerst kontrovers diskutiert. Die Operation (Abb. 34-36) ist Methode der Wahl bei • NA-Aneurysma und kombinierten Läsionen an der NA selbst (Stenose + Aneurysma, proximale + weit periphere Stenose), an der NA und Aorta bzw. viszeralen Arterien, • bei NA-Stenose einer Einzelniere. Bei Versagen der Angioplastie ist die Operation ebenfalls indiziert. In kritischen Situationen muß die Angioplastie unter operativer Bereitschaft erfolgen. Ergebnisse: Letalität 1-2 %, funktionelles Langzeitergebnis mit 59 % Hochdrucknormalisierung, 33 % Hochdruckbesserung, 90 % Organerhalt. Die fibromuskuläre Dysplasie schneidet dabei besser ab als die AVK.
Trombendarteriektomie u. Patch-Plastik
! |
^ VB/
Reinsertion
interponierte
Bypass
©
Abb.34-36: Operationstechniken bei Nierenarterienstenose: a. TEA und Patchplastik, b. Reinsertion, c. Bypass bei fibromuskulärer Hyperplasie, d. Transaortale TEA und Direktverschluß, e. Brückentransplantat bei simultaner Y-Prothese bei Aortenaneurysma
467
Arterien 1.8 Viszeralarterien
Viszeralarterien
Die 3 Eingeweidearterien (Truncus coeliacus, Aa. mesentericae sup. et inf.) stehen durch zahlreiche Kollateralen miteinander und mit der A. iliaca int. in Verbindung (Abb. 34-37). Abgangsstenosen bzw. -verschlösse sind bei der Angiographie oft Zufallsbefunde, asymptomatisch und meist arteriosklerotischer Natur. Die proximale Läsion der A.mesenterica sup. kann postprandiale krampfartige Bauchschmerzen (= Angina abdominalis) und eine chronische Malabsorption verursachen. Bei der Auskultation evtl. Stenosegeräusch. Sicherung der Diagnose immer durch selektive Angiographie. Bei Beschwerdefreiheit besteht keine Operationsindikation, sonst sind ein aorto-mesenterialer Venen-Bypass, Reinsertion der A. mesenterica sup. in die Aorta oder Lienalis-Mesenterika-Bypass (nach Splenektomie) angezeigt. Chronische Verschlüsse des Truncus coeliacus haben wegen guter Kollateralisation geringere Bedeutung. Nur bei ausgeprägter Symptomatik aortozöliakaler (Dacron), selten aorto-lienaler Bypass. Die TEA ist heute nicht mehr üblich.
- Stenosen der Eingeweidearterien sind oft Zufallsbefunde
Spezifisch ist ein neurovaskuläres Kompressionssyndrom des Truncus coeliacus, verursacht durch den Hiatus aorticus. Diagnose durch FK-Duplexsonographie und Angiographie (seitlicher Strahlengang!). Nach Spaltung der Zwerchfellzwinge meist Besserung der uncharakteristischen intermittierenden Oberbauchschmerzen. Selten ist ein Bypass notwendig (bei fibrösen Gefäßveränderungen). Stenosen und Verschlüsse im Stammbereich der A.mesenterica inf. werden gut kollateralisiert (Riolan-Anastomose, s.Abb.34-37). Eine offene A.mesenterica inf. sollte bei der Operation eines Aortenaneurysmas immer reinseriert werden, wenn der aneurysmatische Prozeß/AVK auch die A. iliaca int. (ein-/beidseitig) betrifft. Ein guter Rückfluß spricht für gute Kollateralisation. Akute Viszeralarterienverschlüsse betreffen in über 90 % die A. mesenterica sup. Es kommt zum Mesenterialinfarkt, der ohne Operation tödlich endet. Embolie: arterielle Thrombose = 2 : 1 . Bei arterieller Thrombose sind revaskularisierende Noteingriffe meist nicht mehr möglich, es bleibt nur noch die Darmresektion. Aber auch bei der
Truncus coeliacus A. pancreaticoduodenal ! / V
A. mes.sup. A. mes. inf.
sudeck\ V \ J v
A. iliaca inf.
J 1
Abb.34-37: Viszero-viszerale Kollateralen. Truncus coeliacus - A. mesenterica sup.: über A. hepatica comm., A. gastroduodenalis, A. pancreaticoduodenal^ sup. und inf. A.mesenterica sup. - A.mesenterica inf.: über A.colica media und A.colica sinistra (Riolan). A.mesenterica inf. - A. iliaca int.: A.rectalis sup. und A.rectalis media (Sudeck)
-> keine Op.-Indikation
- meist Arteriosklerose
A. mesenterica superior • Angina abdominalis • Malassimilation • Diagnose: Angiographie • Operation
- aorto-mesenterialer Bypass - Reinsertion der A. mesenterica sup. in die Aorta - Lienalis-Mesenterika-Bypass Truncus coeliacus Operation:
- aorto-zöliakaler Bypass - aorto-lienaler Bypass • neurovaskuläres Kompressionssyndrom - Ursache: enge Zwerchfellzwinge des Hiatus aorticus - Diagnose: FK-Duplexsonographie, Angiographie im seitlichen Strahlengang - Operation: Spaltung der Zwerchfellschenkel, selten Bypass Ä. mesenterica inferior
Akute Viszeralarterienverschlüsse
- meist nur Darmresektion - zu späte Diagnose —> schlechte Prognose
34. Gefäßchirurgie
468
Mesenterikaembolie wird die Diagnose überwiegend erst im Stadium des akuten Abdomens (Durchwanderungsperitonitis) gestellt. Nur die frühzeitige Diagnose (evtl. Angiographie, Probelaparotomie, Lactatbestimmung i. S.) und sofortige Laparotomie kann die meist desolate Prognose verbessern. Arteriovenöse Fisteln
1.9 A r t e r i o v e n ö s e Fisteln
• • -
Ätiologisch Einteilung in 4 Gruppen: Traumatische AV-Fisteln: penetrierende Verletzungen, betreffen Arterie und Vene in identischer Höhe. Lokalisation: in ca. 50 % an unterer Extremität, 26% an oberer Extremität, 23% Kopfarterien, 2% Stammarterien (s. Kap. 44.3, S. 905).
traumatische AV-Fisteln iatrogene AV-Fisteln häufiger vorkommend v.a. bei Herzkatheteruntersuchung
Iatrogene AV-Fisteln stellen eine zahlenmäßig zunehmende Sonderform der traumatischen Fisteln dar. Sie entstehen unbeabsichtigt durch ärztliche Diagnostik und Therapie. Ursache: intraoperative scharfe Verletzung benachbarter Gefäße, Sammelligatur von Arterie und Vene, Arterientransplantation mit fälschlicher Reinsertion in die Vene (ausgesprochene Rarität) und Punktionsverletzungen (Angiographie), letztere besonders beim Herzkatheter. Entwicklung zum AV-Aneurysma ist möglich. Therapie: Separation von Arterie und Vene mit Verschluß der Punktionsstellen (meist Direktnaht), in geeigneten Fällen (inguinale AV-Fistel nach Herzkatheter, frische Läsion) auch durch ultraschallgesteuerte lokale Kompression verschließbar. • spontane AV-Fistel
Spontane AV-Fisteln bei Erkrankung der Arterie: Aneurysma (früher luetisches und mykotisches A., heute AVK), gefäßreiche Tumoren, AV-Fisteln in der Lunge in Metastasen, Leberzirrhose, Schistosomiasis, M.F.P.Weber: ca. 50 % der Patienten.
• konnatale Fisteln - Ductus arteriosus apertus
Konnatale AV-Fisteln. Häufigste Form ist der offene Ductus arteriosus Botalli. Ein Teil der erworbenen AV-Fisteln entwickelt sich auf dem Boden einer konnatalen Gefäßdysplasie (späte Ruptur von AV-Septen).
3 -
Hinsichtlich der Morphologie lassen sich 3 Formen unterscheiden: • lokalisierter direkter Shunt (z. B. Ductus arteriosus), • generalisierte Form, einen ganzen Extremitätenabschnitt betreffend (M.OslerRendu-Weber), • lokalisierte, tumoröse Form (Rankenangiom der Kopfschwarte, „Medusenhaupt", häufiger Gehirn betreffend = Längsachsen-Kurzschluß mit kavernösen Hohlräu-
Formen: lokalisierter direkter Shunt generalisierte Form lokalisierte, tumoröse Form
- kongenitale Angiodysplasien an den Extremitäten: Typ F.P.Weber, KlippelTrenaunay, Servelle-Martorell
Wertigkeit gewinnen in diesem Rahmen die kongenitalen Angiodysplasien an den Extremitäten:
-
Symptome und Diagnose: Für alle AV-Fisteln gelten folgende typische Symptome:
Symptomatik: (akute) Hypovolämie Erhöhung des Blutvolumens Rechtsherzbelastung arterielle und venöse Distension eventuelle Mangeldurchblutung venöses Stauungsulkus kardiale Insuffizienz, Herzvergrößerung Umwandlung in ein AV-Aneurysma
• M.F.P.Weber: AV-Fistel, proportionierter Riesenwuchs (selten), Naevus pigmentosus oder flammeus, • Klippel-Trenaunay-Syndrom: venöse Anomalien (Avalvulie, Aplasie oder Hypoplasie des tiefen Venensystems), Varizen, proportionierter Riesenwuchs, Naevus flammeus, • Typ Servelle-Martorell: Hämangiomatose, proportionierter Minderwuchs, blaue Verfärbung.
(akute) Hypovolämie durch Versacken des Blutvolumens in das venöse Niederdrucksystem (= „Verblutung" nach innen bei akuter Entstehung und großer Fistelöffnung), Erhöhung des Blutvolumens (101 und mehr, Rechtsherzbelastung), arterielle und venöse Distension und Mangeldurchblutung (Angina abdominalis, venöses Stauungsulkus im Bereich der Extremitäten, kardiale Insuffizienz und Herzvergrößerung (chronisch erhöhtes HMV), Umwandlung einer AV-Fistel in ein AV-Aneurysma, aorto-portale Fistel -> Ösophagusvarizenblutung.
469
Arterien Differentialdiagnose: Einseitig ausgeprägte Varizen bei sehr jungen Menschen müssen an konnatale AV-Fisteln denken lassen! (Hinweise: AV-Fistelgeräusch, Nicoladoni-Branham-Test: bei Kompression der zuführenden Arterie Bradykardie (geringeres Shuntvolumen).
- DO: einseitig ausgeprägte Varizen bei sehr jungen Menschen müssen an konnatale AV-Fisteln denken lassen! - AV-Fistelgeräusch - Nicoladoni-Branham-Test
Spezialuntersuchungen: Bestimmung des HMV, Röntgenuntersuchung des Thorax: Herzgröße!), Angiographie.
Therapie: Größere AV-Fisteln werden operiert oder embolisiert. Eine absolute Operationsindikation besteht bei Ruptur einer aneurysmatischen Fistel, bei kardialen Symptomen (zentrale Fisteln) und bei lokalen Komplikationen: Ulkusblutung, arterielle Thrombose. Operationsverfahren: Separation bei größeren Gefäßen, bei kleineren kann eine Vier-Punkte-Ligatur von Arterie und Vene proximal und distal angezeigt sein (zuvor ausreichende periphere Durchblutung abklären), Skelettierungsoperation der großen Arterien (= langstreckige Separation) bei M. F. P.Weber. Interventionelle Embolisierung: in der Seidingertechnik Verödung bzw. Thrombosierung der Fisteln. Operationsletalität und Langzeitprognose hängen von der Grunderkrankung ab. Konnatale AV-Fisteln sind bisweilen inoperabel, eine Amputation ist dann oft nicht zu vermeiden.
- Therapie: absolute Op.-Indikationen - Ruptur einer aneurysmatischen Fistel - kardiale Symptome - lokale Komplikationen Behandlungsmethoden: 1. Operation - Separation bei größeren Gefäßen - Vier-Punkte-Ligatur von Arterie und Vene - Skelettierungsoperation 2. Interventionelle Embolisierung - konnatale AV-Fisteln bisweilen inoperabel —> Amputation dann nicht zu vermeiden
1.10 Dialyseshunt
Dialyseshunt
Für die chronische Hämodialyse bei terminaler Niereninsuffizienz (Dialyse 3 x /Woche) bedarf es eines sicheren, hämodynamisch ausreichenden und mit 2 Kanülen gut zu punktierenden Gefäßzuganges (Shunt-Volumen 200 ml/min). Dafür reichen oberflächliche Venen nicht aus, so daß eine AV-Fistel notwendig ist. Da Hämodialysepatienten heute eine deutlich verbesserte Lebenserwartung haben (ca. 50 % der Normalbevölkerung) muß mit den zur Verfügung stehenden Gefäßen sehr sparsam umgegangen werden. Jede Punktion bedeutet für die Dialysefistel ein Trauma, daher haben sie nur eine begrenzte Funktionsdauer, Neuanlagen und Revisionseingriffe sind sehr häufig. Man verwendet heute die direkte a-v-Fistel (Anastomose Vene - Arterie, Abb. 34-38) und ein AV-Interponat (PTFE-Prothese).
Chronische Hämodialyse bei terminaler Niereninsuffizienz benötigt einen - sicheren, hämodynamisch ausreichenden und - gut punktablen Gefäßzugang (ShuntVolumen 200/min). - jede Punktion bedeutet für die Dialysefistel ein Trauma -> nur begrenzte Funktionsdauer -> Neuanlagen und Revisionseingriffe sehr häufig Dialyseshunt-Modifikationen • Direkte AV-Fistel, z. B. - Cimino-Brescia-Fistel - Ulnarisfistel - Brachialisfistel • Arterio-venöse Interponate (PTFE) - Unter- und Oberarm - Oberschenkel Schleife oder gestreckte Form
Abb. 34-38: Dilatierte V.cephalica am Oberarm (nach Brachialisfistel)
1.11 Vaskuläre Tumorchirurgie
Vaskuläre Tumorchirurgie
Unterschieden wird zwischen primären Gefäßtumoren (= Gefäßwandtumoren) und onkologischen Tumoren, die wichtige Organ- bzw. Extremitätenarterien und -venen einbeziehen. Die Arterie ist nur selten stenosierend oder gar okkludierend betroffen, während dies an den Venen häufig auftritt. Von der Gefäßwand ausgehende gut- und bösartige Tumoren zählen zu den großen Seltenheiten. In ihrer semimalignen und malignen Form kommen sie häufig erst im Stadium ausgedehnter Ausbreitung zur Aufnahme. Behandlungsprinzip: Resektion der erkrankten Gefäßstrecke und Gefäßersatz (Arterie: immer, Vene: bei vorliegendem Venenverschluß nur Resektion).
Unterscheidung von • primären Gefäßtumoren • sekundären = onkologischen Tumoren mit Einbeziehung wichtiger Organ- oder Extremitätenarterien und -venen
34. Gefäßchirurgie
470 Glomustumoreri der Carotisgabel Tumoren mit Gefäßbefaii Einsatz gefäßchirurgischer Techniken in der onkologischen Chirurgie: Verbesserung der Lebensqualität -> Radikalitätsgewinn, höhere kurative Quote
Die extravasalen Glomustumoren der Karotisgabel können meist ohne Gefäßresektion exstirpiert werden. Die ACE muß dabei jedoch oft, operationstechnisch bedingt, geopfert werden. In der Onkologie galten Tumoren mit Gefaßbefall bis vor kurzem als inoperabel oder zumindest nicht mehr kurativ therapierbar. Durch die zunehmende Entwicklung gefäßchirurgischer Techniken hat sich aber in manchen Bereichen ein Wandel vollzogen. Durch den zusätzlichen Einsatz gefäßchirurgischer Verfahren ist heute in zwar bescheidenem Ausmaß - in manchen Körperregionen eine operative Behandlung möglich, die entweder zumindest eine Verbesserung der Lebensqualität oder durch Radikalitätsgewinn eine höhere kurative Quote ermöglicht. Dies betrifft besonders Weichteiltumoren an den Extremitäten (En-bloc-Resektion mit Gefäßersatz). Auch Knochentumoren an der unteren Extremität können mit Hilfe der Umkehrplastik nach Borggreve unter Mitresektion der Gefäße und anschließender Stumpfreanastomosierung den Gewebeverlust reduziert halten. Gefäßchirurgische Techniken haben auch Einzug gehalten in die onkologische Chirurgie auf allgemeinchirurgischem, urologischem, HNO-ärztlichem und lungenchirurgischem Gebiet.
Chirurgie der Venen
2. Venen
- ca. 85% des Blutvolumens zirkuliert im venösen System An den Extremitäten 2 parallele Venensysteme: • tief/intrafaszial • oberflächlich/extrafaszial Unterschieden werden
Klinische Anatomie. 85 % des Blutvolumens befindet sich im venösen System. A n den Extremitäten existieren 2 parallele Systeme: tief/subfaszial und oberflächlich/epi- oder extrafaszial. 90 % des Blutes fließt über das tiefe und 10 % über das oberflächliche System ab. Unterschieden werden Leitvenen (tiefe Hauptvenen) und Muskelvenen (am Unterschenkel besonders wichtig: Soleus- und Gastrocnemiusvenen) Stammvenen: extrafaszial: Vv. saphena magna et parva mit Seitenästen Perforansvenen: Querverbindungen zwischen tiefem und oberflächlichem System mit klappenwärts gerichtetem Blutstrom zur Tiefe, ca. 150 Venen bekannt —> 3 Gruppen sind klinisch besonders wichtig (Abb. 34-39).
DoddGruppe
Linton Linie
Boyd-Vene
Cockett-
ÍGruppe
Abb. 34-39: Wichtige Perforansvenen
Abb.34-40: Stammvarikose
der V. saphena magna: Stadien I—IV
Venen
471
2.1 Variköse
Variköse
Definition: Ausgedehnte Varizen, besonders an den Beinen (Krampfadern). Man unterscheidet • primäre V. bei nicht erkranktem tiefem Venensystem und sekundäre V. nach thrombotischem Verschluß der tiefen Venen (dann Strömungsumkehr in den Perforansvenen mit sekundärer Klappeninsuffizienz) und AV-Fisteln (Jugendliche).
= Varizenbildung • primäre Variköse • sekundäre Variköse
Epidemiologie: Fast jeder Zweite jenseits des 50. Lebensjahres leidet an Varizen oder ihren Folgen. Entsprechend hoch ist die sozialmedizinische Bedeutung.
Epidemiologie - fast jeder Zweite jenseits des 50. Lebensjahres leidet an Varizen oder ihren Folgen -» hohe sozialmedizinische Bedeutung Ätiologie (disponierende Faktoren): - Übergewicht - berufliche Belastung (langes Stehen) - Schwangerschaft - genetische Faktoren Funktionell-dynamische Betrachtungsweise -> Konzept der Rezirkulationskreise Stammvenen • V. saphena magna • V. saphena parva • proximaler Insuffizienzpunkt = Beginn des Krankheitsgeschehens • distaler Insuffizienzpunkt -»konjugierte Seitenastvarikose —> Verbindung zum Einstromgebiet von Perforansvenen • sekundäre Femoral- und Poplitealveneninsuffizienz
Ätiologie: Disponierende Faktoren sind: Übergewicht, berufliche Belastung (langes Stehen bei Friseuren, Verkäuferinnen, Chirurgen u. a.), Schwangerschaft (hormonelle Einflüsse), genetische Faktoren. Die primäre Variköse wurde früher als isolierte Erkrankung des extrafaszialen Venensystems angesehen (rein morphologische Betrachtung). Durch die moderne funktionell-dynamische Betrachtungsweise hat sich Grundlegendes geändert. Aktuelles Konzept der Rezirkulationskreise: „pathologisch-venöser Kreislauf im Bereich der unteren Extremität, in den eine varikös veränderte Stammvene ganz oder teilweise einbezogen ist". Davon sind „alle" Venen der Extremität mehr oder minder beeinträchtigt. Im extrafaszialen Bereich geht dies an den Stammvenen (V. saphena magna und V. saphena parva sowie ihren Seitenästen) und den Perforansvenen vonstatten. Unterschieden wird zwischen proximalem Insuffizienzpunkt als Beginn des Krankheitsgeschehens (das Blut fließt retrograd aus dem tiefen System in die extrafasziale Stammvene) und distalem Insuffizienzpunkt (hier beginnt über eine konjugierte Seitenastvarikose eine Verbindung zum Einstromgebiet von Perforansvenen, das Blut wird über das tiefe Venensystem zentralwärts abgeleitet und tritt am proximalen Insuffizienzpunkt wieder in den Rezirkulationskreis ein, sog. Privatkreislauf. Dies führt zu einer zunehmenden Erweiterung des oberflächlichen Venensystems, der Perforansvenen und schließlich auch des tiefen Systems mit zunehmender relativer Klappeninsuffizienz (sekundäre Femoral- und Poplitealveneninsuffizienz). Von hier leitet sich die Forderung nach einer frühzeitigen Unterbrechung des Rezirkulationskreises ab, um einen weitergehenden Schaden am Venensystem zu vermeiden.
Einteilung: Stammveneninsuffizienz = Stammvarikose: proximaler Insuffizienzpunkt immer an der Krosse = Mündungsklappe der V.s.m. in die V. femoralis communis bzw. V. s. p. in die V. poplitea (Abb. 34-40,41), inkomplette Stammvarikose vom Seitenasttyp: proximaler Insuffizienzpunkt an Seitenast oder Perforansvene (z.B. vom Dodd-Typ, Abb. 34-42): hier ist ein proximales Stammvenensegment suffizient.
Klassifikation
4=
Die Stammveneninsuffizienz der V.s.m. wird in 4 (Abb.34-40) und die der V. s. p. in 3 Abschnitte (Abb. 34-41) eingeteilt. Praxishinweis: Je weiter peripher der distale Insuffizienzpunkt gelegen ist, desto ungünstiger ist die Prognose. Am Ende steht die sekundäre Femoralvenen- und Poplitealveneninsuffizienz (mit Dilatation, Schlängelung und retrogradem Fluß auch im tiefen Venensystem), die zu erheblichen Komplikationen führt.
Je weiter peripher der distale Insuffizienzpunkt gelegen ist, desto ungünstiger ist die Prognose
2.1.1 Symptomatik
Symptomatik
Primäre Varizen verursachen relativ lange keine oder nur geringfügige Beschwerden: bei längerem Stehen können Schwere- und Spannungsgefühl auftreten, „restless leg", krampfartige Wadenschmerzen, besonders nachts und bei warmem Wetter ausgeprägter. Sie bilden sich bei Bewegung und Beinhochlagerung zurück. Aufgrund der relativen Beschwerdefreiheit kommen viele Patienten, zumal Männer, sehr häufig erst im Stadium der Dekompensation. Varizen sind in einem hohen Prozentsatz aber auch ein kosmetisches Problem.
1. Primäre Varizen: • lange asymptomatisch • Schwere- und Spannungsgefühl • nächtliche Wadenkrämpfe Symptome bilden sich bei Bewegung oder Beinhochlagerung zurück • Varizen sind ein kosmetisches Problem
34. Gefäßchirurgie
472
/V
Abb.34-41: Stammvarikose der V. saphena parva: Stadien l-lll
2. Sekundäre Variköse • ausgeprägtere Symptomatik aufgrund des behinderten Abflusses
„Blow-out-Vene" ransvene
• insuffiziente Perfo-
Abb.34-42: Inkomplette Stammvarikose vom Seitenasttyp/Dodd-Typ
Die sekundäre Variköse hat eine ausgeprägtere Symptomatik aufgrund des behinderten Abflusses: Schwellung, Schmerzen, ekzematöse Veränderungen mit Juckreiz, Pigmentationen, Pachydermie, Ulcus cruris. Das Ulkus ist an der distalen medialen Unterschenkelseite gelegen, auch andere Lokalisationen sind möglich, sprechen bei lateraler Position jedoch für eine kombinierte arteriell-venöse Genese. In späten Phasen dann Übergang zur „Gamaschenulzeration". Typisch „Blow-out-Vene": bei insuffizienter Perforansvene (meist Cockett) mit schuppender Stauungsdermitis (Rammeffekt des Blutstromes aus der Tiefe durch insuffiziente Perforansvene).
Diagnose
2.1.2 Diagnose und Differentialdiagnose
- Inspektion, Palpation - Druckschmerz über der Faszienlücke (insuff. Perforansvene) - Trendelenburg-Test, Perthes-Test - CW-Doppler-Sonographie - FK Duplexsonographie - Venenverschlußplethysmographie - aszendierende Bein-Preßphlebographie - deszendierende Phlebographie - Venendruckmessung
Varizen sind sichtbar, die Lokalisation also bekannt. Palpation der Stammvenen, Seitenäste und vor allem insuffizienten Perforansvenen (Druckschmerz über deutlich verbreiterter Faszienlücke), retrograder Blutflußanprall über insuffizienter inguinaler Krosse bei Husten palpierbar. • Trendelenburg-Test: Der liegende Patient hebt das Bein, die Varizen werden leer gestrichen und unterhalb der Leiste eine Staubinde angelegt. Füllt sich nach Aufstehen die V. s. m. rasch, besteht eine Perforansinsufflzienz. Bleibt sie aber für ca. 15 sec leer und füllt sich erst nach Lösen der Staubinde rasch von proximal nach distal: Krosseninsuffizienz. Gleiches Vorgehen am Unterschenkel bei der V. s. p. • Perthes-Test: Beim stehenden Patienten Anlegen einer Staubinde in Oberschenkelmitte, Umhergehen des Patienten (1-2 min). Entleeren sich dabei die Varizen, sind die tiefen Venen durchgängig. Bleiben sie gefüllt, besteht eine Perforansinsufflzienz. Nimmt die Füllung unter gleichzeitiger Schmerzangabe zu, spricht dies für eine tiefe Abstrombehinderung. Durch Anlegen weiterer Staubinden am Unterschenkel lassen sich insuffiziente Perforantes genauer lokalisieren.
Wichtiger als diese Tests sind heute nichtinvasive und invasive Untersuchungen: CW-Doppler-Sonographie: Bestimmung der Flußrichtung in den Stamm-, Perforans- und Leitvenen: proximaler und distaler Insuffizienzpunkt und insuffiziente Perforansvenen werden klar lokalisiert.
Venen
473
FK-Duplexsonographie: zeigt zusätzlich das morphologische Bild (thrombotische Verschlüsse im tiefen System). Venenverschlußplethysmographie: Bestimmung von Venenkapazität und -abstrom. Aszendierende Bein-Preßphlebographie: immer noch die wichtigste Untersuchung, besonders bei inkompletter Stammvarikose und postthrombotischem Syndrom. Transfemorale deszendierende Phlebographie (Straub-Technik): häufig als Katheter-Phlebographie zur Refluxdiagnostik. Periphere (blutige) Venendruckmessung am stehenden Patienten: indiziert in jedem Fall zur Indikationsentscheidung beim postthrombotischen Syndrom.
2.1.3 Therapie
Therapie
N e b e n operativen und Sklerosierungsverfahren werden konservative Methoden angewandt. Operation: Insuffiziente Stammvenenstrecken werden entfernt {Stripping, Abb. 34-43), vom proximalen (= Crossektomie) bis distalen Insuffizienzpunkt: meist genügt eine partielle Saphenaexhairese (85-90 % Stadien I III bei V.s.m.).
Operation: insuffiziente Abschnitte von Stammvenen und Seitenästen werden entfernt durch Stripping
Insuffiziente Seitenäste werden in Mikrotechnik ebenfalls entfernt („HäkelnadelMethode"). Die Perforatorvenen werden subfaszial abgesetzt und große Faszienlükken verschlossen.
Mikrotechnik „Häkelnadel-Methode" Perforansunterbrechung
Praxishinweis: Varizenchirurgie ist immer auch kosmetische Chirurgie: kleine Hautschnitte, intrakutane Hautnaht oder Steri-Strip-Hautverschluß.
- kosmetisch gute Hautschnitte!
Auch bei der sekundären Variköse können Rezirkulationskreise auftreten (rekanalisierte Venenthrombose mit Klappenzerstörung). Durch deren Ausschaltung werden die Rezirkulation unterbunden und die Strömungsgeschwindigkeit im tiefen System erhöht.
Die Crossektomie ist sorgfältig durchzuführen, um lokale Rezidive zu verhindern. Sämtliche in den Mündungsbereich einstrahlende Seitenäste müssen unterbrochen und die Stammvene ohne langen thrombosegefährdeten „Stumpf" ligiert werden.
Varizenrezidive sind wenigstens zur Hälfte durch unzureichende Voroperationen verursacht.
Abb. 34-43: Exhairese der V.saphena magna (Stripping). Die Sonde wird von zentral eingeführt bis zur ersten suffizienten Klappe und hierausgeleitet. Die Vene kann antegrad oder retrograd entfernt werden (möglichst kleinen Sondenkopf verwenden). Bei Stadium IV der V. s. m. ist die Invaginationstechnik (ohne Sondenkopf, Vene wird invaginierend herausgezogen) günstiger zur Vermeidung von Nervenläsionen
• Crossektomie: Prädilektionsstellen - V. s. m. -> V.femoralis ~ V.s.p. -> V. poplitea
474
34. Gefäßchirurgie
Komplikationen - Verletzungen v o n begleitenden Gefäßen, Nerven, L y m p h g e f ä ß e n - Nachblutungen - Wundheilungsstörungen - postoperative T h r o m b o s e n Kompressionsbehandlung p. o. • Verband • Strümpfe (nach M a ß ) Sklerosierungsbehandlung bei • retikulärer Variköse • Seitenastvarikose • Besenreiser - Rezirkulationskreis und Perforansveneninsuffizienz nicht durch Sklerosierung auszuschalten Konservative Behandlung • Kompressionsverband • Kompressionsstrümpfe
• -
Pharmakotherapie Aeszin Flavonoide Dihydroergotamin Heparin
Komplikationen: Verletzungen von begleitenden Gefäßen, Nerven (Nn. saphenus, suralis), Lymphgefäßen, Nachblutungen, Wundheilungsstörungen, postoperative Thrombosen. Kompressionsverband. Von gleicher Wichtigkeit wie die Operation ist der intra operationem angelegte Kompressionsverband (elastische Kurzzugbinden). Dieser wird am 3.-5. postoperativen Tag gegen einen vor der Operation bereits angemessenen Kompressionsstrumpf ausgetauscht, der 3 Monate getragen wird. Bei bereits eingetretener Dekompensation ist die Kompressionsstrumpßehandlung weiterzuführen, halbjährlich neue Rezeptur. Sklerosierungsbehandlung (mit Salicylaten oder jodhaltigen Lösungen) indiziert bei retikulären oder Seitenastvarizen, Besenreiser (heute auch mancherorts Laserbehandlung), post operationem bei noch bestehenden Seitenästen. Praxishinweis: Ein Rezirkulationskreis kann niemals durch Sklerosierung ausgeschaltet werden. Auch keine Indikation bei insuffizienter Perforansvene. Konservative Behandlung (bei Kontraindikation, Ablehnung einer Operation, bei Komplikationen, bei geringem Rezidiv): Kompressionsbehandlung durch nach Maß angefertigte Kompressionsstrümpfe, durchaus zeitweise nur Kompressionsverband, besonders initial (Kompressionsklasse II), physikalische Maßnahmen. Pharmakotherapie: gegenwärtig noch schwer objektivierbar. Aeszin oder Bioflavonoide zeigen eine gewisse antiödematöse Wirkung. Dihydroergotamin hat eine tonisierende Wirkung auf dilatierte Gefäße. Lokalbehandlung mit Heparin-Salben und -Gele bei akuter Thrombophlebitis ist dagegen ein bewährtes therapeutisches Prinzip. Langfristige Anwendung, wie z.B. beim chronischen Stauungssyndrom, kann zu lokalen allergischen Reaktionen führen.
A k u t e Bein- und B e c k e n v e n e n t h r o m b o s e
2.2 A k u t e B e i n - u n d B e c k e n v e n e n t h r o m b o s e (s. Kap. 19, S. 169)
Epidemiologie - betrifft die tiefen Venen - häufige Erkrankung
Epidemiologie. Häufige Erkrankung, jedoch fehlen genaue Zahlen. Nur die Hälfte bis zu zwei Drittel aller Venenthrombosen lassen sich klinisch sichern, asymptomatische Thrombosen überwiegen. A n selektiven chirurgischen u n d internistischen Patientenkollektiven zeigte sich jedoch eine teilweise außerordentlich hohe Thromboseinzidenz (Nachweis durch R a dio-Jod-Fibrinogen-Test/Phlebographie): z.B. bei Schlaganfall 6 0 % , Schenkelhalsfraktur 5 4 % , Dickdarmchirurgie 5 8 % , Hüftgelenksersatz 35 % u.a.
Ätiologie • Faktoren für die Entstehung einer tiefen Bein-, Beckenvenenthrombose: - A n t i t h r o m b i n Ill-Mangel (AT III), T h r o m bozytose, Protein-C oder S-Defizit - Kontrazeptiva, Wochenbett - peri- oder postoperative Einflüsse - Beckenvenensporn - paraneoplastisches S y n d r o m - lokale K o m p r e s s i o n oder Wandinfiltration der Beckenvenen (Tumoren) - längere Bettruhe bei internistischen u n d neurologischen Erkrankungen - akute schwere Erkrankungen - akute systemische Entzündungen - Polyglobulie
Ätiologie. Gesicherte ätiologische Faktoren der tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose sind (s. Kap. 19):
Symptomatik
2.2.1 Symptome, Komplikationen, Diagnostik Symptome. Mehr oder weniger suffiziente Kollateralkreisläufe verschleiern das klinische Bild und führen häufig zu verpäteter Diagnose. Nicht selten weist eine Lungenembolie (LE) auf eine Venenthrombose hin. Die wichtigsten klinischen Zeichen sind:
- häufig verspätete Diagnose
• Antithrombin-III-Mangel (AT III), Thrombozytose, Protein-C oder S-Defizit, • E i n n a h m e von Kontrazeptiva, Wochenbett, • peri- und postoperative Einflüsse (Wadendruck auf dem Operationstisch, Stase, Gerinnungsveränderungen), bes. beim Polytrauma, • lokale Faktoren wie linksseitiger Beckenvenensporn (Abb. 34-44) und Kompression der V.femoralis bei latenter Femoralhernie, • paraneoplastisches Syndrom bei malignen G r u n d e r k r a n k u n g e n (z.B. Pankreaskarziom), • lokale Kompression oder Wandinfiltration der Beckenvenen durch maligne Prozesse, insbesondere Lymphknotenmetastasen, • längere Bettruhe bei internistischen, neurologischen u.a. Erkrankungen, • akute schwere Erkrankungen (durch gesteigerte Blutgerinnung) wie z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Schock, Verbrennungen, • akute systemische Entzündungen und Polyglobulie.
Venen
475
V
Abb. 34-44: P a t h o p h y s i o l o g i e des Beckenvenensporns (nach May) links (als häufige Ursache d e r akuten B e c k e n v e n e n t h r o m b o s e ) : pulsa b h ä n g i g e E i n k l e m m u n g der z w i s c h e n LWK und überkreuzender rechter A . iliaca c o m m u n i s fixierten linken V. iliaca c o m m u n i s (chronischer Reiz —> reaktive S e g e l b i l d u n g mit ausgeprägter Strömungsbehinderung)
Abb.34-45: P h l e b o g r a p h i sche Darstellung eines flottierenden Thrombus in der rechten V. iliaca externa
• „weiße Schwellung" des Beines = Phlegmasia alba, besonders bei Beintieflagerung, • erhöhte Konsistenz der Wadenmuskulatur (Seitenvergleich!) • Druckschmerz über den Leitvenen = Phlegmasia alba dolens, besonders der Wadenmuskulatur (unzuverlässiges Zeichen), • zyanotische Hautfarbe bei stärkerer venöser Strombahnblockade, • tiefrote bis violette Verfärbung, starke Schwellung, fehlende Arterienpulse = Phlegmasia coerulea dolens, hohe Schockgefahr, rascher Übergang zur venösen Gangrän (Blasenbildung der Haut gilt als irreversibles Zeichen).
• Wichtige klinische Zeichen - P h l e g m a s i a alba - K o n s i s t e n z v e r m e h r u n g der W a d e n muskulatur - Phlegmasia alba dolens - Phlegmasia coerulea dolens
Komplikationen. Die wichtigste akute Komplikation ist die Lungenembolie. Ausgangsort sind häufig nicht ausreichend wandständige (= flottierende) Thromben im femoro-iliakalen Bereich (Abb. 34-45). Rezidivierende kleinere Lungenembolien aus Unterschenkel- und Wadenmuskelvenen verlaufen oft unerkannt —> chronisches Cor pulmonale. Eine Folgeerscheinung ist das postthrombotische Syndrom.
Komplikationen: • Lungenembolie • chronisches Cor pulmonale • postthrombotisches Syndrom
Diagnose. Anamnese und klinischer Befund sind nicht ausreichend. Apparative Untersuchungen: CW-Doppler-, FK-Duplexsonographie, aszendierende Phlebographie. Sie geben Auskunft über die Ausdehnung der Thrombose. Die Ausbildung venöser Kollateralen korreliert mit dem Alter der Thrombose, sind schon nach 7-14 Tagen nachweisbar (verstärkte subkutane Venenzeichnung ). Bereits bei geringstem klinischem Verdacht ist eine weiterführende Diagnostik angezeigt (primär nichtinvasiv).
Diagnose • Klinik • CW-Doppler-Sonographie • FK-Duplexsonographie • aszendierende P h l e b o g r a p h i e
2.2.2 Therapie
Therapie
Zur Verfügung stehen 3 Behandlungsverfahren: transfemorale venöse Thrombektomie, systemische Lyse, Antikoagulanzien (Heparin i. v.).
3 Verfahren: • transfemorale venöse Thrombektomie • systemische Lysebehandlung • A n t i k o a g u l a t i o n mit Heparin i.v.
In mehreren Studien wurde der Wirksamkeitsnachweis der niedermolekularen Heparine auch bei der Venenthrombose erbracht, diese sind in Deutschland bisher jedoch nur zur Thromboseprophylaxe zugelassen.
Notfallmaßnahme ist die Applikation von Heparin i. v. Danach ist zu entscheiden, ob operiert oder lysiert werden muß. Die Thrombektomie ist indiziert bei: • Phlegmasia coerulea dolens (absolute Indikation), • flottierendem Thrombus (wird häufig zu großzügig diagnostiziert),
• Thrombektomie ist indiziert bei: - Phlegmasia coerulea dolens - flottierendem T h r o m b u s
476 • • • -
34. Gefäßchirurgie Thrombus nicht älter als 8 Tage Befall der Konfluentes Drei-Etagen-Phlebothrombose isolierter Beckenvenenthrombose erfolgloser Lyse Kontraindikationen für die Lyse: Alter Hypertonie, i.m.-lnjektion postoperativ, -partal, -traumatisch Nephrolithiasis, Ulkuskrankheit primäre Lyse bei: Thrombus bis zu 14 Tagen alt hohem perioperativen Risiko segmentaler Oberschenkelvenenthrombose aszendierender peripherer Thrombose primäre Antikoagulanzienbehandlung Unterschenkelvenenthrombose Kontraindikationen gegen Operation und Lyse (s.o.) fortgeschrittenes Tumorleiden septische Thrombose
Operative Technik
• • • • •
Thrombus nicht älter als 8 Tage (oft schwierig zu bestimmen), Befall der Konfluentes (femoral, popliteal, kaval), Drei-Etagen-Phlebothrombose, isolierter Beckenvenenthrombose, erfolgloser Lyse (auch noch bei Thrombose älter als 8 Tage), Kontraindikationen für die Lyse: hohes Alter, Hochdruck, Ulkuskrankheit, Nierensteine, unmittelbar postoperativ, -partal oder -traumatisch, nach i.m. Injektion. Für die primäre Lyse sprechen: • Thrombus bis zu einem Alter von 14 Tagen, • hohes perioperatives Risiko, z. B. frischer Herzinfarkt, • segmentale Oberschenkelvenenthrombose, • aszendierende Thrombose auf Unterschenkel-/Oberschenkelniveau (chirurgisch ungünstig). Für die primäre Antikoagulanzienbehandlung sprechen: • Unterschenkelvenenthrombose und Kontraindikationen gegen Operation und Lyse, • fortgeschrittenes Tumorleiden und septische Thrombose (in jedem Fall eine Operationsindikation sorgfältig abwägen). Operative Technik. In Allgemeinnarkose wird die V. femoralis communis sparsam an der Vorderwand freigelegt und quer eröffnet. Die Thromben werden aus der Peripherie durch manuelle Kompression und durch Auswickeln des Beines mit EsmarchGummibinden entwickelt (Klappenschädigung durch retrograde Ballonkatheterverwendung!) und von zentral durch den Ballonkatheter entfernt (bei Wandhaftung zusätzlich Ringstripper: Rififi-Methode ). Eine intraoperative Lumenkontrolle ist unabdingbar (Angioskopie, DSA). Belassene Thrombusreste sowie ein häufig vorhandener linksseitiger Beckenvenensporn (s. Abb. 34-44) werden dabei festgestellt und geben zu sofortiger Nach-Thrombektomie bzw. Anlage einer additiven AV-Fistel Anlaß. Eingriff mit hohem Blutverlust —> Cellsaver-EinsatzZur Vermeidung einer intraoperativen L E erfolgt der Eingriff in Anti-Trendelenburg-Lagerung (erhöhter Oberkörper) und Überdruckbeatmung (PEEP). Noch auf dem Operationstisch Anlage eines Kompressionsverbandes (elastische Kurzzugbinden), Beinhochlagerung, Antikoagulanzien, Frühmobilisierung. Besteht die Thrombose bereits mehrere Tage (wird häufig erst intra operationem erkannt), ist in inguinaler Höhe eine AV-Fistel (Anastomose eines Nebenastes der V. s. m. mit der A. femoralis superficialis = „Korbhenkel-Shunt") zur Erhöhung der Perfusion in der thrombektomierten Vene angezeigt (Rezidivprophylaxe). Dies gilt ebenfalls bei Beckenvenensporn. Fistelverschluß nach 3 Monaten, zuvor Kontrollangiographie und bei Rezidivverschluß evtl. Gefäßrekonstruktion (s.S.477).
Ergebnisse und Prognose
2.2.3 Ergebnisse und Prognose
• • • • -
Postoperative Komplikationen sind Rezidivthrombose (5-30%), Lungenembolie (2-3 %), Klinikletalität (1 %), Wundheilungsstörungen. Die Frühergebnisse der primären Operation werden mit 67%, der primären Lyse mit 60 % und der primären Antikoagulanzienbehandlung mit 50 % angegeben. Marcumar®-Behandlung ist nach allen 3 Behandlungsmethoden für ein Jahr erforderlich, bei LE ggf. länger bis lebenslang. Die Spätergebnisse sind klinisch mit ca. 65% gut (keine Beinschwellung, keine wesentlichen Beschwerden), radiologisch jedoch wesentlich schlechter. Man muß von einer Rethrombosierungsrate von wenigstens 30-50 % ausgehen.
postoperative Komplikationen: Rezidivthrombose, Lungenembolie Klinikletalität (1%) Wundheilungsstörungen Frühergebnisse primäre Operation 67% primäre Lyse 60% primäre Antikoagulation 50% Antikoagulanzienprophylaxe Spätergebnisse: 65% gut Rethrombosierung: 30-50% (!)
V.-cava-Blockade
Transvenös (V.jugularis) eingebrachter Cava-Schirm
2.2.4 V.-cava-Blockade Kommt es trotz lokaler Therapie zu rezidivierenden Lungenembolien bzw. ist eine lokale Behandlung der Thrombose nicht möglich, schützt die Blokkade der infrarenalen V. cava (Indikation jedoch noch sehr kontrovers diskutiert). Die Kavasperroperation erfolgt heute durch transvenös (V. jugularis) eingebrachten Cava-Schirm. Auch temporär einzubringende Cava-Filter stehen zur Verfügung.
Venen
477
2.3 Akute Thrombose der V. axillaris/V. subclavia
Paget-v. Schroetter-Syndrom
Aufgrund der guten Kollateralisation im Schultergürtelbereich wird das Paget-v. Schroetter-Syndrom oft gut toleriert, eine Lungenembolie kommt nur ausnahmsweise vor. Ursachen: Schultergürtelsyndrom (TIS), schwere körperliche Anstrengungen (schweres Heben, Sport), evtl. auch Ovulationshemmer. Symptome: Schmerzen und starke Anschwellung im Oberarm-Schulter-Bereich, vermehrte subkutane Venenzeichnung schon nach wenigen Tagen (bis zur vorderen Thoraxpartie reichend). Therapie: Bei ausgeprägter Symptomatik systemische Lyse oder venöse Thrombektomie, meist aber unter konservativer Behandlung (Hochlagerung, Heparin i. v., rascher Übergang auf Marcumar, 1/2 bis 1 Jahr), schnelle Rückbildungstendenz der Beschwerden und Schwellung.
- guter Kollateralkreislauf
Ein Schultergürtelsyndrom muß aber abgeklärt werden, bei Bestätigung Resektion der 1. R i p p e (sonst ist nicht mit einer Rekanalisation zu rechnen). Selten finden sich Venenstenosen, fixierte Stenose wird korrigiert durch Patchplastik oder kurzen Bypass (Vene/PTFE-Prothese).
2.4 Akute Thrombose der V. mesenterica superior Sie unterscheidet sich klinisch nicht vom akuten arteriellen Verschluß (s.S. 467). Therapie: nur Darmresektion möglich. Prophylaktische Antikoagulanziendauerbehandlung zur Verhütung weiterer Thrombosierung im Pfortadergebiet.
Ursachen - Schultergürtelsyndrom (TIS) - schwere körperliche Anstrengungen - evtl. auch Ovulationshemmer Symptomatik - Schmerzen - Armschwellung, Venenzeichnung Therapie - konservativ - nur bei ausgeprägter Symptomatik Lyse oder Thrombektomie - bei TIS Resektion der I.Rippe - bei fixierter Venenstenose Patcherweiterung
Akute Thrombose der V. mesenterica superior
Prognostisch ungünstig
2.5 Rekonstruktive Eingriffe am Venensystem
Rekonstruktive Eingriffe am Venensystem
2.5.1 Chronischer Verschluß der tiefen Bein- und Beckenvenen
Chronischer Verschluß der tiefen Beinund Beckenvenen
Aufgrund des Niederdrucksystems sind rekonstruktive Veneneingriffe per se mit einer hohen Versagerquote behaftet. Daraus resultiert eine sehr restriktive Operationsindikation. Rekonstruktive M a ß n a h m e n sind auf segmentale Verschlüsse (Beckenvene, V. cava inferior) begrenzt. Voraussetzungen sind auch hier gute Ein- und Ausstromverhältnisse.
Postthrombotisches Syndrom: Spätfolge einer akuten tiefen Beckenund Beinvenenthrombose, wichtigste Erkrankung des Venensystems. Thrombotische Verschlüsse im Venensystem persistieren meist, es kann jedoch auch zu einer partiellen bis vollständigen Rekanalisation thrombotisch verlegter Venenabschnitte kommen, jedoch unter Verlust der Venenklappenfunktion. Funktionell ist dies ungünstiger als der persistierende Verschluß. Symptome: Mehr oder weniger ausgeprägte Beinschwellung, Schwere- und Berstungsgefühl sowie Schmerzen, besonders im Stehen und Sitzen; Gehen und Hochlagern bringen Erleichterung, rezidivierende Ulcera cruris, chronisches Stauungssyndrom: Dermatolipofasziosklerose, Stauungsdermitis, Pigmentierungen, Atrophie blanche, Ulcus cruris, arthrogenes Stauungssyndrom, chronisches Faszienkompressionssyndrom —> zirkuläre Ulzerationen. Präoperative Diagnostik: aszendierende Phlebographie, periphere Venendruckmessung, CW-Doppler-Sonographie, Verschlußplethysmographie. Operationsmethoden: Palma-Operation: querer suprapubischer veno-venöser Bypass (von V.femoralis communis zur identischen kontralateralen Vene). Bypassmaterial: V. saphena magna vom Oberschenkel der Gegenseite oder PTFE-Prothese (bei Verwendung externer Stabilisierung im Niederdrucksystem besser). Aufgrund der ungünstigen H ä m o d y namik sollte dies immer mit einer additiven AV-Fistel (inguinal, Korbhenkelshunt)
Restriktive Operationsindikation - auf segmentale Verschlüsse begrenzt
Postthrombotisches Syndrom: Spätfolge einer tiefen Becken- und Beinvenenthrombose
Symptome - Beinschwellung - Schwere- und Berstungsgefühl - Schmerzen im Stehen und Sitzen - rezidivierende Ulcera cruris - chronisch-venöses Stauungssyndrom Diagnostik - aszendierende Phlebographie - periphere Venendruckmessung - CW-Doppler-Sonographie - Verschlußplethysmographie - Venendruckmessung Operationsmethoden - Palma-Operation - hoher Palma
34. Gefäßchirurgie
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zur besseren Transplantatperfusion verbunden werden. Fistelverschluß nach 3 Monaten und angiographische Überprüfung der Bypassfunktion. Hoher Palma: querer Bypass auf iliakaler (externa) Höhe mit retroperitonealem Zugang, extern verstärkte PTFE-Prothese. Auf eine AV-Fistel kann wegen der externen Verstärkung und der hämodynamisch günstigeren Position verzichtet werden.
Überwiegend konservative Behandlung - Kompression - Physiotherapie - lokale Ulkusbehandlung
Chirurgische Therapie ist jedoch nur in Ausnahmefällen indiziert, überwiegend konservative Behandlung: Kompression (Kurzzugbinden oder Strümpfe Klasse II/III nach Maß), Physiotherapie, lokale Ulkusbehandlung.
Venenklappenrekonstruktionen
2.5.2 Venenklappenrekonstruktive Eingriffe
Schwere chronische venöse Insuffizienz infolge - Klappenavalvulie (junge Menschen) - relativer Klappeninsuffizienz beim dekompensierten Rezirkulationskreis - Rekanalisation einer Venenthrombose Operationsindikation - primäre Avalvulie - erworbene Klappendysfunktion Zusätzliche Diagnostik - transfemorale retrograde Katheterphlebographie Operationsverfahren - Transposition - Transplantation - direkte Venenklappenrekonstruktion
Eine schwere chronische venöse Insuffizienz kann durch alleinige Klappenavalvulie (junge Menschen), relative Klappeninsuffizienz beim varikösen dekompensierten Rezirkulationskreis oder nach Rekanalisation einer Venenthrombose hervorgerufen werden. In außerordentlich seltenen Fallen kann eine klappenrekonstruktive Operation Besserung bringen.
bei strenger Indikation zufriedenstellende Ergebnisse Venenrekonstruktion in der Tumorchirurgie Operationsindikation nur selten gegeben
Diese Methoden werden in nur wenigen Zentren durchgeführt, bei strenger Indikation in der Hand des Erfahrenen zufriedenstellende Ergebnisse.
Ulcus cruris
2.5.3 Chirurgische Behandlung des Ulcus cruris
1. paratibiale Fasziotomie - endoskopisch gezielt
2. laterale Muskeltranspositionsplastik
3. Fasziektomie
Chirurgie der Lymphgefäße Wichtigste Filterstationen: • Lymphonoduli axillares und inguinales Ductus thoracicus • Lymphgefäßsystem am Bein - tiefes System - oberflächliches System
Operationsindikation: primäre Avalvulie, erworbene Klappendysfunktion. Diagnostik: transfemorale deszendierende Katheterphlebographie mit Darstellung des venösen Reflux (Straub-Technik). Operationsverfahren: • Transposition der V. femoralis superficialis zur V. femoralis profunda (ca. 5 cm unterhalb ihrer Einmündung). Voraussetzung: funktionstüchtige Venenklappen im Endabschnitt der Profunda. • Transplantation eines klappentragenden Venensegmentes der V.brachialis zur V. femoralis superficialis. Uberbrückung des Venendefektes am Arm durch PTFE-Interposition. • Direkte Venenklappenrekonstruktion durch Raffung der Klappensegel (mit oder ohne Venotomie).
Venenrekonstruktion in der Tumorchirurgie: Operationsindikation nur selten gegeben. Bei Tumoren im Mediastinum und Retroperitoneum mit Befall der Hohlvene oder Beckenvenen, primären Gefäßtumoren (venöses Leiomyosarkom), En-blocResektionen (z.B. Weichteiltumoren der Extremitäten u.a.) (s.S.469).
Nur indiziert bei Therapieresistenz. Paratibiale Fasziotomie: Ausschaltung der mittleren und proximalen Cokket-Perforatoren und langstreckige Spaltung der Unterschenkelfaszie hinter der Tibiakante (bringt gut vaskularisierte Muskulatur in Kontakt mit dem trophisch gestörten Ulkusgrund): stumpfes Verfahren oder gezielter endoskopisch. Zugang von kurzer Hautinzision (4 cm) parallel zur Tibiakante außerhalb der trophisch gestörten Hautareale. Laterale Muskeltranspositionsplastik: totale Ausschneidung lateraler Ulzera einschließlich der Faszie, Mobilisierung der Mm. extensor digitus longus et peroneus longus, Adaptation vor der Fibula, simultane oder aufgeschobene plastische Deckung. Fasziektomie: für schwerste Krankheitsbilder mit zirkulärer Ulzeration. Schafft ebenfalls gute Durchblutungsbasis für Hautplastik (simultan oder zeitversetzt).
3. Lymphgefäße Klinische Anatomie. Die wichtigsten Filterstationen sind die Leisten- und Achsellymphknoten. Querverbindungen zum Venensystem sind seltener als früher angenommen. Möglicherweise entwickeln sie sich auch erst bei einer Lymphabflußstörung. Über den Ductus thoracicus findet das Lymphsystem der unteren Körperhälfte und des linken Armes Anschluß an das venöse System (linke V.subclavia/V.jugularis interna). Rechter Arm und Kopf-Hals-Bereich drainiert über den Ductus lymphaticus dexter in die rechte V. subclavia. Am Bein besteht ein tiefes und ein oberflächliches Lymphsystem, physiologische Perforansgefäße sind nicht vorhanden.
479
Lymphgefäße Einteilung. Lokale und diffuse Lymphangiopathie: Lymphangiitis, -fistel, -angiektasie. Lymphödem: primäres, sekundäres. Die klinisch wichtigste Erkrankung ist die Lymphabflußstörung (primäres und sekundäres Lymphödem): Beim primären Lymphödem besteht eine Verminderung der epifaszialen Sammelrohre. Auch subkutane Lymphangiektasien bei inguinaler Lymphabflußstörung (fehlende Verbindung vom subkutanen zum retroperitonealen Lymphsystem) kommen vor. Es betrifft in 90% Frauen und tritt zu 80% vor dem 35. Lebensjahr auf. Häufigste auslösende Ursachen sind Schwangerschaft und Traumen. Beim sekundären Lymphödem sind tiefes oder oberflächliches System, mitunter gemeinsam, betroffen. Verursachend sind entzündliche (Erysipel), posttraumatische oder -operative Faktoren. Beispiele: radikale axilläre oder inguinale LK-Exstripation mit oder ohne Nachbestrahlung/Mammakarzinom oder malignes Melanom des Beines, unsachgemäße Schnittführung bei inguinalem Zugang zu Arterie/Vene, ungeeignete Schnittführung in der Varizenchirurgie.
Einteilung und Epidemiologie
Primäres Lymphödem • Verminderung der epifaszialen Sammelrohre • epifasziale Lymphangiektasien
Sekundäres Lymphödem betroffen: - tiefes System - oberflächliches System - beide Systeme
Einteilung: • Primär: familiär (6 %): kongential Nonne-Milroy, nicht kongenital Meige (ab Pubertät). Sporadisch (94%) bei Hypo- bzw. Aplasie, bei Hyperplasie (varikös, klappeninsuffizient). • Sekundär: posttraumatisch, -operativ, nach Bestrahlung, entzündlich (auch parasitär), bei postthrombotischem Syndrom.
Einteilung der Lymphödeme a) primäres L. • sporadisch (94%) • familiär (6%) b) sekundäres L. • postthrombotisches Syndrom • posttraumatisch, -operativ - inflammatorisch
3.1 Klinik, Diagnostik und Differentialdiagnose
Klinik, Diagnostik, Differentialdiagnose
Primäres Lymphödem der Beine: Die Schwellung ist körperfarben, indolent und zunehmend derb. Im Frühstadium (noch nächtliche Rückbildung) umfaßt sie Zehen, Fußrücken und Knöchelgegend (Weiterentwicklung zentralwärts), im Spätstadium säulenförmige Deformierung von Unterschenkel und Oberschenkel bis hin zur grotesken Elephantiasis. Die großen (= physiologischen) Hautfalten bleiben vertieft, auch örtlich betonte Schwellungen (Abb. 34-46).
Primäres Lymphödem: • zentrale Weiterentwicklung -»groteske Elephantiasis • wichtigstes differentialdiagnostisches Zeichen: Fußrückenhaut nicht faltbar
Praxishinweis: Wichtigstes differentialdiagnostisches Frühzeichen ist die fehlende Faltbarkeit der Fußrückenhaut (= Stemmer-Zeichen im Sinne der „Apfelsinenhaut"), Zehen beim Lymphödem immer mitbetroffen, ebenfalls keine Hautfalten abhebbar. Etwa bei der Hälfte der Erkrankten bleibt der Befall einseitig. Beim sekundären Lymphödem entspricht die lokale Klinik der des primären Ödems. Die Symptomatik beginnt meist direkt distal der Läsion (z. B. Oberarm, Oberschenkel) mit allmählicher peripherer Ausdehnung. Die Diagnose ist im Zusammenhang mit der Anamnese meist leicht zu stellen.
Sekundäres Lymphödem • Entwicklung peripherwärts
Eine Lymphographie wird zur Diagnosesicherung heute nicht mehr durchgeführt: Gefahr weiterer Lymphgefäßverödungen durch öliges stagnierendes Kontrastmittel! Eher szintigraphische Methoden Differentialdiagnose:
Differentialdiagnose
periphere Ödeme renaler oder kardialer Genese, venostatisches Ödem, regionäres Ödem bei Arthropathien, Osteomyelitis, Sudeck-Dystrophie (Leitsymptome: Schmerz und lokale Überwärmung). Lipödem (stets symmetrisch, niemals Fußbeteiligung - immer supramalleolär mit einem Fettkragen beginnend!) Krankheitsverlauf: Jedes Lymphödem wird durch rezidivierende Erysipele (Streptokokkeninfekte von kleinen Hautrhagaden ausgehend) verschlim-
Krankheitsverlauf
34. Gefäßchirurgie
480 komplizierend und verschlimmernd durch rezidivierendes Erysipel (Streptokokken) Lymphangiosarkom
mert (zunehmende Obliteration restlicher Lymphgefäße!): Gefahr der phlegmonösen Einschmelzung, interdigitale Lymphfisteln, Hyperkeratose der Haut, insbesondere im Bereich der Zehen. Langzeitkomplikation ist das Lymphangiosarkom (Stewart-Treves-Syndrom), besonders beim sekundären Lymphödem des Armes (Differentialdiagnose: Kaposi-Sarkom). Therapie: Exartikulation des Armes, zytostatische Behandlung.
Therapie
3.2 Therapie
a) konservativ: - Entstauungstherapie - Kompressionsbehandlung - elastische Binden - Strumpf nach Maß b) Operationsindikation nur bei - invalidisierender Elephantiasis - kompliziertem Lymphödem • Ziel: Extremitätenerhalt Operative Techniken überwiegend enttäuschend am besten noch als adjuvante Chirurgie: - Entstauungstherapie - Resektion überschüssigerWeichteile - lymphovenöse Anastomose - lympho-lymphangio-A. - Kompressionsbehandlung
Konservativ. Entstauungstherapie durch nächtliche Hochlagerung der Extremität, manuelle oder pneumatische Lymphdrainage, stramm angelegten Kompressionsverband —> später Kompressionsstrümpfe nach Maß (Kompressionsklasse III/IV). Chirurgisch. Eingeschränkte Op.-Indikation bei häufig unbefriedigenden Ergebnissen. Operative Behandlung nur indiziert bei invalidisierender Elephantiasis und kompliziertem Lymphödem. Die chirurgischen Maßnahmen zielen auf den Funktionserhalt der Extremität ab, nicht auf die Kosmetik. Kann immer nur in enger Abstimmung mit physikalischer Entstauungstherapie erfolgen. Von den zahlreichen Operationstechniken schneidet die Keilresektion hinsichtlich der Langzeitergebnisse am besten ab: Nach intensiver physikalischer Entstauungstherapie werden überschüssige „ Lappensäcke" reseziert. Dies muß gefolgt sein von einer konsequenten Kompressionsbehandlung (= adjuvante Chirurgie).
Weitere Verfahren sind: lymphovenöse Anastomose, lympho-lymphangioAnastomose.
Exartikulation im Hüftgelenk hoher Oberschenkel
Oberschenkel
Exartikulation im Kniegelenk Unterschenkel
Amputation n. Syme Vorfußamputation Grenzzonenamputation
Abb.34-46: Lymphödem des Beines (n. Brunner: 1 Persistenz natürlicher Hautfalten, 2 örtlich betonte Schwellungen
Abb. 34-47: Amputationsebenen bei Gefäßpatienten am Bein (Major-Amputationen)
Amputationen
4. Amputationen
481 Amputationen
Die Amputation (fast ausschließlich das Bein betreffend) stellt die Behandlung im Endstadium der AVK dar. Sie ist oft - häufig trotz wiederholter gefäßchirurgischer Rekonstruktionen - nicht vermeidbar. Sie kann wegen zu ausgeprägter Gangrän (Diabetes mellitus) - oft bedingt durch zu späte Einweisung - auch primär notwendig werden.
= Behandlung im Endstadium der AVK
Praxishinweis: Die Amputationsgrenze sollte so weit peripher wie möglich liegen, um die prothetische Versorgung und Rehabilitation so optimal wie möglich zu gestalten. Auch eine Verlagerung des Amputationsniveaus nach peripher durch eine Gefäßrekonstruktion kann noch als Gewinn für den Patienten angesehen werden.
Amputationshöhe so weit peripher wie möglich - bessere prothetische Versorgung - bessere Rehabilitation
Die Amputationen werden in Minor- (keine Prothese erforderlich) und Majoramputationen (Kunstbein zur vollen Rehabilitation unverzichtbar) unterteilt (Abb. 34-47).
- Minoramputationen (keine Prothese erforderlich) - Majoramputationen (Kunstbein zur vollen Rehabilitation unverzichtbar)
4.1 Minoramputationen
Minoramputationen
Grenzzonenamputationen: Hierbei beschränkt man sich nach erfolgreicher Revaskularisation auf eine Nekrosektomie in der Grenzzone von gut durchblutetem Gebiet zur Nekrose hin (meist Zehenamputationen auf unterschiedlichem Niveau). Verfahren wird im zeitlichen Ablauf nach dem IRA-Prinzip (Infektionsbehandlung - Revaskularisation - Amputation), d. h. die Amputation steht zeitlich erst an letzter Stelle. Dies ist wesentlich, um noch möglichst viel Gewebe erhalten zu können. Die Wundflächen granulieren und epithelialisieren per secundam. Transmetatarsale Vorfußamputation: Ein Drittel der Metatarsalia wird belassen, Deckung durch einen plantaren Lappen. Ein dorsaler Lappen ist wegen Unfähigkeit zur Belastung nicht geeignet.
• Grenzzonenamputationen • Nekrosektomie z. B. bei Zehenamputation • transmetatarsale Vorfußamputation - 1/3 der Metatarsalien wird belassen - Deckung mit plantarem Lappen
Beim Diabetiker mit häufiger Zerstörung der distalen Fußsohlenweichteile muß auch auf diesem Niveau auf eine offene Absetzung zurückgegriffen werden. Hier ist nach Granulation und Nivellierung der Wundfläche eine plastische Deckung sinnvoll (Mesh-graft, Vollhautlappen). Alternativ ist auch eine sekundäre Heilung möglich. Rfickfußamputationen: beim Gefäßkranken weniger geeignet, da sie meist tendoplastische oder gar osteoplastische Maßnahmen erfordern. Bradytrophe Strukturen haben beim Gefäßpatienten, bei dem immer in einer Zone kritischer Durchblutung amputiert wid, meist keine Heilungstendenz.
4.2 Majoramputationen
• Rückfußamputation - ungünstig beim Gefäßkranken
Majoramputationen
Die Höhe hängt von der Durchblutung der Weichteile ab, die unter der Operation durch das Auge und das Skalpell (Muskulatur kontraktil? Farbe?) geprüft wird. Die Standard-Amputationshöhen des Gefäßkranken (Abb. 34-47) sind Unterschenkel (ca. 10 cm unterhalb der Tuberositas tibiae), Kniegelenk mit Wegfall aller bradytrophen Strukturen und im Oberschenkel (ca. handbreit oberhalb des Kniegelenkes). Durch eine Syme-Amputation (Höhe oberes Sprunggelenk) läßt sich manchmal eine Unterschenkelamputation noch vermeiden. Die hohe Oberschenkel- und Hüftgelenkexartikulation sind sehr selten. Bei der Oberschenkelamputation ist auf eine ausreichende Muskeldeckung des Knochenstumpfes sowie auf konische Formgebung zu achten.
Die Muskeldeckung erfolgt bei der Unterschenkelamputation nur durch die Mm. gastrocnemici. Tiefe Flexoren und M. soleus sollen wegen ihrer schlechteren Durchblutung entfernt werden.
4=
Muskeldeckung bei Unterschenkelamputation nur durch die Mm. gastrocnemici -> tiefe Flexoren und M. soleus wegen schlechter Durchblutung entfernen
482
34. Gefäßchirurgie
Knieexartikulation hinterläßt eine minimale Muskel-, keine Knochenwunde —»gute Heilungstendenz
Die Knieexartikulation (keine Knochen- und nur minimale Muskelwunde: Gastrocnemius-Köpfe) ist eine Methode, die immer dann ihre Berechtigung hat, wenn eine Unterschenkelamputation nicht mehr möglich ist, eine Oberschenkelamputation aber noch vermieden werden kann. Unterschenkel- und Kniegelenksstümpfe sind prothetisch sehr gut zu versorgen und ermöglichen daher eine schnelle Rehabilitation.
Operationsletalität: 5%-25% • häufigste Todesursachen - Pneumonie - Lungenarterienembolie - Urosepsis
Ergebnisse, Komplikationen. Gliedmaßenamputationen belasten den Patienten erheblich. Die Operationsletalität liegt zwischen 5-25%, bedingt durch die häufige Immobilisation der überwiegend alten Patienten (Pneumonie, Lungenarterienembolie, Urosepsis), und ist damit deutlich höher als nach gefäßchirurgischen Eingriffen.
Richtlinien für rehabilitative Maßnahmen
0
Rehabilitative Maßnahmen (Prothese, Gehschuhe) sind besonders wichtig; eine Wiedereingliederung in die gewohnte Umgebung erreicht nur jeder zweite Patient!
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
1. Ösophagus
Ösophagus
/?. Häring 1.1 K l i n i s c h e A n a t o m i e Der Ösophagus - etwa 25 cm lang - stellt die Verbindung zwischen Pharynx und Magen her. Unterschieden werden eine Pars cervicalis, Pars thoracalis mit einem oberen, mittleren und unteren Drittel und die Pars abdominalis. Am Ösophagusmund findet sich eine „Sperrvorrichtung", der sog. obere Ösophagussphinkter (OOS) und an seinem Ende, kurz vor dem Übergang in den Magen, der untere Ösophagussphinkter (UÖS). Zwischen beiden liegt der tubuläre Ösophagusabschnitt. Wandaufbau der Speiseröhre: innen die sternförmig angeordnete Schleimhaut aus Plattenepithel, dann die Muscularis mucosae und die Submukosa. Letztere ist ein lockeres, gut verschiebliches und gefäßreiches Füllgewebe. Die Muskulatur ist im Sinne eines „apolaren Schraubensystems" angeordnet, d.h. jede Längsfaser endet als Ringfaser oder umgekehrt (Stelzner u. Lierse). Eine strikte Trennung in eine innere Ringmuskel- und äußere Längsmuskelschicht gibt es nicht. Die Muscularis mucosae bildet ein längsgerichtetes Scherengitter. Hierdurch kommt eine ausgeprägte Längselastizität zustande. Ein seröser Überzug fehlt. Die arterielle Gefaßversorgung ist vor allem in den distalen, suprahiatalen Abschnitten spärlich. Die Gefäße entstammen aus benachbarten Arterien (Aorta, A.gastrica sinistra, A. diaphragmatica). Der venöse Abfluß erfolgt entsprechend in benachbarte Venen, die dem V.-azygos V. cava-System oder dem Pfortadersystem angehören (zwei hämatogene Metastasierungswege!). Im distalen Ösophagus finden sich ringförmige Venenplexus, die submukös und in der Muscularis propria lokalisiert sind. Sie bilden zusammen mit dem „Scherengitter" der Muskulatur einen „angiomuskulären Dehnverschluß" (Stelzner). Das Lymphgefäßsystem der Speiseröhre ist sehr verzweigt und umfaßt mehrere topographische Regionen: zervikale, mediastinale paratracheale, peribronchiale, perigastrische, paraaortale Lymphknotengruppen. Die Speiseröhre dient dem Nahrungstransport. Von ihren Verschlußsystemen, OOS, UÖS, ist der untere besonders wichtig. Er bildet die Barriere zwischen dem sauren Magenmilieu und der sehr säureempfindlichen Ösophagusschleimhaut.
Die Krankheiten der Speiseröhre basieren in erster Linie auf Passagebehinderungen oder Störungen der Peristaltik bzw. der Verschlußsysteme: • das Zenker-Divertikel durch pathologische Tonussteigerung des OOS • die Achalasie durch Druckerhöhung im UÖS und fehlende Relaxation • ein erniedrigter Druck im UÖS ist zusammen mit anderen pathogenetischen Faktoren Ursache für die Refluxkrankheit • raumfordernde Prozesse, insbesondere das Karzinom, führen zur Schluckstörung (Dysphagie).
Klinische Anatomie Unterteilung des Ösophagus in: - Pars cervicalis - Pars thoracalis - Pars abdominalis
Innenauskleidung der Speiseröhre mit Schleimhaut aus Plattenepithel. Anordnung der Muskulatur im Sinne eines apolaren Schraubensystems: jede Längsfaser endet als Ringfaser und umgekehrt. —» Mustereines längsgerichteten Scherengitters. Folge: ausgeprägte Längselastizität Keine Serosa -» Nachteil f. Anastomose Spärliche arterielle Gefäßversorgung 2 venöse Abflüsse (-> Metastasierungswege) Im distalen Ösophagus existieren ringförmige Venenplexus. Sie bilden zusammen mit dem Scherengitter der Muskulatur einen angiomuskulären Dehnverschluß
Die Speiseröhre hat ein oberes und unteres Verschlußsystem: die beiden Ösophagussphinkter (OOS, UÖS). Der UÖS bildet den Abschluß zum sauren Magenmilieu Krankheiten der Speiseröhre verursachen meist eine Dysphagie
1.2 D i a g n o s t i k (Abb.35.1-1)
Diagnostik
Leitsymptome: Führendes Symptom bei Erkrankungen der Speiseröhre ist die Schluckstörung (Dysphagie). Sie findet sich bei funktionellen und organischen Veränderungen und ist oft mit retrosternalen Schmerzen und
Leitsymptome: • Schluckstörung (Dysphagie): Steckenbleiben und Hochwürgen von Speisen, Verschlucken mit Hustenanfällen
484 • Sodbrennen: Reflux von Magensaft • Regurgitation: unwillkürlicher Rückfluß von Speisen
Differentialdiagnose: Die Anamnese ist zur differentialdiagnostischen Unterscheidung von Ösophaguserkrankungen besonders wichtig Röntgenuntersuchung: orientierendes Untersuchungsverfahren Beobachtung von: - Peristaltik (funktionelle Störungen und organische Prozesse)
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Hypersalivation verbunden. Die Patienten klagen über Steckenbleiben und Hochwürgen von Speisen, Verschlucken mit Hustenanfällen. Meistens ist die Schluckstörung durch ein Karzinom verursacht. Sodbrennen deutet auf einen Reflux von Magensaft hin, bei gleichzeitiger Dysphagie ist an eine Striktur zu denken. Eine Regurgitation, d. h. unwillkürlicher Rückfluß von Speisen aus Ösophagus oder Magen tritt vor allem bei Stenosen oder Divertikeln auf. Seltenere Symptome sind Foetor ex ore und Würgegefühl. Zur differentialdiagnostischen Unterscheidung ist die exakte Erhebung der Anamnese wichtig. Die klinische Untersuchung kann hierzu nur wenig beitragen. Die Differentialdiagnose der Dysphagie ist vielfältig (Abb. 35.1-2).
Röntgenkontrastuntersuchung: Sie ist das primär orientierende Untersuchungsverfahren und Basis für weitere diagnostische Schritte. Die orale Applikation von Bariumbrei erlaubt die Beobachtung der Peristaltik bei funktionellen Störungen und organischen Prozessen, die Erkennung von Relief-
Diagnoseverfahren
= Ì >
Form Peristaltik Stenosen Divertikel Hiatushemien Reflux
Röntgenkontrastuntersuchung
Tumorinfiltration - Mediastinum - Trachea -Aorta
Endosonographie Computertomographie
Lymphknotenmetastasen -direkte Betrachtung
Endoskopie mit Biopsie
- Biopsie aus Schleimhaut u. Tumor - Kardiafunktion
Manometrie
-Motilitätsstörungen
pH-Metrie
-bei gastroösophagealem Reflux
Abb.35.1-1: Untersuchungsmethoden
bei Ösophaguserkrankungen
Leitsymptom Dysphagie Differentialdiagnosen (Abb. 35.1-2)
-Kardia-Ca -Ösophagus-Ca Tumoren
- benigner Ösoph.-Tumor - Mediastinaltumoren -Verätzungen
Strikturen Ösophagitis Dysphagie
1 Achalasie Hiatushernie Fremdkörper Divertikel Aortenaneurysma
Abb.35.1-2: Wichtige Differentialdiagnosen der Dysphagie
Ösophagus Veränderungen, wie Ulzerationen, Stenosen, Dilatationen, Divertikeln usw. Mit der Doppelkontrasttechnik lassen sich auch feinere Schleimhautveränderungen, wie erosive und entzündliche, darstellen. Bei Verdacht auf Perforation oder Fisteln wird nur wasserlösliches Kontrastmittel (Gastrografin®) verwendet, denn der Austritt von Bariumsulfat in das Mediastinum, den Bronchialbaum oder in die Pleurahöhle führt zu schweren toxisch-entzündlichen Reaktionen. CT, MRT: Mit Einschränkung geeignet zur Beurteilung der lokalen Tumorausbreitung und Lymphknotenmetastasierung, z.B. beim Ösophaguskarzinom (Tumorstaging), zuverlässiger mit der Endosonographie (s.u.). Endoskopie, Biopsie: Starre Instrumente (früher üblich) sind bei therapeutischen Maßnahmen geeigneter. Die flexiblen Glasfiberendoskope - mit Geradeaus- und Winkeloptik ausgerüstet - gestatten eine optimale Betrachtung des Ösophaguslumens. Dabei können gezielt multiple Gewebeproben entnommen und die Diagnose meist gesichert werden. Vorsicht jedoch bei Verdacht auf Tumor, wenn die Biopsie bei der histologischen Untersuchung negativ ist. Dies schließt ein Karzinom nicht aus! In kurzem Zeitabstand sind wiederholte Ösophagoskopien mit zahlreichen Biopsien aus verschiedenen Stellen notwendig. Bei hochgradigen Stenosen, die eine Einführung des Instruments unmöglich machen, ist die zytologische Aufarbeitung eines Bürstenabstrichs sinnvoll.
485 - Ulzerationen - Stenosen - Dilatationen - Divertikel Mit Doppelkontrasttechnik: feine Schleimhautveränderungen, erosive und entzündliche Prozesse CT, MRT: Tumorstaging
Endoskopie und Biopsie: Betrachtung des Ösophaguslumens mit Gewebeprobeentnahme Cave: Kein Ausschluß des Karzinoms, wenn Biopsie negativl Wenn keine Endoskopie wegen hochgradiger Stenose möglich: zytologische Aufarbeitung eines Bürstenabstrichs
Cave: Gefahr der Perforationsverletzung bei starren Instrumenten
Bei der Ösophagoskopie - besonders mit dem starren Instrument - besteht die Gefahr einer Perforationsverletzung (Häufigkeit 0,1-1 %).
Endosonographie: endoskopisch gesteuerte Sonographie, die vor allem zur Beurteilung der Wandstruktur von Hohlorganen dient. Die Treffsicherheit zur Beurteilung der Infiltrationstiefe von malignen Tumoren und umgebenden Lymphknotenvergrößerungen (Metastasen?) ist sehr hoch, etwa 9095 %. Bei sehr engen Stenosen ist sie ungeeignet. Intraösophageale Druckmessung: Die intraluminale Druckmessung dient zur Abgrenzung funktioneller Störungen, wie Achalasie, Ösophagospasmus, Sklerodermie und Insuffizienz der Sphinkteren. Sie wird als sog. Mehrpunktmanometrie und ergänzend dazu als Durchzugsmanometrie durchgeführt. Hierbei werden Druckänderungen an verschiedenen Meßstellen registriert. Die Untersuchung ist aufwendig und besitzt nur in Kombination mit den anderen Untersuchungsmethoden (Röntgen, Endoskopie) Aussagekraft. Untersuchungen zum Refluxnachweis: Die pH-Messung im Ösophagus dient der Beurteilung eines gastroösophagealen Refluxes. Es gibt verschiedene Verfahren: Langzeit-pH-Metrie, Hochfrequenzkinematographie, Säure-Clearance-Test, Säure-Reflux-Test, Refluxszintigraphie. Mit letzterer lassen sich Refluxepisoden feststellen, z.B. nach dem Essen und bei Horizontallage im Schlaf. Der Test ist für die Indikationsstellung bei der Refluxkrankheit von Bedeutung.
Endosonographie zur Beurteilung der Tiefe einer Wandinfiltration und von Lymphknotenvergrößerungen (Tumorstaging)
1.3
Motilitätsstörungen
Motilitätsstörungen
1.3.1 Achalasie
Intraösophageale Druckmessung: Abgrenzung von funktionellen Störungen (Achalasie, Ösophagospasmus, Sklerodermie) und Insuffizienz der Sphinkteren Aussagekraft nur in Kombination mit Röntgen und Endoskopie
Beurteilung eines gastroösophagealen Refluxes, 5 Verfahren: - Hochfrequenzkinematographie —> Refluxepisoden - Säure-Clearance-Test - Säure-Reflux-Test - Langzeit-pH-Metrie - Refluxszintigraphie
Achalasie:
1.3.1.1 Definition, Ätiologie, Pathogenese Die Achalasie ist eine neuromuskuläre Störung der gesamten glattmuskulären Speiseröhre. Wichtigste Kennzeichen sind: ungeordnete Peristaltik des tubulären Ösophagus und gestörte Erschlaffung des UÖS. Morphologisches Substrat ist eine Verdickung der Muskulatur des UÖS, die im Spätstadium bindegewebig verändert sein kann. Man findet eine Verminderung bzw. unterschiedlich starke Degeneration der Ganglienzellen des Plexus myentericus (Auerbach). Durch enzymhistochemische Untersuchungen konnte eine Reduzierung der Cholinesterase-Aktivität im Ösophagus nachgewiesen
= neuromuskuläre Störung der gesamten glattmuskulären Speiseröhre Kennzeichen: - ungeordnete Peristaltik - gestörte Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters - Ganglienzelldegeneration des Plexus myentericus
486
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.1-3: Verschiedene Formen der Achalasie (modifiziert n. Siewert): 1 hypermotile, 2 hypomotile, 3 amotile Form
w e r d e n . Letztlich a b e r ist die Ätiologie des L e i d e n s u n b e k a n n t . D i e keit d e r A c h a l a s i e wird mit 0,6-2 p r o 100000 E i n w o h n e r geschätzt.
Häufig-
Chagas-Krankheit Erreger: Trypanosoma cruzi. Endemisches Vorkommen in Südamerika Klinisch unterscheidet man 3 Formen der Achalasie (Abb.35.1-3): - hypermotile Form - hypomotile Form - amotile Form
In südamerikanischen Ländern gibt es ein der achalasieähnliches Krankheitsbild, die durch Infektion mit dem Trypanosoma cruzi hervorgerufene Chagas-Krankheit. • u • ,, , A , , . . . . ... , Klimsch s m d 3 F o r m e n der A c h a l a s i e zu u n t e r s c h e i d e n : die hypermotile, hypomotile ( a m h ä u f i g s t e n ) u n d amotile r o r m ( A b b . Je n a c h r o r m ist die S p e i s e r ö h r e unterschiedlich erweitert. D i e oft langjährige Stase der N a h r u n g im Ö s o p h a g u s f ü h r t zu e i n e r c h r o n i s c h e n Retentionsösophagitis mit E r o s i o n e n , U l z e r a t i o n e n und Epitheldysplasien. D a h e r hat die A c h a l a sie ein e r h ö h t e s Krebsrisiko (ca. 2,1 % ) .
Symptome
1.3.1.2 Symptome, Diagnose und Differentialdiagnose
Leitsymptom: Dysphagie außerdem: • Regurgitation • retrosternale Schmerzen • Foetor ex ore • Aspirationspneumonie • Gewichtsverlust
Leitsymptom ist die Dysphagie (s. A b b . 35.1-2). D a b e i fällt auf, d a ß die Passage f ü r f e s t e Speisen besser als f ü r Flüssigkeiten ist. Je nach Motilität des t u b u l ä r e n Ö s o p h a g u s k o m m t es zur R e g u r g i t a t i o n , zu r e t r o s t e r n a l e n S c h m e r z e n , Gewichtsverlust, F o e t o r ex o r e u n d p u l m o n a l e n K o m p l i k a t i o n e n d u r c h A s p i r a t i o n . D i e A n a m n e s e geht meist ü b e r viele Jahre. In d e r R e g e l sichern Röntgenuntersuchung ( A b b . 35.1-4) u n d Ösophagoskopie die D i a g n o s e . I m f o r t g e s c h r i t t e n e n S t a d i u m d e r Achalasie läßt be-
Diagnose
Abb.35.1-4: Kontrastdarstellung einer ausgeprägten Achalasie mit erheblicher Osophagusdilatation, glattwandiger Stenose und Knickbildung des terminalen Ösophagus
Abb.35.1-5: Kontrastfüllung des Ösophagus bei Achalasie mit extremer xiphonartiger Erweiterung und Längsdilatation der Speiseröhre
487
Ösophagus reits die Thoraxübersichtsaufnahme eine Verbreiterung des Mediastinums und Flüssigkeitsspiegel erkennen. Typisch sind bei der Kontrastdarstellung folgende Kriterien: • erhebliche Dilatation der Speiseröhre, propulsive Kontraktionen und schluckreflektorische Erschlaffung des UÖS fehlen, • glattwandige Stenose und Knickbildung des terminalen Ösophagus (Weinkelchform, Abb. 35.1-4 und 35.1-32, S.503). Im Gegensatz dazu ist beim Karzinom die Stenose unregelmäßig konturiert und die prästenotische Dilatation deutlich geringer ausgeprägt, • nach Applikation von Gastrin-Antagonisten (z.B. Glukagon, Sekretin) öffnet sich der UÖS (Pharmakoradiographie!), • siphonartige Erweiterung des gesamten Ösophagus im fortgeschrittenen Stadium (Abb. 35.1-5). Die Endoskopie mit Biopsie dient in erster Linie dem Tumorausschluß. Typisch ist, daß bei der Achalasie das Ösophagoskop ohne weiteres durch die Stenose in den Magen vorgeschoben werden kann. Dies ist bei der Karzinomstenose oder peptischen Stenose nicht möglich. Die manometrische Untersuchung ist ein ergänzendes diagnostisches Verfahren, vor allem zur Abgrenzung anderer funktioneller Störungen. Differentialdiagnosen: • Kardia- bzw. Ösophaguskarzinom: unregelmäßige Konturen, Füllungsdefekte, Wandstarre • diffuser Ösophagospasmus: heftige retrosternale Schmerzen, röntgenologisch tiefe spastische Einschnürungen • peptische Stenose: hochgradige glatt begrenzte Verengung, Hiatushernie mit Refluxösophagitis • Sklerodermie: Peristaltikausfall bis zur Aperistaltik, Ruhedruck im UÖS 4• benigne Tumoren: glatte Kontrastmittelaussparung, evtl. endoskopisch sichtbar • Plummer-Vinson-Syndrom, typische Trias: Eisenmangelanämie, Dysphagie, Glossitis
Sicherung der Diagnose durch Röntgenuntersuchung und Ösophagoskopie mit folgenden Kriterien: - Dilatation MegaÖsophagus - distale Stenose - Pharmakoradiographie öffnet UÖS
Endoskopie: dient Tumorausschluß Manometrische Untersuchung: zur Abgrenzung anderer funktioneller Störungen Differentialdiagnose Spaltung der Muskulatur bis auf die Mukosa (s.Abb. 35.1-7)
• Therapieversager nach pneumatischer Dilatation und die amotile Achalasie • bei Kindern und Jugendlichen, bei denen die Kooperation bei der Dehnung ungenügend ist, • bei Verdacht auf Kardia-Ösophagus-Karzinom
Op.-Indikationen
4=
488 Dilatations-
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Kardiomyotomie =Spaltung der Ösoph.-muskulatur Schleimhaut bleibt intakt
Myotomie
Fundoplicatio Dicke Ösophagussonde
Abb. 35.1-6: Pneumatische Dilatation des unteren Ösophagussphinkters bei A c h a l a s i e mit einem Ballon-Katheter
Abb.35.1-7: K a r d i o m y o t o m i e nach Gottstein-Heller: a. Nach Einführung einer dicken Ö s o p h a g u s s o n d e w i r d die Muskulatur des mobilisierten Ö s o p h a g u s bis auf die Schleimhaut in einer Länge v o n 8-10 cm durchtrennt, b. Nach Spaltung der Muskulatur Fundoplicatio nach Nissen, u m einen Reflux zu verhindern
Weitergehende operative Maßnahmen, wie Bypass-Verfahren (Ösophagofundostomie oder Kardiaplastik) kommen nur in Ausnahmesituationen in Frage. Sie haben ein großes Operationsrisiko und sind durch postoperative Refluxösophagitis belastet. idiopathischer, diffuser Ösophagus-
1.3.2 Idiopathischer, diffuser Ösophagusspasmus
diffuse, tertiäre, spastische Kontraktion des Ö s o p h a g u s . Keine koordinierte Peristaltik Klinik und Diagnose: heftiger retrosternaler Schmerz, Schluckstörungen Röntgen: tiefe spastische E i n s c h n ü r u n gen (,,Korkenzieher"-Ösophagus) Manometrisch: - gesteigerte Spontanaktivität mit erhöhtem Ruhedruck - hohe simultane Kontraktion b e i m Schlucken - normale Erschlaffung des U Ö S - E m p f i n d l i c h gegen Cholinergika und Pentagastrin Endoskopie: A u s s c h l u ß neopiastischer und entzündlicher Veränderungen Therapie: S p a s m o l y t i k a und Nitroglyzerin-Präparate Beseitigung der Dysphagie
Definition: Diffuse, tertiäre, spastische Kontraktionen des Ösophagus statt einer koordiniert ablaufenden Peristaltik. Klinik und Diagnose: Die Ösophagusspasmen sind von heftigen, retrosternalen Schmerzen und Schluckstörungen begleitet. Röntgenologisch ist der Ösophagus enggestellt und zeigt tiefe spastische Einschnürungen (Korkenzieher-Ösophagus). Manometrisch findet man eine gesteigerte Spontanaktivität mit erhöhtem Ruhedruck im tubulären Ösophagus, abnorm hohe simultane Kontraktionen beim Schlucken, normale Erschlaffung des UÖS (im Gegensatz zur Achalasie), Empfindlichkeit gegenüber Cholinergika und Pentagastrin. Die Endoskopie ist zum Ausschluß neoplastischer und entzündlicher Veränderungen erforderlich. Therapie: Spasmolytika und Nitroglyzerin-Präparate beseitigen prompt die schmerzhafte Dysphagie. In ausgeprägten Fällen wurde eine langstreckige Myotomie versucht, jedoch mit geringem Erfolg.
Hiatushernien
1.4 Hiatushernien
= Verlagerung von Anteilen des Magens und der Kardia in Mediastinum und Tho-
Definition. Verschieden große Anteile von Magen und Kardia sind vorübergehend oder auch bleibend in Mediastinum und Thorax verlagert. Es handelt sich um eine erworbene Störung. Ursächlich sind eine Erschlaffung der Hiatusmuskulatur und der Aufhängebänder der Kardia und eine intraabdominelle Drucksteigerung (Adipositas, Schwangerschaft) von Bedeutung. Exakte Angaben zur Häufigkeit liegen nicht vor. Man findet sie mit zunehmendem Alter häufiger, bei freiwilligen Probanden konnte sie in 30-50 % röntgenologisch nachgewiesen werden.
rax
1.4.1 Einteilung, Diagnose Einteilung in 3 Forroers: - axiale Hernie, am häufigsten - paraösophageale Hernie - Mischhernie 1. Axtale Hernie (Hiatusgleithemie)
Einteilung: 3 verschiedene Formen von Hiatushernien werden unterschieden: axiale Hernie (Hiatusgleithemie, am häufigsten), paraösophageale Hernie, Mischhernie (Abb. 35.1-8). • Axiale Hernie (Hiatusgleithemie): Die Kardia evtl. auch Fundusanteile gleiten in „axialer" Richtung des Ösophagus durch den meist nur gering er-
489
Ösophagus
His-Winkel !
Peritoneum
Abb.35.1-8: Formen der Hiatushernien: a. Normale Situation mit spitzem HisWinkel, b. Ösophagusgleithernle, der spitze His-Winkel ist aufgehoben, da die Kardia in den Thorax prolabiert, c. Paraösophageale Hernie, d. Gemischte Hernienform = Gleithernie und parakardiale Hernie, e. Der ganze Magen ist in den Thorax prolabiert, sog. Upside-down stomach
weiterten Hiatus. Es findet sich ein nur partieller Bruchsack. Bei der sog. „kardio-fundalen Fehlanlage" handelt es sich um eine Vorstufe des Gleitbruches. Der Ösophagus mündet mit einem stumpfen His-Winkel in den Magen ein. Hierdurch wird ein Reflux begünstigt. Meist macht die axiale Hiatushernie keine Symptome, da sie leicht reponibel ist. Eine Einklemmung kommt nicht vor. Der Krankheitswert wird durch die Störung des Kardiaverschlußmechanismus bestimmt. Er kann zu einem gastroösophagealen Reflux von Mageninhalt und damit zur Refluxkrankheit führen (s. S.490). • Paraösophageale Hernie: Der Magen tritt bei fixierter Kardia durch die deutlich erweiterte Hiatuslücke neben dem Ösophagus ins Mediastinum. Im Gegensatz zur axialen Hernie ist hier der peritoneale Bruchsack allseits geschlossen. Die paraösophageale Hernie kann erhebliche Größe erlangen, wenn z. B. der gesamte Magen in die Thoraxhöhle verlagert wird, als Thoraxmagen oder Upside-down stomach bezeichnet (Abb. 35.1-8e, 9). Hierdurch besteht die Gefahr der Strangulation und Inkarzeration. Im Bereich des Schnürringes kann sich ein Ulkus mit den Komplikationsmöglichkeiten der Blutung oder Perforation entwickeln. Typisch für die paraösophageale Hernie sind Verdrängungssymptome, die mit den Einengungserscheinungen im Thorax zusammenhängen, wie Völlegefühl, Aufstoßen, Schmerzen und durch Verlagerung des Herzens auch anfallsweise Tachykardien. • Mischhernie: Es handelt sich um die Kombination von axialer und paraösophagealer Hernie, d. h. Kardia und Magenfundus oder größere Magenanteile sind in den Thoraxraum verlagert. Es können sowohl die Zeichen der Kardiainsuffizienz mit Refluxbeschwerden als auch Verdrängungserscheinungen auftreten. Diagnostisch muß vor allem die Funktion der Kardia abgeklärt werden. Diagnose: Hinweise auf das Vorliegen einer Hiatushernie ergeben sich aus dem klinischen Bild: Refluxbeschwerden (Sodbrennen), Völlegefühl und Aufstoßen, retrosternale Schmerzen, Passagestörungen, unklare chronische Anämie. Die Diagnose gelingt röntgenologisch: Durch Kontrastfüllung läßt sich der Magen im unteren Mediastinum bzw. der Thoraxhöhle nachweisen, bei kleinen axialen Hernien oft erst in Kopftieflage (Abb. 35.1-10). Bei größeren paraösophagealen Brüchen können bereits auf der Thoraxübersichtsaufnahme eine mediastinale Verschattung und Flüssigkeitsspiegel erkennbar sein (Abb.35.1-11). Die Endoskopie ist für die Diagnose der Hiatushernie meist ohne Bedeutung, jedoch wichtig für die Diagnose der Refluxösophagitis und immer notwendig bei gleichzeitig vorkommenden Schluckbeschwerden (Karzinom ausschließen). In 25-30 % der Hiatushernien findet man ohne jeden pathogenetischen Zusammenhang eine Cholelithiasis und Divertikulose, als Saint-Trias bekannt. Es empfiehlt sich daher eine Cholelithiasis mittels Sonographie auszuschließen.
Kardia und evtl. Fundusanteile gleiten In axialer Richtung des Ösophagus durch den Hiatus Meist keine Symptome Leicht reponibel. Keine Einklemmung Folge: evtl. Reflux von Mageninhalt -> Refluxkrankheit
2. Paraösophageale Hernie
Durchtritt des Magens bei fixierter Kardia durch die erweiterte Hiatuslücke Ins Mediastinum. Bruchsack allseits geschlossen. Beachtliche Größe bei Thoraxmagen. Gefahr der Strangulation und Inkarzeration Komplikationen:
- Ulkus mit Blutung oder Perforation - Verdrängungssymptome mit Völlegefühl, Aufstoßen, Schmerzen, durch Verlagerung des Herzens Tachykardie 3. Mischhernie Kombination axialer und paraösophagealer Hernie: Kardia und Magenfundus in den Thoraxraum verlagert Beschwerden:
- Kardiainsuffizienz - Refluxbeschwerden - Verdrängungserscheinungen Diagnose der Hiatushernie: • klinisches Bild:
- Refluxbeschwerden (Sodbrennen) - Völlegefühl, Aufstoßen - retrosternale Schmerzen, Passagestörung - evtl. chronische Anämie • Röntgen (Abb.35.1-10):
Kontrastfüllung -> Nachweis des Magens im unteren Mediastinum und der Thoraxhöhle
• Endoskopie bei
- Schluckbeschwerden - Refluxösophagitis • Sonographie
- Saint-Trias (—> Hiatushernie + Cholelithiasis + Divertikulose) ausschließen
490
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb. 35.1-9: Upside-down stomach (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FL) Berlin)
Abb.35.1-10: Röntgenkontrastdarstellung einer großen paraösophagealen Hiatushernie. Der Magenfundus ist neben dem Ösophagus in das Mediastinum prolabiert
Abb.35.1-11: Luft- und Flüssigkeitsspiegel in der linken Brusthöhle (—>), bedingt durch eine paraösophageale Hiatushernie. (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin)
4. Refluxkrankheit
1.4.2 Refluxkrankheit
= unphysiologisch langer Kontakt von gastrointestinalen Säften mit der Ösophagusschleimhaut -> Reizung der Schleimhaut Symptome: - Sodbrennen - retrosternale Schmerzen - Dysphagie - entzündliche Veränderungen Man unterscheidet: primäre und sekundäre Refluxkrankheit -» Folge einer organischen Erkrankung Einteilung • Morphologisch 3 Formen: - intakte Schleimhaut - bioptisch: Ösophagitis - endoskopisch: Ösophagitis
Definition: unphysiologisch langer Kontakt von gastrointestinalen Säften mit der Ösophagusschleimhaut, die hierdurch alteriert wird. Die Folgen können sein: Sodbrennen und retrosternale Schmerzen, Funktionsstörungen der Speiseröhre (Dysphagie), entzündliche Veränderungen mit Erosionen, Ulzera, Blutungen, Strikturen. Wir unterscheiden die primäre und sekundäre Refluxkrankheit. Primär ist sie ein eigenständiges Krankheitsbild, sekundär Folge einer organischen Erkrankung (Aufstau bei Magenausgangsstenose, Sklerodermie, Achalasie) oder eines vorausgegangenen operativen Eingriffes (z. B. Kardiaresektion, Gastrektomie).
Endoskopische Einteilung in 4 Schweregrade (Abb.35.1-12)
Grad l-ll: Ausheilung möglich Grad IV: irreversible Narbenbiidung. Ersatz der Ösophagusschleimhaut durch Zylinderzellnarben Bild des Endobrachyösophagus. Durch Übergangsulzera Gefahr der Blutung und Stenose, mögliche Karzinomentwicklung
Einteilung. Morphologisch lassen sich 3 Formen differenzieren: (1) reine Funktionsstörungen ohne Veränderungen der Ösophagusschleimhaut (2) bioptisch nachweisbare Ösophagitis mit Granulozyteninfiltration der Lamina propria (3) endoskopisch sichtbare Zeichen der Entzündung (Rötung, Ödem, Nekrosen, Erosionen, Ulzera). Wichtig ist besonders im Hinblick auf eine differenzierte Therapie die endoskopische Einteilung in 4 Schweregrade (Abb.35.1-12). Stadium I: Fleckige vereinzelte rote Läsionen, a: ohne weißen Fibrinbelag, b: zentral mit weißem Fibrinbelag Stadium II: streifenförmige rote Läsionen, a: ohne, b: mit weißem Fibrinbelag Stadium III: ausgedehnte Läsionen, zirkulär, zum Teil konfluierend, Ausdehnung über die ganze Zirkumferenz des Ösophagus Stadium IV: Komplikationen der Refluxösophagitis: Fibrose, Striktur, Barrett-Ulkus Die Veränderungen Grad I-II können folgenlos ausheilen; bei Grad TV ist die Narbenbildung irreversibel. Zerstörtes Plattenepithel der Ösophagusschleimhaut wird durch Zylinderepithel (Zylinderepithelnarbe) ersetzt (mögliche Karzinomentwicklung wegen eindeutig belegter Sequenz: Zylinderepithel —»leichte Dysplasie —> schwere Dysplasie —» Adenokarzinom). Die Zylinderzellnarben können ganze Segmente der terminalen Speiseröhre zirkulär bedecken und führen zum Bild des Endobrachyösophagus. Es
Ösophagus
491
Abb.35.1-12: Endoskopisch sichtbare Schweregrade der Refluxösophagitis: Grad I = vereinzelte erosive Bezirke i m terminalen Ösophagus, Grad II = größere erosive Schleimhautveränderungen, Grad III = zirkulär konfluierende entzündliche erosive Schleimhautveränderungen, Grad IV = zirkuläre konfluierende erosive Ösophagitis mit Stenosierung
handelt sich hier um das Narbenstadium einer Refluxösophagitis. Am Übergang vom Endobrachyösophagus zum normalen Plattenepithel können sich die Übergangsulzera entwickeln mit Gefahr der Blutung und Stenose. Armstrong hat eine neue Einteilung - MUSE-Klassifikation - vorgeschlagen, welche die G r u n d p h ä n o m e n e Erosion, Striktur, Ulkus und Metaplasie zu einem logischen Konzept zusammenfaßt (Abb.35.1-13).
• MUSE-Klassifikation nach A r m s t r o n g (Abb. 35.1.13)
Pathogenese. Die primäre Refluxkrankheit entsteht durch eine Kardiainsuffizienz, die ihre Ursache meist in einer axialen Hiatushernie hat. Für die Verschlußfunktion der Kardia werden verschiedene, komplex wirkende Mechanismen diskutiert: spitzer His-Winkel, Gubaroff-Falte, Zwerchfellzwinge, wechselnde Hochdruckzone (abdominal-thorakal), Selbstreinigungsfunktion des Ösophagus (propulsive Kontraktionen), unterer Ösophagussphinkter ( U Ö S ) . D e r pathologische Reflux bei der Kardiainsuffizienz ist meist ohne Folgen. N u r in etwa 10 % der Patienten kommt es zur Refluxkrankheit. Diese kann ausheilen oder in die Refluxösophagitis mit ihren verschiedenen G r a d e n übergehen. D e r pathologische Reflux kann durch die Langzeit-p H-Metrie nachgewiesen werden. D e r Reflux ist pathologisch, wenn er nachts oder tagsüber im Nüchternzustand auftritt. D a s Ausmaß der Refluxösophagitis hängt ab: • von der Kontaktzeit des Regurgitáis mit der Ösophagusschleimhaut (Selbstreinigungsfunktion der Speiseröhre),
Pathogenese Ursache der Refluxkrankheit: Kardiainsuffizienz, deren Übergang in Refluxösophagitis möglich ist. Pathologisch, w e n n Reflux im Nüchternzustand auftritt
Metaplasie
Schweregrad
Striktur
Ulkus
M, ; 1. gering
t
1 Streifen
•
Ubergangsulkus Wolf oder Savary
keine
keine
keine
•
Erosion
•
• keine
0. keine
A u s m a ß der Refluxösophagitis unterschiedlich
D
o
> 9 mm
auf 1 Faltenkuppe
4 9 mm
auf mindestens 2 Faltenkuppen
"J 2. mäßig Barrett-Ulkus
ä 2Streifen
3. schwer
IL zirkulär
3
kombiniert (Savary + Barrett)
Striktur + verkürzter Ösophagus*
zirkulär
Abb. 35.1-13: MUSE-Klassifikation n. Armstrong. Je nach Schweregrad der Refluxösophagitis f i n d e n sich die typischen Veränderungen an der Ösophagusschleimhaut: Erosionen, Striktur, Ulkus, Metaplasie
492
35. Chirurgie des Verdauungstraktes • von der Zusammensetzung des Regurgitáis (HCl, Pepsin, Gallensäuren), Unterscheidung zwischen saurer und alkalischer Refluxösophagitis, z. B. nach Gastrektomie! • von der individuellen Empfindlichkeit der Speiseröhrenschleimhaut, • von exogenen Faktoren, z. B. Alkohol, Nikotin.
Natürlicher Verlauf entsprechend der Zehnerregel (n. Rösch)
=í>
Der natürliche Verlauf der Refluxkrankheit läßt sich an einer Zehnerregel festhalten (Rösch): • jeder 10. Deutsche hat Refluxbeschwerden • bei jedem 10. Refluxkranken findet sich eine Refluxösophagitis • bei jeder 10. Refluxösophagitis entwickelt sich ein Endobrachyösophagus (Barrett-Syndrom) • bei jedem 10. Barrett-Syndrom entsteht ein Adenokarzinom.
S y m p t o m e , Diagnose
1.4.2.1 Symptome und Diagnose
Zur Abklärung der Refluxkrankheit sind M o r p h o l o g i e und Funktion des UÖS und der Speiseröhre w i c h t i g (Abb. 35.1.14) Leitsymptome: Sodbrennen, retrosternaler Schmerz bis zum Pharynx, Zurückfließen v o n Speisen und Magensaft in den Mund
Für die Diagnostik der Refluxkrankheit sind Morphologie und Funktion des UÖS und der Speiseröhre (Abb.35.1-14) von besonderer Bedeutung.
Diagnostik: Säurereflux kann zur Refluxlaryngitis und durch nächtliche Aspiration zu chronischem Husten führen! Nachweis des Refluxes: - Langzeit-pH-Metrie, - Szintigraphie, M a n o m e t r i e Endoskopie m i t Biopsie
Symptome. Leitsymptom ist das Sodbrennen. Dies kann sich bis zum retrosternalen Schmerz, der sich bis zum Pharynx ausdehnt, steigern. Oft gibt der Patient auch ein Zurückfließen von Speisen und Magensaft in den Mund an. Verstärkt oder ausgelöst wird die Symptomatik beim Bücken, im Liegen, bes. nachts, nach dem Essen, durch scharfe Gewürze, Alkohol und Rauchen. Als Folge rezidivierender Säureexposition können eine „Refluxlaryngitis" und chronischer Husten durch nächtliche Magensaftaspiration beobachtet werden. Diagnose. Der radiologische Nachweis einer Hiatushernie ist kein Beweis für eine Refluxkrankheit, auch nicht der Reflux nach Provokationstesten (Kopf-Tieflage, Valsalva-Preßversuch). Der Nachweis eines Refluxes gelingt besonders durch die Langzeit-/? H-Metrie, Szintigraphie (sehr aufwendig) oder Manometrie.
O
Untersuchung d. Refluats (Säure, Pepsin, Pankreasenzym, Gallensäure)
Abb.35.1-14: Diagnostik der Refluxkrankheit nach morphologischen funktionellen Gesichtspunkten (n. J.R. Siewert)
und
Ösophagus 1.4.2.2 Therapie von Refluxkrankheit und Hernien Bei der Refluxösophagitis I. und II. Grades ist zunächst ein konservativer Therapieversuch angezeigt. Er umfaßt Gewichtsreduktion, Schlafen mit erhöhtem Oberkörper, bei Obstipation Stuhlregulierung, Einschränkung von Nikotin und Alkohol. An Medikamenten sind zu empfehlen Antazida, H 2 Blocker und Prokinetika (z.B. Paspertin), OmeprazolBei der axialen Hiatushernie wird nur operiert, wenn eine Ösohagitis III. oder IV. Grades bzw. Komplikationen, wie Blutungen oder Stenosen vorliegen. Die Operation ist aber auch zu erwägen, wenn ein starker Leidensdruck besteht. Für die operative Behandlung der Refluxkrankheit gibt es mehrere Verfahren. Vom transthorakalen Vorgehen nach Allison mit Einengung der Bruchlücke ist man heute abgerückt. Dafür sind Verfahren, die den His-Winkel rekonstruieren und damit den Reflux verhindern, wie die transabdominale Fundoplicatio nach Nissen, die Operation nach Belsay oder nach Hill Methoden der Wahl. Mit diesen Verfahren ist ein Reflux zuverlässig zu verhüten. Die Operationsgefährdung ist gering (Letalität im eigenen Krankengut 0 %). Die Ergebnisse sind in 85-90 % gut bis befriedigend. • Die Fundoplicatio nach Nissen ist die klinisch und experimentell am besten belegte Antirefluxoperation. Sie läßt sich heute auch mit der MIC durchführen (s. S.264).
Abb.35.1-15: Fundoplicatio nach Nissen/Rossetti, a. Ösophagus mit Gummizügel angeschlungen. Die Kardia wird nach distal gezogen und damit der His-Winkel verstärkt, b. Manschettenbildung aus der Fundusvorderwand, die um den Ösophagus geschlungen wird, c. Fixation mit nichtresorbierbaren Nähten über einer dicken Ösophagus-Magen-Sonde, um eine Stenose zu vermeiden. Der Ösophagus wird von der Naht nicht mitgefaßt
Reflux
1. Manschettenlösung und erneuter Reflux, 2. Gas-bloat-Syndrom infolge einer Superkontinenz durch zu eng angelegte Manschette, 3. Teleskop-Phänomen bei zu weit angelegter Manschette mit Hochgleiten des Magenfundus, Stase und erneuter Reflux, 4. primär zu tief angelegte Manschette und weiterbestehender Reflux, 5. Denervationssyndrom durch Verletzung des N.vagus, führt zu Stase und Gas-bloat-Syndrom (n. J.R. Siewert)
493 Therapie der Hiatushernien und der Refluxkrankheit Refluxösophagitis: bei I. und II. Grad erst konservative Therapie Axiale Hiatushernie: Operation bei Ösophagitis III. oder IV. Grades und Komplikationen sowie bei ausgeprägtem Leidensdruck
Operative Behandlung der Refluxkrankheit: Methode der Wahl:
1. Fundoplicatio n. Nissen Technik: Abb. 35.1-15
494
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Der Magenfundus wird mit wenigen Nähten manschettenförmig um die Speiseröhre an der Vorderwand fixiert (Abb. 35.1-15). Der Eingriff ist gut standardisiert. Er kann im Detail jedoch technisch anspruchsvoll sein. Daher können geringe technische Fehler zu Komplikationen führen (Abb. 35.1-16):
Komplikationen der Fundoplicatio (Abb.35.1-16)
^ t >
2. Operation n. Belsey
3. Operation n. Hill
(1) Lösung der Fundusmanschette (durch Verwendung von resorbierbarem Nahtmaterial) und damit erneuter Reflux (2) Teleskop-Phänomen: die Manschette ist zu locker; der Magenfundus gleitet unter der Manschette nach kranial (3) Zu enge Manschette (5-10%) führt zur meist temporären Dysphagie und zum gas-bloat-Syndrom (Superkontinenz), d. h. der Patient kann nicht aufstoßen (4) Denervations-Syndrom: Versehentliche Durchtrennung des N. vagus führt zur Hypo- bis Amotilität des Magens und zum gas-bloat-Syndrom (5) Zu tief angelegte Manschette führt zur Stauungsgastritis und zu Ulzerationen in der Manschette.
• Operation nach Belsey: Transthorakale Freilegung der Hiatushernie. Longitudinale Raffung der vorderen 2/3 des Fundus, Einengung des Hiatus, Fixation der Plikaturnähte am Diaphragma (Abb. 35.1-17). • Operation nach Hill: Transabdomineller Zugang. Vorsichtige Mobilisierung des Fundus ohne Vagus Verletzung! Die Plikatur wird aus der Hinterund Vorderwand des Fundus gebildet und die Falte an der präaortalen Membran fixiert (Abb. 35.1-18).
fung der vorderen Fundusabschnitte, b. Fixation der Plikatur am Diagphragma (aus J. R. Siewert et al.)
Abb.35.1-18: Abdominale Refluxoperation n. Hill: Plikaturbildung aus Anteilen der Vorder- und Hinterwand des Fundus (aus J. R. Siewert et al.)
Ösophagus
495
Ösophagus
Abb. 35.1-19: Ligamentum-teres-Plastik bei axialer Hiatushernie. Das peripher durchtrennte Lig.teres wird auf der Vorderwand des Fundus und am Ösophagus fixiert und verhindert das Hochgleiten der axialen Hiatushernie
Abb.35.1-20: Die Angelchik-Prothese ist kragenförmig um die Speiseröhre gelegt, vorne verknotet und die Ligatur mit Gefäßclip gesichert. Die Hiatushernie wird zurückgehalten und kann nicht mehr prolabieren
• Ligamentum-Teres-Plastik: Das Lig.teres hepatis wird mobilisiert, peripher durchtrennt und an der Vorderwand des Magens zwischen Ösophagus und Fundus durch Naht fixiert. Ein Hochgleiten der Kardia und damit der Reflux sollen hierdurch verhindert werden (Abb. 35.1-19). • Silicon-Antirefluxprothese n.Angelchik (Abb. 35.1-20): Es handelt sich um ein technisch einfaches Verfahren. Die hufeisenförmige Kunststoffprothese wird „kragenförmig" und locker um den mobilisierten distalen Ösophagus plaziert, die Bänder vorne verknotet und zusätzlich mit einem Gefäßclip gesichert. Nachteilig ist die hohe Dislokationsrate von ~ 13 %.
4. Teres-Plastik: Dynamische Fixierung des Magens mit dem Lig. teres
Die Indikation zur operativen Korrektur einer paraösophagealen Hernie ist dringlich, da die Gefahr einer Strangulation oder Einklemmung besteht. Methode der Wahl ist die abdominelle Gastropexie; die Bruchlücke wird ohne Resektion des Bruchsackes eingeengt und der Magen an der vorderen Bauchwand und am linken Zwerchfell mit nichtresorbierbaren Nähten fixiert.
Paraösophageale Hernie: großzügige Indikationsstellung, da Strangulation oder Einklemmungsgefahr besteht Methode der Wahl: Abdominelle Gastropexie
1.5 Divertikel
Divertikel
Definition: Ösophagusdivertikel sind überwiegend Pseudodivertikel, da sich nur die Schleimhaut und nicht die gesamte Wand des Ösophagus sackartig vorstülpt. Sie treten meist solitär, selten multipel auf. Einteilung: Man unterscheidet nach der Lokalisation (Abb. 35.1-21) das zervikale (Zenker-) Pulsionsdivertikel, das thorakale Traktionsdivertikel und das epiphrenische Pulsionsdivertikel. Männer erkanken häufiger als Frauen, das höhere Lebensalter ist bevorzugt.
Sackartige Vorstülpungen der Schleimhaut des Ösophagus durch Muskellücken (Abb. 35.1-21)
1.5.1 Zenker-Pulsionsdivertikel
1. Zenker-Pulsionsdivertikel
Es ist am häufigsten (ca. 1:1500) und entwickelt sich am Killian-Dreieck, d. h. in der muskelschwachen Region zwischen dem M. constrictor pharyngis inf. und seiner Pars cricopharyngea. Für die Entstehung spielt eine Koordinationsstörung des M.cricopharyngeus (Pars cricopharyngea des M. constrictor pharyngis inf.) eine Rolle, der der Druckwelle des Pharynx Widerstand bietet. Die Divertikel, meist links gelegen, können bis faustgroß werden. Symptome und Diagnose: Die Patienten klagen über Fremdkörpergefühl, Dysphagie, Erbrechen unverdauter Nahrung besonders bei Druck auf die linke Halsseite, Foetor ex ore. Im Liegen besteht Aspirationsgefahr. Entzündliche Veränderungen, Blutungen, Fistelbildungen und Karzinoment-
bis faustgroße meist links gelegene Divertikel Entstehung: Koordinationsstörung des M. cricopharyngeus
5. Silicon-Antirefluxprothese (Angelchik)
Nach Lokalisation werden unterschieden: • zervikales D. • thorakales D. • epiphrenales D.
Symptome: Fremdkörpergefühl, Dysphagie, Erbrechen unverdauter Nahrung, Foetor ex ore Entzündliche Veränderungen, Blutungen Fistelbildung, Karzinomentwicklung
496
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Traktionsdivertikel
©
Epiphrenale Divertikel (m)
Abb. 35.1-21: Lokalisation und Häufigkeit der Ösophagusdivertikel (Zahlenangaben entsprechend dem Weltschrifttum) Diagnose: Röntgen-Kontrastfüllung, Endoskopie Therapie: Operation: linksseitiger Halsschnitt - » A b tragung des Divertikels Vernähung des Ösophagus bzw. Abtragung mit dem Klammernahtgerät Grundsätzlich: Myotomie des Ösophagussphinkters zur Rezidivvermeidung Komplikationen: - Speichelfistel - Mediastinitis - Rekurrensparese
Wicklung sind beschrieben. Die Diagnose wird röntgenologisch durch Kontrastfüllung (Abb. 35.1-22) oder durch Endoskopie (Cave: erhöhte Perforationsgefahr!) gestellt. Therapie: Bei entsprechender Symptomatik ist immer die Operation angezeigt. Das Operationsrisiko ist gering. Von einem linksseitigen Halsschnitt aus wird das Divertikel abgetragen und der Ösophagus vernäht oder mit einer Klammernahtreihe verschlossen. U m ein Rezidiv (Häufigkeit ca. 3 4 %) zu vermeiden, wird grundsätzlich eine Myotomie des oberen Ösophagussphinkters hinzugefügt. Bei kleinen Divertikeln reicht die alleinige Myotomie. Gefahren der Operation sind Speichelfistel, Mediastinitis, Rekurrensparese.
2. Traktionsdivertikel:
1.5.2 Traktions- und epiphrenisches Divertikel
selten Lokalisation: Trachealbifurkation Fisteln zum Bronchialsystem möglich
• Traktionsdivertikel finden sich in Höhe der Trachealbifurkation und sind sehr selten (Abb. 35.1-23). Nach alter Vorstellung sollen sie durch Narbenzug (Traktion) bei Lymphknotenveränderungen (Tbc, Anthrakose) entstehen. Heute wird eine kongenitale Persistenz ösophagobronchialer Gewebebrücken diskutiert.
Abb.35.1-22: Kontrastdarstellung eines großen Zenker-Divertikels (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin)
Abb.35.1-23: Kontrastdarstellung eines Traktionsdivertikels im mittleren Ösophagusabschnitt
Abb.35.1-24: Große epiphrenische phagusdivertikel
Öso-
497
Ösophagus Symptome und Diagnose: Traktionsdivertikel, häufig als Zufallsbefund entdeckt, sind klein und verursachen nur selten eine Dysphagie. Bisweilen gehen Fisteln zum Bronchialsystem. Die Röntgenkontrastdarstellung ist beweisend. Therapie: In den seltensten Fällen besteht eine Operationsindikation. Verfahrenswahl: rechtsseitige Thorakotomie, Divertikelabtragung, zweischichtige Nahtdeckung oder mit dem Klammernahtgerät. • Epiphrenische Divertikel sind besonders selten und finden sich überwiegend links im distalen Ösophagus. Häufige Assoziation mit einer Hiatushernie, Achalasie oder diffusem Ösophagusspasmus. Ätiologisch wird wie beim Zenker-Divertikel ein intraluminärer Überdruck, bedingt durch Funktionsstörung des UÖS, diskutiert. Symptome und Diagnose: Große Divertikel führen zu Dysphagie, Regurgitation und Verdrängungserscheinungen des Herzens (Rhythmusstörungen, Tachykardie). Diagnosesicherung durch Röntgenkontrastfüllung und Endoskopie (Abb. 35.1-24). Manometrie wegen möglicher Motilitätsstörungen erforderlich.
Therapie: Die Operationsindikation ist zurückhaltend zu stellen. Verfahrenswahl: links- oder rechtsseitige Thorakotomie, Resektion und zweischichtige Nahtdeckung, Myotomie des UÖS bei Achalasie.
Diagnose: Röntgenkontrastdarstellung ist beweisend Therapie: - selten Operationsindikation - transthorakale Abtragung des Divertikels (s. auch VATS, S. 260) 3. Epiphrenisches Divertikel selten Lokalisation: meist links im distalen Ösophagus assoziiert mit Hiatushernie, Achalasie, Ösophagusspasmus Symptome: - Dysphagie, Regurgitation - Verdrängungserscheinungen des Herzens (Rhythmusstörungen, Tachykardie) Diagnose: Röntgenkontrastfüllung (Abb.35.1-24) und Endoskopie Therapie: zurückhaltende Operationsindikation: Abtragung und Myotomie des UÖS
1.6 Perforation, Ruptur, Verätzungen 1.6.1 Perforation und Spontanruptur
Perforation
Perforation. Die instrumenteilen Verletzungen (Endoskopie, Bougierung, Sonden usw.) stehen mit etwa 90 % im Vordergrund. Für die Endoskopie wird die Perforationsrate mit 0,1-1 % angegeben; die Perforationsgefahr ist größer bei Verwendung eines starren Endoskops und beim pathologisch veränderten Ösophagus (z. B. Karzinom). Bei Bougierungen liegt die Perforationsrate bei 2-5%. Weitere Ursachen sind verschluckte Fremdkörper, Schußverletzungen, Explosionen. Die Perforation kann im Halsabschnitt (am häufigsten), im thorakalen und abdominellen Teil des Ösophagus lokalisiert sein. Symptome und Diagnose: Frühsymptome sind Schmerzen am Hals oder retrosternal, ferner Haut- oder Mediastinalemphysem, selten Pneumothorax. Wird die Perforation nicht sogleich erkannt, entwickeln sich Zeichen der mediastinalen, pleuralen oder abdominellen Infektion. Die Frühdiagnose ist entscheidend: Thoraxübersichtsaufnahme (Luftansammlung im Mediastinum oder subdiaphragmal), Gastrografinschluck (nur wasserlösliche Kontrastmittel verwenden) mit Austritt des Kontrastmittels ist beweisend. Therapie: Bisweilen genügen konservative Maßnahmen, besonders bei Perforationen im Halsabschnitt: Antibiotika, Nahrungskarenz, parenterale Ernährung bis zur Abheilung der Perforation, Ösophagusabsaugung mittels Sonde. Ansonsten ist die frühzeitige Freilegung und Übernähung der Verletzungsstelle notwendig, je nach Lokalisation durch kollaren, rechtsthorakalen oder abdominalen Zugang. Nahtsicherung mit umliegendem Gewebe (Pleura, Zwerchfell, Lunge, Magen, Netz), ausgiebige Drainagen. Die Letalität steigt mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Perforationsereignis (bis zu 50%) an.
Perforation - Gefahr bei Verwendung des starren Endoskops - bei pathologisch verändertem Ösophagus - bei Bougierungen - verschluckte Fremdkörper - Schußverletzungen - Explosionen
• Spontanruptur (Boerhaave-Syndrom). Definition, Häufigkeit, Ursachen. Es handelt sich um die komplette Wandberstung einer gesunden Speiseröhre durch explosionsartiges Erbrechen. Das Boerhaave-Syndrom ist die Steigerung des Mallory-Weiss-Syndroms, bei dem es zu einem nur partiellen Wandeinriß mit allerdings schwerer Blutung kommt. Männer, vor allem Alkoholiker, sind besonders betroffen. Bisher wurden etwa 650 Fälle in der Weltliteratur mitgeteilt.
Spontanruptur (Boerhaave-Syndrom) komplette Wandberstung einer gesunden Speiseröhre durch explosionsartiges Erbrechen. Im Gegensatz dazu MalloryWeiss-Syndrom mit partiellem Wandeinriß (Schleimhaut) und Blutung. Betroffen besonders Alkoholiker
Ursache der Ruptur ist ein kurzzeitiger Druckanstieg im Ösophagus auf 200400 m m H g , der durch gleichzeitige Kontraktion des OOS während des Erbrechens entsteht (Refluxinkoordination). Der Einriß am Ösophagus liegt überwiegend supradiaphragmal nach links und dorsal.
Symptome: - Schmerzen am Hals - Haut-, Mediastinalemphysem - Zeichen der Infektion Diagnose: Thoraxübersichtsaufnahme, Gastrografinschluck mit Austritt des Kontrastmittels Therapie: • Konservativ: - Antibiotika - Nahrungskarenz, parenterale Ernährung - Ösophagusabsaugung • Operativ: frühzeitige Freilegung und Übernähung der Verletzungsstelle Anstieg der Letalität bei zunehmendem Operationsaufschub
498
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.1-25: Boerhaave-Syndrom: Austritt von Röntgenkontrastmittel (Gastrografin®) im Bereich der Ösophagusperforation und Verteilung des Kontrastmittels im linken Thorax (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FL) Berlin) Klinik: opulente Mahlzeit, plötzliches Erbrechen, retrosternaler Vernichtungsschmerz, Haut- und Mediastinalemphysem, Seropneumothorax, Dyspnoe, Zyanose, Schocksymptome, Abwehrspannung im Oberbauch Diagnose: Röngtenübersichtsaufnahme, Kontrastmitteldarstellung Differentialdiagnose beachten! Therapie: konservativ, nur in Ausnahmefällen: - Nahrungskarenz - innere Sekretabsaugung - Thoraxdrainage - Antibiotika Operative Therapie (Methode der Wahl): linksseitige Thorakotomie Nahtverschluß des Einrisses -» Sicherung durch plastische Maßnahmen. Operationsletalität: 20-40%
Klinik und Diagnose: Die Anamnese ist typisch: • opulente Mahlzeit • Alkoholexzess • plötzliches Erbrechen • retrosternaler Vernichtungsschmerz. Typische Zeichen sind: Haut- und Mediastinalemphysem, Seropneumothorax, Dyspnoe, Zyanose, Schocksymptome, Abwehrspannung im Oberbauch (Peritonitis). Die Röntgenübersichtsaufnahme und Kontrastmitteldarstellung (Gastrografin) klärt die Situation (Abb. 35.1-25). Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind: Spontanpneumothorax, Herzinfarkt, dissezierendes Aortenaneurysma, strangulierte Hiatus- bzw. Zwerchfellhernie, Ulkusperforation, akute Pankreatitis. Therapie: Konservativ nur im Ausnahmefall: Nahrungskarenz, innere Sekretabsaugung, Thoraxdrainage, Antibiotika. Das operative, möglichst frühzeitige Vorgehen hat die besseren Chancen: linksseitige Thorakotomie, Naht des Einrisses und Sicherung durch plastische Maßnahmen (Zwerchfell-, Pleura-, Lunge-, Mageneinhüllung). Die Letalität ist abhängig von der Zeit zwischen Ereignis und Operation und liegt zwischen 20 und 40 %.
Verätzungen durch Säuren oder Laugen
1.6.2 Verätzungen durch Säuren oder Laugen
Säureverätzung: Koagulationsnekrose Laugenverätzung: Kolliquationsnekrose
Definition und Ursachen: Verätzungen der Speiseröhre führen zu schweren Gewebeschäden mit entzündlicher Begleitreaktion (Ösophagitis corrosiva). Die Säureverätzung verursacht eine Koagulationsnekrose, die Laugenverätzung eine Kolliquationsnekrose. Letztere dringt tiefer in das Gewebe ein. Opfer von Verätzungen sind meist Kinder, die versehentlich Reinigungsmittel trinken. Bei Erwachsenen entstehen Verätzungen vor allem beim Suizid. Klinik und Diagnostik: Im Vordergrund stehen retrosternale Schmerzen und Dysphagie. Hinzu kommen Schocksymptome und septische Temperaturen, die auf eine Perforation mit Mediastinitis bzw. Peritonitis hinweisen. Zur Erstuntersuchung gehört die Inspektion der Mund- und Rachenregion. Beim Glottisödem droht akute Atemnot. Dann sind Intubation oder Tracheotomie erforderlich. Eine Thorax- und Abdomenübersichtsaufnahme geben Aufschluß über freie Luft im Mediastinum oder Abdomen (Perforation!). Ein Ösophagogramm mit wasserlöslichem Kontrastmittel zeigt ein unregelmäßig konturiertes Wandrelief. Die Endoskopie gehört zur Frühdiagnostik, um das Ausmaß der Schädigung zu beurteilen (Cave: Perforationsgefahr).
Klinik: - retrosternale Schmerzen - Dysphagie - Schocksymptome - septische Temperaturen - beim Glottisödem: akute Atemnot Diagnostik: Inspektion der Mund- und Rachenregion (Intubation oderTracheotomie), Thoraxund Abdomenübersichtsaufnahme, Ösophagogramm, Endoskopie (Ausmaß der Schädigung beurteilen) Therapie: bei Säuren: sofortige Verdünnung und Neutralisierung mit Milch und Trispuffer bei Laugen: verdünnte Zitronensäure oder Essig
499
Ösophagus Therapie: Bei Säuren sofortige Verdünnung und Neutralisierung mit Milch und Trispuffer, bei Laugen mit verdünnter Zitronensäure oder Essig. Intensivmedizinische Überwachung, Schockbekämpfung, Gabe von Prednisolon (2 mg/kg/die) über einen Zeitraum von 6-12 Wochen, ferner Analgetika und Sedativa. Antibiotika sowie parenterale Ernährung, je nach Situation auch über nasogastrale Sonde oder Ernährungsfistel. Bei einer Perforation ist die sofortige Operation angezeigt: Drainage und kollare Ösophagusfistel, ggf. Ösophagusexstirpation.
Ferner: - intensivmedizinische Überwachung - Schockbekämpfung - Prednisolon (2 mg/kg/die) - Analgetika, Sedativa - Antibiotika - parenterale Ernährung Perforation:
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Die Lymphknotenmetastasierung ist meist sehr ausgedehnt (Abb. 35.1-28, 29): zervikale, retropharyngeale, paratracheale, mediastinale, perigastrische Lymphknotengruppen können befallen sein. Typisch ist eine lymphogene Metastasierung in der Ösophaguswand selbst (ca. 12 %). Je nach Lokalisation des Tumors richtet sich die Lymphknotenmetastasierung nach distal oder kranial (Abb. 35.1-29). Die hämatogene Metastasierung kann auf 2 Wegen erfolgen (Abb.35.1-30): über die V. azygos und die V.cava superior in die Lunge bzw. über das Pfortadersystem in die Leber. Für die schlechte Prognose des Ösophaguskarzinoms sind maßgebend: Tiefen- und Längsinfiltration in der Ösophaguswand, Einbruch in mediastinale Strukturen und Organe, weitverzweigte lymphogene Streuung und hämatogene Ausbreitung über 2 venöse Abflußgebiete. Die Stadieneinteilung des Ösophaguskarzinoms orientiert sich an der TNM-Klassifizierung (s. u.) TNM-Klassifikation der Union Internationale contre le Cancer (UICC) 1987: T-Primärtumon Tis Carcinoma in situ, T1 Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa, T2 Tumor infiltriert Muscularis propria, T3 Tumor infiltriert Adventitia, T4 Tiimor infiltriert Nachbarstrukturen N-regionäre Lymphknoten: NX regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden, NO keine regionären Lymphknotenmetastasen, N1 regionäre Lymphknotenmetastasen M-Fernmetastasen: MO keine Fernmetastasen, Ml alle nichtregionären Lymphknoten und Organmetastasen
Symptome
1.9.2.2 Symptome und Diagnose
Frühsymptome: - retrosternale Mißempfindungen - gesteigerte Salivation Dysphagie Leitsymptom
Die initialen Symptome beim Speiseröhrenkrebs sind diskret: retrosternale Mißempfindungen, gesteigerte Salivation. Meist suchen die Patienten erst bei Schluckstörungen den Arzt auf. Sie sind Leitsymptom aber kein Frühzeichen, da die Dysphagie erst bei weitgehender Infiltration der Ösophaguswand auftritt, wenn der Ösophagus seine Dehnbarkeit verloren hat (Abb. 35.1-31).
V. hemiazygos
V. portae-»- Leber
Abb.35.1-30: 4 hämatogene Metastasierungen des Ösophaguskarzinoms. 2 Metastasierungswege: 1 Über die V.hemiazygos und V.azygos zur V.cava -» Lungenmetastasen, 2 Magenvenen, V. portae —> Lebermetastasen
Ösophagus
503
Abb.35.1-31: Infiltratives Tumorwachstum, a. Kleines Ösophaguskarzinom, das die Wand nur gering infiltriert. Ösophagus kann sich infolge seiner Elastizität ausdehnen, keine Schluckstörung, b. Nahezu vollständige Wandinfiltration der Speiseröhre, hochgradige Schluckstörung
Abb. 35.1-32: Röntgenzeichen beim Ösophaguskarzinom (1-4) und der Achalasie (5). 1 polypöser Tumor, 2 sägeblattähnliche Tumorkonturen, 3 spiralige Wandveränderungen durch den Tumor, 4 trichterförmige Konfiguration mit langstreckiger Stenose, 5 Achalasie: weinkelchartige Konfiguration mit glatter, kurzer Stenose und erheblicher prästenotischer Dilatation
Als Spätsymptome finden sich Gewichtsabnahme und Leistungsknick, Exsikkose, retrosternale Schmerzen, wenn der Tumor in das Mediastinum einbricht, Lymphknotenschwellungen am Hals, Heiserkeit (Rekurrensparese), Husten (ösophagotracheale Fistel), Aspirationspneumonie. Diagnostik. Wichtigste Untersuchungsverfahren sind die Röntgenkontrastdarstellung (Abb. 35.1-32 u. 33) und die Endoskopie mit Biopsie. Es kann durchaus auch in umgekehrter Reihenfolge verfahren werden. Erste Orientierung gibt der Ösophagusbreischluck. Die charakteristischen röntgenologischen Zeichen sind: Füllungsdefekt, Wandstarre, unregelmäßige Konturen und Faltenabbruch, Stenose und prästenotische Dilatation (Abb. 35.1-33 u. 34). Bei ausgedehnten Karzinomen kommt es zum Abweichen der Ösophagusachse im Röntgenbild (Hinweis auf Inoperabilität) (Abb. 35.1-35). Zweiter Schritt in der Diagnostik des Ösophaguskarzinoms ist die Endoskopie mit Biopsie. Klar ist die Diagnose bei positiver Biopsie. Wird das Material von mehreren Stellen entnommen, läßt sich die Trefferquote bis auf 90 % anheben. Für die Aussage über das Tumorstadium und Prognose ist neben Tumorausdehnung, Grad der Stenosierung und Abweichen der Ösophagusachse sowie die Infiltration des Karzinoms in mediastinale Strukturen, z.B. Bronchus, Trachea usw. von Bedeutung.
Abb. 35.1-33: Erheblich stenosierendes Ösophaguskarzinom im mittleren Drittel mit extremer Dilatation der prästenotischen Speiseröhre (Röntgeninstitut im Univ.-Klinikum Benjamin Franklin FU Berlin)
Spätsymptome: - Gewichtsabnahme - Leistungsknick, Exsikkose - retrosternale Schmerzen - Lymphknotenschwellungen am Hals - Heiserkeit, Husten, Aspiration Diagnostik • Röntgenkontrastdarstellung (Abb. 35.132 u. 33): - Füllungsdefekt - Wandstarre - unregelmäßige Konturen - Faltenabbruch - Stenose, prästenotische Dilatation - Abweichen der Ösophagusachse = ausgedehntes Karzinom (Abb.35.1-35) • Endoskopie mit Biopsie
504
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
LJ
Abb.35.1-34: Röntgenzeichen für Inoperabilität des Ösophaguskarzinoms n. Akiyama: a. Starke Achsenknickung, b. Seitenverschiebung des Ösophagus, c. vergrößerter Abstand zwischen Wirbelsäule und Ösophagus • CT —> Tumorstadium und Prognose (Abb. 35.1-36) Differentialdiagnose - Strikturen, Ulzera - Tumoren, Achalasie Untersuchungsplan zur Operabilitätsbeurteilung: Ösophagogramm mit Doppelkontrasttechnik —> Ösophagoskopie mit multiplen Biopsien —> CT des Mediastinums —> Endosonographie CT oder Sonographie der Leber —> evtl. Bronchoskopie, Mediastinoskopie Operationsindikation
Die C r des Mediastinums (Abb. 35.1-36), insbesondere aber die Endosonographie (Abb. 35.1-37) kann hierüber Auskunft geben (Abb. 35.1-36). Differentialdiagnostisch sind Strikturen als Folge von Verätzungen, peptische Ulzera oder Refluxösophagitis, gutartige Tumoren, besonders aber die Achalasie auszuschließen. Zur Operabilitätsbeurteilung können neben CT und Endosonographie noch Mediastinoskopie und Bronchoskopie durchgeführt werden. Folgender Untersuchungsplan (Abb. 35.1-33) ist für Diagnose und Tumorstaging beim Ösophaguskarzinom zu empfehlen: Ösophagogramm mit Doppelkontrasttechnik, Ösophagoskopie mit multiplen Biopsien, CT des Mediastinums, CT oder Sonographie der Leber, Endosonographie, evtl. Mediastinoskopie, Bronchoskopie.
abhängig von Tumorausdehnung und Lokalisation
Die Behandlung des Ösophaguskarzinoms ist in erster Linie operativ. Deshalb sollte möglichst die Exstirpation des Ösophagus geplant werden.
1.9.2.3 Operationsindikation
Die Strahlentherapie
hat überwiegend adjuvanten oder palliativen Charakter.
Die Operationsanzeige hängt ab von Tumorausdehnung und -sitz sowie vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten.
Abb. 35.1-35: Kontrastmitteldarstellung eines ausgedehnten polypösen, exulzerierenden Ösophaguskarzinoms im mittleren thorakalen Abschnitt
Abb. 35.1-36: CT beim Ösophaguskarzinom. Der fortgeschrittene Tumor hat das Lumen fast völlig verlegt und ist bereits in die Hinterwand der Trachea eingebrochen (Pfeil). Es besteht Inoperabilität
Abb.35.1-37: Endosonographie bei einem fortgeschrittenen Ösophaguskarzinom. Organwand überschritten, vergrößerte periösophageale Lymphknoten (Metastasen?)
505
Ösophagus Diagnostische Schritte
Ösophaguskarzinom
4= Röntgendoppelkontrast
O
Ösophagogastroskopie
O
mit multiplen Biopsien evtl. "Bürstenabstrich' evtl. Toluidlnfärbung
Endosonographie (Wandinfiltrationen, Lk-Metastasen)
O Röntgenthorax in 2 Ebenen
Mediastinum Leber und Oberbauch
CT
O
Bronchoskopie bei Tumoren oberhalb der Trachealbifurkation
Abb. 35.1-38: Diagnostischer Algorithmus beim Ösophaguskarzinom
Inoperabel ist das Karzinom bei • Fernmetastasen • Rekurrensparese • Einbruch in den Tracheobronchialbaum (Abb. 35.1-36), Länge des Tumors > 8 cm. Eine relative Kontraindikation besteht bei definierten Röntgenzeichen (s.Abb. 35.1-34). Die lokale Operabilität kann bisweilen erst während der Operation sicher beurteilt werden. Der Eingriff bei Ösophaguskarzinom ist für den Patienten sehr belastend: Die Operationszeit ist lang, das Operationsgebiet betrifft 3 Regionen (Hals, Thorax, Abdomen), das Risiko ist vor allem für den alten Patienten groß.
Inoperabel bei: - Fernmetastasen - Rekurrensparese - Befall des Tracheobronchialbaums - Tumorlänge > 8 c m - relative Kontraindikation bei bestimmten Röntgenzeichen (s.Abb.35.1-34)
Ösophagusresektion belastend für Patient
Deshalb ist die präoperative Erfassung von Risikofaktoren (besonders kardiale und pulmonale) und die gründliche Vorbereitung des Patienten unerläßlich. Zu den üblichen Untersuchungen kommen zusätzlich Lungenfunktion, Belastungs-EKG und Echokardiographie. Bedacht werden muß, daß die meisten Patienten mit einem Ösophaguskarzinom Alkoholiker sind und postoperativ mit einem Alkoholentzugsdelir zu rechnen ist.
Erfassung von Risikofaktoren präoperativ unerläßlich: - Lungenfunktion - Belastungs-EKG und - Echokardiogramm An ein Alkoholentzugsdelir postoperativ denken!
1.9.2.4 Therapie
Therapie:
Wir unterscheiden kurative und palliative Behandlungsmethoden. Kurative Zielsetzungen verfolgen Ösophagusresektion und Strahlentherapie oder die Kombination beider Verfahren. Der operative Eingriff mit kurativer Zielsetzung bedeutet: • radikale Entfernung des noch nicht infiltrierenden Tumors ohne Tumorreste zu belassen (R0-Resektion), • Einhaltung der Sicherheitsabstände, • subtile Entfernung der regionalen Lymphknoten, evtl. als „erweiterte Lympknotendissektion", bei der > als 100 Lymphknoten entfernt werden.
• palliative Therapie • Eingriff m i t kurativer Zielsetzung: - radikale Entfernung des Tumors (R 0 -Resektion) - Einhaltung der Sicherheitsabstände - subtile Lymphknotendissektion
1.9.2.5 Ösophagusresektion
Ösophagusresektion
Für die Resektion sind anatomische Gesichtspunkte zu beachten: Verlauf des Ösophagus in 3 anatomischen Regionen (Hals, Thorax, Abdomen), Längsinfiltration des Karzinoms in der Ösophaguswand (intraoperative Schnellschnittuntersuchung wichtig!), physiologische Längsspannung und fehlender Serosaüberzug sowie spärliche Blutversorgung der Speiseröhre erhöhen das Risiko der Anastomoseninsuffizienz.
partielle oder totale Entfernung der Speiseröhre
506
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.1-39: Resektionsausmaß (Rot umrandet) bei der En-bloc-Ösophagektomie (modifiziert n. J . R. Siewert)
4 Op.-Techniken:
1. En-bloc-Ösophagektomie, abdominorechtsthorakal und zervikal ausgedehnte Lymphknotendissektion
2. Transmediastinale Ösophagektomie ohne Thorakotomie
Evtl. mit mediastinoskopischer Präparation (MIC) (sicherer)
Abb.35.1-41: Resektionsausmaß (Rot umrandet) bei der sog. StandardÖsophagektomie (modifiziert n. J. R. Siewert)
Der Eingriff besteht in der partiellen oder totalen Entfernung der Speiseröhre von kombinierten Operationszugängen her. Prinzipiell gibt es 4, in ihrer Radikalität unterschiedliche resezierende Eingriffe: • En-bloc-Ösophagektomie (Abb.35.1-39): Abdomino-rechtsthorakales Vorgehen und zervikale Anastomosierung. Radikaler Eingriff, bei dem der gesamte thorakale und abdominale Ösophagus inklusive seines umgebenden Lymph- und Fettgewebes bis auf die Aorta, die Pleura mediastinalis, die V. azygos und sämtliche Lymphknoten des Mediastinums subtil entfernt werden. Indiziert ist dieser aufwendige Eingriff nur bei Tumoren T ^ , M0. • Transmediastinale Ösophagektomie ohne Thorakotomie (Abb. 35.1-40): Dieses Vorgehen ist nur eingeschränkt radikal, da eine kontrollierte R 0 -Resektion nicht möglich ist. Indiziert vor allem bei Karzinomen im distalen Ösophagusabschnitt (Barrett-Karzinom). Evtl. kombiniertes Vorgehen mit MIC: Präparation im Mediastinum mit Hilfe eines speziellen Mediastinoskops (bessere Präparation und sicherere Blutstillung).
Abb. 35.1-40: Stumpfe Dissektion des Ösophagus ohne Thorakotomie mit Hilfe einer Venenstrippersonde, a. Der Ösophagus ist im Halsbereich durchtrennt, die Sonde eingeführt und an der Kardia nach außen geleitet, b. Durch Zug nach distal wird dann der mobilisierte Ösophagus aus dem Mediastinum durch innere Einstülpung herausgezogen
507
Ösophagus Vom Abdomen aus können bei großzügiger Erweiterung des Hiatus die Speiseröhre stumpf mobilisiert und die Lymphknoten im unteren Mediastinum unter Sicht entfernt werden. Mit Hilfe eines „Venenstrippers", der vom freigelegten Halsösophagus aus eingeführt wird, läßt sich die Speiseröhre nach kaudal aus dem Mediastinum ziehen. Der Eingriff ist vor allem für alte Patienten geeignet, da er etwas risikoärmer zu sein scheint. Kontraindiziert ist er aber bei wandüberschreitenden Tumoren. • Sog. Standard-Ösophagektomie (Abb. 35.1-41): Abdomino-rechtsthorakaler Zugang. Partielle oder komplette Entfernung des thorakalen und abdominalen Ösophagus inklusive der vergrößerten Lymphknoten des Mediastinums, jedoch ohne Entfernung des mediastinalen Fettgewebes und der V. azygos. Radikalität eingeschränkt. Indiziert als palliative Resektion bei T3, NJ_2-TUmoren. Anastomosierung im Thorax- oder Halsbereich. • Hohe erweiterte totale Ösophagusentfemung: Abdomino-rechtsthorakaler und zervikaler Zugang. Indiziert beim Karzinom im oberen thorakalen Drittel und im zervikalen Abschnitt.
3. Sog. Standardösophagektomie, abdominal-rechtsthorakal, meist mit zervikaler Anastomose
4. Hohe erweiterte totale ösophagusentfemung, meist Thyreoidektomie, Laryngektomie und Neck-dissection, Tracheostoma erforderlich
Bisweilen ist die Entfernung der Schilddrüse und des Kehlkopfes (Tracheostoma!) erforderlich, ebenso eine Neck-dissection). Die Indikation zu diesem großen Eingriff wird zurückhaltend gestellt. Alternativ kommt die Strahlentherapie in Frage.
1.9.2.6 Ösophagusersatz
ösophagusersatz
Nach Resektion der Speiseröhre muß der entstandene Defekt überbrückt werden. Dies kann auf 3 Wegen, mit Magen, Dünndarm oder Kolon erfolgen.
3 Op.-Techniken:
• „Magenhochzug" nach Kirschner (1920) (Abb. 35.1-42 a): Einfachstes und sicherstes Verfahren, daher Methode der Wahl. Der Magen wird hierzu gut mobilisiert und schlauchförmig gestaltet, damit er bis zum Hals hin spannungsfrei verlagert werden kann. Für seine Durchblutung ist die Erhaltung der A. gastroepiploica dextr. und der A. gastrica dextr. ausreichend. Eine Pyoroplastik (Vagotomie) ist nicht erforderlich.
Abb. 35.1-42: Speiseröhrenersatz mit verschiedenen Organabschnitten: a. mit dem Magen (bestes Verfahren), b. mit Kolon, c. mit Jejunum
1. Magenhochzug, bestes Verfahren
508
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.1-43: Speiseröhrenersatz: a. Antesternaler W e g , hier mit e i n e m gestielten Kolontransplantat, b. Retrosternaler Weg, hier mit d e m m o b i l i s i e r t e n M a g e n , c. M e d i a s t i n a l e r W e g mit d e m M a g e n
2. Koloninterposition - w e n n der M a g e n nicht m e h r zur Verfüg u n g steht ( v o r a u s g e g a n g e n e M a g e n teilresektion)
3. Dünndarminterposition - als Ö s o p h a g u s t o t a l e r s a t z nicht besonders g e e i g n e t (Durchblutung!), jedoch für d e n partiellen Ersatz als „freies Transplantat" im Halsbereich
• Koloninterposition (Abb. 35.1-42b): Geeignet hierfür ist vor allem das linksseitige Kolon wegen seiner günstigen Gefäßversorgung. Aber auch das Colon ascendens oder transversum kann je nach Situation benutzt werden. Die Interposition sollte isoperistaltisch erfolgen. Das Kolonsegment wird mit dem zervikalen, seltener thorakalen Ösophagus und dem Magen anastomosiert. Die Darmkontinuit muß ebenfalls wiederhergestellt werden. Dieses Vorgehen ist indiziert, wenn der Magen nicht mehr zur Verfügung steht (z.B. vorausgegangene Magenteilresektion). • Dünndarminterposition (Abb.35.1-42c): Wird nur selten als Totalersatz des Ösophagus angewandt, da die Präparation eines entsprechend langen Jejunumsegments wegen der problematischen Gefäßversorgung schwierig ist. Die Interposition eines frei transponierten Jejunumabschnittes ist jedoch hervorragend für den partiellen Speiseröhrenersatz (Hals) geeignet. Der Gefäßanschluß erfolgt dann mit Gefäßen (Arterie und Vene) im Halsbereich.
3 Transplantatwege (Abb. 35.1-41): • Antesternal-subkutan: Funktionell und kosmetisch ungünstig • Retrosternal: Funktionell günstig. Keine T r a n p l a n t a t e i n e n g u n g b e i m Lokalrezidiv • Mediastinal i m e h e m a l i g e n Bett der S p e i s e r ö h r e : Ü b l i c h e s Verfahren b e i m M a g e n h o c h z u g . G u t e Funktion. B e i m Lokalrezidiv j e d o c h S t e n o s e g e f a h r
Die Verlagerung der Interponate kann auf 3 Wegen erfolgen (Abb. 35.1-41): Antesternal-subkutan: sicheres Verfahren, da Anastomoseinsuffizienz und Tranplantatnekrose weniger gefährlich. Funktionell und kosmetisch aber nicht gut. Retrosternal: Tunnelbildung im vorderen Mediastinum erforderlich. Funktionell günstig. Keine Einengung des Transplantats durch evtl. Lokalrezidiv. Mediastinal im ehemaligen Bett der Speiseröhre: Übliches Verfahren beim Magenhochzug. Nachteilig, wenn lokale Lymphknotenmetastasen auftreten und das Transplantat einengen. Lokale Strahlentherapie wegen Transplantatschädigung nicht möglich.
Ergebnisse und Prognose
1.9.2.7 Ergebnisse und Prognose der Resektion
• Operationsletalität v o n ca. 30% früher auf 3 - 1 5 % gesenkt. • Resektionsquote auf 6 0 - 7 0 % gesteigert • Anastomoseninsuffizienz z w i s c h e n 3 - 3 0 % , bei zervikaler Lage w e n i g e r gefährlich. • 5 - J a h r e - Ü b e r l e b e n s z e i t mit 15-20% n o c h i m m e r niedrig; a b h ä n g i g v o n - Höhenlokalisation - Stadium des Tumors - t e c h n i s c h e r Qualität der Operation
Hohe Operationsletalität und Komplikationsraten (Anastomoseninsuffizienz, Pneumonie, kardiale Komplikationen) sowie kurze Überlebenszeiten charakterisieren die Chirurgie des Ösophaguskarzinoms. In der Vergangenheit hat die hohe Operationsletalität von ~ 30 % die Prognose entscheidend belastet. Durch Erfassung der präoperativen Risikofaktoren, Standardisierung der Operationsverfahren und Fortschritte der postoperativen Intensivüberwachung- und therapie konnte die Letalität der Ösophagektomie auf 3-15 % entscheidend gesenkt werden, obwohl die Indikationen erweitert wurden und die Resektionsrate auf 60-70 % anstieg. Die Anastomoseninsuffizienz wird mit 3-30 % angegeben; sie ist im zervikalen Bereich aber weniger gefährlich. Die Quote der 5-Jahre-Uberlebensrate ist noch immer niedrig. Sie ist abhängig von der Höhenlokalisation und dem Stadium des Tumors sowie der
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Ösophagus Qualität des chirurgischen Eingriffs (R 0 -Resektion, Letalität!). Im Schnitt liegt sie zwischen 15-20%. Beim Barrett-Karzinom ist die Prognose tendenziell etwas besser als beim Plattenepithelkarzinom, vor allem in den frühen Stadien. Unbehandelt führt das Ösophaguskarzinom in wenigen Monaten zum Tode.
1.9.2.8 Adjuvante Maßnahmen
Adjuvante Maßnahmen
Zur Verbesserung der Ergebnisse wurden präoperative multimodale Therapiekonzepte mit cisplatinhaltigen Chemotherapie-Kombinationen für Patienten entwickelt, bei denen eine R 0 -Resektion nicht mehr möglich erscheint. Die neoadjuvante Chemotherapie zielt auf ein „Down-Staging" und anschließende Resektabilität des Tumors. Die bisherigen Ergebnisse sind statistisch nicht abgesichert. Daher ist dieses Vorgehen nur unter Studienbedingungen erlaubt. Dies gilt auch für das besonders aggressive Vorgehen: Polychemotherapie, Operation und postoperative Nachbestrahlung.
Die adjuvante Chemotherapie wird nach der Exstirpation des Tumors angesetzt, um die Wahrscheinlichkeit eines lokalen und systemischen Rezidivs zu verringern. Die Ergebnisse sind bisher von der Statistik her nicht übersehbar; daher ist die Therapie außerhalb von Studien abzulehnen.
• Neoadjuvante Chemotherapie strebt ein „Down-Staging" an. Bei Remission anschließend Operation. Vorgehen wegen Nebenwirkungen und nicht gesicherten Ergebnissen nur unter Studienbedingungen erlaubt • Adjuvante Chemotherapie nach Tumorresektion, um ein Rezidiv zu verzögern. Ebenfalls nur unter Studienbedingungen sinnvoll
Die Strahlentherapie ist als Zusatzmaßnahme oder mit kurativer (selten) Zielsetzung möglich. Allerdings sind die Ergebnisse nicht sehr befriedigend, wenn auch in Einzelfällen Erfolge zu verzeichnen sind. Die palliative Radiotherapie ist bei inoperablen Karzinomen indiziert, um die Dysphagie wenigstens temporär zu beseitigen.
• Strahlentherapie adjuvant oder kurativ möglich. Bei kurativer Intension magere Ergebnisse. Palliative Strahlentherapie bei Inoperabilität, um die Schluckstörung zu beseitigen
1.9.2.9 Palliativmaßnahmen
Palliativmaßnahmen
Palliativoperationen haben zum Ziel, die quälende Schluckstörung zu beseitigen, damit der Patient sich wieder ernähren kann. Es gibt folgende Methoden:
Beseitigung von Schluckstörungen. Es stehen 5 Methoden zur Verfügung:
• Bypass-Verfahren mit ante- oder retrosternaler Transposition des Magens, des Kolons oder einer Jejunumschlinge (Abb. 35.1-44) • die Stenoseüberbrückung durch Endoprothese (Abb. 35.1-45), neuerdings auch durch selbstexpandierende Nitinol-Metall-Stents.
(n. Haring)
Abb.35.1-44: Beim inoperablen Ösophaguskarzinom kann die Speisepassage durch einen sog. Magen-Bypass wiederhergestellt werden. Der Magen ist retrosternal verlagert und mit dem Halsösophagus anastomosiert. Das distale Ösophagusende wird mit einer Roux-Schlinge End-zu-Seit verbunden
Abb. 35.1-45: Bei ausgeprägter Stenose und inoperablem Ösophaguskarzinom kann mit Hilfe eines Spiraltubus die Stenose überbrückt werden
4
510
35. Chirurgie des Verdauungstraktes die Ernährungsfistel (Gastrostomie nach Witzel) die Laservaporisation und Afterloading-Bestrahlung palliative Strahlentherapie (Gefahren: Ösophagusperforation, ösophagotracheale Fistel).
Beste, aber risikoreichste Palliation: Bypass-Operation mit Magenhochzug (Abb.35.1-42). Häufiger: Intubation der Tumorstenose mit Ösophagustubus oder Lasertherapie. Effekt palliativer Maßnahmen auf ca. 6 Monate begrenzt
Die beste aber auch risikoreichste Palliation ist die Bypass-Operation mit Magenhochzug (Abb. 35.1-44). Häufiger aber wird die endoskopische Intubation der Tumorstenose mit einem Ösophagustubus (Abb. 35.1-45) durchgeführt. Ein neueres Verfahren ist die Lasertherapie zur Beseitigung der Stenose. Die Anlage einer äußeren Ernährungsfistel dagegen sollte möglichst vermieden werden, da sie den Patienten psychisch und körperlich belastet.
Magari und Duodenum
2. Magen und Duodenum Th.
Anatomie Magenregionen: • Kardia • Fundus • Korpus • Antrum • Pylorus Regionen des Duodenums: • Pars superior • P. descendens • P. inferior • P. ascendens • kleine Kurvatur mit Angulus und Ansatz des Omentum minus, • große Kurvatur mit Omentum majus und den gastroepiploischen Gefäßen Magenfundus und -korpus Längsfalten, fehlen im Antrum und im Bulbus duodem Pars descendens duodeni -»zirkuläre Falten Korpus und Fundus dienen als Reservoir, ihre Schleimhaut der Säure- und Pepsinproduktion. Antrum -> Vermischung und Weitertransport der Speisen und Gastrinproduktion Bänder: Magen und Duodenum sind durch Aufhängebänder fixiert -» Ligg. gastrophrenicum, -gastrolienale, -gastrocolicum und hepatoduodenale, kleines Netz Magenwand hat 5 Schichten: • Mukosa • Muscularis mucosae • Submukosa • Muscularis propria • Serosa Magendrüsen: • Schleimbildende Zelten (bes. Kardiadrüsen) überziehen die gesamte Mukosa. • Hauptzellen produzieren Pepsin • Parietalzellen: Säure, Intrinsic-Faktor. • gastrinbildende Zellen im Antrum • D-Zellen sezernieren Somatostatin. Muskelschichten • äußere Längsmuskelschicht • mittlere Ringmuskelschicht (Pylorus besonders stark)
Junginger
2.1 Klinische Anatomie Der Magen wird anatomisch in Fundus, Korpus und Antrum (Pars pylorica) unterteilt, wobei die Mündung des Ösophagus in den Magen als Kardia (Mageneingang, Übergang vom Plattenepithel in Zylinderepithel) und der Magenausgang als Pylorus (Pförtner) bezeichnet werden. Am Duodenum werden die Pars superior (= Bulbus duodeni), an der das Lig. hepatoduodenale ansetzt, die am Retroperitoneum fixierte Pars descendens mit der Papilla Vateri, die Pars inferior und die Pars ascendens, die von A. und V. mesenterica superior überkreuzt wird, unterschieden. Der leberseitige Magenrand ist die kleine, der gegenüberliegende Rand die große Kurvatur. Von der kleinen Kurvatur zieht das Omentum minus (kleines Netz) zur Leber. Es enthält neben den magenversorgenden Gefäßen Fasern des (vorderen) N. vagus, die zu Leber, Gallenblase, Magen und Pylorus ziehen. Von der großen Kurvatur geht das große Netz aus, das die gastroepiploischen Gefäße und Nerven enthält. An der kleinen Kurvatur findet sich ein Winkel, Angulus, der in etwa dem Schleimhautübergang vom Korpus zum Antrum entspricht. Während von außen keine Grenzen zwischen diesen Regionen erkennbar sind, ist die Schleimhaut von Magenfundus und -korpus durch Längsfalten gekennzeichnet, die im Antrum und Bulbus duodeni fehlen. Ab der Pars descendens duodeni finden sich zirkuläre Schleimhautfalten. Dies weist auf die funktionelle Unterteilung des Magens in einen proximalen Teil (Korpus und Fundus), der als Reservoir dient und u. a. Säure und Pepsin produziert und einen distalen Anteil (Antrum), der zur Vermischung und Verkleinerung der Speisen sowie dem Transport dient und Gastrin produziert. Magen und Duodenum haben enge Lagebeziehungen zu den Nachbarorganen und sind mit diesen durch Aufliängebänder verbunden (Ligg. gastrophrenicum, gastrolienale, gastrocolicum, hepatoduodenale, kleines Netz). Histologie. Die Magenwand besteht aus 5 Schichten: Mukosa, Muscularis mucosae, Submukosa, Muscularis proprio und der Serosa. Das Epithel der Mukosa wird aus einer Schicht schleimbildender Zellen, die sich einheitlich über den ganzen Magen verteilen, und regional unterschiedlichen tubulären Drüsen, die sich in das Magenlumen öffnen, gebildet. Die Kardiadrüsen sind um die distale Ösophagusmündung lokalisiert und bestehen vorwiegend aus schleimbildenden Zellen. Die Magendrüsen finden sich, mit Ausnahme des Kardiabereichs und des Antrums, im übrigen Magen und enthalten Hauptzellen (Pepsin), Parietalzellen (Säureproduktion, Intrinsic-Faktor) und schleimbildende Zellen. Die Pylorusdrüsen sind im distalen Antrum und im Pyloruskanal lokalisiert und sezernieren vorwiegend alkalischen Schleim. Neben diesen exokrinen Zellen enthält die Schleimhaut endokrine Zellelemente: im Antrum die gastrinbildenden (G-)Zellen, im Antrum und Fundus die parakrinen, lokal wirkenden Somatostatin-Zellen (D-Zellen) sowie andere Zellen mit endokriner Funktion. Innerhalb der Tunica muscularis lassen sich 3 Schichten unterscheiden: Die äußere Längsmuskelschicht, die am stärksten an der großen und kleinen Kurvatur ausgeprägt ist, die mittlere Ringmuskelschicht, die den Pylorusmuskel bildet, und eine innere, dünnere, schräg verlaufende Muskelschicht, die als Verlängerung der zirkulären
Magen und Duodenum
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Muskelschicht des Ösophagus, vor allem im Kardiabereich ausgeprägt ist und der Bedeutung für den Verschlußmechanismus der Kardia zukommen soll. Die Muskulatur von Magenfundus und -korpus ist im Vergleich zum Antrum dünner, was Ausdruck unterschiedlicher motorischer Funktionen ist. • Die Blutversorgung des Magens erfolgt über 4, vom Truncus coeliacus kommende Hauptarterien: A. gastrica sinistra und dextra, A. gastroepiploica sinistra und dextra und die Aa. gastricae breves, die von der A. lienalis zum Magenfundus ziehen. Die reichliche Blutversorgung erklärt sich aus der Funktion des Magens. Die Gefäße verlaufen entlang der beiden Kurvaturen, wo die Äste nach dem Durchtritt durch die Muskelschicht ein ausgeprägtes submuköses Gefäßnetz erreichen. Die Gefäße an der kleinen Kurvatur des Magens sind funktionelle Endarterien, die direkt zur Mukosa führen und keine Verbindung zum submukösen Gefäßnetz besitzen. Diese anatomische Besonderheit wird mit der Lokalisation der Magenulzera im Bereich der kleinen Kurvatur in Zusammenhang gebracht. Infolge der zahlreichen submukösen Gefäßanastomosen können 3 der 4 Hauptarterien des Magens ligiert werden, ohne daß dies zur Wandnekrose führt. • Der venöse Abfluß erfolgt über Venen, die die Arterien begleiten, ins Pfortadersystem. Die V. gastrica sinistra (V. coronaria ventriculi) hat an der Kardia Verbindungen zu den Ösophagusvenen, woraus sich die Entstehung von Ösophagusvarizen bei portaler Hypertension erklärt. Das Duodenum wird gemeinsam mit dem Pankreaskopf vom Truncus coeliacus (A. gastroduodenalis) und von Ästen der A. mesenterica superior versorgt. • Der Lymphabfluß des Magens geht über Lymphbahnen entlang der versorgenden Arterien perigastral zum Truncus coeliacus, dem Lymphsammelbecken des Magens, und von dort zu den paraaortalen Lymphknoten (Abb. 35.2-1). Von der Cisterna chyli wird die Lymphe über den Ductus thoracicus in die Blutbahn transportiert. An der Mündungsstelle des Ductus thoracicus in die V. jugularis findet sich links supraklavikulär die Virchow-Drüse, ein Lymphknoten, der tumorbefallen sein kann (Hinweis auf lymphogene Fernmetastasierung). • Die nervale Versorgung erfolgt über intramurale Nerven, die gemeinsam mit den Nn. vagi Säuresekretion und Motorik regulieren. Der vordere N. vagus liegt der Speiseröhre ventral auf und teilt sich unterhalb des Zwerchfells in einen im Omentum minus zum Antrum ziehenden Zweig (N. gastralis anterior Latarjet), der Äste zum Korpus, Antrum und Pylorus abgibt, und in Äste, die zur Leberpforte ziehen. Der dorsale Vagusstamm - die Fortsetzung des am Hals rechts gelegenen Nerven teilt sich unterhalb des Zwerchfells gleichfalls auf, in den die kleine Kurvatur begleitenden und ebenfalls den Magen versorgenden N. gastralis posterior Latarjet und einen zum Ganglion coeliacum ziehenden Ast.
innere Schrägmuskelschicht
Arterielle Blutversorgung • aus dem Truncus coeliacus - Aa. gastrica sinistra et dextra - Aa. gastroepiploica sinistra et dextra • Aa. gastricae breves aus der A. lienalis Ausgeprägtes submuköses Gefäßnetz
Venöser Abluß • V. gastrica sinistra (V. coronaria ventriculi) u.a. • an der Kardia Venen mit Verbindungen zum Ösophagus • Vv. gastricae breves Alle Venen führen in das Abflußgebiet der Pfortader! Lymphabfluß • Lymphbahnen laufen entlang der Magenarterien. • Lymhknotensammelbecken im Bereich des Truncus coeliacus paraaortale Lymphknoten • Cisterna chyli D. thoracicus (Virchow-Drüse) • Einteilung in Lymphknotenzonen s. Abb. 35.2-1 Nervenversorgung Erfolgt über das intramurale und autonome Nervensystem. • vorderer (linker) Vagusstamm teilt sich in den N. gastralis anterior Latarjet und Äste für die Leberpforte • hinterer (rechter) Vagusstamm -> teilt sich in den N. gastralis posterior Lartajet und in einen Ast zum Ganglion coeliacum
Fundus
Kardia
S i f ^ F Korpus
Pylorus Antrum
Abb. 35.2-1: Anatomie des Magens: Magenregionen, arterielle Gefäßversorgung, 1 Tr.coeliacus, 2 A.gastrica sin., 3 A. lienalis, 4 A. hepatica com., 5 A. gastrica dextr., 6 A. gastroepiploica dextr., 7 A. gastroepiploica sin., 8 Aa. gastricae breves, Topographie, Lymphabflußzonen (dicke Pfeile) mit den wichtigsten Abweichungen (dünne Pfeile). Abflußzonen I A. gastrica sinistra, II - A. gastrica dextra, III - A. gastroepiploica dextra, I V - A . lienalis
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
• gastrale Fasern gehen zum Plexus myentericus, postgastrale Fasern wirken über Acetylcholin und gastrinfreisetzende Peptide -> Stimulation der Parietal- und Hauptzellen sympathische Innervation aus Segmenten 6-9 des Rückenmarks: kein Einfluß auf die Sekretion, aber Schmerzübertragung
Die gastralen Fasern führen zu den Ganglien des Darmwandner vensystems, die submukös und im Plexus myentericus gelegen sind. Über die submukösen Ganglien wird die Säureresektion reguliert. Postganglionäre Fasern wirken über die Freisetzung von Acetylcholin und gastrinfreisetzenden Peptiden (gastrin releasing peptide). Ersteres stimuliert die Parietalzellen, die Hauptzellen und vermutlich auch die Histaminfreisetzung aus den Mastzellen, letztere die Gastrinfreisetzung. • Die sympathische Versorgung des Magens kommt von den Segmenten 6-9 des Rückenmarks, von denen präganglionäre Fasern zu den zöliakalen Ganglien ziehen. Die postganglionären Fasern erreichen den Magen vorwiegend in Begleitung der Arterien. Die Unterbrechung des Sympathikus hat keinen Einfluß auf die Säureproduktion. Die im Experiment beobachtete Entstehung von Magenulzera nach postganglionärer Sympathektomie wurde als Ausdruck einer lokalen Ischämie durch einen Gefäßspasmus infolge Adrenalin-Übersensibilität gedeutet. Die zentralwärts ziehenden afferenten Fasern des Sympathikus werden mit der Schmerzübertragung in Zusammenhang gebracht.
Physiologie von Magen und Duodenum
2.2 Klinische Physiologie von Magen und Duodenum
Magensekrektion
2.2.1 Magensekretion
Produktion von: Säure, Schleim, Elektrolyte, Pepsinogene, Hormone, Histamin und Intrinsic-Faktor, abhängig von der Nahrungsaufnahme -> nüchtern ~ 70 ml/h, nach Nahrungsaufnahme bis zu 1 l/h. Säureproduktion ist ein wichtiger Schutzfaktor gegen bakterielle Überbesiedelung!
Die Magenschleimhaut produziert Säure, Schleim, Elektrolyte, Pepsinogene, Hormone (Gastrin, Somatostatin), Histamine und den für die Aufnahme von Vitamin B ]2 im terminalen Ileum wichtigen Intrinsic-Faktor. Die physiologische Sekretionsleistung erfolgt abhängig von der Nahrungsaufnahme. Unter Nüchternbedingungen werden etwa 70 ml/Stunde, nach Nahrungsaufnahme bis zu 11 Sekret gebildet. Die Sekretion von Säure und Pepsinogen ist für die Aufschlüsselung der Nahrung von untergeordneter Bedeutung, die auch ohne diese Substanzen beispielsweise nach Gastrektomie möglich ist. Wichtiger ist die Säure als Schutzfaktor gegen eine bakterielle Überbesiedlung von Magen und Dünndarm, die mit der Bildung karzinogener Nitroseverbindungen bei Sub- und Anazidität in Zusammenhang gebracht wird. Die Säuresekretion erfolgt in den in Korpus und Fundus gelegenen Parietalzellen, die Rezeptoren für stimulierende (Acetylcholin, Gastrin, Histamin) und hemmende Substanzen (Somatostatin) besitzen. Acetylcholin ist Neurotransmitter der an die Zellen heranreichenden Nerven, Gastrin gelangt auf dem Blutweg und Histamin per Diffusion aus den benachbarten Mastzellen zu den Parietalzellen. In den stimulierten Zellen wird durch eine Reaktionskette das Enzym // + /K + -ATPase aktiviert, das H + -Ionen gegen K + -Ionen ins Lumen abgibt. Das Enzym wird auch Protonenpumpe genannt und kann durch Benzimidazole (z.B. Omeprazol) gehemmt werden (Protonenpumpenhemmer). Für jedes ins Magenlumen abgegebene H + -Ion wird intrazellulär ein C0 2 -Molekül aus dem Blut oder dem Zellmetabolismus unter der Wirkung des Enzyms Karboanhydrase zu Bikarbonat umgewandelt, das über das Interstitium in die Blutbahn gelangt. Dieser Mechanismus ist Grund für eine metabolische Alkalose bei starkem Säureverlust. Über ein weiteres Pumpsystem sezerniert die Zelle Cl" und K + ins Lumen, so daß dort, nach dem K + -Rücktransport, HCl in einer Konzentration von etwa 22 mval/h entsteht. Die Säureproduktion ist abhängig von der Durchblutung, über die C 0 2 , CL, H 2 0 und die erforderliche Energie bereitgestellt und Bikarbonat abtransportiert werden.
Säuresekretion • in den Parietalzellen, stimuliert durch Acetylcholin, Gastrin, Histamin und gehemmt durch Somatostatin. Aktivierung des Enzyms H+/K+-ATPase Protonenpumpe • metabolische Alkalose bei Säureverlust: für jedes ins Magenlumen abgegebene H + bonat umgewandelt.
Funktionelle Unterteilung des Magens: • Fundus und Korpus -> exokrines Organ • Antrum endokrines Organ (Gastrin)
Regulation. Hinsichtlich der Säuresekretion kann der Magen in 2 Einheiten unterteilt werden. Fundus und Korpus stellen das exokrine Organ (Säure, Chlorid, Natrium, Kalium, Pepsin, Intrinsic-Faktor), das Antrum ein endokrines Organ dar, das Gastrin und andere Hormone produziert. Gastrin stimuliert nicht nur die Parietalzellen, sondern hat auch trophische Wirkung auf sie. Im Magen wird beim Gesunden zwischen den Mahlzeiten und nachts nur wenig Säure gebildet. Die Nahrungsaufnahme führt zu einer Zunahme der Säureproduktion, wobei 3 Phasen unterschieden werden, die jedoch nicht nacheinander, sondern meist gleichzeitig ablaufen.
• 3 Phasen der Säureproduktion
0
Zentrale (kephale) Phase: Durch bloße Wahrnehmung von Speisen werden auf vagalem Weg die Parietalzellen und die Gastrinzellen stimuliert, wodurch die Säureproduktion ansteigt. Gastrale Phase: Die Nahrungsaufnahme führt durch Dehnung der Magenwand und chemische Reize der Nahrungsbestandteile ebenfalls zu einer Gastrinfreisetzung und über den Vagus zu einer Stimulation der Parietalzellen. Gleichzeitig wird deren Sensibilität gegenüber Gastrin durch intramurale Reflexe vermindert.
Magen und Duodenum
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• Intestinale Phase: Der Nahrungskontakt mit dem Dünndarm führt zur Freisetzung einer Reihe von Hormonen, insbesondere von Cholecystokinin und Gastrin, die die Säureproduktion weiter stimulieren. Der Abfall des intragastralen pH-Werts im Antrum unter 2 führt zu einer direkten Blockierung der Gastrinzellen. Auch vom Dünndarm werden, bedingt durch den Kontakt mit Säure, Fett und anderen Stoffen, eine Reihe säurereduzierender Enterohormone abgegeben, wie GIP (gastric inhibitory peptide), VIP (vasoactive intestinal peptide), Sekretin und andere. Hierdurch kommt die Säureproduktion zum Stillstand, um bei erneuter Nahrungsaufnahme wieder anzusteigen.
Abfall d e s intragastralen pH-Wertes < 2 und E n t e r o h o r m o n e im D ü n n d a r m (GIP, VIP, Sekretin) führen zur Blockierung der Gastrinzellen
2.2.2 Magenmotorik
Magenmotorik
Hinsichtlich der motorischen Funktion läßt sich der Magen in 2 Einheiten unterteiDer proximale Magen dient als Nahrungsreservoir, das sich mit zunehmender Füllung reflektorisch durch Relaxation und Dehnung der glatten Muskulatur erweitert, so daß der intragastrale Druck weniger als das Volumen ansteigt (rezeptive Relaxation). Der intragastrale Druck bestimmt den gastroduodenalen Druckgradienten, der für die Entleerung von Flüssigkeit ins Duodenum verantwortlich ist. Übersteigt der intragastrale Druck nach Volumenzunahme oder Muskelkontraktion den Duodenaldruck, kommt es zur Flüssigkeitsentleerung. Der Tonus der Muskulatur wird nerval und humoral gesteuert. Die Vagotomie führt postoperativ zeitweise zu einer Tonuserhöhung mit beschleunigter Entleerung von Flüssigkeiten.
proximaler Magen: Reservoirfunktion infolge „rezeptiver Relaxation". Der intragastrale Druck b e s t i m m t den Gradienten z u m D u o d e n u m —> für die Entleerung v o n Flüssigkeit verantwortlich
Der distale Magen weist elektrische Potentiale auf, die von einem an der großen Kurvatur gelegenen Schrittmacherareal mit einer Frequenz von 3/min ausgehen, nach distal verlaufen und kräftige Kontraktionen auslösen können. Diese Kontraktionen dienen der Durchmischung der Speisen mit Magensaft, der Verkleinerung der Nahrungsbestandteile und der Entleerung fester Speisen ins Duodenum. Nur Speisenteile mit einem Durchmesser unter 1 mm können den Pylorus passieren. Größere Partikel werden nach Pyloruskontraktion wieder in den Magen zurückbefördert, bis sie verkleinert sind (antral mill) oder in der interdigestiven Phase in den Dünndarm übertreten. Hierbei können zwischen den Phasen der Nahrungsaufnahme intensive phasische Kontraktionen unverdaute Speisen vom proximalen Magen durch den offenen Pylorus bis ins Kolon transportieren.
distaler Magen: D u r c h m i s c h u n g der S p e i s e n mit Magensaft und Verkleinerung der Nahrungsbestandteile. Außerd e m verantwortlich für Entleerung fester S p e i s e n
Die Magenentleerung dient dazu, Nahrungsbestandteile in geeigneter Form und Geschwindigkeit in den Dünndarm weiterzubefördern, damit eine optimale Verdauung erfolgen kann. Die Entleerung unterliegt einer Vielzahl von Regulationsmechanismen. Die Zusammensetzung des Speisebreis hat ebenso Bedeutung wie humorale und neurale Mechanismen. Stimulierend wirken cholinerge, hemmend adrenerge Nerven. Aufgaben des Duodenums. Die Sekrete von Leber (Galle) und Pankreas (Trypsine, Lipasen, Diastasen) vermischen sich mit dem Nahrungsbrei. Das alkalische, schleimhaltige Sekret der Brunner-Drüsen und das im Duodenum produzierte Hormon Sekretin haben wichtige Aufgaben im Verdauungsprozeß zu erfüllen: Magen- und Gallenblasenentleerung, Sekretausschüttung aus dem Pankreas. Das mit der Nahrung aufgenommene Eisen wird überwiegend im Duodenum absorbiert.
Aufgaben des D u o d e n u m s • V e r m i s c h u n g d e s C h y m u s mit Galle und Pankreassekret • A u f s p a l t u n g der N a h r u n g • Pufferung der S ä u r e • Absorption von Eisen
2.2.3 Defensivmechanismen der Magenschleimhaut
Defensivmechanismen der S c h l e i m h a u t
G e g e n Säure, Pepsin und andere Noxen schützt sich der M a g e n wie folgt:
Der M a g e n schützt sich g e g e n die produzierte S ä u r e und Gastrin - » Mukosabarriere: (1) S c h l e i m s c h i c h t (2) rasch erneuerndes Oberflächenepithel (3) S c h l e i m h a u t d u r c h b l u t u n g (4) zytoprotektive Faktoren (Prostaglandine)
(Gallensäure, A l k o h o l , Salizylate)
• Magenschleim mit v o m Epithel sezerniertem Bikarbonat —> Neutralisation der v o m L u m e n rückdiffundierten Säure —> steigender p H Gradient L u m e n —> Epithel • das sich rasch erneuernde Oberflächenepithel, das durch b e s o n d e r e Verbindungen (tight junctions) die H - I o n e n - R ü c k d i f f u s i o n verhindert, • die Schleimhautdurchblutung und zytoprotektive Faktoren wie Prostaglandin, epidermal growth factor ( E G F ) u. a. D i e Störung dieser Mukosabarriere bewirkt einen verstärkten Rückstrom v o n HCl" in die Magenwand, was zu einer Schädigung der M u k o s a mit Ulzeratio n und Blutungen führen kann.
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
2.3 Erkrankungen von M a g e n und D u o d e n u m Symptome und Diagnose
2.3.1 Symptome und Diagnose
Anamnese
Anamnese. Folgende Aspekte können von Bedeutung sein: • zeitliche Abhängigkeit der Schmerzen von der Nahrungsaufnahme: Nüchtern- oder postrandialer Schmerz? • tageszeitliches Auftreten der Beschwerden: am Tage, in der Nacht? • jahreszeitliche Abhängigkeit: Frühjahr oder Herbst? • Charakter der Schmerzen: kolikartig, intermittierend, andauernd, ausstrahlend in magenferne Regionen? • Beschwerden bei bestimmten Speisen: kalte Getränke, bei stark gewürzten Speisen, Alkoholgenuß? • gehäuftes Aufstoßen, Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen, Druck und Völlegefühl? • Gewichtsverlust, Leistungsknick? • Stuhlveränderungen: unverdaute Nahrungsbestandteile im Stuhl, schwarzer, klebriger Stuhl?
Endoskopische Verfahren • Endoskopie mit flexiblen Glasfaseroptiken ist heute Methode der Wahl: - direkte Betrachtung des Mageninneren - Entnahme v o n Biopsien - Blutstillung (Laser, Elektrokoagulation, Unterspritzung) - Stenoseüberbrückung m i t „ S t e n t s " • Endosonographie - Beurteilung der Tiefeninfiltration in der M a g e n w a n d u n d Übergreifen v o n Prozessen auf benachbarte Organe, vergrößerte Lymphknoten -> Tumorstaging - negative Biopsie schließt malignen Prozeß nie aus!
Bifdgebende Untersuchungsverfahren (1) Röntgenkontrastdarstellung: Prallfüllungs- und Doppelkontrasttechnik, hohe Treffsicherheit. Bei Verdacht auf Perforationen nur wasserlösliches Kontrastmittel v e r w e n d e n ! (2) CTund (MRT): Wichtig f ü r T u m o r staging -» Lebermetastasen, evtl. auch von vergrößerten Lymphknoten, Infiltration benachbarter Organe (3) Selektive Angiographie: Nachweis unklarer Blutungsursachen —> Kontrastmittelaustritt aus der blutenden Arterie Bestimmung der Magensäureproduktion nur bei Zollinger-Ellison-Syndrom (Hypergastrinämie, gastrinbildende Tumoren. • Maximal acid Output (MAO) 15-20 mval/h • Peak acid Output (PAO) - » 20-30 mval/h
Endoskopische Verfahren. Bei Verdacht auf Magen- und Duodenalerkrankungen ist heute die endoskopische Untersuchung das Verfahren der ersten Wahl. Mit flexiblen Fiberglasoptiken können die Schleimhaut von Magen und Duodenum direkt betrachtet und zugleich Gewebeproben entnommen, Polypen abgetragen, Stenosen mit Stents überbrückt sowie Blutungen mit unterschiedlichen Techniken gestillt werden. Die Untersuchung kann sowohl elektiv als auch notfallmäßig (bei Blutungen) erfolgen. • Praxishinweis: Die Magenspiegelung ist vor allem für die Diagnose des Magenfrühkarzinoms von größter Bedeutung: Die negative Biopsie schließt einen malignen Prozeß nie aus! Komplikationen wie Aspiration, Blutung oder Perforation sind sehr selten (< 1 %). Vor der Untersuchung müssen Blutgerinnungsstörungen ausgeschlossen werden.
Mit Hilfe der Endosonographie (s. Kap. 3., S. 15) kann die Ausdehnung maligner Tumoren in der Organwand (Tiefeninfiltration) und Übergreifen auf benachbarte Organe beurteilt werden (Tumorstaging). Bildgebende Untersuchungsverfahren (s. Kap. 2., S. 11): • Röntgenkontrastdarstellung: Diese Untersuchung (mit Barium oder wasserlöslichen Kontrastmitteln) ist gegenüber der Endoskopie in den Hintergrund getreten. Mit hoher Treffsicherheit (Prallfüllungs- und Doppeltkontrasttechnik) lassen sich Geschwüre (Abb. 35.2-2), Tumoren, Hiatushernien, Divertikel, Impressionen, Dilatationen, anatomische und funktionelle postoperative Veränderungen, Stenosen an Kardia und Pylorus nachweisen. • CT und (MRT) dienen vor allem zum Tumorstaging beim Magenkarzinom (Infiltration in Nachbarorgane) und zum Metastasennachweis in der Leber, weniger zuverlässig in regionären Lymphknoten. • Selektive Angiographie: Darstellung der Magenarterien zum Nachweis von unklaren Blutungsursachen (Kontrastmittelaustritt!), wenn die Endoskopie versagt. Die Bestimmung der Magensäureproduktion hat wegen des großen Überlappungsbereichs zwischen Gesunden und Magenkranken keine diagnostische Bedeutung. Sie kann allenfalls zur Diagnostik des Zollinger-Ellison-Syndroms (s. u.) und Qualitätskontrolle nach Vagotomie dienen. A m häufigsten wird der Pentagastrin-Test durchgeführt, bei dem nach Bestimmung der Nüchternsekretion 6 [ig Pentragastrin/ kg s. c. injiziert und Volumen- und Säurekonzentration im Anschluß daran in sechs 15-Minuten-Portionen bestimmt werden ( B A O = basal acid Output < 5 mval/h, M A O = maximal acid output (= Säureproduktion der 4 höchsten 15-Minuten-Fraktionen) 15-20 mval/h, P A O = peak acid Output: 20-30 mval/h (= Säureproduktion der 2 höchsten 15-Minuten-Fraktionen x 2).
M a g e n und D u o d e n u m
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Abb. 35.2-2: Röntgenkontrast-Untersuchung gastroduodenaler Ulzera: a. Ulcus ventriculimit g r o ß e r Ulkusnische an der kleinen Kurvatur, b. Ulcus duodenian der Hinterwand des Bulbus (Pfeil) mit erheblicher Vernarbung des B u l b u s Schmetterlingsbulbus. (Röntgeninstitut Universitätsklinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
2.3.2 Gastritis Definition. Akute oder chronische Entzündung der Magenschleimhaut, die zu deren Atrophie führen kann. Histologisches und endoskopisches Bild stimmen oft nicht überein. Dementsprechend sind die histologischen Gastritisformen (Typ A- und Typ B-Gastritis) von den endoskopischen Schleimhautveränderungen, die ein uncharakteristisches histologisches Bild aufweisen (z. B. akute erosive Gastritis), abzugrenzen.
Symptome. Die Mehrzahl der Patienten ist beschwerdefrei. Jedoch werden bisweilen auch heftige Oberbauchschmerzen, besonders nach Nahrungsaufnahme und Alkoholgenuß angegeben, verbunden mit Druck- und Völlegefühl, Aufstoßen, Übelkeit und Erbrechen. Nicht selten ergeben sich differentialdiagnostische Schwierigkeiten: akute Appendizitis, Cholezystitis, Herzinfarkt. Die Bedeutung dieser Schleimhautveränderungen ergibt sich aus ihrer Beziehung zu folgenden Erkrankungen: gastroduodenales Ulkus, Magenlymphom, -karzinom, perniziöse Anämie. Pathohistologie: Typ A- und Typ B-Gastritis: Nach Ätiologie, Lokalisation und Folgen werden die seltenere (ca. 10%) Typ A-Gastritis (= Autoimmungastritis, Korpusgastritis) und die häufigere (ca. 90%) Typ B-Gastritis (= Helicobacter pylori-Gastritis, Antrumgastritis) unterschieden). • Für die Typ A-Gastritis ist vermutlich ein genetisch bedingter Autoimmunprozeß verantwortlich, wofür u.a. die häufig nachzuweisenden Antikörper gegen Parietalzellen sprechen. Bevorzugt betroffen sind Magenkorpus und -fundus. Der Prozeß verläuft progressiv von der chronischen oberflächlichen Gastritis über die atrophische Gastritis mit intestinaler Metaplasie zur Schleimhautatrophie. Mit Fortschreiten des Prozesses kommt es zu einer diffusen und vollständigen Atrophie der Korpusdrüsen mit der Folge der Hyp- und Anazidität, einer bakteriellen Keimbesiedlung und durch die verminderte Produktion von Intrinsic-Faktor zu einer perniziösen Anämie. Als vermutliche Folge der reaktiven Hypergastrinämie (bei Abfall der Säureproduktion) sind in 2 - 9 % Karzinoide zu erwarten, die sich als kleine Polypen, häufig multipel, im Magenkorpus finden (s.u.). Das erhöhte Karzinomrisiko bei perniziöser Anämie hat sich nicht bestätigt.
Erkrankungen v o n M a g e n u n d Duodenum Gastritis = akute oder chronische Entzündung der Magenschleimhaut, kann zur Atrophie führen Unterscheidung zwischen histologisch definierten und endoskopischen Gastriti sform e n Symptome: meist asymptomatisch
Differentialdiagnose oft schwierig: akute Appendizitis, Cholezystitis, Herzinfarkt
Formen
Typ A-Gastritis = Autoimmunprozeß in Korpus und Fundus —> atrophische Gastritis intestinale Metaplasie. Folgen sind: • Hyp- und Anazidität • bakterielle Keimbesiedlung • perniziöse A n ä m i e (selten) • Hypergastrinämie gehäuft Karzinoide
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35. C h i r u r g i e d e s V e r d a u u n g s t r a k t e s
Typ B-Gastritis • verursacht durch Helicobacter pylori, v.a. in Antrum und partiell im Korpus • H. pylori induziert ggf. das - gastroduodenale Ulkus - Magenkarzinom (intestinalerTyp) - MALT-Lymphom des Magens Morphologie: Infiltration der Antrummukosa mit neutrophilen Leukozyten Antikörper nachweisbar Steigerung der gastralen Zellproliferation - » Parietalzellhyperplasie mit erhöhter Säureproduktion
Diagnostik des Helicobacter pylori =Ì>
• Die T^p B-Gastritis ist durch eine Infektion mit Helicobacter pylori verursacht, beginnt im Antrum und kann sich auf das Magenkorpus ausbreiten, wo sie in der Regel zu einer fleckförmigen und nur partiellen Atrophie der Schleimhaut und somit nicht zur Anazidität, sondern zu der ebenso wie für die Karzinogenese bedeutsamen Hypazidität führen kann. Die Häufigkeit dieser Gastritis ist von zahlreichen Faktoren abhängig und schwankt zwischen den einzelnen Ländern und Bevölkerungsgruppen. Sie ist u. a. häufiger bei niedrigem sozialen Status. Morphologisch kommt es bei der akuten Entzündung zu einer Infiltration der Antrummukosa mit neutrophilen Granulozyten, die im weiteren Verlauf abnehmen bei zunehmendem Auftreten von nuklearen Zellen. Gleichzeitig sind serologisch Antikörper nachweisbar. Die Folgen der Helicobacter-pylori-Infektion sind vielschichtig und schädigen die Integrität und Funktion der Magen- und Duodenalschleimhaut. Die Granulozyten führen vermutlich durch Freisetzung freier Sauerstoffradikale und anderer toxischer Substanzen zu einer Schädigung des Epithels und der Schleimhautbarriere. Dies wird verstärkt durch die Produktion von Ammoniak, Zytotoxinen und von Phosphokinasen, die die schützende Schleimschicht zerstören sowie durch eine Abnahme der Prostaglandin-E2-Konzentration, der zytoprotektive Bedeutung zukommt. Die Helicobacter-pylori-Infektion führt zu einer lokalen und systemischen Immunreaktion, was u. a. für die Entstehung von Lymphomen in der Magenwand bedeutsam ist. Die verminderte Produktion von Vit. C in das Magenlumen wird mit der Entstehung von Magenkarzinomen in Zusammenhang gebracht (s.u.). Die gastrale Zellproliferation wird gesteigert, mit der Folge der Parietalzellhyperplasie und einer erhöhten Säureproduktion beim Duodenalulkus. Die Folgen der Helicobacter-pylori-Infektion sind nach Eradikation zumindest teilweise reversibel. Diagnostik von Helicobacter pylori: Urease-Schnelltest, histologischer (!) und mikrobiologischer Keimnachweis, 13C-Harnstoff-Atemtest, Serologie. Für die Praxis relevant sind der Urease-Schnelltest und der histologische Keimnachweis. D e r 13C-Harnstoff-Atemtest ist zur Ü b e r p r ü f u n g des Therapieerfolgs bei Duodenalulkus geeignet, da hierfür, im Gegensatz zum Ulcus ventriculi, die endoskopische Überprüfung der Ulkusabheilung nicht zwingend erforderlich ist. Serologische Untersuchungen sind derzeit vor allem zur Langzeitbeobachtung und als Screening-Methode bedeutsam. Mikrobiologische Untersuchungen können bei Versagen der Eradikationstherapie indiziert sein.
Folgen der H.-pylori-lnfektion sind nach Eradikation zumindest teilweise reversibel
Urease-Schnelltest (aus Biopsiepartikeln). Durch die Urease-Aktivität des Keims wird aus zugegebenem Harnstoff Ammoniak abgespalten, was anhand eines Farbstoffindikators sichtbar wird. Entnommen werden sollten 1-2 Partikel aus dem Antrum (2-4 cm vom Pylorus entfernt) und dem Korpus (Mitte der großen Kurvatur). Für den Test stehen kommerzielle Präparationen zur Verfügung. Das Ergebnis sollte innerhalb von 24 Stunden abgelesen werden. Sensitivität und Spezifität liegen dann bei 90 %, später geringer. Histologischer Keimnachweis (durch Keimfärbung mit HE-, Giemsa-Gram-Färbung u.a.) 13C-Harnstoff-Atemtest. Bei Infektion wird aus dem 13C-Harnstoff durch die Urease-Aktivität des Keims radioaktiv markiertes C 0 2 frei und ist in der Ausatemluft nachweisbar. Serologische Untersuchungen. Antikörpernachweis gegen Helicobacter-pylori-Antigen. Bei erfolgreicher Eradikation kommt es innerhalb von 6-12 Monaten zum Abfall des Antikörperspiegels um mindestens 50%. Ein Wiederanstieg spricht für eine Reinfektion. Mikrobiologische Kultur.
Morbus Ménétrier
2.3.3 W e i t e r e G a s t r i t i s f o r m e n
= Riesenfaltengastritis: erheblich vergröberte und wulstige Schleimhautfalten, häufig Erosionen und Ulzerationen - erhöhtes Karzinomrisiko?
D e r M. Ménétrier, Riesenfaltengastritis, ist eine seltene E r k r a n k u n g unklarer Ätiologie. Endoskopisch und radiologisch finden sich vergröberte Schleimhautfalten oft mit Erosionen und Ulzerationen. Histologisch sind die Mukosa verdickt und die tubulären Drüsen verlängert und zystisch umgewandelt. Parietal- und Hauptzellen sind zugunsten der schleimbildenden Zellen vermindert mit der Folge einer Hypochlorhydrie. Inwieweit ein erhöhtes Karzinomrisiko besteht, ist offen.
Magen und Duodenum
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Die Symptomatik ist unspezifisch und gekennzeichnet durch epigastrische Schmerzen, Diarrhoe, Schwäche, Anämie, Gewichts- und Eiweißverlust mit der Folge von Ödemen. Nur bei massivem Eiweißverlust ist eine Therapie mit entsprechender Diät, ggf. ergänzt durch Cortison und H r Rezeptorantagonisten erforderlich. Bei Versagen dieser Maßnahmen ist die Gastrektomie zu diskutieren. Die klinisch und endoskopisch zu diagnostizierende hämorrhagisch-erosive Gastritis ist gekennzeichnet durch subepitheliale Blutungen (Petechien), Hyperämie der Schleimhaut (Erythem) sowie durch multiple kleine (< 5 mm) umschriebene Mukosadefekte, die die Muscularis mucosae nicht überschreiten (= Erosion). Bei Einblutung erscheinen die Erosionen als dunkle Punkte, sonst ist der Erosionsgrund hell und meist von einem Erythem umgeben. Die Erosionen können innerhalb von Stunden entstehen und sich in gleicher Zeit wieder zurückbilden. Geht die Schleimhautschädigung tiefer, sind akute Ulzera, selten eine Perforation, die Folge. Ursächlich sind meist Medikamente (Aspirin oder NSAR = nicht-steroidale Antirheumatika), die vermutlich nicht auf lokalem, sondern auf systemischem Weg über eine Reduzierung des Prostaglandingehalts der Mukosa zur Schleimhautschädigung führen. Häufig findet sich gleichzeitig eine Helicobacter-pylori-Infektion, ohne daß der pathogenetische Zusammenhang geklärt wäre. Die Schleimhautläsionen haben als Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung oder eines akuten Ulkus, das zu Komplikationen führen kann, klinische Bedeutung. Bei 5-10% der Patienten, die NSAR einnehmen, ist mit einem gastroduodenalen Ulkus zu rechnen. Die Diagnose wird endoskopisch gestellt. Für die Therapie ist der Verzicht auf das auslösende Medikament, zumindest die Reduzierung der Dosis von größter Bedeutung. Ulzera und Erosionen heilen dann meist rasch ab. Liegt eine Helicobacter-pylori-Infektion vor, empfiehlt sich die Eradikationstherapie, um eine potentielle Schädigungsquelle auszuschließen. Eine Operation ist nur in der Notfallsituation einer unstillbaren Blutung oder einer Perforation indiziert.
Symptomatik • epigastrische Schmerzen • Diarrhoe • Anämie, körperliche Schwäche • Gewichts- und Eiweißverluste —> Ödeme Therapie: Diät, Kortison, H2-Rezeptorantagonisten, evtl. Gastrektomie Hämorrhagisch-erosive Gastritis Trias aus • Petechien • Schleimhauterythem • Erosionen
Ursache: meist Medikamente wie Aspirin und NSAR und Helicobacter-Infektion - führt häufig zu Blutungen und Ulkus
Therapie: • Absetzen des Medikaments • Eradikation von H. pylori • endoskopische Blutstillung • Operation bei nicht beherrschbarer Blutung oder Ulkusperforation
Zur Prophylaxe der Schleimhautläsionen bei NSAR-Einnahme wird neben der Eradikationstherapie die gleichzeitige Applikation von Prostaglandin diskutiert. Die Gabe von H 2 -Rezeptorantagonisten ist ohne Wirkung.
Akute gastroduodenale Läsionen. Ein endoskopisch ähnliches, pathogenetisch unterschiedliches Krankheitsbild (Abb. 35.2-3) liegt der akuten gastro-
Schock Trauma Sepsis Große Operation
Störung der Mikrozirkulation
i Schleimhautischämie
Sekretionsreiz
•
HCl Pepsin
Pylorusinsuffizienz Duodenaler Reflux Gallensäuren Lysolecithin Pankreasfermente Urämie
Zerstörung der Schleimhautbarriere
i Schleimhautschädigung
Andere Faktoren Defekt d. Prostaglandinsynthese ? Defekt d. Epithelregeneration ?
Nekrose Ulkus und Blutung
Abb. 35.2-3: Pathogenese der Streßulkuskrankheit (modif. n. V. Schumpelick, Thieme-Verlag 1982 und n. Th.A.Miller, Amer J Med, 1987)
Akute gastroduodenale Läsionen (Streßulkus) = sepsis- oder schockbedingte Ischämie der Magenschleimhaut, s. Abb. 35.2-3
518 Bedrohliche Komplikation -> gastroduodenale Blutung. Hohes Risiko bei den meist Schwerstkranken
35. Chirurgie des Verdauungstraktes duodenalen Läsion (Streßgastritis, -ulkus) zugrunde. Insbesondere Sepsis und Schock führen zu einer Ischämie der Mukosa von Magen und Duodenum mit subepithelialen Blutungen, Erosionen und akuten Ulzera, die Ursache schwerster gastrointestinaler Blutungen mit entsprechend ungünstiger Prognose bei diesen meist schwerstkranken Patienten sein können. Auf ähnlichen pathogenetischen Mechanismen beruhen die früher gehäuft nach Verbrennungen beobachteten Ulzera (Curling-Ulkus). Ob zusätzliche zentrale Mechanismen für die nach Hirnoperationen und SchädelHirn-Traumen beobachteten Ulzerationen (Cushing-Ulkus) bestehen, ist fraglich.
Häufigkeit durch konsequente Prophylaxe rückläufig Therapie • Schockbehandlung • Anheben des Magensaft-pH-Wertes > 4 • endoskopische Blutstillung • selten operative Blutstillung indiziert (ausgedehnte Magenresektion)
Durch konsequente Vorbeugung ist die Häufigkeit dieser ernsten Komplikation deutlich zurückgegangen. Prophylaktisch am besten wirksam ist die rasche und effektive Schockbehandlung bzw. -Vermeidung. Darüber hinaus kann durch Anhebung des Magensaft-pH auf über 4 die Häufigkeit einer gastrointestinalen Blutung reduziert werden. Verwendet werden vorwiegend H2-Rezeptorantagonisten. Als Folge der Säurereduktion wird eine erhöhte Inzidenz nosokomialer Pneumonien bei langzeitbeatmeten Patienten diskutiert. Dies hat dazu geführt, die Streßulkusprophylaxe gezielt risikoorientiert durchzuführen. Eine Therapie ist nur bei akuter gastroduodenaler Läsion erforderlich und entspricht der bei der oberen gastrointestinalen Blutung. Die Operation ist selten und nur bei Versagen endoskopischer Maßnahmen zur Blutstillung indiziert: meist ist die ausgedehnte Resektion des Magens die einzige Möglichkeit einer sicheren Blutstillung.
Gastroduodenaies Ulkus
2.3.4 Gastroduodenaies Ulkus
= Substanzdefekt in der Magenwand, der die Muscularis mucosae überschreitet (Gegensatz: Erosion)
Definition. Während eine akute Erosion einen umschriebenen Defekt des oberflächlichen Epithels bzw. der Mukosa darstellt, der nicht über die Muscularis mucosae hinausgeht, sind gastroduodenale Ulzera Substanzdefekte, die diese Schicht überschreiten und alle Magenschichten betreffen können. Histologisch sind Fibrinbeläge, Entzündungszellen, Granulations- und Narbengewebe nachweisbar.
Ulcus duodeni
2.3.4.1 Ulcus duodeni
• meist solitäres Ulkus im Bulbus duodeni (in 95%) • sich gegenüberliegende Ulzera, „kissing ulcers", sind selten
In 95 % finden sich Duodenalulzera im Bulbus duodeni. Tiefergelegene Ulzera in der Pars descendens und Pars horizontalis (inferior) werden häufig übersehen und sind typisch für eine Hypergastrinämie bei Zollinger-Ellison-Syndrom. Zumeist liegt ein solitäres Geschwür vor, seltener finden sich 2 gegenüberliegende Ulzera (kissing ulcers). Die maligne Entartung eines Duodenalulkus ist extrem selten.
Epidemiologie - häufige, in 20% mit schweren Komplikationen einhergehende Erkrankung Keine Entartungstendenz - Auftreten meist zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr - hohe Spontanheilungstendenz und Rezidivneigung —> 85% innerhalb eines Jahres (besonders bei Einnahme von Medikamenten und bei Rauchern)
Epidemiologie: Etwa 10-15 % der erwachsenen Bevölkerung in den USA leidet schätzungsweise an einem Duodenalulkus, wobei in 20% schwere Komplikationen zu erwarten sind. Die meisten Ulzera entwickeln sich zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr. Während früher das männliche Geschlecht bevorzugt war, hat sich dies in den letzten Jahren ausgeglichen. Duodenalulzera neigen in einem hohen Prozentsatz zur Spontanheilung, ebenso wie zur Rezidivierung (85 % innerhalb von 12 Monaten), wobei die Rezidivneigung bei Rauchern, bei Einnahme von NSAR und bei Säureüberproduktion höher ist. Bereits vor Einführung der H z -Rezeptorantagonisten war ein Rückgang von Operationen wegen Duodenalulzera in vielen Ländern zu verzeichnen. Derzeit überwiegen Operationen wegen Ulkuskomplikationen, die vor allem bei älteren Patienten zugenommen haben.
Pathogenese
Pathogenese. Ein Ulkus entsteht, wenn das Gleichgewicht zwischen den aggressiven und den defensiven Faktoren der Magen- bzw. Duodenalwand gestört ist. Die aggres-
Magen und Duodenum
519
siven Faktoren sind Säure, Pepsin und exogene Noxen, zu den defensiven Faktoren im Duodenum gehören das in Gallen- und Pankreassekret abgegebene Bikarbonat, aber auch die Mukosa des Duodenums, die eine Schleimschicht produziert, in die Bikarbonat zur Säureneutralisation abgegeben wird (s.o.). Die Pathogenese eines Ulcus duodeni ist in der seltenen Situation einer Hypergastrinämie (Zollinger-Ellison-Syndrom) oder bei chronischer Pankreasinsuffizienz nachvollziehbar. Auch bei einer Hyperkalziämie im Rahmen eines primären Hyperparathyreoidismus ist die Säureproduktion erhöht. Beim sporadischen Ulkus kann im Einzelfall der zugrundeliegende Pathomechanismus meist nicht eindeutig geklärt werden. Wichtige Faktoren sind die Magensäure („ohne Säure kein Ulkus"), N S A R und die Infektion der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori, die bei 95 % der Patienten mit Duodenalulkus nachweisbar ist.
Störung des Gleichgewichts zwischen aggressiven und defensiven Faktoren der Duodenalwand: • Hyperazidität „ohne Säure kein Ulkus"! • Infektion mit H. pylori (in 95%) -> Stimulation der G-Zellen und Verminderung der Schleimhautresistenz
Die Entdeckung von H. pylori und die Ulkusheilung nach dessen Beseitigung bestätigen die Annahme, daß die Ulkuserkrankung eine Infektionserkrankung ist.
Ulkuserkrankung = Infektionserkrankung
Für die meisten Patienten dürfte pathogenetisch die Übersäuerung des Bulbus duodeni und die Überproduktion von Pepsin für die Ulkusentstehung verantwortlich sein. Die Übersäuerung ist Folge einer erhöhten, vagal bedingten Nüchternsekretion und einer erhöhten stimulierten Säuresekretion infolge einer Vermehrung der Parietal- und Hauptzellmasse. Darüber hinaus ist der Gastrin-Rückkopplungsmechanismus gestört. Patienten mit Duodenalulkus weisen normale bis erhöhte und nicht wie bei Säureübersekretion zu erwarten - erniedrigte Serum-Gastrinspiegel auf. Die Nahrungsaufnahme führt zu einer im Vergleich zum Gesunden erhöhten Gastrinfreisetzung. Beobachtungen, wonach die Säure- und Gastrinfreisetzung nicht nur erhöht, sondern auch verlängert sind, weisen auch auf eine Störung des Regulationsmechanismus hin. Als weiterer Faktor für die Übersäuerung des Duodenums dürfte eine zu rasche Entleerung des Mageninhalts mitverantwortlich sein. Während beim Gesunden die Säurerezeptoren im Duodenum die Magenentleerung verlangsamen, bis der pH-Wert des Mageninhalts über 3,5 angestiegen ist, tritt bei Duodenalulzera keine entsprechende Verzögerung ein.
Zollinger-Ellison-Syndrom (selten) Hyperkalziämie (primärer Hyperparathyreoidismus) chronische Pankreasinsuffizienz
Bei etwa einem Drittel der Patienten besteht keine Säureüberproduktion, was auf gestörte defensive Mechanismen der Schleimhaut hinweisen könnte. Auch hierbei kann durch Verminderung der Säureproduktion eine Ulkusheilung erreicht werden, was wiederum auf die entscheidende Rolle der Magensäure bei der Pathogenese des Duodenalulkus hindeutet. Die Infektion durch H. pylori könnte einige dieser Pathomechanismen erklären. Angenommen werden eine Stimulierung der G-Zellen und die Beeinflussung der Defensivmechanismen der Schleimhaut, so daß nach derzeitiger Meinung die Ulkusentstehung vereinfacht auf die Formel gebracht werden könnte Ulkusformel: Helicobacter pylori + pH-Abfall
= Ulkus
Symptome: umschriebener Oberbauchschmerz punktförmig oberhalb des Nabels, der vor allem im Nüchternzustand (einige Stunden nach dem Essen und nachts) auftritt, durch bestimmte Speisen oder Antazida sich bessert (Nüchternschmerz) und - bedingt durch die hohe Spontanheilungsrate - periodisch vorkommt: Das gehäufte Auftreten im Frühjahr und Herbst ist nur bei einem Teil der Patienten zu beobachten. Die Schmerzperioden können Tage bis Wochen anhalten und durch säurehaltige Speisen oder Getränke verstärkt werden. Nahrungsaufnahme lindert (Säurepufferung) die Beschwerden, so daß die Patienten nicht selten an Gewicht zunehmen. In Abhängigkeit von der Ulkuslokalisation und der -tiefe ändert sich die Symptomatologie. Bei pylorusnahem oder intrapylorischem Ulkus kann durch die Ödembildung Übelkeit und Erbrechen während der akuten Phase, bei ins Pankreas penetrierendem Ulkus ein Dauerschmerz auftreten, der auch häufig in den Rücken ausstrahlt. Praxishinweis: Nur bei einem Teil der Patienten finden sich Symptome: Ulzera können symptomlos verlaufen und erst als Komplikation in Erscheinung treten. Bei älteren Patienten verursachen sie oft nur geringe Beschwerden.
• Ulkusformel: - H. p. + pH = U. duodeni Symptome: • umschriebener Oberbauchschmerz • Nüchternschmerz, bessert sich durch Nahrungsaufnahme • periodisches Auftreten (Frühjahr und Herbst) • Dauerschmerz weist auf Penetration hin
• asymptomatischer Verlauf
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Diagnostik • klinisch: Druckschmerz im Epigastrium • Gastroduodenoskopie: Lage, Größe, Abheilungsstadium, zusätzliche Ösophagus- oder Magenerkrankungen • Urease-Schnelltest —» HelicobacterNachweis
Diagnose. Bei der klinischen Untersuchung findet sich im typischen Fall ein umschriebener Druckschmerz im Epigastrium. Gastroduodenoskopie. Neben der Diagnosestellung gibt sie Informationen über Lage, Größe, Abheilungsstadium und zusätzliche Erkrankungen am Magen (Helicobacter-pylori-Infektion) und der Speiseröhre (Hiatushernie, Ösophagitis). Helicobacter pylori wird histologisch und durch Urease-Schnelltest nachgewiesen (s. S.516).
• postpylorische Ulzera Röntgenkontrastuntersuchung: Konstrastmitteldepot im Bulbus duodeni, Bulbusdeformierung („Schmetterlingsbulbus"), Verengung des Magenausgangs • Gastrin- und Kalziumbestimmung i.S.
Da Duodenalulzera insbesondere bei postpylorischem Sitz endoskopisch übersehen werden können, ist bei entsprechendem Verdacht die Wiederholung oder auch die Röntgenuntersuchung angezeigt: Kontrastmitteldepot im Bulbus duodeni, Bulbusdeformierung (Abb. 35.2-2, S.515). Bei atypisch gelegenen, ausgedehntem oder rezidivierendem Ulkus, insbesondere nach operativer Therapie sind die Bestimmung von Gastrin und Kalzium im Serum indiziert, um das Vorliegen einer Hypergastrinämie bei Zollinger-Ellison-Syndrom bzw. einen Hpyerparathyreoidismus abzuklären.
Therapie: • Eradikation von H. pylori —> Dualtherapie: H2-Rezeptorantagonist oder Protonenpumpenhemmer + Antibiotikum z. B. Omeprazol 2 x 40 mg/14 Tage, Amoxicillin 2 x 1 g/die, s. Tab. 35.2-1
Therapie. Ziele sind die Beseitigung der Beschwerden, die Beschleunigung der Heilung und die Vermeidung eines Rezidivs bei möglichst geringem Risiko. In Anbetracht der hohen Spontanheilungsrate und der fehlenden Entartungsgefahr wird ein unkompliziertes Duodenalulkus primär medikamentös behandelt: • Neutralisation der Magensäure (Antazida), Verminderung der Säureproduktion (H2-Rezeptorblocker, Protonenpumpenhemmer), H. pylori-Eradikation (Antibiotika) und Zytoprotektion (kein Nikotin, Alkohol).
Kontrolle der Eradikation durch Atemtest möglich bei Therapieresistenz auch andere Kombinationen Langzeittherapie ist nicht erforderlich jährliche Reinfektionsrate 0,5-2%
Die alleinige Behandlung mit H2-Rezeptorblockern oder Protonenpumpenhemmern erzielt eine Heilungsrate von etwa 75 % in 4 Wochen, nach Absetzen kommt es innerhalb von 12 Monaten bei 80 % zum Rezidiv. Daher wird empfohlen, bei nachgewiesener Helicobacter-pylori-Infektion neben der Säurereduktion durch H2-Rezeptorblocker oder Protonenpumpenhemmer (z.B. Omeprazol) eine Eradikationstherapie von H. pylori schon beim Erstulkus durchzuführen. Hierzu stehen Antibiotika (Amoxicillin, Clarithromycin, Metronidazol und HCl-Tetracycline) zur Verfügung. Nur durch Kombination mit einem Säuresekretionshemmer ist eine Eradikation erzielbar. Die früher verwendete Tripel-Therapie aus Wismut, Tetracyclin und Metronidazol kommt wegen möglicher Nebenwirkungen nur als Reservebehandlung zur Anwendung.
Praxishinweis: Die Dualtherapie, Amoxicillin 2 x 1 g und Omeprazol 2 x 40 mg 20-30 Minuten vor der Mahlzeit über 14 Tage, wird derzeit bevorzugt. Vorteile sind eine niedrige Nebenwirkungsrate und fehlende Resistenzentwicklung. Hiermit ist in 60-80 % die Keimeradikation erzielbar, die 4-6 Wochen nach Therapieende überprüft werden sollte: 13C-Atemtest oder nach erneuter Endoskopie durch Urease-Schnelltest und histologische Untersuchung. Bei Versagen der Therapie kann auf ein anderes Schema gewechselt werden (Tab. 35.2-1). Eine Langzeittherapie mit Säurehemmern ist nach den bisherigen Ergebnissen nicht erforderlich. Die jährliche Reinfektionsquote wird mit 0,5-2 % angegeben. Inwieweit dann mit Rezidivgeschwüren zu rechnen ist, ist derzeit offen. Eine Wiederholung der o.g. Therapie bei erneuter Infektion und rezidivierendem Ulkus ist möglich, ohne daß umfangreiche Langzeiterfahrungen und Aussagen zur Resistenzentwicklung derzeit vorliegen. Operative Therapie • Indikationen: - Versagen der konservativen Therapie -> Ulkuspersistenz über mehrere Wochen - wiederholtes Rezidiv: nach 2-3 Ulkusschüben innerhalb 2 Jahren - Ulkuskomplikationen: Blutung, Perforation, Pylorusstenose
Die Indikation zur operativen Behandlung ist gegeben bei Versagen der konservativen Therapie und bei Ulkuskomplikationen. Als Versagen gilt die Ulkuspersistenz über mehrere Wochen und das wiederholte Ulkusrezidiv trotz adäquater medikamentöser Therapie mit entsprechendem Leidensdruck. Nach 2-3 Ulkusschüben innerhalb von 2 Jahren sollte die Operationsindikation diskutiert werden. Ziel der operativen Therapie des Duodenalulkus ist es, durch Reduktion der Säureproduktion die Ulkusabheilung sicherzustellen und ein Wiederauftreten zu verhindern bei möglichst geringem Risiko und ohne gravierende Ne-
Magen und Duodenum
521
Tab.35.2-1: Therapieschemen bei Helicobacter-pylori-lnfektion (n. O.Stadel mann 1995) 2. Dualtherapie
1. Triple-Therapie Clarithromycin 2 x 250 mg Omeprazol 1 - 2 x 2 0 mg Metronidazol 2 x 400 mg Eradikationsrate
7 Tage 7 Tage 7 Tage
90 % und mehr
Amoxicillin 2 x 1 g Omeprazol 2 x 40 mg -» Eradikationsrate
14 Tage 14 Tage
60-80%
Reserveschemen 1. OAC-Schema
2. Klassische Triple-Therapie (verkürzt)
Omeprazol 2 x 20-40 mg Amoxicillin 2 x 1 g Clarithromycin 2 x 500 mg -» Eradikationstherapie und mehr
90%
7 Tage
Wismut (Bismutsubsalicylat = BBS) 3 x 600 m g Tetracyclin-HCI 3 x 500 mg Metronidazol 3 x 400 mg —» Eradikationsrate
7-14 Tage 7-14 Tage 7-14Tage
90 % und mehr
benwirkungen sowie Langzeitfolgen. Die Entfernung des Duodenalgeschwürs ist im Gegensatz zur Operation beim Magenulkus nicht erforderlich: (1) Resezierende Verfahren: die distalen 2/3 des Magens einschließlich des Pylorus werden entfernt (s. S. 524), um die Parietalzellmasse zu reduzieren und den Gastrinmechanismus auszuschalten (2) Vagotomie (Abb. 35.2-4): Reduktion der Säureproduktion um etwa 50%. Die unterschiedlichen Denervierungen bedingen unterschiedliche Nebenwirkungen. • Die trunkuläre Vagotomie hat die Denervierung des Oberbauchs zur Folge, mit Diarrhoe und der Gefahr einer Gallensteinbildung. Zudem erfordert die Entleerungsstörung am Magen immer eine Drainageoperation, die meist als Pyloroplastik nach Heinecke-Mikulicz durchgeführt wird (Abb.35.2-5). Dabei wird der Pylorus längs inzidiert und quer vernäht. • Die selektive Vagotomie beschränkt sich auf die Denervierung des Magens. Wegen ihres Einflusses auf die Motorik ist gleichfalls eine Drainageoperation zur Sicherstellung der Magenentleerung erforderlich. • Bei der selektiven proximalen Vagotomie (SPV) wird nur der exokrine Magenanteil (Korpus, Fundus) durch Skelettierung an der kleinen Kurvatur denerviert, die Innervation des Antrums und damit die Magenentleerung bleiben erhalten (Synonyma HSV = highly selective vagotomy, PCV = parietal cell vagotomy), keine Drainageoperation. Ergebnisse: Von allen Ulkusoperationen am Magen hat die SPV das geringste operative Risiko (Mortalität 0,1-0,3 %), die geringste Zahl unerwünsch-
Operationsverfahren: Resektionen: - 2/3-Resektion -» Entfernung von Antrum und distalem Korpus: Ausschaltung des Gastrinmechanismus, Reduktion der Parietalzellen Vagotomie - trunkuläre V. (TV) Denervierung des Oberbauches mit Drainageoperation (Pyloroplastik n. Heinecke-Mikulicz). Nachteil: Häufig Diarrhoe und Gallensteinbildung - selektive V. (SV) -» beschränkt sich auf die alleinige Denervierung des Magens, Drainageoperation erforderlich - selektive proximale V. (SPV) -> Denervierung nur des exokrinen Magenanteils, Innervation des Antrums, Magenentleerung bleiben erhalten, keine Drainageoperation, bevorzugtes Verfahren Ergebnisse: SPV mit geringstem Risiko, Mortalität 0,1-0,3%, geringste Nebenwir-
Abb.35.2-4: Arten der Vagotomie: a. Selektive proximale V. (SPV), b. Selektive totale = gastrale V. (STV), c. Trunkuläre V. (TV), d. Kombinierte Operation: STV + Antrektomie. 1 Truncus vagalis anterior sinister, 2 Truncus vagalis posterior dexter, 3 Ramus antralis et duodenalis trunci vagalis anterius sinistri, 4 Ramus antralis trunci vagalis posterius dextri
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Klemme mit Abb.35.2-5: Pyloroplastikn. Heinecke-Mikulicz:a. Schnittführung am Duodenum und Antrum, b. Querverziehung der Inzision zur Erweiterung des Lumens und Verschluß mit Einzelknopfnähten, c. Fertiggestellte Pyloroplastik
Abb. 35.2-6: UIcus-ventriculi-Typen
n. Johnson
kungen < 10%, jedoch Ulkusrezidivrate in 10 Jahren ~ 10%
ter Nebenwirkungen (< 10 %), jedoch eine Ulkusrezidivrate während der ersten 10 Jahre von ~ 10%. Diese Ergebnisse haben zu einem erheblichen Rückgang der 2/3-Resektionen und auch der anderen Formen der Vagotomie bei der operativen Behandlung des unkomplizierten Ulcus duodeni geführt. Die operative Therapie läßt die Helicobacter-Infektion außer acht. Die relativ niedrige Rezidivrate nach Vagotomie relativiert die pathogenetische Bedeutung dieser Infektion.
Ulcus ventri culi
2.3.4.2 Ulcus ventriculi
Epidemiologie - in Europa seltener als Duodenalulkus - meist solitäres Ulkus an der kleinen Kurvatur -> Einteilung nach Johnson s. Abb. 35.2-6 - maligne Entartung sehr selten (< 1 %) - DD: Frühkarzinom • hohe Spontanheilungsrate (55-57 % in 8 Wochen), Rezidivneigung (70% in einem Jahr)
Epidemiologie. Häufigkeit und Verteilung gastraler Ulzera zeigen Unterschiede. Während in Japan das gastrale Ulkus 4- bis 5 mal häufiger als das Duodenalgeschwür vorkommt, tritt in Europa das gastrale Ulkus nur halb so häufig wie das duodenale auf. Gastrale Ulzera trifft man bei beiden Geschlechtern gleich häufig an, sie bevorzugen die höheren Altersstufen, sind in der Regel solitär und an der kleinen Kurvatur gelegen. Entsprechend ihrer Lage werden Ulzera am Angulus und kranial davon (Typ I, ca. 50%) von präpylorischen Ulzera (Typ III, ca. 20%) und kombinierten gastroduodenalen Ulzera (Typ II, ca. 7%) unterschieden (n. Johnson, Abb. 35.2-6). Magenulzera können maligne entarten, jedoch ist dies vermutlich sehr selten (< 1 %). Immer ist ein ulzerierendes (Früh-)Karzinom differentialdiagnostisch abzuklären. Wegen des häufigeren Vorkommens in höheren Altersstufen ist ein Magenulkus bei unter 40jährigen Patienten in besonderem Maße malignomsuspekt. Wie beim Duodenalulkus ist die Spontanheilungsrate hoch (50-57 % innerhalb von 8 Wochen), ebenfalls die Rezidivneigung (etwa 70 % innerhalb von 12 Monaten).
Pathogenese Ulkussitz am Übergang von normaler zu gastritisch veränderter Schleimhaut - verminderte Schleimhautresistenz —> gestörte Mukosa-Barriere (Medikamente, Gallensalze, Alkohol) - H. pylori-lnfektion in 70% - lokale Durchblutungsstörung - Hyperazidität und Pepsin - Stase, besonders beim Typ III und II nach Johnson
Pathogenese. Im Vordergrund steht vermutlich die verminderte Schleimhautresistenz, der mehrere Ursachen zugrunde liegen können. Die Mukosa-Barriere des Magens wird von der oberflächlichen Zellschicht gebildet, die Schleim und Bikarbonat produziert. Prostaglandine spielen hierbei eine wichtige Rolle. Patienten mit gastralem Ulkus haben einen verminderten Prostaglandingehalt der Mukosa sowie eine reduzierte und für Säure und andere Aggressoren durchlässige Schleimschicht. Bekannte Faktoren, die die Mukosa partiell schädigen, sind Medikamente, NSAR, Gallensalze, Alkohol und die H. pylori-lnfektion. Der niedrige Pylorusdruck bei gastralem Ulkus (Pylorusinsuffizienz) und die erhöhte Gallensalzkonzentration im Magensaft bei einigen Patienten könnte auf die Bedeutung eines pathologischen duodenogastralen Refluxes hinweisen, der zu einer pylorokardial sich ausbreitenden Gastritis und zur Ulzeration führt. Typischerweise finden sich Ulzera am Übergang der normalen zur gastritisch veränderten Schleimhaut. Je länger dieser Prozeß anhält, um so weiter breitet sich die Gastritis aus, um so geringer wird infolge der Schleimhautschädigung die Magensäureproduktion und um so höher findet sich das Ulkus an der kleinen Kurvatur gelegen. Dies könnte erklären, daß sich subkardiale Ulzera vorwiegend bei alten Patienten mit geringer Säureproduktion finden, während bei präpylorischem Ulkus die Säureproduktion meist erhöht ist. Die Beziehung zwischen Helicobacter-Infektionen und gastralem Ulkus ist weniger deutlich als beim duodenalen Ulkus. Etwa bei 70 % liegt
Magen und Duodenum
523
eine Helicobacter-Infektion vor, der im Hinblick auf die Verminderung der Schleimhautresistenz pathogenetische Bedeutung zukommen dürfte, ohne daß der Bezug für die unterschiedlichen gastralen Ulkustypen derzeit geklärt wäre. Weitere Faktoren für die Ulkusentstehung sind lokale Durchblutungsstörungen, die für die Ulkuslokalisation an der kleinen Kurvatur verantwortlich sein dürften, Nikotin und vermutlich genetische Faktoren. Säure und Pepsin sind für die Entstehung der Ulzera gleichfalls wichtig, sie werden jedoch zumindest bei Patienten mit Typ IUlkus nicht vermehrt produziert, was gegen die vorrangige Bedeutung der Magensäure bei der Pathogenese des Ulcus ventriculi spricht.
Sonderformen des Ulcus ventriculi sind das präpylorische (Typ III), das kombinierte gastroduodenale Ulkus (Typ II) und das intrapylorische Ulkus. Während sich beim präpylorischen Ulkus zumeist erhöhte Säurewerte ähnlich wie beim Duodenalgeschwür finden, kann das kombinierte Ulkus Folge einer Entleerungsstörung des Magens bei chronischem Duodenalulkus mit Gastrinanstieg und Säureproduktion sein. Dieser Mechanismus wurde von Dragstedt erkannt, der diese Geschwüre als Stase-Ulzera bezeichnete.
Formen: (1) („normales") Korpusulkus = Typ I (2) Magen-Duodenalulkus = T y p II (3) präpylorisches Ulkus = Typ III
Symptome. Typisch der lokalisierte, eher dumpfe, epigastrische Schmerz, der häufig durch Nahrungsaufnahme verstärkt wird und verschwindet, wenn sich der Magen entleert. Weitere Symptome können Übelkeit und Erbrechen, Speisenunverträglichkeit, Inappetenz und Gewichtsabnahme sein. Abhängig vom Ulkustyp können auch Nüchternschmerzen auftreten. Die Differenzierung der Ulkusformen ist aufgrund der klinischen Symptomatik meist nicht möglich!
Symptome • lokalisierter, dumpfer epigastrischer Schmerz • Übelkeit und Erbrechen • Unverträglichkeit von bestimmten Speisen • Inappetenz und Gewichtsabnahme • je nach Ulkustyp auch Nüchternschmerzen Diagnostik • klinische Untersuchung: Druckschmerz im Epigastrium • Endoskopie -> Mehrfachbiopsien v o m Ulkusrand zum Ausschluß eines Magenkarzinoms • Urease-Schnelltest
Diagnose. Bei der klinischen Untersuchung kann ein Druckschmerz im Epigastrium vorhanden sein. Entscheidend in der Diagnostik ist neben dem Nachweis des Ulkus die Klärung der Dignität. Dies ist nur mit der Endoskopie möglich, die in jedem Verdachtsfall zur Anwendung kommen sollte. Dabei müssen unabhängig vom makroskopischen Erscheinungsbild Mehrfachbiopsien (6-10) vom Ulkusrand und ggf. von weiteren pathologischen Veränderungen (Magenfrühkarzinom und benignes Ulkus können gleichzeitig vorhanden sein!) entnommen werden. Die Untersuchung sollte auch das Vorhandensein einer Helicobacter-Infektion klären (Urease-Schnelltest und Biopsie s.o.). Bei benignem Ulkus ist nach 6- bis 8wöchiger Behandlung eine erneute Endoskopie mit Gewebeuntersuchung bei Ulkuspersistenz indiziert. Dabei ist auch die Effektivität der Eradikationstherapie zu prüfen. Praxishinweis: Die endoskopischen Kontrollen werden bis zur Ulkusheilung fortgesetzt und sicherheitshalber 3 Monate nach Therapieende wiederholt. Ein länger als 3 Monate persistierendes Ulcus ventriculi stellt unabhängig vom Ergebnis der histologischen Untersuchung eine Operationsindikation dar. Die konservative Therapie beinhaltet die Ausschaltung ulkusfördernder Noxen (Aspirin, NSAR, Nikotin). H 2 -Rezeptorantagonisten sind wie beim Duodenalulkus effektiv (Ulkusheilungsrate 80-90 % nach 8 Wochen, Placebo 42%) und mit geringen Nebenwirkungen belastet (Gynäkomastie, Somnolenz, Interaktion mit anderen Medikamenten). Im gleichen Maße sind Anticholinergika (Pirenzipin), Sucralfat, Wismuth, Prostaglandin-Derivate und Omeprazol, die unterschiedliche Nebenwirkungen und Indikationsbereiche besitzen, geeignet. Da die Ulkusabheilung langsamer als beim Duodenalulkus verläuft, ist meist eine Behandlungsdauer von 6 8 Wochen erforderlich, die bei abgeheiltem Ulkus beendet, anderenfalls für weitere 4-6 Wochen fortgesetzt wird. Auch die Eradikationstherapie in Kombination mit Protonenpumpenhemmern kommt bei positivem Erregernachweis in gleicher Weise wie beim Duodenalulkus zur Anwendung. Wegen der langsamen Heilung wird man die säurehemmende Therapie über die 14tägige Primärbehandlung bis zur Ulkusabheilung fortsetzen, sofern nicht die Operationsindikation wegen Ulkuspersistenz gegeben ist.
Röntgenkontrastuntersuchung
Konservative Therapie • Ausschaltung ulkusfördernder Noxen: Medikamente, Alkohol, Nikotin • H 2 -Rezeptorantagonisten • Anticholinergika, Sucralfat, Prostaglandin-Derivate • Eradikationstherapie bei Helicobacterpylori-lnfektion
524
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Operationsindikationen:
= Ì >
Indikationen zur operativen Therapie sind: • Ulkuspersistenz. Verlaufsbeobachtungen haben gezeigt, daß die Fortführung der medikamentösen Therapie über 3 Monate in wenigen Fällen doch noch zur Abheilung führt, andererseits jedoch in bis zu 30 % Ulkuskomplikationen zu erwarten sind. • Malignomverdacht aufgrund des endoskopischen Aspektes, Rez.idivulzera, Ulkuskomplikationen • große und multiple Ulzera wegen geringer Ansprechrate auf konservative Maßnahmen.
Operationsziel -» Entfernung des ulkustragenden Magenabschnittes
Verfahren. Das Ziel der operativen Therapie entspricht dem bei der Behandlung des Duodenalulkus, das Konzept beinhaltet jedoch die Entfernung des ulkustragenden Magenabschnittes. Die Vagotomie ist im Vergleich zur Resektion risikoärmer, die Rezidivraten sind jedoch deutlich höher.
Operationsverfahren: • Magenresektion nach Billroth I mit Gastroduodenostomie. Risiko 0,5-2%, Rezidivrate im Langzeitverlauf ~ 5%, Funktionsstörungen ~ 20%
• Magenresektion nach Billroth I (Abb. 35.2-7) gilt als Methode der Wahl beim gastralen Ulkus Typ I. Die distalen 2/3 des Magens mit dem Ulkus werden entfernt und die Kontinuität durch Gastroduodenostomie wiederhergestellt. Bei geringem Risiko (0,5-2%) liegt die Rezidivrate im Langzeitverlauf um 5 % und die Rate der Funktionsstörungen um 20 %. • Magenresektion nach Billroth II (Abb. 35.2-7) unterscheidet sich nicht im Resektionsausmaß, sondern in der Art der Wiederherstellung der Darmpassage: Das Duodenum wird blind verschlossen und der Magenrest mit der erstmöglichen Dünndarmschlinge anastomosiert. Um Gallen- und Pankreassekret von der Magenschleimhaut abzuleiten, erfolgt zusätzlich die Anastomosierung zwischen zu- und abführender Schlinge (Enteroanastomose). Die operative Belastung und das Rezidivrisiko entsprechen der nach Billroth-I-Resektion, Langzeitbeobachtungen haben jedoch nach mehr als 25 Jahren eine erhöhte Magenstumpfkarzinominzidenz ergeben, so daß dieses Verfahren beim Ulkus weitgehend verlassen ist.
• Magenresektion nach Billroth II: Blindverschluß des Duodenums und Gastroenterostomie mit Braun-Anastomose oder Anastomosierung nach Roux (vermeidet Gallereflux). Nachteil: erhöhte Magenstumpfkarzinominzidenz
Rekonstruktion n. Roux zur Vermeidung des Gailenreflux
Magenresektion mit Vagotomie (combined operation) beim prä- und intrapylorischen Ulkus (höhere Säurewerte).
Unter dem Aspekt, einem vermehrten Gailenreflux, der möglicherweise pathogenetische Bedeutung besitzt, vorzubeugen, wurde die Rekonstruktion nach Roux, bei der die zuführende Schlinge mindestens 45 cm distal der Gastroenterostomie in die abführende Schlinge angeschlossen wird, wieder eingeführt. Hierdurch wird ein Gailenreflux sicher vermieden, die klinischen Ergebnisse zeigten jedoch ein überdurchschnittlich hohes Ulkusrezidivrisiko, vermutlich weil die Säureproduktion des Restmagens durch den fehlenden Gailenreflux nicht neutralisiert wird.
• 2/3-Resektion mit Vagotomie (combined Operation, s. Abb. 35.2-3 d): Bei prä- und intrapylorischem Ulkus ist nach alleiniger 2/3 Resektion wegen der meist höheren Säurewerte die Rezidivulkusrate erhöht. Die Kombinati-
Abb.35.2-7: 2/3-Magenresektion bei gastroduodenalen Ulzera mit verschiedenen Anastomosenformen: a. Resektionsausdehnung: Antrektomie zur Ausschaltung der Gastrinproduktion und partielle Korpusresektion zur Reduzierung der Belegzellmasse, b. Anastomose n. Billroth I mit Gastroduodenostomie, Anastomosen nach Billroth II: c. Antekolische GE und Braun-Enteroanastomose, d. Ausgeschaltete Jejunumschlinge n. Roux und terminoterminale Gastrojejunostomie, e. Ausgeschaltet Jejunumschlinge n. Roux mit terminolateraler Gastrojejunostomie
Magen u n d D u o d e n u m on erzielt eine weitgehende Ausschaltung der Säureproduktion und damit ein geringes Rezidivrisiko; hinsichtlich der Nebenwirkungen addieren sich die der beiden Verfahren. Ähnlich effektiv wie Vagotomie und Magenresektion ist die mit Vagotomie kombinierte Pyloroplastik (mit Ulkusexzision) bei präpylorischem Ulkus. 2.3.4.3 U l k u s k o m p l i k a t i o n e n
525 Hiermit weitgehende Ausschaltung der Säureproduktion —> geringere Rezidivrate
Ulkuskomplikationen • Häufigkeit - 2 0 %
Etwa 20 % der Ulzera führen zu Komplikationen, am häufigsten zur Blutung, seltener zur Perforation, Penetration oder Stenose. Die maligne Entartung wird für das Magenulkus diskutiert, dürfte jedoch selten sein (< 1 %). 2.2.5.5 B l u t u n g
1. B l u t u n g
Definition, Epidemiologie (s. Kap. 35.9, S.647). Die obere gastrointestinale Blutung ist definiert als Blutung, die von einer Läsion oberhalb des Treitz-Bandes ausgeht. 90 % aller gastrointestinalen Blutungen finden sich in diesem Bereich, nur 10 % liegen distal davon. Hauptursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sind peptische Ulzera (in 5 0 % ) . Ulkusblutungen treten gehäuft bei älteren Patienten auf und sind mit einer höheren Letalität belastet. G r ü n d e hierfür könnten die Z u n a h m e des Blutungsrisikos mit steigender Anamnesedauer, aber auch die E i n n a h m e von N S A R sein, die nicht nur ulzerogen wirken, sondern auch die Blutungsneigung erhöhen. Von den wegen eines gastroduodenalen Ulkus stationär a u f g e n o m m e n e n über 60 Jahre alten Patienten waren bis zu 64 % mit N S A R behandelt worden. Unter den Patienten mit Blutungen aus einem peptischen Ulkus sind Magen- und Duodenalulzera sowie beide Geschlechter gleich häufig vertreten, allerdings sind die Frauen älter.
• Epidemiologie: 9 0 % der gastrointestinalen Blutungen gehen von Quellen oberhalb des Treitz-Bandes aus —> obere Gl-Blutung. Blutungsursache in 50% peptische Ulzera • Überwiegend bei über 60jährigen, meist kapilläre Blutungen, die in 7 0 80% spontan sistieren
Die Blutung entsteht durch Erosion eines Gefäßes, wobei die Intensität von der Art des Gefäßes abhängig ist. Meist handelt es sich um Kapillaren, so daß 70-80 % der Blutungen spontan sistieren. Intensive Blutungen verursachen Ulzera an der Hinterwand des Bulbus duodeni (A. gastroduodenalis) und Ulzera an der kleinen Magenkurvatur (A. gastrica sinistra).
Symptome werden von der Blutungsintensität bestimmt. In der Regel ist die Ulkusblutung akut:
Symptomatik, abhängig von der Blutungsintensität:
Erbrechen von hellrotem oder kaffeesatzartigem Blut (Hämatemesis, HCl verwandelt Hb in Hämatin), schwarzgefärbter Stuhl (Melaena, Teerstuhl) oder hellroter Blutstuhl (Hämatochezie), tritt nur auf, wenn die Blutung intensiv ist. Kreislaufreaktionen (Tachykardie bis Volumenmangelschock); ihre Beurteilung erlaubt die Einschätzung der Blutungsintensität. Erstmaßnahmen sind abhängig von der Schwere der Blutung: Aufnahme auf die Intensivstation und Behandlung des hämorrhagischen Schocks: zentralvenöser Zugang, Blasenkatheter, Volumenersatz, Sauerstoffzufuhr, evtl. Intubation, Überprüfung der Laborwerte einschließlich der Blutgerinnung, Erythrozytentransfusion, dicke Magensonde zum Freispülen als Vorbereitung zur Gastroskopie. Die Ösophagogastroskopie steht im Mittelpunkt der weiteren Maßnahmen. Ihre Bedeutung ergibt sich nicht nur aus der Möglichkeit, die Blutungsquelle zu identifizieren und das Risiko einer erneuten Blutung abzuschätzen, sondern wegen einer sofortigen Blutstillung. Nach dem endoskopischen Aspekt werden die Blutungen nach Forrest klassifiziert: Forrest Ia Forrest Forrest Forrest Forrest
Ib IIa IIb III
Blutung aus einem arteriell spritzenden G e f ä ß (sehr gefährlich, m u ß sofort behandelt werden). Sickerblutung sichtbarer Gefäßstumpf am Ulkusrand Blutkoagel, hämatinbelegtes Ulkus („Pfeffer und Salz") (in 10%) Läsion ohne sichtbare Blutungszeichen, jedoch ist mit einer Rezidivblutung zu rechnen.
Erstmaßnahmen • Überwachung auf Intensivstation • zentralvenöser Katheter • Schockbehandlung (Blutersatzmittel, E ryt h rozyte n ko n se rve n) • Magensonde und Spülung des Magens • Laboruntersuchungen • Ösophagogastroskopie -»Diagnostik und Therapie • endoskopische Klassifizierung der Blutung entsprechend der ForrestStadien 1—III
526 Endoskopische Therapie • Laserphotokoagulation • Kontaktsonden • Injektionstherapie (Sklerosierung mit Fibrinkleber)
Klärung einer Helicobacter-pylori-lnfektion und entsprechende Therapie verhindert Rezidivblutungen
Operative Therapie Prognose ist abhängig von der Blutungsintensität und der Kompensationsfähigkeit des Organismus Risiko steigt mit Zahl der transfundierten Bluteinheiten
• -
sofortige Operation bei: endoskopisch nicht stillbarer Blutung nicht beherrschbarem Schock nicht durchführbarer oder ineffektiver endoskopischer Therapie • dringliche Operation: - Transfusionsbedarf > 6 Konserven innerhalb 24 Stunden • Operationsziele (1) dauerhafte Blutstillung (2) Sanierung des Ulkusleidens Operationsverfahren • blutendes Duodenalulkus 3-PunktLigatur (A. gastroduodenalis proximal und distal der Blutung und senkrechter Arterienast zum Pankreas) + Vagotomie + Pyloroplastik • blutendes Ulcus ventriculi - > 2/3 M a genresektion mit Entfernung des blutenden Geschwürs
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Endoskopische Therapie: Laserphotokoagulation, Kontaktsonden, die durch Hitze- oder Stromapplikation wirken, und die Injektionsmöglichkeit (Fibrinkleber, Äthoxysklerol u.a.). Mit allen Methoden können akute Blutungen in über 90 % gestillt und Operationen, insbesondere notfallmäßige, vermieden werden. Wesentlich ist, die Grenze der Endoskopie im Einzelfall zu erkennen und im Bedarfsfall rechtzeitig die Indikation zur Operation zu stellen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Endoskopiker und Chirurg ist dabei von besonderer Bedeutung. Besteht aufgrund der Blutungsintensität keine Operationsindikation, wird der Patient engmaschig überwacht und nach 2 Tagen erneut endoskopiert. Bei Verdacht auf Rezidivblutung erfolgt die sofortige Endoskopie und ggf. nochmalige endoskopische Blutstillung. Wichtig ist die frühestmögliche Klärung einer Helicobacter-pylori-Infektion, um die Dualtherapie (s.o.) einzuleiten. Das Risiko einer Rezidivblutung kann deutlich gesenkt werden. Die alleinige Behandlung mit Säurehemmern vermindert vermutlich die Chancen einer späteren Eradikationsbehandlung und hat keinen Einfluß auf das Blutungsrezidiv. Indikationen zur Operation ergeben sich aus der Kenntnis der Prognose der Ulkusblutung. Diese wird in erster Linie bestimmt von der Blutungsintensität und der Fähigkeit des Organismus, den Blutverlust und dessen Folgen zu kompensieren. Die Mortalität steigt mit der Zahl der transfundierten Blutkonserven, ist höher bei Patienten mit Schock, niedrigem H b (< 10 g/dl) und bei über 60jährigen bzw. Patienten mit Begleiterkrankungen. Ulzera, die größer als 1 cm im Durchmesser sind und in der Nähe größerer Arterien liegen (Bulbus-Hinterwand, subkardial), sind mit höherer Mortalität belastet. Die sofortige Operation ist indiziert bei endoskopisch nicht stillbarer arterieller Blutung, nicht beherrschbarem Volumenmangelschock und nicht durchführbarer oder nicht effektiver endoskopischer Therapie. Eine dringliche Operationsindikation ist gegeben, wenn im Verlauf der Blutungsperiode mehr als 6 Blutkonserven innerhalb 24 Stunden notwendig werden. Das Risiko steigt ab dieser Grenze deutlich. Operationsziele sind die dauerhafte Blutstillung und die Sanierung des Ulkusleidens, wodurch Rezidivblutungen am sichersten vermeidbar sind. Verfahren. Beim Duodenalulkus wird die Blutstillung nach Eröffnung des Pylorus bzw. des Duodenums durch eine 3-Punkt-Ligatur erreicht, die die A. gastroduodenalis proximal und distal der Blutung sowie einem zum Pankreas abgehenden Ast erfaßt (Abb. 35.2-8), anschließend trunkuläre oder selektiv-proximale Vagotomie. Das Duodenum wird im Sinne einer Pyloroplastik nach Heinecke-Mikulicz verschlossen. Ob die extraduodenale Ligatur der A. gastroduodenalis die Rezidivblutungsrate reduziert, ist fraglich. Bei gastralem Ulkus empfiehlt sich die distale 2/3-Resektion, bei der das blutende Geschwür entfernt und eine histologische Untersuchung möglich ist. Das Risiko der Operation hängt weniger von der Art des operativen Vorgehens als von der Intensität der Blutung und den Begleiterkrankungen ab; sie schwankt um 10 %. extragastrale Umstechung d.A. gastroduodenalis sup.
Abb. 35.2-8: Extragastrale Umstechung derA. supraduodenalis superior und zusätzliche intraluminale Umstechung mit U-Naht (Drei-Punkte-Ligatur) beim blutenden Ulcus duodeni an der Bulbushinterwand
M a g e n und D u o d e n u m
527
U n t e r dem Aspekt neuerer pathogenetischer Vorstellungen könnte sich das operative Vorgehen zumindest beim blutenden Duodenalulkus auf die alleinige Blutstillung, der eine Eradikationstherapie folgt, beschränken. Umfangreiche Ergebnisse zu dieser Strategie liegen allerdings noch nicht vor. Bei Magenulkus ist der Zusamm e n h a n g zur H. pylory-Infektion weniger eindeutig, so daß die Bedeutung einer Ulkusexzision und Eradikationstherapie als Alternative zur 2/3-Resektion zumindest derzeit offen bleiben muß. Frühelektive Operation. U n t e r dem Aspekt, eine Rezidivblutung zu vermeiden, wurden verschiedene P a r a m e t e r (Ulkusgröße, Ulkuslokalisation, endoskopischer Aspekt s. o., Allgemeinzustand und Begleiterkrankungen) bei der Indikation zu einer frühelektiven Operation (6-12 Stunden nach Blutstillung) zugrunde gelegt. Neue r e Beobachtungen zeigten jedoch, daß diese Kriterien wenig sensitiv sind und das Risiko der unter stationären Bedingungen auftretenden und rasch zu behandelnden Rezidivblutung geringer als das Risiko einer frühelektiven Operation ist. Aufgrund dessen wird sich bei einem Blutverlust von weniger als 6 Konserven der erfolgreichen endoskopischen Blutstillung in der Regel die medikamentöse Ulkustherapie (Dualtherapie s. S. 520) unter stationären Bedingungen anschließen. Die Indikation zur Operation ergibt sich dann ausschließlich bei einer endoskopisch nicht stillbaren Rezidivblutung, wobei wiederum die Grenze eng (6 Konserven/24 Stunden) gezogen werden muß. Liegt ein chronisches Ulkusleiden vor, sollte elektiv noch während des stationären Aufenthaltes operiert werden.
frühelektive Operation: zur Vermeidung einer Rezidivblutung (6-12 Stunden nach Blutstillung) je nach endoskopischem Aspekt, U l k u s g r ö ß e und Lokalisation
2.3.4.4 Perforation
2. Perforation
Defintion. Die Perforation ist Folge einer Destruktion aller Wandschichten, die an der freien Duodenal- bzw. Magenwand zur Lumeneröffnung und zum Austritt von Magen- und Dünndarminhalt führt. Die Folge ist eine zunächst lokale, später diffuse Peritonitis (freie Perforation). Das Duodenum ist häufiger als der Magen betroffen. Die Perforation kann von der Magenhinterwand in die Bursa omentalis und von der Duodenalwand ins Retroperitoneum erfolgen. Die Perforationsstelle an der freien Duodenal- bzw. Magenwand kann von der Leber abgedeckt sein, so daß die Symptomatik weniger ausgeprägt ist (gedeckte Perforation).
• freie Perforation diffuse Peritonitis • gedeckte Perforation -> abgegrenzter Entzündungsherd
Symptome. Typisch ist der schlagartig, ohne Prodromi einsetzende starke Oberbauchschmerz, der oft nach Einnahme einer Mahlzeit auftritt und sich rasch über den Bauchraum ausbreitet und auch in die Schultern (Zwerchfellreizung) ausstrahlen kann. Bei retroperitonealer Perforation entleert sich das Sekret nicht selten entlang des Colon ascendens in den rechten Unterbauch, wo die stärksten Schmerzen angegeben werden. Durch Verdünnung und Neutralisation des Intestinalinhaltes können sich die Beschwerden für kurze Zeit bessern (maskierte Peritonitis), ehe sich das Vollbild der Peritonitis mit lokalen und allgemeinen Symptomen entwikkelt:
Symptome • schlagartig einsetzender Oberbauchschmerz, der häufig in die linke Schulter ausstrahlt - nach vorübergehender Besserung der Beschwerden (maskierte Peritonitis) entwickelt sich eine diffuse Peritonitis
Patient vermeidet jede Bewegung, Abwehrspannung der Bauchmuskulatur und Kahnbauch, Klopf- und Loslaßschmerz, Peristaltik vermindert bis aufgehoben. Bei massivem Luftaustritt perkutorisch keine Leberdämpfung feststellbar. Die Diagnose ergibt sich aufgrund der Anamnese, dem klinischen Befund und wird durch den Nachweis freier Luft subphrenisch bei der RöntgenThoraxaufnahme oder unter der Bauchwand in Linksseitenlage bestätigt (Abb. 35.2-9). Allerdings ist der Luftaustritt nur in etwa 70 % nachweisbar, so daß die Indikation zur Laparotomie oder Laparoskopie auch bei negativem Luftnachweis gegeben ist, wenn eine Perforation bzw. Peritonitis vorliegen könnte. Fehlen Peritonitiszeichen - Gastroskopie. Findet sich ein Ulkus, empfiehlt es sich, nach der Gastroskopie die Abdomenübersichtsaufnahme zu wiederholen, nicht selten ist dann freie Luft in der Bauchhöhle nachweisbar.
Diagnostik • typische Anamnese • klinischer Befund • Nachweis freier Luft, meist unter dem Zwerchfell, röntgenologisch als Luftsichel erkennbar • Gastroskopie, nur w e n n die Diagnose unklar ist, anschließend n o c h m a l s Röntgen, jetzt meist freie Luft nachweisbar
Therapie. Die freie Perforation stellt immer eine dringliche Operationsindikation dar. Mit zunehmendem Intervall zwischen Perforation und operati-
Therapie • dringende Operationsindikation!
528
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb. 35.2-9: Seitliche Röntgenübersicht im Stehen bei perforiertem Ulkus. Breite Luftsichel unter dem Zwerchfell beidseits (Pfeile)
Abb.35.2-10: Hochgradige Pylorusstenose mit extremer Dilatation des vorgeschalteten Magens -> „Ochsenma___ // gen
- mit zunehmendem Intervall zwischen Perforation und Operation steigt die Letalität an, besonders bei alten Patienten
ver Versorgung steigt die Letalität erheblich (5-6 % bei Operation innerhalb von 6 Stunden, 40 % bei Operation ab 24 Stunden). Die konservative, abwartende Behandlung, die bisher bei wenigen Patienten erfolgte, bedeutet ein unkalkulierbares Risiko und geht mit einer höheren Rate schwerer Komplikationen einher.
Operationsverfahren • Duodenum -> Verschluß der Perforationsöffnung durch Übernähung • Magen -> Ulkusexzision (histologische Untersuchung!), dann Defektverschluß
Operatives Vorgehen: Verschluß der Peforationsöffnung, was am Duodenum durch Übernähung und am Magen nach Ulkusexzision (zur histologischen Untersuchung) geschieht. Dies kann nach Laparotomie oder auch laparoskopisch erfolgen. Die simultane Sanierung des Ulkusleidens ist abhängig von der Anamnese, dem Intervall zwischen Perforation und Operation bzw. dem Ausmaß der Peritonitis und dem Zustand des Patienten.
Kein ulkussanierender Eingriff, wenn die Perforation die Erstmanifestation des Ulkusleidens ist! Nach alleiniger Übernähung bleibt die Mehrzahl der Patienten rezidivfrei Ulkussanierung nur angezeigt bei chronischem Ulkusleiden, wenn keine eitrige Peritonitis oder Sepsis vorliegen Nach Übernähung Eradikationstherapie bei Helicobacter pylori Infektion
Ein ulkus sanierender Eingriff ist nicht indiziert, wenn die Perforation die Erstmanifestation des Ulkusleidens darstellt. Diese Patienten bleiben nach alleiniger Übernähung in hohem Prozentsatz rezidivfrei. Keine Indikation für einen ulkussanierenden Eingriff besteht auch bei ausgeprägter Peritonitis mit entsprechender Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes. Die Ulkussanierung ist allenfalls indiziert bei Patienten mit bekanntem Ulkusleiden, großem Ulkus und fehlenden Risikofaktoren (Peritonitis, Sepsis, Allgemeinzustand). Die Wahl des operativen Vorgehens entspricht dem bei elcktiver Operation. Die Möglichkeit durch Eradikationstherapie das Ulkusleiden zu heilen, spricht zumindest bei perforiertem Duodenalulkus für die alleinige Versorgung der Perforation, an die sich die Eradikationstherapie anschließt.
3. Ulkuspenetration
2.3.4.5 Penetration, Stenose
= Übergreifen eines chronischen Ulkus auf benachbarte Organe (Pankreas, Leber, Kolon) —> Dauerschmerz - Penetration ins Pankreas führt evtl. zu einem Anstieg von Amylase, Lipase - gastrokolische Fistel bei Penetration ins Kolon -> massive Durchfälle und Gewichtsabnahme
Ulkuspenetration bedeutet allmähliches Übergreifen des Geschwürs auf benachbarte Organe wie Pankreas, Leber oder Kolon, ohne daß Darminhalt in die freie Bauchhöhle übertritt. Klinisch kann die Änderung des Schmerzcharakters auf die Penetration hinweisen. Anstelle des intervallartigen Nüchternschmerzes bei unkompliziertem Duodenalulkus besteht ein Dauerschmerz mit Ausstrahlung in den Rücken bei Beteiligung der Bauchspeicheldrüse, was auch zu einem Anstieg der Lipase und Amylase im Serum führen kann. Massive Durchfälle mit Gewichtsabnahme weisen auf eine gastrokolische Fistel hin. Die Diagnose erfolgt endoskopisch, ggf. radiologisch. Auch die Sonographie kann diagnostische Hinweise geben. Zum Nachweis einer gastrokolischen Fistel Röntgendarstellung des Magen-Darm-Trakts. Die Therapie besteht in der Operation, die entsprechend dem Vorgehen bei unkompliziertem Ulkus erfolgt. Zusätzlich wird bei gastrokolischer Fistel die Mündungsstelle am Darm übernäht. Patienten mit penetrierendem Ulkus haben in der
Diagnostik: Endoskopie oder RöntgenKontrastuntersuchung
529
Magen und Duodenum Regel eine lange Anamnese mit mehreren Therapieversuchen, so daß sich die operative Therapie an bewährte Strategien halten wird. Stenose. Eine Magenausgangsstenose ist in 60-90 % Folge eines chronischrezidivierenden Ulkusleidens, wobei ein Ulcus duodeni wesentlich häufiger als ein Ulcus ventriculi zur Stenosierung führt. Die Stenose findet sich meist im Bulbus duodeni, seltener im Pyloruskanal oder präpylorisch (Abb. 35.210). Chronisch-rezidivierende gastrale Ulzera können bei ungewöhnlich langer konservativer Behandlung zum Sanduhrmagen führen. Andere Ursachen einer Magenausgangsstenose sind differentialdiagnostisch abzuklären (distales Magenkarzinom, Duodenal- oder Pankreaskarzinom, Enteritis regionalis Crohn, Lymphom des Duodenums, chronische Pankreatitis). Die Symptome können zu Beginn kompensiert werden und erst bei hochgradiger Entleerungsbehinderung auftreten. Typisch sind Völlgegefühl nach der Nahrungsaufnahme, übelriechendes Aufstoßen, Übelkeit und Erbrechen großer Mengen saurer, jedoch nicht galliger Flüssigkeit und von Stunden vorher eingenommener Nahrung, bei ausgeprägter Stenosierung Gewichtsabnahme. Diagnose: Anamnese, klinische Untersuchung, Sonographie des Abdomens (extraluminäre Ursachen, Metastasen), Röntgendarstellung des Magens und Endoskopie. Die klinische Untersuchung kann beim abgemagerten Patienten den erweiterten Magen perkutorisch und die Magenperistaltik palpatorisch nachweisen. Die Magenausgangsstenose sollte zunächst radiologisch (wasserlösliches Kontrastmittel) abgeklärt werden. Die Endoskopie birgt das Risiko einer Aspiration und erlaubt ohne vorbereitende Magenentleerung keine Differentialdiagnose. Radiologisch findet sich ein erheblich erweiterter Magen, in dem sich Speisereste mit Kontrastmittel mischen und aus dem nur verzögert rinnsalartig Kontrastmittel ins Duodenum übertritt (Abb. 35.2-10).
4. Stenose = Magenausgangsstenose in 60-90 % Ursache eines chronisch-rezidivierenden Ulkusleidens - meist ist die Stenose im Bulbus duodeni lokalisiert („Schmetterlingsbulbus"), seltener in Magenmitte (Sanduhrmagen) Differentialdiagnose • Magen-, Duodenal- oder Pankreastumor • Morbus Crohn • chronische Pankreatitis Symptome • Völlegefühl nach dem Essen und übelriechendes Aufstoßen • Erbrechen saurer, nicht galliger Flüssigkeit in großen Mengen • Gewichtsabnahme • Exsikkose • Niereninsuffizienz Diagnostik • Sonographie des Oberbauches (extragastrale Ursachen, Metastasen?) • Endoskopie • Röntgen-Kontrastdarstellung —> erhebliche Magendilatation („Ochsenmagen")
Operationsvorbereitung: parenterale Ernährung (Elektrolyt- und Flüssigkeitsausgleich, Kalorienzufuhr), Dekompression und Spülung des Magens über eine Sonde. Nach 2-3 Tagen schließt sich die Gastroskopie an, um die Ursache der Stenose (Magenkarzinom?) zu klären. Nicht immer ist die Stenose passierbar, so daß die definitive Diagnose u. U. erst intraoperativ gestellt werden kann.
Operationsvorbereitung: sehr wichtig wegen Störungen des Wasser-ElektrolytHaushalts, Eiweißmangel und Niereninsuffizienz. Wegen Magensäureverluste -» hypochlorämische Alkalose: Infusionstherapie, parenterale Energiezufuhr, Magenspülung Operative Therapie: zwingend • Ziele: Beseitigung der Stenose und Sanierung des Ulkusleidens durch - SPV + Duodenumplastik (HeineckeMikulicz oder Jabolay) - bei gastraler Stenose Magenresektion nach Billroth I. • Übernähung der Perforationsstelle auch laparoskopisch möglich (s. dort)
Therapie. Die ulkusbedingte Magenausgangsstenose stellt eine klare Operationsindikation dar. Bei der zugrundeliegenden Narbenbildung ist weder von einer medikamentösen Therapie noch einer endoskopischen Dilatation eine dauerhafte Wirkung zu erwarten. Die Therapie hat die Beseitigung der Stenose und die Sanierung des Ulkusleidens zum Ziel und richtet sich nach der Lokalisation bzw. dem zugrundeliegenden Ulkus. Besteht eine postpylorische Stenose, erfolgt die selektive proximale Vagotomie (SPV) mit Duodenumplastik, d.h., die Stenose wird unter Schonung des Pylorus längs eröffnet und quer vernäht. Ist der Pylorus einbezogen, wird die SPV mit einer Pyloroplastik meist in der von Heinecke-Mikulicz angegebenen oder einer anderen Form kombiniert. Inwieweit die alleinige Beseitigung der Stenose in Kombination mit einer Eradikationstherapie sinnvoll ist, kann nur anamnestisch geklärt werden. Entwickelte sich die Stenose trotz Eradikation, sollte auf die gleichzeitige Vagotomie nicht verzichtet werden, um einem Rezidiv vorzubeugen. Im Falle einer gastralen Stenose erfolgt die distale 2/3-Resektion des Magens nach Billroth I. 2.3.5 Magenkarzinom
Magenkarzinom
2.3.5.1 Epidemiologie, Ätiopathogenese
Epidemiologie
Epidemiologie. Das Magenkarzinom steht in Deutschland unter den Krebstodesfällen an dritter, unter den gastrointestinalen Tumoren an zweiter Stelle, wobei in den letzten Jahren ein Rückgang beobachtet wird. Das männliche Geschlecht ist häufiger betroffen (1,5:1). Unter dem 50. Lebensjahr ist die Erkrankung selten, der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 65. und 75. Lebensjahr.
Dritthäufigste Krebstodesursache in Deutschland. Erkrankungsgipfel zwischen 65-75 Jahren, Männer häufiger betroffen Rückläufige Inzidenz im letzten Jahrzehnt, schwankt in den einzelnen Ländern erheblich
530
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Tab.35.2-2: Mögliche Pathogenese des Magenkarzinoms (n. B.Wiebecke, 1995) H. pylori, Autoimmunprozeß O Atrophische Gastritis O Subazidität O Pathologische Keimbesiedlung (anaerobe Bakterien) O H. p.—i, Vit C—i Nitrit (Nahrung)
o
Nitrosamin O kolische Metaplasie (?) / Karotinoide •!>
V Dysplasie O Karzinom (—i = Hemmender Einfluß) In Japan viel häufiger, deutet auf exogene Faktoren hin
Die Erkrankungshäufigkeit schwankt in den einzelnen Ländern erheblich, was auf die Bedeutung exogener Faktoren hinweist. In Japan ist das Magenkarzinom die häufigste Krebstodesursache. Bei Japanern, die in die USA auswandern, nimmt die Inzidenz um 25 % und in der 2. Generation um 50 % ab im Vergleich zu ihren japanischen Angehörigen.
Pathogenese
Pathogenese. Der intestinale Typ (Lauren), auch als epidemiologischer oder exogener Typ bezeichnet, kommt bei Männern häufiger vor und ist in seiner Inzidenz rückläufig. Pathogenetisch steht die Bildung von kanzerogenen Nitrosaminen im Magen durch anaerobe Bakterien im Mittelpunkt (Tab. 35.2-2). Diese vermehren sich bei erhöhten pH-Werten (> 4). Die Nitrite stammen aus Nahrungsbestandteilen, z. B. Pökelsalzen oder Bier, aber auch aus dem Trinkwasser und pflanzlichen Nahrungsmitteln. Die Nitrosierung kann gehemmt werden durch Vitamin C (frisches Obst und Gemüse), aber auch durch Karotinoide (grünes und gelbes Gemüse). Die Helicobacter-pylori-Infektion wird mit der Karzinomentstehung durch die Korpusgastritis und die die bakterielle Besiedlung fördernde Hypazidität und Vit.-C-Inaktivierung in Zusammenhang gebracht. H. pylori ist in 80 % bei diesem Tumortyp nachweisbar. Dies veranlaßte die W H O 1994 zu der nicht unumstrittenen Feststellung, wonach die Infektion von H. pylori krebserzeugend sei. Es wird angenommen, daß der Keim den chronischen Krankheitsprozeß, der formal über eine Schleimhautatrophie zur sog. kolischen Metaplasie, zur Dysplasie und zum Karzinom führt, auslöst und beschleunigt. Der Rückgang des intestinalen Tumortyps, trotz vermutlich gleichbleibender H. pylori-lnfektion, weist auf die Bedeutung exogener Faktoren hin: Der Wegfall von Pökelsalz als Konservierungsstoff bzw. der Zusatz von Vit. C beim Pökeln, Änderungen der Malzgewinnung und die vermehrte Aufnahme von frischem Obst und Gemüse sind als wesentliche Ursachen für den Rückgang des Magenkarzinoms anzusehen. Ob eine Eradikation der H. pylori-lnfektion zur Verhütung des Magenkarzinoms geeignet ist, ist derzeit offen.
(2) diffuser Typ: - weltweit gleich häufig, Inzidenz unverändert - bei Frauen in jüngeren Jahren häufiger - ebenso bei Blutgruppe A - H. pylori-lnfektion seltener (36%) - häufiger in der oberen Magenhälfte lokalisiert
Im Gegensatz zum intestinalen Typ ist die Häufigkeit des diffusen Karzinomtyps weltweit gleich und hat sich nicht verändert. Diese Tumorform wird mit genetischen Faktoren in Zusammenhang gebracht (familiäre Häufung, vermehrtes Auftreten bei Blutgruppe A), findet sich häufiger bei Frauen, jüngeren Altersgruppen und nicht bei Krebsrisikoerkrankungen. Eine H. pylori-lnfektion ist seltener (36%). Wegen der Neigung zu ausgedehntem infiltrativem Wachstum und lymphogener Metastasierung ist die Prognose ungünstiger. Die Operation des diffusen Typs erfordert eine Ausdehnung der Radikalität.
(1) intestinaler (= epidemiologischer oder exogener) Typ - Nitrosaminbildung im Magen durch anaerobe Keime bei An- oder Subazidität. Nitrite aus Pökelsalzen, Trinkwasser, Bier, pflanzlichen Nahrungsmitteln. Hemmung durch Vit. C und Karotinoide - Helicobacter pylori initiiert oder beschleunigt den Prozeß - Änderung der Nahrungsgewohnheiten: viel Vit. C, frisches Obst und Gemüse Inzidenz 1
In den letzten Jahren wird eine Zunahme hochsitzender Karzinome beobachtet, die vermehrt bei Nikotin- und Alkoholabusus auftreten sollen. Krebsrisikoerkrankungen: • präkanzeröse Konditionen atrophische Gastritis, M. Ménétrier —> ggf. Karzinom vom intestinalen Typ
Krebsrisikoerkrankungen. Eine chronisch-atrophische Gastritis findet sich häufig bei Patienten mit Magenkarzinom. Andererseits entwickeln die meisten Patienten mit atrophischer Gastritis (bei 40% der über 60jährigen nachweisbar) kein Karzinom, so daß diese Veränderung nicht als Präkanze-
Magen und Duodenum rose, sondern als präkanzeröse Kondition angesehen wird. Unter geeigneten Bedingungen kann sich hieraus ein Karzinom vom intestinalen Typ entwikkeln. Auch das früher bei perniziöser Anämie infolge chronisch-atrophischer Gastritis angenommene erhöhte Krebsrisiko hat sich in neueren Vergleichsuntersuchungen nicht nachweisen lassen. Offen ist auch, ob beim M. Ménétrier das Magenkarzinom häufiger auftritt. Krebsrisikoerkrankungen sind Polypen der Magenschleimhaut, die schwere Dysplasie und der resezierte Magen. Polypen im nicht operierten Magen sind selten und in 75-95 % hyperplasiogen. In diesen findet sich extrem selten ein Magenkarzinom, im Gegensatz zu den adenomatösen Polypen, bei denen in etwa 10-15 % ein Karzinom nachweisbar ist. Adenomatöse Polypen sollten daher abgetragen werden; bei hyperplasiogenen Polypen ist nach histologischer Sicherung (Abtragung oder Biopsie) die langfristige endoskopische Kontrolle ausreichend. Bei beiden Polypenformen (Hinweiszeichen) kann gleichzeitig ein Karzinom vorhanden sein oder sich später entwickeln, so daß sich eine endoskopische Vorsorge empfiehlt: Gastroskopie in 1- bis 2jährigem Abstand.
531 präkanzeröse Läsionen -» Magenschleimhautpolypen (adenomatöse), schwere Dysplasien (Dysplasie-Karzinom-Sequenz) und der resezierte Magen sind als Krebsrisikoerkrankungen anzusehen. Bei 50% der Patienten mit schwerer Dysplasie liegt bereits ein Karzinom vor! Adenomatöse Polypen müssen in toto abgetragen werden (Diathermieschlinge) hyperplasiogene Polypen (75-95%): keine Krebsvorstufen
Dysplasie-Karzinom-Sequenz. Die Dysplasie ist gekennzeichnet durch Zellatypien und Störungen der Zelldifferenzierung. Sie wird in eine leichte, mittelschwere und schwere Form unterteilt. Meist sind die Veränderungen endoskopisch nicht erkennbar. Sie entstehen nicht in normaler Schleimhaut, sondern auf dem Boden einer atrophischen Gastritis. Während sich die leichte und mittelschwere Dysplasie zurückbilden können und nur selten in die schwere Form übergehen, ist bei der schweren Dysplasie der Übergang in ein Karzinom (25-80 % innerhalb 3 Monaten bis 2 Jahren) wahrscheinlich (Dysplasie-Karzinom-Sequenz). Bei etwa der Hälfte der Patienten ist beim Nachweis der Dysplasie bereits ein Karzinom zu erwarten. Umgekehrt findet sich eine mittelschwere bis schwere Dysplasie in 40100% beim Magenfrühkarzinom, in 5 - 8 0 % bei fortgeschrittenem Karzinom, in 2-3 % bei atrophischer Gastritis und in 1 % bei Magenulkus. Das Vorgehen bei schwerer Dysplasie ist von der Situation abhängig. Der Nachweis einer Dysplasie bei Ulkus oder Polyp (= borderline lésion) spricht für die Operation. Sonst ist die vollständige Entfernung durch Schiingenabtragung anzustreben mit anschließenden endoskopischen Kontrollen. Diese sind auch bei den übrigen Formen der Dysplasie erforderlich.
schwere Dysplasie bei Ulkus oder Polyp borderline lesion sollte operiert werden.
Die Magenresektion wegen eines benignen Ulkus entfernt immer das Antrum, den bevorzugten Sitz eines Karzinoms. Dementsprechend ist die Magenkarzinominzidenz während der ersten postoperativen Jahre geringer als bei nicht Operierten. Nach mehr als 25 Jahren steigt jedoch, zumindest in Ländern mit hoher Karzinominzidenzrate, die Häufigkeit der Tumoren im Magenrest an, vermutlich bedingt durch die nach Säurereduktion entstehende bakterielle Besiedelung und einen pathologischen Gallenreflux. Unter bakteriellem Einfluß entstehen kanzerogene Gallensäuren, die neben den Nitrosaminen zur Schleimhautschädigung führen.
• nach Magenresektion wegen benigner Erkrankung ist nach 15-25 Jahren die Karzinominzidenz im Restmagen erhöht - Magenstumpfkarzinom tritt in gleichen Altersgruppen wie Magenkarzinom auf
Praxishinweis: in 5 - 7 % ist nach Billroth-II-Resektion mit einem Karzinom zu rechnen.
Häufigkeit des Magenstumpfkarzinoms n. B Il-Resektion 5-7%
Magenstumpfkarzinome treten in der gleichen Altersgruppe wie das Karzinom bei nicht voroperierten Patienten auf, d.h., das Intervall zwischen Operation und Stumpfkarzinom ist bei jüngeren Patienten länger als bei älteren. Dies spricht dafür, daß das Magenstumpfkarzinom keine eigene Erkrankungseinheit darstellt sondern zusätzliche Faktoren für die Tumorentstehung von Bedeutung sind.
2.3.5.2 Pathologie: Ausbreitung, Formen, Stadien Pathologische Anatomie. Magenkarzinome finden sich am häufigsten in Antrum und Magenkorpus, seltener subkardial, wobei allerdings in den letzten Jahren eine Zunahme hochsitzender Magenkarzinome diskutiert
Tumorlokalisation
532
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Adenokarzinom im Endobrachyösophagus
Kardiakarzinom
Kardianahes Magenkarzinom
Abb.35.2-11: Tumortypen Übergang
des Adenokarzinoms
am gastroösophagealen
• TNM-Lokalisationsschlüssel: Karzinome im Magenfundus, im oberen, mittleren und unteren Drittel sowie im Pylorus oder in mehreren Regionen - häufigste Lokalisation: Antrum, Korpus, kardianahe Karzinome nehmen zu • Karzinome des gastroösophagealen Übergangs: - Ausgangspunkt von einer BarrettMukosa im distalen Ösophagus - Kardiakarzinom - hochsitzendes, kardianahes Karzinom Tumorausbreitung Entsteht in der Mukosa und breitet sich per continuitatem horizontal und in die Tiefe aus. Bei Überschreitung der Serosa -» Gefahr der Peritonealkarzinose und Absiedlungen in den Ovarien (Krukenberg-Tumoren) Magenfrühkarzinom • Inzidenz 15-20%. • Infiltriert nur Mukosa und Submukosa, • kann multipel auftreten und lymphogen metastasieren! Gute Prognose
wird. Nach dem TNM-Lokalisationsschlüssel werden Karzinome des Magenfundus, des oberen, mittleren und unteren Drittels, des Pylorus und ausgedehntere Tumoren unterschieden. Magenfrühkarzinome können multipel auftreten, bei fortgeschrittenen Karzinomen ist dies seltener. Karzinome des gastroösophagealen Übergangs werden im Hinblick auf die unterschiedliche Therapie in Adenokarzinome, die in einer Barrett-Mukosa im Ösophagus entstehen, in Adenokarzinome der Kardia, die wegen ihres biologischen Verhaltens den Magenkarzinomen zuzurechnen sind, und in hochsitzende Karzinome, die die Kardia infiltrieren, unterteilt (Abb.35.2-11).
Lymphogene Metastasierung • Einteilung in Lymphknoten-Kompartimente (s. Abb. 34.2-12, international klassifiziert): • Kompartiment I: perigastrische Lymphknoten an der kleinen und großen Kurvatur, supra- und infrapylorisch • Kompartiment II: Lymphknoten am Truncus coeliacus
Lymphogene Metastasierung. Die Kenntnis des Ausbreitungsmusters in den regionalen Lymphknoten ist für die adäquate chirurgische Therapie von besonderer Bedeutung. Tumoren des distalen Magens metastasieren zunächst in die distalen perigastrischen Lymphknoten (Kompartiment 1) entlang der kleinen und großen Kurvatur und in die supra- und infrapylorischen Lymphknoten unter Aussparung der Funduslymphknoten, später in die Lymphknoten um den Truncus coeliacus und seine Aste (Kompartiment II). Tumoren des mittleren und oberen Magendrittels verhalten sich analog:
Tumorausbreitung. Magenkarzinome entstehen in der Mukosa, breiten sich per continuitatem in die Tiefe und horizontal in der Magenwand aus. Mit zunehmender Infiltration brechen sie in Blut- und Lymphgefäße ein, über die die weitere Ausbreitung erfolgt. Beim Magenfrühkarzinom (15-20 % aller Magenkarzinome) sind Mukosa und Submukosa befallen, unabhängig von Tumorgröße und Lymphknotenmetastasen. Mit Befall der Tunica muscularis (das Frühkarzinom ist in das Magenkarzinom übergegangen) verschlechtert sich die Prognose. Hat der Tumor die Serosa erreicht, besteht die Gefahr der Peritonealkarzinose und der Absiedlung in die Ovarien (Krukenberg-Tumoren). Das Tumorwachstum kann auch auf benachbarte Organe wie Pankreas, Leber, Kolon, Milzhilus und Zwerchfell übergreifen.
Abb.35.2-12: Lymphknotenkompartimente der regionären und nicht regionären Magenlymphknoten, a. Kompartiment I: LK Nr. 1-6, Kompartiment II: LK Nr.7-11, b. Kompartiment III: LK-Gruppe Nr. 12
Magen und Duodenum
533
zunächst Befall der proximalen perigastrischen, dann der Lymphknoten im Bereich des Truncus coeliacus. Als nächstes werden entfernte Lymphknoten (Leberhilus, retropankreatisch) befallen (Kompartiment III). Die Ausbreitung erfolgt meist kontinuierlich, ein Überspringen einzelner Kompartimente ist selten. Die Lymphknotenstationen werden international einheitlich numeriert (Abb. 35.2-12).
Kompartiment III: Lymphknoten im Leberhilus und retropankreatisch
Die chirurgische Therapie unter kurativer Zielsetzung beinhaltet immer die lokalisationsabhängige Entfernung der ersten beiden Lymphknotenstationen (Kompartiment I (LK Nr. 1-6) und II (LK Nr. 7-11)). O b der generellen Entfernung der dritten Station (z. B. Nr. 12) prognostische Bedeutung zukommt, ist derzeit offen.
Die hämatogene Metastasierung erfolgt über die Pfortader zur Leber und von dort zur Lunge oder über den Ductus thoracicus ebenfalls zur Lunge, von der aus weitere Organe (Skelett, Gehirn und andere) befallen werden. Erscheinungsformen. Die makroskopischen Erscheinungsformen lassen sich endoskopisch gut beurteilen: • Beim Magenfrühkarzinom unterscheidet man 3 Typen: Typ I: vorgewölbte polypöse Form, Typ IIa: oberflächliche Form mit erhabenem Tumor, Typ IIb: im Schleimhautniveau, Typ llc: eingesenkt, Typ III: exkavierte ulzerierte Form. Beim Typ II findet sich das Tumorwachstum im Ulkusgrund, bei Typ III vorwiegend am Ulkusrand, was bei der Biopsieentnahme zu berücksichtigen ist (Abb. 35.2-13). • Der fortgeschrittene Tumor wurde von Borrmann in 4 Typen unterteilt, denen eine gewisse prognostische Bedeutung zukommt. Das polypöse, gut begrenzte Karzinom hat eine relativ gute Prognose im Gegensatz zum infiltrierenden, insbesondere szirrhösen Karzinom (Abb. 35.2-14). Histologie und Grading. Die histologische Klassifikation erfolgt nach dem Vorschlag der WHO (1977): Danach handelt es sich beim Magenkarzinom in über 90% um Adenokarzinome, selten finden sich andere Formen: • Adenokarzinom: papillär, tubulär, muzinös, Siegelringkarzinom • Adenosquamöses und Plattenepithelkarzinom • undifferenziertes und klassifiziertes Karzinom. Neben dieser WHO-Klassifikation, die keine prognostische Bedeutung besitzt, kommt wegen der therapeutischen Konsequenzen zusätzlich die Klassifikation nach Lauren zur Anwendung. Danach wird das Adenokarzinom unterteilt in den diffusen und intestinalen Typ, wobei allerdings Übergangsformen möglich sind. Die histologischen Unterschiede sind auch auf molekularer Ebene nachweisbar, wo ein unterschiedliches genetisches Profil feststellbar ist, dem Bedeutung für das biologische Tumorverhalten zukommen dürfte (Tab. 35.2-3).
Häufigkeit
-5%
2
-35%
-50%
-10%
Abb. 35.2-13: Endoskopische Einteilung der Magen frühkarzinome. Typ I: vorgewölbte Form, Typ II: oberflächliche Form (a erhaben, b eben, c eingesenkt), Typ III: exkavierte Form
Abb.35.2-14: Makroskopische Wachstumsformen des Magenkarzinoms n. Borrmann. I polypöser, II schüsseiförmiger, III ulzerierend infiltrierender, IV diffus infiltrierender Typ (Szirrhus)
Hämatogene Metastasierung • via Pfortader in die Leber Lunge, weitere Organe (Gehirn, Skelett u.a.) • Einbruch in den Ductus thoracicus Halslymphknoten (Virchow-Drüse) Lunge Makroskopische Erscheinungsformen des Magenkarzinoms nach Borrmann (Abb. 35.2-14) • Magenfrühkarzinom: 3 Formen - polypös, Typ I - oberflächlich, Typ II - exkaviert, ulzeriert, Typ III • fortgeschrittene Karzinome: Einteilung nach Borrmann s. Abb. 35.2-14
Histologie: Klassifikation nach WHO • 90% Adenokarzinome, • keine prognostische Bedeutung • nach Laurén: intestinaler und diffuser Typ, letzterer prognostisch ungünstiger
534
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Tab.35.2-3: Prognostische Unterschiede beim Magenkarzinom aufgrund der histologischen Klassifizierung n. Lauren Merkmale
intestinaler Typ
diffuser Typ
horizontale Tumorausdehnung, Infiltrationstiefe
begrenzt
ausgedehnt
Lymphknotenmetastasen
seltener und geringer
häufiger, ausgedehnter
Kurabilität
häufiger möglich
seltener
Stadienverteilung
günstiger
ungünstiger
Histologisches Grading (WHO): - GX = kann nicht bestimmt werden - G1 = gut differenziert - G2 = mäßig differenziert - G3 = schlecht differenziert - G4 = undifferenziert Stadieneinteilung • nach der TNM-Klassifikation - international vergleichbar, wichtig zur Beurteilung der Therapieverfahren und der erzielten Ergebnisse
Der histologische Differenzierungsgrad hat gewisse prognostische Bedeutung: GX = Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden, Gl = gut differenziert, G2 = mäßig differenziert, G3 = schlecht differenziert, G4 = undifferenziert.
Tumorstadien (n.TNM)
Tab. 35.2-4: Tumorstadien nach der TNM-Klassifikation
= J >
Klassifizierung und Stadieneinteilung, basiert auf dem TNM-System (UICC 1992, s.o., Tab.35.2-4) berücksichtigt klinische präoperative Befunde oder pathologisch-histologische Kriterien. Sie ist für die Klassifikation des Krankengutes, bei Durchführung adjuvanter Maßnahmen und zur Beurteilung der Prognose wichtig. Darüber hinaus wird die Prognose von der Zahl befallener Lymphknoten und anderen (molekulargenetische) Charakteristika bestimmt.
Stadiengruppierung Stadium 0 Stadium IA Stadium IB Stadium II
Tis T1 T1 T2 T1 T2 T3
NO MO N1 NO N2 N1 NO
MO MO MO MO MO MO MO
Stadium INA Stadium HIB Stadium IV
T2 N2 N1 T3 T4 NO N2 T3 T4 N1 T4 N2 jedes T, jedes
MO MO MO MO MO MO NM1
T = Primärtumor TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden, TO Kein Anhalt für Primärtumor, Tis Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne Infiltration der Lamina propria. 77 Tumor infiltriert in Lamina propria oder Submukosa, 72 Tumor infiltriert Muscularis propria oder Subserosa, T3 Tumor penetriert Serosa (viszerales Peritoneum), infiltriert aber nicht benachbarte Strukturen, T4 Tumor infiltriert benachbarte StruktuN = Regionäre Lymphknoten NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden, NO Keine regionären Lymphknotenmetastasen, N1 Metastasen in perigastrischen Lymphknoten innerhalb 3 cm vom Rand des Primärtumors, N2 Metastasen in perigastrischen Lymphknoten weiter als 3 cm vom Rand des Primärtumors oder in Lymphknoten entlang der Aa. gastrica sinistra, hepatica communis, lienalis oder coeliaca. M = Fernmetastasen: MO keine, Ml Fernmetastasen.
2.3.5.3 Symptome und Diagnose
Symptome - Druckgefühl, Speisenunverträglichkeit - Übelkeit, Gewichtsabnahme, Anämie, Teerstuhl - Dysphagie (kardianah), Erbrechen (pylorusnah)
Die Symptome sind abhängig vom Stadium und der Lokalisation. Insbesondere Magenfrühkarzinome können asymptomatisch sein. Häufig verursachen Magenkarzinome nur uncharakteristische Oberbauchbeschwerden, die an ein Ulkus denken lassen. Typische Hinweise sind: • Druckgefühl im Epigastrium nach dem Essen, Speisenunverträglichkeit und Abneigung gegen Fleisch, • Übelkeit und Inappetenz, Leistungsknick, Anämie mit oder ohne Teerstuhl, • Ikterus, Aszites, Schluckbeschwerden bei kardianahen Tumoren, Erbrechen bei Magenausgangsstenose. In seltenen Fällen sind eine Perforation oder eine akute Blutung Erstsymptome des Magenkarzinoms.
Magen und Duodenum
535
Die Diagnostik umfaßt: • klinische Untersuchung (palpabler Tumor? Virchow-Drüse? Lebervergrößerung? Aszites?), • den histologischen Tumornachweis durch Gastroskopie, • Doppelkontrastdarstellung des Magens im unklaren Fall, • Untersuchungen zur Tumorausbreitung (Sonographie des Abdomens, Endosonographie, evtl. CT, Röntgen-Thorax in 2 Ebenen, Laparoskopie), • Laboruntersuchungen, z.B. Tumormarker, Beurteilung der allgemeinen Operabilität. Im Rahmen des Tumorstaging soll auch geklärt werden, ob der Patient einer potentiell kurativen Operation oder einer chemotherapeutischen Vorbehandlung zugeführt wird oder ob nur noch ein palliatives Vorgehen indiziert ist. Praxishinweis: Entscheidend in der Diagnostik des Magenkarzinoms ist die Endoskopie, die beim geringsten Verdacht zur Anwendung kommen sollte. Immer sind Mehrfachbiopsien (6-10) zu entnehmen. Bei unklarem Ergebnis sollte die Gastroskopie wiederholt werden. Die hohe Treffsicherheit (> 9 0 % ) trifft nicht für das szirrhöse Karzinom zu, das dem endoskopischen Nachweis entgehen kann. Hier ist die Röntgenuntersuchung hilfreich (Abb. 35.2-15,16). Zur Beurteilung der lokalen Tumorausbreitung und des regionalen Lymphknotenbefalls wird zunehmend die Endosonographie eingesetzt (Abb. 35.2-17). Zur Klärung einer Fernmetastasierung dienen die Röntgen-Thoraxaufnahme, die Sonographie des Abdomens, bei unklarem sonographischen Befund die CT, und bei entsprechendem klinischen Verdacht weitere Untersuchungen (z.B. Skelettszintigraphie). Bei Verdacht auf Fernmetastasierung sollte die histologische Bestätigung (Halslymphknotenbiopsie, Leber-, Aszitespunktion, Laparoskopie) angestrebt werden.
Abb. 35.2-15: RöntgenkontrastDarstellung des Magens: großer polypöser Tumor im Korpus- und Kardiabereich (Kontrastmitteldefekte) mit Stenosierung des Mageneingangs
Abb.35.2-16: Ausgedehntes szirrhöses Magenkarzinom im Antrum und Korpus sog. „Tabakspfeifenform"
Diagnostik - Status praesens - Gastroskopie + Mehrfachbiopsie - Bildgebende Verfahren - Tumormarker
Praxishinweis
- Laparoskopie: Nachweis einer Peritonealkarzinose, Operabilitätsbeurteilung
Abb. 35.2-17: Endosonographie eines fortgeschrittenen Magenkarzinoms mit Infiltration aller Wandschichten (T) und Übergreifen auf den linken Leberlappen (L). Vergrößerte und metastasenverdächtige Lymphknoten (IM), S = Endosonographie-Sonde
536
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
- Tumormarker: Bedeutung für die Verlaufskontrolle
Die Diagnostik wird ergänzt durch Tumormarker (CA 72-4, CEA, CA 199), die vor allem zur Beurteilung der Radikalität und als Ausgangswerte für die Nachsorge Bedeutung haben.
Operationen mit kurativem Ziei
2.3.5.4 Operative Therapie mit kurativer Zielsetzung
• Tumorexstirpation
Bei fehlendem Nachweis einer Fernmetastasierung, lokal resektablem Tumor und allgemeiner Operabilität ist die Indikation zur Laparotomie gegeben. Intraoperativ ist die Suche nach Metastasen in Leber und Peritoneum sowie die Beurteilung der Resektabilität unerläßlich. Sind intraabdominale Fernmetastasen nachweisbar, besteht für einen kurativen Eingriff keine Indikation, allenfalls ist bei stenosierendem Tumor die palliative Resektion oder ein nichtresezierender palliativer Eingriff angezeigt. Bei nicht resektablem Tumor kann versucht werden, durch Chemotherapie (= neoadjuvante Chemotherapie) eine Tumorverkleinerung (down Staging) zu erzielen, um dann die operative Entfernung anzustreben.
Laparoskopie zur Beurteilung der Resektabilität
Die präliminare Laparoskopie zur Beurteilung der Resektabilität findet zunehmend Anwendung, um eine überflüssige Laparotomie zu vermeiden.
- entscheidend ist die RO-Resektion, d. h. Totalentfernung des Tumors und Ausräumung der regionären Lymphknoten, nur in 50-70% der Fälle erreichbar • Kontraindikationen: - allgemeine Inoperabilität - lokale Inoperabilität -> Peritonealkarzinose, Femmetastasen • Operationsregeln: - möglichst En-bloc-Resektion, d. h. außerhalb der Tumorgrenzen absetzen (Verminderung der Zellverschleppung) - Sicherheitsabstand vom Tumor -> intestinaler Typ > 5 cm, diffuser Typ > 10 cm - Lymphknotendissektion der Kompartimente I + II, beim Kardiakarzinom auch paraösophageale Lymphknoten, evtl. durch transhiatale Erweiterung - Überprüfung der Resektionslinien beim diffusen Typ durch intraoperativen Schnellschnitt
Gastrektomie und subtotale Resektion. Die Operation mit kurativer Zielsetzung beinhaltet die vollständige Tumorentfernung im Gesunden, ggf. unter Mitnahme infiltrierter Nachbarorgane, die Ausschaltung des regionären Lymphabflußgebiets und die Wiederherstellung der enteralen Passage. Vorrangiges Ziel ist, kein Tumorgewebe zurückzulassen (RO-Resektion). Wegen der mikroskopischen Tumorausbreitung in der Magenwand über die sieht- und tastbare makroskopische Tumorgrenze hinaus ist ein Sicherheitsabstand von mindestens 5 cm, bei diffusem Tumortyp > 8-10 cm anzustreben. Dies bedeutet meist eine Gastrektomie. Weder Pylorus noch Kardia stellen eine Barriere für das Tumorwachstum dar, so daß bei distalen Tumoren das Duodenum möglichst weit und bei kardianahen Tumoren und Kardiakarzinom die distale Speiseröhre mit den periösophagealen Lymphknoten mitentfernt werden muß. Dies kann nach Erweiterung des Hiatus oesophageus (transhiatale Resektion) oder nach Thorakotomie erfolgen (Abb. 35.2-18). Ein Lymphknotenbefall ist bei fortgeschrittenem Karzinom in 50-70 %, bei Magenfrühkarzinomen in bis zu 20 % zu erwarten. Makroskopisch ist der Lymphknotenbefall nicht beurteilbar, so daß die Operation routinemäßig die Entfernung des I. und II. Lymphknoten-Kompartiments umfaßt. Als gleichwertige Verfahren, die die Voraussetzungen an eine RO-Resektion erfüllen, stehen die subtotale Magenresektion und die abdominale Gastrektomie zur Verfügung.
Adenokarzinom im Endobrachyösophagus
Kardiakarzinom
Kardianahes Magenkarzinom
Abb. 35.2-18: Operationsausdehnung bei den verschiedenen Typen des Karzinoms am gastroösophagealen Übergang (n. Siewert)
Magen und Duodenum
Abb. 35.2-19: Schematische Darstellung der abdominellen totalen Magenexstirpation (Gastrektomie) en bloc mit distalem Ösophagus, der Milz, den Aufhängebändem (kleines und großes Netz, Lig. gastrolienale) des Magens incl. Dissektion der Lymphknoten-Kompartimente I und II
537
Abb.35.2-20: Subtotale Magernresektion en bloc mit kleinem und großem Netz beim präpylorischen Antrumkarzinom vom intestinalen Typ n. Lauren
• Bei der Gastrektomie werden der gesamte Magen, großes und kleines Netz, die Lymphknoten perigastrisch, am Milzhilus und im Bereich der Arterien des Truncus coeliacus und die Milz (fakultativ) entfernt. Indikation: Gesamtbefall des Magens, Tumoren von Korpus, Fundus und Kardia, größere Tumoren des diffusen Typs im Antrum. Bei etwa 70-80 % der Magenkarzinompatienten erfolgt derzeit in Deutschland die Gastrektomie (Abb. 35.2-19). • Die subtotale Magenresektion (distale 4/5-Resektion) unterscheidet sich von der Gastrektomie durch den Erhalt eines Teils des Magenfundus und der Milz. Indikation: distal des Angulus sitzender Tumor vom intestinalen Typ, kleiner präpylorischer Tumor vom diffusen Typ. Es erfolgt die Mitentfernung des großen und kleinen Netzes und die Dissektion der Lymphknoten des I. und II. Kompartments (Abb. 35.2-20). • Multiviszerale oder En-bloc-Resektion: Hat ein Tumor benachbarte Organe erfaßt, ist die Mitentfernung (z.B. linker Leberlappen, Pankreasschwanz, Querkolon) indiziert, wobei möglichst keine Ablösung des Organs vom Tumor erfolgen soll, um eine Tumorzellverschleppung zu vermeiden. Dies gilt auch für die distale Speiseröhre bei hochsitzendem Magen- oder Kardiakarzinom (s. Abb. 35.2-18). Die Verbesserung von Operationstechnik und Nachbehandlung haben das Risiko der Gastrektomie in den letzten Jahren deutlich gesenkt (Mortalität 1 - 5 %), so daß in der operativen Belastung im Vergleich zur subtotalen Resektion kein wesentlicher Unterschied besteht. Möglicherweise sind die funktionellen Ergebnisse jedoch nach subtotaler Resektion günstiger, die eher bei älteren Patienten und Kranken mit erhöhtem Risiko zur Anwendung kommt.
Rekonstruktion. Zur Rekonstruktion nach Gastrektomie. Die Vielzahl von Verfahren weist darauf hin, daß es mit keiner Methode gelingt, die Magenfunktion optimal zu ersetzen. Grundsätzlich sind Rekonstruktionsverfahren ohne und mit Erhaltung der Duodenalpassage zu unterscheiden (Abb.35.221). Praxishinweis: A m häufigsten kommt die Rekonstruktion nach Roux zur Anwendung, die auf die Erhaltung der Duodenalpassage verzichtet. Die vom Duodenum kommende Schlinge wird etwa 60 cm distal der Ösophagojejunostomie in die abführende Dünndarmschlinge implantiert, wodurch ein Reflux von Galle in die Speiseröhre (alkalische
Operationsverfahren 1. Gastrektomie: Totalentfernung des Magens, des großen und kleinen Netzes, der Lymphknotenkompartimente I + II, evtl. Splenektomie • Indikationen: in 70-80% Regeleingriff: - bei Totalbefall des Magens - bei hochsitzenden (oberhalb des Angulus) Karzinom und beim Kardiakarzinom - beim diffusen Karzinomtyp - beim Kardiakarzinom abdomino-thorakale Gastrektomie aus Radikalitätsgründen erforderlich. Häufig submuköse Invasion des Tumors in der Speiseröhre! 2. Subtotale Magenresektion: distale Resektion von 4/5 des Magens, Entfernung des kleinen und großen Netzes, Lymphknotendissektion Kompartiment I + II, keine Milzexstirpation • Indikationen - bei distal des Angulus lokalisierten Karzinomen vom intestinalen Typ - kleine präpylorische Karzinome vom diffusen Typ (besonders bei alten Patienten) 3. Multiviszerale oder erweiterte En-blocResektion: bei Invasion des Tumors in Nachbarorgane (linker Leberlappen, Pankreasschwanz, Querkolon) werden die entsprechenden Organe en-bloc mitreseziert Rekonstruktionsverfahren
• nach Gastrektomie
538
35. C h i r u r g i e d e s V e r d a u u n g s t r a k t e s
Abb.35.2-21: Totale Magenexstirpation und die am häufigsten angewandten Rekonstruktionsverfahren: 1 Jejunumhochzug mit breiter Braun-Enteroanastomose (Ersatzmagen), 2 Jejunuminterposition zur Erhaltung der Duodenalpassage n. Seo-Longmire-Gütgemann, 3 Rekonstruktion mit Roux-Schlinge und terminolateraler Ösophagojejunostomie, 4 Roux-Schlinge und Jejunoplicatio zur Nahtsicherung n. Schreiber-Eichfuß, 5 Roux-Schlinge, Jejunoplicatio (zur Refluxverhiitung) und Ersatzmagenbildung (n. Siewert u. Peiper) und 6 Ersatzmagenbildung (n. Rodino)
Pouch-Bildung zur Verbesserung der Reservoirfunktion nach subtotaler Resektion: Gastrojenunostomie mit Roux-Schlinge oder in der Modifikation Billroth II mit antekolis c h e r G E und Braun-Enteroanastomose
R e f l u x ö s o p h a g i t i s ) w e i t g e h e n d v e r m i e d e n w e r d e n k a n n . Soll die D u o denalpassage erhalten bleiben, wird eine lange Dünndarmschlinge zwischen Ö s o p h a g u s u n d D u o d e n u m i n t e r p o n i e r t ( G ü t g e m a n n , Seo, L o n g m i r e , A b b . 35.2-22). I n n e u e r e r Z e i t w e r d e n diese V e r f a h r e n m i t d e r B i l d u n g e i n e r D ü n n d a r m t a s c h e ( P o u c h ) k o m b i n i e r t , u m die R e s e r v o i r f u n k t i o n d e s E r s a t z m a g e n s zu v e r b e s s e r n , o h n e d a ß bislang d i e Ü b e r l e g e n h e i t e i n e s dieser V e r f a h r e n n a c h g e w i e s e n w e r d e n k o n n t e . N a c h subtotaler Resektion erfolgt d i e R e k o n s t r u k t i o n als G a s t r o j e j u n o s t o m i e n a c h R o u x o d e r als B i l l r o t h - I I - A n a s t o m o s i e r u n g .
Abb. 35.2-22: Kontrastdarstellung nach totaler Magenexstirpation und Interposition einer langen Jejunumschlinge n. Seo-Longmire-Gütgemann: 1 Jahr nach Operation Dilatation der interponierten Jujunumschlinge im Sinne eines Ersatzmagens mit Kaskadenbildung
Magen und Duodenum
539
2.3.5.5 Adjuvante und palliative Therapie, Ergebnisse, Prognose, Nachsorge
Adjuvante Therapie
Studien zur adjuvanten (postoperativ) und neoadjuvanten (d. h. präoperativ zur Tumorverkleinerung mit anschließender Radikaloperation) Chemotherapie nach operativer Therapie des Magenkarzinoms (RO-Resektion) haben bislang für kein Tumorstadium einen Überlebensvorteil ergeben.
• Chemotherapie: - adjuvant bisher noch keine gesicherte Verbesserung der Ergebnisse - neoadjuvant präoperative Chemotherapie und dann Radikaloperation (noch nicht ausreichend beurteilbar) • intraoperative Radiotherapie (IORT) sinnvoll im Stadium II und III
Derzeit wird u.a. die intraperitoneale Applikation von Mitomycin zur Prophylaxe einer späteren Peritonealmetastasierung überprüft. In mehreren Zentren wird die intraoperative Radiotherapie (IORT) zur Senkung der lokalen Rezidivrate durchgeführt (s. Kap. 25, S. 232). Bei diesem aufwendigen Verfahren kann auf das Tumorbett nach Exstirpation des Magens eine hohe Strahlendosis von 20 Gy appliziert werden; die Bestrahlung wird postoperativ fortgesetzt. Von diesem Vorgehen profitieren Magenkarzinome des intestinalen Typs im Stadium II und III. Die Ergebnisse bedürfen noch der statistischen Absicherung.
Palliativmaßnahmen haben das Ziel, bei möglichst geringem Risiko tumorbedingte Beschwerden zu beseitigen oder zu lindern, ohne das Tumorleiden z. B. bei Generalisierung beeinflussen zu können. Gründe: Stenosierungen am Mageneingang oder -ausgang, Blutung oder Perforation. Zur Verfügung stehen tumorresezierende und tumorbelassende operative und nichtoperative Methoden. Bei stenosierenden Tumoren am Magenausgang (Leitsymptom: Erbrechen ) ist der symptomatische Effekt und die Prognose nach palliativer Tumorresektion günstiger als nach Umgehungsoperation (Gastroenterostomie). Dabei wird der tumortragende Magenabschnitt im Gesunden ohne Lymphknotendissektion entfernt und die Passage durch Gastrojenunostomie wiederhergestellt. Eine Tumorresektion kann auch bei massiver Blutung oder Perforation indiziert sein. Lokale Maßnahmen wie Umstechung und Übernähung sind bei der tumorveränderten Magenwand wenig erfolgversprechend. Bei Mageneingangsstenose (Leitsymptom: Dysphagie) beseitigen ein Endotubus oder ein Stent, die ohne Laparotomie eingeführt werden können, am risikoärmsten die Schluckbeschwerden. Alternativen sind wiederholte Bougierungen, Lasertherapie oder Ernährungsfistel. Häufig kann z.B. bei Peritonealkarzinose nur noch durch eine Infusionstherapie und adäquate Schmerzbehandlung versucht werden, das Leiden zu mildern.
Palliative Verfahren Ziel: Beseitigung tumorbedingter Beschwerden und Veränderungen bei inoperablem Tumorbefund: • Stenosen am Mageneingang (Dysphagie) oder-ausgang (Erbrechen) • Tumorblutung • Tumorperforation • schlechter Allgemeinzustand des Patienten • Operationsmethoden. - palliative Resektion günstiger (Lebensverlängerung und bessere Lebensqualität) als nichtresezierende Verfahren Endoprothese/Stent, Bougierung, Laserbehandlung oder Ernährungsfistel bei Stenose am Mageneingang, GE bei Magenausgangsstenose - bei Blutung Umstechung des Gefäßes oder palliative Resektion, bei Perforation Resektion • adäquate Therapie tumorbedingter Schmerzen
Ergebnisse und Prognose. Bei 60-80 % der Karzinompatienten ist eine Tumorresektion mit kurativer Zielsetzung möglich. Die postoperative Letalität nach Gastrektomie und subtotaler Resektion beträgt 1 - 5 % . Palliativmaßnahmen sind mit einem höheren Risiko belastet. Bei 15-20 % der stationär aufgenommenen Patienten liegt ein Magenfrühkarzinom vor, das eine 5-Jahresüberlebensrate von 80-90 % aufweist. Bei den restlichen Kranken besteht ein fortgeschrittenes Tumorstadium mit einer 5-Jahres-Überlebensrate um 35 %. Nach Palliativmaßnahmen versterben die meisten Patienten innerhalb des ersten postoperativen Jahres (Abb. 35.2-23). Die Prognose nach Operation ist abhängig von tumorbezogenen und therapiebedingten Faktoren. Sie verschlechtert sich mit Zunahme des Tumor-Stadiums, der Zahl der befallenen Lymphknoten und mit abnehmendem Differenzierungsgrad. Unter den therapeutischen Faktoren sind die vollständige Tumorentfernung (RO-Resektion) und mit Einschränkung das Ausmaß der Lymphknotendissektion von Bedeutung.
Ergebnisse und Prognose - in 60-80% vollständige Tumorentfernung möglich (Resektionsquote) - Prognose ist abhängig von Tumorstadium, Metastasierung und histologischem Grading - Prognose ist am günstigsten beim Magenfrühkarzinom -> 5-Jahres-Überlebensrate 80-90%, bei fortgeschrittenem Karzinom und RO-Resektion ~ 35% • Operationsletalität nach Gastrektomie und subtotaler Resektion 1-5%, steigt bei der multiviszeralen Resektion an
Mehrere, allerdings nicht unumstrittene Untersuchungen sprechen dafür, daß im Stadium II der Erkrankung durch adäquate Lymphknotendissektion (Kompartimente I und II) die Prognose verbessert werden kann, während ein therapeutischer Effekt der Lymphknotendissektion in den Früh- und Spätstadien nicht nachweisbar ist. Patientenfaktoren wie Alter und Geschlecht sind vermutlich ohne Einfluß auf die Prognose, ebenso wie der histologische Tumortyp, eine RO-Resektion vorausgesetzt.
Lymphknotendissektion (Kompartiment I u. II) Verbesserung der Überlebensrate möglich
Wesentlich zur Verbesserung der Prognose ist der Nachweis im Frühstadium, was die Notwendigkeit der Gastroskopie bei geringstem Verdacht unterstreicht. Ein deutlicher Fortschritt in der Magenkarzinomchirurgie ist die erhebliche Verringerung des operativen Risikos.
540
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
SURVIVAL Rate (%) 100
80-
60-
40Stage II (UICC 1987) R0-cases, N =136
SfageJ MA (UICC^987)^ R S^cases, N = 104
20-
Stage II (UICC 1987) R1/R2-cases, N = 38
N.
Stage MIA (UICC 1987) R1/R2-cases, N = 88
Abb. 35.2-23: Vergleich der Überlebensraten von 1335 Patienten mit einem Magenkarzinom, abhängig vom Tumorstadium (UICC 1987) ohne (RO) und mit (R1/ R2) Residualtumor, (n. H.Rohde et al.: Cancer 64 (1989) 2465
SURVIVAL TIME (YEARS)
Nachsorge Ziele: • Verbesserung der Lebensqualität • Behandlung von postoperativen Funktionsstörungen (n. Gastrektomie in 2 0 % ) • Substitution von Verdauungsenzymen und Vit. B 12 • psychosoziale Betreuung (wichtig bei alten Menschen) • Schmerzbehandlung • Ernährungsberatung • Erfassung von Rezidiven und Metastasen. Nur selten kommt noch eine Zweitoperation beim Magenkarzinom in Frage
Die Nachsorge dient weniger der Prognoseverbesserung - auftretende Rezidive sind in der Regel inoperabel - als der Verbesserung der Lebensqualität durch Beratung zur Nahrungsaufnahme, der Behandlung postoperativer Funktionsstörungen und der Hilfe bei beruflichen, sozialen und psychischen Problemen. Bei etwa 20 % der Patienten sind nach Gastrektomie Funktionsstörungen zu erwarten. Bei fast allen Kranken kommt es während der ersten 3-6 Monate postoperativ zu einer Gewichtsabnahme, bis nach Umstellung der Eßgewohnheiten - häufige und kleine Mahlzeiten - sich das Gewicht stabilisiert oder ansteigt. Die Patienten nach Gastrektomie bedürfen der halbjährlichen B12-Substitution, ggf. auch der Eisensubstitution, um eine agastrische Anämie zu vermeiden.
Primäre Magenlymphome
2.3.6 Primäre M a g e n l y m p h o m e
• Inzidenz: 1 - 5 % aller malignen Magentumoren, deutliche Zunahme zu beobachten Einteilung: • Hodgkin-Lymphom • Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) • MALT-Lymphome
Das primäre Lymphom stellt 1-5 % aller malignen Magentumoren, wobei die Häufigkeit zunimmt. Die malignen Lymphome werden unterteilt in den Morbus Hodgkin, der unter anderem auch den Magen befallen kann, und die Non-Hodgkin-Lymphome (NHL). Diese untergliedern sich in die primär nodalen (60%) und die primär extranodalen (40 %) Lymphome. Unter den primär extranodalen Non-Hodgkin-Lymphomen stellt der Gastrointestinaltrakt mit 36% die größte Gruppe dar, wobei der Magen mit etwa 60 % am häufigsten befallen ist. Die Gruppe der primär gastrointestinalen Lymphome wird wiederum in B- und T-Zell-Lymphome unterteilt: Klassifikation der primären gastrointestinalen NHL (Isaacson, 1994): • B-Zellen: Niedrigmalignes Lymphom des MALT (überwiegend im Magen), hochmalignes Lymphom des MALT (überwiegend im Magen), mit oder ohne niedrigmalignen Tumoranteil, IPSID des Dünndarms (immunproliferative small bowel disease; niedrig-, gemischt-, hochmaligne), auch MALT Lymphom, MantelzellLymphom (lymphomatoide Polypose), Burkitt- oder Burkitt-ähnliches Lymphom, andere B-Zell-Lymphome entsprechend nodalen Äquivalenten • T-Zellen: Enteropathie-assoziiertes T-Zellen-Lymphom (EATL), andere nicht Sprue-assoziierte T-Zellen-Lymphome
Zahlenmäßig überwiegen die niedrig- und hochmalignen Lymphome des MALT (mucosa associated lymphoid tissue).
Magen und Duodenum
541 Pathogenese • H. pylori-assoziierte Gastritis -» Autoimmunreaktion -» Ausbildung intramuraler B-Zell-Follikel -» mucosa associated lymphoid tissue (MALT) • Differenzierung in niedrig- und hochmaligne B-Zell-Lymphome wegen unterschiedlicher Prognose und Therapie. • MALT-Lymphome: - lymphoepitheliale Läsion - follikuläre Kolonisierung
Pathogenese. Lymphome im Magen sind verwunderlich, da die Schleimhaut kein Lymphgewebe enthält. Nach derzeitiger Annahme kommt es erst unter dem Einfluß der Helicobacter pylori-assoziierten Gastritis im Rahmen einer Immunreaktion zur Ausbildung intramukosaler B-Zell-Follikel, wie sie im Dünndarm vorkommen (mukosaassoziiertes lymphatisches Gewebe = MALT). Über 90 % der Magenlymphompatienten zeigen eine Helicobacter-pylori-Infektion, der für die Entstehung des Lymphoms primäre Bedeutung zugesprochen wird. In den durch Schleimhautinfektion erworbenen Lymphfollikeln kann sich unter dem Einfluß weiterer Faktoren ein malignes Lymphom entwickeln und sich - nach Einzelbeobachtungen - nach Behandlung der Infektion wieder zurückbilden. MALT-Lymphome zeigen ein über lange Zeit organgebundenes Wachstum (infolge einer lokalen Antigenstimulation und sog. Homing-Phänomene). Falls es zu einer Absiedlung kommt, sind zunächst andere MALT-Organe wie Tonsillen oder der übrige Gastrointestinaltrakt betroffen. Erst spät und selten ist mit einer Dissemination (z. B. Knochenmarkinfiltration) zu rechHistopathologie. Wegen Unterschieden in Prognose und Therapie sind niedrig- und hochmaligne B-Zell-Lymphome des MALT abzugrenzen. In etwa 1/3 der Fälle kommen jedoch beide Lymphomanteile nebeneinander vor. Charakteristische histologische Befunde beim MALT-Lymphom sind die „lymphoepitheliale Läsion" und die „follikuläre Kolonisation", die für die Vergröberung der Schleimhautfalten verantwortlich ist. Die sehr häufigen B-Zell-MALT-Lymphome müssen von den sehr seltenen, meist aggressiv verlaufenden gastralen T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) oder noch selteneren Lymphomtypen immunhistochemisch abgegrenzt wer-
Stadieneinteilung • Ann-Arbor-Klassifikation wie beim NHL • Lugano-Klassifikation (s. Tab. 35.2-5)
Die Stadieneinteilung erfolgt entsprechend einer Modifikation der Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome ( A n n Arbor), die ausgehend von der Infiltrationstiefe und dem Befall weiterer Strukturen unterschiedliche Stadien mit differenter Prognose (Lugano-Klassifikation) bezeichnet und Ähnlichkeiten mit der TNM-Klassifikation des Magenkarzinoms aufweist (Tab. 35.2-5).
Symptome - uncharakteristische Oberbauchbeschwerden. Beeinträchtigt Allgemeinbefinden je nach Ausdehnung des Befundes • Komplikationen - Blutung - Perforation - Stenose Diagnostik • Gastroskopie mit Biopsie • Endosonographie (Tiefenausdehnung? regionale Lymphome?)
Symptome. Magenlymphome können Oberbauchbeschwerden verursachen, aber auch zu Komplikationen wie Blutung, Perforation und Stenose führen. Die Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens wird von der Tumorausdehnung bestimmt. Diagnose. Die Diagnostik umfaßt die Gastroskopie mit Biopsie und die Endosonographie zur Beurteilung der Infiltrationstiefe. Das endoskopische Erscheinungsbild ist vielfältig. Typisch sind vergrößerte und verdickte Schleimhautfalten als Folge submukösen Tumorwachstums (follikuläre Kolonisation) ohne oder mit Erosionen, Ulzera und polypösen Tumoren. Durch ausgedehnte multiple Biopsien von verschiedenen Stellen läßt sich
Tab.35.2-5: Stadieneinteilung primärer Non-Hodgkin-Lymphome des Magens LuganoKlassifik. erweitert
Magenbefall
11
Mukosa, Submukosa 0
I2
0 +
II 1
Muscularis propria, Subserosa, Serosa
Lymphknotenbefall Nichtregionär Supradiaphragmatisch
Kontinuierlicher Befall von Nachbarorganen/ -geweben
Diskontinuierlicher/disseminierter Befall extragastraler Organe
Modifizierte Ann-ArborKlassifik.
0
0
0
0
E I 1
0
0
0
0
E I2
0
0
0
0
E II 1
+
0
0
0
E II 2
LymphknoLymphknotenbefall tenbefall Regionär (1) Nichtregionär Infradiaphragmatisch
II 2 II E
0
0
0
+
0
E 12
II 1 E
+
0
0
+
0
E II 1
+
0
+
0
E II 2
+
E III oder E IV
II 2 E IV
+
./. = jede Ausprägung möglich (1) = Definition regionärer Lymphknoten entsprechend jener für Magenkarzinom
542
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Röntgen-Thorax, CT Abdomen, Knochenmarkbiopsie Tumorgeneralisierung? Untersuchung der Tonsillen, Speicheldrüsen und der Schilddrüse Differentialdiagnose: undifferenzierte und kleinzellige Karzinome
Therapie
bei Befall der Mukosa und Submukosa durch niedrig-malignes Lymphom —> Eradikationstherapie unter endoskopischer und endosonographischer Kontrolle. Bei fehlender Rückbildung innerhalb 6 Monaten Magenresektion bei lokalisiertem Lymphom —> Magenresektion wie beim Karzinom. Bei hohem Operationsrisiko Radiotherapie
bei hochmalignem Lymphom -> Operation + Chemotherapie bzw. Radio- und Chemotherapie
• bei fortgeschrittenem tumorösem Lymphom (Befall benachbarter Organe und Generalisation) —> keine Operation, sondern Radiochemotherapie. Operation nur bei Blutung oder Perforation
die Zahl falsch negativer Befunde von früher 20 % auf unter 10 % reduzieren. Immer ist nach einer H. pylori-Infektion zu fahnden. Wichtig ist die Zuordnung zum niedrig- oder hochmalignen Lymphom. Differentialdiagnostisch müssen hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome immunhistochemisch von undifferenzierten und kleinzelligen Karzinomen abgegrenzt werden. Weitere Untersuchungen: Sonographie des Halses und Abdomens, die Röntgenthoraxaufnahme in 2 Ebenen, eine CT von Thorax und Abdomen sowie eine Knochenmarkbiopsie zur Erfassung einer Tumorgeneralisierung. Darüber hinaus muß an die Möglichkeit weiterer MALT-Lymphome (Intestinum, Speicheldrüse, Schilddrüse, Tonsillen) gedacht werden. Therapie. Zur Behandlung stehen die Resektion, Strahlenbehandlung, Chemotherapie und in neuerer Zeit die Eradikationstherapie von H. pylori zur Verfügung. Operation und Strahlentherapie können zu einer lokalen Sanierung führen, beeinflussen jedoch nicht eine Tumorgeneralisierung. Die Operation hat den Vorteil der definitiven Klärung des histologischen 1\imortyps und des Tumorstadiums. Sie bedarf bei begrenztem Tumorwachstum keiner adjuvanten Therapie, ist jedoch mit dem Risiko der Narkose und Operation belastet. Die Radiotherapie ist auch nicht ohne Nebenwirkungen und kann zu lokalen Komplikationen (Blutung, Perforation) führen. Die Eradikationstherapie ist nur im frühen Stadium des niedrigmalignen Magenlymphoms indiziert, wobei in etwa 50 % eine vollständige Lymphomrückbildung zu erwarten ist (derzeit keine Langzeitergebnisse). Praxishinweis: Therapierichtlinien: • Bei Mukosa- und Submukosabefall durch ein niedrigmalignes Lymphom (Stadium II) und H. pylori-Nachweis ist die Eradikation unter langfristiger endoskopischer und endosonographischer Kontrolle zu versuchen. Ist 6 Monate nach Helicobacter-Eradikation das Lymphom weiter nachweisbar oder bestehen Zweifel am genauen Staging, ist die Operation indiziert. • Bei niedrigmalignen Lymphomen des Magens und Befall der regionären Lymphknoten ist die vollständige Tumorentfernung ohne adjuvante Maßnahmen adäquat und führt bei 80-90 % zur Heilung. Die Operation umfaßt die Tumorresektion im Gesunden und die Entfernung der regionalen Lymphknoten. Gastrektomie und subtotale Resektion kommen abhängig von der Tumorlokalisation zur Anwendung. Die routinemäßige Milzexstirpation ist nicht indiziert. Bei nicht operationsfähigen Patienten erfolgt eine Strahlentherapie. • Bei regional begrenztem hochmalignem Lymphom (I—III) kommen entweder Operation oder Strahlentherapie, abhängig von der Abschätzung des operativen Risikos, zur Anwendung. Bei auf Mukosa und Submukosa beschränktem Tumor ist die alleinige Operation ausreichend. Bei fortgeschrittenen Tumorstadien wird die Operation mit einer adjuvanten Chemotherapie (CHOP-Schema) kombiniert. Ist der Patient nicht operationsfähig, wird die Radiotherapie zur lokalen Sanierung mit der Chemotherapie kombiniert. • Bei fortgeschritteneren Stadien (Befall benachbarter Organe oder nicht regionärer Lymphknoten, disseminierter Organbefall) ist in der Regel ein operatives Vorgehen nicht mehr sinnvoll, vielmehr kommen Radiotherapie oder -Chemotherapie situationsabhängig zur Anwendung. Eine Operation kann bei Blutung oder Perforation erforderlich werden.
Prognose - abhängig von Infiltrationstiefe, Lymphknotenbefall, Malignitätsgrad und Radikalität der Operation - im Stadium 11 5-Jahres-Überlebensrate 90-95%
Die Prognose des primären Magenlymphoms ist abhängig von der Infiltrationstiefe, dem Lymphknotenbefall, dem Malignitätsgrad und der Radikalität der Operation. Patienten im frühen Stadium (II) haben mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 90-95 % nach alleiniger Operation die günstigste Prognose.
Magensarkom
2.3.7 Magensarkom
1 % aller Magenmalignome - bevorzugte Altersstufen 50-60 Jahre
Inzidenz. Magensarkome sind mit 1 % der Magenmalignome selten, kommen bei beiden Geschlechtern gleich häufig und in allen Altersstufen, bevorzugt jedoch zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr, vor. Die Tumoren ge-
543
Magen und Duodenum hen von der glatten Muskulatur aus und können sich intra- und extragastral ausbreiten. Nicht selten sind sie über einen Stiel mit dem Magen verbunden. Die Geschwülste können zystisch degenerieren, perforieren, bluten und benachbarte Organe infiltrieren. Lymphknotenmetastasen sind selten, Lebermetastasen bei undifferenziertem Tumor häufig. Der Differenzierungsgrad ist prognostisch von Bedeutung. Histologisch handelt es sich meist um Leiomyosarkome oder -myoblastome.
Tumoren gehen von der glatten Muskulatur (Leiomyosarkome, Leiomyoblastome) aus und können sich intraund extragastral ausbreiten hämatogene Metastasierung häufig
Die Symptome sind abhängig von der Tumorlokalisation und dem -Wachstum und entsprechen denen eines gastralen Ulkus oder Karzinoms. Nicht selten sind Zeichen der Blutung bei ulzerierendem Tumor wie Hämatemesis, Melaena oder Anämie. Die Diagnose wird durch Gastroskopie oder der Röntgen-Kontrastuntersuchung (Abb. 35.2-24) gestellt. Bei ulzerierenden Tumoren kann die Diagnose präoperativ histologisch gesichert werden. Bei extragastralem Wachstum finden sich im Sonogramm und CT bisweilen große Oberbauchtumoren, deren Ausgangspunkt bei intakter Magenschleimhaut und fehlendem Nachweis einer Verbindung zur Magenwand präoperativ unklar bleiben kann. Sonographie und ggf. CT dienen auch dem Nachweis von Lebermetastasen.
Symptome - wie beim gastralen Ulkus oder Karzinom. Komplikationen wie Blutung, Perforation oder Stenose möglich
Therapie. Tumorresektion im Gesunden, ggf. mit Entfernung infiltrierter Nachbarorgane. Da die Neigung zur intramuralen Ausbreitung geringer als beim Magenkarzinom ist, genügt ein Sicherheitsabstand von 2-3 cm. Das operative Vorgehen ergibt sich damit aus der Lage und der Größe des Tumors. Kleine Tumoren (< 5 cm) werden exzidiert, bei größeren kann eine partielle Magenresektion angezeigt sein und nur bei Gesamtbefall des Magens ist die Gastrektomie, ggf. unter Mitentfernung von Nachbarstrukturen indiziert. Die Wirkung einer adjuvanten Strahlen- und Chemotherapie ist nicht erwiesen. Die Prognose ist wie bei Weichteilsarkomen von der Tumorgröße und dem Differenzierungsgrad abhängig. Die 5-Jahres-Überlebenszeit beträgt etwa 50%, bei kleinen, hochdifferenzierten Geschwülsten ( Ikterus • exulzerierte Tumoren bluten, große polypöse führen zu Stenosen Diagnose • Endoskopie mit Biopsie und RöntgenKontrastuntersuchung Therapie • Tumorexstirpation durch - Magenteil- und Duodenalresektion bei proximalen kleinen Tumoren
Abb. 35.2-24: Großes, histologisch gesichertes Leiomyosarkom im Korpus. Typische glatt begrenzte Kontrastmittelaussparung
Diagnose • Gastroskopie • Röntgen-Kontrastuntersuchung • Sonographie und CT (Tumor außerhalb des Magens? Lebermetastasen?)
Prognose • 5-Jahres-Überlebenszeit ~ 50%, kleine differenzierte 9 0 - 1 0 0 % , entdifferenzierte < 10%
544
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
- partielle Duodenopankreatektomie bei tiefem Sitz und größeren Tumoren
roth II möglich, bei tieferem Sitz und bei größeren Tumoren die partielle pankreatektomie.
Gutartige Tumoren
2.3.9 Gutartige Tumoren
Inzidenz: 5-10% aller Magentumoren Meist symptomlos, wenn sie nicht bluten. Es handelt sich um epitheliale, mesenchymale oder endokrine Tumoren
Inzidenz: 5-10 % aller Magentumoren. Zumeist verlaufen sie asymptomatisch, gelegentlich können sie jedoch eine massive Blutung verursachen. Entsprechend ihrem Ausgangspunkt lassen sich die Tumoren in epitheliale, mesenchymale und endokrine einteilen, von denen der Befall des Magens im Rahmen einer Polyposis des Gastrointestinaltraktes abzugrenzen ist.
Epitheliale Polypen 1. Hyperplasiogener Polyp Häufigster Magenpolyp, maligne Entartung sehr selten. Langfristig endoskopische Kontrollen erforderlich, da in diesen Mägen häufiger Karzinome auftreten 2. Adenomatöser Polyp Krebsrisikoerkrankung. Totale Abtragung mit Diathermieschlinge erforderlich, sonst Laparotomie und Gastrotomie
Epitheliale Polypen. Der hyperplasiogene Polyp ist am häufigsten und zeigt histologisch eine Hyperplasie der Foveolae und adenomähnliche Strukturen. Eine maligne Entartung ist extrem selten, so daß nach Biopsie oder endoskopischer Abtragung langfristig endoskopische Kontrollen ausreichen (gehäuftes Auftreten von Karzinomen im Magen wahrscheinlich). Bei adenomatösen Polypen (Krebsrisikoerkrankung) ist mit einer Entartungsrate von 10-15 % zu rechnen. Diese Polypen müssen vollständig (mit der Diathermieschlinge) abgetragen werden, sofern möglich endoskopisch, anderenfalls durch Laparotomie und Gastrotomie. Bei infiltrierendem Karzinom an der Polypenbasis ist die Therapie wie bei einem Magenkarzinom indiziert. Das Adenom mit schwerer Dysplasie (borderline lesion) stellt den morphologischen Übergang zum Magenkarzinom dar und ist wie der maligne entartete Polyp zu behandeln. Auch bei Patienten mit adenomatösen Polypen ist die Karzinominzidenz im Magen erhöht, was langfristig endoskopische Kontrollen rechtfertigt.
3. Adenom mit schwerer Dysplasie Sog. borderline lesion —> morphologischer Übergang zum Magenkarzinom. Totalentfernung notwendig. Wegen erhöhter Karzinominzidenz im Magen langfristig Kontrollen angezeigt Mesenchymale Tumoren Gutartige Leiomyome und Neurinome. Lange Zeit asymptomatisch Können exulzerieren und bluten, dann entsprechende Symptomatik Therapie: laparoskopische Exstirpation, größere Tumoren werden durch Laparotomie entfernt Karzinoide Häufig multipel und im Rahmen eines MEN Typ I vorkommend. Endoskopische oder operative Exstirpation
Magenpoiyposis • bei Gardner-Syndrom • bei Peutz-Jeghers-Syndrom
Divertikel Im Magen meist kardianah und an der kleinen Kurvatur, asymptomatisch, mit einem Ulkus verwechselbar Größere Divertikel können ulzerieren, bluten und perforieren Duodenaldivertikel sind häufiger, etwa 20% Überwiegend an der Hinterwand und juxtapapillär lokalisiert Können sich entzünden (Stagnationsdivertikulitis) und bluten
Duodeno-
Mesenchymale l\imoren. Leiomyome und Neurinome sind am häufigsten, seltener sind Lipome, Hämangiome und andere. Die Tumoren sind asymptomatisch, können aber zu Ulzerationen der über ihnen liegenden Schleimhaut und dann zu einer massiven Blutung führen. Endoskopisch findet man eine glatte Schleimhautvorwölbung, bisweilen mit mehreren Ulzera. Da die Tumoren maligne entarten können, ist auch im asymptomatischen Stadium die operative oder laparoskopische lokale Exzision indiziert, die auch im Blutungsstadium zur Anwendung kommt. Karzinoide stammen vom Vorderdarm ab, sind häufig multipel, zeigen keine Hormonproduktion und entstehen unter Umständen unter einer vermehrten Gastrinstimulation bei atrophischer Gastritis oder bei Gastrinom im Rahmen eines MEN Typ I. Die Therapie ist abhängig von der Tumorgröße und -lokalisation. Kleine Polypen werden endoskopisch abgetragen, bei großen oder multiplen kann die Magenresektion, selten eine Gastrektomie indiziert sein. Die Polyposis des Magens tritt im Rahmen eines Gardner-Syndroms (autosomal dominant vererbt, Polyposis des gesamten Gastrointestinaltrakts mit hoher Entartungsneigung) oder eines Peutz-Jeghers-Syndroms auf (dominant vererblich, Polypose von Dickdarm und Dünndarm, seltener des Magens, Melaninflecken an Haut und Schleimhäuten). Die Therapie am Magen besteht in Abhängigkeit vom Befund in der Polypektomie, unter Umständen auch in der partiellen und vollständigen Magenentfernung.
2.3.10 Seltene Erkrankungen Divertikel des Magens sind selten und asymptomatisch, finden sich meist kardianah und an der kleinen Kurvatur, wo sie mit Magenulzera verwechselt werden können. Sehr selten führen sie zu Komplikationen wie Blutung, Perforation oder Gangrän. Die Diagnose ergibt sich radiologisch oder endoskopisch. Bei Beschwerden ist die lokale Exzision indiziert. Duodenaldivertikel sind häufiger (~ 20 %). Sie sind überwiegend an der Hinterwand und papillennah lokalisiert, können aber auch an allen anderen Stellen vorkommen. Die Divertikel können sich entzünden und dann bluten. Sie verursachen ein Druckgefühl, wenn sich große Divertikel prall mit Speisen füllen, die juxtapapillären führen zum intermittierenden Ikterus, wenn sie die Papille verlegen.
Magen und Duodenum Die Diagnose wird auch hier endoskopisch erhoben; im Röntgenbild stellen sie sich als sackartige Wandausstülpungen dar. Differentialdiagnostisch sind ein Ulkus- und Gallensteinleiden abzugrenzen, auch eine chronische Pankreatitis. Therapie: E i n e operative Abtragung oder Einstülpung kommt nur ausnahmsweise in Frage, vor allem bei Komplikationen oder erheblichen Beschwerden. D e r Eingriff ist nicht ungefährlich (Papillennähe, Pankreatitis). Eine Ausschaltung der duodenalen Speisepassage im Sinne eines Billroth II ist nur selten indiziert. Magenvolvulus. Eine Rotation des Magens kann sub- (primärer Volvulus, 1/3 der Fälle) und supradiaphragmatisch (sekundärer Volvulus, 2/3 der Fälle) auftreten. D e r supradiaphragmale Volvulus ist Folge einer paraösophagealen Hernie oder eines Zwerchfelldefektes. Der subdiaphragmale Volvulus kann in der Magenachse (organoaxialer Volvulus) oder in der Querachse des Magens, die von der kleinen zur großen Kurvatur verläuft (mesenteroaxialer Volvulus), erfolgen. Ursache des subdiaphragmalen Volvulus ist eine Lockerung des Halteapparates (Ligg. gastrocolicum, gastrolienale, gastrophrenicum). Der Volvulus kann akut auftreten und zu Oberbauch- oder Thoraxschmerzen, zu einer Vorwölbung im Epigastrium und selten zu einer Hämatemesis führen. E r stellt eine Notfallindikation zur operativen Revision dar. Der chronische, meist intermittierende Volvulus, wird oft verkannt. Die Symptomatik ist unspezifisch; meist werden epigastrische Schmerzen, Sodbrennen, Völlegefühl und Aufstoßen, verstärkt nach Nahrungsaufnahme, angegeben. Die Diagnose ergibt sich radiologisch oder endoskopisch. Die Therapie besteht in der operativen Fixierung des Magens am Zwerchfell (Gastropexie) und bei supradiaphragmalem Volvulus nach Reposition des Magens mit einer Verkleinerung des Zwerchfellhiatus (Hiatusplastik). Fehlbildungen (s. Kap. 41, S. 808). Zu den häufigeren Mißbildungen gehören Duplikaturen (Doppelbildungen), die meist ein L u m e n besitzen und proximal oder distal mit dem Hauptorgan kommunizieren. Partielle Doppelbildungen können als Divertikel oder als Magenwandzyste meist erst im Erwachsenenalter in Erscheinung treten. Die Symptome sind unspezifisch. Die Diagnose ergibt sich radiologisch, endoskopisch und nach Sono- bzw. CT. Therapeutisches Ziel ist die operative Exzision der Duplikatur unter Erhaltung des Hauptorgans.
Das Mallory-Weiss-Syndrom bezeichnet längsverlaufende Einrisse von Mukosa und Submukosa am ösophagokardialen Übergang, die nach starkem Würgen oder Erbrechen, nicht selten bei Alkoholikern entstehen. Sie werden als Vorstufe der spontanen Ösophagusruptur gesehen (s. S.497). Klinisch steht die oft massive Blutung im Vordergrund. Die Diagnose wird endoskopisch erhoben. Die meisten Blutungen kommen spontan oder nach endoskopischer Unterspritzung zum Stillstand. Nur bei massivem Blutverlust (> 6 Konserven in 24 Stunden) ist die operative Übernähung nach Gastrotomie erforderlich.
545
Therapie Nur a u s n a h m s w e i s e operativ: - Einstülpung, Resektion - Ausschaltung der d u o d e n a l e n P a s s a g e (B II) Rotation d e s M a g e n s e n t w e d e r sub- (1/3) oder supradiaphragmal (2/3). Der supradiaphragmale Volvulus entsteht bei einer p a r a ö s o p h a g e a l e n Hernie ( u p s i d e - d o w n stomach). Der s u b d i a p h r a g m a l e Volvulus kann in der Längs- oder Q u e r a c h s e erfolgen Symptome und Diagnose Akute Oberbauch- oder Thoraxschmerzen, Endoskopie
Therapie Bei akutem Volvulus dringliche Operationsindikation w e g e n Gefahr der Nekrose Fehibiidungen Am häufigsten sind Duplikaturen d e s Mag e n s (s. Kapitel Kinderchirurgie)
Mallory-Weiss-Syndrom
Bezoare sind Fremdkörper, die aus Pflanzen (Phytobezoare) oder H a a r e n bestehen, die sich psychisch gestörte Patienten ausreißen u n d essen (Trichobezoare). Bezoare wurden früher nicht selten bei magenresezierten Patienten gefunden und können eine Magenentleerungsstörung, Druckulzera und Blutungen verursachen. Diagnosestellung durch Endoskopie oder Röntgenuntersuchung. Therapeutisch kann die endoskopische Verkleinerung unter Umständen nach oraler Z u f u h r proteolytischer M e d i k a m e n t e versucht werden. Gelingt dies nicht, ist die operative Entfernung nach Gastrotomie indiziert.
Bezoare Fremdkörper, die a u s Pflanzen (Phytobezoare) o d e r a u s Haaren (Trichobezoare) bestehen, die sich debile o d e r psychisch gestörte Patienten a u s r e i ß e n und dann verschlucken
Verletzungen des Magens (s. Kap. 44.2, S.889) können durch einen intragastralen Überdruck mit nachfolgender Wandruptur, penetrierende Traumen, die zur Wanderöffnung führen, oder durch chemische Substanzen verursacht werden. Die Spontanruptur tritt nur sehr selten bei Magengesunden nach exzessiven Mahlzeiten oder nach Einpumpen von Gas (z.B. Fehlintubation) auf. Die Symptome entsprechen denen eines akuten Abdomens. Es ist die sofortige Operation indiziert, um die Rupturstelle zu verschließen. Ähnliches gilt für penetrierende Stich- und Schußwunden. Unbeabsichtigtes oder suizidales Trinken von Säure oder Laugen kann neben Verätzungen von Mund, Rachen und Speiseröhre auch zur Schädigung des Magens führen, die von der Rötung bis zur vollständigen Zerstö-
Verletzungen Ursachen: - intragastraler Überdruck - penetrierende Traumen (Stich- o d e r Schußverletzungen) - Spontanruptur und Verätzungen durch Säuren o d e r Laugen
546
Symptome: akutes Abdomen. Sofortige Operation! - bei Verätzungen: Schmerzen im Rachenbereich, Epigastrium und retrosternal, Schluck- und Atemstörungen Therapie: Schmerzbekämpfung, Antibiotika, evtl. Kortison, parenterale Ernährung, bei drohender oder erfolgter Perforation -> Resektion der betroffenen Magenabschnitte, im Extremfall Ösophagogastrektomie
35. Chirurgie des Verdauungstraktes rung durch Koagulation (Säure) oder Kolliquation (Laugen) reichen kann (s. Kap. 35.1, S.498). Die Symptome sind von der Art, der Menge und der Einwirkungszeit der chemischen Substanz abhängig. Schmerzen im Rachenbereich, Schluckund Atemstörungen stehen im Vordergrund. Sind Ösophagus und Magen betroffen, bestehen retrosternale und epigastrische Schmerzen. Tritt keine Perforation auf, können im weiteren Verlauf Stenosen und Strikturen, vorwiegend am Magenausgang, entstehen. Die Therapie richtet sich nach der Schwere der Verletzung. Bei fehlender Perforation ist eine abwartende Haltung mit engmaschiger Überwachung angezeigt, bei eingetretener oder drohender Perforation Operation mit Entfernung der geschädigten Magenabschnitte, unter Umständen auch die Ösophagogastrektomie. Stenosen werden situationsabhängig reseziert oder endoskopisch erweitert.
Fremdkörper von Kindern, Debilen und Strafgefangenen häufig verschluckt - meist gastroskopisch zu entfernen - Operation selten erforderlich, da meist komplikationslose Passage per vias naturales
Fremdkörper. Gegenstände können akzidentiell oder mit Absicht geschluckt werden, ohne daß hierdurch eine wesentliche Gefahr für den Patienten entsteht. Kinder unter 2 Jahren, psychisch Kranke und Alkoholiker sind häufiger betroffen. Hat der Fremdkörper den oberen Schließmuskel der Speiseröhre passiert, ist meist die Passage durch den weiteren Gastrointestinaltrakt auch für scharfe und spitze Gegenstände ohne Schwierigkeiten möglich. Die Symptomatik ist dementsprechend gering, es sei denn, der Fremdkörper führt zur Perforation und zum akuten Abdomen. Bei Verdacht auf einen verschluckten Fremdkörper Diagnosesicherung durch Röntgenuntersuchung von Thorax und Abdomen sowie Endoskopie und Sonographie. Fremdkörper im Magen, die bei endoskopischen Untersuchungen nicht entfernbar sind, gehen meist, unterstützt durch eine ballaststoffreiche Kost, auf natürlichem Wege ab.
Komplikationen nach Magenteilresektion und Gastrektomie
2.3.11 Komplikationen nach Magenresektion und Gastrektomie
1. Intraabdominelle Nachblutung: - meist in den ersten Stunden postoperativ auftretend Therapie: Volumenersatz, Blutkonserven, möglichst rasch Operation 2. Anastomosenblutung: kann unmittelbar postoperativ oder nach Tagen auftreten
Die häufigsten postoperativen Komplikationen sind: • intraabdominale und Anastomosenblutung, Entleerungsstörungen nach Teilresektion des Magens • Nahtinsuffizienz an der Ösophago- bzw. Gastrojenunostomie und Duodenalstumpfinsuffizienz nach Billroth II-Resektion. Die intraabdominale Nachblutung tritt meist in den ersten postoperativen Stunden auf. Hinweisend sind Blutverluste über liegende Drainagen und Zeichen des Volumenmangels. Therapie: Volumen- und Blutersatz, je nach Dringlichkeit und Schwere Relaparotomie. Blutungen aus der Anastomose nach Magenresektion können unmittelbar postoperativ oder auch Tage später auftreten. Durch Umstechung der submukösen Gefäße vor Anlegen der Anastomose ist diese Komplikation selten. In der Regel kommt die Blutung spontan zum Stillstand, bei stärkerer Blutung die endoskopische Unterspritzung und nur selten die operative Übernähung. Eine Blutung während des postoperativen Verlaufs kann auf eine Anastomoseninsuffizienz hinweisen.
3. Entleerungsstörungen nach Teilresektion: durch Anastomosenödem bedingt. Zeichen: Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen
Entleerungsstörungen des Magenrestes sind häufig und in der Regel durch ein Anastomosenödem bedingt. Mit Nahrungsaufnahme Übelkeit, Erbrechen und Sodbrennen. Die Röntgenkontrolle mit wasserlöslichem Kontrastmittel klärt die Situation. Therapie: Fortführung der parenteralen Ernährung, Entlastung durch eine Magensonde und endoskopische Dilatation, sofern die Entleerungsstörung längere Zeit anhält.
4. Nahtinsuffizienz: Gefürchtetste Komplikation, meist am 5-15. Tag p.o. auftretend, besonders an der ösophagogastralen Anastomose. Durch die KlammernahtTechnik seltener geworden
Die Nahtinsuffizienz ist die gefürchtetste Komplikation nach Magenresektion und Gastrektomie. Besonders gefährdet ist die Ösophagojejunostomie. Durch Anwendung der modernen Klammernaht-Techniken ist die Gefährdung erheblich zurückgegangen. Klinisch tritt die Nahtinsuffizienz meist zwischen dem 5. und 15. postoperativen Tag in Erscheinung mit Zeichen der Infektion und Sepsis. Über die liegende Drainage entleert sich fibrinhaltiges, eitriges oder galliges Sekret. Die Diagnose kann durch GastrografinDarstellung der Anastomose gesichert werden. Therapie: parenterale Er-
Magen und Duodenum
547
nährung, Antibiotika und ausreichende Ableitung durch eine Drainage, die ggf. durch perkutane Punktion oder durch eine Relaparotomie erfolgen muß. 2.3.12 Folgeerkrankungen nach Magenteilresektion und Gastrektomie
E r k r a n k u n g e n n a c h Magenteiiresektion u n d Gastrektomie
Jede Magenoperation greift in den Verdauungsmechanismus ein. Die Folgen sind individuell unterschiedlich und zeitabhängig. In der Regel bessern sich die postoperativen Funktionsstörungen mit zunehmendem Abstand zur Operation. Praxishinweis: Langfristig sind in 10-20 % nach Magenresektion oder Gastrektomie Funktionsstörungen zu erwarten.
Folgen in 10-20%, individuell unterschiedlich und zeitabhängig
Einteilung. Postoperative Folgeerscheinungen sind: • Funktionsstörungen und Operationsfolgen: Dumping-Syndrom, Diarrhoe, Refluxgastritis, Magenstumpfkarzinom • operationstechnisch bedingte Folgen: Syndrom der zuführenden und abführenden Schlinge, Syndrom des kleinen Magens • Resorptionsstörungen: Anämie, Knochenerkrankungen und • Rezidivgeschwüre
Einteilung
2.3.12.1 Dumping-Syndrom
Oumping-Syndrom
Zu unterscheiden ist das Früh- und das (seltene) Späisyndrom, wobei die Häufigkeitsangaben durch unterschiedliche Definitionen erheblich schwanken. • Das Früh-Dumping-Syndrom ist gekennzeichnet durch die Kombination von abdominalen und Kreislaufsymptomen, die abhängig von der Nahrungsaufnahme auftreten und 5 ^ 5 Minuten nach der Nahrungsaufnahme zu abdominellen Beschwerden mit Völlegefühl, Übelkeit, Krämpfen sowie Schocksymptomen wie Tachykardie, Schwitzen, Schwäche, Schwindel und Blutdruckabfall führen. Nach etwa 1 Stunde klingen die Symptome wieder ab. Da die Patienten die Nahrungsaufnahme meiden, nehmen sie nicht selten an Gewicht ab.
1. Früh-Dumping-Syndrom • 5-45 Minuten nach Nahrungszufuhr: abdominale Beschwerden: Völlegefühl, Übelkeit, Krämpfe und Schocksymptomatik: Tachykardie, Schwitzen, Schwäche, Schwindel, RR4-
Pathogenese. Entscheidend für die Entstehung des Frühsyndroms sind der Verlust der Pylorusfunktion nach Magenresektion und die Durchtrennung des N. vagus. Nach 2/3-Resektion und trunkulärer Vagotomie sowie Pyloroplastik ist im Langzeitverlauf die Häufigkeit eines Früh-Dumping-Syndroms ähnlich (9-33 %), nach SPV mit Pyloroplastik höher als nach alleiniger SPV, nach der die Häufigkeit am geringsten ist und als Folge des Verlustes der rezeptiven Relaxation nach Vagotomie gesehen wird. Nachweisbare pathogenetische Faktoren beim Frühsyndrom sind beschleunigter Übertritt hyperosmolarer Nahrung in den Dünndarm, vermehrter Flüssigkeitseinstrom in den Darm mit der Folge des Volumenmangels, Überdehnung und vermehrte Durchblutung der Dünndarmwand, Steigerung der Peristaltik und Freisetzung zahlreicher Enterohormone und humoraler Substanzen, wobei keiner dieser Faktoren allein verantwortlich sein dürfte.
Pathogenese: Durch Ausfall der Pylorusfunktion und Vagusdurchtrennung rascher Übertritt der Speisen in den Dünndarm -»vermehrter Flüssigkeitseinstrom in den Darm (osmolares Gleichgewicht gestört) -»Überdehnung der Darmwand und intravasaler Volumenmangel Freisetzung von Enterohormonen
Diagnose: Die Abklärung stützt sich auf die Anamnese; sie kann im Zweifelsfall durch Verabreichung von Wasser bzw. Glukose (50 % in 100 ml Wasser) objektiviert werden. Der exzessiven Hyperglykämie in der ersten Stunde nach Glukosezufuhr folgt eine reaktive Unterzuckerung.
Diagnose: Anamnese. Provokation durch Glukoseverabreichung
Therapie: Umstellung der Nahrungsaufnahme: Vermeidung von Kohlenhydraten zugunsten von Eiweiß und Fett, schlackenreiche Kost, kleine Mahlzeiten, möglichst keine Flüssigkeitsaufnahme während der Mahlzeiten (besser 30-60 Minuten nach Zufuhr fester Speisen), Hinlegen nach der Nahrungsaufnahme. In 80% kann allein durch diätetische Maßnahmen eine symptomatische Besserung erzielt werden.
Therapie: • Umstellung der Nahrungsaufnahme: Vermeidung von Kohlenhydraten zugunsten von Eiweiß und Fett, kleine häufige Mahlzeiten, keine Flüssigkeitsaufnahme während des Essens, Hinlegen nach dem Essen • medikamentös: Verabreichung von Quellstoffen, in Extremfällen Somatostatin
Medikamentös kann durch Verabreichung von Quellstoffen (Guargun oder high methoxy pectin) eine Änderung der Speisenviskosität und eine Verzögerung der Entleerung erzielt bzw. die Umwandlung komplexer Zucker in Monosaccharide (glyco-
548
35. C h i r u r g i e des Verdauungstraktes
Abb. 35.2-25: Operatives Verfahren bei einem schweren Dumping-Syndrom nach vorausgegangener Magenresektion. Anisoperistaltische Interposition einer Jejunumschlinge zwischen Magenrest und Duodenum zur Wiederherstellung der Duodenalpassage und Verzögerung der Magenentleerung (Antiperistaltik)
side hydrolase inhibitor) verhindert werden. Auch Somatostatin® wird eingesetzt, erfordert aber mehrmals täglich eine Injektion und kann selbst Diarrhoen und Hypoglykämien auslösen.
Operation: selten notwendig. Umwandlung eines Billroth II in einen Billroth I oder kurzstreckige anisoperistaltische Jejunuminterposition zwischen Restmagen und Duodenum
Die operative Therapie ist erst nach Ausschöpfung aller konservativen Maßnahmen, frühestens 1-2 Jahre postoperativ, zu erwägen und dürfte allenfalls bei 1 % der Patienten indiziert sein. Mehrere Verfahren werden angewendet, die Ergebnisse sind jedoch nur bei einem Teil der Patienten befriedigend. Bevorzugte Operationsmethoden sind die Umwandlung einer Billroth II-Anastomose in die Billroth I-Version und die anisoperistaltische Interposition einer 10-20 cm langen Dünndarmschlinge zwischen Magenrest und Duodenum (Abb. 35.2-25) mit Vagotomie.
2. Spät-Dumping-Syndrom selten, bedingt durch eine Hypoglykämie nach reaktiver Hyperinsulinämie, etwa 2 Stunden nach dem Essen auftretend Therapie: Kohlenhydratarme und eiweißreiche MahlzeitenDiarrhöen nach Magenresektion
• Spät-Dumping-Syndrom, sehr selten, wird durch eine Hypoglykämie nach reaktiver Hyperinsulinämie 1-2 Stunden nach Nahrungsaufnahme verursacht. Therapeutisch wirksam sind häufige und kohlenhydratarme, eiweißreiche Mahlzeiten.
• vor allem nach trunkulärer Vagotomie: 20-30% • nach selektiver V. 8-11 % • nach Magenresektion 7% • nach SPV 3-5% Therapie: Diät, Cholesthyramin und Antidiarrhoika
Der Durchfall tritt vor allem nach trunkulärer Vagotomie (20-30 %), seltener nach selektiver Vagotomie (8-11%), Magenresektion ( 7 % ) oder SPV (3-5%) auf. Die Häufigkeitsangaben schwanken entsprechend der unterschiedlichen Definition, dem verschiedenartigen Erscheinungsbild und dem unterschiedlichen Empfinden des Patienten. Das vermehrte Auftreten nach trunkulärer Vagotomie spricht für eine vagale Ursache, möglicherweise liegt zusätzlich eine Störung des Gallenstoffwechsels vor. Die Therapie besteht in der Vermeidung von diarrhoe-auslösenden Nahrungsmitteln, der Verabreichung von Cholesthyramin und Antidiarrhoika. Eine Operation ist nicht indiziert.
Refluxgastritis Nach Pylorusentfernung Reflux von Duodenalinhalt in den Magen oder über eine Gastroenterostomie -»Gastritis
Refluxgastritis. Nach Resektion oder Durchtrennung des Pylorus kann es zum Reflux von Duodenalinhalt in den Magen mit nachfolgender Gastritis kommen. Für die Entstehung des Ulcus ventriculi wird dieser Mechanismus diskutiert. Postoperativ kann je nach Operation eine Steigerung eintreten. Der Reflux ist am stärksten nach Gastrojenunostomie (B II) ohne Enteroanastomose, ein Verfahren, das nur noch selten zur Anwendung kommt; nach SPV und Gastrojenunostomie mit Roux-Schlinge ist der Reflux nur minimal. Ob die Refluxgastritis Beschwerden verursacht, wird kontrovers diskutiert. Die Symptome sind unspezifisch: Übelkeit, Oberbauchschmerz, Gewichtsverlust und galliges Erbrechen. Differentialdiagnostisch sind sie vom Syndrom der zuführenden Schlinge (s. S. 549) und vom Anastomosenulkus abzugrenzen. Unabhängig von der klinischen Symptomatik hat die Refluxgastritis pathogenetische Bedeutung bei der Entstehung eines Magenstumpfkarzinoms (s. S.549). Zur Diagnosestellung dienen Gastroskopie und histo-
Symptome: Übelkeit, Schmerzen, galliges Erbrechen, Gewichtsverlust Diagnostik: Gastroskopie und Biopsie, Refluxszintigraphie
2.3.12.2 Diarrhoe u n d Refluxgastritis
Magen und Duodenum
549
logische Gewebeuntersuchung, Refluxszintigraphie und Analyse des Magenaspirats. Eine wirksame medikamentöse Therapie ist nicht bekannt. Versuchsweise können peristaltikanregende und gallensäurebindende Medikamente zur Anwendung kommen. Selten steht das gallige Erbrechen im Vordergrund und kann nach Ausschluß anderer Ursachen durch eine Gastrojejunostomie nach Roux behoben werden.
Therapie: Peristaltikhemmende und gallensäurebindende Medikamente. Operativ durch Roux-Anastomose mit langer Schlinge
2.3.12.3 Magenstumpfkarzinom
Magenstumpfkarzinom
Defintion: Karzinom im Restmagen, das frühestens 5 Jahre nach Magenresektion wegen eines gutartigen Leidens auftritt. Mehrere Untersuchungen haben ab dem 25. postoperativen Jahr ein erhöhtes Magenstumpfkarzinomrisiko ergeben. D a r a n zu denken ist, wenn der Patient nach jahrelanger Beschwerdefreiheit erneut über Magenbeschwerden klagt und bei jedem Anastomosenulkus im späten postoperativen Verlauf. Die Prognose des Magenstumpfkarzinoms ist wegen der häufig zu späten Diagnosestellung ungünstig. O b routinemäßige Kontrollendoskopien nach dem 15. postoperativen Jahr bzw. dem 55. Lebensjahr die Prognose verbessern können, ist fraglich. Es empfiehlt sich jedoch, bei Beschwerden eine Endoskopie zu veranlassen, dabei routinemäßig Gewebeproben aus dem Anastomosenbereich zu entnehmen und zumindest bei dysplastischen Veränderungen engmaschige Kontrollen anzuschließen. Therapie: Entfernung des Restmagens mit den regionalen Lymphknoten, perigastral und entlang der Äste des Truncus coeliacus. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen bei 10 %.
Karzinom im Restmagen frühestens 5 Jahre nach Magenresektion wegen benigner Erkrankung, erhöhtes Risiko ab dem 25. postoperativen Jahr Symptome: Magensymptome nach jahrelanger Beschwerdefreiheit, Rezidivulkus Diagnose: Endoskopie mit Biopsie. Regelmäßige Vorsorge-Endoskopien nach dem 15. postoperativen Jahr bzw. nach dem 55. Lebensjahr
Therapie: Radikale Entfernung des Restmagens, Lymphknotendissektion. Prognose ungünstig, 5-Jahres-Überlebenszeit 10%
2.3.13 Operationstechnische Folgen
Operationstechnische Folgen
• Das Syndrom der zuführenden Schlinge (afferent loop Syndrom) tritt nur nach Billroth Ii-Operation, bevorzugt bei Verzicht auf eine Enteroanastomose auf. Zwar wird dieses Verfahren heute kaum mehr angewendet, doch kann sich das Syndrom erst mehrere Jahre nach der Operation manifestieren.
1. Syndrom der zuführenden Schiinge • Tritt nach Billroth Il-Anastomose ohne Enteroanastomose auf.
Pathogenese. Dem Syndrom der zuführenden Schlinge liegt eine pathologische Füllung der zum Magen führenden Dünndarmschlinge zugrunde, was durch eine Stenose an der Anastomose bzw. eine Kompression dieser Schlinge von außen oder durch eine zu weite, fehlangelegte Anastomose bedingt sein kann (Abb. 35.2-26). Im ersten Fall ist die Entleerung der Schlinge behindert, im zweiten Fall gelangt die aufgenommene Nahrung überwiegend in die zuführende Schlinge, die sich nur mühsam mit galligem Erbrechen entleeren kann.
Die Symptomatik ist eindeutig. Es besteht nach der Nahrungsaufnahme ein sich steigerndes Völlegefühl mit Übelkeit. Schwallartiges, massives, galliges Erbrechen führt zur Besserung der Beschwerden, die sich nach einiger Zeit jedoch wieder einstellen.
Abb.35.2-26: Zuführendes Schlingen-Syndrom n. Magenresektion Billroth II. Typ I -> Stenose an der zuführenden Schlinge, Typ II -> zu tief angelegte und zu lange zuführende Schlinge. Beide Typen führen zu einer Entleerungsbehinderung der Schlinge. Korrektur: Enteroanastomose Seit-zu-Seit zwischen der zu- und abführenden Anastomosenschlinge
Symptome: • zunehmendes Völlegefühl und Übelkeit • Druck im Oberbauch • schwallartiges galliges Erbrechen
550 Diagnose: • gastroskopisch • radiologisch • hepatobiliäre Sequenzszintigraphie Therapie: • Korrekturoperation -> Enteroanastomose zwischen zu- und abführender Schlinge 2. Syndrom der abführenden Schlinge Sehr selten, durch Stenose an der abführenden Schlinge (Narbe, Ulkus, Verwachsungen, Invagination, Tumor) Symptomatik: • wie Magenausgangsstenose: Übelkeit, Druckgefühl, Sodbrennen, Erbrechen, Gewichtsverlust, hypochlorämische Alkalose Diagnostik: • Sonographie • Röntgen-Kontrastdarstellung mit Gastrog raf in • CT Therapie: • operative Korrektur 3. Kleiner Restmagen Bei erheblicher Reduzierung des Restvolumens gestörte und zu geringe Nahrungsaufnahme Symptome, Diagnose: Übelkeit, Inappetenz, Gewichtsverlust. Therapie: meist stabilisiert sich die Situation mit zunehmendem Zeitabstand von der Operation. Häufig kleine Mahlzeiten erforderlich
4. Resorptionsstörungen Sind häufig Ursache eines postoperativen Gewichtsverlustes, besonders nach Gastrektomie Therapie: • Verdauungsenzyme • häufige kleine und hochkalorische Mahlzeiten
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Zur Diagnostik eignet sich die Gastroskopie und die radiologische Darstellung, bei der sich entweder die zuführende Schlinge zunehmend füllt und nur langsam entleert oder gar nicht darstellt. Hier kann dann die Darstellung der Schlinge nach Verabreichung von gallengängigem Kontrastmittel oder szintigraphisch erfolgen (hepatobiliäre Sequenzszintigraphie). Therapie: Operative Korrektur, durch Anlegen einer Verbindung zwischen zu- und abführender Schlinge (Enteroanastomose). Je nach Situation kann auch eine Neuanastomosierung zwischen Magenrest und Dünndarm sinnvoll sein. • Das Syndrom der abführenden Schlinge (efferent loop Syndrom) ist selten und durch eine Stenose an der abführenden Schlinge bedingt. Sie kann Folge einer Vernarbung bei rezidivierendem Ulkus oder einer Kompression von außen (Tumor, Narben) sowie einer Invagination im Bereich der Magen- oder Dünndarmanastomose sein. Die Symptomatik ist wie bei Magenausgangsstenose. Bei einer Invagination können neben den akuten abdominalen Beschwerden Erbrechen und Hämatemesis hinweisen. Das Invaginat ist bisweilen palpabel oder im Sonogramm bzw. CT darstellbar. Die operative Beseitigung der Invagination ist in der Akutsituation dringend, wobei in der Regel gleichzeitig eine Korrektur der Ursache erfolgt. • Kleiner Restmagen. Die Reduzierung des Magenvolumens bzw. die Entfernung des gesamten Magens führt postoperativ zu Problemen, wenn die Nahrungsaufnahme präoperativ ungestört war und der Patient seine Gewohnheiten bei der Nahrungsaufnahme beibehält. Die Folgen sind Übelkeit und Gewichtsverlust, in den ersten postoperativen Monaten fast immer nach Gastrektomie und Teilresektion, selten nach selektiver proximaler Vagotomie auftretend. Mit zunehmender Anpassung an die veränderte Situation (Aufnahme kleiner Mahlzeiten, Änderung der Nahrungszusammensetzung) stabilisiert sich das Körpergewicht. Auch nach Gastrektomie sind die Patienten in der Regel in der Lage, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen, um ihr Idealgewicht zu halten. Ob die Pouchbildung eine wirkliche Verbesserung darstellt, muß derzeit offenbleiben. Bestehen ausgeprägte Gewichtsprobleme, sind schwere Resorptionsstörungen anzunehmen, die häufig durch zusätzliche Erkrankungen wie Pankreasinsuffizienz oder bakterielle Fehlbesiedlungen bedingt sind und abgeklärt werden müssen. • Resorptionsstörungen (Malabsorption) nach Gastrektomie und subtotaler Magenresektion werden als Ursache des postoperativen Gewichtsverlustes und anderer Folgeerkrankungen angenommen und können ihre Ursache in einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Jejunums nach Reduktion der Säureproduktion, einer beschleunigten Darmpassage, Veränderungen der Dünndarmmukosa (Reduzierung der Zahl und Größe der Mikrovilli) sowie einer pankreocibalen Asynchronie haben. Letztere ergibt sich nach Ausschaltung der Duodenalpassage, so daß keine optimale synchrone Mischung der Nahrungsbestandteile mit Pankreasenzymen und konjugierten Gallensäuren erfolgt. Eine eigentliche Pankreasfunktionsstörung liegt in der Regel aber nicht vor. Die Untersuchung der genannten Faktoren hat ergeben, daß Resorptionsstörungen insbesondere nach Gastrektomie nachweisbar sind, diese jedoch geringfügig und nur selten Ursache einer Mangelernährung sind. Die Erhaltung der Duodenalpassage führt zu einer Besserung der Glukoseresorption; in der Gesamtbilanz und dem klinischen Ergebnis schlägt sich dies jedoch nicht nieder. Vielmehr dürfte die unzureichende Nahrungsaufnahme (Exokarenz) für die Entstehung einer Mangelernährung nach Magenoperation den wichtigsten Faktor darstellen.
5. Anämie Anämien nach Magenresektion, Gastrektomie oder Vagotomie sind relativ häufig (30%) a) mikrozytäre Eisenmangelanämie: Hauptresorptionsort für Eisen ist das Duodenum, welches bei der Biilroth IIAnastomose aus der Nahrungspassage ausgeschaltet ist. Infolge Säurere-
• Anämie. Etwa bei 30 % der Patienten mit Magenresektion oder Vagotomie und Drainage kommt es zur Anämie, deren Häufigkeit mit der Länge des postoperativen Intervalls zunimmt. Meist handelt es sich um eine mikrozytäre Eisenmangelanämie, seltener um eine megalozytäre Anämie (Vitamin-B12- und Folsäuremangel). Eisen- und Vit.-B12-Spiegel können jedoch auch vermindert sein, ohne daß sich eine Anämie einstellt. Als Ursache des Eisenverlustes werden eine verminderte Resorption, insbesondere nach Ausschaltung des Duodenums (bevorzugter Resorptionsort für Eisen) ange-
Magen und Duodenum
551
nommen. Infolge der fehlenden Säureproduktion kommt es vermehrt zur Umwandlung der resorbierbaren zweiwertigen in die nicht resorbierbare dreiwertige Form. Da jedoch auch anazide Patienten Eisen resorbieren können und auch im Dünndarm eine Eisenresoption stattfindet, werden zusätzliche Faktoren für den Eisenmangel, beispielsweise eine verminderte Zufuhr, diskutiert. Eine Resorptionsstörung dürfte vor allem während des ersten postoperativen Jahres eine Rolle spielen, so daß bei Bedarf die parenterale Zufuhr in dieser Phase zu bevorzugen ist.
duktion Umwandlung von zweiwertigem in dreiwertiges Eisen
Die megaloblastische Anämie entsteht nach Gastrektomie durch den Verlust des Intrinsic-Faktors oder nach Teilresektion und atrophischer Gastritis des Restmagens. Die Verminderung der Säureproduktion, die für die B12Resorption gleichfalls von Bedeutung ist, stellt eine weitere Ursache neben einer bakteriellen Fehlbesiedlung und anderen Faktoren dar. Meist bleibt der B 12 -Mangel symptomlos, selten kann sich eine Degeneration der Rükkenmarkhinterstränge (funikuläre Myelose) entwickeln. Der megaloblastischen Anämie kann auch ein Folsäuremangel, meist Folge einseitiger Ernährung, zugrunde liegen. Das mögliche Auftreten einer Anämie rechtfertigt die regelmäßige Kontrolle nach Magenoperation und die routinemäßige Gabe von Vit. B 12 (alle sechs Monate 1000 [xg i.m.). • Knochenveränderungen nach Magenresektion sind häufiger als früher angenommen, treten zumeist erst nach dem 10. postoperativen Jahr auf und können sich als Osteomalazie, die zu erheblichen Knochenschmerzen führt, und als Osteoporose manifestieren.
b) Megaloblastische Anämie: kein Intrinsic-Faktor-> Vit. B12-Resorption gestört -> funikuläre Myelose Therapie: • parenterale Eisenzufuhr • parenterale Vit.-B12-Applikation
Knochendichtebestimmungen haben ergeben, daß nach Magenresektion der Knochenalterungsprozeß rascher abläuft und die Frakturhäufigkeit bei Männern 20 Jahre nach Magenresektion doppelt so hoch ist wie bei Nichtoperierten.
6. Knochenerkrankungen Häufiger als früher angenommen. Osteomalazische und osteoporotische Veränderungen als Folge eines Vitamin DMangels. Besonders bei Männern nach Magenresektion Behandlung mit Vit. D und Kalzium
Die Knochenveränderungen beruhen auf einem Vitamin-D-Mangel als Folge einer Resorptionsstörung von Fett und fettlöslichen Vitaminen sowie einer unzureichenden Nahrungsaufnahme. Die Therapie besteht in einer Behandlung mit Vitamin D und Calzium. • Rezidivulzera können nach allen operativen Verfahren wegen gastroduodenalem Ulkus auftreten. Nach Vagotomie wegen Duodenalulkus finden sie sich meist im Duodenum, seltener im Pyloruskanal oder Magen. Nach Magenresektion und Gastrojejunostomie entstehen die Geschwüre unmittelbar distal der Anastomose im Dünndarm (Ulcus pepticum jejuni). Anastomosenulzera können sich auch nach Magenresektion aus anderer Indikation entwickeln (z.B. nach partieller Duodenopankreatektomie). Die Häufigkeit ist abhängig von der Art der zugrundeliegenden Ulkuserkrankung, der Art der Operation und anderen Faktoren. Pathogenetisch bedeutsam sind: • inadäquate Säurereduktion infolge operationstechnischer Faktoren: zu kleine Resektion, inkomplette Vagotomie, Teilerhaltung des Antrums bei präpylorischer Magenresektion mit Hypergastrinämie und endokriner Faktoren: Zollinger-Ellison-Syndrom, Hyperparathyreoidismus • Entleerungsstörungen des Magens oder Magenrests („Stase-Ulkus") • exogene Faktoren (Nikotin, NSAD).
7. Rezidivulzera nach allen Operationen wegen gastroduodenaler Geschwüre Lokalisation: • nach Vagotomie im Duodenum, selten im Pylorusbereich • nach Magenresektion distal der Anastomose (Ulcus pepticum jejuni) Pathogenetische Faktoren • unzureichende Säurereduktion durch technische Fehler • endokrine Faktoren (Hyperparathyreoidismus, Zollinger-Ellison-Syndrom) • Entleerungsstörungen -> „Stase-Ulkus" • exogene Faktoren
Rezidivulzera können asymptomatisch oder symptomatisch (Schmerzen) mit Komplikationen sein: Blutung, Penetration, Perforation oder gastrokolische Fistel (Abb.35.2-27 a). Bei der Fistel gelangt aufgenommene Nahrung direkt, d. h. unter Umgehung des Dünndarms in das Kolon und wird nicht resorbiert. Die Folgen sind Durchfälle mit unverdauten Nahrungsbestandteilen und hochgradige Abmagerung. Diagnose. Der Ulkusnachweis erfolgt gastroskopisch. Zur Abklärung der Ulkusursache sind Anamnese und die Bestimmung von Gastrin, Kalzium sowie Parathormon wichtig. Ein belassener Antrumrest kann szintigraphisch identifiziert werden. Die Magensekretionsanalyse erlaubt meist keine Aussage zur Ursache. Bei Verdacht auf eine gastrokolische Fistel Röntgen-Kontrastuntersuchung des Magens. Die Therapie entspricht dem Vorgehen bei nicht operiertem Ulkus. Zunächst konservative Behandlung; die Rezidivrate ist nach Beendigung der Therapie mit ~ 70 % hoch. Ulkuspersistenz und -rezidiv, -komplikationen,
Symptome: Ulkusbeschwerden
Diagnose: Gastroskopie mit Biopsie, Röntgen-Kontrastdarstellung, Gastrin-, Kalzium- sowie Parathormonbestimmung. Sekretionsanalyse unzuverlässig • Komplikationen: Blutung, Penetration (gastrokolische Fistel!), Stenose Therapie • konservative Behandlung: Säurereduktion und -neutralisation
552
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.2-27: Zustand nach Magenresektion Billroth / / m i t einem Ulkusrezidiv und Ausbildung einer gastrokolischen Fistel (a). Korrekturoperation: Trunkuläre Vagotomie. Segmentresektion am Querkolon und End-zu-End-Anastomose, Nachresektion des Magens und der GE, Wiederherstellung der Nahrungspassage durch End-zu-End-Anastomose am Dünndarm und erneuter GE (b) oder Umwandlung der Magenanastomose in eine Billroth-I-Anastomose (c)
operativ: Bei inadäquater Säurereduktion: Magennachresektion +trunkuläre Vagotomie, evtl. transthorakal bei Komplikationen z.B. endoskopische Blutstillung oder dringlich operativ. Gastrokolische Fistel: Magennachresektion und Kolonübernähung oder Resektion Heilungsquote ~ 90%
Dünndarm (Jejunum, Ileum!
insbesondere Stenose und gastrokolische Fistel, Operationsindikationen (Abb. 35.2-27 b). Ausgehend von der Annahme, daß das Rezidivulkus Folge einer inadäquaten Säurereduktion ist und daß die Kombination von Vagotomie und Resektion mit größter Sicherheit die Säure ausschaltet, wird bei der Zweitoperation nach vorangegangener Vagotomie reseziert und umgekehrt nach vorheriger Resektion vagotomiert. Allerdings ist die definitive Entscheidung im Einzelfall abhängig von der zu korrigierenden Situation. In etwa 90 % Heilung nach operativer Therapie.
3. Dünndarm (Jejunum, Ileum) D. Lorenz 3.1 A n a t o m i e , Physiologie
Anatomie Dünndarm = Duodenum, Jejunum und Ileum Jejunum und Ileum liegen komplett intraperitoneal Anatomische Grenzen: - proximal Flexura duodenojejunalis - distal Valva ileocaecalis Durchmesser: ca. 4 cm Länge: ca. 3 m Resorptionsfläche: ca. 200 m 2 Extreme Beweglichkeit durch mobiles Mesenterium, damit gute Explorationsmöglichkeit per Laparoskopie und Laparotomie Beurteilungskriterien der Darmvitalität: - blaugraue glänzende Serosa - spontane oder durch Palpation induzierbare Peristaltik - sichtbare Pulsation der Mesenterialarterien (Aa. jejunales et ileales) Venöser Abstrom über V. mesenterica sup. Lymphgefäße und -knoten dienen der Drainage und Abwehr
Klinische Anatomie. Zum Dünndarm gehören Duodenum (s. Kap.35.2 S.510), Jejunum und Ileum. Das Jejunum beginnt an der Flexura duodenojejunalis (TreitzBand) und geht nach ca. 2 Fünftel der Gesamtlänge des Dünndarms, makroskopisch nicht erkennbar, in das Ileum über. Dieses findet an der Valva ileocaecalis (BauhinKlappe) Anschluß an den Dickdarm. Mit einem Durchmesser von etwa 4 cm und einer Länge von ca. 3 m beim Erwachsenen beträgt die Resorptions- und Sekretionsfläche durch Schleimhautfalten, Zotten und Mikrovilli ca. 200 m 2 . Der nach Laparotomie und Abheben des Omentum majus sichtbare Dünndarm ist durch das lange Mesenterium sehr beweglich. Das erlaubt bei einer Laparoskopie die uneingeschränkte visuelle und bei Laparotomie zusätzlich die palpatorische Exploration. Dies betrifft insbesondere morphologische und vaskuläre Störungen. Gefäße. Arteriell wird der Dünndarm über die Aa. jejunales und Aa. ileales aus der A. mesenterica superior versorgt. Die entsprechenden Venen münden in die V. mesenterica superior und damit in die Pfortader. Der Dünndarm ist das größte Lymphorgan. Ein Chylusgefäß liegt zentral in den Zotten und findet Kontakt zu den lymphatischen Solitärfollikeln in der Submukosa, den Peyer-Plaques. Über das Mesenterium münden die Lymphgefäße in die Cisterna chyli und von dort über den Ductus thoracicus in das venöse System. Zahlreiche Nodi lymphatici mesenterici liegen zwischen Dünndarm und Cisterna chyli, die oberhalb des Truncus coeliacus lokalisiert ist. Hinsichtlich der Innervation des Dünndarms sind intramural 2 Plexus mit unterschiedlichen Funktionen vorhanden. Der Plexus myentericus (Auerbach) zwischen der Ring- und Längsmuskulatur und der Plexus submucosus (Meissner), der zwischen Tbnica muscularis mucosae und Tela submucosa liegt, enthalten eine dichte
D ü n n d a r m (Jejunum, Ileum)
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Ganglienzell-, Gliazell- und Nervenfaserstruktur. Vom Ösophagus bis zum Rektum vorhanden, sind diese nervalen Strukturen in der Dünndarmwand verantwortlich für die Funktionen von Muskulatur, Blutgefäßen, sekretorischen und resorbierenden Mukosazellen. Während der Auerbach-Plexus die Motorik steuert, ist der MeissnerPlexus für Sekretion, Resorption und Motilität der Mukosa verantwortlich. Die parasympathische Innervation erfolgt über präganglionäre Fasern des N. vagus und die sympathische über präganglionäre Fasern des lO.thorakalen Segments des Rückenmarks.
Auerbach- und Meissner-Plexus steuern intramurale Muskel- und Schleimhautfunktionen
Physiologie. Die 5 wichtigsten Funktionen des Dünndarms sind: Nahrungstransport, Resorption, Sekretion, hormonelle Steuerung, immunologischer Schutz. Enzymproduzierende Zellen der Dünndarmschleimhaut spalten Disaccharide, sezernieren Hormone und bilden eine immunologische Barriere zur Erhaltung der Integrität des Organismus.
Physiologie Dünndarm ist wichtiges Transport-, Absorptions- und immunologisches Organ • Absorption von Aminosäuren, Kohlenhydraten, Monoglyzeriden, Spurenelementen: oberer Dünndarm • Vit. B 12, Gallensalze: distales Ileum
Resorption. Im oberen Dünndarm werden die meisten Aminosäuren, Kohlenhydrate, Monoglyzeride, Vitamine, Kalzium, Magnesium und Eisen absorbiert, im distalen Ileum Vitamin B12 und Gallensalze. Pathophysiologie. Störungen der Funktion und Morphologie des Dünndarms können gravierende und vital bedrohliche Krankheitszustände verursachen. Dazu zäh• Darmwandschäden: Perforation, Durchblutungsstörungen, Fisteln, Adhäsionen, Divertikel, Entzündungen, Strahlenschäden • Transportstörungen: Ileus, Diarrhoe; Digestions- und Resorptionsstörungen: Malassimilation • intestinale Blutung; Kurzdarm-, Blindsacksyndrom.
3.2 Erkrankungen 3.2.1 S y m p t o m e und Diagnostik
Präganglionäre Fasern des N. vagus und des "lO.thorakalen Rückenmarksegments realisieren parasympathische und sympathische Steuerung
Pathophysiologie 5 gravierende Störungskomplexe: 1. Wandläsionen (Perforation, Durchblutungsstörung) 2. Okklusion, Obstruktion (Ileus) Paralyse, Diarrhoe 3. Malassimilation (Blindsack) 4. Blutverluste (Schock, Anämie) 5. Anatomische Veränderungen (Divertikel) Erkrankungen Allgemeine Symptomatik
Symptome bei Dünndarmerkrankungen sind: Schmerzen mit oder ohne Zeichen einer Peritonitis; Passagestörungen: Symptome eines Ileus mit Übelkeit, Erbrechen, Wind- und Stuhlverhaltung oder Diarrhoe; akute Durchblutungsstörungen; intestinale Blutung mit Blut im Stuhl, Teerstuhl; interenterische und kutane Fisteln; Malassimilationssyndrom; Entzündung. Diagnostik. Die diagnostischen Verfahren sind symptom- und dringlichkeitsabhängig auszuwählen: • Röntgenuntersuchung: Abdomenleer auf nähme im Stehen, Liegen und in Seitenlage zeigt freie Luft subdiaphragmal und Dünndarmspiegel. Enteroklysma nach Seilink und fraktionierte Dünndarmpassage mit Bariumsulfat zur Beurteilung von Darmwandläsionen, Tumoren oder Passagehindernissen. Selektive Mesenterikographie: zeigt arterielle und venöse Durchblutungsstörungen, Blutungsquellen und Tumoren (Abb.35.3-1), CT, MRT: Tumorsuche. Fistulographie: Darstellung enterokutaner Fisteln. • Sonographie: sicherste Methode zum Nachweis freier Flüssigkeit im Abdomen (Blut, Pus, Darminhalt), zeigt Wandödem, verdickte Darmwände und überdehnte Darmschlingen bei Ileus. • Endoskopie. Mit der Ösophagogastroduodenoskopie ist der Darm bis zum Treitz-Band und per Koloskopie bis zur Bauhin-Klappe einseh- und biopsierbar (histologische Untersuchung). So können bestimmte Symptome, wie z. B. Blut im Stuhl, dem Dünndarm zugeordnet werden. • Laborchemische Untersuchungen (Diagnostik der Malassimilation). Stuhlanalysen auf Blut, Parasiten, Bakterien, unverdaute Nahrungsbestandteile; 25 g-D-Xylose-Belastungstest, quantitative Fettbestimmung im Stuhl (Van-de-Kamer-Methode), Bestimmung der Serum-beta-Carotin-Konzentration im Serum, Schilling-Test sowie eine Reihe atemanalytischer Tests
Leitsymptome
Diagnostik 1.Röntgenuntersuchung: • Abdomenleeraufnahme • Enteroklysma • fraktionierte Dünndarmpassage • selektive Mesenterikographie, • Fistulographie, • CT, M R T 2. Sonographie • Nachweis freier Flüssigkeit, • Beurteilung von Dünndarmwand und Lumen 3. Endoskopie Ausschlußdiagnostik für Ösophagus, Magen, Duodenum, Kolon, Rektum. S y m p t o m e können damit dem Dünndarm zugeordnet werden. 4. Laboruntersuchungen • Stuhlanalysen • Funktionsanalysen zum Nachweis von Malabsorption, septischen Prozessen und Anämie
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
mit 14 C0 2 -Glykocholat oder 14 C0 2 -D-Xylose sowie H 2 -Atemtest nach Glukose oder Laktulose dienen der aufwendigen Diagnostik des Malassimilationssyndroms; biochemische Serumanalysen zur Erkennung von Digestions- bzw. Resorptionsstörungen (Eisen, Magnesium, Kalzium), septischen Prozessen (Leukozytose, Linksverschiebung im Blutbild, C-reaktives Protein, Leukozyten-Elastase) und einer chronischen Anämie. 5. Peritoneallavage: selten indiziert 6. Laparoskopie: Hilfreich für die Indikationsstellung zur Laparotomie (Dünndarmwandveränderungen, Divertikel, entzündliche Prozesse, Appendizitisausschluß)
• Die Peritoneallavage hat ihre Bedeutung für die Diagnostik intraabdominaler Blutungen durch den breiten Einsatz und die diagnostische Sicherheit der Sonographie verloren. Sie kann wertvoll sein in der schwierigen Erkennung von Hohlorganperforationen durch Bestimmung von Amylase und Lipase in der Spülflüssigkeit. In unklaren und dringlichen Fällen kann die Laparoskopie Aufschluß geben und damit die Indikation zur explorativen Laparotomie gestellt werden.
Maiassimilation
3.2.2 Malassimilationssyndrom
• Maldigestion: Störung der Nahrungsaufspaltung • Malabsorption: Störung der Resorption oder der Weiterleitung zu Lymphe und Blut
Die Funktionsstörungen Maldigestion und Malabsorption dem Begriff Malassimilation zusammengefaßt.
Ursachen der Malassimilation
Klinik: Leitsymptome: Gewichtsverlust u. Diarrhoe Typische Symptome: - Hyperkeratose
werden unter
Pathogenese. Unter Maldigestion versteht man eine angeborene oder erworbene Verdauungsstörung, bei der die Aufspaltung der Nahrung durch Enzymmangel im Magen-Darm-Trakt behindert ist. Malabsorption (Verdauungsinsuffizienz) sind Resorptionsstörungen vom Darmlumen in die Blut- und Lymphbahn. Die Ursachen der Malassimilation sind vielfältig. Es gibt fließende Übergänge zwischen Maldigestion und -absorption. Von chirurgischer Relevanz sind fehlende Aktivierung von Fermenten nach Gastrektomie Mangel an Digestionsfermenten nach Pankreatektomie, Operation nach Kausch-Whipple oder exokriner Pankreasinsuffizienz, bakterielle Übersiedlung des Dünndarms beim Syndrom der „blinden Schlinge", exzessiver Verlust von Dünndarminhalt aus interenterischen oder enterokutanen Fisteln fehlende Absorption wegen Blockade der Gefäßbahnen durch Tumoren oder Entzündungen, M. Crohn und Erkrankungen des Kolons Reduktion der Mukosafläche nach ausgedehnter Dünndarmresektion, Kurzdarmsyndrom.
Leitsymptom der Malassimilation ist der Gewichtsverlust durch Digestions- und Resorptionsstörungen und symptombedingte Reduktion der Nahrungsaufnahme, häufige, massive Durchfälle. Hyperkeratose durch Vit.-A-Mangel, Ekchymosen und allgemeine Blutungsneigung, Hämaturie durch Vit.-K-Mangel, Parästhesien, Tetanie und Knochen-
Dünndarm (Jejunum, Ileum)
555
schmerzen durch eingeschränkte Resorption von Vit. D und Kalzium (Osteomalazie, Osteoporose) Vit.-B12-, Folsäure- und Eisenmangelerscheinungen (Glossitis, Cheilosis, Dermatitis, Anämie) sowie Eiweißmangelerscheinungen (Ödeme, Aszites) sind typische Symptome. Abdominale Begleitsymptome der Malassimilation sind Anorexie, Flatulenz, Meteorismus und Steatorrhoe.
- Blutungsneigung - Neurologische- und Skelettsymptome - Glossitis, Cheilosis, Dermatitis - Anämie, Adynamie (Kaliummangel) Abdominale Begleitsymptome: Anorexie, Flatulenz, Meteorismus und Fettstühle
3.2.3 Blindsacksyndrom
Blindsacksyndrom
Das Syndrom der blinden Schlinge (Syn.: Blindschlingen- oder Blindsacksyndrom) tritt klinisch unter einer Malassimilation in Erscheinung. Ein Blindsacksyndrom kann entstehen, wenn Dünndarmschlingen aus der Darmpassage ausgeschlossen sind. Ursachen (Abb. 35.3-2) sind: Seit-zu-Seit-, Umgehungsanastomosen, ausgeschaltete Schlingen, interenterische Fisteln (M.Crohn), Divertikel, prästenotische Darmerweiterungen.
= Syndrom der blinden Schlinge = Blindschlingensyndrom
Pathophysiologie. Folge der Stase ist eine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms in quantitativer Hinsicht und qualitative Veränderungen der Darmflora mit Malassimilation, insbesondere bei Fetten und Vit. B,2. Weitere Pathomechanismen sind eine gesteigerte Dekonjugation und Dehydroxylierung von Gallensäuren und eine pathologische Fermentation von Kohlenhydraten. Diagnostik. Bei Malassimilation sind technische Details von Voroperationen wichtig (Operationsberichte!), Stuhluntersuchungen (Zusammensetzung, Bakterien), Darmfunktionstests, und blutchemische Analysen. Passagestörungen, Stenosen, prästenotische Darmaufweitungen und Fisteln können durch ein Enteroklysma oder die fraktionierte Dünndarmpassage aufgedeckt werden. Die Symptomatik entspricht der bei Malassimilation. Therapie. Konservativ: Substitution der Mangelerscheinungen, Antibiotikabehandlung stehen im Vordergrund, insbesondere, wenn die Ursache der Stase nicht operativ beseitigt werden kann (Motilitätsstörung, diabetische Neurogastroenteropathie, ausgeprägte Divertikulose bei älteren Patienten, Sklerodermie).
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Abb.35.3-2: Ursachen des Blindsacksyndroms: a. Seit-zu-Seit-Anastomose, b. Umgehungsanastomose, c. Ausgeschaltete Schlinge, d. Enterale Fistel, e. Dünndarmdivertikulose, f. Dünndarmstenose
Ursache: • Aus der Passage ausgeschalteter Dünndarmabschnitt, einschließlich Duodenum Pathophysiologie: • Quantitative und qualitative Veränderung der Bakterienflora im Blindsack
Diagnose: • Stuhluntersuchungen (bakterielle Zusammensetzung!) • Funktionstests • blutchemische Analysen (Eisen, Spurenelemente, Vit. B12) • Enteroklysma nach Seilink • fraktionierte Dünndarmpassage Symptome: s. Malassimilation Therapie: 1. konservativ, Substitution und Antibiotika, besonders wenn eine Op nicht indiziert ist
556
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
2. Korrekturoperationen
Chirurgisch: Bei therapierefraktären Verläufen ist eine Korrekturoperation (Beseitigung des Blindsacks) erfolgreich: Resektion der Seit-zu-Seit-Anastomose, Blindsackresektion, Umwandlung Billroth II in Billroth I. Resektion von Fisteln, Stenosen und großer Divertikel.
Entzündliche Erkrankungen
3.2.4 Entzündliche Erkrankungen 3.2.4.1 Enteritis regionalis Crohn
M.Crohn = chronisch-rezidivierende unspezifische Entzündung, vorwiegend im terminalen lleum und Kolon lokalisiert
Der M. Crohn ist eine chronisch-rezidivierende Entzündung, die diskontinuierlich und segmentär alle Wandschichten des Magen-Darm-Trakts befallen kann. Am häufigsten sind das terminale lleum und das Kolon betroffen.
Geringe Inzidenz
Die Inzidenz der Erkrankung wird mit 2 bis 6 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner und Jahr geschätzt. Bei beiden Geschlechtern gleich häufig vorkommend, liegt der Altersgipfel der Manifestation um das 30. Lebensjahr.
Ätiologie unbekannt. Diskutiert werden genetische und infektiöse Faktoren
Ätiologie und Pathogenese des M. Crohn sind nach wie vor nicht geklärt.
Pathologie: - epitheloidzellige Granulome - segmentare Ausbreitung mit Abheilungsbezirken und frischen, sog. linearen Ulzera - intramurale Lymphozytenhaufen und Lymphknotenbefall Erhöhtes Krebsrisiko!
Diskutiert werden polygenetische Komponenten, da in Untersuchungen eine familiäre Häufung dokumentiert werden konnte. Ebenso sind zahlreiche Befunde publiziert worden, die eine bakterielle, virale oder parasitäre Genese vermuten lassen. Auch immunologische Faktoren, so die Granulombildung durch zytotoxische Antigen-Antikörper-Komplexe, werden angenommen. Eindeutig belegt sind zirkulierende Immunkomplexe, und jüngste Untersuchungen weisen einen gesteigerten Leukotrienstoffwechsel in der entzündeten Mukosa nach. Pathologisch-anatomisch handelt es sich um eine granulierende transmurale Entzündung der Darmwand. Diese epitheloidzelligen Granulome sind jedoch nicht immer vorhanden und bestehen aus Riesenzellen vom Langhans-Typ. Ein vielschichtiges Bild mit abheilenden, vernarbten Darmabschnitten und frischen ulzerierenden Schleimhautabschnitten zeigt sich makro- und mikroskopisch, und im Verlauf der Erkrankung bilden sich Stenosen sowie enteroenterale und enterokutane Fisteln. Typisch ist die diskontinuierliche und segmentäre Ausbreitung.
Neben dem enteralen Befall kann es zu extraabdominalen Manifestationen'. Arthritis, Pyodermia gangraenosum, Erythema nodosum, Uveitis, Iridozyklitis kommen. Dick- und Dünndarmbefall erhöhen die Karzinominzidenz mit multifokalem Auftreten, Lokalisation in ausgeschalteten Schlingen. Die Prognose dieser Karzinome ist meist infaust.
Symptome - abdominale Schmerzen - Durchfälle - Fieberschübe - anale Läsionen (oft Erstsymptom) - Gewichtsabnahme - extraabdominale Manifestationen
Symptome, abhängig von der Lokalisation. Häufig sind abdominale Schmerzen, Durchfälle, anale Läsionen und Fieber initiale Zeichen. Nicht selten gehen anale Läsionen den intestinalen Symptomen um Monate bis Jahre voraus. Rektale Blutungen sprechen für einen Befall der tieferen Darmabschnitte. Abdominale Schmerzen und Diarrhoen sind typische Zeichen der Manifestation am Dünndarm. Schwierig wird es, extraabdominale Symptome wie Fieber, Gelenk- und Rückenschmerzen sowie Gewichtsabnahme einem systemischen M. Crohn zuzuordnen.
Diagnostik • Körperliche Untersuchung: Untergewicht, Blässe, Druckdolenz, Konglomerattumor, Fistelöffnungen, anale und perianale Läsionen
Diagnostik. Bei der körperlichen Untersuchung ist auf Untergewicht, Blässe und Zeichen einer Malassimilation zu achten. Ein tastbarer, druckdolenter Tumor im rechten Unterbauch, Fistelöffnungen, besonders nach Appendektomie, sowie anale und perianale Läsionen sind wichtige Hinweise auf einen M. Crohn.
• Laboruntersuchungen: Entzündungsparameter im Akutstadium, Hb- und Hk-Abfall, Hypalbuminämie, Folsäure- und Vit-B^-Erniedrigung, erniedrigte Spurenelemente und Elektrolyte, Antithrombin-Ill-Mangel
• Laborchemische Untersuchungen können eine Reihe pathologischer Werte zeigen, die aber alle nicht crohnspezifisch sind. So finden sich im akuten Stadium erhöhte Entzündungsparameter, später sind es die Zeichen des chronischen Blutverlustes sowie Malassimilationsfolgen mit erniedrigten Folsäure-, Eisen-, Magnesium-, Zink- und Vit.B 12 -Spiegeln. Insbesondere vor geplanten Operationen ist auf die Albumin- und Antithrombin-III-Werte im Serum zu achten. Bei Antithrombin-III-Spiegeln unter 60 % muß eine Substitution erfolgen. • Röntgenologisch (Dünndarmpassage, Enteroklysma nach Sellink) sind im Frühstadium ein Schleimhautödem und manchmal punktförmige Kontrastaussparungen als Zeichen von Aphten zu erkennen. Ebenso sprechen Fisteln und ein Pflastersteinrelief für einen länger bestehenden M. Crohn.
Röntgenuntersuchung: Enteroklysma und fraktionierte Dünndarmpassage Fistulographie
Dünndarm (Jejunum, Ileum)
557
Abb. 35.3-3: Enteroklysma n. Sellink: Ileocolitis Crohn mit lleumstenose und Pseudodivertikelblutung (Pfeile) Spätzeichen sind Stenosen, prästenotische Darmerweiterungen und Wandverdickungen (Abb. 35.3-3). Finden sich äußere Öffnungen, ist eine röntgenologische Fisteldarstellung geeignet, um den Ursprung der Fistel zu erkennen. • Endoskopisch kann bei ileozökalem Befall über eine Koloskopie und Biopsie die histologische Sicherung gelingen. Typisch sind verkäsende epitheloidzellige Granulome mit oder ohne Riesenzellen vom Langhans-Typ. Auch die regionalen Lymphknoten können diese histologischen Veränderungen aufweisen. Fissurbildende Ulzerationen, lineare Ulzera und in Mukosa, Submukosa und Serosa verstreut liegende Lymphozytenhaufen sind wichtige morphologische Hinweiszeichen.
Endoskopie: histologische Sicherung, besonders im proximalen Kolon und evtl. Zökum
Komplikationen und Verlauf. Der Ileus ist die häufigste Komplikation des intestinalen M. Crohn, gefolgt von teilweise erheblichen intestinalen Blutungen, und auch Perforationen treten auf. Weniger dramatische Verläufe bieten nicht zum Ileus führende Stenosen und Fisteln. Es handelt sich dabei um Fisteln zwischen dem befallenen Darmabschnitt und der Körperoberfläche oder zu anderen Organen (Sigma, Harnblase, Vagina). Daraus resultieren teilweise heftige und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigende Symptome. Starke Rückenschmerzen können blind in das Retroperitoneum führende Fistelgänge auslösen. Verklebungen von Darmschlingen, bis hin zu tastbaren intraabdominalen Konglomerattumoren sowie Abszesse durch gedeckte Perforationen, stellen typische Verläufe dar. Ebenfalls charakteristisch sind anorektale Komplikationen: schmerzlose Fissuren, teigig, ödematöse Marisken, anorektale Abszesse und Fisteln. Nicht selten werden Patienten mit einem M. Crohn zuerst bei einem Proktologen vorstellig. Vorwiegend als Folge der gestörten Dünndarmphysiologie sind: Malassimilation, Nieren-, Gallensteine als Folge der Unterbrechung der enterohepatischen Zirkulation, chologene Diarrhoen und das enterale Eiweißverlustsyndrom. Eine Anhäufung von malignen Dünn- und Dickdarmtumoren wird bei länger bestehendem M. Crohn beobachtet. Insbesondere bei durch interenterische Fisteln ausgeschalteten Darmabschnitten steigt das Krebsrisiko.
Komplikationen und Verlauf • Ileus • Perforation • intestinale Blutung • Fisteln zwischen Darmabschnitten, zum Retroperitoneum, zu anderen Organen und zur Körperoberfläche • gedeckte Perforationen führen zu intraabdominalen oder retroperitonealen Abszessen • ausgedehnte Darmverwachsungen mit lleussymptomen sind möglich • charakteristisch sind anorektale Läsionen
Extraintestinale Manifestationen werden bei 20-30 % der Kranken beobachtet. Sie betreffen vorwiegend die Haut und Schleimhäute, das Skelettsystem und die Leber.
Extraintestinale Manifestation: Haut- und Schleimhäute, Skelett, Leber, Malassimilation Differentialdiagnose
Differentialdiagnose. Wichtigste D D ist die Colitis ulcerosa: stets kontinuierlicher und Rektumbefall, häufig blutige Stühle. Histologie ist entscheidend. Weiterhin vom M.Crohn differentialdiagnostisch abzugrenzende Erkrankungen betreffen Darminfektionen (Yersiniose, Salmonellen und Shigellen, Viren-, Pilz- und Protozoenerkrankungen).
Das erhöhte Krebsrisiko muß beachtet werden!
Weiterhin: • Yersiniose • parasitäre Entzündungen
558
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Appendizitis
Nicht selten wird ein M. Crohn des terminalen Ueums mit einer Appendizitis verwechselt und bei der Appendektomie per Zufall entdeckt.
Therapie - internistisch
Therapie. Internistische Behandlung: Glukokortikoide, Immunosuppressiva (Azathioprin), 5-Aminosalicylsäure (Salofalk®, Ciaversal®), Antibiotika (Metronidazol) sowie spezielle Ernährungsformen. Bei schweren Verläufen mit Flüssigkeits-, Eiweiß- und Mineralverlusten ist eine parenterale Ernährung mit einem differenzierten Substitutionsprogramm erforderlich. Chirurgisch. Eine sofortige Operation ist bei Perforation oder Ileus erforderlich. Andere Komplikationen, wie Fisteln oder Stenosen, gestatten einen geplanten Eingriff mit der Chance, den Allgemeinzustand des Patienten zu verbessern und evtl. Mangelerscheinungen zu kompensieren. Dazu zählt auch die Veränderung des Therapieschemas für Prednison (am Operationstag 200 mg und danach schrittweise täglich auf die Erhaltungsdosis von 20 mg reduzieren).
- chirurgisch Differenzierte Operationsindikationen: - Notoperation bei Perforation und Ileus, - geplante Operation bei Stenosen, die keinen kompletten Ileus bedingen und Fisteln Operationstaktische Prinzipien: - aseptisches Operieren - Hindernisse, Perforationen, Blutungsquellen und Fisteln beseitigen - sparsame Resektionen - wenn möglich Strikturoplastiken und bei Resektionen End-zu-End-Anastomose
Operationstaktische Prinzipien bei intestinalem M. Crohn sind: • Laparotomie fern von Fistelöffnungen • aseptisch operieren, d.h. besonderes Vorgehen bei Darmeröffnung, Fistel* und Abszeßeröffnung, • Exploration des gesamten Abdomens und sparsame Resektionen, • wenn Darmresektion, dann Wiederherstellung der Darmkontinuität durch einreihige End-zu-End-Naht mit resorbierbarem Nahtmaterial, • Vermeidung von Blindsäcken (Krebsrisiko!). Das Ausmaß von Resektionen wird durch den Lokalbefund bestimmt und reicht von der Strikturoplastik ohne Resektion von Stenosen (Abb. 35.3-4) bis zur Resektion von Ileum und Zökum mit anschließender Ileoaszendostomie (Abb. 35.3-5). Spezielle Operationstechniken erfordern die Perforation, der Ileus und Fisteln zu anderen Bauchorganen bzw. zur Körperoberfläche.
Mehrfacheingriffe sind häufig
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Fast alle Crohn-Patienten müssen wegen Komplikationen operiert werden, und 35-50 % benötigen innerhalb von 10 Tagen einen zweiten Eingriff.
Abb.35.3-4: Strikturoplastik bei M.Crohn: Stenosebeseitigung inzision (a, b) und Quernaht (c)
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Dünndarm (Jejunum, Ileum)
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Abb. 35.3-5: Sparsame lleozökalresektion im makroskopisch Gesunden bei M.Crohn (a), lleoascendostomie End-zu-End (b)
3.2.4.2 Nekrotisierende Enteritis, Tbc, Geschwüre, Typhus
Nekrotisierende Enteritis
Die nekrotisierende Enteritis (Enteritis necroticans) ist eine meist langstreckige Totalnekrose des Dünndarms und evtl. proximaler Anteile des Dickdarms (Abb. 35.3-6). Auffällig ist die Durchgängigkeit der großkalibrigen Abschnitte der A. mesenterica sup. (nichtokklusiver Mesenterialinfarkt). Häufig tritt das dramatische Ereignis nach kardio- sowie neurochirurgischen Operationen und Polytraumen auf.
= langstreckige Totalnekrose des Darms. - Spasmus kleinerer Mesenterialarterien wird angenommen - gehäuftes Auftreten nach kardio- und neurochirurgischen Operationen
Pathophysiologie. Es wird ein Spasmus der kaliberschwächeren Mesenterialarterien vermutet, der zu Darmwandischämie durch Minderperfusion führt. Darmwandödem, Sauerstoffmangel, zelluläre Schäden und Durchwanderungsperitonitis rufen ein akutes Abdomen hervor.
Pathophysiologie. Mesenterialarterienspasmus der zu Darmwandschäden mit Durchwanderungsperitonitis führt.
Symptome. Charakteristisch ist der dramatische Beginn, meist am ersten postop. Tag, mit starker Reduktion des Allgemeinzustands, begleitet von hohem Fieber, Apathie, Zeichen einer Peritonitis mit Meteorismus, Paralyse und Druckdolenz. Präfinale blutige Stühle weisen auf eine bereits infauste Prognose hin. Meist tritt der Tod bei abwartender Haltung innerhalb der ersten zwei Tage ein.
Klinik: - dramatische Reduktion des A Z - peritonitische Zeichen, Paralyse - präfinal blutige Stühle
Differentialdiagnostik. In Erwägung zu ziehen sind der Mesenterialarterieninfarkt (Embolie), die Mesenterialvenenthrombose und die pseudomembranöse Enterokolitis nach Antibiotikatherapie. Therapie. Die Resektion des nekrotischen D a r m s ist die einzige Chance, das Leben zu retten, infauste Prognose ( 9 0 % Letalität).
- Arterielle und venöse Verschlüsse - pseudomembranöse Enterokolitis Therapie als ultima ratio: Resektion aller nekrotischen Darmabschnitte mit End-zu-End-Anastomose
Die Darmtuberkulose ist eine Rarität. Sie entsteht als sekundäre Manifestation einer Lungentuberkulose. Überwiegend ist die Iliozökalregion betroffen. Die Patienten klagen über chronisch verlaufende Unterbauchschmerzen, Fieberschübe, Inappetenz und Gewichtsverlust. Hinzu kommen Zeichen der pulmonalen Tuberkulose. Die Diagnose gelingt durch Nachweis des Erregers im Sputum, Magensaft, Urin und Stuhl. Bei der Röntgen-Kontrastuntersuchung sind u. U. Füllungsdefekte zu erkennen, im kolonoskopischen Bild mehr oder weniger ausgeprägte granulomatöse Veränderungen in der Schleimhaut. Differentialdiagnostisch ist an einen M.Crohn zu denken. Therapie: Tuberkulostatika. Operiert (Resektion mit End-zu-End-Anastomose) wird nur bei Komplikationen: Blutung, Ileus, Perforation, Fistelbildung. Tuberkulostatikaschutz erforderlich! Auch der Typhus abdominalis ist heute eine äußerst seltene Erkrankung. Da die Typhusgeschwüre massiv bluten und in seltenen Fällen auch perforieren können, ist dann eine Operation indiziert. Hierbei wird die Blutung umstochen und die Perforationsstelle übernäht. Eine Darmresektion sollte man möglichst vermeiden.
Darmtuberkulose - sehr selten - meist sekundäre Manifestation einer Lungentuberkulose Symptome: chronische Unterbauchschmerzen, Fieber, Gewichtsverlust Diagnose: Erregernachweis im Sputum, Magensaft, Urin, Stuhl Röntgenkontrastuntersuchung, Endoskopie Therapie: Tuberkulostatika, Op. nur bei Komplikationen: Blutung, Ileus, Perforation, Fisteln Darmresektion Typhus abdominalis - äußerst selten - Op. nur bei Komplikationen: Blutung oder Perforation
Dünndanngeschwüre. Sehr seltene Läsionen, die auf dem Boden von lokalen Zirkulationsstörungen (Arteriosklerose, Endangiitis obliterans, Herzerkrankungen, Schock), vor allem aber durch Einnahme kaliumchloridhaltiger Tabletten auftreten können. Die Geschwüre werden durch ihre Komplikationen entdeckt: Blutung und
Dünndarmgeschwüre - seltene Läsionen. Entstehen vor allem durch kaliumchloridhaltige Tabletten
560
Abb. 35.3-6: Schwarz verfärbter, avitaler Dünndarm im Spätstadium einer Enteritis necroticans Komplikationen (Blutung, Perforation) führen zur Diagnose Op.: Resektion mit End-zu-End-Anastomose Divertikel des Dünndarms Meckel-Divertikel • embryonal bedingter Rest des D. omphaloentericus: - Wurmfortsatzähnlich oder halbkugelförmig ausgebildet. Durch einen bindegewebigen Strang fixiert oder frei beweglich - meist unerkannt oder per Zufall bei einer Appendektomie entdeckt Symptome - selten, appendizitisch oder komplikationsabhängig Wichtigste Komplikationen sind: • Ileus durch Invagination • Darmblutungen • Nabelanomalien • Ulzera (heterotope Magenschleimhaut) • Perforation • maligne Entartung Besonderheit: Littre-Hernie
Therapie • Keilexzision oder Darmresektion • Resektion auch bei zufälliger Entdekkung
Nicht-Meckel-Divertikel - Auftreten besonders im oberen Dünndarm, 2 Arten • echte Divertikel (alle Wandschichten betroffen) • Pseudodivertikel (nur Mukosaausstülpung)
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.3-7: Invaginationsileus. Durch vorsichtiges Palpieren von distal wird der invaginierte proximale Dünndarm gelöst Perforation, selten durch einen Ileus. Bei der notwendigen Operation wird das entsprechende Darmsegment reseziert und eine End-zu-End-Anastomose ausgeführt.
3.2.5 Divertikel, Hämatome Das Meckel-Divertikel ist ein aus der embryonalen Entwicklung verbliebener Rest des Ductus omphaloentericus. Es kommt bei ca. 2 % der Bevölkerung vor, und das männliche Geschlecht ist etwa 4 mal häufiger betroffen. Zwischen 35-100 cm proximal der Bauhin-Klappe lokalisiert, ist es wurmfortsatzähnlich oder halbkugelförmig ausgebildet. Kuppel oder Spitze sind meist frei, können aber auch über einen bindegewebigen Strang am Nabel fixiert sein. Viele dieser Divertikel bleiben unerkannt, ein Teil wird anläßlich einer Appendektomie bei Exploration des Ileums gefunden und ca. 45 % der Fälle bieten diagnose- oder therapiewürdige Komplikationen. Die Symptome sind von der Länge des Divertikels, der Fixation und von der Schleimhaut des Divertikels abhängig. Neben unklaren paraumbilikalen Schmerzen, appendizitischen Zeichen und Blut im Stuhl kann das Bild eines akuten Abdomens durch Komplikationen entstehen. Die häufigste Komplikation ist der mechanische Ileus, der meist durch Invagination bzw. durch den Fixationsstrang am Nabel entsteht (Abb. 35.3-7). Des weiteren können Darmblutungen, Nabelanomalien (Nabelhernie, -fistel), Entzündungen und Ulzera auftreten. Ulzera im Meckel-Divertikel entstehen, wenn die Mukosa heterotope Magenschleimhautanteile enthält; sie neigen besonders zu Blutung, Perforation und maligner Entartung. Eine äußerst seltene, aber um so bekanntere Komplikation, die Einklemmung (Inkarzeration) eines Meckel-Divertikel in einer Bauchwandhernie, ging als Littre-Hernie in die medizinische Literatur ein.
Therapie: Resektion, wegen der Komplikationen, auch bei zufälliger Entdeckung. Je nach Form des Divertikels kann es durch Keilresektion aus der Ileumwand exzidiert werden, oder bei breitbasigem Abgang erfolgt die Resektion des divertikeltragenden Ileumsegments mit anschließender End-zu-EndAnastomose. Weitere Divertikel. Wie bei den häufiger vorkommenden Kolon- oder Duodenaldivertikeln kann es sich um eine komplette Ausstülpung aller Darmwandschichten (angeboren) oder um Mukosaausstülpungen (erworben) handeln. Dünndarmdivertikel sind im oberen Jejunumdrittel lokalisiert. Meist treten sie multipel auf, und ältere Männer sind häufiger betroffen. Im Gegensatz zum Meckel-Divertikel finden sich die Nicht-Meckel-Divertikel am Mesenterialansatz des Darms (Abb. 35.3-8). Bleibt die Dünndarmdi-
Dünndarm (Jejunum, Ileum)
Abb.35.3-8: Nicht-Meckel-Divertikel entwickeln sich direkt am Mesenterialansatz und erstrecken sich zwischen den Mesenterialblättern
561
Abb.35.3-9: Ultraschalluntersuchung bei einer Marcumar-Blutung in den Dünndarm: Darmwandverdickung, deutliches „sägezahnartiges" Bild durch die Einblutung in die Darmwand
vertikulose auch meist klinisch stumm, so können doch klinisch-gravierende Komplikationen auftreten: Eine Divertikulitis bietet akute Entzündungszeichen bis zur Peritonitis oder Passagestörungen. Treten Darmblutungen auf, können diese massiv und kreislaufwirksam sein. Manchmal gelingt die Lokalisation der Blutungsquelle durch Nachweis von Kontrastmittelaustritt in den Darm während einer Angiographie der A. mesenterica sup. Eine Operationsindikation ist bei symptomatischen und komplizierten Divertikeln gegeben, und die Operationstechnik entspricht der des Meckel-Divertikels.
Diagnostik einer massiven Blutung durch selektive Angiographie möglich
Dünndarmwandhämatom. Als Nebenwirkung von Antikoagulanzien (Marcumar®) kann ein Darmwandhämatom auftreten. Symptome: heftige abdominale Schmerzen, Erbrechen, Passagestörungen, kombiniert mit Schockzeichen (akutes Abdomen). Diagnostik. Abdomenübersichtsaufnahme und Ultraschall (Abb.35.3-9) (Ileus, Darmwandschädigung), Quick-Test. Bei diagnostischer Unklarheit Laparoskopie. Therapie. Bei akutem Abdomen und Ileus Laparotomie mit Resektion des hämatomtragenden Darmabschnitts und Wiederherstellung der Kontinuität durch End-zu-End-Anastomose, sonst abwartendes Verhalten mit sonographischen Kontrollen. Eine spontane Rückbildung ist durchaus möglich. Absetzen der Antikoagulanzien.
Dünndarmhämatom - entsteht bei Antikoagulanzientherapie Symptome - heftige Schmerzen - Passagestörungen - Schock (akutes Abdomen) Diagnostik - Abdomenübersichtsaufnahme - Ultraschall - Quick-Wert Therapie bei vital bedrohlicher Situation (Ileus) Laparotomie und Resektion
Operation bei Komplikationen von Dünndarmdivertikeln
3.2.6 Tumoren, Endometriose Dünndarmtumoren sind selten, diagnostisch schwer zu erfassen und konfrontieren den Chirurgen oft als Zufallsbefund.
3.2.6.1 Benigne Tumoren Man unterscheidet zwischen Tumoren der Mukosa (Adenome), chymaltumoren und Tumoren heterotopen Gewebes.
Dünndarmtumoren
Benigne Dünndarmtumoren den Mesen-
Symptome. Gutartige Dünndarmtumoren bieten wenige und häufig uncharakteristische Symptome, so daß sie oft erst durch Komplikationen erkannt und operiert werden. Blut im Stuhl oder ein Darmverschluß können, ohne daß Zeit für diagnostische Maßnahmen vorhanden ist, zur Operationsindikation führen. Teerstuhl
werden meist erst durch Komplikationen erkannt Symptome - Ileus - intestinale Blutung - chronische Anämie
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes oder frisches Blut im Stuhl werden bei hochsitzenden Adenomen, sowie bei Schwannomen, Angiomen und bei einer Endometriose beobachtet. Eine chronische Anämie ist uncharakteristisch, aber häufig bei Dünndarmtumoren anzutreffen. Der durch eine Invagination ausgelöste Ileus findet sich vorwiegend bei Adenomen, villösen Tumoren, Lipomen und Fibromen.
Diagnostik - bildgebende Verfahren: Röntgen-Passage, Schnittbildverfahren - Endoskopie - selektive Angiographie
Diagnostik. Monströse Tumoren, wie z.B. Leiomyome, können mit bildgebenden Verfahren (CT, MRT) diagnostiziert werden. Kleinere Tumoren sind meist nur indirekt über die ausgelösten Komplikationen zu erfassen. Bei Ileussymptomen kann die fraktionierte Dünndarmpassage Aufklärung bringen. Oft sind aber die klinische Ileussymptomatik und die in der Abdomenübersicht auffallenden Dünndarmspiegel entscheidend für die Sofortoperation. Ist das gravierende Symptom Blut im Stuhl, dann kann die endoskopische Abklärung oral bis zum Treitz-Band und bis zur Bauhin-Klappe eine Zuordnung zum Dünndarm ermöglichen. Wenn Zeit vorhanden, sollte bei einer gravierenden Darmblutung eine selektive Angiographie der A. mesenterica sup. erfolgen. Bei einer chronischen Anämie ist neben anderen diagnostischen Maßnahmen immer ein Hämokkult-Test zu veranlassen. Ist der Befund positiv, sind bildgebende Verfahren, wie Dünndarmkontrastpassage, CT oder MRT, und die endoskopische Abklärung angezeigt.
Therapie Resektion des Tumors wegen möglicher Komplikation und Gefahr der malignen Entartung
Therapie. Resektion wegen möglicher Komplikationen und maligner Entartung, besonders bei villösen Tumoren, die in 35 % und bei Leiomyomen, die in 15 % maligne entarten. Operationsindikationen sind: Ileus, Blutung, diagnostizierter Dünndarmtumor (prä- oder intraoperativ). Therapie der Wahl ist die Resektion des tumortragenen Darmabschnitts mit Wiederherstellung der Kontinuität durch eine einreihige End-zu-End-Anastomose (Abb. 35.3-10).
Abb.35.3-10: Dünndarmresektion schluß der Mesenteriallücke
(a), b. End-zu-End-Anastomose
mit Ver-
Maligne Dünndarmtumoren
3.2.6.2 Maligne Tumoren
• selten: 1 - 2 % aller malignen Tumoren des Magen-Darm-Trakts - Adenokarzinome und Leiomyosarkome sind vorwiegend im Jejunum, Lymphome im lleum lokalisiert
Nur 1-2 % aller malignen gastrointestinalen Tumoren wachsen im Dünndarm, hauptsächlich sind dies: Adenokarzinom, Lymphom, Leiomyosarkom und Metastasen (sekundäre Geschwülste). Während Adenokarzinome und Leiomyosarkome nahezu ausschließlich im Jejunum lokalisiert sind, finden sich Lymphome vorwiegend im lleum.
Pathogenese - Prädispositionen sind morphologischer, genetischer und entzündlicher Natur
Pathogenese. Häufiger entstehen maligne Dünndarmtumoren unter folgenden pathogenetischen Voraussetzungen: villöser Tumor, M. Crohn mit langer Anamnese, Herter-Krankheit, Immunglobulinmangel, AIDS, Neurofibromatose, Strahlenenteritis.
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Dünndarm (Jejunum, Ileum) Obwohl der Dünndarm 90% der Mukosa des gesamten Verdauungstrakts beherbergt, sind Malignome hier selten (1-2 %). Für diese Auffälligkeit sind verschiedene Hypothesen postuliert worden: • Verkürzter Kontakt mit Karzinogenen durch raschen Nahrungstransport, • flüssige Konsistenz der Nahrung, die relativ wenig Bakterien enthält, • hohe Proliferationstendenz der Mukosazellen mit kompetitiver Hemmung maligner Zellen, • Detoxifikation von Karzinogenen durch das mikrosomale Enzym Benzpyren-Hydroxylase, • hohe lokale Immunabwehr (Lymphgewebe, IgA).
Symptome. An erster Stelle stehen abdominale Schmerzen, intermittierend oder konstant auftretend, gefolgt von Darmblutungen, Reduktion des Allgemeinzustandes, Gewichtsverlust, Anämie sowie Funktionsstörungen. Der Dünndarmileus, verursacht durch Stenosen oder Imagination, ist das einzig sichere Symptom, das sowohl Lokalisation als auch die Indikation zur Operation definitiv klärt. Prädestiniert für diesen Verlauf sind das Adenokarzinom, das Lymphom und Metastasen. Intestinale, aber auch okkulte Darmblutungen, die mit Anämie und Reduktion des Allgemeinzustandes einhergehen, sind bei Tumoren angiomatösen Ursprungs möglich, treten aber nur in 20-30 % der Fälle auf. Palpable Tumoren werden in 25 % gefunden. Meist handelt es sich um ein Leiomyosarkom oder Lymphom. Letztere sind nicht selten mit Malassimilation verbunden: Reduktion von Gewicht und Mangelerscheinungen. Perforationen sind selten und werden meist intraoperativ entdeckt, da sie in der Regel als sog. gedeckte Perforation ablaufen.
Symptome - abdominale Schmerzen, Darmblutung - Reduktion des Allgemeinzustandes und Gewichtsverlust - Anämie und Funktionsstörungen des Dünndarms • Ileus: gehäuft bei Adenokarzinom, Lymphom und Metastasen • Blutung: gehäuft bei angiomatösen Tumoren
In der Diagnostik von Dünndarmtumoren spielt der Hämokulttest eine wesentliche Rolle: er ist in 85 % aller malignen Geschwülste positiv.
Diagnostik: - Hämokulttest ist wichtige Erstmaßnahme - Enteroklysma, Angiographie und Endoskopie können die Tumorlokalisation ermöglichen und Blutungsquellen eingrenzen - US, CToder MRT zum Nachweis solider Dünndarmtumoren oder Metastasen - Tumormarker sind nicht spezifisch
Das Enteroklysma nach Seilink kann durch den Nachweis von Stenosen und Kontrastmittelaussparungen eine Lokalisation ermöglichen. Die Lokalisation eines blutenden Tumors mit der selektiven Angiographie gelingt selten. Zielgerichteter kann die endoskopische Ausschlußdiagnostik einer Blutungsquelle, oral bis zum Treitz-Band und retrograd bis zur Bauhin-Klappe, als Vorbereitung für eine operative Exploration des Dünndarms sein. Sonographie, CT oder MRT können solide Tumoren (Lymphome, Leiomyosarkome) erfassen und sind zum Ausschluß oder Beweis von Metastasen erforderlich.
• palpabler Tumor: häufig bei Leiomyosarkom oder Lymphom • Perforationen führen selten zur Peritonitis, da häufig gedeckt
Bei Perforation, Ileus oder massiver intestinaler Blutung ist die explorative Laparotomie einer zeitraubenden Diagnostik vorzuziehen
Tumormarker spielen als Screening-Methode gegenwärtig eine geringe Rolle.
Ein starres Schema für die diagnostischen Schritte zum Erkennen von malignen Dünndarmtumoren gibt es nicht. Die Untersuchungsverfahren sollten dem Leitsymptom angepaßt eingesetzt werden. Notsituationen, wie die massive intestinale Blutung oder der Dünndarmileus, erfordern eher die Sofortoperation als aufwendige und zeitraubende diagnostische Maßnahmen. Therapie: Von Lymphomen abgesehen, ist die einzige kurative Therapie die R 0 -Resektion mit Lymphknotendissektion (Abb. 35.3-10), ausreichendem Sicherheitsabstand und großzügiger Resektion des Mesenteriums. Liegt kein Ileus vor, kann eine End-zu-End-Anastomose zur Kontinuitätswiederherstellung vorgenommen werden. Ist das Tumorstadium fortgeschritten, oder gilt es, einen Ileuszustand, eine Blutung oder eine Perforation risikoarm zu beseitigen, so sind Umgehungsanastomosen oder auch die Seit-zuSeit-Anastomose nicht abzulehnen. Da die Lebenserwartung limitiert ist, muß das Risiko postoperativer Komplikationen, wie z.B. Nahtinsuffizienz, so gering wie möglich gehalten werden. Die Therapie von Lymphomen ist stadienabhängig. In den Stadien I (lokalisierte Form) und II (regionales Wachstum) ohne Lymphknotenmetastasen wird der Tumor reseziert und eine adjuvante Chemotherapie angeschlossen. Die Prognose dieser Tumorstadien ist relativ günstig. Liegen dagegen eine generalisierte infra- und supradiaphragmale Form (Stadium III) oder der disseminierte Typ (Stadium IV) vor,
Therapie • kurativ nur R0-Resektion mit Lymphknotendissektion - End-zu-End-Anastomose
Lymphome werden stadienabhängig therapiert: Stadium I u.ll - Op. + Chemotherapie Stadium III u. IV - histologische Abklärung, evtl. palliative Op. und adjuvante Therapie
564
35. Chirurgie des Verdauungstraktes dann sollten die histologische Sicherung erfolgen, ileusbedingte Umgehungsanastomosen angelegt und eine Chemotherapie, Kobalt- oder Megavoltbestrahlung durchgeführt werden.
Prognose: abhängig von Tumorart und Diagnosezeitpunkt - Tumor- und stadienabhängige 5-Jahresüberlebensrate 20%
Prognose: Die Prognose ist unbefriedigend. Dies ist vorwiegend auf die verspätete Diagnose zurückzuführen. 80% der Patienten weisen zum Zeitpunkt der Operation bereits Lymphknoten- oder Fernmetastasen auf. Beträgt die durchschnittliche Überlebenszeit nach kurativer Resektion 5 Jahre, so liegt sie nach palliativer Operation unter 12 Monaten.
Semimaligne Dünndarmtumoren
3.2.6.3 Semimaligne Tumoren
= endokrine Zelltumoren und enterochromaffine Zelltumoren (Karzinoide)
Diese Zuordnung berücksichtigt weniger pathologisch-anatomische Prinzipien, sondern eher die Prognose. Zugehörig sind hormonproduzierende endokrine Zelltumoren (Gastrinom, Vipom) und die häufigeren enterochromaffinen Zelltumoren, Karzinoi-
Karzinoide Lokalisation - Appendix (50%) - Dünndarm (30%) - Kolon, Rektum (15%) - Bronchialsystem
Karzinoide. Am häufigsten werden Karzinoide zufällig in der Appendix entdeckt (50%). Es folgen der Dünndarm (30%), besonders Ileum, sowie Kolon und Rektum (15 %) und das Bronchialsystem. Karzinoide sind epitheliale Neoplasien mit langsamen Wachstum, jedoch mit Metastasierung in Lymphknoten und in die Leber. Diagnostik. Laborchemischer Nachweis von 5-Hydroxyindolessigsäure im Harn.
Symptomatik - Tumoridentifikation per Zufall oder durch intestinale Komplikationen - klinisch durch Karzinoidsyndrom Flushsymptomatik!
Symptome. Kleinere Karzinoide verursachen selten Symptome. Erst große Tumoren oder Lebermetastasen führen zum Karzinoidsyndrom: bradykinin- und kallikreininduziert treten plötzliche Rötung des Gesichtes und des Oberkörpers mit Hitzegefühl und Brennen (Flush), begleitet von kolikartigen Schmerzen und asthmatischen Erscheinungen auf.
Therapie - große Karzinoide mit Metastasen palliativ resezieren - medikamentöse Behandlung mit Somatostatin
Therapie. Beeinflußt durch Tumorgröße, Metastasierung und ein evtl. Karzinoidsyndrom. Bei kleinem, zufällig entdeckten Karzinoid, ist die Resektion (Appendektomie, Meckel-Divertikel) ausreichend. Bei größeren Tumoren und Lebermetastasen werden die Entfernung des Tumors nach onkologischen Prinzipien und der Metastasen durch eine Leberresektion angestrebt. Ist keine kurative Therapie möglich, läßt sich ein Flush mit dem Somatostatin-Analogon Octreotid beeinflussen.
Peutz-Jeghers-Syndrom = polypöse Erkrankung des Gastrointestinaltrakts m i t Melaninflecken im Mundbereich - hunderte Polypen können auftreten
Peutz-Jeghers-Syndrom. Autosomal dominante Erbkrankheit, die mit gastrointestinalen Polypen und Pigmentierungen im Mundbereich einhergeht. Die Polypen im Darm sind äußerst zahlreich, können gestielt, linsen- bis pflaumengroß sein. Ihre morphologische Struktur basiert auf einer überschüssig angelegten und verzweigten Muscularis mucosae. Damit unterscheiden sie sich von adenomatösen Neubildungen. Eine Geschlechtsdisposition existiert nicht. Symptome sind kolikartige abdominale Schmerzen und Passagestörungen, bis zum Ileus. Auch Diarrhoen und okkulte Blutungen mit Anämie werden beobachtet. Die Diagnose kann röntgenologisch durch Dünndarmpassage gestellt und histologisch gesichert werden.
Symptome - abdominale Schmerzen - Passagestörungen - Blutung und Anämie Diagnostisch sind röntgenologische Verfahren geeignet. Sicherung: histologisch Operative Therapie Resektion nur bei vitaler Bedrohung
Therapie. Operativ nur bei blutungs- oder ileusbedingten Komplikationen. Resektion mit End-zu-End-Anastomose.
Endometriose
3.2.6.4 Endometriose, weitere Dünndarmerkrankungen
-
Der Dünndarm ist sehr selten Lokalisation einer Endometriose. Diese tritt häufiger im Kolon oder Rektum auf. Das Endometrium kann alle Wandschichten durchwach-
selten im Dünndarm zyklusabhängige Blutungen gynäkologische Anamnese wichtig Behandlung durch Resektion
Klinisch manifestiert sich die Erkrankung durch die rezidivierenden, zyklusabhängigen Darmblutungen.
Kolon und Rektum
565
Diagnostisch ist bei der Beurteilung der intestinalen Blutungen die gynäkologische Anamnese zu beachten. Therapeutisch ist die Resektion des betroffenen Darmabschnitts die Methode der Wahl. Weitere Dünndarmerkrankungen: • Angeborene Fehlbildungen s. Kap. 41, S. 809 • Zirkulationsstörungen durch Gefäßverschluß s. Kap. 34, S. 467 • Blutungen aus dem Dünndarm s. Kap. 35.9, S. 647 • Passagestörungen des Dünndarms s. Kap. 35.5, S. 602 • Verletzungen des Dünndarms s. Kap. 44.2, S. 896
3.2.6.5 Folgen nach Dünndarmresektionen Eine kurzstreckige Resektion (30-40 cm) geht ohne Störungen einher. Die ausgedehnte Resektion des Jejunums ( > 1 m) kann zu Diarrhoen führen. Diätetische M a ß n a h m e n sind meist ausreichend, die Symptome zu beseitigen. Ausgedehnte Resektionen des Ileums rufen gravierendere Symptome hervor: Malassimilation, Vit.-Bn-Mangel, Steatorrhoe, und alle Folgen einer Störung der Darmflora sind möglich. Mittels Substitutionsbehandlung lassen sich schwerwiegende Beeinträchtigungen der Lebensqualität beeinflussen. Bei extremen Dünndarmresektionen (Mesenterialinfarkt, Mesenterialvenenthrombose, Enteritis necroticans) ist das resultierende „Kurzdarmsyndrom" eine fatale Folge. Das ausgeprägte Malassimilationssyndrom kann oral nicht vollständig kompensiert werden. Dauerhafte oder intermittierende parenterale Substitution (Hyperalimentation) über implantierbare venöse Kathetersysteme (auch ambulant möglich) ist erforderlich und die Möglichkeit einer Dünndarmtransplantation in Erwägung zu ziehen.
4. Kolon und Rektum H.-P. Bruch,
Th.
Folgen der Dünndarmresektion
4
Therapie - Substitutionsbehandlung bei „Kurzdarmsyndrom" mit Malassimiiation - parenterale Zusatzernährung über implantierbare venöse Portsysteme
Kolon und Rektum
Schiedeck
Klinische Anatomie. Der Dickdarm umschließt den Dünndarm rahmenartig und wird in die Abschnitte Caecum (Zäkum) mit Appendix vermiformis (Wurmfortsatz), Colon ascendes, transversum, descendens, sigmoideum und Rektum unterteilt. Die Gesamtlänge variiert zwischen 100 und 150 cm. Das Ileum mündet in der Fossa iliaca dextra von posteromedial in das Caecum. Dieser Übergang wird durch die Ileozäkalklappe markiert. Das Caecum liegt komplett intraperitoneal, ist also allseitig von Peritoneum überzogen und frei im Abdomen beweglich (Caecum mobile). In manchen Fällen verwächst das Caecum allerdings dorsalseitig mit der Fascie des M. iliacus und liegt dann sekundär retroperitoneal. Dorsokaudal, entlang der Taenia libera, geht die Appendix vermiformis aus dem Blinddarm ab. Die topographische Lage der Appendix ist abhängig von Position und Beweglichkeit des Caecums (s.S. 489). Das Colon ascendens liegt weitgehend sekundär retroperitoneal. Im Bereich der rechten Flexur, welche die Pars descendens des Duodenums kreuzt, tritt der Dickdarm wieder nach intraperitoneal. Das Colon transversum ist von Peritoneum überzogen, wohingegen linke Flexur und Colon descendens erneut sekundär retroperitoneal laufen. Das intraperitoneal gelegene und daher frei bewegliche Colon sigmoideum mündet schließlich in Höhe des dritten Sakralwirbels in das extraperitoneal gelegene Rektum. Makroskopisch läßt sich das Kolon an seiner violett-weißlichen Farbe, sowie den Taenien, Haustren und Appendices epiploicae identifizieren. Man unterscheidet 3 Taenien. Sie entsprechen der gebündelten Längsmuskulatur des Darmes. Colon ascendens und descendens lassen nur 1 Taenie erkennen (Taenia libera), die anderen befinden sich in den retroperitonealen Darmabschnitten. Im Bereich des Colon tranversum ist eine Taenie vom Mesokolon (Taenia mesocolica), die andere vom Omentum majus bedeckt (Taenia omentalis). Nur die Taenia libera ist sichtbar. Im distalen Colon sigmoideum verschmelzen die Bündel der Längsmuskulatur und im Rektum umhüllt diese die gesamte Zirkumferenz. Zwischen einzelnen Kontraktionsfalten (Plicae semilunares) wölbt sich die Ko-
Anatomi b Abschnitte des Dickdarmes • • • • • •
Caecum mit Appendix vermiformis Colon ascendes Colon transversum Colon descendens Colon sigmoideum Rektum
Makroskopische Merkmale: • Taenien • Haustren • Appendices epiploicae
Lage - Colon transversum und Colon sigmoideum liegen intraperitoneal, - Colon ascendens und descendens überwiegend sekundär intraperitoneal Taeniae coli: gebündelte Längsmuskulatur des Kolons: - T. libera - T. mesocolica - T. omentalis
566
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Appendix epiploica
Mesocolon mit Gefäßstiel
Längsmuskelschicht}
Muskularis
•Tänie
Blutversorgung • A. mesenterica superior - A. ileocolica Caecum - A. colica dextra Colon ascendens - A. colica media - > Colon transversum • A. mesenterica inferior - A. colica sinistra - » Colon descendens - A. colica sigmoidea Colon sigmoideum - A. rectalis superior Rektum • A. iliaca interna - A. rectalis media • distales Rektum - A. rectalis inferior
Abb.35.4-1: Anatomie der Dickdarmwand lon und Gefäßstiel (mod. n. S.Schwartz)
mit Appendix epiploica, Mesoko-
lonwand etwas hervor und bildet so die Haustren. Die Appendices epiploicae sind tropfenförmige Fettanhängsel des Kolons und besitzen eine schlaufenförmige Gefäßversorgung, die jedoch für die Durchblutung des Darmes keine essentielle Bedeutung besitzt (Abb.35.4-1). Die Blutversorgung der oberen Dickdarmabschnitte (Caecum, Colon ascendens, tranversum) erfolgt aus der A. mesenterica superior mit ihren Aufzweigungen in Aa. ileocolica, colica dextra et media. Die A. mesenterica inferior entspringt aus dem infrarenalen Abschnitt der Aorta abdominalis und versorgt über ihre Äste (Aa. colica sinistra, sigmoidea et A. rectalis superior) das Colon descendens, sigmoideum und das Rektum. Die A. iliaca interna entsendet die A. rectalis media sowie
Omentum majus Colon transversum
Mesocolon transversum (hinteres Blatt) Vasa colica media
Vasa mesenterica superiora
Vasa colica dextra Pars Inferior duodeni
Vasa jejunalia
Mesenterium Vasa ileocolica
Vasa ilei
Vasa appendicularia
Abb. 35.4-2: Gefäßversorgung des Dickdarms (mod. n. S. Schwartz)
567
Kolon und Rektum die A. rectalis inferior und trägt so zur Versorgung der unteren Rektumabschnitte bei. Neben vielen kleineren arterioarteriellen Anastomosen, welche darmnah die Hauptstämme verbinden verdient der Riolan-Bogen besondere Erwähnung. Er stellt eine im Kaliber stark variierende Arterie dar, welche die A. colica sinistra (aus A. mesenterica inferior) mit der A. colica media (aus A. mesenterica superior) verknüpft. (Abb. 35.4-2) Der venöse Abfluß der unteren Dickdarmabschnitte (Deszendens, Sigma, oberes Rektum) erfolgt über die V. mesenterica inferior, welche in Höhe des Treitz-Bandes dorsal des Pankraes in die V. lienalis mündet. Caecum, Colon ascendens und transversum führen ihr venöses Blut in die V. mesenterica superior, welche zusammen mit der V. lienalis und der V. coronaria ventriculi die Pfortader speist. Physiologie und Pathophysiologie: Hauptaufgaben des Dickdarmes sind Wasser- und Elektrolytrückresorption (vorwiegend Kolon) und Kontinenzleistung (Rektum). Durch die ausgeprägte Resorption im Kolon werden dem flüssigen Dünndarmstuhl mehr als 5 1 H z O täglich entzogen. Eine geregelte Dickdarmtätigkeit wird durch ballaststoffreiche Ernährung und körperliche Bewegung gefördert. Sie zeigt eine deutliche Tagesrhythmik mit Maxima am Morgen nach dem Aufstehen. Nahrungsaufnahme führt über den gastrokolischen Reflex zur Stimulation der Defäkation. Wird die sigmoideorektale Übergangszone gedehnt, entsteht Stuhldrang, und es setzt eine Kontraktion dieses Darmabschnittes ein, die von einer reflektorischen Erschlaffung des Analsphinkters begleitet wird. Diesem Entleerungsreflex kann eine gewisse Zeit durch eine willkürliche Anspannung des M. sphincter ani externus entgegengewirkt werden. Bakterien. Der Dickdarm beherbergt eine typische bakterielle Mikroflora, die hauptsächlich aus Bacteroides und E. coli besteht und nahezu ein Drittel des Stuhltrockengewichtes ausmacht. Die bakterielle Tätigkeit trägt zur Nahrungsresorption nur unwesentlich bei. Durch die Zersetzung pflanzlicher Faserstoffe (Ballaststoffe) wird allerdings das Stuhlvolumen vermehrt und aufgelockert und die Passage und Defäkation erleichtert. Innervation. Der Dickdarm ist hauptsächlich parasympathisch innerviert und stimuliert. ParaSympathomimetika aktivieren, -lytika (Psychopharmaka, AntiparkinsonMedikamente) hemmen die Darmtätigkeit. Laxativ wirken Quellstoffe, Na- oder Mg-Salze, die das Stuhlvolumen erhöhen.
Funktionelle Störungen des Dickdarmes sind Diarrhoe und Obstipation. Praxishinweis: Funktionell unerheblich ist die Resektion von bis zu 2/3 des Dickdarmes. Selbst nach kompletter Entfernung (Proktokolektomie) werden die resorptiven Aufgaben des Colons weitgehend vom terminalen Ileum übernommen.
• Riolan-Arkade: Gefäßverbindung zwischen A. mesenterica superior und inferior über die A. colica media zur A. colica sinistra • venöser Abfluß: - distale Kolonabschnitte -> V. mesenterica inferior —» V. lienalis - proximale Kolonabschnitte -» V. mesenterica superior —> V. portae Hauptaufgaben des Dickdarms • Wasserrückresorption (5 I täglich) • Eindickung des Stuhles • Kontinenz (Stuhl und Winde) • regelmäßige Defäkation (Förderung durch ballaststoffreiche Ernährung und körperliche Bewegung) Defäkation 1. gastrokolischer Reflex stimuliert die Stuhlentleerung 2. Dehnung der rektosigmoidalen Übergangszone bewirkt Stuhldrang und Erschlaffung des Analsphinkters 3. Willkürliche Anspannung des M. sphincter ani externus kann temporär dem Entleerungsreflex entgegenwirken Mikroflora - Bacteroides und - E. coli Innervation - parasympathisch stimuliert. - ParaSympathomimetika stimulieren die Darmtätigkeit, Parasympathikolytika hemmen sie. Funktionsstörung • Diarrhoe (Flüssigkeits und Elektrolytverlust) • Obstipation (Divertikulose, Koprostase) • Inkontinenz
4.1 Erkrankungen von Kolon und Rektum 4.1.1 Symptome
Leitsymptome bei
Symptome. Eine Veränderung im Stuhlverhalten weist generell auf eine Erkrankung des Dickdarmes hin. Während jedoch entzündliche Erkrankungen häufig mit Diarrhoe, Blut- und Schleimabgang, Tenesmen und Fieber einhergehen, rücken bei Tumoren neben Blutabgang vorwiegend Obstipationsbeschwerden, bis hin zum Ileus in den Vordergrund. Die paradoxe Diarrhoe ist ebenfalls Ausdruck hochgradiger Stenosen: Primär verursacht die Stenose eine Obstipation. Die Bakterien zersetzen und verflüssigen den prästenotischen Stuhl, es resultiert dann eine Diarrhoe.
• • • -
entzündliche Erkrankungen Blut- und Schleimabgang Tenesmen, Diarrhoe, Meteorismus Fieber Tumoren Blutabgang Obstipationsbeschwerden, Ileus Stenosen Obstipation paradoxe Diarrhoe
4.1.2 Diagnose Zur Basisdiagnostik jeder Dickdarmerkrankung gehört neben Inspektion, Anamnese und klinischer Untersuchung des Abdomens zwingend die digitale rektale Exploration. Die Inspektion erlaubt oftmals erste differentialdiagnostische Eingrenzungen: Ernährungszustand, Hautbeschaffenheit (trocken, schlaff, teigig), Farbe (Ikterus, Blässe), Narben (Voroperationen).
Untersuchungsmethoden 1. Basisdiagnostik • Anamnese und Inspektion - Stuhlgewohnheiten?, Abführmittel? - Blut- und/oder Schleimbeimengungen?
568 - Stuhlfarbe: Teerstuhl?, grauer Stuhl? - Verstopfung? Durchfall? - „Bleistiftstuhl"?, Schmerzen?, Flatulenzen? - äußere Hämorrhoiden sichtbar? - Narben, Fissuren, Verengungen?
• Palpation, Perkussion, Auskultation - Palpation: tastbarer Tumor?, Druckschmerz?, Abwehrspannung? - Perkussion: Meteorismus? Flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen? - Auskultation: pathologische Darmgeräusche: spritzend, metallisch-klingend, vermehrt oder spärlich bis fehlend? • Digitale rektale Untersuchung Untersuchung in Linksseitenlage oder in gebückt stehender Haltung: • tastbarer Tumor, Vergrößerung der Prostata, des Uterus? • Blut am Handschuhfinger? • Schmerzhaftigkeit?
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Die Anamnese gibt Auskunft über Beginn und Dauer der Beschwerden. Die Stuhlbeschaffenheit muß hinsichtlich Farbe (Teerstuhl, Blut, entfärbter oder grauer Stuhl), Konsistenz (Schleimbeimengung, Diarrhoe, Obstipation) und Form („Bleistiftstühle") erfragt werden. Darüber hinaus interessiert der Charakter eventuell vorhandener Schmerzen (Dauerschmerz, Tenesmen, Koliken), Flatulenz und Gewichtsverlust. Weiterhin wird nach Medikamenten (Abführmittel, Psychopharmaka o. ä.) und vorausgegangenen Operationen gefragt. Klinische Untersuchung des Abdomens: Größere Ttimoren sind oftmals durch die Bauchdecken hindurch palpabel. Besteht Druckschmerz oder Klopfschmerz (lokalisiert oder diffus), Abwehrspannung, Peritonismus?. Meteorismus oder flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen geben einen typischen Perkussionsbefund (tympanitisch bzw. gedämpft, verkürzt). Die Auskultation erlaubt die Beurteilung der Darmaktivität (Peristaltik). Auffällig sind pathologische Darmgeräusche: metallisch-klingend, spritzend, hochgestellt (Stenose), spärlich bis fehlend (Ileus). Die digitale rektale Untersuchung ist bei jeder klinischen Untersuchung obligat. Sie wird in Linksseitenlage oder am leicht gebückt stehenden Patienten vorgenommen. Während man den Patienten auffordert leicht zu pressen, wird der Finger vorsichtig in den Analkanal eingeführt. Neben der Ampulla recti (Tumor, Stuhl) können so die Prostata (Tumor, Hyperplasie), der Uterus oder der Douglas-Raum (Senkungsabszeß) beurteilt werden. Die Untersuchung erlaubt eine Beurteilung bis ca. 10 cm ab ano. Dadurch können über 30 % aller Rektumkarzinome getastet werden! Zur digitalen Untersuchung gehört die Inspektion des Anus und dessen Umgebung: Blut, Stuhlreste, Fissur, Fistel, Hämorrhoiden.
2. Zusatzdiagnostik
Die Zusatzdiagnostik umfaßt: • Endoskopie: Proktorektoskopie, Koloskopie • bildgebende Verfahren: Sonographie, Abdomenübersicht (Ileus, Perforation), Kontrastmitteleinlauf (Tumor, Stenose), CT (Abszeß, Tumor, Entzündung), Angiographie (Mesenteriale Ischämie), Szintigraphie (Blutung, Tumor), MRT (Tumor, Fisteln, Entzündung), PET (Tumorrezidiv).
Endoskopische Verfahren • Vorteile: Biopsie und Polypabtragung kann gleichzeitig erfolgen. • Nachteil: ausreichende Untersuchung nur bei gut vorbereitetem Darm möglich!
Endoskopische Verfahren: Der Vorteil der endoskopischen Verfahren beruht zum einen darauf, daß eine Biopsie entnommen, bzw. kleinere Befunde (z. B. Polypen) abgetragen werden können. Zudem erlaubt der makroskopische Aspekt erste Aussagen (Malignität, Entzündungsausmaß). Hauptnachteil: Am unvorbereiteten Darm ist eine ausreichende Beurteilung nur selten möglich. Daher sind diese Untersuchungstechniken im Akutfall deutlich limitiert. Die Proktorektoskopie kann ohne großen Aufwand in jeder Arztpraxis durchgeführt werden. Sie gestattet die Beurteilung der unteren 25 cm des Darmes. Immerhin sind dadurch ca. 65 % aller kolorektalen Karzinome erfaßt. Die Koloskopie hingegen erfordert spezielles Training, erlaubt jedoch im Idealfall am vorbereiteten Darm eine komplette Beurteilung des Kolons bis hin zur Ileocoecal-Klappe.
• Proktorektoskopie: Beurteilung der unteren 25 cm des Darmes. - 6 5 % aller kolorektalen Karzinome erfaßbar • Koloskopie: erfordert spezielle Erfahrungen. Komplette Beurteilung des Dickdarmes bis hin zur lleozökalklappe. Bildgebende Verfahren • Sonographie: Nachweis von Lebermetastasen, entzündlichen Darmveränderungen (Wandverdickung, KokardenZeichen) bei M.Crohn, Colitis ulcerosa, Divertikulitis, Appendizitis. Freie intraabdominale Flüssigkeit Aszites, Darminhalt bei Perforation, Blut bei Abdominaltrauma. • Endosonographie der Rektumwand: Tiefeninfiltration in die Darmwandschichten, Nachweis von vergrößerten Lymphknoten, Fisteln, Abszessen. • Röntgenaufnahme in Rückenlage: Verteilung der Darmgase, z.B. beim Ileus.
Bildgebende Verfahren: Die chirurgische Sonographie dient beim Tumorpatienten dem Nachweis von Fernmetastasen (Leber) oder Lymphknotenfiliae. Entzündliche Veränderungen (M.Crohn, Kolitis, Divertikulitis, Appendizitis) sind durch deutliche Wandverdickung nachweisbar (KokardenZeichen). Freie intraabdominelle Flüssigkeit ist ein Hinweis auf Aszites, Blutung oder Perforation. Morphologische Veränderungen der Rektumwand (Eindringtiefe von Tumoren) oder des Schließmuskels können mit der Endosonographie beurteilt werden. Die Röntgenaufnahme in Rückenlage bringt die Verteilung der Darmluft zur Darstellung. Oftmals ist es so möglich, eine Stenose am Abbruch der Darmluft, bzw. anhand der prästenotischen Dilatation der Darmschlingen zu lokalisieren.
Kolon und Rektum Praxishinweis: Luft bzw. Gas innerhalb der Darmwand ist immer ein Zeichen, welches sofortige operative Intervention verlangt. Läßt sich Gas gar im Pfortadersystem nachweisen, ist dieses Signum mali ominis fast immer mit letalem Ausgang verknüpft.
569 • Gasbläschen in der D a r m w a n d
4= Röntgenaufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage: stehende Darmschlingen mit Flüssigkeitsspiegel beim Ileus, freie Luft bei Perforation. Nach G a b e von Metallmarken Bestimm u n g der oroanalen Transitzeit.
Die Röntgendarstellung im Stehen oder in Linksseitenlage zeigt ggf. stehende Darmschlingen mit typischem Flüssigkeitsspiegel (Ileus), oder „freie Luft" (Perforation). Speziell bei Obstipation bietet sich die Messung der oroanalen Transitzeit Hierbei schluckt der Patient über 10 Tage eine definierte Menge von Metallmarkern. A m 11. Tag wird eine Abdomenübersichtsaufnahme angefertigt und anhand d e r noch im Dickdarm befindlichen Marker, kann so auf die Passagezeit geschlossen werden (Normalwert: 90-120 h).
Kontrasteinlauf mit Barium, bei Perforationsverdacht oder Ileus mit Gastrografin (wasserlöslich), s o n s t toxische Bariumperitonitis! Darstellung v o n Tumoren, Stenosen, entzündlichen Erkrankungen, Divertikeln. Im Doppelkontrastverfahren (zusätzliche Luftinsufflation) liefert die Bariumdarstellung exakte Befunde. Angiographie: bei nicht lokalisierten Blutungen (Angiodysplasie) oder arteriellen Gefäßverschlüssen (ischämische Kolitis, Embolie, NOD). N u r möglich bei Blutungen m i t > 1 - 3 ml/min
Der Kontrastmitteleinlauf erfolgt mit Barium oder wasserlöslichem Kontrastmittel (Gastrografin) und dient der Darstellung von Tumoren, entzündlichen Veränderungen, Stenosen oder Divertikeln. Barium liefert zwar die genauere Darstellung (vor allem nach Luftinsufflation im Doppelkontrastverfahren), ist jedoch eine baldige Operation geplant bzw. besteht Perforationsgefahr oder -verdacht, so ist wasserlösliches Kontrastmittel vorzuziehen, da Barium durch direkten Kontakt mit dem Bauchfell eine schwere Peritonitis verursachen kann, andererseits im D a r m verklumpt und so besonders beim Tumorpatienten (Stenose) präoperativ nur sehr schwer zu entfernen ist.
Angiographie. Jeder Verdacht auf eine mesenteriale Ischämie (v. a. die nichtokklusive oder okklusive Enteropathie) ist eine dringende Indikation zur sofortigen selektiven Angiographie. Eine weitere Indikation ergibt sich aus nicht lokalisierbaren Blutungen (z.B. Angiodysplasie). Der Nachweis gelingt allerdings nur, wenn die Blutung stärker ist als 1-3 ml/min. In ausgewählten Fällen h a t hier auch die Szintigraphie ihren Platz, vor allem bei akuten größeren Blutungen, die sich koloskopisch nicht lokalisieren lassen. Allerdings müssen immer auch der Zeitaufwand dieser Untersuchungen und die immanenten Unsicherheiten in Relation zur Kreislaufsituation des Patienten gesehen werden entsprechend begrenzt ist die Indikation. N e u e Wege beschreitet die Immunszintigraphie mit monoklonalen Antikörpern (Anti-CEA, Tumorzellwandbestandteile), die isotopenmarkiert sind.
Szintigraphie: Bei akuten, nicht lokalisierbaren Blutungen.
Mit CT können entzündlichen Wandveränderungen (M. Crohn, Kolitis, Divertikulitis), Abszesse oder Konglomerattumoren in idealer Weise diagnostiziert werden. Wichtig ist die CT weiterhin bei der Beurteilung maligner Kolon- und Rektumtumoren: Ausdehnung, Infiltration von Nachbarorganen, Fernmetastasen, Lymphknotenfiliae. Die Untersuchung dient nicht nur der Operationsplanung (Strategie, Verfahrenswahl), sondern ist ebenso wichtig, um eventuell postoperativ das Zielfeld einer adjuvanten Radiatio zu definieren.
CT: Beurteilung v o n Kolon- und Rektumkarzinomen, vergrößerten Lymphknoten, Lebermetastasen, entzündlichen W a n d v e r ä n d e r u n g e n (M.Crohn, Divertikulitis), A b s z e s s e n , K o n g l o m e rattumoren
Positronenemissionstomographie (PET): Sie hat besonders beim Tumorrezidiv möglicherweise entscheidende Vorteile: Bei dieser Untersuchung wird dem Patienten ein synthetisches Substrat des Zellstoffwechsels, Fluordesoxyglucose injiziert. Je höher nun d e r Zellmetabolismus, desto höher die Positronenemission. Anders als im C T wird es auf diese Weise möglich, Tumor (hoher Metabolismus) von inaktivem Narbengewebe zu unterscheiden.
• PET: besonders beim Tumorrezidiv
MRT: bei entzündlichen Veränderungen, Weichteilprozessen u n d Tumorinfiltration v o n Knochen u n d Wirbelkanal
Die MRT zeigt ihre Stärke vor allem in der Beurteilung von entzündlichen Veränderungen und Weichteilprozessen. Sie eignet sich besonders bei M. Crohn und Kolitis, wenn Anus und Rektum befallen sind. Beim Tumorpatienten hingegen bietet sie gegenüber der CT wenig Vorteile, die Auflösungsmöglichkeiten sind eher geringer. Sie eignet sich sehr gut, um bei T4Tumoren, die Infiltration von Knochen und Wirbelkanal zu erfassen. Laborantersuchungen: Blutbild und Elektrolyte gehören zu jeder laborchemischen Basisbestimmung. Darüber hinaus werden in Abhängigkeit von der Symptomatik definierte Zusatzbestimmungen notwendig. Beim Karzinompatienten schließt dies Tumormarker (CEA, CA 19-9) ebenso ein, wie der Nachweis von okkultem Blut im Stuhl. Zur Verfügung stehen weiter
• -
Laboruntersuchungen: Tumormarker beim Karzinom N a c h w e i s v o n okkultem Blut Stuhluntersuchungen auf bakteriologische oder parasitäre Erkrankungen
570
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Stuhluntersuchungen auf bakteriologische oder parasitäre Erkrankungen: Yersinien, Shigellen, Würmer.
3. Ergänzungsdiagnostik • gynäkologische Untersuchung • urologische Untersuchung • neurologische Untersuchung
Ergänzungsdiagnostik (multimodales Therapiekonzept): urologische und neurologische Untersuchung.
Allgemeine Operationsstrategie 1. präoperative/intraoperative Darmreinigung 2. perioperative Antibiotikaprophyiaxe 3. atraumatische, exakte Operationstechnik
Darmreinigung. Der Dickdarm ist mit Bakterien besiedelt: Bacteroides species, E. coli, Streptococcus faecalis, Pseudomonaden. Dadurch wird jede kolorektale Operation zum kontaminierten Eingriff und ist per se mit einem erhöhten Infektionsrisiko behaftet. Speziell minderdurchblutete Darmabschnitte, Anastomosen, Hämatome und Nekrosen erhöhen die Infektionsgefahr. Um dieses Risiko zu mindern, sind erforderlich: prä-/intraoperative Darmreinigung, perioperative Antibiotikaprophylaxe, atraumatische Operationstechnik.
Schema für die präoperative Darmvorbereitung
Praxishinweis: Die präoperative Darmvorbereitung geschieht nach folgendem Schema: • Elektiveingriff, keine hochgradige Stenose: 2 Tage präoperativ flüssige Kost; 1 Tag präoperativ: morgens 750 mg Metronidazol, orthograde Darmspülung via Magensonde (ca. 101 Golytely®), Elektrolytkontrolle, abends 750 mg Metronidazol • Elektiveingriff, Spülung kontraindiziert: Stenose, grenzwertige kardiopulmonale Belastung, Niereninsuffizienz: Astronautenkost (ballastfreie Elementardiät) für 4-6 Tage, tägliche Reinigungseinläufe, Abführmittel • Notfalleingriff (Ileus, Perforation), präoperative Spülung nicht möglich. Intraoperative Darmspülung (Darmanastomosierung auch am präoperativ nicht vorbereiteten Patienten), ein (protektiver) Anus praeter braucht nicht gelegt zu werden. Durchfuhrung der intraoperativen Darmspülung: Der Darm wird proximal der Läsion (Tumor, Perforation, Entzündung) abgesetzt. Es wird dann ein Schlauchsystem in den proximalen Darmabschnitt eingebunden. Schließlich wird über das Caecum ein Foley-Katheter eingelegt (günstigerweise i.R. einer Appendektomie) und über diesen Zugang das gesamte Kolon mit mehreren Litern Ringer-Lösung gespült.
Wegen häufiger reflektorischer MagenDarm-Atonie und Translokation von Bakterien, ist die Darmspülung auch intraoperativ sinnvoll
Translokation: Nach jedem größeren abdominalen Eingriff muß man mit einer reflektorischen Magen-D arm-Atonie rechnen, bei der Bakterien durch die Darmwand in den Bauchraum wandern. Diesen Vorgang, der auch bei entzündlichen Darmerkrankungen und im Ileus beobachtet wird, nennt man Translokation. Davon ausgehend kann es zu einer Infektion im Bauchraum kommen. Dieses Risiko wird durch die prä- oder intraoperative Darmspülung vermindert. Die Antibiotikaprophylaxe reduziert peri- und intraoperativ die Keimzahl. Sie wird kurz vor Narkoseeinleitung vorgenommen. Die Gewebespiegel sind so während des Eingriffes am höchsten. Normalerweise genügt es, das Antibiotikum einmalig (single shot) zu verabreichen. Langdauernde Operationen erfordern jedoch eine zweite Dosis. Nach septischen Eingriffen (Peritonitis) oder beim Risikopatienten werden die Antibiotika 5-10 Tage postoperativ appliziert.
Antibiotikaprophylaxe - als „Single shot" oder bei längeren Eingriffen auch 2. Antibiotikagabe - Auswahl der Präparate richtet sich nach der zu erwartenden Bakterienflora
gynäkologische,
4.1.3 Kolorektale Chirurgie 4.1.3.1 Darmreinigung, Antibiotikaprophylaxe, Operationstechnik
Die Auswahl des Präparates hängt grundsätzlich von der Erkrankung ab. Da der Dickdarm durch eine Mischflora (Aerobier/Anaerobier) besiedelt ist, empfiehlt sich zur Prophylaxe die Kombination eines Cephalosporins der zweiten oder dritten Generation (z.B. Cefotaxim, Lamoxactam, Ceftriaxon, Ceftazidin) oder eines Acylureido-Penicillins (z.B. Piperacillin, Mezlocillin) mit Metronidazol (gegen Anaerobier).
Operationstechnik - atraumatisches Operieren
Operationstechnik. Um eine Kontamination der Umgebung zu verhindern, sollte das Operationsfeld sorgfältig abgedeckt werden (Bauchtücher, Haut-
Kolon und Rektum folie). Darüber hinaus ist es sehr wichtig, schonend mit dem Gewebe umzugehen (atraumatisches Operieren). Keine quetschenden Klemmen am Darm verwenden, auf gute Durchblutung der resezierten Darmenden achten: sparsame Skelettierung, spannungsfreie Anastomosen, atraumatische Nahttechnik - gegebenenfalls Klammernahtinstrumente verwenden; diese haben sich vor allem bei tiefen Anastomosen am Rektum bewährt. Hämatome bilden einen ausgezeichneten Nährboden für alle Bakterien. Am Ende der Operation sollten daher das Abdomen, wie auch die Hautwunde sorgfältig gespült und weiche Drainagen (Easy flow®) eingelegt werden.
571 - gute Durchblutung der resezierten Darmenden - spannungsfreie Anastomose - sorgfältige Anastomosennaht - evtl. Klammernahttechnik
In der Karzinomchirurgie ist die Tumorzellverschleppung zu minimieren: Primäre radikuläre Ligatur tumorversorgender Gefäße, sog. no-touch-isolation-technique. Der Tumor sollte während der Präparation möglichst wenig oder gar nicht berührt werden, Abbinden des Darmes proximal des Tumors (Turnbull-Ligatur), En-bloc-Resektion des Primärtumors mit drainierenden Lymphbahnen. Im Rahmen der anterioren Rektumresektion: transanale Spülung (wash out) des distalen Darmabschnittes bei angesetzter Resektionsklemme, um eine Kontamination des Anastomosenabschnittes mit Tumorzellen zu vermeiden.
• tumorchirurgische Prinzipien - radikuläre Ligatur tumorversorgender Gefäße - no-touch-isolation-technique - Turnbull-Ligatur - En-bloc Resektion des Primärtumors mit drainierenden Lymphbahnen
Komplikationen der kolorektalen Chirurgie sind Wundinfektion, Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, Abszeß, Peritonitis, postoperative Nachblutung, Hämatome.
• Komplikationen der kolorektalen Chirurgie - Wundinfektion, Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, Abszeß, Peritonitis, postoperative Nachblutung, Hämatome Operationsverfahren an Kolon und Rektum Auswahl richtet sich nach: - anatomischen Gegebenheiten - Prognose der Erkrankung - Alter und Zustand des Patienten Operationsstrategie • einzeitig: - Resektion des erkrankten Darmabschnittes und definitive Versorgung (Anastomose, Anus praeter) durch 1 Eingriff
4.1.3.2 Operationsverfahren Das Operationsverfahren hängt von der Anatomie (Art, Ausdehnung, Lokalisation, Gefäßversorgung) aber auch von der Prognose ab. Es wird von Zustand und Alter des Patienten mitbestimmt. Strategie. Dickdarmoperationen können ein-, zwei- oder dreizeitig durchgeführt werden. Einzeitig: Resektion des erkrankten Darmabschnittes und definitive Versorgung, durch primäre Anastomose oder endständiges Stoma während eines Eingriffes. Dieses Verfahren wird vor allen anderen favorisiert. Beispiel: Sigmaresektion oder anteriore Rektumresektion (ohne Anus praeter) oder Abdominoperineale Rektumexstirpation (mit definitivem Stoma).
Zweizeitig: Beim ersten Eingriff wird der Krankheitsherd beseitigt, eine weitere Operation stellt die endgültige Passage wieder her. Dieses Verfahren wählt man, wenn die Anlage einer Anastomose gefährdet ist (Durchblutungssituation, Infektionsrisiko) oder wenn aufgrund kardiopulmonaler Belastung die Operationszeit so kurz wie möglich gehalten werden muß (Sepsis, Peritonitis). Beispiel: Tiefe Rektumresektion mit protektivem Anus praeter, Diskontinuitätsresektion nach Hartmann. Das dreizeitige Vorgehen (nach Schloffer) ist heute nur sehr selten notwendig: Man beschränkt sich primär auf eine Entlastung erkrankter Darmabschnitte (Anlage eines doppelläufigen Stomas, z. B. im Ileus), führt in einer zweiten Sitzung die Resektion des Darmes mit Anastomosierung durch und kann dann nach Abheilung mit einer dritten Operation das Stoma zurückverlagern.
Verfahren. Bei allen benignen Erkrankungen entfällt die radikale Resektion von Gefäßstamm und Lymphabstromgebiet. Man beschränkt sich auf eine tubuläre, d. h. darmnahe Resektion. Ileozäkalresektion (Abb. 35.4-3): Resektion des Caecums und des terminalen Ileum, darmnahe Ligatur der A. Ileocolica. Wiederherstellung der Darmkontinuität durch End-zu-End Anastomose: Ileoaszendostomie, einreihige Naht, fortlaufend oder Einzelknopf. Indikation: M. Crohn - Stenose im terminalen Ileum, gangränöses Zaecum bei fortgeschrittener Appendizitis. Hemikolektomie rechts (Abb. 35.4-4): Resektion des terminalen Ileums, Zaecum, Colon ascendens und rechter Flexur. Stammnahe Ligatur von
• zweizeitig: Operation wird auf 2 Eingriffe verteilt. Zuerst Beseitigung des Krankheitsherdes, dann endgültige Passagewiederherstellung
• dreizeitig: primär Entlastung (Anlage eines doppelläufigen Stomas, z. B. im Ileus), sekundär Resektion des Darmes mit Anastomosierung, nach Heilung Zurückverlagerung des Stomas Operationsverfahren 1. Ileozäkalresektion (Abb. 35.4-3): • Indikation: - M.Crohn-Stenose - gangränöses Zökum bei Appendizitis
2. Hemikolektomie rechts (Abb. 35.4-4):
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.4-3: lleozäkalresektion mit lleoaszendostomie
• Indikation: - Karzinom von Caecum und Colon ascendens
3. Transversumresektion (Abb. 35.4-5 a-b): • Indikation: - Transversumkarzinom - evtl. Ausdehnung der Operation als erweiterte Hemikolektomie rechts oder links
4. Hemikolektomie links (Abb. 35.4-6): • Indikation: - Karzinome von linker Flexur und Colon descendens
Abb.35.4-4: Karzinom des Colon ascendens: Hemikolektomie rechts mit lleotransversostomie
Aa. Ileocolica, colica dextra und rechtem Ast der A. colica media. Zusätzlich müssen alle begleitenden Lymphknoten entfernt werden. Die Darmkontinuität wird durch End-zu-End-Anastomosierung wiederhergestellt: lleotransversostomie durch einreihige Naht, fortlaufend oder Einzelknopf, extramukös. Indikation: Zaecumkarzinom, Karzinom des Colon ascendens. Transversumresektion (Abb.35.4-5): Resektion von Colon transversum, beiden Flexuren und Omentum majus. Ligatur der A. colica media an ihrem Ursprung aus der A. mesenterica superior. Lymphadenektomie aller begleitender Lymphknoten. Die Darmkontinuität wird durch End-zu-End Anastomosierung, Aszendo-Deszendostomie, wiederhergestellt: einreihige Naht, fortlaufend oder Einzelknopf, extramukös. Indikation: Transversumkarzinom, ggf. Ausdehnung der Resektion zur erweiterten Hemikolektomie rechts bzw. links. Hemikolektomie links (Abb. 35.4-6): Resektion des distalen Querkolons, linker Kolonflexur, Colon descendens, sigmoideum, falls notwendig Mobilisierung der rechten Kolonflexur. Stammnahe Ligatur von A. mesenterica inferior und linkem Ast der A. colica media, Ligatur der V. mesenterica inferior am Pankreasunterrand, komplette Lymphadenektmie begleitender Lymphknoten. Die Darmkontinuität wird durch End-zu-End Anastomosie-
WwM
Abb.35.4-5: Tumor des Colon transversum: a. Transversumresektion: Resektion beider Flexuren und des Colon transversum mit Ascendodescendostomie, b. Erweiterte Hemikolektomie rechts unter Mitnahme des Colon ascendens, transversum und der linken Kolonflexur. Ileodeszendostomie
Kolon und Rektum
Abb.35.4-6: Tumor des Colon descendens: Hemikolektomie links: Resektion von linker Flexur, Colon descendens et sigmoideum. Transversorektostomie
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Abb.35.4-7: Tumor im Bereich Sigma-Rektum: Rektosigmoidresektion mit Deszendorektostomie
rung, Transversorektostomie wiederhergestellt. Indikation: Karzinome der linken Flexur sowie des Colon descendens. Sigmaresektion (Abb. 35.4-7): Resektion von distalem Colon descendens, Colon sigmoideum, proximalem Rektum. Ligatur der A. u. V. mesenterica inferior und der A. rectalis superior (dies gilt für Karzinome, sonst beschränkt man sich auf eine tubuläre, d.h. darmnahe Skelettierung des Darmes). Kontinuitätswiederherstellung durch End-zu-End-Anastomosierung, Deszendorektostomie. Indikation: Sigmadivertikulitis, -karzinom. Tiefe anteriore Resektion nach Westhues u. Stelzner (Abb. 35.4-8): Resektion von Colon sigmoideum und Rektum bis 2 cm oberhalb der Linea dentata, komplette Exzision des Mesorektums, Mobilisation der linken Kolonflexur. Stammnahe Ligatur der A. mesenterica inferior und der V. mesenterica inferior. Entlang der Gefäßstämme werden alle begleitenden Lymphknoten entfernt. Die Darmenden werden End-zu-End anastomosiert (Deszendorektostomie): Entweder mit Hilfe mechanischer Nahtapparate (Stapler) oder durch Handnaht. Das Peritoneum sollte oberhalb der Anastomose wieder verschlossen werden, eine eventuelle Nahtinsuffizienz bleibt so zunächst extraperitoneal. Indikation: Rektumkarzinom. Im Extremfall kann die Resektion bis 1-2 cm an den Schließmuskel ausgedehnt werden: Ultratiefe anteriore Rektumresektion: Dabei wird der Darm koloanal End-zuEnd anastomosiert (Deszendoanostomie): Dies geschieht durch eine einreihige, transanale Handnaht. So können selbst sehr tief sitzende Karzinome kontinenzerhaltend operiert werden. Wichtig ist allerdings daß der Patient über eine gute Sphinkterleistung verfügt und eine passagere Schutzileostomie angelegt wird. Abdominoperineale Rektumexstirpation nach Quenue (Abb. 35.4-9): Resektion von Colon sigmoideum, Rektum und Anus mit dem Sphinkterapparat. Ligatur der A. mesenterica inferior an ihrem Abgang aus der Aorta abdominalis. Die Kontinenz kann nicht erhalten werden, daher benötigt der Patient einen Anus praeternaturalis (Deszendostoma, Sigmastoma). Indikation: Intersphinktäres Karzinom, Analkarzinom, zerstörter Sphinkterapparat. Kolektomie: Resektion des gesamten Kolons. Die Darmenden werden Endzu-End anastomosiert (Ileorektostomie). Indikation: Multiple Karzinome, Ischämie des Kolons. Proktokolektomie (Abb. 35.4-10): Resektion von Kolon und Rektum. Die Darmkontinuität wird durch Ileoanostomie mit Anlage eines DünndarmPouches (s.u.) wieder hergestellt. Zum Schutz der Anastomose ist es notwendig, ein passageres Ileostoma anzulegen. Alternative: Diskontinuitätsresektion mit endständiger Ileostomie, eventuell auch als kontinentes Ileumreservoir nach Kock (s.u.). Indikation: Colitis ulcerosa, familiäre Polyposis.
5. Sigmaresektion (Abb. 35.4-7): • Indikation: - Sigmadivertikulitis - Sigmakarzinom
6. tiefe anteriore Resektion nach Westhues u. Stelzner (Abb. 35.4-8) und ultratiefe anteriore Rektumresektion • Indikation: - Rektumkarzinom
7. Abdominoperineale Rektumexstirpation nach Quenue (Abb. 35.4-9): • Indikation: - intersphinktäres Karzinom - Analkarzinom - zerstörter Sphinkterapparat 8. Kolektomie • Indikation: - multiple Karzinome - Ischämie des gesamten Kolons 9. Proktokolektomie (Abb. 35.4-10): mit kontinenter Ileostomie und PouchBildung nach Kock oder mit llioanostomose und Pouch-Bildung • Indikation: - Colitis ulcerosa - familiäre Polyposis
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Abb. 35.4-8: Tiefe anteriore Rektumresektion nach Westhues und Stelzner. Exzision des Mesorektums. Tiefe Deszendorektostomie (Stapler-Anastomose)
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb. 35.4-9: Abdominoperineale Rektumexstirpation nach Quenue mit endständiger Deszendostomie
Abb. 35.4-10: Totale Proktokoiektomie mit endständiger Neostomie
10. Operation nach Hartmann (Abb. 35.4-11): • Indikation: - Notfalloperation, bei der die primäre Anastomosierung nicht möglich ist
Operation nach Hartmann (Abb. 35.4-11): Resektion von Colon sigmoideum und Rektum. Blindverschluß des unteren Rektums, Anlage einer endständigen Deszendostomie. Spätere Wiederherstellung der Darmkontinuität möglich. Indikation: Notfalloperation, in der eine primäre Anastomose nicht möglich oder unsicher erscheint (perforierte Divertikulitis mit Peritonitis, Ileus, Karzinom, schlechter Allgemeinzustand des Patienten).
11. transsphinktäre posteriore Rektotomie nach Mason • Indikation (äußerst selten): - villose Adenome im Rektum oder - als palliative Tumorresektion - bei hohem Operationsrisiko
Transsphinktäre posteriore Rektotomie nach Mason: Eröffnung des Rektums von dorsal unter Durchtrennung von Sphinktermuskulatur und Rektumwand. Diese Operation birgt ein hohes Risiko, eine postoperative Inkontinenz zu verursachen. Die Indikation wurde früher bei größeren, villösen Adenome oder auch im Rahmen palliativer Maßnahmen bei sehr alten, mit hohem Risiko behafteten Karzinompatienten gesehen. Alternative Verfahren (transanale Resektionsverfahren, transanale endoskopische Mikrochirurgie - » T E M , Endoskopie, Laserchirurgie) reduzieren die Indikation zu dieser Methode jedoch auf ein Minimum.
12. Stoma (Anus praeter naturalis): Stuhlableitung via künstlich geschaffener Darmöffnung, die durch die Bauchdecken nach außen in einen Auffangbeutel erfolgt
Stomaanlage (Anus praeter naturalis): Das Stoma dient der Stuhlableitung via künstlich geschaffener Darmöffnung (Stoma: lat. Mund, Öffnung). Prinzipiell sind Stomaanlagen an allen beweglichen Darmabschnitten denkbar,
Abb.35.4-11: Diskontinuitätsresektion nach Hartmann mit temporärer endständiger Deszendostomie (a), Kontinuität später wiederhergestellt (b)
Kolon und Rektum
Abb. 35.4-12: Stomapositionen: a = doppelläufiger Querkolonafter, b = Sigmaafter, c = endständiger lleumafter
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Abb. 35.4-13: Darmstomata. a. Endständige Kolostomie, b. Doppelläufige Kolostomie, die über einem Kunststoffreiter temporär fixiert ist, c. Endständige „prominente" Neostomie (mod. n. M.Keiehley)
die eine spannungsfreie Vorverlagerung des Darmes vor die Bauchdecken erlauben (Colon sigmoideum-, transversum, terminales Ileum - Abb. 35.412). Grundsätzlich sollte unterschieden werden zwischen endständigen und doppelläufigen Stomata. Beim endständigen Anus praeter wird nur der proximale Darmabschnitt nach außen abgeleitet (vgl. Koloproktektomie, abdominoperineale Resektion, Hartmann-Op). In vielen Fällen stellt dies eine definitive Versorgung dar. Beispiel: terminale Neostomie, terminale Sigmoideostomie.
Beim doppelläufigen Stoma leitet man beide Darmschenkel nach außen. Dies geschieht entweder in palliativer (Ausschaltung nachfolgender Darmabschnitte beim inoperablen Tumor) oder in passagerer Intention (z.B. zum Schutz gefährdeter Anastomosen oder als Notfalleingriff im Ileus bei nachgeschalteten Stenosen und schlechtem Allgemeinzustand). In Frage kommen hierfür hauptsächlich das terminale Ileum, Colon transversum und gelegentlich das Sigmoid. Die Ileostomie ist technisch leicht anzulegen und problemlos zurückzuverlagern. Allerdings verliert der Patient über den flüssigen Dünndarmstuhl Elektrolyte (v. a. NaCl) und Wasser. Dies in ausreichender Menge zu substituieren, ist bei alten Patienten mitunter schwierig. Das Transversostoma ist ebenfalls einfach anzulegen, es ist jedoch in der Regel nur unbefriedigend zu versorgen und wegen des sehr langen Mesocolon transversum sieht man relativ häufig einen Anus-praeter-Vorfall (Prolaps). • Dickdarmstoma (Abb. 35.4-13 a/b): Der Darm wird durch die Bauchwand nach außen geleitet und dort leicht erhaben in der Haut eingenäht. Die doppelläufige Kolostomie wird zusätzlich über 7-10 Tage mit einem sog. Kunststoffreiter gesichert. • Dünndarmstoma (Ileostomie): Der Darm wird prominent eingenäht. Das Stoma sollte ca. 4 cm über dem Hautniveau liegen und in den Auffangbeutel hineinragen, um einen direkten Kontakt von mazerierendem Dünndarmstuhl und Haut zu vermeiden (Abb. 35.4-13 c). Beim doppelläufigen Ileostoma werden die Darmschenkel so gedreht, daß der orale, stuhlableitende Schenkel kaudal zu liegen kommt. Dieser wird prominent eingenäht, der aborale Schenkel dagegen wird kranial in Hautniveau fixiert (Mukusfistel). Eine Besonderheit stellt die kontinente Ileostomie nach Kock dar (Abb. 35.4-14). Hier werden zunächst mehrere Dünndarmschlingen U-förmige anastomosiert und so ein künstliches Reservoir geschaffen. Der kontinente Verschluß wird durch eine spezielle Invaginationstechnik erreicht.
• endständig: Ableitung des oralen Darmschenkels • doppelläufig: Ableitung des oralen und des aboralen Darmschenkels • definitives Stoma: endgültige Versorgung • passageres Stoma: vorübergehende Versorgung: Im Notfall zur Entlastung oder als Schutz gefährdeter Anastomosen • Formen - Ileostoma: leicht anzulegen und gut zurückzuverlagern. Eignet sich besonders zum Schutz nachgeschalteter Darmabschnitte (doppelläufige Ileostomie). Um den direkten Kontakt des mazerierenden Dünndarmstuhles mit der Haut zu vermeiden prominentes Ileostoma. - Transversostoma: sehr leicht anzulegen, neigt jedoch zum Prolaps und ist mitunter schwer zu versorgen, da schlecht einsehbar. - Deszendostoma: leicht anzulegen, wird in Hautniveau eingenäht, meist endständig.
- kontinente Ileostomie nach Kock (Abb. 35.4-14) nach Koloproktektomie Indikation: Colitis ulcerosa oder familiäre Polyposis
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes Darmrohr
Abb.35.4-14: Kontinente lleostomie nach Kock nach totaler Proktokolektomie, a. Bildung des „Nippelventils" durch Invagination des terminalen lleums, b. Konstruktion des Darmreservoirs (Pouch), c. Fixation des Reservoirs an der Bauchwand mit endständiger kontinenter lleostomie. Die Entleerung des Reservoirs erfolgt mit Hilfe eines Darmrohres, das von außen durch die lleostomie in den Pouch eingeführt wird - Caecostoma —> Kotfistel am Zökalpol, nur in Extremsituationen indiziert • Stomapositionen
• Die Caecostomie (Kotfistel am Zökalpol) ist heute nur noch in extremen Situationen indiziert. Praxishinweis: Ein Stoma wird vom Patienten nur akzeptiert, wenn es korrekt und technisch einwandfrei angelegt wurde. Dabei spielt bereits die Positionierung eine entscheidende Rolle. Die ideale Lage des Stoma muß daher präoperativ am stehenden, sitzenden und liegenden Patienten bestimmt und angezeichnet werden. Zu berücksichtigen sind Narben, Hautfalten und Rock- bzw. Hosenbund. Um eine gute Versorgung zu gewährleisten, sollte das Stoma außerdem für den Patienten gut einsehbar sein. Die postoperative Versorgung des Stomapatienten wird durch ein großes Angebot industriell gefertigter Versorgungssysteme (Auffangbeutel und Basisplatten verschiedener Konfiguration und Größe) erleichtert. Wichtig sind die Betreuung des Patienten durch erfahrene Stomatherapeuten und der Kontakt zu Selbsthilfegruppen (z.B. ILCO).
• -
Stomakomplikationen Stomaausriß Teil-oder Totalnekrose Stomaretraktion
Stomakomplikationen (Abb. 15 a-e): • Frühkomplikationen: Das Stoma kann im Bereich der Hautnaht ausreißen; Durchblutungsstörungen können zu Teil- oder Totalnekrose führen; weitere Komplikationen sind Stomaretraktion oder Prolaps der Darmschlingen. Abb. 35.4-15: Häufigste Komplikationen beim künstlichen Darmausgang: a. peristomale Hernie, b. Darmprolaps, c. Stenose, d. Retraktion des Stomas in die Bauchdecken mit trichterförmiger Vertiefung (schlechte Versorgungsmöglichkeit mit Beutel!), e. Peristomale Dermatitis (meist Allergie auf Stomabeutel) (mod. n. V.Schumpelick)
Kolon und Rektum • Spätkomplikationen: parastomale Hernien, Anus-praeter-Prolaps, Stenose, Infektion, parastomaler Abszeß, Dermatitis, allergisch-toxische Komplikationen auf das Versorgungssystem, ausgedehnter Flüssigkeits- und Elektrolytverlust. Palliative Umgehungsoperationen (Abb.35.4-16): Ist das Duodenum z.B. durch einen Tumor oder nach einem Strahlenschaden verschlossen und bietet sich eine Situation, die operationstechnisch oder auf Grund des Allgemeinzustandes nicht lokal bereinigt werden kann, wird die Darmpassage durch Seit-Seit-Anastomosierung vor- und nachgeschalteter Darmabschnitte wieder hergestellt (z.kB. Ileotransversostomie, Ascendosigmoideostomie). Pouch-Anlage (Abb. 35.4-17): Durch die Anastomosierung von Dünndarmschlingen wird ein Pouch gebildet, welcher als Reservoir die Kontinenzleistung untersützt. Praxishinweis: Keine Pouch-Anlage bei M.Crohn! Hohe Rezidivquote im Pouch!
577 - parastomale Hernie - Stomaprolaps - Stenose - parastomaler Abszeß oder Infekt - Dermatitis 13. palliative U m g e h u n g s o p e r a t i o n e n • Seit-zu-Seit-Anastomosen zur Ausschaltung stenotischer Darmabschnitte, die operationstechnisch oder bei schlechtem Allgemeinzustand lokal nicht sanierbar sind 14. Pouch-Anlage künstliches Reservoir durch Seit-zu-Seit Anastomosierung von Darmschlingen • Indikation: - Kolektomie und Proktokolektomie bei Colitis ulcerosa und familiärer Polyposis
Technik: Seit-Seit-Anastomosierung (Länge ca. 7 - 9 cm) des terminalen Ileums durch Klammernahtgeräte (Stapler) und anschließende Seit-zu-End Anastomose mit der H a u t (Stoma) oder dem A n u s (am häufigsten J-Pouch).
Indikation: Kolektomie, Proktokolektomie. Videoassistierte Operationen (s.Kap. 27.3, S.263, 264). 4 - 5 ca. 1 cm lange Inzisionen erlauben es d e m Operatuer, Trokare (röhrenförmige Hülsen mit Ventil) intraabdominell zu plazieren. Die Indikationen der kolorektalen laparoskopischen Verfahren sind derzeit noch nicht vollständig geklärt, zumal diese Technik n u r an wenigen hochspezialisierten Z e n t r e n ausgeführt wird. Besonders kritisch wird dieses Verfahren in der Tumorchirurgie gesehen, da vor allem anfänglich im Bereich der Trokareinstichstellen Impfmetastasen beobachtet wurden (möglicherweise hervorgerufen durch intraoperative Tumorzelldissemination). Hier müssen noch weitere Erfahrungen gesammelt werden, bis eine abschließende Beurteilung möglich wird. Indikationen: Ileocoecalresektion, A p p e n d e k t o m i e , Hemikolektomie rechts, Sigmaresektion, Resektion isolierter Stenosen ( M . C r o h n ) , Stomaanlage, Reanastomosierung nach Hartmann-Operationen, Rektopexie. Beim Tumorpatienten: Abdominoperineale Rektumexstirpation da der Tumor sehr tief sitzt und das Präparat transanal geborgen wird, ist hier eine Tumorzellverschleppung nicht zu befürchten (no-touch-isolation-technique gewährleistet), palliative Resektionen.
Transanale endoskopische Mikrochirurgie (TEM): Über ein spezielles Operationsrektoskop können hier unter stereoskopischer Sicht Tumoren des Rektums entfernt werden. Indikation: Adenome, TINO (Gl-2)-Karzinome, in palliativer Absicht auch höhere Tumorstadien (Abb. 35.4-18 a, b).
Abb.35.4-16: Palliative Umgehungsoperationen bei stenosierenden Dickdarmtumoren: a. Ileotransversostomie beim Zäkumkarzinom, b. Aszendosigm o i d e o s t o m i e beim Querkolonkarzinom, c. Transversodeszendostomie beim linken Flexurkarzinom
15. Videoassistierte Operationen: Op. unter Kamerasicht durch kleine Trokare • Indikation: noch nicht endgültig definiert. • Vorteil: kleine Inzisionen, reduziertes Trauma, verkürzte Rekonvaleszenz • Nachteile: spezielle Ausrüstung, erfahrenes und trainiertes Operationsteam. Gefahr von Impfmetastasen in der Bauchdecke bei Karzinomresektionen, lange Op-Zeiten • Indikationen: - gutartige Erkrankungen -> Appendizitis, M.Crohn, Divertikulitis, Re-Anastomosierung nach Hartmann-Operation, Rektopexie, Sigmaresektion, Stomaanlage - in der Tumorchirurgie noch nicht exakt festgelegt (Radikalität?) 16. transanale endoskopische Mikrochirurgie (TEM): s. Abb.35.4-18a-b • Indikationen: - A d e n o m e und T1 NO-Karzinome des Rektums - palliative Intentionen
Abb.35.4-17: Proktokolektomie mit Kontinenzerhaltung und Pouchbildung (J-Pouch)
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb. 35.4-18: Transanale endoskopische Mikrochirurgie (TEM): a. Operationsendoskop mit Vergrößerungsoptiken, b. Durch das Endoskop sind mehrere Instrumente eingeführt, der Schleimhautpolyp wird unter mikroskopischer Sicht abgetragen. 1 = Optik, 2 = Faßzange, 3 = Diathermiemesser, 4 = Sauger
Kolorektale Tumoren
4.1.4 Kolorektale Tumoren Unterschieden werden benigne (Polypen, Adenome) von malignen Tumoren (Karzinome) und Präkanzerosen (familiäre adenomatöse Polyposis, villöses Adenom).
Polypen
4.1.4.1 Polypen: Hamartome und Adenome
• gehen meist von der Schleimhaut aus
Polypen gehen überwiegend von der Schleimhaut aus, mesenchymale Tumoren (Myome, Lipome) sind sehr selten. Die Entartungstendenz ist unterschiedlich, daher gelten folgende Richtlinien (Hermanek):
Entartungstendenz ist sehr unterschiedlich Richtlinien n. Hermanek
• jeder Polyp sollte komplett abgetragen und histologisch untersucht werden. • maligne Entartung ist vor allem bei adenomatösen Polypen zu erwarten • > 100 Polypen bedeuten „Polypose" (bei weniger spricht man von multiplen bzw. solitären Polypen) • Infiltration der Submukosa bedeutet Karzinom • eine Knipsbiopsie kann nur zwischen Hamartomen und Adenomen (sog. neoplastischen Polypen) differenzieren, sie gibt keine definitive Auskunft ob der malignen Entartung. Hierzu ist die Infiltration der submukösen Polypenbasis entscheidend
1. Angeborene Polypen ( = Hamartome) a) juvenile Polyposis coli (erhöhtes Karzinomrisiko) b) Peutz-Jeghers-Syndrom - multiple gestielte Polypen - Melaninpigmentierung der Lippen- und Mundschleimhaut - Entartungstendenz für verschiedene Karzinome erhöht c) hyperplastische Polypen
Hamartome (angeborene Polypen) sind: • juvenile Polyposis coli: zystische Drüsenformation in der Lamina propria. Symptomatik: gastrointestinale Blutung, Invagination (bei sehr großen Polypen), Altersgipfel: 1. und 25. Lebensjahr. Therapie: endoskopische Abtragung, Operation (Resektion), in jedem Fall Histologie. Entartungstendenz: erhöht bei multipler besonders bei diffuser juveniler Polyposis (10 %) • Peutz-Jeghers-Syndrom: multiple gestielte Polypen und Melaninpigmentierung der Lippen- und Mundschleimhaut. Entartungstendenz für verschiedene Karzinome erhöht (s. Kap. 35/3). • hyperplastische Polypen: epitheliale Hyperplasie, Inzidenz lOfach höher, als die der Adenome. Therapie: endoskopische Abtragung, Entartungstendenz: keine.
2. IMeoplastische Polypen (Adenome)
Adenome (neoplastische Polypen) sind umschriebene Hyperproliferationen und zeigen eine ungehinderte Zellteilung im Drüsenepithel der Muko-
Kolon und Rektum sa. Sie werden bei ca. 3 5 ^ 0 % aller über 30jährigen gefunden. Bei 6080jährigen steigt die Inzidenz gar auf 60%. Die Prädilektionsorte sind Sigma und Rektum, sie werden selten größer als 5 cm. Nach ihrem Aussehen werden Adenome in gestielte und breitbasige Typen eingeteilt. Die Entartungstendenz breitbasiger Polypen ist grundsätzlich höher einzustufen. Histologisch wird zwischen tubulären, villösen und tubulovillösen Adenomen differenziert. Ein zusätzliches Unterscheidungskriterium ist das Ausmaß der Epithelzellatypien (WHO-Klassifikation: geringgradig, mittelgradig, schwer). Läsionen mit gering- bis mittelgradigen Atypien werden als Adenom betrachtet, hochgradige Aytpien sind einem Carcinoma in situ gleichzusetzen, solange sie auf die Mukosa beschränkt bleiben. Wenn die Muscularis mucosae infiltriert ist, liegt übereinkunftsgemäß ein Karzinom vor. Ist nur die Submukosa betroffen, spricht man vom Mikrokarzinom. • Tubuläre Adenome stellen die Mehrzahl der Adenome, gestielt oder breitbasig wachsend. Bei einem Durchmesser < 1 cm beträgt die Entartungsfrequenz 1 %, bei einem Durchmesser > 2 cm ist sie lOfach höher. • Villöse Adenome wachsen meist breitbasig im Rektum, Entartungsfrequenz von bis zu 40%, Präkanzerose. Gelegentlich findet man beetoder rasenartiges Wachstum. (Leitsymptom: ausgeprägte Schleim- und Flüssigkeitssekretion). • Tubulovillöse Adenome sind Mischformen aus 1 u. 2. Diagnostik: Koloskopie mit Biopsie (Histologie), Kolonkontrasteinlauf Therapie: Die Mehrzahl aller Dickdarmkarzinome entwickelt sich aus Adenomen (Adenom-Karzinom-Sequenz, s. u.). Adenomträger, bei welchen das Adenom entfernt wurde haben danach ein ca. 2.5fach erhöhtes Risiko der Karzinomentwicklung (bei regelmäßiger Kontrolle, jedoch eine normale Lebenserwartung). Bei Adenomträgern, denen das Adenom nicht entfernt wird, ist das Risiko 9fach größer. Die wirksamste Karzinomprophylaxe besteht in der kompletten Abtragung der Adenome. Damit kann auch die Diagnose histologisch gesichert werden. Gelingt es nicht, die Läsion endoskopisch im Gesunden abzutragen, so muß dies chirurgisch entweder als lokale Vollwandresektion oder ggf. als Segmentresektion des tumortragenden Darmabschnittes erfolgen. Dies gilt besonders für breitbasige Adenome.
579 = umschriebene Hyperproliferation und Zellteilung im Drüsenepithel der Mukosa, bei 35-40 % der über 30jährigen vorhanden • Prädilektionsorte: Sigma, Rektum • makroskopisch werden unterschieden: - gestielte Adenome - breitbasige Adenome (diese haben deutlich höhere Entartungstendenz) • histologisch werden differenziert: - tubuläre Adenome - villöse Adenome (hohe Entartungsfrequenz, Präkanzerose) - tubulovillöse Adenome • nach Grad der Epithelzellatypien: - Adenom: geringgradige bis mittelgradige Zellatypien - Carcinoma in situ: hochgradige Zellatypien, auf Mucosa beschränkt - Karzinom: Infiltration der Muscularis mucosae - Mikrokarzinom: Infiltration reicht nur bis in die Submukosa • Diagnostik: Koloskopie, Histologie, Kontrasteinlauf • Therapie: - endoskopische Abtragung entscheidend: komplette Abtragung mit Basis, nur so kann zuverlässig zwischen Adenom und Karzinom unterschieden werden! - ggf. Vollwandexzision oder Segmentresektion Karzinomprophylaxe
Praxishinweis: Immer ist zu bedenken, daß große Adenome, die an ihrer Oberfläche lediglich leichte oder mittelgradige Epithelatypien erkennen lassen, an ihrer Basis möglicherweise bereits die Muscularis mucosae erreicht haben und längst maligne entartet sind. Familiäre Polypose (Adenomatosis coli): Autosomal dominant vererbt (Chromosom 5, sog. 5q21 APC Gen). Der gesamte Dickdarm ist mit hunderten bis tausenden von Polypen übersät. Altersgipfel 29. Lebensjahr. Diese Erkrankung ist eine obligate Präkanzerose. Diagnose: Koloskopie, Kontrasteinlauf Die Therapie der Wahl ist die Proktokolektomie mit endständigem Ileostoma (evtl. mit J-Pouch, bzw. nach Kock). Alternativ wird auch die Kolektomie mit Proktomukosektomie empfohlen. Die rektale Schleimhaut wird dabei ausgeschält, der Sphinkterapparat jedoch erhalten. Man reseziert damit kontinenzerhaltend. Eine Ileorektostomie mit Ileum-Pouch verbessert die Kontinenzleistung.
3. Sonderform: Familiäre Polypose (Adenomatöse): - autosomal dominant vererbt. Der gesamte Dickdarm ist von hunderten Polypen übersät. Obligate Präkanzerose • Symptomatik: gehäufte Stühle mit Schleim- und Blutbeimengung • Diagnostik: Koloskopie, Kontrasteinlauf, histologische Sicherung • Therapie: Proktokolektomie mit endständigem lleostoma, Ileorektostomie mit Ileum-Pouch, Kolektomie mit Proktomukosektomie
In unserer Zeit setzt sich die Kolektomie mit ultratiefer Rektumresektion und pouchanaler Anastomose mehr und mehr durch. Die Ileorektostomie erfordert eine sehr engmaschige Kontrolle des verbliebenen schleimhauttragenden Rektumstumpfes, um dort ein tiefes Karzinom nicht zu übersehen. Begleitend wird die Medikation mit Vitamin C und Sulindac empfohlen. Diese sollen einerseits eine spontane Rückbildung bestehender Polypen bewirken, andererseits wird eine Neubildung unterdrückt. Der genaue Wirkmechanismus ist allerdings unklar.
In jedem Fall muß eine ausführliche Familienanamnese erhoben werden. Familienangehörigen wird die Koloskopie und auch Gen-Analyse dringend empfohlen.
Familienanamnese erfragen! Gen-Analyse Koloskopie
580
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
4. Assoziierte Erkrankungen • Gardner-Syndrom • Turcot-Syndrom • Zanca-Syndrom
Assoziierte Erkrankungen: Die Adenomatosis coli ist häufig verknüpft mit dem Gardner-Syndrom: Polyposis + Weichteiltumoren (Fibrome, Desmoide) oder andere Karzinome (Harnblase, Uterus, Schilddrüse) + Osteome, dem Turcot Syndrom: Polyposis + Hirntumoren (Glio- oder Medulloblastom) und dem Zanca-Syndrom: Polyposis + kartilaginäre Exostosen.
Kolorektales Karzinom:
4.1.4.2 Kolorektales Karzinom
Epidemiologie • deutliche Zunahme in den letzten Jahrzehnten Inzidenz: 24/100000 Einwohner, häufigstes Karzinom der Frau, zweithäufigstes beim Mann • Altersgipfel 50.-70. Lebensjahr
Epidemiologie. Die kolorektalen Karzinome haben in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Vergleiche mit Statistiken der siebziger Jahre zeigen, daß die Inzidenz bei Männern um ein Drittel, bei Frauen um mehr als die Hälfte gestiegen ist, betroffen sind ungefähr 24/100000 Einwohner pro Jahr. Demzufolge steht das kolorektale Karzinom bei Männern an Platz zwei nach dem Bronchialkarzinom, bei Frauen nimmt es gar Platz eins, noch vor Mamma- und Bronchialkarzinom ein. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr, nur 5% aller Kolonkarzinomträger sind bei Erstdiagnose jünger als 45 Jahre. Insgesamt zeigt sich eine deutliche geographische Varianz. So ist die Inzidenz in den westlichen Industrienationen (Nordwesteuropa, -amerika und Australien) deutlich höher, als beispielsweise in Asien, Afrika oder Südamerika.
Ätiologie
4.1.4.2.1 Ätiopathogenese kolorektaler Karzinome
• multifaktoriell, genetische Prädisposition plus äußere Einflüsse. • die Mehrzahl der Karzinome entsteht aus einem Adenom: Adenom-Karzinom-Sequenz. • de novo-Karzinome: entstehen direkt in der Submukosa, ohne vorausgehende Adenome
Die Karzinogenese ist ein multifaktorielles Geschehen, bei dem genetisch prädisponierende Faktoren und äußere Einflüsse in wechselseitige Beziehung treten und so das Karzinom induzieren. Der Mehrzahl der kolorektalen Karzinome geht ein Adenom voraus.
• Zwischenstufen bei der Adenom-Karzinom-Sequenz
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• erworbene genetische Defekte: - induzieren primär ein Adenom - kommen weitere genetische Defekte hinzu -> maligne Transformation
genetische Grundlagen der AdenomKarzinom-Sequenz
Adenom-Karzinom-Sequenz: Über mehrere Zwischenstufen entartet der adenomatöse Polyp zum Karzinom: Adenom: auf Mukosa beschränkt, gering- bis mittelgradige Atypien Carcinoma in situ: Muscularis mucosa nicht durchbrochen, hochgradige Atypien invasives Karzinom: Infiltration der Muscularis mucosae und Submukosa • Erworbene genetische Defekte. Im Gegensatz zur familiären adenomatösen Polyposis oder zu den HNPCC handelt es sich hier nicht um angeborene, sondern um erworbene spontane Mutationen. Diese treten meistens in einer einzelnen Epithelzelle (oder auch Zellgruppe) auf und induzieren primär ein Adenom. Kommen weitere Veränderungen hinzu (erworbene oder auch vorbestehende genetische Defekte), wird das Adenom maligne transformiert. Wichtige Stationen sind die sog. k-ras-Mutation am Chromosom 12, der Verlust des 18q Allels und der Verlust des p53 Gens am Chromosom 17. Genetische Grundlagen der Adenom-Karzinom-Sequenz (Abb. 35.4-19): normales Epithel 1 < 5q Mutation oder Verlust hyperproliferatives Epithel i aö/o 2. Gallertkarzinome 3. Siegelringzellkarzinome 4. Adenosquamöse Karzinome 5. undifferenzierte Karzinome 6. nichtklassifizierte Karzinome • histologischer Differenzierungsgrad der Karzinome: gut, mäßig und undifferenziert Wachstum, Metastasierung • Infiltration: - Rektumkarzinome infiltrieren percontinuitatem bevorzugt nach ventral und lateral in Harnblase, Ureter, Prostata, Uterus und Ovarien - Kolonkarzinome hauptsächlich in die Bauchwand, aber auch in Magen und Leber (Colon transversum-Ca, Flexurkarzinom) • lymphogene Metastasierung: Abb. 35.4-20
• Siegelringzell- (selten, sehr schlechte Prognose) und • adenosquamöse Karzinome (drüsige und plattenepitheliale Anteile) • undifferenzierte und nichtklassifizierte Karzinome.
Differenzierungsgrad. Man unterscheidet gut, moderat und geringdifferenzierte Karzinome. Je entdifferenzierter, desto schlechter die Prognose. Wachstum, Metastasierung. Kolorektale Karzinome wachsen bevorzugt in die Hefe. Das Längenwachstum ist begrenzt und erfolgt hauptsächlich in oraler Richtung. Dies ist besonders wichtig für den Resektionsabstand der Tumoren. Beim tiefsitzenden Rektumkarzinom genügt ein distaler Resektionsrand von ca. 2cm (kontinenzerhaltende Resektion!). Rektumkarzinome infiltrieren per continuitatem bevorzugt nach ventral und lateral in Harnblase, Ureter, Prostata, Uterus und Ovarien, Kolonkarzinome hauptsächlich in die Bauchwand, aber auch in Magen und Leber (Colon transversum-, Flexurenkarzinom). • Lymphogene Metastasierung (Abb. 35.4-20). Kolonkarzinome streuen in die regionalen und peripheren Lymphknotenstationen entlang der versorgenden Gefäße. Je differenzierter der Tumor, desto später erfolgt die lymphogene Aussaat.
Abb.35.4-20: Lymphogene Metastasierungswege beim anorektalen Karzinom entlang der Arterien: 1 A. mesenterica inferior, 2 Aa. sigmoideae, 3 präsakrale Lymphknoten im Mesorektum, 4 A. iliaca interna, 5 A. femoralis (inguinal)
Abb.35.4-21: Hämatogene Metastasierungswege beim anorektalen Karzinom: a. Vv. rectales superior (1) V. mesenterica inferior (2) -> V. lienalisA/. portae (3) -> Leber, b. V. ilica interna (4) —> V. iliaca externa/V. cava inferior (5) -> Lunge etc.
Kolon und Rektum
583
Beim Rektumkarzinom entscheidet die Höhe: Im oberen Rektumdrittel wird die Lymphe nach kranial drainiert (A. rectalis superior, A. mesenterica inferior), im mittleren Drittel nach kranial, sowie über die Lymphknotenstation der Aa. rectalis media et pudenda entlang der Beckengefäße und im distalen Drittel, sowie im Analbereich nach kranial, lateral und inguinal. • Hämatogene Metastasierung (Abb. 35.4-21). Dickdarmkarzinome metastasieren über den Pfortaderkreislauf in die Leber (75 %), von da in die Lunge (15 %) und in das Skelett 5 %). Tief sitzende Rektumkarzinome metastasieren primär über die V. cava direkt in die Lunge.
hämatogene Metastasierung (Abb. 35.4-21): über die Pfortader in die Leber (75%) in die Lunge (15%) in das Skelett (5%)
4.1.4.2.3 Symptome und Diagnose kolorektaler Karzinome Die Symptomatik ist zum Teil von der Tumorlokalisation abhängig. Polypöse Tumoren fallen meist durch per analen Blutabgang auf, zirkulär oder schnell wachsende Tumoren verursachen Stenosebeschwerden (Abb. 35.4-22).
Symptomatik • polypöse Tumoren bluten, zirkulär wachsende stenosieren!
Schmerzen
Schmerzen
Rektale Blutung Änderung der Stuhlgewohnheiten
Anämie W s M tastbare Resistenz
Versch lu ßsymptome
Schmerzen Blutung Tenesmen Abb.35.4-22: S y m p t o m e bei kolorektalen
Tumoren
Rechtes Kolon: Gewichtsverlust, Anämie, unklare Unterbauchschmerzen, seltener Blutungen oder Durchfälle. Linkes Kolon: Obstipation, Stenose, Blut- und Schleimabgang, Tenesmen. Sigma: Blut und Schleimabgang, Meteorismus, Flatulenz, wechselndes Stuhlverhalten. Rektum: Blut- und Schleimabgang, wechselndes Stuhlverhalten, Bleistiftstühle. • peranaler Blutabgang (v.a. beim über 50jährigen): Differentialdiagnose zu Hämorrhoiden, Divertikelblutung • Wechsel der Stuhlgewohnheiten: (Diarrhoe, Obstipation, Schleimabgang, Flatulenz. • Gewichtsverlust und Anämie
• Rechtes Kolon: Gewichtsverlust, Anämie, Unterbauchschmerzen, selten Blutung, Durchfälle • Linkes Kolon: Obstipation, Stenose (Subileus, Ileus —> Not-Op. erforderlich), Blut- und Schleimabgang, Meteorismus, Flatulenz • Rektum: Blut- und Schleimabgang, Bleistiftstühle, wechselndes Stuhlverhalten
Vor allem linksseitige Dickdarmkarzinome fallen oft erst durch Subileus oder Ileus auf (Stenose). Dies zwingt zum Notfalleingriff, und damit wird die Prognose ungünstig beeinflußt, inbesondere wenn eine Perforation stattgefunden hat. Seltener werden rektovaginale oder -vesikale Fistelungen beobachtet, wenn der Tumor frühzeitig invasiv wächst und zentral nekrotisch zerfällt.
Die Diagnostik umfaßt: • Suche nach okkultem Blut, digitale rektale Untersuchung und Endoskopie (Histologie) • Sonographie (Metastasen), Endosonographie (Tiefeninfiltration Abb. 35.4-23) • Röntgen: Kontrasteinlauf (Primärtumor, Zweittumor Abb.35.4-24), Thorax (Metastasen) • CT (Rektumkarzinom, geplante Radiotherapie, Abb. 35.4-25) • Skelettszintigraphie (bei Metastasenverdacht)
Diagnostik
584
Abb. 35.4-23: Transanale Endosonographie. Wandüberschreitendes Rektumkarzinom (T3/T4)
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.4-24: Kontrasteinlauf. Typische Tumorstenose (Chaoul-Glocke —>) im Querkolon
Screening-Untersuchung zur Karzinomfrüherkennung: • Digitale rektale Untersuchung und Proktoskopie —> entdeckt 30% der Kolonkarzinome • Rektoskopie -> erhöht nachweisbare Karzinome auf 60% • Koloskopie oder Kontrasteinlauf immer erforderlich, um Zweitkarzinome zu finden
Abb. 35.4-25: CT kleines Becken. Wandüberschreitendes Rektumkarzinom mit Infiltration des perirektalen Gewebes und beginnender Invasion der Harnblase (->)
Früherkennung, Screening: Suche nach okkultem Blut. Methode: Ein in Guyak-Gummi eingebettetes ungefärbtes Phenol wird zu einem blaugefärbten Chinolon oxidiert. Hämoglobin ist das notwendige Oxidans (andere Oxidanzien im Stuhl verfälschen die Methode). Dieser Test wird bei über 50jährigen im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung als Sreeening eingesetzt. Er besitzt eine positive Vorhersagewahrscheinlichkeit von ca. 2.5 % für Karzinome.
Peranaler Blutabgang beim über 45—50j ährigen ist prinzipiell als Frühsymptom eines kolorektalen Karzinoms zu betrachten. Praxishinweis: Auch bei gleichzeitigem Hämorrhoidalleiden oder bekannter Divertikulose muß die komplette Dickdarmabklärung erfolgen! Dies gilt in ähnlicher Weise für plötzlich verändertes Stuhlverhalten.
Prädilektionsstellen kolorektaler Karzinome: im Sigma und Rektum mit 82% am häufigsten (Abb. 35.4-27)
Verteilung der Karzinome und diagnostische Erfassung (Abb. 35.4-26 u. 27). ca. 30 % aller kolorektalen Karzinome sind im tiefen Rektum angesiedelt, Kolon-KE (Doppel-KE) 90 - 95% Koloskopie 98%
rektale Palpation 30% Inspektion 2%
Abb.35.4-26: Diagnostische Verfahren bei kolorektalen Karzinomen und deren Trefferquoten
Abb.35.4-27: Prädilektionsstellen kolorektaler Karzinome (Häufigkeit in Prozent)
Kolon und Rektum winnn/u
smMm
585 ' ubülX
'
rLK Abb. 35.4-28: Dukes A
90%
Dukes B
60%
Dukes C
30%
Stadie nein teilung kolorektaler
K a r z i n o m e nach Dukes
d. h. diese Tumoren sind allein durch digitale Austastung und Proktoskopie zu erkennen. Nimmt man die Rektoskopie zu Hilfe, erhöht sich die Zahl der nachweisbaren Karzinome auf über 60 %! H ö h e r gelegene Darmabschnitte müssen durch Koloskopie oder, wenn diese nicht vollständig gelingt, durch Kontrasteinlauf abgeklärt werden (Abb. 35.4-24). Praxishinweis: Eine komplette Dickdarmdiagnostik ist in jedem Fall erforderlich, um Zweitkarzinome auszuschließen. Differentialdiagnose. Klinisch kann ein entzündlicher Divertikeltumor als Karzinom imponieren. Allein die histologische Untersuchung schafft hier Klarheit. G r ö ß e r e Adenome sollten komplett entfernt und histologisch aufgearbeitet werden.
Differentialdiagnose • Divertikulose • Adenom
Staging. Die erste Stadieneinteilung der Dickdarmkarzinome wurde von Dukes (1932) eingeführt (Abb. 35.4-28). Sie ist heute im klinischen Sprachgebrauch durchaus noch gebräuchlich, wurde jedoch der allgemeinen TNM-Klassifikation angepaßt. TNM berücksichtigt jeweils T (Ausdehnung des Primärtumors), N (Lymphknoteninfiltration) und M (Fernmetastasierung), zusätzlich wird das histopathologische Grading erfaßt.
Tumorstaging • Stadieneinteilung nach Dukes und Turnbull: in der c h i r u r g i s c h e n Praxis n o c h gebräuchlich, ist der T N M - K l a s s i fikation a n g e p a ß t
In Zukunft werden Mikrometastasen, vagabundierende Tumorzellen im Peritoneum, Blut und Knochenmark, aber auch genetische Marker nach allem was wir heute wissen, eine zunehmende Bedeutung erlangen. Einteilung nach Dukes (1932) und Turnbull (1967): Tumor auf Darmwand beschränkt: A Tumor überschreitet Darmwand: B Lymphknotenmetastasen: C, regional, perikolisch bzw. perrektal (Cl), paraaortal (C2) Fernmetastasen: D
Z u k ü n f t i g w e r d e n M i k r o m e t a s t a s e n , vag a b u n d i e r e n d e T u m o r z e l l e n u n d genetische M a r k e r z u n e h m e n d v o n B e d e u t u n g sein
TNM-Stadium Tx Iis NO MO
Kennzeichen Primärtumor nicht beurteilbar Carcinoma in situ, Adenom mit hochgradiger Epitheldysplasie, auf Mukosa beschränkt T1 NO MO Mikrokarzinom, auf Submukosa beschränkt T2 NO MO Tumor infiltriert Muscularis propria T3 NO MO mikroskopisch durch die Darmwand, Tumor infiltriert Subserosa oder auch in nichtperitonealisiertes perikolisches oder -rektales Gewebe T4a NO MO makroskopisch durch die Darmwand, T4b NO MO Tumor infiltriert viszerales Peritoneum, Nachbarorgane bzw. umgebende Strukturen Tl-3 N1 MO Tümor auf Darmwand begrenzt, Metastasen in 1-3 regionären Lymphknoten Tl-3 N2 MO Tumor auf Darmwand begrenzt, Metastasen in 4 oder mehr perikolischen oder -rektalen Lymphknoten T l - 3 N3 MO Tumor auf Darmwand begrenzt, Metastasen in LK entlang eines Gefäßstammes T3 Nl-3 MO mikroskopisch durch die Darmwand T4aNl-3M0 makroskopisch durch die Darmwand T4b Nl-3 MO Umgebung infiltriert jedes T, jedes N, Fernmetastasen Ml
Dukes
Stadieneinteilung nach der TNM-Klassifikation (WHO) und der Dukes-Einteilung (zum Vergleich)
A A B
4=
B B C C C C C C D
586
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Lymphknoten Nx N1
Lymphknoten nicht beurteilbar Lymphknotenmetastasen in 1 - 3 perirektalen oder perikolischen Lymphknoten N2 Lymphknoten in 4 oder mehr perirektalen oder perikolischen Lymphknoten N3 Lymphknoten entlang benannter Gefäßstämme Metastasen: Mx - nicht beurteilbar, MO - keine Fernmetastasen, M l - Fernmetastasen Grading: Gx - Differenzierungsgrad nicht zu bestimmen, G l - gut differenziert, G2 - mäßig differenziert, G 3 schlecht differenziert, G4 - undifferenziert
4.1.4.2.4 Therapie kolorektaler Karzinome und postoperative Komplikationen Therapie • Prinzipien der Tumorchirurgie am Kolon radikale Resektion (RO-Resektion): - radikuläres Absetzen von Gefäßen - No-touch-Technik - En-bloc-Resektion + Lymphadenektomie Operationsverfahren am Kolon • entsprechend der Tumorlokalisation
=t>
Die Therapie der Wahl ist die radikale chirurgische Resektion nach den Prinzipien der Tumorchirurgie (s. Kap. 25): radikuläres Absetzen der Gefäße, No-touch-isolation-Technik, En-bloc-Resektion mit drainierenden Lymphknoten Operationsverfahren am Kolon (s. Kap. 4.1.2.2): • Tumor am Zökalpol, Colon ascendens: Hemikolektomie rechts. Anastomose zwischen Ileum und Colon transversum • Karzinom der rechten Flexur: erweiterte Hemikolektomie rechts bis Mitte Colon transversum. Anastomose zwischen Ileum und Colon transversum • Transversum-Karzinom: Resektion des Colon transversum und beider Flexuren. Anastomose zwischen Colon ascendens und descendens. • Karzinom der linken Flexur: Erweiterte Hemikolektomie links. Anastomose zwischen Querkolon und Sigma. • Karzinom des Colon descendens: Hemikolektomie links. Anastomose zwischen Colon tranversum und Rektum • Sigmakarzinom: Sigmaresektion. Anastomose zwischen Colon descendens und Rektum • inoperabel: palliative Maßnahmen (Umgehungsanastomosen, Stoma).
Operationsverfahren am Rektum • minimaler Resektionsrand nach distal - 2 cm
Operationsverfahren am Rektum. Der minimale Resektionsrand nach distal beträgt 2 cm. Unter dieser Prämisse kann meist kontinenzerhaltend reseziert werden. Um ein Lokalrezidiv zu vermeiden, ist die vollständige Exzision des Mesorektums (mit den darin enthaltenen Lymphknoten) von eminenter Bedeutung. • Karzinom: Tiefe anteriore Rektumresektion. Anastomose zwischen Colon descendens und Rektum. • Tief sitzendes Karzinom, (bis 2 cm oberhalb des Schließmuskels): ultratiefe anteriore Rektumresektion mit handgenähter Anastomose zwischen Colon descendes und Anus. Ein passageres doppelläufiges Ileostoma ist empfehlenswert • Karzinom im Schließmuskelbereich, Analkarzinom: Abdominoperineale Rektumexstirpation (wenn möglich laparoskopisch) mit endständigem Deszendostoma.
meist kontinenzerhaltende Resektion möglich
Resektionen ausgehend vom posterioren Zugang (nach Kraske) sind wegen multiplen postoperativen Komplikationen weitgehend verlassen worden.
radikale und palliative Verfahren
Komplikationen • Nahtinsuffizienz (1-7%)
• Großes Adenom, T1 -Karzinom: transanale Vollwandexzision (z.B. TEM oder direkte transanale Resektion), präoperativ ist die Endosonographie wegen Beurteilung der Tiefenausdehnung obligat • palliative Verfahren: Anus praeternaturalis, Tumorverkleinerung durch endoskopisches Abtragen mit elektrischer Schlinge, Laser oder Kryochirurgie, transanale Resektion. Postoperative Komplikationen sind: Nahtinsuffizienz (1-7%). Ursachen: technische Fehler, Minderdurchblutung der Anastomosenenden (Skelettierung), Anastomose unter Spannung. Patient in sehr schlechtem Allgemeinzustand (Proteinmangel, Faktor XIIIMangel).
Kolon und Rektum Wundinfektionen: Keimverschleppung während der Operation, Stomakomplikationen: s. dort. Sexualstörungen: Impotenz, Erektionsstörungen, retrograde Ejakulation (insgesamt 40%, totaler Erektionsverlust: 15%). Vorkommen: vor allem nach abdominoperinealer Rektumexstirpation und tiefer anteriorer Rektumresektion. Ursache: Verletzung und Durchtrennung der präsakralen Nervenplexus bei der Präparation des tiefen Rektums und Lymphadenektomie (Präparation in der falschen Schicht), Verletzung der Samenblasen. Blasenentleerungsstörungen: meist nur temporär. Ursache: Veränderte Lage des Organs, entzündliche Veränderungen. Deshalb sollte der Blasenkatheter 2-3 Tage postoperativ belassen werden.
4.1.4.2.5 Adjuvante und experimentelle Therapieformen beim kolorektalen Karzinom
587 Wundinfektionen (Keimverschleppung), Prophylaxe: Darmspülung, Wundspülung, Antibiotika Stomakomplikationen Sexualstörungen: Impotenz, retrograde Ejakulation, Erektionsstörungen
Blasenentleerungsstörungen: meist temporär
Adjuvante Therapie
Die adjuvante Therapie umfaßt die Radiatio und den Einsatz von Chemotherapeutika. Strahlentherapie. Ziel ist die Verringerung der Tumorzellen im Operationsund Anastomosengebiet, Reduktion der Lokalrezidivrate. Postoperativ adjuvant: Rektumkarzinom und unteres Sigma. Höhergelegene Karzinome dürfen nicht bestrahlt werden, da Strahlenschäden des Dünndarms unvermeidbar sind. Indikation: jedes Karzinom mit Lymphknotenbefall (Dukes C). Zielsetzung: kurativ. Postoperativ palliativ: Indikation: Therapie der Nervenschmerzen im ehemaligen Tumorbett. Bei bekannten Fernmetastasen (Dukes D) ist die Radiatio umstritten. Zielsetzung: palliativ.
Strahlentherapie: Ziel Verringerung der Tumorzellen im Operations- und Anastomosenbereich -> Reduktion der Lokalrezidive • Indikation: Dukes C, Rektumkarzinom, Analkarzinom • Risiko: Strahlenfolgen am Dünndarm. Daher Bestrahlung nur im kleinen Bekken
Chemotherapie. Ziel ist die Verringerung der zirkulierenden Tumorzellen (Blut, Lymphknoten), Devitalisierung lokal verbliebener Zellen.
Chemotherapie: Ziel Verringerung der zirkulierenden Tumorzellen (Blut, Lymphknoten), Devitalisierung lokal verbliebener Zellen • Indikation: Dukes C und (B). 1. adjuvant (postoperativ, kurativ), 2. neoadjuvant (präoperativ zur Verkleinerung der Tumormassen), 3. palliativ (Schmerztherapie bei Infiltration des Sakrums und bei Skelettmetastasen)
Eingesetzte Substanzen: Levamisol oder Leukoverin zusammen mit 5 FU. Diese Therapie basiert auf einer Studie von Moertel: Verbesserte Überlebensrate, verlängertes tumorfreies Intervall. Postoperativ adjuvant: kolorektales Karzinom im Stadium Dukes C, evtl. auch Stadium Dukes B, bei Patienten mit erhöhtem Karzinomrisiko (positive Familienanamnese, Zweittumor, genetische Disposition). Zielsetzung: kurativ. Im Stadium Dukes D hat die Chemotherapie nur palliativen Charakter. Neoadjuvante Therapie: Radiatio oder Chemotherapie präoperativ angewendet, um eine Verkleinerung (sog. down Staging) sehr großer Tumoren zu erreichen. Beispiel: T4 Rektumkarzinom. Experimentelle Therapieformen sind: Immuntherapie. Passive Immuntherapie (Antikörper gegen Tumorzellbestandteile) AK 17-1 a Aktive Immuntherapie: Impfung mit aufgearbeiteten Tumorzellen Unspezifische Immuntherapie: Lektine, Interleukine, Immunstimulantien z. B. BCG, Levamisol IORT (intraoperative Radiotherapie): intraoperative Bestrahlung des Tumorbettes (bes. beim Rektumkarzinom). Der Dünndarm kann aus dem Bestrahlungsfeld herausgehalten werden, dadurch kann die lokale Strahlendosis erhöht werden. Indikation: Vor allem fortgeschrittene Himoren: T3 und T4. Nachteil: Hoher Aufwand. Brachytherapie: Intraoperativ werden spezielle Applikationssysteme eingelegt. Postoperativ wird im Afterloading-Verfahren radiotherapiert. Vorteil: Es können höhere Strahlendosen verwendet werden.
Experimentelle Therapieformen • Immuntherapie
4.1.4.2.6 Prognose und Verlauf kolorektaler Tumoren
Prognose des kolorektalen Karzinoms
Tumorstadium. Wichtigstes Prognosekriterium ist das Tumorstadium!
5-Jahres-Überlebensraten: • Dukes A: 90% • Dukes B: 60-80% • Dukes C: 20-50% • Dukes D: 3%
Faktoren wie Resektionsausmaß und -qualität (kurativ, palliativ), Operationsletalität, Rezidivrate und 5-Jahres-Überlebensrate müssen berücksichtigt werden, um die postoperativen Ergebnisse zu beurteilen. Das multimodale Therapiekonzept (Chirurgie, Radio- und Chemotherapie) hat dazu beigetragen, die Überlebensraten stetig zu verbessern. Für Dukes A liegt die 5-Jahres Überlebensrate zur Zeit bei über 90 % (T1-Karzinome).
Intraoperative Radiotherapie (IORT)
• Brachytherapie
588
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Bei Dukes B-Patienten beträgt sie 60-80 %. Treten Lymphknotenmetastasen auf, sinkt sie allerdings auf 20-50%. Eine ungünstige Prognose haben Patienten mit bereits zum Zeitpunkt der Erstoperation vorhandenen Fernmetastasen (sog. synchrone Metastasen). In diesen Fällen ist die 5-Jahres Überlebensrate < 3 %. Neben dem Tumorstadium ist die primäre Operation entscheidend für den weiteren Verlauf. Kann diese unter Wahrung aller tumorchirurgischen Prinzipien kurativ durchgeführt werden, ist die Prognose deutlich besser. Gall und Hermanek konnten zeigen, daß die Faktoren Chirurg bzw. behandelnde Klinik (Resektion nach tumorchirurgischen Richtlinien, Früherkennung) den Verlauf der Erkrankung bedeutend mehr beeinflussen können, als eine adjuvante Chemotherapie! Notfalleingriffe (Ileus, Perforation, Blutung) verschlechtern die Prognose. Operationsletalität: 1-7.5% Morbidität hängt v o m Operationsverfahren ab -> 20-50%
Tumornachsorge
Eine sehr schlechte Prognose haben Patienten, die akut (Ileus, Perforation, Blutung) operiert werden müssen. Die Operationsletalität schwankt zwischen 1 und 7.5%. Die Morbidität ist deutlich vom Verfahren abhängig. Bei der anterioren Rektumresektion hängt sie von der Anastomosenhöhe ab, bei der abdominoperinealen Rektumexstirpation ist sie vor allem auf Wundinfektionen im Bereich der perinealen Wunde und auf Stomaprobleme zurückzuführen. Sie beträgt zwischen 20 und 50%. 4.1.4.2.7 Nachsorge bei kolorektalen Tumoren 70 % aller Rezidive und Metastasen primär radikal operierter kolorektaler Karzinome treten innerhalb der ersten 2, 90 % in den ersten 4 Jahren auf. Ziel muß es sein, Rezidive und Metastasen so frühzeitig zu entdecken, daß sie noch reseziert werden können. Außerdem haben alle Karzinompatienten ein deutlich erhöhtes Risiko, einen Zweittumor zu entwickeln.
• bis zum 2. Jahr: vierteljährlich • 3.-5. Jahr: halbjährlich • nach 5 Jahren: jährlich Untersuchungsprogramme: • Hämoccult-Test • CEA-> dynamischer Verlauf, Anstieg bei Rezidiv und Metastasen • Endoskopie, Sonographie und evtl. Endosonographie • Rö-Thorax • fakultativ: CT, MRT • im Zweifelsfall: Biopsie, Laparoskopie, explorative Laparotomie
Serologische Tumormarker • CEA: Sensitivität 49-70% • CA 19-9
Praxishinweis: Die Tumornachsorge wird zunächst in vierteljährlicher Kontrolle durchgeführt. Dabei wird eine klinische Untersuchung, sowie eine Laborkontrolle (Tumormarker: CEA, CA 19-9; HämoccultTest) empfohlen. In halbjährlichen Abständen wird dies in den ersten 2 Jahren um die apparative Diagnostik (Endoskopie, Sonographie, Endosonographie, Rö-Thorax, gegebenenfalls CT und NMR) erweitert. Nach 2 Jahren kann das Untersuchungsintervall dann auf halbjährliche Abstände, nach 5 Jahren auf jährliche Intervalle verlängert werden. In verschiedenen Studien ist der Benefit dieser Untersuchungen durchaus in Frage gestellt worden und manche Autoren tendieren dazu, erst dann diagnostische Maßnahmen zu ergreifen, wenn Symptome aufgetreten sind. Andererseits bedarf der Tumorpatient auch einer intensiven psychologischen Betreuung und Zuwendung. Therapeutischer Nihilismus kann sich negativ auf den Verlauf der Erkrankung auswirken.
Serologische Tumormarker CEA (carcinoembryonales Antigen) und CA 19-9. Beide stellen antigene Strukturen dar, die an der Oberfläche von Tumorzellen im Laufe der Tumorgenese exprimiert werden. Beiden jedoch ist gemeinsam, daß Sensitivität und Spezifität nur unzureichend blieben. Beim C E A schwankt die Sensitivität nach Literaturangaben für das kolorektale Karzinom zwischen 49 und ca. 70 %. Erhöhte Serumspiegel finden sich nicht nur bei kolorektalen Malignomen, sondern auch bei Lungen-, Mamma-, Magen- und Pankreaskarzinomen und zusätzlich bei benignen Erkrankungen wie Leberzirrhose, Pankreatitis oder Colitis ulcerosa bzw. bei vielen anderen entzündlichen Prozessen. CEA kann daher nur in seinem dynamischen Verlauf (mehrmalige Abnahmen) unter Berücksichtigung der Klinik des Patienten bewertet werden.
Grundsätzlich muß bei Verdacht auf Tumorrezidiv bzw. eine Metastasierung die Diagnose erzwungen werden, nötigenfalls durch Biopsie (endoskopisch, sonographisch bzw. CT-gesteuert) oder Probelaparatomie.
Kolon und Rektum
589
4.1.5 Entzündliche Kolonerkrankungen 4.1.5.1 Akute Appendizitis Klinische Anatomie und Pathogenese. Verfolgt man das Colon ascendens nach oral entlang der Taenia libera, so stößt man am Zökalpol auf die Appendix vermiformis. In Abhängigkeit der Lage des Caecum sind verschiedene Positionen möglich: • In 30 % ragt die Appendix im rechten Unterbauch frei in die Bauchhöhle. Differentialdiagnostische Schwierigkeiten ergeben sich aus der nachbarschaftlichen Beziehung zu Uterus und Adnexen • In 65 % findet sich die Appendix retrozökal hochgeschlagen. Oftmals ist dies der Grund für eine schwer einzuordnende, anfangs unterschätzte, Symptomatik. (Abb. 35.4-29). War man früher der Meinung, es handle sich bei der Appendix vermiformis um ein unbedeutendes Anhängsel, so weiß man heute, daß sie als lymphatisches Organ immunologische Aufgaben erfüllt (Infektabwehr, Prägung der Leukozyten). Die Indikation zur Appendektomie wird daher heute sehr restriktiv gehandhabt. Die Ursache der Appendizitis ist noch unklar. Eine wichtige Rolle wird der Gefäßversorgung dieses Darmabschnittes und der Schwellneigung der vor allem dort reichlich vorhandenen Lymphdrüsen zugeschrieben. Man nimmt an, daß es infolge einer immunologischen Abwehrreaktion, z.B. wegen eines Infektes (Bakterien, Viren, Askariden), aber auch durch lokale Reizung (Kotsteine, Fremdkörper) zu einer Schwellung der intestinalen Lymphfollikel kommt. Das kleine Organ kann sich nicht ausdehnen. Da die Gefäßversorgung begrenzt ist, kann die Durchblutung nicht gesteigert werden. Die minderperfundierte Darmwand wird überdehnt und nekrotisch. Nach den Entzündungsstadien unterscheidet man die katharrhalische, die phlegmonöse, die nekrotisierende und die (eitrig) abszedierende Appendizitis. In begrenztem Maß ist der Organismus in der Lage, die Entzündung bzw. die Abszeßbildung durch Verklebungen von der Umgebung abzuschotten (perityphlitischer Abszeß). Gelingt dies nicht, so gelangt Eiter in die freie Bauchhöhle. Dies führt zum Abszeß zwischen den Dünndarmschlingen, im Douglas-Raum oder subphrenisch. Begleitend findet sich eine lokale, im Extremfall eine eitrige Vierquadrantenperitonitis.
Symptomatik. Appetitlosigkeit, Nausea, Emesis, Schmerzen im rechten Unterbauch, Fieber. Die Erkrankung beginnt mit den Anzeichen eines intestinalen Infektes. Typisch sind anfängliche Schmerzen um die Nabelgegend, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und selten auch Durchfall. Die Schmerzen konzentrieren sich schließlich im rechten Unterbauch. Hinzu kommen steigende Temperaturen. Typisch, aber nicht zwingend, ist ein Temperaturunterschied bei axillärer und rektaler Messung (0,8-1,5 °C).
Entzündliche Kolonerkrankungen Appendizitis Ätiologie: Keimbesiedlung der Darmwand durch physiologische Dickdarmkeime. • begünstigende Faktoren: - mechanische Reizung (Kotsteine, Fremdkörper) - intestinaler Infekt (Schwellung der Lymphfollikel —»Wandödem Minderdurchblutung —> Nekrose der Darmwand)
Formen • katharrhalische Appendizitis • phlegmonöse Appendizitis • nekrotisierende Appendizitis • abszedierende Appendizitis Komplikationen • Abszeß (Douglas, zwischen Darmschlingen) - perityphlitisch - im Douglas-Raum, zwischen den Dünndarmschlingen • Peritonitis - lokal - Quadrantenperitonitis Symptomatik • Appetitlosigkeit • Nausea • Emesis • Schmerzen im rechten Unterbauch • Fieber (typische Temperaturdifferenz rektal/axillär: 0,8-1,5°C
Spina iliaca anterior superior
Abb. 35.4-29: Lagevarianten der Appendix und Abszeßlokalisationen bei Appendizitis
Abb.35.4-30: Wichtige Druckpunkte bei Appendizitis: 1 Mc Burney-Punkt, 2 Lanz-Punkt
590
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Diagnostik I.Anamnese und klinische Untersuchung: - typische Anamnese: Schmerzbeginn im Epigastrium und dann Verlagerung in den rechten Unterbauch - Klopfschmerz im rechten Unterbauch - lokale Abwehrspannung - diffuse Schmerzausbreitung bei Perforation - digitale rektale Untersuchung obligat (schmerzhafte Vorwölbung des Douglas-Raumes)
- Typische Druckpunkte
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2. Laboruntersuchung - Blutbild - Elektrolyte, BSG - CRP • typisch: Leukozytose 10000-15000 3. Sonographie: nur aus differentialdiagnostischen Gründen indiziert: verdickte Wand der Appendix, Kokardenzeichen, Abszeßbildung. Differentialdiagnose: Adnexprozesse, Cholezystitis 4. Laparoskopie: Bei unklarer Diagnose, zur Abgrenzung gynäkologischer und anderer Erkrankungen Differentialdiagnose:
=I>
Die Perforation bringt eine kurzzeitige Erleichterung der Beschwerden. Es bildet sich jedoch rasch ein akutes Abdomen heraus. Die Schmerzen breiten sich über das gesamte Abdomen aus. Peritonismus tritt auf. Altersappendizitis. Während die Erkrankung bei Kleinkindern und Jugendlichen durch relativ heftige und früh einsetzende Symptome geprägt wird, ist die Appendizitis im höheren Lebensalter bei schleichender Symptomatik oft lange Zeit maskiert. Speziell bei Frauen ist es manchmal schwierig, gynäkologische Erkrankungen abzugrenzen (Ovarial-Zyste, Adnexitis). Die Diagnose der Appendizitis wird durch Anamnese und klinische Untersuchung gestellt. Ergänzt werden diese Befunde durch Laborbestimmung und, falls notwendig, Sonographie. Besonders in Zweifelsfällen steht mit der Laparoskopie eine gute diagnostische Möglichkeit zur Verfügung, die zudem auch therapeutische Optionen bietet (s.S.243). Klinische Untersuchung: Druck- und Klopfschmerz im rechten Unterbauch mit lokaler Abwehrspannung. An Abhängigkeit von der anatomischen Lage und dem Ausmaß der Entzündung finden sich typische klinische Druckpunkte (Abb. 35.4-30). Diese sind Ausdruck einer mehr oder weniger lokalen Peritonealreizung. Irritation des Peritoneum viscerale ruft dumpfe Schmerzen hervor (retrozökale Lage), wird das parietale Peritoneum gereizt hat dies eher hellen Schmerzcharakter und ist begleitet von fokalem Hartspann der abhängigen Muskeln. Die Schmerzen breiten sich diffus über das gesamte Abdomen aus, sobald die Appendix in die Bauchhöhle perforiert (Akutes Abdomen). Die digitale rektale Untersuchung ist obligat. Läßt sich dabei eine schmerzhafte Vorwölbung des Douglas-Raumes ertasten, ist dies häufig Folge eines Abszesses. McBurney: Schmerzpunkt laterales Drittel zwischen der Verbindungslinie Spina iliaca anterior superior und Nabel (Abb. 35.4-30) Blumberg-Zeichen: kontralateraler Loslaßschmerz. Nach Eindrükken der kontralateralen Seite, entsteht im Bereich der Appendix beim plötzlichen Loslassen ein typischer Schmerz (entzündlich gereiztes Peritoneum parietale). Lanz-Punkt: Schmerzpunkt am Übergang laterales zum medialen Drittel der Verbindungslinie zwischen beiden Spinae iliacae anteriores superiores. Psoas-Schmerz: Anheben des gestreckten Beines gegen den Widerstand des Untersuchers führt zu Schmerzen im Bereich der Appendix (bes. bei retrozökal gelegener Appendix) peritonealer Erschütterungsschmerz: Der Patient wird zum Zehenspitzenstand aufgefordert. Läßt er sich plötzlich auf die Fersen zurückfallen, entsteht ein heftiger Schmerz im Bereich des entzündeten Peritoneum parietale über der Appendix Rovsing-Zeichen: retrogrades Ausstreichen des Dickdarms verursacht Schmerzen am Zökalpol. Laborchemie: Leukozytose (10000-15000), erhöhte BSG, erhöhtes CRP. Harnsediment: Leukozyten, Erythrozyten. Sonographie: Verdickte, entzündliche Darmwand, sog. Kokardenzeichen. Freie intraabdominale Flüssigkeit (Abszeß, Perforation), Verhalt, Abszeß. Unter besonders günstigen Umständen werden Mukosschwellung, Exsudatanschoppung im Lumen und Fibrose bei chronisch rezidivierenden Verlaufsformen sichtbar. Differentialdiagnose: • entzündliche Darmerkrankung: M.Crohn, Kolitis, Divertikulitis (perforierte Divertikulitis mit Abszeßstraße in den rechten Unterbauch, lange Sigmaschlinge im rechten Unterbauch lokalisiert), Meckel-Divertikel. • gynäkologisch: Adnexitis, rupturierte Ovarialzyste, Tubargravidität, rupturiertes Corpus luteum.
Kolon und Rektum
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• urologisch: Harnleiterstein, Zystitis, Pyelitis, Psoasabszeß. • infektiös: Yersinia enterocolitica, Pneumokkenperitonitis (kleine Kinder), Gastroenteritis, virale Infekte (Masern, Mumps). • sonstiges: Die Mesenterialwurzel verläuft von links oben nach rechts unten. Daher sammelt sich manchmal Eiter oder Sekret im Rahmen einer Peritonitis beim liegenden Patienten im rechten Unterbauch und wird als Appendizitis verkannt (perforierte Cholezystitis, perforierte Sigmadivertikulitis, seltener perforiertes Ulkus, Pankreatitis). Therapie. Blande Symptomatik: klinische Beobachtung (parenterale Ernährung, abführende Maßnahmen). Operation bei typischer Symptomatik, im Zweifel Laparoskopie. Beim alten Menschen sollte die Indikation hierzu großzügiger gestellt werden, da die Abwehrreaktion begrenzt und die Symptomatik oft gering ist. Konventionelle Laparotomie: Wechselschnitt oder Pararektalschnitt im rechten Unterbauch. Die Appendix wird vor die Bauchdecken verlagert, bis zur Basis skelettiert und dort abgesetzt. Der Stumpf wird mit Hilfe einer Tabaksbeutelnaht versenkt und durch eine Z-Naht gesichert. Laparoskopie: Absetzen der Appendix mit dem Klammernahtgerät intraabdominell, Bergung des Präparates (evtl. mit Bergebeutel) via Trokar (s.a. S.263).
Therapie: • konservativ bei wenig ausgeprägter Symptomatik - cave beim alten Patienten: Symptomatik oft verschleiert • operativ: - konventionell: Wechselschnitt oder Pararektalschnitt (gut zu erweitern) im rechten Unterbauch oder laparoskopisch • stets histologische Aufarbeitung (Karzinoid der Appendix!)
Hauptvorteil des laparoskopischen Verfahrens scheint die geringere Rate an Wundinfektionen zu sein.
Begleiterkrankungen (Peritonitis, Zökalphlegmone) erfordern eine Erweiterung des Eingriffs. Ziel ist immer die Beseitigung des Krankheitsherdes und dessen Folgen. In jedem Fall muß die resezierte Appendix histologisch aufgearbeitet werden. Selten finden sich maligne Tumoren, die die Ursache der Appendizitis sind. Es muß dann eine Nachresektion nach tumorchirurgischen Gesichtspunkten erfolgen.
Bei Komplikationen (Peritonitis, Zökalphlegmone) Erweiterung des Eingriffes erforderlich Bei malignem Tumor in der Appendix ist eine Nachresektion unter onkologischen Gesichtspunkten erforderlich
Besonderheiten. Appendizitis in der Schwangerschaft: Durch die Größenzunahme des Uterus, wird die Appendix häufig verlagert. Dies kann die diagnostische Abgrenzung mitunter schwierig gestalten. Findet sich bei der Operation keine Appendizitis, die die präoperativen Beschwerden erklärt, so muß ein Meckel-Divertikel ausgeschlossen werden. Es handelt sich dabei um den Rest des Ductus omphaloentericus, der versprengtes Gewebe aller intestinalen Organe (z. B. Magen, Pankreas) enthalten kann. Das Divertikel wird komplett abgetragen und histologisch untersucht.
Besonderheiten: • Appendizitis in der Schwangerschaft: häufig Verlagerung der Appendix nach kranial, Diagnose erschwert • Findet sich als Erklärung der Beschwerden keine Appendizitis, muß nach einem Meckel-Divertikel gesucht werden
Ergebnisse. Die Operationsletalität der nichtperforierten Appendizitis liegt bei ca. 0.06 %. Dies ist nahezu dem Narkoserisiko gleichzusetzen. Die Mortalität ist jedoch um das 30fache erhöht, wenn die Appendix perforiert ist. Beim alten Patienten steigt sie auf 15 %. Die Komplikationsrate der nichtperforierten Appendizitis beträgt 3 %, im Falle der Perforation erhöht sie sich auf bis zu 40 % und ist meist auf Abszesse und Wundheilungsstörungen zurückzuführen. Spätkomplikationen: Adhäsionen, Bridenileus (3—4%). Narbenhernien (selten nach Wechselschnitt, besonders häufig nach Sekundärheilung).
Therapieergebnisse: • Operationsletalität der nichtperforierten Appendizitis: 0.06% Komplikationsrate: 3%. Bei Perforation höher • Komplikationen: Wundheilungsstörungen, Abszeß, später: Bridenileus, Adhäsionen, Narbenhernien (besonders nach Sekundärheilung)
4.1.5.2 Subakute (chronische) Appendizitis
Subakute (chronische} Appendizitis
Häufig ist sie Folge einer abgelaufenen (akuten) Appendizitis. Vernarbungen und Adhäsionen führen zu rezidivierende Beschwerden, sind evtl. Ursache sekundärer entzündlicher Veränderungen. Symptomatik: dumpfe Schmerzen im rechten Unterbauch, Ausstrahlung in das Bein, manchmal subfebrile Temperaturen. Primär sollten andere Erkrankungen ausgeschlossen werden (Adnexitis, Endometriose). Im Zweifelsfall: Laparoskopie, laparoskopische Appendektomie. Differentialdiagnostisch kommen Neubildungen und Tumoren der Appendix vermiformis infrage:
Vernarbungen, Adhäsionen als Folgen einer abgelaufenen Appendizitis Symptome: - dumpfe Schmerzen im rechten Unterbauch - Ausstrahlung in das Bein - manchmal subfebrile Temperaturen Differentialdiagnose: - Adnexitis - Endometriose
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Tumoren/Neubildungen der Appendix Karzinoid (45% aller gastrointestinalen Karzinoide in der Appendix lokalisiert). - meist Zufallsbefund in der Appendixspitze
• Karzinoid. 45 % aller Karzinoide des Gastrointestinaltraktes sind im Bereich der Appendix lokalisiert. In der Mehrzahl sind sie in der Appendixspitze zu finden, selten an der Basis. Meistens handelt es sich um einen reinen Zufallsbefund. In der Regel ist die Appendektomie gleichzeitig die Therapie der Wahl, in Ausnahmefällen (Karzinoid der Basis, größer als 3 cm) muß eine Hemikolektomie rechts erfolgen.
Mukozele • benigne Form - nichtentzündliche Obstruktion des Appendixlumens
• Mukozele. 2 Formen sind bekannt: Die benigne Mukozele resultiert aus einer nichtentzündlichen Obstruktion des Lumens der Appendixbasis. Die Becherzellen vermehren sich, und es wird verstärkt Schleim produziert. Die Appendix wird dadurch diktiert. Therapie der Wahl: Appendektomie Die maligne Erscheinungsform ist einem schleimbildenden papillären Adenokarzinom gleichzusetzen. Rupturiert dies, werden schleimbildende Epithelien auf das ganze Peritoneum verstreut. Aus diesen entwickelt sich das Pseudomyxoma peritonei (intraperitoneale Schleimmassen, im Extremfall literweise). Synchron zu einer Mukozele der Appendix treten solche der Ovarien auf. Diese werden ein- oder doppelseitig, bevorzugt jedoch rechts beobachtet. Therapie der Wahl: Appendektomie, Adnexektomie beidseits, ggf. Hysterektomie.
• maligne Form - schleimbildendes papilläres Adenokarzinom
Adenokarzinom der Appendix - meist Zufallsbefund • Nachresektion (Hemikolektomie rechts) erforderlich M.Crohn: - sehr selten - führt zu Rezidiven und Fistelungen entlang der Appendektomienarbe
• Adenokarzinom. Zufallsbefund der Appendixbasis, Therapie der Wahl: Hemikolektomie rechts.
Divertikulose - Divertikulitis
4.1.5.3 Divertikulose und Divertikulitis
meist falsche Divertikel: sackförmige Ausstülpungen der Darmschleimhaut, multipel vorkommend Ätiologie: - Alter - Fehlernährung (faserarm, fettreich) - Druckerhöhung im Darmlumen (vermehrte Darmgasbildung)
Ätiopathogenese. In den westlichen Industrienationen finden sich fast bei 45 % der über 45jährigen Kolondivertikel, d . h . Aussackungen im Bereich des Dickdarms. 75 % der über 80jährigen sind davon betroffen. In der Mehrzahl handelt es sich hierbei um falsche Divertikel. Echte, meist angeborene oder durch Traktion entstandene Divertikel weisen histologisch alle Wandschichten auf. Die falschen Divertikel treten an Stellen des geringsten Widerstandes aus. Sie finden sich, w o die Vasa recta die Kolonwand durchsetzen. A n ihrem Hals bestehen stets entzündliche Veränderungen (Abb. 35.4-31 u. 32). Falsche Divertikel werden außer beim Marfan-Syndrom o.ä. nie vor d e m 15.-20. Lebensjahr beobachtet. Sie waren zu Beginn unseres Jahrhunderts eine Rarität und sind heute noch selten in Ländern niedriger Zivilisationsstufen und bei Völkern, die traditionell eine faserreiche Diät bevorzugen. Die Ursache der Divertikulitis wird daher in einem veränderten Sozialverhalten und veränderten Ernährungsgewohnheiten (vermehrte Darmgasbildung = erhöhter intrakolonischer D r u c k ) gesucht. D a f ü r spricht, daß die „Divertikulitisbeschwerden" am späten Nachmittag d.h. zum Zeitpunkt der maximalen Darmgasbildung am häufigsten sind. Treten Divertikel in größerer Anzahl auf, spricht m a n von Divertikulose
innen
Schleimhaut \\
• M. Crohn. Sehr selten isoliert im Bereich der Appendix. Komplikation: Rezidiv im Bereich des terminalen Ileums mit ausgedehnten Fisteln entlang der A p p e n d e k t o miewunde oder -narbe.
Darmwand (Muskulatur)
außen © = komplette Vy^**"' t n i v p r t : k „| ©=inkomplette (intramurale)J u l v e n l K e l Abb.35.4-31: Komplette und inkomplette (intramurale) Kolondivertikel
(Arterie Mukosa Muskularis
Abb.35.4-32: Pathogenese der Kolondivertikel. Die Gefäße treten senkrecht durch die Darmwand. An den Durchtrittspforten entstehen Schwachstellen, in deren Bereich sich bei intraluminaler Drucksteigerung Divertikel (Schleimhautausstülpungen) entwickeln (mod. n. S.Schwartz)
Kolon und Rektum
593
Abb. 35.4-33: Kontrasteinlauf. Ausgeprägte Divertikulose von Colon descendens und Sigma
(Abb. 35.4-33). Dies ist eine typische Erkrankung des älteren adipösen Menschen mit Obstipation (nicht selten begleitend: Hämorrhoiden, Beckenbodeninsuffizienz). Hauptverantwortlich ist eine einseitige Ernährung mit fehlenden Ballaststoffen. Der eingedickte Stuhl muß mit erhöhter Peristaltik weiterbefördert werden. Infolge des erhöhten Druckes im Darminnern, stülpt sich die Mukosa an den Schwachstellen nach außen (Abb.-35.4-32). Prädilektionsstellen: Sigma, Colon descendens, selten Colon transversum und Colon ascendens.
Von Divertikelkrankheit spricht man, wenn die Divertikulose durch Sekundärveränderungen kompliziert wird. Folgen, Komplikationen. In den Divertikeln bleibt der Stuhl liegen, dieser dickt ein und wird mitunter steinhart. Die mechanische Irritation der Divertikelwand kann einerseits zu einer Divertikelblutung aus den direkt benachbarten Gefäßen führen, andererseits entwickelt sich häufig eine heftige Entzündung der Wand: Divertikulitis oder wenn diese auf die Nachbarschaft ausgreift Peridiverdikulitis. Die Entzündung kann soweit voranschreiten, daß die gesamte Divertikelwand, die ohnehin nur sehr dünn ist, völlig aufgebraucht wird und eine Divertikelperforation eintritt. Der entzündliche Prozeß greift in selteneren Fällen sogar auf Nachbarorgane über, deren Wand ebenfalls zerstört wird. Auf diese Weise entstehen Fistelverbindungen (Dickdarm-Dünndarm oder kolovesikal bzw. kolovaginal). Immer wiederkehrende Divertikulitisschübe lassen die Darmwand schließlich vernarben. Es entwickeln sich Stenosen, die ihrerseits Symptome verursachen (Differentialdiagnose: Karzinom). Symptome: Schmerzen im linken Unterbauch, Fieber, peranale Blutung, Dysurie. Die Divertikulose selbst macht in der Regel keine Beschwerden. Klinische Zeichen: Obstipation, Flatulenz. Bei Divertikulitis klagen die Patienten über Schmerzen im linken Unterbauch, manchmal kolikartig, möglicherweise auch über Diarrhoe und Dysurie. Nicht selten wird über peranalen Blutabgang berichtet. Begleitend: Leukozytose, subfebrile Temperaturen, Meteorismus. Ist das Krankheitsgeschehen schon weiter fortgeschritten, d. h. hat vielleicht schon eine Perforation stattgefunden, breiten sich die Schmerzen über das gesamte Abdomen aus: Peritonismus, (Sub)ileus, Emesis, Leukozytose, hohes Fieber (Akutes Abdomen).
Prädilektionsorte: • Sigma • Colon descendens • vereinzelt Colon transversum • Colon ascendens Divertikelkrankheit: entzündliche Veränderungen der Divertikulose (Divertikulitis) mit typischem Beschwerdebild Folgen und Komplikationen der Divertikulose • Divertikulitis/Peridivertikulitis • Divertikelblutung • Divertikulitistumor (Konglomerattumor) • Perforation • Fistel
Spätfolge: • Stenose Symptomatik - Schmerzen im linken Unterbauch - Fieber - peranale Blutung - Dysurie • fortgeschrittenes Stadium: - Subileus (Meteorismus, Stuhl - Windverhalt) - heftige Schmerzen (Ileus, Perforation) - hohes Fieber (Abszeß, Peritonitis) - Leukozytose • Spätstadium (DD Tumor): - Subileus
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
- Tenesmen - Anämie (chron. Blutung) - Bleistiftstühle (narbige Sigmastenose) Diagnostik • klinische Untersuchung: Druckschmerz im linken Unterbauch, walzenförmiger Tumor palpabel • Labor (Blutbild, BSG, CRP, Elektrolyte) • Sonographie (freie Flüssigkeit, Abszeß) • Röntgendiagnostik (Abdomenübersicht -> subphrenische Luftsichel, Kontrasteinlauf, CT) • Endoskopie (Divertikel, Stenose)
Oftmals verläuft die Entzündung chronisch, in Schüben mit Verwachsungssymptomen, Subileusbeschwerden und rezidivierenden Blutabgängen. Die Diagnostik stützt sich auf klinische Untersuchung, Laborbestimmung, Röntgendiagnostik und endoskopische Untersuchungen. Sonographisch läßt sich evtl. freie abdominelle Flüssigkeit nachweisen, dies würde auf eine Perforation oder einen Abszeß hindeuten. Nicht selten ist der Darm jedoch durch Luft überbläht, so daß die Bedingungen für eine Ultraschalluntersuchung ungenügend sind. Die Endoskopie ist kein ideales Verfahren zur Diagnostik der Divertikulitis. Sie dient lediglich dem Tumorausschluß (peranaler Blutabgang). Sie erfordert in der Regel eine entsprechende Vorbereitung (Abführen, Spülen) und ist daher im Akutfall selten einsetzbar.
Bei akuter Symptomatik ist die Abdomenübersicht in Linksseitenlage diagnostisches Mittel der Wahl (Luftsichel unterhalb des rechten Rippenbogens als Zeichen der Perforation). Ergänzt wird sie durch den Kontrasteinlauf. Dazu darf nur wasserlösliches Kontrastmittel verwendet werden (Perforation). Die CT eignet sich besonders zur Darstellung von Abszessen und entzündlicher Wandverdickung, insbesondere bei KonglomerattumoKlinische Untersuchung. Palpation des Abdomens: Druckschmerz linker Unterbauch, walzenförmige Resistenz, je nach Stadium: Abwehrspannung (lokal, diffus). Perkussion: Meteorismus. Auskultation: Peristaltik, klingende Darmgeräusche (Ileus). Obligatorisch ist die digitale rektale Exploration (Blut, Vorwölbung im Douglas-Raum, Resistenz). Komplikationen:
Komplikationen der Divertikulitis
0
Therapie • Divertikulose: konservativ (Stuhlregulation, schlackenreiche Kost) • unkomplizierte Divertikulitis: - konservativ: Bettruhe, parenterale Ernährung, abführende Maßnahmen, Antibiose - evtl. Op. im symptomfreien Intervall. Indikation: rezidiv. Beschwerden, junger Patient mit ausgeprägtem Befund, Immunsuppression, hohes Risiko durch Komorbidität
komplizierte Divertikulitis:
• Blutung (ca. 5%): massiver peranaler Blutabgang. Diagnostik: Endoskopie, (Differentialdiagnose: Tumor, Hämorrhoiden, Angiodysplasie), evtl. Angiographie (Blutungen > 3-5 ml/min können so erkannt werden). • Abszesse: Kleinere Abszesse sind fast immer mit der Divertikulitis oder Peridivertikulitis verbunden. Meist sind sie von Fettgewebe oder Netz abgedeckt. Größere entwickeln sich parakolisch, mesokolisch oder auch im kleinen Becken mit septischer Symptomatik: Leukozytose, Fieber, reflektorischer Ileus, heftiger Druckschmerz, Abwehrspannung. Begleitend: Adnexitis, Zystitis. • Perforieren die Divertikel (bis zu 3 0 % ) frei in die Bauchhöhle oder penetriert ein Abszeß, entwickelt sich schnell ein Akutes Abdomen. Meist gehen heftige, manchmal tagelange linksseitige Unterbauchschmerzen voraus. Symptomatik: Abwehrspannung, schweißige Haut (Sepsis), Elektrolytentgleisung. Arrodiert die Entzündung oder der Abszeß Nachbarorgane, entstehen Fisteln: kolovesikal: Pyurie, Hämaturie, Pneumaturie. Kolovaginal: Kot- und Luftabgang. • Stenose (2,5-8 %): Typische Spätfolge: Meteorismus, Subileus, Tenesmen, Druckschmerz linker Unterbauch (Differentialdiagnose: Karzinom, großes Adenom). Die Therapie der Divertikulose ist konservativ und besteht hauptsächlich in stuhlregulierenden Maßnahmen. Die unkomplizierte akute Divertikulitis wird ebenfalls konservativ behandelt: Bettruhe, parenterale Ernährung (Nahrungskarenz), abführende Maßnahmen, antibiotische Behandlung mit Metronidazol und z.B. Cefotaxim, Stuhlregulation. Sind die akuten Symptome abgeklungen, beginnt ein schrittweiser Kostaufbau. Je nach Ausprägung des Befundes wird man eine Resektion der divertikeltragenden Darmabschnitte im symptomfreien Intervall erwägen (Operationsletalität: 0-1 %); dieser Eingriff kann laparoskopisch durchgeführt werden, erfordert jedoch wegen meist erheblicher entzündlicher Veränderungen große Erfahrung. Junge Patienten (< 50 Jahre) zeigen wegen überschießender Reaktion des Immunsystems nicht selten bereits nach dem ersten Schub Komplikationen. Komplizierte Divertikulitis. Eine Indikation zu sofortiger Operation ergibt sich immer bei allgemeinen Sepsiszeichen (freie Perforation, Peritonitis,
Kolon und Rektum
595
Ileus). Das gleiche gilt für die anhaltende Blutung, die durch konservative Maßnahmen nicht zu beherrschen ist. Das Ausmaß des Eingriffs hängt vom jeweiligen Befund ab. In besonders ausgeprägten Fällen muß evtl. ein Stoma angelegt werden (protektiv, passager, selten definitiv). Bei ausgedehnter Vierquadrantenperitonitis wird das A b d o m e n nicht verschlossen und eine regelmäßige Spülungsbehandlung (Etappen-Lavage) eingeleitet. Größere, jedoch abgeschottete Abszesse können primär CT- oder sonographiegesteuert punktiert und drainiert (pigtail-Katheter) werden. Die Operation sollte im symptomfreien Intervall erfolgen. Kleinere Abszesse (meist nur im CT zu erkennen) werden zunächst konservativ behandelt. Die Resektion wird frühelektiv durchgeführt. Operative Therapie (Abb. 35.4-34): • Elektiv erfolgt die einzeitige Segmentresektion (Laparatomie oder laparoskopisch). • Notfallmäßig nach intraoperativer Darmspülung: Segmentresektion. - einzeitig: Resektion, direkte Anastomose, keine erneute Operation, (keine ausgedehnte Peritonitis oder Entzündung) - zweizeitig: Resektion, direkte Anastomose, protektives Stoma, (wenn Anastomose gefährdet erscheint: Durchblutung, Entzündung, Peritonitis) Diskontinuitätsresektion
nach Hartmann:
- Resektion des divertikeltragenden Abschnittes, Blindverschluß des Rektums, endständiges Stoma. Zweizeitig dann Anastomosierung. - Indikation: Vierquadrantenperitonitis. Sepsis, schlechte Kreislaufverhältnisse, alter Patient, schlechte Wundheilung. provisorischer hältnissen Etappenlavage
Bauchdeckenverschluß
bei unsicheren Durchblutungsver-
bei Vierquadrantenperitonitis.
Indikationen zur frühzeitigen Operation sind • mindestens 2 Divertikulitisschübe und junger Patient ( < 50 Jahre) • Immunsuppression und hohes Risiko durch Komorbidität Indikation zur Notfalloperation sind: freie Perforation, Peritonitis, Ileus, Sepsis, massive Blutung. Ergebnisse: D i e Letalität des Elektiveingriffes ist mit 0,5-3,4 % anzugeben. Sie steigt im Notfall rapide an (14,6-33 %). Die perioperative Morbidität wird hauptsächlich durch Nahtinsuffizienz (2,9-8 %) verursacht.
- sofortige Op. bei anhaltender Blutung, Sepsiszeichen (Peritonitis, Perforation, Ileus) - kleinere Abszesse primär punktieren und drainieren -> Op. im symptomfreien Intervall • bei Vierquadrantenperitonitis: - intensive Spülbehandlung erforderlich (Etappenlavage)
Operative Therapie: • einzeitige Resektion mit primärer Anastomose • unvorbereiteter Darm: intraoperative Spülung • ggf. passageres Stoma • Elektiveingriff bei Divertikulitis: - Segmentresektion • Noteingriffe bei Divertikulitis: a) Segmentresektion: - einzeitig - zweizeitig b) Diskontinuitätsresektion nach Hartmann c) provisorischer Bauchdeckenverschluß d) Etappenlavage Indikationen zur frühzeitigen Operation • > 2 Divertikulitisschübe, < 50 Jahre • Immunsuppression • Komorbidität Indikationen zur Notfalloperation • Perforation, Peritonitis, Sepsis • Ileus, Blutung Ergebnisse: • Letalität des Elektiveingriffes: 0,5-3,4% • Letalität im Notfall: 14,6-33% • perioperative Morbidität durch Nahtinsuffizienz (2,9-8%)
4.1.5.4 Enteritis regionalis Crohn
Enteritis regionalis Crohn
Definition. Unspezifische granulomatöse Entzündung, die alle Abschnitte des Verdauungstraktes befallen kann; terminales Ileum und Kolon sind bevorzugt betroffen.
= granulomatöse Entzündung, die den gesamten Magen-Darm-Kanal befallen kann Prädilektionsstellen: • terminales Ileum • Kolon Ätiologie: unklar
Histomorphologie: Riesenzellgranulome, Erosionen der Darmwand (Pflastersteinrelief), Schädigung der Darmgefäße. Altersgipfel: 20.-30. und 60. Lebensjahr.
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Histologie: • Riesenzellgranulome • Erosionen • Pflastersteinrelief Altersgipfel: 20.-30. und 60. Lebensjahr Komplikationen, Folgen • Fisteln: Entzündung erfaßt die gesamte Darmwand, erfaßt benachbarte Strukturen, Fistelbildungen: enterovesikal, -enteral, -vaginal und -kutan, anorektal • Stenosen: Folge einer chronischen transmuralen Entzündung • Konglomerattumoren (blockartig verbackene Dünndarmschlingen mit Fistelverbindungen) • Ileus • Inkontinenz: ausgedehnte fuchsbauartige Fistelsysteme, destruieren das Kontinenzorgan • Karzinom (2%) • Cushing-Syndrom durch Kortisontherapie (im Extremfall Spontan-Frakturen bei Osteoporose)
Die Entzündung durchsetzt die gesamte Darmwand (bei der Colitis ulcerosa ist nur die Schleimhaut betroffen!). Dies erklärt Fisteln zwischen einzelnen Darmschlingen oder Nachbarorganen: enterovesikal, enteroenteral, enterovaginal und -kutan, anorektal. Chronische Entzündung und Fistelung bedingen weitere Komplikationen: Konglomerattumoren (entzündlich verbackene Darmschlingen, die oftmals durch Fisteln miteinander verbunden sind), Stenosierung umschriebener Darmabschnitte, Ileus, Abszesse (intraabdominal, perianal). Die Abszesse sind in der Regel durch umgebendes Gewebe gedeckt, freie Perforationen sind selten. Der Dickdarm kann segmental oder total verändert sein. In 2/3 der Fälle sind Dünn- und Dickdarm gleichzeitig betroffen. Häufig (15-30%) manifestiert sich die Erkrankung primär im Bereich des Anorektums als perianale Fisteln. Diese oft sehr ausgedehnten Fisteln (fuchsbauartig) heilen auch nach chirurgischer Therapie sehr zögerlich ab und rezidivieren häufig. Mit der Zeit können sie so zur Inkontinenz führen. Oft findet sich wegen des chronischen Blutverlustes (Entzündung) eine Eisenmangelanämie, massive akute Blutungen sind sehr selten. In ca. 2 % der Fälle entwickelt sich auf dem Boden der chronischen Entzündungen ein maligner Tumor.
Symptomatik • Durchfälle • Appetitlosigkeit • Gewichtsverlust • krampfartige Bauchschmerzen (Tenesmen) • subfebrile Temperaturen Diagnostik • Anamnese, klinische Untersuchung typisch: rezidivierende Entzündungen, Fissuren und Fisteln im Analbereich • Endoskopie: segmentaler Befall einzelner Darmabschnitte (nicht zwingend), Pflastersteinrelief • Histologie: Stufenbiopsien: transmurale Entzündung, epitheloidzellige Granulome, DD: Colitis ulcerosa
Symptome. Die Patienten klagen über häufige Durchfälle. Diese werden begleitet von Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, krampfartigen Bauchbeschwerden und leichtem Fieber. Anorektale Fisteln sind eine typische Manifestion des M. Crohn. In der Regel verläuft die Erkrankung in Schüben. Bei jungen Patienten bereitet besonders der akute Schub Schwierigkeiten in der Abgrenzung von der Appendizitis. Ist die Erkrankung weiter fortgeschritten, so steht der Darmverschluß (Ileus) auf dem Boden entzündlicher Stenosen oder das akute Abdomen evtl. mit Perforation im Vordergrund der Symptomatik.
• Röntgen: (Kontrasteinlauf, Sellink): Stenosen, Fistelungen, Distanzphänomen (Zeichen entzündlicher Wandveränderungen des Dünndarms. • Labor: Leukozytose, CRP T, BSG T , spezif. Antikörper Therapie
=> • konservativ solange als möglich: Salazosulfapyridin, Kortison, Immunsuppressiva • Indikation zur Operation: - wenn die konservative Therapie versagt - bei Komplikationen: Ileus, Perforation, Fistelungen. • Operationsverfahren: Eingriff möglichst klein halten! - Strikturoplastik - sparsame Resektionen und End-zu-EndAnastomose - beim Ersteingriff laparoskopische Operationstechnik möglich - Anus praeter bei ausgedehnten Fistelungen im Anorektalbereich
Ein iatrogenes Cushing-Syndrom (im Extremfall Spontan-Frakturen bei der Osteoporose) droht bei langwieriger und hochdosierter Kortisonbehandlung.
Diagnose. Makroskopisch: Stenosen, Fisteln, Fissuren, diskontinuierlicher Befall einzelner Darmabschnitte. Histologie: liefert endgültige Diagnose (Biopsie, Resektat), transmurale Entzündung, epitheloidzellige Granulome Untersuchungstechnik: Endoskopie (Biopsie in Kolon und distalem Ileum). Laborchemie (Blutbild, CRP, BSG, Antikörper), Kolonkontrasteinlauf (Fisteln, Stenosen). Darstellung des Dünndarmes mit Kontrastmittel (n. Sellink). Spezialuntersuchungen: CT (Entzündung, Stenose, Abszesse), MRT (Entzündung, Abszesse, Fisteln).
Therapie. Die Enteritis regionalis Crohn ist chirurgisch nicht heilbar. Die Therapie bleibt solange wie möglich konservativ und symptomatisch (Kortison, Salazosulfapyridin, Immunsuppressiva). Man sollte aber auch daran denken, daß sich der M. Crohn häufig in einem Lebensalter manifestiert, wo die Entscheidung ansteht, eine Familie zu gründen. In enger Absprache mit dem Gastroenterologen ist dann zu klären, ob eine operative Intervention nicht sinnvoll sein kann, um den Betroffenen Zeit zu geben, möglichst symptomfrei die endgültige Sozialisation vollziehen zu können.
Die Indikation zum operativen Eingriff wird gestellt, wenn die konservative Therapie versagt und ein chirurgisch sanierbarer Befund vorliegt (z. B. isolierter Ileozäkalbefall) oder Komplikationen auftreten: Subileus, Ileus, Perforation, Fistelungen. Der Eingriff sollte möglichst klein gehalten werden, da mit Rezidiv und Relaparotomie gerechnet werden muß: sparsame Resektionen, manchmal genügt die plastische Erweiterung eines stenotischen Segmentes - „Strikturoplastik" - . Anastomosen sollen grundsätzlich Endzu-End angelegt werden. Andernfalls (End-zu-Seit, Seit-zu-Seit) muß mit frühen Rezidiven im Blindsack gerechnet werden. Ausgedehnte Veränderungen im Anorektalbereich können dazu zwingen, einen Anus praeter an-
Kolon und Rektum
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zulegen. Gerade beim M. Crohn (junge Patienten, rezidivierende Eingriffe zu erwarten) bietet sich die laparoskopische Operationstechnik an. 4.1.5.5 Colitis ulcerosa
Colitis ulcerosa
Definition, kennzeichnend ist eine schwere, diffuse, ulzerierende Entzündung der Dickdarm-Mukosa. Sie beginnt meist im Rektum oder Sigma, kann sich jedoch über das gesamte Colon bis ins terminale Ileum erstrecken (sog. Backwash Ileitis). Zwischen den entzündlich veränderten Darmabschnitten finden sich Inseln mit gesunder Schleimhaut, die dann als sogenannte Pseudopolypen imponieren. Wenn die entzündlichen Veränderungen abheilen, bleibt eine narbige Atrophie zurück. Nach langjährigem Krankheitsverlauf resultiert ein funktionsloser Narbenschlauch ohne resorptive Aktivität.
= ulzerierende Entzündung der Dickdarmschleimhaut
Ätiopathogenese. Die Ursache ist unklar.
Ätiologie: im einzelnen unklar. • Prädilektionsort: - bevorzugt Sigma und Rektum, jedoch auch - gesamtes Kolon, evtl. term. Ileum (sog. Backwash-Ileitis) • Morphologie: zerstörte Schleimhaut, im Spätstadium Narbengewebe. Inseln gesunder Schleimhaut können als Pseudopolypen imponieren Symptomatik • blutig-schleimiger Durchfall • Tenesmen • Fieber
Ähnlich wie beim M. Crohn, scheinen hier neben genetischen Faktoren (Chromosom 6?) autoimmunologische Prozesse ursächlich oder entzündungsunterhaltend zu wirken. Nachgewiesen wurden vor allem Autoantikörper gegen perinukleäres Zytoplasma polymorphkerniger Granulozyten (pANCA). Häufig ist die Colitis ulcerosa auch mit anderen autoimmunologischen Erkrankungen vergesellschaftet (M. Bechterew, M.Reiter, Uveitis, Erythema nodosum). Psychosomatische Symptome werden zunehmend als reines Epiphänomen betrachtet.
Symptome. Leitsymptom ist der blutig-schleimige Durchfall, häufig vergesellschaftet mit krampfartigen Bauchschmerzen und Fieber. Die Erkrankung verläuft in Schüben: Phasen des Wohlbefindens werden abgelöst von ausgeprägten hochfieberhaften Entzündungen. Die ausgedehnten Ulzerationen und die damit verbundenen Reparationsvorgänge führen zu hohem Eiweißumsatz, der vom Organismus meist nicht ausgeglichen werden kann. Charakteristisch für die Erkrankung sind daher Anämie (chronische Blutung aus großen Entzündungsgebieten) und Hypoproteinämie (Katabolie). Die Diagnose wird nach klinischem Verdacht durch die Endoskopie und Zangenbiopsie gestellt. Im Frühstadium zeigt die Röntgendiagnostik (Kontrasteinlauf) eine feingranulierte Schleimhautzeichnung, Spikulae. Im Spätstadium liefert sie den typischen Befund des Fahrradschlauch-Phänomens: vernarbter Darm ohne Haustrierung (Abb. 35.4-35) Makroskopisch (Endoskopie): petechiale Einblutungen, Granulationen, Hyperämie der Schleimhaut, multiple konfluierende Ulzera, Pseudopolypen. Histologie: granulozytenreiche Entzündung der Mukosa, Kryptenabszesse, Schleimhautödem, diktierte Gefäße in der Mukosa. Finalstadium: aufgebrauchte flache Mukosa, Narben. Probleme bereitet oftmals die Abgrenzung zum M. Crohn. Dies gelingt histologisch selbst in komplett resezierten Darmabschnitten nicht immer. Labor: Blutbild, CRP, BSG, spezifische Antikörper: pANCA, evtl. CT Differentialdiagnose: Enteritis regionalis Crohn, unspezifische Kolitis, Divertikulitis Komplikationen sind toxisches Megakolon, Darmperforation mit Peritonitis, schwere Blutung, maligne Entartung. • Toxisches Megakolon (5-10%): Perakute Verlaufsform der Colitis ulcerosa. Ursache: Schädigung intramuraler Nervenplexus, Zerstörung der Darmmuskulatur. Dies ruft eine extreme Dilatation eines Kolonsegmentes oder des gesamten Kolonrahmens hervor, die Darmwand ist extrem gedehnt und verdünnt. Bakterien und Toxine penetrieren sie und verursachen multiple Abszedierungen. Das septische Vollbild entspricht dem akuten Abdomen mit Durchwanderungsperitonitis. Wird die Wandspannung zu hoch oder wird die Durchblutung kompromittiert, perforiert der Darm, und es resultiert eine kotige Peritonitis mit hoher Letalität. Klinische Befunde: Nach tagelangen schleimig-blutigen Durchfällen, begleitet von Tenesmen und Emesis entwickeln die Patienten Sepsiszeichen: Tachykardie, Elektrolytentgleisung, hohes Fieber, Durchgangssyndrom. Das
Diagnostik • klinische Untersuchung • Endoskopie: petechiale Einblutungen, Granulationen, Hyperämie der Schleimhaut, multiple konfluierende Ulzera, Pseudopolypen • Histologie: granulozytenreiche Entzündung der Mukosa, Kryptenabszesse, Schleimhautödem, dilatierte Gefäße in der Mukosa • Kontrasteinlauf: Spikulae (feingranulierte Schleimhautzeichnung), Fahrradschlauchphänomen (Spätstadium, Darm als funktionsloser Narbenschlauch) • Abdomenübersicht: freie intraabdominelle Luft • Labor: Blutbild, CRP?, BSG?, spezif. Antikörper: pANCA • evtl.: CT: Nachweis von Abszessen, entzündlichen Wandveränderungen Differentialdiagnose • M.Crohn: histologische Abgrenzung nicht immer möglich • unspezifische Kolitis • Divertikulitis Komplikationen 1. toxisches Megakolon (5-10%): Schädigung der intramuralen Nervenplexus —> extreme Dilatation des Darmes —» multiple Abszedierungen akutes Abdomen mit Durchwanderungsperitonitis. 2. Perforation: kotige Peritonitis
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3. Karzinomrisiko: Nach 25 Jahren bei 40%, steigt stetig an. Die Tumoren entwickeln sich oft multifokal, werden spät erkannt. Mittelgradige und schwere Epitheldysplasien sind stets eine Operationsindikation 4. Schwere Blutungen Therapie • primär konservativ: Kortison, 5-Aminosalizylsäure, Salazosulfapyridin • chirurgisch heilbar durch - Resektion - Stomaanlage - (Pouch) Operationsindikationen: • Notfalleingriff: - toxisches Megakolon - Perforation - Durchwanderungsperitonitis • Elektive Operation: - Versagen der medikamentösen Therapie; fortwährende Entzündungsschübe schwächen den Patienten und beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich (Berufsunfähigkeit, psychische Alteration!) - Karzinomprophylaxe • Operationsverfahren der Wahl: Proktokolektomie • Alternative: Kolektomie mit ileumpouch-analer Anastomose • Ergebnisse - Operationsletalität bei Elektiveingriff: ca. 5%. Notfalleingriff: 25%. - Komplikationen: Stoma (10-25%), Pouch (10-20%)
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Abdomen ist aufgetrieben (Meteorismus, ubiquitärer Druck- und Loslaßschmerz, Peritonismus). Röntgen: Die Abdomenübersicht zeigt ein diktiertes gasgefülltes Kolon ohne Haustren und im Falle der Perforation freie Luft. Im CT erkennt man manchmal intramurale Lufteinschlüsse als Zeichen bakterieller Durchwanderung und Gasbildung. Läßt sich Gas im Pfortadersystem nachweisen, ist dies als Signum mali ominis, mit hoher Letalität zu werten. Es besteht absolute Operationsindikation! • Karzinomrisiko. Je länger die Erkrankung besteht, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß sich ein Kolonkarzinom entwickelt. Nach 25 Jahren liegt dies bei ca. 40 %. Die Karzinome entstehen oft multifokal und werden spät erkannt, die Prognose ist häufig ungünstig. Aus diesem Grund besteht nach langjähriger Colitis ulcerosa bei funktionslosem Darm die Indikation zur Proktokolektomie auch wenn keine akut entzündlichen Veränderungen vorliegen. Mittelgradige und schwere Epitheldysplasien erfordern die Kolektomie. Therapie. Wie bei der Enteritis regionalis Crohn, so ist die Therapie auch hier zunächst primär konservativ. Eine psychosomatische Begleittherapie wurde lange Zeit empfohlen, ist jedoch nach neuesten Erkenntnissen mehr und mehr umstritten.
Die Colitis ulcerosa ist chirurgisch heilbar! Dies unterstreicht die Bedeutung, der oftmals so schweren differentialdiagnostischen Abgrenzung vom M. Crohn. Nach kompletter Resektion (Kolon, Rektum, terminales Ileum) ist der Kolitis-Patient „gesund"! Notfalloperation: toxisches Megakolon, Perforation, Durchwanderungsperitonitis. Neben der Resektion beschränkt man sich auf ein Ileostoma. Zweizeitig kann dieses in ein kontinentes Stoma nach Kock umgewandelt oder durch einen präanalen Pouch ergänzt werden. Elektive Operation: • Versagen der medikamentösen Therapie; fortwährende Entzündungsschübe schwächen den Patienten und beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich (Berufsunfähigkeit, psychische Alteration!) • Karzinomprophylaxe. Verfahren der Wahl ist die Proktokolektomie mit ileum-pouch-analer Anastomose. Prognose: Beim Elektiveingriff beträgt die Operationsletalität ca. 5 %. Im Notfall kann sie um das 5fache erhöht sein. Komplikationen betreffen das Stoma (10-25 %) bzw. den Pouch (10-20 %).
Ischämische Kolitis
4.1.5.6 Ischämische Kolitis
= segmentale ischämische Kolitis mit Schleimhautulzerationen Ursache: Arteriosklerose, Thrombembolie, Ligatur der A. mesenterica inferior (z.B. bei Bauchaortenaneurysma-Operation) Prädilektionsort: Colon descendens, Sigma. Symptomatik: himbeergeleeartige Durchfälle Diagnostik: Endoskopie, Angiographie Therapie: • primär konservativ: parenterale Ernährung, Antibiotika • operativ: bei Komplikationen (Wandnekrose, Gangrän, Durchwanderungsperitonitis) • Verfahren: Resektion des betroffenen Darmabschnittes
Definition: Segmentale Kolitis durch Minderperfusion der intestinalen Gefäße, Schleimhautulzerationen, selten Wandnekrose. Prädilektionsort: Colon descendens, Sigma. Ursache: Arteriosklerose, Thrombembolie, Ligatur der A. mesenterica inferior im Rahmen einer Bauchaortenoperation, insuffiziente Riolan-Arkadenarterie. Histologie: verdickte Intima kleiner Arteriolen. Symptomatik: Leitsymptom sind himbeergeleeartige Durchfälle. Diese lassen vor allem nach vorausgegangener Operation (Bauchaortenaneurysma) an eine ischämische Kolitis denken. Diagnose: Die Endoskopie weist die Schleimhautschädigung nach, die selektive Angiographie (Mesenterikographie) gibt Aufschluß über die mesenterialen Perfusionsverhältnisse. Therapie: primär konservativ: parenterale Ernährung, Infusion, Antibiose (Cefotaxim + Metronidazol). Bei drohender Nekrose, Gangrän und Durchwanderung wird der Darmabschnitt reseziert.
Kolon und Rektum
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4.1.5.7 Nichtokklusive ischämische Enteropathie (Enterocolitis necroticans)
Nichtokklusive ischämische Enteropathie
Definition. Segmentäre oder komplette Nekrose von Dünn- oder Dickdarm. Ursache: Minderperfusion, zentralisierter Kreislauf, kardiogener Schock mit Engstellung von Arteriolen und Kapillaren. Große Gefäße sind meist weitgestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Schädigung noch reversibel. Infolge anhaltender Stase entstehen Thromben, die nicht okklusive geht in die okklusive Form über. Im Finalstadium (komplette Wandnekrose, Durchwanderungsperitonitis) kommt oft jede Hilfe zu spät. Die Erkrankung ist häufiger bei Frühgeborenen (Enterocolitis necroticans neonatorum). Beim Erwachsenen ist vorwiegend der alte Patient (Herz-, Niereninsuffizienz, Arterioloklerose) betroffen. Zusätzlich wird sie nach schweren oder langdauernden Eingriffen (Gefäß- und Kardiochirurgie) oder auch nach Polytraumen beobachtet (intermittierender RR-Abfall, Zentralisation).
= Nekrose von Dünn- oder Dickdarm (segmentär oder auch komplett) Ursache: Minderperfusion, Zentralisation Komplikation langdauernder Operationen (v.a. Kardiochirurgie)
Enterocolitis necroticans neonatorum Häufiges Krankheitsbild
Histologie: Fibrinthromben in den Venolen, weite blutgefüllte große Arterien ohne Thromben, venöse Stasezeichen, submuköse Hämorrhagien.
Symptome: unspezifische Bauchschmerzen, gelegentlich Diarrhoe (Epithelien, übelriechende Stühle), Meteorismus. Rascher Übergang in das septische Erscheinungsbild mit rapidem Verfall. Diagnostik. Die mesenteriale Angiographie zeigt den „entlaubten Baum" (Abb. 35.4-36). Kleinste Arterien sind verschlossen, sie weisen einen hypoxischen Rigor auf. Die großen Mesenterialgefäße zeigen Kalibersprünge und segmentäre Engstellungen in den Gefäßprovinzen (Perlschnur-Phänomen). Im Zweifelsfall Laparoskopie oder explorative Laparatomie. Labor: extreme Leukozytose, Thrombopenie, metabolische Azidose, Lakataterhöhung, erhöhte CK BB (zusammen mit CK MB bestimmt), erhöhte LDH-Aktivität. Therapie. Im Frühstadium: Prostavasin i.a. Häufig wird die Diagnose jedoch erst im Finalstadium gestellt. Dann müssen langstreckige Resektionen erfolgen, nicht selten kommt trotzdem jede Hilfe zu spät, da die septische Kreislaufsituation nicht mehr beherrscht werden kann. Die Letalität beträgt 80 %, sie kann bei aggressiver Diagnostik (frühzeitige Angiographie, Laparaskopie) auf 50 % und darunter gesenkt werden.
Abb.35.4-35: Kontrasteinlauf bei Colitis ulcerosa. Die vollständige Zerstörung der Dickdarmschleimhaut mit Haustrenverlust führt zum „Fahrradschlauch-Phänomen"
Symptomatik: Anfangs unspezifische Bauchschmerzen, Diarrhoe, Meteorismus. Nach kurzem asymptomatischen Intervall -> septisches Erscheinungsbild —> Durchwanderungsperitonitis Diagnostik • Angiographie. Zeichen des „entlaubten Baumes", Kalibersprünge großer Gefäße, Perlschnur-Phänomen • Laparoskopie • Labor: Leukozytose (30000), Thrombopenie, metabolische Azidose, Laktat T, CKBBt Therapie • im Frühstadium konservativ: Prostavasin-lnfusion i.a. • Spätstadium: langstreckige Resektionen Ergebnisse: Letalität ~ 80%. Rasche und frühzeitige Diagnostik (Angiographie, Laparoskopie senkt die Letalität auf 50%
Abb.35.4-36: Selektive Angiographie bei Enterocolitis necroticans zeigt den „entlaubten Baum" und Kalibersprünge
Abb. 35.4-37: Cul-de-sac-Phänomen. Kompression des Rektums durch ein herabfallendes stuhlgefülltes Sigma elongatum
600
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Pseudomembranöse Kolitis
4.1.5.8 Pseudomembranöse Kolitis
= ulzerierende Schleimhautveränderungen mit pseudomembranösen, nicht abstreifbaren Belägen nach langdauernder Antibiotikatherapie Symptomatik: Durchfälle, Tenesmen, Fieber, Leukozytose, septische Komplikationen. Diagnostik: Endoskopie, Biopsie. Nachweis von Clostridium difficile-Toxin im Stuhl Therapie: konservativ: Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution, Metronidazol, Vancomycin oderTeicoplannin peros
Definition. Ulzerierende Entzündung der Dickdarmmukosa mit pseudomembranösen Belägen (nicht abstreifbar) nach langdauernder Antibiotikatherapie. Die normale Darmflora wird zerstört, pathogene Keime werden selektioniert. Hauptverantwortlich: Clostridium difficile. Symptomatik: diffuse Durchfälle, Tenesmen, Fieber, Leukozytose, septische Komplikationen. Diagnose: Endoskopie, Biopsie. Nachweis von Clostridium-difficile-Toxin im Stuhl. Therapie: konservativ, Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution, Vancomycin oder Teicoplannin per os (wirken nur im Darm, werden nicht resorbiert) oder auch Metronidazol p. o. (billiger bei gleicher Effektivität).
4.1.6 Kongenitale Erkrankungen Anorektale Atresie M.Hirschsprung (s.Kap.41, S.807). Sonstige Dickdarmerkrankungen
4.1.7 Sonstige Dickdarmerkrankungen:
Colon irritabile = funktionelle Störung des Dickdarmes unklarer Genese Symptomatik: Diarrhoe wechselnd mit Obstipation, Meteorismus Entzündungszeichen fehlen. Diagnostik: andere Erkrankungen ausschließen (Endoskopie, Kontrasteinlauf, Transitzeitbestimmung) Therapie: symptomatisch (Stuhlregulation) Dolichokolie, Sigma efongatum = überlanges Colon bzw. Sigma Symptomatik: Obstipation, Tenesmen • Cul-de-Sac-Syndrom: während der Defäkation wird das Rektum durch das herabfallende stuhlgefüllte Sigma komprimiert, Gefühl der „unvollständigen Stuhlentleerung" Diagnostik: Kontrasteinlauf, Defäkographie, Endoskopie, Transitzeitbestimmung Fecoflowmetrie Therapie, konservativ: Stuhlregulation, operativ: Segmentresektion und Rektopexie, falls möglich laparoskopisch Inertia des Kolons/Rektums = Motilitätsstörung des gesamten Kolons: Ursache: intestinale neuronale Dysplasie, Fehlanlage, langjähriger Laxanzienabusus
• Colon irritabile, Synonym: spastisches Kolon, Reizkolon; Stuhlregulationsstörung des Dickdarmes, deren Ursache unklar ist. Symptomatik: wechselnd, Diarrhoe, Tenesmen, Meteorismus, keine Entzündungszeichen! Manchmal wird eine walzenförmige Resistenz (enggestelltes Darmsegment?) palpabel. Diagnostik: Primär müssen entzündliche Darmerkrankungen bzw. ein Tumor oder andere Ursachen ausgeschlossen werden: Endoskopie, Kontrasteinlauf, Transitzeitbestimmung. Therapie: symptomatisch, konservativ, Stuhlregulation, ballaststoffreiche Ernährung.
Symptomatik: Obstipation, Tenesmen, Beschwerden bei der Defäkation Diagnostik: Transitzeitbestimmung, Defäkographie, Fecoflowmetrie, Biopsie, Immunhistochemie Verletzungen Angiodysplasie = erworbene Gefäßfehlbildung im höheren Lebensalter (60.-70. Lebensjahr): submuköse AV-Shunts
• Dolichokolie, Sigma elongatum: überlanges Kolon bzw. Sigma. Symptomatik: Obstipation bis zum Subileus. In bestimmten Fällen komprimiert das herabhängende stuhlgefüllte Kolon die tieferen Rektumabschnitte, vornehmlich während der Defäkation: Outlet-Obstruktion, genauer Culde-sac-Syndrom (Abb. 35.4-37). Die Patienten berichten typischerweise über das Gefühl der unvollständigen Stuhlentleerung. Gelegentlich neigt ein elongiertes Sigma auch zum Volvulus (s. dort) Diagnose: Kolonkontrasteinlauf, Endoskopie, Transitzeitbestimmung, Fecoflowmetrie (trotz Pressens - unvollständige Stuhlentleerung) Therapie: primär konservativ, Stuhlregulation. Im Fall eines Cul de Sac Syndroms: Segmentresektion und Rektopexie (s.613). • Inertia des Kolons/Rektums (slow transit constipation): Motilitätsstörung des gesamten Kolons. Man vermutet eine Störung der intramuralen Innervation (intestinale neuronale Dysplasie), möglicherweise auf dem Boden einer Fehlanlage oder als Ausdruck gestörter Neurotransmitter. Langjähriger Laxanzienabusus führt ebenso zu einer Schädigung des Plexus myentericus. Die Patienten reagieren mit einer Dosiserhöhung der Laxanzien bis schließlich das gesamte Kolon völlig inert wird. Spätfolge kann eine komplexe Störung der gesamten Beckenbodenfunktion sein (langjährige Obstipation —> Pressen bei Defäkation —» erhöhter Druck auf die Beckbodenmuskulatur). Symptomatik: Meteorismus, chronische Obstipation, Tenesmen, schmerzhafte Defäkation. Diagnostik: Transitzeitbestimmung, Defäkographie, Fecoflowmetrie, Biopsie, Immunhistochemie Therapie: konservativ: Stuhlregulation, Ballaststoffe. Operativ: Kolektomie, Ileorektostomie. • Verletzungen (s. Kap. 44.2, S. 780) • Angiodysplasie, Synonym: Arteriovenöse Malformation, vaskuläre Dysplasie meist erworbene Fehlbildung im höheren Lebensalter (60.-70. Lebensjahr), bevorzugt Männer.
Kolon und Rektum Prädilektionsstellen: Rechtskolon, Caecum Ursachen: Man nimmt an, daß wiederholte muskuläre Kontraktionen zu einer Obstruktion und Dilatation der submukösen Venen AV-Shunts führen. Folge ist eine oft massive Blutung durch eine Ruptur submuköser Venolen und Venen. Einteilung: Typ I: submuköse arteriovenöse Malformation (bevorzugt Rechtskolon, Caecum) Typ II: vaskuläre Hamartie (kongenital, betrifft dann bevorzugt den Dünndarm) Typ III: Morbus Osler (hereditäre, hämorrhagische Angiektasie, bevorzugt Magen, Ileum, Zaecum). Typ IV: sekundäre vaskuläre Malformation (Folge entzündlicher und maligner Prozesse).
601 • Prädilektionsort: Colon ascendens, Caecum • Komplikation: massive Blutung
Einteilung: Typen I—IV
Symptomatik: rezidivierende, manchmal heftige Blutung, chronische Anämie Diagnostik: Endoskopie: zeigt selten direkt die Blutung, hilft jedoch die Region einzugrenzen. Manchmal finden sich sternförmige, vaskularisierte Schleimhautveränderungen. Selektive Angiographie/Sequenzszintigraphie: Blutungen > 1-3 ml/min können so lokalisiert werden. Als relativ sicheres Zeichen erkennt man die V. colica dextra oder V. ileocolica, deren venöse Phase angiographisch anderen Gefäßprovinzen vorauseilt. Therapie: Ileozäkalresektion oder Hemikolektomie rechts.
Symptomatik: heftige peranale Blutung, chronische Anämie Diagnostik: Endoskopie, Angiographie/ Sequenzszintigraphie (Blutungen > 1-3 ml/min) Therapie: Ileozäkalresektion oder Hemikolektomie rechts.
• Endometriose: versprengtes Endometrium in anderen Organen (Sigma, Rektum, Dünndarm) oder auch im Peritoneum. Symptomatik: menstruationsabhängige krampfartige Schmerzen in Unterbauch und kleinem Becken, peranaler Blutabgang. Diagnostik: Endoskopie, CT, Endosonographie (transanal, -vaginal), Laparoskopie (Biopsie). Therapie: Exstirpation betroffener Herde, falls nötig Segmentresektion befallener Darmabschnitte
Endometriose = versprengtes Endometrium in Sigma, Rektum, Dünndarm oder Peritoneum Symptomatik: krampfartige Schmerzen im Unterbauch und kleinen Becken, menstruationsbegleitend. Diagnostik: Endoskopie, Endosonographie (transanal, transvaginal), Laparoskopie (Biopsie). Therapie: Exstirpation betroffener Herde, falls nötig Segmentresektion befallener Darmabschnitte Volvulus = Rotation eines beweglichen Darmabschnittes Prädilektionsorte: Caecum mobile, S i g m a elongatum Komplikationen: Passagestörung (Ileus, Subileus), Minderperfusion (Nekrose, Gangrän, Peritonitis) Symptomatik: Schmerzen, Stuhl- Windverhalt, Erbrechen, später: Peritonismus Diagnostik: Abdomenübersicht, CT Therapie: Im Frühstadium endoskopische Derotation, in fortgeschrittenen Fällen: Laparotomie, gegebenenfalls Segmentresektion Strahlenschäden = Schädigung der Mukosa, Sklerosierung und Hyalinisierung der gesamten Darmwand, Gefäßobliterationen —> Stenosen, Ulzerationen, Fistelungen, Perforation Symptomatik: Fisteln, Meteorismus, S u b ileus, Ileus, Peritonitis Therapie primär konservativ. Indikation zur Operation: Komplikationen Verfahren: Resektion betroffener Darmabschnitte, A n u s praeter Komplikationen: Nahtinsuffizienz, hohe Letalität
• Volvulus: Rotation eines beweglichen Darmabschnittes führt zur Passagestörung (Ileus) und Minderperfusion (Gangrän). Ursache: Sigma elongatum mit schmalem Mesosigma, häufig einhergehend mit neurologischen Erkrankungen. Caecum mobile. Symptomatik: heftige Schmerzen (Akutes Abdomen), je nach Dauer: Stuhlund Windverhalt, Erbrechen, Peritonitis (Gangrän, Durch Wanderung). Diagnostik: Abdomenübersicht, CT (Blumenstrauß-Phänomen: über einen „Stiel" gebündelt nebeneinander angeordnete Darmabschnitte) Therapie: Im Frühstadium kann die endoskopische Derotation versucht werden. Bei Durchwanderung und Wandnekrose (Sepsis, Peritonitis) Laparatomie. • Strahlenschäden: Folge perkutaner oder endokavitärer Bestrahlung maligner Tumoren. Bestrahlt wird primär nur das kleine Becken. Die Radiotherapie des Abdomens ist kontraindiziert, da der Dünndarm extrem strahlensensibel ist (hohe turn-over Rate der Schleimhautepithelien). Nach einer abdominoperinealen Rektumexstirpation wird daher gestieltes Omentum majus ins kleine Becken verlagert, um zu verhindern daß Dünndarmschlingen vorfallen und ins Bestrahlungsfeld geraten. Folgen: Schädigung der Mukosa, Ulzerationen, Fistelungen, Sklerosierung und Hyalinisierung der gesamten Darmwand, Gefäßobliterationen, Stenosen, chronischer Subileus. Therapie: primär konservativ. Häufig zwingen jedoch Komplikationen (Ileus, Perforation, Fistel) zur Operation. Resektion befallener Darmabschnitte und miteinbezogener Organe. Endzu-End-Anastomosierung, ggf. Anus praeter. Komplikation: Nahtinsuffizienzen, da die Wundheilung im vorbestrahlten Gebiet bei Intimahyperplasie stets kompromittiert ist.
602
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
ileus
5. Ileus M. Ernst, A. Wondzinski
lleusformen
5.1 lleusformen
= alle Störungen der Darmpassage, unabhängig von ihrer Ursache.
Definition. Unter der Bezeichnung Ileus faßt man alle Störungen der Darmpassage unabhängig von ihrer Ursache zusammen.
Einteilung • nach der Klinik (zeitlicher Verlauf) - akut, subakut, chronisch, chronisch-rezidivierend • nach der Lokalisation - Dünndarmileus - Dickdarmileus • nach der Genese (Abb. 35.5-1):
Einteilung. Nach klinischen Gesichtspunkten unterscheidet man zwischen akuten, subakuten, chronischen und chronisch-rezidivierenden Verläufen. Je nach Lokalisation lassen sich ein hoher von einem tiefen Dünndarmund der Dickdarmileus voneinander abgrenzen. Weitaus wichtiger für das therapeutische Vorgehen ist jedoch die Differenzierung nach der formalen Pathogenese, die Abb. 35.5-1 zeigt. Ileus gemischter Ileus
mechanischer Ileus
Okklusions Ileus
Strangulations Ileus
Stenose Striktur Obturation Kompression
Inkarzeration Torsion Invagination Volvulus
Abb. 35.5-1: Einteilung
1. mechan. Ileus - Okklusionsileus - Strangulationsileus
2. funktioneller Ileus 3. -
Sonderformen: gemischter Ileus postoperativer Ileus akute intestinale Pseudoobstruktion
Divertikulitis Perityphlitis Tuberkulose Durchwanderung
und Ätiologie
funktioneller Ileus
paralytischer Ileus
spastischer Ileus
infektiös vaskulär metabolisch reflektorisch
Würmer (Askariden) Bleiintoxikation
des Ileus
• Mechanischer Ileus: Transportstörung in bestimmten Darmabschnitten. - Okklusionsileus: Darmverschluß durch intraluminale, -murale oder extraluminale Ursachen - Strangulationsileus: Darmverschluß mit gleichzeitiger Behinderung der Durchblutung der Mesenterialgefäße, wobei es in bestimmten Darmanteilen (meist Dünndarm) zur lokalen oder abschnittsweisen Zirkulationsstörung (venös oder arteriell) k o m m t , • funktioneller Ileus: Transportstörung durch eine unspezifische Reaktion des D a r m t r a k t e s auf lokale oder allgemeine Noxen • Sonderformen: - gemischter Ileus: gleichzeitiger mechanischer und paralytischer Ileus, z. B. bei lokaler Peritonitis durch Abknickung und konsekutiver lokaler Darmparese. - postoperativer Ileus: schwerwiegende postoperative Komplikation in der Abdominalchirurgie. Je nach Ursache m u ß man auch hier zwischen mechanischen und funktionellen Formen differenzieren. - Ogilvie-Syndrom: ileusartige Symptomatik bei akuter Dilatation des Dickdarmes, meist aufgrund neurologischer Grundkrankheit (auch akute intestinale Pseudoobstruktion des Kolons genannt)
Ätiologie (Abb. 35.5-1)
5.1.1 Mechanischer, funktioneller und gemischter Ileus
Mechanischer Ileus
5.1.1.1 Mechanischerlleus Der mechanische Ileus ist eine lebensbedrohliche Abdominalerkrankung. Unbehandelt führt er zum Tode.
Ursachen: (Tab. 35.5-1): - Briden - Adhäsionen (~ 80%). - Inkarzerationen - Dickdarmkarzinome
In den U S A sterben jedes Jahr etwa 9000 Menschen am Ileus. Z u 75 % nimmt er seinen Ausgang vom Dünndarm. Hierbei finden sich je zur H ä l f t e Briden bzw. Adhäsionen und andererseits Inkarzerationen in äußeren und inneren Hernien. D i e restlichen 25 % b e t r e f f e n den Dickdarm.
Die Ileusursachen sind je nach Lebensalter unterschiedlich häufig (Tab. 355-1): Briden, Adhäsionen, Inkarzerationen und Dickdarmkarzinome machen rund 80% aller Fälle mit mechanischem Ileus aus (Abb. 35.5-2).
603
Ileus Briden + Adhäsionen Hernien Tumoren Invagination + Volvulus entzündliche Erkrankungen Gallensteine + Fremdkörper vaskuläre Ursachen sonstige
Häufigkeit der lleusursachen (Abb.35.5-2) • Briden, Adhäsionen: 30% • Hernien: 30% • Tumoren: 20%
i 1 ¡¡¡¡¡¡¡¡II
6 T ö %
2Ö%
30%
Abb.35.5-2: Relative Häufigkeit von lleusursachen Okklusionsileus (keine Mesenterialgefaßbeteiligung) wird verursacht durch: • Stenose: Mißbildungen, Entzündungen, Tumoren, • Striktur: entzündliche Genese, • Obturation: Fremdkörper, Kotballen, unverdaute Nahrungsbestandteile, Bezoare, Gallensteine, Askariden, polypöse Tumoren, • Kompression: Tumoren der Darmwand oder anderer Organe, Briden, • Abknickung: Adhäsionen. Strangulationsileus (Mesenterialgefaßbeteiligung) wird verursacht durch: • Inkarzeration: Einklemmung von Darmwandanteilen oder -schlingen in inneren oder äußeren Hernien oder durch Briden. • Invagination: Einstülpung eines Darmabschnittes in einen anderen. Meist stülpt sich der proximale Darm, der Peristaltik folgend, in den distalen ein. Diese Erkrankung findet sich gehäuft beim Kind im Bereich der Ileozökalklappe, seltener beim Erwachsenen durch benigne oder maligne Tumoren des Dünndarmes sowie durch ein Meckel-Divertikel. • Volvulus (Torsion): Drehung des Darms mit seinem Mesenterium um die eigene Achse - meist im Bereich des Sigmas, seltener des Zökums.
Okklusionsileus Ursachen: - Stenosen und Strikturen - Obturation und Kompression - Abknickung durch Adhäsionen
5.1.1.2 Funktioneller und gemischter Ileus
Funktioneller und gemischter Ileus
Paralytischer Ileus. Ursachen: • Entzündlich: Häufigste Ursache ist die Peritonitis durch Hohlorganperforation oder intraabdominelle Infektionen anderer Genese.
Paralytischer Ileus Entzündlich: Peritonitis = häufigste Ursache
Tab.35.5-1: lleusursachen und Lebensalter
Einteilung der lleusursachen nach dem Lebensalter
! Neugeborene | 4 Wocher» bis : 4-15 Jahre 3Jahre ' Darmatresien und ! Stenosen ! Mekoniumüeus ! Morbus Hirschsprung idiopathische Invagination Sympt. Invagination (Meckel Divertikel) i Inkarzerierte Hernien | Briden und j Adhäsionen
Invagination durch ; ; benigne Neubildungen j I Maligne Neubildungen Meson terialartertenverschluß Gallensteinileus Koprostase
i 16-30 Jahre
30-40 Jahre
über 60 j Jahre
Strangulationsileus Ursachen:
Bakterielle Besiedlung -> Störung der Mukosabarriere: • Zirkulationsstörungen • lokale Hypoxie • Endotoxineinschwemmung • Sequestration in das Darmlumen • Freisetzung von Interleukinen —> Wirkung auf Herz-Kreislauf-Funktion
Darmdistension. Durch die Passgebehinderung im Darm kommt es zu einer Kette lokaler und allgemeiner Funktionsstörungen (Abb. 35.5-3). Im Mittelpunkt der Pathogenese steht die bei allen Ileusformen auftretende Darmdistension: beim mechanischen Ileus als Folge eines direkten Aufstaus vor dem Passagehindernis, beim paralytischen Ileus durch Hemmung der Peristaltik. Zu unterscheiden ist zwischen hohem mechanischem Ileus, bei dem es wegen Ausfalls der gesamten intestinalen Resorption innerhalb weniger Tage zur hyponatriund -kaliämischen hypochlorämischen Alkalose und Hypovolämie mit lebensbedrohlichen Auswirkungen kommt, und dem tiefen mechanischen bzw. paralytischen Ileus, bei dem durch Besiedlung des gesamten Intestinaltraktes mit überwiegend endotoxinbildenden Dickdarmbakterien komplexe Veränderungen in der Mukosa induziert werden.
Endotoxine. Bei hohen Endotoxinkonzentrationen im Lumen, lokaler Hypoxie und gestörter propulsiver Reinigungsfunktion wird die durch die Glykokalix geschützte Mukosabarriere durchlässig mit lumenwärts gerichteter Sekretion, die zusammen mit den nicht rückresorbierten Ingesta zu einer weiteren Flüssigkeitsansammlung im Darm und konsekutiven Reduktion des Extrazellulärvolumens mit Exsikkose führt. Hypoxie, DIC. Trotz gesteigerter Splanchnikusdurchblutung kommt es zu einer lokalen Hypoxie. Diese wird auf die Öffnung arteriovenöser Kurzschlußverbindungen, ödembedingte Verlängerung der Diffusionsstrecke und azidosebedingte intravasale Blutstase mit Erythrozytenaggregation zurückgeführt. Das eingeschwemmte Endotoxin kann zusätzlich eine Thrombozyten- und Leukozytenaggregation induzieren, die in Kombination mit volumenmangelbedingtem Abfall des Herzminutenvolumens zur disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) führt.
Ileus
605
Abb.35.5-3: Pathophysiologic der lleuskrankheit
RES. Beim fortgeschrittenen Ileus werden Endotoxine über die V. portae in die Leber eingeschwemmt. Die Elimination erfolgt über die Kupffer-Sternzellen (effektivste Zellsubpopulation des retikuloendothelialen Systems). Bei langsamer Endotoxineinschwemmung und ausreichender Aktivierung der Kupffer-Sternzellen kann eine quantitative Entgiftung erfolgen und damit die drohende lleuskrankheit kompensiert bleiben.
Der Kontakt mit dem Endotoxin führt in der Kupffer-Sternzelle zur Produktion eines dem Interleukin 1 ähnlichen Zytokins, das die Synthese der Akutphaseproteine (z.B. CRP) stimuliert. Gegenüber T-Lymphozyten wirken die Kupffer-Sternzellen als Helfer- und antigenpräsentierende Zellen. Gleichzeitig werden komplexe Veränderungen der Proteinbiosynthese initiiert, die u. a. eine Steigerung des Fibrinogens zur Folge haben und damit der Kupffer-Sternzelle eine Starterfunktion für die Auslösung der DIC zuweisen. Bei erhaltener Funktion des RES werden die eingeschwemmten Toxine quantitativ eliminiert und die Auswirkungen auf den Gesamtorganismus bleiben gering.
Bei Überforderung des Entgiftungsmechanismus kommt es jedoch durch den eintretenden Circulus vitiosus zum Vollbild der „lleuskrankheit" mit Hypovolämie bis hin zum Schock (akutes Nierenversagen, Leberinsuffizienz, Schocklunge, NN-Insuffizienz, Zwerchfellhochstand mit Einschränkung der Lungenfunktion) und septischen Allgemeinveränderungen (Abb. 35.5-3). Die systemische Einschwemmung des Endotoxins führt zur Aktivierung des peripheren RES mit Freisetzung von Interleukinen. Diese induzieren eine Leukozytose und die Produktion von Prostaglandin E 2 mit Fieber und Proteinabbau der Skelettmuskulatur. Die sepsisbedingten Veränderungen können jetzt bei systemischer Auswirkung über die Freisetzung von freien Ra-
Weitere lokale Folgen: • capillary leak • Leberfunktionsstörungen • interstitielles Ödem der Darmwand • Störungen der Sekretions- und Resorptionsvorgänge Tonus und Peristaltik werden reflektorisch gehemmt Zunahme der Distension hoher Verlust an Wasser, Elektrolyten und Eiweiß in Lumen, Darmwand, Bauchhöhle. Folge: Hypovolämie, Hämokonzentration, Herabsetzung des Herzminutenvolumens, Schock Bei Potenzierung dieser Vorgänge -» lleuskrankheit: Bei systemischer Einschwemmung von Endotoxinen Störung aller Organsysteme mit: Kreislaufschock, Zentralisation, akutem Nierenversagen, Leberinsuffizienz, Schocklunge, Nebenniereninsuffizienz, Zwerchfellhochstand, Einschränkung der Lungenfunktion (Abb. 35.5-3). Einschwemmung des Endotoxins ->Aktivierung des RES und Freisetzung von Interleukinen Leukozytose und Prostaglandin E2-Produktion
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
606 Folge sind Fieber und Proteinabbau in der Skelettmuskulatur Strangulationsileus: zusätzlich Darmschädigung durch Abschnüren der Gefäße -> blutige Imbibition und drohende Gangrän der Darmwand Endotoxinausschwemmung und Schock
dikalen, capillary leak und DIC zum fortschreitenden Organversagen führen. Beim Strangulationsileus kommt noch die Darmschädigung durch Abschnüren der Blutgefäße hinzu. Lokal entsteht eine hämorrhagische Imbibition der Darmwand mit Einblutung und drohender Gangrän. Dies führt zwangsläufig zur Ausschwemmung von Endotoxinen und zum Schock.
Diagnostik, Klinik
5.1.3.2 Klinisches Bild und Diagnostik
Klinische Symptome des Ileus sind
Die Symptomatik der Ileuserkrankung richtet sich nach der Höhe des Darmverschlusses und der Ileusform. Obligate Ileussymptome sind: Übelkeit und Erbrechen, krampfartige Schmerzen, Meteorismus, Stuhl- und Windverhaltung. Sie sind nicht konstant und auch keine Frühsymptome. Wichtigste diagnostische Ziele sind die Differenzierung in mechanischen oder paralytischen Ileus, Dünn- oder Dickdarmileus, mechanischen Ileus mit oder ohne Gefäßbeteiligung, die Beurteilung des Allgemeinzustandes und der Operabilität des Patienten.
Anamnese: vorausgegangene Operationen, entzündliche Darmerkrankungen, Tumorleiden, Medikamente, Stoffwechselstörungen Klinische Untersuchung • Inspektion - Hernien, Narben - Exsikkose
Darmverschluß ist eine klinische Diagnose. Sie umfaßt die Anamnese, klinische Untersuchung sowie bildgebende Verfahren und Labordiagnostik (Tab. 35.5-2). Anamnese: Sie gibt wichtige Hinweise auf vorausgegangene Operationen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (M.Crohn, Colitis ulcerosa), Zeichen einer Tumorerkrankung (Leistungsknick, Gewichtsabnahme, Änderung der Stuhlgewohnheiten), Medikamente (Opiate, Antidepressiva, Laxanzienabusus) und Stoffwechselstörungen (Diabetes, Urämie). Klinische Untersuchung: Inspektion: Hier achtet man auf Narben vorausgegangener Laparotomien, Bruchpforten, äußere Hernien, Darmsteifungen, Meteorismus, Exsikkose.
Tab.35.5-2: Klinische Differentialdiagnose des Ileus
MECHANISCHER ILEUS
hoher Dünndarmlleus tiefer Dünndarmlleus DickdarmHeus Strangulationsileus
OKKLUSIONSILEUS
Funktioneller Ileus
Anamnese Erbrechen - Dauer
Inspektion Perkussion und Palpation
mittel
Übelkeit später Erbrechen im Schwall (Überlaufmagen)
Auftreibung des gesamten Abdomens
ausgedehnte fehlende diffus kein Stuhl, Tympanie Darmgeräu- „Völlegefühl" kaum Stuhl sehe „Totenauf Einlauf stille" passives Plätschern
kurz
frühzeitig
fehlende Bauchauftreibung
begrenzte Tympanie
anfangs Hyperperistaltik
Nabelgegend zunächst intermittienoch Stuhl rend
mittel
später
Mittelbauchauftreibung
diffuse Tympanie
Hyperperistaltik
diffus krampfartig
noch Dickdarmstuhl
lang
erst im Spätstadium
Rahmenauftreibung
Rahmentympanie
längere Zeit Hyperperistaltik
mäßige Leibschmerzen
kaum Stuhl
im Beginn Hyperperistaltik
dauernde Schmerzen mit heftigen rezidivierenden Koliken
zunächst noch Stuhl
sehr kurz frühzeitig reflektorisch
evtl. anfangs zunächst isolierte begrenzte Schlinge pal- Tympanie pabel
Auskultation
Schmerz
Stuhlverhalten
Ileus
607
Abb.35.5-4: Mechanischer Ileus. Röntgenzeichen und Lokalisation: a. Infrapapilläre Duodenalstenose, b. Hoher Dünndarmileus (Abb.35.5-5), c. Tiefer Dünndarmileus (Abb.35.5-6), d. Dickdarmileus 1 Magenblase, 2 Gassichel, 3 Flüssigkeit, 4 Spiegel, 5 „stehende Schlinge", 6 Dünndarmquerfältelung (Kerckring-Falten), 7 überdehntes Zökum (gasgefüllt), 8 Haustren, 9 obturierender Tumor, 10 luftleerer poststenotischer Darm, 11 überblähtes, gasgefülltes Kolon Palpation: Sie zeigt tastbare Tumoren, offene Bruchpforten, Resistenzen, lokale oder diffuse Abwehrspannung, pathologische Befunde bei rektaler Untersuchung (Douglas, Ampulle). Perkussion und Auskultation: Hier findet man wichtige Hinweise durch die hochgestellte oder klingende Peristaltik, durch spritzende Darmgeräusche, die auf einen mechanischen Ileus hinweisen, auf die Rahmentympanie beim Dickdarmileus oder die „Totenstille" beim paralytischen Ileus.
• Palpation: - Resistenzen, Abwehrspannung - rektaler Befund Auskultation - klingende Peristaltik, Rahmentympanie - Totenstille
Röntgendiagnostik: Die Abdomenübersicht im Stehen oder in linker Seitenlage (beim Kind in Hängelage) zeigt die typischen „Spiegel" oder „stehende Schlingen". Aerobilie kann hinweisend auf einen Gallensteinileus sein. Aus der Anordnung der Spiegel kann man Rückschlüsse auf die Lokalisation des Darmverschlusses ziehen (Abb. 35.5-4): • Bei Projektion der Spiegel auf den linken Oberbauch liegt ein hoher Jejunalverschluß vor (Abb. 35.5-5). • Spiegel im Mittelbauch lassen einen Verschluß im mittleren Dünndarm wahrscheinlich werden, • Spiegel im Unterbauch legen einen tiefen Dünndarmileus nahe (Abb. 35.5-6). Bei Dickdarmverschluß findet sich stets eine Überblähung des Zökums. Bei Luftansammlung in den linken Kolonabschnitten muß man mit einer Stenose im Colon sigmoideum oder Rektum rechnen (Abb. 35.5-7).
Röntgendiagnostik des Ileus: Abdomenübersicht im Stehen oder in linker Seitenlage: aus Anordnung der Spiegel Rückschlüsse auf Projektion des Darmverschlusses (Abb. 35.5-4-6): • Ii. Oberbauch -> Jejunum • Mittelbauch —> distales Jejunum • Unterbauch —> lleum • Zökum gebläht Kolonverschluß • Ii. Kolon gebläht Sigma- od. Rektumverschluß (Abb. 35.5-7)
Dennoch kann im Einzelfall die Differenzierung zwischen mechanischem und funktionellem oder postoperativem Ileus schwierig sein.
Hilfreich für die Differentialdiagnose ist dabei die Verabreichung wasserlöslicher Kontrastmittel zur Darstellung der Darmpassage. Nach vorausgegangener Abdomenleeraufnahme gibt man ca. 100 ml Gastrografin (per os oder Sonde). Anschließend wird durch Verlaufskontrollen mit mehreren Aufnahmen in bestimmten zeitlichen Abständen der intestinale Kontrastmitteltransport kontrolliert.
Darstellung der Darmpassage durch orale Gastrografingabe. Differentialdiagnostisch wichtig!
608
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb.35.5-5: Abdomenübersicht im Stehen: Hoher Dünndarmileus bei Bride
Abb.35.5-6: Abdomenübersicht im Stehen: Tiefer Dünndarmileus, Zökumkarzinom
Die Ergebnisse sind folgendermaßen zu interpretieren:
Bei unklarem Befund auch KE mit Gastrografi n
• bei einem kompletten mechanischen Ileus zeigt sich ein Kontrastmittelstop in Höhe des Hindernisses, • bei inkompletter Stenose findet sich eine verzögerte Kontrastierung des Kolons (Dauer bis zu 4-5 Stunden) • bei funktionellem Ileus zeigt sich „schon" eine Kolondarstellung innerhalb von 2 3 Stunden • bei nicht eindeutiger Beurteilbarkeit ist für die Darstellung des Dickdarmes evtl. ein Kolonkontrasteinlauf mit einem wasserlöslichen Kontrastmittel (Gastrografin) notwendig.
Sonographie von Vorteil bei: Aszites, „gasless" Abdomen, inkarzerierter Hernie, entzündlicher Stenose, Invagination Sonographie • bei röntgennegativem Ileus • differenziert zwischen mechanischem und paralytischem Ileus • deckt auf: Stenosen, Hernien, Invagination
Sonographische Diagnostik: Der Röntgendiagnostik überlegen ist die Sonographie bei röntgennegativem Ileus, z.B. bei Aszites oder beim „gasless" Abdomen. Entzündliche Stenosen, inkarzerierte Hernien und Darminvaginationen können in ca. 80 % der Fälle erkannt werden. Die Unterscheidung zwischen mechanischem und paralytischem Ileus gelingt in etwa 90 % der Fälle. Eingeschränkt ist die Aussagefähigkeit bei ausgeprägtem Meteorismus oder starker abdominaler Symptomatik.
Labordiagnostik des Ileus: Erkennung des Schweregrades der lleuskrankheit. Leukozytose bei Strangulation oder entzündlichem Ileus • Minimalprogramm: Blutbild, Elektrolyte, Kreatinin, QuickTest, Blutzucker, Transaminasen, Blutgruppe • bei schwerem Ileus zusätzlich: Blutgasanalyse, Gesamteiweiß, Thrombozyten, großer Gerinnungsstatus, alkalische Phosphatase, C-reaktives Protein
Labordiagnostik: Sie gibt zwar Anhaltspunkte für den Schweregrad der Ileuskrankheit, hilft jedoch differentialdiagnostisch kaum weiter. Nur beim fortgeschrittenen Strangulationsileus oder entzündlichem paralytischen Ileus ist oft eine Leukozytose vorhanden. Im allgemeinen dienen diese Untersuchungen mehr der gezielten Vorbehandlung für die Operation als der Ileusdiagnostik. Hierzu gehören als Minimalprogramm: Blutbild, Elektrolyte, Kreatinin oder Harnstoff, Quick-Test, Blutzucker, Transaminasen, aAmylase, Blutgruppe. Bei schwerer Ileuskrankheit zusätzlich: Blutgasanalyse, Gesamteiweiß, Thrombozyten, großer Gerinnungsstatus, alkalische Phosphatase, C-reaktives Protein.
Sonographische Kriterien. Mechanischer Ileus: Intramurale Flüssigkeitsansammlung mit Distension des betroffenen Darmabschnittes, Darmwandödem von mindestens 5 mm Dicke. Entsprechend den Kerckring-Falten zeigt sich im Duodenum und Jejunum das „Strickleiterphänomen" (Abb. 35.5-8). Paralytischer Ileus: Dilatierte Dünn- und Dickdarmschlingen nebeneinander ohne Peristaltik. Keine Pendelperistaltik nach Prostigminapplikation.
Ileus
Abb.35.5-7: Dickdarmileus: Sigmadivertikulitis
609
Abb.35.5-8: Sonographische Darstellung einer dilatierten Dünndarmschlinge mit „Strickleiterphänomen"
5.1.3.3 Therapie, Prognose, Letalität
Therapie des Heus
Konservative Therapie und Op.-Vorbereitung: Ist die Verdachtsdiagnose gestellt, muß gleichzeitig mit der weiteren Diagnostik auch die gezielte Behandlung und Operationsvorbereitung erfolgen. Man unterscheidet zwischen einer absoluten und dringlichen sowie relativen, d. h. abwartenden Indikation. Bei der absoluten Op.-Indikation müssen innerhalb kurzer Zeit (bis zu wenigen Stunden) die durch die Ileuskrankheit eingetretenen Folgen korrigiert werden, um den Patienten narkotisieren und operieren zu können: Magensonde zur Dekompression, Blasenkatheter, Schwenkeinlauf, Infusion zur Wasser- und Elektrolytsubstitution, bei schwerer Ileuskrankheit zusätzliche Volumengaben (Plasmaexpander), Säure-Basen-Ausgleich, bei Anämie Bluttransfusion, bei kardial gefährdeten Patienten zentralvenöser Katheter zur Kontrolle des ZVD, evtl. Digitalisierung. Bei einer relativen Indikation stehen neben den o.g. Punkten im Vordergrund: Mehrere Schwenkeinläufe pro Tag, parenterale Ernährung, Gabe von Peristaltika (Sympathikolytika, Parasympathikomimetika), Therapie des Grundleidens und der Begleiterkrankungen.
1. Konservativ, Op.-Vorbereitung: • absolute Operationsindikation: - Magensonde zur Dekompression - Blasenkatheter, Schwenkeinlauf, - Infusion zur Wasser- und Elektrolytsubstitution • bei schwerer Ileuskrankheit: - zusätzliche Volumengaben - Säure-Basen-Ausgleich • bei Anämie: Bluttransfusion • bei kardialer Gefährdung: ZVD
Operative Therapie: Eine absolute Op.-Indikation besteht bei
• zusätzlich bei relativer Operationsindikation: - mehrere Schwenkeinläufe/die - parenterale Ernährung, Peristaltika - Therapie des Grundleidens 2. Operative Therapie Absolute Op.-Indikation bei:
Mesenterialinfarkt (vaskulärer Ileus), Strangulationsileus, Inkarzeration bei innerer oder äußerer Hernie, übrigen Formen des mechanischen Ileus, die konservativ nicht behandelbar sind: Briden, Adhäsionen, Tumor, Stenose, Invagination, Gallensteinileus Peritonitis mit paralytischem Ileus, konservativ nicht beherrschbarem paralytischen Ileus. Eine relative Op.-Indikation besteht bei: • Subileus, chronisch-rezidivierendem Ileus bei Verwachsungsbauch (Adhäsionen), • Subileus bzw. Ileus als Strahlenfolge bzw. bei entzündlicher Grunderkrankung (M. Crohn, Colitis ulcerosa), • Peritonealkarzinose, Paralyse nach Operation einer Peritonitis. Kontraindikationen der Operation sind: • paralytisch reflektorischer Ileus (z.B. bei Nierenstein, voller Harnblase, Pankreatitis, stumpfem Bauchtrauma, retroperitonealem Hämatom, Becken- oder Wirbelkörperfrakturen) • paralytische Zustände anderer Ursache (Elektrolytentgleisungen, Coma diabeticum, Pneumonie) und moribunder Patient. Die Indikation zur Operation darf zeitlich nur verschoben werden, wenn die Diagnose nicht sicher ist oder ein konservativer Behandlungsversuch durchgeführt werden soll.
Relative Indikation bei: • Subileus, chron.-rezidiv. Ileus • Peritonealkarzinose • p.o. Paralyse bei Peritonitis Kontraindikation • paralytisch reflektorischer Ileus • paralytische Zustände anderer Ursachen • moribunder Patient Verschiebung der Op. nur bei • unsicherer Diagnose • zuerst konservativem Behandlungsversuch
610
Ziele der Operation • Passagehindernis beseitigen • Dekompression (Abb. 35.5-9) • Resektion • Darmfixierung n. Noble oderChildsPhillips • Innere Sondenschienung
Prognose
Operationsletalität: 10-25%. Sie ist abhängig von: • Alter des Patienten • Art und Lokalisation des Hindernisses • Dauer und Schweregrad des Ileus
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Eine ungeklärte Ursache des Ileus darf den Operationszeitpunkt nicht aufschieben. Ziele der Operation sind: • Beseitigung eines mechanischen Hindernisses durch Lösen von Verwachsungen, Resektion oder Umgehung befallener Darmabschnitte oder Darmfistelung oralwärts des Hindernisses nach außen (z. B. Anus praeter) • Dekompression des gestauten Darmes durch oralwärts gerichtetes Ausstreichen n. Korn oder mittels Dünndarmsonde (Abb. 35.5-9). • Resektion durchblutungsgestörter Darmabschnitte, • Beseitigung einer Peritonitisursache durch Resektion, oder Vorverlagerung (Notlösung) des befallenen Darmabschnittes. • bei chronisch-rezidivierendem Verwachsungsileus evtl. ziehharmonikaartige Fixierung der Darmschlingen mit Nähten am Mesenterialansatz n. Noble oder durch Auffädelung des Mesenteriums mit durchziehenden Nähten n. Childs-Phillips, um „geordnete" Verwachsungen zu erzielen. Prophylaktische Maßnahme. • „innere Schienung" mit einer langen Levin-Sonde, die nach 8-10 Tagen entfernt wird. Erzielung „geordneter" Verklebungen der Darmschlingen. Prognose. Bei mechanischer Ursache ist die Prognose im Hinblick auf eine Dauerheilung gut. Bei malignen Tumoren als Ileusursache ist sie abhängig vom Tumorstadium. Der chronisch-rezidivierende Ileus beim Verwachsungsbauch wirft seine eigenen Probleme auf; hier ist im Einzelfall kaum eine prognostische Aussage möglich. Die Letalität des Ileus beträgt auch heute noch 10-25%. Sie ist abhängig vom Alter des Patienten, der Art und Lokalisation des Hindernisses, der Dauer des Verschlusses und dem Schweregrad. Bei klarer Op.-Indikation
Abb.35.5-9: Doppellumige (1) Miller-Abbott-Sonde (2), transnasal (5) bis in das terminale lleum eingelegt; eine Lichtung zum Füllen des Ballons (3), die andere zum Absaugen des Darminhaltes (4)
Anus
611
k a n n die P r o g n o s e a m e h e s t e n d u r c h m ö g l i c h s t schnelles o p e r a t i v e s E i n greifen verbessert werden. C h i r u r g i s c h e R e g e l : Über einem Ileus darf die Sonne nicht
aufgehen!
5.2 Ogilvie-Syndrom
Regel
Ogilvie-Syndrom
Das Ogilvie-Syndrom (akute intestinale Pseudoobstruktion) bezeichnet e i n e a k u t e D i l a t a t i o n d e s K o l o n s mit O b s t i p a t i o n , k l i n g e n d e n D a r m g e r ä u s c h e n , Ü b e l k e i t bzw. E r b r e c h e n . D i e e i g e n t l i c h e Ä t i o l o g i e ist nicht b e k a n n t .
= Pseudoobstruktion des K o l o n s
Häufig handelt es sich um Patienten in hohem Lebensalter, die meist über lange Zeit immobilisiert sind. Einige Ursachen sind: • neurologische Erkrankungen (zerebrovaskuläre Störungen, retroperitoneale Tumoren, M. Parkinson), • schwere allgemeine Erkrankungen: Pulmonalinsuffizienz, Myokardinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Polytrauma, Sepsis, Myxödem. • postoperative Zustände nach Eingriffen an Becken, Wirbelsäule, Herz-KreislaufSystem. • altersbedingt: Erschlaffung der Bauchdeckenmuskulatur. Pathophysiologic: Nach heutiger Vorstellung kommt es bei diesem Krankheitsbild durch Überwiegen des Sympathikotonus zu einer Hemmung der Peristaltik. Zusätzlich spielen hier nervale Ursachen und Mikrozirkulationsstörungen (z.B. Schock) eine Rolle.
Ursachen - n e u r o l o g i s c h e Erkrankungen - schwere A l l g e m e i n e r k r a n k u n g e n postoperativ nach Eingriffen an Becken, Wirbelsäule, Aorta
Therapie. Konservativ: Nahrungskarenz, Magensonde. Ausgleich des Wasser-, E l e k t r o l y t - u n d S ä u r e - B a s e n - H a u s h a l t s . S c h w e n k e i n l a u f , m e d i k a m e n töse D a r m s t i m u l a t i o n ( S y m p a t h i k o l y t i k a , P a r a s y m p a t h i k o m i m e t i k a ) . Endoskopisch: A b s a u g u n g ü b e r S i g m o i d o s k o p o d e r K o l o s k o p i e . Operativ: A n lage e i n e r Z ö k o s t o m i e , Z ö k a l r e s e k t i o n bei d r o h e n d e r P e r f o r a t i o n . D i e I n d i k a t i o n z u r O p e r a t i o n ergibt sich a u s d e m V e r l a u f . In ü b e r 9 0 % ist die k o l o s k o p i s c h e A b s a u g u n g e r f o l g r e i c h . Bei konservativ nicht beherrschbarem Krankheitsbild und einer Auftreib u n g des Z ö k u m s ü b e r 10 c m D u r c h m e s s e r ist die O p e r a t i o n indiziert.
Therapie: • primär konservativ • transanale e n d o s k o p i s c h e A b s a u g u n g des Darminhalts • operativ: Z ö k o s t o m i e
5.3 Gallensteinileus (s.Kapitel35.11, s.682) 6. A n u s A. Wondzinski, R. Höring Klinische Anatomie. Das Rektum ist entodermaler Herkunft. Im Bereich der Linea dentata geht es in den Analkanal über, der mit einem trockenen, sehr sensiblen unverhornten Plattenepithel überzogen ist. A m Übergang der Rektumschleimhaut in den Analkanal befindet sich ein Schwellkörper, Corpus cavernosum recti. Es wird von 3 Ästen der A. rectalis superior gespeist. Die glatte Ringmuskulatur des Mastdarms ist im Analkanal verstärkt und bildet den ganglienzellosen M.spincter ani internus, der durch seinen unwillkürlichen Dauertonus den ca. 3 cm langen Analkanal elastisch abschließen kann. Der M.spincter ani extemus umfaßt mit seinen 3 Portionen, der Pars profunda, Pars superficialis und Pars subcutanea den M.sphincter ani internus. Wichtigster Teil dieses willkürlichen Muskels ist die Pars profunda, die von der Schlinge des M.puborectalis umschlossen wird. Diese kommt vom rechten Schambeinast, umgreift das Rektum und geht zum linken Schambeinast. Die Muskelsehnenplatte des M. levator ani bildet im Zentrum den anorektalen Ring, der sich am Übergang zwischen Rektumampulle und Analkanal befindet. Die Faszien des Beckens umhüllen die Muskulatur sowie Nerven, Blut- und Lymphgefäße. Auf diese Weise entstehen Spalträume, die von funktioneller und pathogenetischer Bedeutung sind. So entwickeln sich die meisten Entzündungen zwischen den Faszien der Nerven- und Gefäßleitplatte. Die beiden Ischiorektalgruben sind durch das Lig. anococcygeum voneinander getrennt. In diesem befindet sich eine Lücke, durch die das iockere Fettgewebe der Ischiorektalgruben miteinander verbunden ist.
Pathophysiologie: H e m m u n g der Peristaltik durch Ü b e r w i e g e n d e s S y m p a t h i kotonus
Gallensteinileus (s. Kapitel 35.11, S . 6 8 2 )
Actus
Anatomie
M.spincter ani internus besitzt unwillkürlichen D a u e r t o n u s und verschließt elastisch den 3 c m l a n g e n A n a l k a n a l
Die A n a l m u s k u l a t u r w i r d umhüllt v o n den Faszien d e s B e c k e n s s o w i e Nerven, Blutund L y m p h g e f ä ß e n - » S p a l t r ä u m e , die auch pathogenetische Bedeutung haben. Entwicklung der meisten E n t z ü n d u n g e n zwischen d e n Faszien der Nerven- und Gefäßleitplatten
612
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Abb. 35.6-1: Schematischer Frontalschnitt durch das Kontinenzorgan: 1 Analkanal, 2 Linea dentata (pectineal, 3 Proktodealdrüse, die den Sphincter internus durchdringt, 4 Corpus cavernosum recti, 5 M. sphincter ani internus, 6 M. levator ani, 7 M.puborectalis, 8 M.sphincter ani externus (Pars profunda), 9 M. sphincter ani externus (Pars superficialis), 10 M. sphincter ani externus (Pars subcutanea), 11 Beckenbodenfaszie, 12 Peritoneum, 13 Rektum, 14 Ringmuskulatur des Rektums, 15 Längsmuskulatur des Rektums, 16 Ischiorektalraum
Anorektale Funktion
Kontinenzorgan. Im Vordergrund der anorektalen Funktion steht die Kontinenz, d. h.
Kontinenz, d. h. willkürliches Absetzen von Stuhl und Winden durch Schließmuskelorgan als Funktionseinheit. Hierzu gehören (Abb. 35.6-1): Kontinenzorgan
die Fähigkeit, Stuhl und Winde willkürlich abzusetzen. Verantwortlich ist das Schließmuskelorgan, das eine Funktionseinheit darstellt. Dazu gehören nach Stelzner (Abb. 35.6-1):
Wenn der Darminhalt im Rektum an die Kryptenlinie gelangt Kontraktion des äußeren Sphinkters bis die peristaltische Welle unterbrochen ist Erkrankungen
• Rektum und Corpus cavernosum recti, • M. sphincter ani internus und M. puborectalis, • M. sphincter ani externus: a) Pars subcutanea, b) Pars superficialis, c) Pars profunda und • (sensible) Proktodealhaut, die den Analkanal überzieht. Erst durch das Zusammenspiel dieses Organs wird eine völlige Kontinenz erreicht: (1) durch außerordentlich starke Dehnung des Rektums und die Blutfülle des Corpus cavernosum recti und (2) durch die maximal kontrahierten Sphinkteranteile. Gelangt der Darminhalt im Rektum bis an die Kryptenlinie, so wird über einen Reiz der sensiblen Proktodäalhaut der äußere Sphinkter willkürlich kontrahiert, bis die ankommende peristaltische Welle unterbrochen ist. Hierbei ist für die Dauer der Kontinenz der unbewußte Abschluß durch den M.sphincter ani internus notwendig.
Fehlbildungen Anal- und Rektumatresie (s. Kap. 41, S.812)
6.1 Pilonidalsinus, Strikturen, Prolaps Sinus pilonidalis (Steißbeinzyste, Steißbeinfistel)
Symptome: bei Infektion Schmerzen, Rötung und Infiltration Diagnose: Inspektion -» Fistelöffnungen oftmals mit abgebrochenen Haaren in den Öffnungen
Therapie: Spaltung, radikale Exzision des Pilonidalsinus. Nachbehandlung mit Sitzbädern und Salbenverbänden
Der Pilonidalsinus (Sinus pilonidalis: Steißbeinzyste, -fistel) ist ein subkutaner Epitheleinschluß im Bereich der Rima ani über der Steißbeinspitze. Ätiologie. Er entsteht entweder durch Eindringen von Oberflächenepithelien und Haaren in die Haut oder liegt als persistierender Neuroporus in der Medianlinie oberhalb der Linie des Sakrokokzygealgelenkes. Betroffen sind meist junge, stark behaarte Männer über 18 Jahre. Symptome und Diagnose: Im entzündungsfreien Stadium macht er kaum Beschwerden. Erst die Infektion und Abszedierung weist auf die Erkrankung hin. Die Zeichen sind Schmerzen, Rötung und Infiltration. Bei der Inspektion sieht man in der Rima ani eine oder mehrere Fistelöffnungen, die im entzündungsfreien Intervall winzig klein sein können. Oft lassen sich Haare in den Öffnungen nachweisen. Sekundäröffnungen nach Abszessen liegen meist weiter kranial und außerhalb der Mittellinie. Differentialdiagnose: Analfistel, Steißbeinteratom. Therapie: Spaltung des Abszesses und radikale Exzision des Pilonidalsinus sind einzig erfolgversprechend, andernfalls treten jahrelang Rezidive auf. Die Wunde wird meist der Sekundärheilung überlassen. In besonderen Fällen kann die Wunde auch primär, evtl. durch plastische Deckung verschlos-
Anus
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sen werden. Die Nachbehandlung erfolgt mittels regelmäßiger Bäder und Salbenverbände. Strikturen und Narbenstenosen können als Narbenbildungen nach chronischem Fistelleiden, Abszessen und Fibrose des M.sphincter ani externus und internus auftreten, ebenso nach operationsbedingten Defekten der Proktodealhaut, wie z. B. bei der Hämorrhoidenoperation nach Whitehead. Weiterhin findet man sie nach Entzündungen, wie Proktokolitis ulcerosa, Lymphogranuloma inguinale, Gonorrhoe, Lues und nach Strahlentherapie. Symptome: Obstipation, schmerzhafte Defäkation mit Bleistiftstühlen, Tenesmen. Therapie: Bei chronischen Entzündungen Behandlung der Erkrankung, sonst Bougierung oder operativ plastische Erweiterung (V-Y-Plastik nach Dieffenbach).
Strikturen und Narbenstenosen Narbenbildungen nach chronischem Fistelleiden, Abszessen und Fibrose des M.sphincter ani externus und internus, ferner nach Entzündungen Symptome: - Obstipation - schmerzhafte Defäkation mit - Bleistiftstühlen - Tenesmen Therapie: - Behandlung der Entzündung - Bougierung - operativ plastische Erweiterung
6.1.1 Anal-und Rektumprolaps Definition. Der Prolaps ist ein Schleimhaut- und Darmwandvorfall von Anus oder Rektum. Der Analprolaps tritt bei Hämorrhoiden oder bei Analsphinkterschwäche auf, ferner bei mangelnder Fixation der Analhaut auf dem Muskel. Symptome und Diagnose: Pruritus ani, Wäscheverschmutzung, Inkontinenz. Der Analprolaps ist an der radiären Fältelung der Schleimhaut erkennbar (Abb. 35.6-2). Differentialdiagnose: Polypen, Analkarzinom. Therapie: Eine Sklerotherapie kann versucht werden (besonders bei Kindern). Eine relative Indikation zur Operation besteht bei Versagen der konservativen Therapie. Sie besteht in • der elektrochirurgischen Therapie, der Ligatur der Hämorrhoiden oder • der Hämorrhoidektomie. Rektumprolaps: Schwäche des Beckenbodens mit Vorfall aller Wandschichten des Rektums evtl. bis zum Sigmoid. Dabei ist der Sphinkterapparat im allgemeinen primär oder sekundär geschädigt, so daß meist eine Inkontinenz unterschiedlicher Ausprägung besteht. Vorkommen vor allem bei alten Frauen und Multipara. Der Rektumprolaps ist mit einer Gleithernie vergleichbar. Symptome und Diagnose: Die Patienten spüren den Darmvorfall; gleichzeitig besteht fast immer eine Inkontinenz, Nässe, Blut- und Schleimabgang. Der Rektumprolaps ist am zirkulären Faltenverlauf (Bienenkorbmuster) erkennbar (Abb. 35.6-2, 3). Die Schleimhaut ist oft ödematös gerötet und leicht blutend. Therapie: Da die Patienten durch den Prolaps und die Inkontinenz immer erheblich beeinträchtigt sind, ist eine Korrektur meist indiziert. Im akuten Stadium erfolgt die manuelle Reposition.
Abb.35.6-2: a. Analprolaps mit radiärer Schleimhautfältelung, b. Rektumprolaps mit typischer zirkulärer Faltenbildung („Bienenkorbmuster")
Analprolaps Auftreten bei: - Hämorrhoiden - Analspinkterschwäche - mangelnder Fixation der Analhaut auf dem Muskel Symptome: - Pruritus ani - Wäscheverschmutzung - Inkontinenz Diagnose: radiäre Fältelung der Schleimhaut (Abb. 35.6-3) DD: Polyp, Karzinom Therapie: Sklerotherapie (bei Kindern) Bei Versagen der konservativen Therapie: - elektrochirurgische Behandlung der Hämorrhoiden - Ligatur der Hämorrhoiden - Hämorrhoidektomie Rektumprolaps Vorfall aller Wandschichten des Rektums manchmal bis zum Sigmoid. Meist mit Inkontinenz verbunden Symptome: spürbarer Darmvorfall, Zeichen der Inkontinenz, Nässen, Blutund Schleimabgang Diagnose: zirkulärer Faltenverlauf (Bienenkorbmuster) (Abb.35.6-2,3) ödematöse Rötung der Schleimhaut, leicht blutend Therapie: akut: manuelle Reposition
Abb.35.6-3: Rektumprolaps Schleimhautfältelung
mit
zirkulärer
614 operativ: - abdominale Rektopexie - Resektion (selten) - sublevatorischer Drahtring (bei schlechtem Allgemeinzustand)
Besserung der Inkontinenz nach Operation nur teilweise, häufig zusätzliche Eingriffe erforderlich
Pruritus ani Ursache: • Analekzem, Rhagaden • Hämorrhoiden • anorektale Fisteln • Oxyuriasis Selten: bei psychogenen Erkrankungen Therapie: Beseitigung des Grundleidens, ferner: Lokaltherapie mit - kalten Umschlägen - Waschen ohne Seife - antipruriginösen Salben Perianale Thrombosen und Hämatome bei starker Betätigung der Bauchpresse Ruptur von subkutanen Venen (Abb. 35.6-4) Symptome: schmerzhafter, livider, prall gespannter Knoten an der Linea anocutanea -> Entwicklung von Marisken Therapie: feuchte Umschläge, analgetische Salben —» Spontanresorption des Hämatoms möglich. Besser —> Stichinzision mit Ausräumung des Hämatoms, sofortige Schmerzlinderung
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Operativ kommen in Frage: • Die Resektion des Invaginats mit oder ohne Beckenbodennaht von perineal her (Methode nach Altemeier oder Rehn-Delorme). • Die Rektopexie von abdominal her mit Fixierung des Rektosigmoids mit den Paraproktien am Kreuzbein (evtl. mit alloplastischem Material) und die Raffung des Beckenbodens (z.B. nach Sudeck, Wells oder Ripstein), evtl. mit gleichzeitiger Sigmaresektion. • Bei Patienten im schlechten Allgemeinzustand Einlage eines sublevatorischen Drahtrings nach Thiersch. Ausreichend erfolgreich sind hierbei nur die abdominalen Verfahren. Die perineale Beckenbodenplastik oder der Thiersch-Ring weisen eine hohe Rezidivquote auf und kommen nur zur Anwendung, wenn der abdominale Eingriff wegen des Allgemeinzustandes als zu belastend angesehen werden muß. Alternativ stehen hier auch die laparoskopisch unterstützte Rektopexie (MIC, s. S.264) und die transanal endoskopische Rektopexie (TEM) zur Verfügung. Die Inkontinenz beim Rektumprolaps kann sich nach einer erfolgreichen Operation nur z.T. bessern; daher sind bisweilen weitere Eingriffe notwendig. 6.1.2 Pruritus ani, Thrombosen, Hämatome, Marisken Pruritus ani. Analer und perianaler Juckreiz haben vielfältige Ursachen. Am häufigsten tritt er als Folge lokaler Erkrankungen auf: Analekzem, Hämorrhoiden, Rhagaden, anorektale Fisteln, Oxyuriasis. Seltener findet man ihn im Rahmen von System- oder Stoffwechselkrankheiten (Diabetes mellitus, Ikterus), sowie bei psychogenen Erkrankungen.
Therapie: Die Beseitigung der Ursache heilt den Pruritus. Wenn kein Grundleiden faßbar ist, bleibt nur eine symptomatische Therapie mit kalten Umschlägen, Waschen ohne Seife und antipruriginösen Salben. Perianale Thrombosen und Hämatome wurden früher als äußere Hämorrhoiden bezeichnet. Bei plötzlicher starker Betätigung der Bauchpresse kommt es zur Ruptur von subkutanen Venen und Blutungen unter der Perianalhaut (Abb. 35.6-4). Symptome und Diagnose: An der Linea anocutanea findet sich ein äußerst schmerzhafter, livider, prall gespannter Knoten, der nicht reponibel ist. Hieraus können sich Marisken (s. u.) entwickeln. Therapie: Unter konservativen Maßnahmen, wie feuchten Umschlägen und analgetischen Salben, kann es zur Spontanresorption des Hämatoms kommen. Besser ist eine Stichinzision in Lokalanästhesie mit Ausräumung des Hämatoms, wodurch sofortige Linderung der Schmerzen erzielt wird.
Abb.35.6-4: Perianale Thrombose: a. Schlehengroße, dunkelrote, perianale Vorwölbung, b. Nach Inzision in Lokalanästhesie quillt das Blutgerinnsel heraus
Anus
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Marisken sind perianale, 0,5-2 cm lange hypertrophe Hautfalten, häufig nach perianalen Thrombosen entstehend. Da sie die Reinigung des Anus nach der Defäkation erschweren, entstehen häufig Ekzeme und Pruritus. Deshalb ist die Abtragung (Lokalanästhesie) der Marisken sinnvoll. Cave Analstenose!
Marisken perianale 0,5-2 cm lange Hautfalten -» erschwerte Reinigung des Anus —> Ekzeme, Pruritus -»Abtragung
6.1.3 Hämorrhoiden („innere Hämorrhoiden")
Hämorrhoiden (innere Hämorrhoiden)
Definition. Hämorrhoiden sind Hyperplasien des Corpus cavernosum recti. Ursächlich ist eine konstitutionsbedingte Komponente als Ausdruck einer allgemeinen Bindegewebeschwäche wahrscheinlich. Die chronische Obstipation mit verlängertem Pressen bei der Defäkation ist als auslösender Faktor bekannt. Auch ein vermehrter Analsphinktertonus wird hier als Ursache diskutiert, während der portalen Hypertension und einer Venenwandschwäche ätiologisch keine sichere Bedeutung beigemessen werden können. Hämorrhoiden werden von der A. rectalis superior gespeist.
Ursachen: wahrscheinlich Bindegewebeschwäche Auslösender Faktor: chronische Obstipation mit verlängertem Pressen beim Stuhlgang
Lokalisation. Hämorrhoiden finden sich in der Gegend der Eintrittsstelle der entsprechenden Arterien in Höhe des anorektalen Übergangs bei 3 h, 7 h und 11 h in Steinschnittlage. Im Bereich der Hämorrhoiden bei 3 h und 7 h können auch Satellitenknoten auftreten (Abb. 35.6-5,6).
6.1.3.1 Symptome und klinische Stadien, Diagnose Grad I: Die Knoten befinden sich oberhalb der Linea dentata u. sind von außen nicht sieht- und tastbar, sie lassen sich nur proktoskopisch erkennen. Symptome: häufig anorektale Blutungen evtl. Pruritus ani, keine Schmerzen Grad II: Beim Pressen prolabieren die Knoten vorübergehend unter die Linea dentata u. werden von außen sichtbar; beginnende fibrotische Umwandlung. Symptome: anorektale Blutung selten, häufig Brennen und Nässen Grad III: Prolaps nach Bauchpresse oder Defäkation, Sphinktertonus erhöht, keine spontane Reposition, zunehmende Fibrose. Symptome: keine Blutung, schleimige Sekretion, Pruritus, Schmerzen, evtl. Ulzeration der Schleimhaut Grad IV: wie 3, jedoch irreponibel Symptome: stark schmerzhaft, oberflächlich z. T. ulzeriert Komplikationen: Massive oder chronische Blutungen im Stadium I, Inkarzeration eines prolabierten Knotens im Stadium II und III, Infektion und Nekrose. Diagnose. Hämorrhoiden sind am äußeren Erscheinungsbild erkennbar (Abb. 35.6-6). Folgende Untersuchungen sind durchzuführen: Palpation,
Abb. 35.6-5: Hämorrhoiden. Arterielle Gefäßversorgung der Hämorrhoiden aus der A. rectalis superior. Aufzweigungen der Aa. haemorrhoidales bei 3 + 7 Uhr (Steinschnittlage), keine Aufzweigung bei 11 Uhr
Abb. 35.6-6: Hämorrhoiden 111° bei 3, 7 und 11 Uhr
Symptome und Stadieneinteilung
Komplikationen: - massive oder chronische Blutungen - Inkarzeration eines prolabierten Knotens - Infektion und Nekrose Diagnose - Palpation
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
616 - Anoskopie und Rektoskopie - bei Blutungen: Koloskopie oder Röntgenkontrasteinlauf Differentialdiagnose beachten. (Ausschluß eines Kolontumors!)
Anoskopie und Rektoskopie, bei Blutungen auch Koloskopie oder Röntgenkontrasteinlauf zum Ausschluß eines Kolontumors. Differentialdiagnose: Analfissur, -abszeß und Fistel, perianale Thrombose, Anal- oder Rektumkarzinom.
Therapie
6.1.3.2 Therapie
Konservativ: • Gewichtsreduktion • Vermeidung blähender und scharf gewürzter Speisen, Stuhlregulierung, Analhygiene • entzündungshemmende Salben Sklerosierung im Stadium I und II durch Umspritzung, Infrarotkoagulation oder Kryotherapie punktförmige Kauterisation, Gummibandligatur Operativ (Abb. 35.6-7, 8): Indikation im Stadium II, III und IV. Hämorrhoidektomie: -» Präparation der 3 Hauptknoten -»segmentäre Exzision —> Ligatur und Umstechung der zuführenden Arterien Therapie der Komplikationen: Inkarzeration eines prolabierten Knotens: feuchte Verbände, Hämorrhoidektomie. Akute Blutung: Hämorrhoidektomie mit Umstechung der zuführenden Arterie. Chronische Blutung: Hämorrhoidektomie
Konservativ: Gewichtsreduktion, Vermeidung blähender und scharf gewürzter Speisen, Stuhlregulierung mit diätetischen Maßnahmen und milden Laxanzien, Analhygiene. Lokal entzündungshemmende und analgetische Salben ohne und mit Kortison. Sklerosierung im Stadium I und II durch Umspritzung der jeweilig zuführenden Arterien mit sklerosierenden Lösungen (Phenol-Mandelöl, Polidocanol) über ein Anoskop. Infrarotkoagulation oder Kryotherapie oder die punktförmige Kauterisation mit isolierter Nadel oder Gummibandligatur nach Barron. Operativ: Indikation im Stadium II, III und IV: Submuköse Hämorrhoidektomie nach Milligan Morgan oder Parks. Hierbei werden die 3 Hauptknoten unter Schonung der Analkanalhaut submukös präpariert, segmentär exzidiert und die zuführenden Arterien umstochen und ligiert (Abb. 35.6-7,8). Bei erhöhtem Tonus des M.sphincter ani int. kann noch zusätzlich eine Sphinkterotomie durchgeführt werden. Komplikationen: Bei Inkarzeration eines prolabierten Knotens zunächst Versuch der konservativen Therapie mit feuchten Verbänden, besser aber Hämorrhoidektomie. Die Reposition ist meist erfolglos und sehr schmerzhaft. Bei akuter Blutung ist der Versuch der Blutstillung mittels Tamponade meist erfolglos. Auch hierbei ist die Hämorrhoidektomie mit Umstechung der zuführenden Arterie das bessere Verfahren. Bei chronischer Blutung Hämorrhoidektomie, um einer sekundären Anämie vorzubeugen.
Analfissur
6.1.4 Analfissur, Papillitis, Kryptitis
Einriß der Analkanalhaut Folgen: Sphinkterspasmus Fibrosierung des Schließmuskels
Definition. Die Analfissur ist ein schmerzhafter, längsverlaufender Einriß der Analkanalhaut bis zur Linea dentata. Folgen sind Sphinkterspasmus und Fibrosierungen des Schließmuskels („Pektenband"). Oft findet sich am äußeren Ende der Fissur ein fibrotischer Hautanhang, der sog. „Wachtposten" (Abb. 35.6-9).
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4 h-Abb. 35.6-7: Hämorrhoidektomie n. Milligan Morgan I: Nach Ligatur der Zuflußarterie wird der Hämorrhoidalknoten exstirpiert
Abb. 35.6-8: Hämorrhoidektomie n. Milligan Morgan II: Die Haut und Schleimhaut sind dreieckförmig exzidiert. Die Schnittränder werden mit Nähten adaptiert und außen ein Drainagedreieck belassen
Anus
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Abb. 35.6-9: 1 Fissur mit typischer Lokalisation bei 6 Uhr in Steinschnittlage (SSL). 2 Am äußeren Ende sog. „Wachtposten " Ätiologie: Als Ursachen werden diskutiert: • Einrisse der Analkanalhaut durch mechanische Beanspruchung (Skybala), • Erkrankungen des M.sphincter ani internus mit chronischem Spasmus. Folgen sind Fibrose des Muskels mit Rißbildungen in der darüberliegenden Analkanalhaut. Durch den Circulus vitiosus - Muskelspasmus und Schmerz - entsteht die chronische Fissur. • Läsionen der Analkanalhaut aufgrund von Infektionen.
Ursachen der Analfissur: • mechanische und infektiöse Läsionen • Sphinkterspasmus
Symptome: Die Symptomatik zeichnet sich durch die Trias - Schmerz, Blutung und Sphinkterkrampf - aus. Der Schmerz tritt kurz nach der Defäkation auf und hält oft lange an.
Symptome
Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese und dem Lokalbefund. Beim vorsichtigen Auseinanderziehen der Analfalten erkennt man die „Vorpostenfalte" und dahinter die hochrote akute oder blasse chronische Fissur, nicht selten mit unterminierten Rändern. Eine digitale Untersuchung ist sehr schmerzhaft und höchstens nach Lokalanästhesie möglich. Differentialdiagnose: Analabszeß, Hämorrhoiden, Analfistel.
Diagnose:
Therapie: Die Therapie der frischen Fissur besteht in • subkutaner Injektion eines Lokalanästhetikums • lokaler Applikation anästhesierender Salben und Suppositorien mit entzündungshemmenden Substanzen und Stuhlregulierung durch milde Laxanzien oder dosierte Sphinkterdehnung mit Analdilatator (Cave Sphinkterverletzung!). Die chronische Fissur wird operiert. Ziel ist die Unterbrechung des Circulus vitiosus (Schmerz und Sphinkterspasmus). Bevorzugt wird heute die laterale Sphinkterotomie nach Parks oder die laterale subkutane Sphinkterotomie nach Notaras. Bei 3 h wird in Steinschnittlage nach Hautinzision lateral des Analrandes das distale Drittel des M.sphincter ani internus durchtrennt. Vorteile dieses Verfahrens sind der primäre Wundverschluß und die geringe Inkontinenzgefahr. Bei der Sphinkterotomie nach Eisenhammer wird der M. sphincter ani internus im Bereich der Fissur in seinem distalen Drittel gespalten. Nachteil ist die offene Wunde mit längerer Heilungsdauer. Die früher geübte digitale Sphinkterdehnung wird heute abgelehnt, da die Dehnungskraft nicht exakt dosiert werden kann und Inkontinenzerscheinungen die Folge sind. Papillitis und Kryptitis. Die Papillitis ist streng auf die Analpapillen beschränkt und häufig mit der Entzündung der zwischen den Papillen liegenden Morgagni-Krypten kombiniert. Meist liegt ein hypertoner innerer Sphinkter vor. Die Krypten (Proktodealdrüsen) sind Ausgangspunkt von Abszessen und Fisteln. Die Patienten klagen über einen dumpfen Dauerschmerz im Analbereich. Diagnose. Bei der digitalen Untersuchung sind die verdickten Papillen zu tasten und bei der Anoskopie zu sehen. Die Therapie ist konservativ mit antiphlogistischen Suppositorien, nur selten operative Spaltung der Krypte.
typische Anamnese und Lokalbefund. (Vorpostenfalte und dahinter die Fissur, Abb.35.6-9). Digitale Untersuchung sehr schmerzhaft! Differentialdiagnose beachten! Therapie: - subkutane Injektion eines Lokalanästhetikums - lokale Applikation anästhesierender Salben mit entzündungshemmenden Substanzen - Stuhlregulierung durch Gabe milder Laxanzien Chronische Fissur: Operation: laterale Sphinkterotomie nach Parks oder Notaras Vorteile: primärer Wundverschluß und geringe Infektionsgefahr Sphinkterotomie nach Eisenhammer: Spaltung des M.sphincter ani internus im Bereich der Fissur. Nachteil: offene Wunde, lange Heilungsdauer
Papillitis, Kryptitis Papillitis -> auf Analpapillen beschränkt. Kryptitis -> Entzündung der Analkrypten in die die Proktodealdrüsen münden. Sie sind Ausgangspunkt für akute (Abszeß) oder chronische (Fisteln) Entzündungen Therapie: Antiphlogistische Suppositoren, selten operative Spaltung
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
618 Analabszeß und -fisteln, peivirektale Fistel
6.1.5 Analabszeß, -fistel, peivirektale Fistel
Ursache: meist angeborene Veranlagung
Ätiologie und Epidemiologie: Ursache der meisten perianalen ist eine angeborene Veranlagung.
Ausgangspunkt: kryptoglanduläre Entzündung -»intermuskuläre, marginale und ischiorektale Infektion Submuköse und peivirektale Infekte meist durch exogene Ursachen
Ausgehend von einer kryptoglandulären Entzündung dringt die Infektion über die Analdrüsen (Proktodealdrüsen) durch den M. sphincter ani internus in den intermuskulären Raum vor. Aus diesem kann sie entlang der Muskelfasern oder durch den M. sphincter ani externus nach außen gelangen. Dadurch entstehen die intermuskulären, marginalen und ischiorektalen Infektionen, während submuköse und peivirektale Infekte meist durch exogene Ursachen bedingt sind.
Akuter Verlauf -» Abszeß chronischer Verlauf —> Fistel
Bei akutem Verlauf entwickelt sich ein Abszeß, bei chronischem eine Fistel. Anorektale Infektionen können in jedem Alter auftreten. Der Häufigkeitsgipfel liegt im 3.-4. Dezennium. Männer erkranken häufiger als Frauen.
Analabszeß
6.1.5.1 Analabszesse
Ursache: akute Infektion der Proktodealdrüsen Keiminvasion in Räume des Anorektums. Man unterscheidet folgende Lokalisationen (Abb.35.6-11): • intermuskulär • ischiorektal • submukös • pelvirektal Symptome: Schmerzen, Vorwölbung mit Fluktuation, Fieber, Schüttelfrost Diagnose: gezielte Anamnese, Inspektion, Palpation, rektale Untersuchung, evtl. Proktoskopie in Narkose mit Punktion des Abszesses, Endosonographie. Differentialdiagnose beachten
Sie entstehen durch akute Infektion der Proktodealdrüsen mit Keiminvasion in die bindegewebigen Räume des Anorektums. Die Einteilung nach Stelzner richtet sich nach topographischen Gesichtspunkten (Abb. 35.6-10): • intermuskulärer Abszeß (perianal, marginal, hohe Lokalisation), • ischiorektaler, submuköser und pelvirektaler Abszeß. Über eine Lücke im retrokokzygealen Faszienkörper sind beide Ischiorektalgruben verbunden, so daß Hufeisenabszesse und Fisteln entstehen können.
Therapie: grundsätzlich operativ
Infektionen
Symptome: Anorektale Abszesse verursachen Schmerzen, später eine Vorwölbung mit Fluktuation, Allgemeinerscheinungen wie Fieber und Schüttelfrost. Die Diagnose wird durch Anamnese und Inspektion der perianalen Region sowie eine rektale Untersuchung gestellt, notfalls durch Proktoskopie in Narkose mit Punktion des Abszesses. Sehr hilfreich ist die endosonographische Untersuchung. Mit ihr sind Lokalisation und Ausdehnung gut festzustellen. Differentialdiagnose: Analfissur, Hämorrhoiden, Tumor. Die Therapie ist grundsätzlich
operativ:
(1) Eröffnung des Abszesses durch großzügige Schnittführung, (2) ausreichende Drainage der Abszeßhöhle, (3) einzeitige oder aufgeschobene Fistelspaltung: Die Inzision ist so anzulegen, daß die Wunden von alleine offen bleiben.
Abb.35.6-10: Lokalisation der anorektalen Abszesse: 1 Intermuskuläre Abszesse: a. Subkutaner marginaler, b. Subkutaner perianaler, c. Intermuskulärer perianaler, d. Tiefer intermuskulärer, e. Hoher intermuskulärer Abszeß. 2 Ischiorektaler Abszeß. 3a. Submuköser, b. Subkutaner Abszeß. 4 Pelvirektaler Abszeß
Abb.35.6-11: Anorektale Fisteln: 1a. Tiefe, äußere, vollkommene intermuskuläre Fistel mit einem langen und einem kurzen Gang, 1b. Hohe, innere, vollkommene intermuskuläre Fistel, 2a. Blinde innere Ischiorektalfistel, 2b. Vollkommene Ischiorektalfistel, 2c. Blinde äußere Ischiorektalfistel, 3a. Blinde äußere peivirektale Fistel, 3b. Blinde innere peivirektale Fistel, 3c. Ischiorektale Fistel, die mit einer 3d. vollkommenen pelvirektalen Fistel kombiniert ist. 4a. Vollkommene subkutane Fistel, 4b. Blinde, äußere subkutane Fistel
Anus
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Das erreicht man durch eine T-förmige, winkelförmige Inzision oder ovaläre Hautexzision. Oft findet man eine Fistel, die gespalten wird. Ist sie primär nicht nachweisbar, muß in einer 2. Sitzung nach ca. 1 Woche danach gesucht werden. Anorektale Abszesse sind aufgrund der kryptoglandulären Genese in über 70 % mit einer Fistel vergesellschaftet.
Fistelsuche und Sanierung
Eine sorgfältige Nachbehandlung ist notwendig; tägliche Sitzbäder, Spülung der Abszeßhöhle, lockere Streifendrainage (nicht Tamponade), keine Antibiotika.
Nachbehandlung: tägliche Sitzbäder, Spülungen der Abszeßhöhle, lockere Streifendrainage, keine Antibiotika!
6.1.5.2 Anal- und pelvirektale Fisteln
Anaffisteln
Ätiologie und Einteilung: Die anorektalen Fisteln entstehen zu 90 % auf dem Boden der kryptoglandulären Infektion. Seltene Ursachen sind der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. Einteilung:
Entstehung durch kryptoglanduläre Infektionen. Seltene Ursache: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa
• komplette Fisteln, d. h. Verbindungen vom Darmlumen zur äußeren Haut der Perianalregion, • inkomplette innere Fisteln mit Öffnung im Darmlumen, • inkomplette äußere Fisteln ohne Verbindung zum Darm. Stelzner unterscheidet auch hier 4 topographische Formen (Abb. 35.611):
• intermuskuläre und ischiorektale Fisteln sind mit 80% am häufigsten • subkutane und pelvirektale Fisteln (sehr selten). Symptome: Nässen (Ekzem!), Verschmutzung der Wäsche und Pruritus. Bei Sekretverhaltung kann sich ein Abszeß entwickeln. Die Diagnose wird durch Inspektion, Palpation, Sondierung, Injektion von Farbstofflösungen in die Fistelöffnung und Rektoskopie gestellt. Mit der Endosonographie lassen sich Fisteln als echoarme Bezirke darstellen und beurteilen, ob die Fistel unter- oder oberhalb des M. levator verläuft. Differentialdiagnose: Analfissur, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa. Therapie: Operative Behandlung obligat: Ziel ist die einzeitige Spaltung der Fistel, d.h. die Umwandlung der „Fistelröhre" in eine weit offen „Rinne". Für submuköse, intermuskuläre und ischiorektale Fisteln stellt dies keine Probleme dar. Da die anorektalen Fisteln stets von den Analkrypten ausgehen, befindet sich ihre innere Öffnung immer unterhalb der Faszie des Levatoransatzes, so daß es bei der Spaltung nicht zur Inkontinenz kommt. Oft sind mehrere Operationssitzungen notwendig. Bei hoch einmündenden Fisteln ist die Therapie der Wahl der Verschluß der inneren Fistelöffnung und die Deckung mit einem Mukosaverschiebelappen (Mucosaflap). Der äußere Fistelkanal wird konusförmig nach außen eröffnet. Die Fistelexzision nach Girona ist besonders bei hohen transsphinkteren und pelvirektalen Fisteln ein gutes Verfahren.
Einteilung der Fisteln: 4=Ferner Unterscheidung nach anatomischen Gesichtspunkten: • intermuskuläre Fistel • ischiorektale Fistel • subkutane Fistel • pelvirektale Fistel Symptome: - Nässen (Ekzem) - Verschmutzung der Wäsche - Pruritus - evtl. Abszeßentwicklung Diagnose: Inspektion, Palpation, Sondierung, Injektion von Farbstofflösung in die Fistelöffnung, Rektoskopie, Endosonographie Differentialdiagnose beachten! Therapie: operativ einzeitige Spaltung der Fistel d.h. Umwandlung der Fistelröhre in eine weit offene Rinne bei hoher Fistel Mucosaflap oder Fistelexzision n. Girona
Konservative Therapie, wie Kürettage, Injektion von ätzenden Lösungen oder Antibiotika sind sinnlos. Auch der Versuch, die Fistel mit einem langsam durchschneidenden Faden zur Abheilung zu bringen, ist weitgehend verlassen.
Pelvirektale Fisteln. Wegen ihrer unterschiedlichen Ätiologie müssen sie von den anorektalen Fisteln klar getrennt werden. Nur 3 % sind pelvirektale Fisteln. Ursachen sind: • entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, M. Crohn), • Tumorperforation, fortgeleitete Ischiorektalinfektionen, • vereiterte pararektale Lymphknoten, Verletzungen (traumatisch, iatrogen).
Therapie: Sie dürfen weder mit dem Messer noch mit Faden rektum- oder analwärts aufgeschnitten werden, da sonst der gesamte Schließmuskel durchtrennt werden würde und eine totale Inkontinenz die Folge wäre.
Pelvirektale Fistein _ Häufigkeit nur 3%. Ätiologie unterschiedlich zu der der anorektalen Fisteln Ursachen: - entzündliche Darmerkrankungen - Tumorperforation - fortgeleitete Ischiorektalinfektion - vereiterte Lymphknoten, Verletzungen Therapie: nicht mit Messer oder Faden rektumwärts durchtrennen. Wegen Gefahr der Schließmuskelverletzung totale Inkontinenz
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Stufenförmige Therapie angezeigt
Die Therapie gestaltet sich stufenförmig: (1) Breite Eröffnung der Fistel mit ihren Resthöhlen vom Sphinktersystem weg nach außen. (2) Evtl. Verschluß der inneren Öffnung durch eine Naht und Mukosaflap. (3) Bei rezidivierenden Prozessen ist ein plastischer Verschluß, evtl. mit einer vorübergehenden Kolostomie erforderlich.
Nachbehandlung: tägliche Sitzbäder und Spülungen über 4~-7 Wochen
Nachbehandlung: tägliche Sitzbäder und Spülung, 4-7 Wochen dauernde Behandlung (im Einzelfall auch länger).
Schmerzzustände
6.1.6 Schmerzzustände, Verletzungen, Fremdkörper
1. Proktalgia fugax: plötzliche heftige Schmerzen in der Rektalregion vorwiegend bei Männern. Behandlung: heiße Sitzbäder, Spasmolytika 2. Kokzygodynie (Proktalgie): schmerzhafte Sensationen in der Steißbeinregion durch Verkrampfung der Levatormuskulatur. Häufig nach langem Sitzen. Therapie: natürliche sitzende Körperhaltung, Krankengymnastik, rektal-digitale Massage, Lokalanästhesie Verletzungen Ätiologie: Schuß-, Stichverletzungen, Mehrfach-, Pfählungsverletzungen, Geburtstrauma
Proktalgia fugax: Plötzliche, heftige Schmerzen in der Rektalregion, Sekunden bis 15 min anhaltend. Vorwiegend nachts bei Männern auftretend (Prostataleiden?). Genese unbekannt. Behandlung mit heißen Sitzbädern, Spasmolytika. Kokzygodynie (Proktalgie): Schmerzhafte Sensationen der Steißbeinregion durch Verkrampfung der Levatormuskulatur. Häufig nach langem Sitzen auftretend („television bottom"). Frauen sind aus anatomischen Gründen bevorzugt.
Diagnose: - Inspektion - digitale Untersuchung - Proktoskopie - Rö.-Abdomen (freie Luft im Abdomen) - Endosonographie
Therapie: natürliche sitzende Körperhaltung, krankengymnastische Übungen, rektal-digitale Massage (6x täglich), Lokalanästhesie. Anorektale Verletzungen sind selten, können jedoch äußerst folgenschwer sein. Bei Verletzung der Sphinkteren droht die Inkontinenz. Ursache sind Schuß-, Stich- und Pfählungsverletzungen, Läsionen bei Mehrfachverletzungen, Geburtstrauma. Diagnose: Die Erkennung dieser Verletzungen ist meist einfach. Anamnestisch findet sich ein vorausgegangenes Trauma mit entsprechenden Beschwerden. Die weitere Abklärung erfolgt durch: Inspektion und digitale Untersuchung, Prokto- und Rektoskopie, evtl. Abdomenleeraufnahme zum Nachweis freier Luft bei kolorektaler Perforation, Endosonographie. Fremdkörper lassen sich digital, röntgenologisch oder rektoskopisch erkennen.
Therapie: - Verschluß des Rektumeinrisses - Sphinkternaht
Therapie: Die Behandlung zielt daraufhin, die durchtrennten Sphinkteren durch primäre Naht zu vereinigen, bzw. die verletzte Rektumwand primär zu vernähen. Bei ausgedehnten Läsionen ist die Anlage eines passageren Anus praeternaturalis unumgänglich.
Fremdkörper - Anus praeter (temporär)
Fremdkörper: Bei ungewöhnlichen sexuellen Praktiken werden mitunter Fremdkörper unterschiedlicher Größe in den Anus eingeführt. Blutungen und Perforationen sind selten. Die Fremdkörper lassen sich in Narkose meist problemlos digital entfernen.
Tumoren
6.1.7 Tumoren
Gutartige Tumoren Hypertrophe Analpapille: - Prolaps - Fremdkörpergefühl Therapie: Abtragung Spitze Kondylome: durch Virusinfektion. Warzenartige Gebilde perianal und im Analkanal
Gutartige Tumoren (Tab. 35.6-1): Die hypertrophe Analpapille kann durch den Anus prolabieren und ein Fremdkörpergefühl verursachen. Sie wird häufig bei einer Papillitis oder Fissur beobachtet. Therapie: Abtragen in Lokalanästhesie. Spitze Kondylome entstehen durch Virusinfektionen. Beetartige und warzenartige Gebilde perianal und im Analkanal lokalisiert, führen zu Nässen Tab.35.6-1: Tumoren im perianalen Bereich Benigner Tumor
Präkanzerosen
Pseudotumoren
Condylomata acuminata
Morbus Bowen
hypertrophe Analpapille
Dermoidzysten
Morbus Paget Condylomata giganta (Buschke-Löwenstein)
perianale Thrombose Mukosa-Prolaps chronisches Analekzem Granuloma venereum
Anus
621
und Pruritus. Differentialdiagnostisch sind Condylomata lata (Lues Stadium II) und ein Buschke-Löwenstein Tumor abzugrenzen. Therapie: Pinselung mit Podophyllin, Viru-Merz Serol® Salbe, elektro- oder laserchirurgische Abtragung. Große Rezidivneigung.
Symptome: Nässen, Pruritis Therapie: Pinselung mit Podophyllin, Viru-Merz Serol® Salbe, elektro- oder laserchirurgische Abtragung
Analkarzinom: Das Analkarkzinom ist relativ selten und findet sich nur bei 1-3% aller Dickdarmtumoren. Nach der Lokalisation unterscheiden wir zwischen Karzinomen des Analrandes und solchen des Analkanals. Ätiopathogenese. Die Analkanalkarzinome entstehen im distalen Abschnitt des Analkanals aus dem Übergangsepithel im Bereich der Linea dentata. Das Analrandkarzinom findet sich dagegen an der Haut-Schleimhautgrenze als polypös-flächenhaftes Plattenepithelkarzinom. Beim Analrandkarzinom ist das männliche Geschlecht mit 4:1 deutlich bevorzugt. Beim Analkanalkarzinom sind Männer und Frauen gleich häufig betroffen. 60 % aller Analkarzinome treten nach dem 50. Lebensjahr auf. Metastasierung. Analkarzinome können sich lymphogen, hämatogen oder per continuitatem ausbreiten, bevorzugt über die perirektalen und iliakalen Lymphknoten. Die Leistenlymphknoten sind bei der Erstdiagnose zu 15 % befallen. Die hämatogene Metastasierung ist mit weniger als 10 % selten, wobei es sich meist um Leber- oder Lungenmetastasen handelt.
Analkarzinom Häufigkeit 1 - 3 % bezogen auf alle Dickdarmtumoren. 6 0 % treten nach dem 50. Lebensjahr auf. Unterteilung in Analrand- und Analkanalkarzinom
Histologisch findet man verhornende, gering verhornende und nicht verhornende Plattenepithelkarzinome. Vereinzelt sieht man auch Adneokarzinome, die möglicherweise von den Analdrüsen ausgehen (Übergangszellkarzinom).
Symptome: In abnehmender Häufigkeit finden sich beim Analkarzinom Blutung, Schmerzen, Fremdkörpergefühl durch Tumormassen, Pruritus, Stuhlunregelmäßigkeiten. Die Diagnose wird gestellt durch rektodigitale Untersuchung und Proktorektoskopie mit histologischer Untersuchung der entnommenen Gewebefraktionen. Zum Staging auch Endosonographie und CT. Gelegentlich finden sich tastbare Leistenlymphknoten. Daher ist die Untersuchung der Leistenregion obligat. Differentialdiagnose: Frühstadien können mit Hämorrhoiden, Fissuren oder schlecht heilenden Wunden oder anderen Tumoren (Tab. 35.6-1) verwechselt werden.
Ausbreitung: - lymphogen - hämatogen - per continuitatem Häufiger Mitbefall der Leistenlymphknoten ( 1 5 % bei Erstdiagnose) Metastasierung hämatogen in Leber und Lunge (in 12%) Histologie: - meist Plattenepithelkarzinome - selten: Adenokarzinome Symptome: - Blutung, Schmerzen - Fremdkörpergefühl, Pruritus - Stuhlunregelmäßigkeiten Diagnose: rektodigitale Untersuchung, Proktorektoskopie mit histologischer Untersuchung. Untersuchung der Leistenregion obligatl Differentialdiagnose beachten!
Therapie: Das moderne Therapiekonzept besteht in einem multimodalen Vorgehen. Dies umfaßt eine präoperative Radiochemotherapie (Mitomycin C, 5-FU und 30-50 Gy). Nach 4 Wochen erneutes Staging mit lokaler histologischer Untersuchung. Finden sich Tumorreste lokale Exzision oder komplettierende Boost-Bestrahlung. Bei Lymphknotenmetastasen in der Leiste werden die Bestrahlungsfelder entsprechend erweitert. Kleine Karzinome des Analrandes, bei denen eine lokale Exzision mit einem Sicherheitsabstand von mindestens 1 cm möglich ist, können primär chirurgisch behandelt werden. Nach Chemo- und Radiotherapie werden bei kleinen Tumoren Biopsien aus dem Tumorgebiet entnommen. Bei ca. 50 % läßt sich noch vitales Tumorgewebe nachweisen, das lokal entfernt wird. Alternativ wird eine Komplettierung der Bestrahlung auf 60 Gy oder interstitielle Radiotherapie (Iridium) angeschlossen. Bei großen Tumoren (> 4-5 cm) oder Invasion in benachbarte Strukturen sollte eine Rektumamputation erfolgen, wenn keine Fernmetastasen vorliegen.
Therapie: multimodales Vorgehen - präoperative Radiochemotherapie - ggf. Booster-Bestrahlung - lokale Exzision kleiner Analrandkarzi-
Eine prophylaktische Dissektion der Leistenlymphknoten wird heute allgemein abgelehnt. Sind diese jedoch befallen, so werden sie entfernt und nachbestrahlt.
Bei tastbaren Leistenlymphknoten enbloc-Dissektion und Radiatio
Prognose: Bei Karzinomen des Analrandes liegt die 5-Jahres-Überlebensrate zwischen 50 und 75%. Bei Karzinomen des Analkanals ist sie mit SOSO % deutlich schlechter.
Prognose: 5-Jahresüberlebensrate: - Analrand 5 0 - 7 5 % - Analkanal 3 0 - 5 0 % In der neueren Literatur 8 5 - 9 5 %
In der neueren Literatur wird bei kombinierter Radiochemotherapie über 5-JahresÜberlebensraten von 85-95 % berichtet.
Weiterhin ist sie abhängig von der Tumorgröße und dem Malignitätsgrad (Grading).
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
622 Inkontinenz
6.1.8 Inkontinenz
= ungewollter Stuhlabgang
Definition: Anale Inkontinenz bedeutet, daß Stuhl oder Winde willkürlich nicht zurückgehalten werden können oder unfreiwillig abgehen.
Folge
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Ursachen:
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Die Inkontinenz ist die schwerste Folge proktologischer Erkrankungen. Die Ursachen sind vielfältig und bedürfen einer genauen Analyse: (1) primäre Neuraiinkontinenz: Fehlbildungen des ZNS, Spina bifida, Querschnittslähmung (2) sensorische Inkontinenz bei funktionsfähigem Schließmuskel Störungen im Rezeptionsgebiet der Analkanalhaut und der Rektumwand („Stuhlgefühl fehlt"). Ursachen: Hämorrhoidektomie, Mukosaprolaps u. a. (3) muskuläre bzw. motorische Inkontinenz bei intakter Sensibilität: Läsionen des Sphinkterorgans, Verletzungen, Geburtstraumen, iatrogene Sphinkterverletzung bei unsachgemäßer proktologischer Operation, zu brüske Sphinkterdehnung, Rektumprolaps, altersbedingte Sphinkterschwäche (4) Inkontinenz durch Verlust der sensorischen und motorischen Sphinkterfunktion: Whitehead-Op. (radikale Hämorrhoidektomie mit Entfernung der Analkanalhaut) (5) Inkontinenz durch Störung der Reservoirfunktion der Ampulle: nach tiefer Rektumresektion oder ileoanaler Anastomose ohne Reservoir.
Symptome:
6.1.8.1 Symptome, Diagnose, Einteilung
bei Sphinkterschwäche: Gase und dünnflüssiger Stuhl können nicht sicher gehalten werden. bei vollständiger Inkontinenz: fester Stuhl kann nicht gehalten werden. Inkontinenzgrade
Symptome. Bei Sphinkterschwäche können Gase oder dünnflüssiger Stuhl nicht sicher, bei vollständiger Inkontinenz kann auch fester Stuhl nicht gehalten werden.
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Diagnostik: • Anamnese • proktoskopische Untersuchung • Funktionsuntersuchung • Rö und Endosonographie
Differentialdiagnose beachten!
Einteilung: Grade der Inkontinenz sind: • Totalinkontinenz (völliger Verlust der Kontrolle über Stuhlgang und Winde), • Teilinkontinenz I. Grades (Stuhlschmieren bei Belastung oder Diarrhoe), • Teilinkontinenz 2. Grades (Inkontinenz für Winde und Diarrhoe bei Belastung). Die Diagnose erfolgt durch klinische und apparative Untersuchungen: • Anamnese —> Begleitsymptome, Lebensqualität, vorausgegangene Operationen, Verletzungen, Bestrahlungen • proktologische Untersuchungen —> Inspektion (Verschmutzung der Unterwäsche, Prolaps, Narben, Strikturen?), digitale rektale Untersuchung —> Sphinktertonus?, Proktorektoskopie —> Ausschluß anderer Prozesse • Funktionsuntersuchungen Rektotonometrie, Elektromyographie • Röntgenuntersuchung —> Defäkogramm, Ballonproktogramm und Endosonographie. Differentialdiagnose: vorgetäuschte und Pseudokontinenz (Dyschezie, Obstipation, Demenz), reversible funktionelle Inkontinenz (bei M.Crohn, Strahlenproktitis, Analkarzinom)
Therapie:
6.1.8.2 Therapie
primäre Neuraiinkontinenz -> Anus praeter
Die primäre Neuraiinkontinenz kann nicht kausal behandelt werden. Es empfiehlt sich die Anlage eines Anus praeternaturalis, der besser zu versorgen ist als ein inkontinenter Anus in loco typico. Die sensorische Inkontinenz beruht auf dem Verlust der sensiblen Analkanalhaut. Hier kommt eine Verschiebelappenplastik aus der perianalen, sensiblen Haut in Frage (z.B. Heller-Zungenplastik, Irislappenplastik oder Ferguson-S-Plastik) infrage. Für die motorischen Inkontinenz existieren 3 Möglichkeiten:
Sensorische Inkontinenz —> Verschiebelappenplastik aus der perianalen sensiblen Haut
Akutes Abdomen
623
Abb.35.6-12: Graziiisplastik: a. Der M. gracilis wird an der Innenseite des Oberschenkels freigelegt und am Kniegelenk abgetrennt. 1 M. gracilis; 2 M.sartorius, b. Von drei perianalen Inzisionen wird er dann unterhalb des Levators um das Analrohr gelegt und mit der Sehne am kontralateralen Sitzbeinhöcker fixiert
(1) Rekonstruktion der Sphinktermuskulatur durch Sphinkternaht (anal repair). Methode der Wahl bei allen Verletzungen, wenn nicht mehr als V3 der Zirkumferenz des Sphinkters zerstört wurde. (2) Raffung des erschlafften M. puborectalis n. Parks (post anal repair). (3) Sphinkterersatzplastiken: a) an einem willkürlich innervierten Muskel werden Zügel aus Fascia lata oder Kunststoff verankert, die den distalen Mastdarm schlingenförmig umgreifen b) Extremitätenmuskel, wie der M. gracilis oder M. sartorius, werden um den Analkanal geführt und verschließen bei Kontraktion den Anus (Abb. 35.6-12). Durch elektrische Stimulation des transponierten Muskels mit implantierbaren Systemen kann ein Dauertonus aufrechterhalten und damit die Kontinenz verbessert werden. Außerdem Biofeedback-Training sinnvoll. c) Freie Transplantation von Darmmuskulatur (zirkulär um den Analkanal fixiert) als Sphinkterersatz.
7. Akutes Abdomen
Einteilung der Behandlungs-Verfahren in 3 Gruppen: • Sphinkterrekonstruktion • Spinkterraffung n. Parks (post anal repair) • Sphinkterersatzplastiken (Abb. 35.6-12)
Akutes Abdomen
H.-D. Saeger, M. Nagel 7.1 Definition, Häufigkeit, Ursachen Definition: Unvermittelt auftretende, heftige Bauchschmerzen kennzeichnen das akute Abdomen. Damit sind gravierende, oft lebensbedrohliche Krankheitszeichen verbunden, die in einen Schock münden können. Meist liegen intraabdominelle Ursachen zugrunde, aber auch thorakale oder retroperitoneale Erkrankungen. Leitsymptom ist immer der heftige, akut einsetzende Bauchschmerz, der durch konservative Maßnahmen kaum oder nur schwer beeinflußbar ist. Die Symptomatik und die allgemeine Entwicklung des Krankheitsbildes lassen oft keine Zeit für eine eingehende Diagnostik. So muß nicht selten laparotomiert werden ohne daß die Ursache des akuten Bauchschmerzes
Plötzlich und unvermittelt einsetzende Bauchschmerzen, begleitet von allgemeinen Krankheitszeichen, die u. U. lebensbedrohlich sind
Leitsymptom
• Zeitfaktor • entscheidend fürTherapieerfolg. Häufig Indikation zur Notfalloperation
624
35. Chirurgie des Verdauungstraktes präoperativ gesichert ist. Die Notfalldiagnostik sollte dazu beitragen, nicht chirurgische Ursachen des Schmerzes aufzuspüren (z. B. Herzinfarkt, Nierensteine), um unnötige Laparotomien und die daraus entstehenden Risiken zu vermeiden.
Häufigkeit jährlich ca. 0,1 % der Bevölkerung • Risikogruppen: - Hämodialysepatienten - immunologische Abwehrschwäche - Arteriosklerose
Häufigkeit: Die jährliche Quote notfallmäßiger Operationen beträgt in der Bevölkerung etwa 0,1 %. Bei Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen (chronisch terminale Niereninsuffizienz und Hämodialyse, allgemeine Arteriosklerose, immunologische Abwehrschwäche etc.) ist das Risiko, ein akutes Abdomen zu erleiden etwa lOfach erhöht. Die Diagnose „akutes Abdomen" wird im Zweifelsfall häufiger gestellt, so daß nur etwa ein Viertel dieser Patienten notfallmäßig operiert werden müssen.
Ursachen
Ursachen: intra- und extraabdominale Erkrankungen mit und ohne (sofortige^]) Operationsnotwendigkeit.
1. Intraabdominale Erkrankungen mit sofortiger Operationsindikation
(1) Intraabdominal Erkrankungen mit sofortiger operativer Konsequenz: • akute, komplizierte Appendizitis und Ulkusperforation • mechanischer Ileus (M.Crohn, maligne Tumoren des Dünnoder Dickdarms, Briden, Adhäsionen, äußere und innere Hernien, Invagination, Gallenstein- und Zelluloseileus) mit und ohne Darmernährungsstörung, d.h. Strangulation des Mesenteriums, • akute Cholezystitis: phlegmonöse Entzündung, Hydrops, Empyem, Perforation • Meckel-Divertikulitis, perforierte Kolondivertikulitis und alle Darmperforationen, • toxisches Megakolon (z. B. Colitis ulcerosa) und Mesenterialinfarkt (arteriell, venös), • diffuse Peritonitis hämatogen (selten), Peritonitis bei aszendierender Salpingitis, • Extrauteringravidität mit Tubenruptur.
2. Akute intraabdominale Blutungen 3. Bauchtrauma
(2) Akute abdominale Blutungsquellen (s. Kap. 44.2, S. 893) (3) Stumpfes und penetrierendes Bauchtrauma: • Milz, Leber, Magen, Duodenum, Pankreas, Dünn- und Dickdarm, Zwerchfell, • Verletzungen von großen Arterien und Venen (4) Intraabdominale Erkrankungen ohne (sofortige) operative Konsequenz: • gastrointestinal: Gastroenteritis, Lymphadenitis mesenterica, Yersiniose, penetrierendes Ulkus ohne freie Perforation, pseudomembranöse Enterokolitis, Peritonealkarzinose, Typhus, Cholezystitis, Gallenkolik, reflektorischer paralytischer Ileus, ödematöse Pankreatitis, unkomplizierte Sigmadivertikulitis, Angina abdominalis, akute hepatische Porphyrie • gynäkologisch: Adnexitis, Dysmenorrhoe, Mittelschmerz, Endometriose (5) Extraabdominale Erkrankungen • kardiovaskulär: Herzinfarkt, Dissektion der Aorta thoracalis, Perikarditis, akute Leberstauung bei Rechtsherzinsuffizienz, • retroperitoneal: Distension, Dissektion und Ruptur der Aorta abdominalis, akute, hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis • pleuropulmonal: Pneumonie, Pleuritis, Lungenembolie, • urogenital: Ureterstein, akute Hydronephrose, Pyelonephritis, paranephritischer Abszeß, arterieller Niereninfarkt, Hodentorsion, akute Harnverhaltung, Urozystitis • neurologisch: akuter Bandscheibenvorfall, Querschnittslähmung, Tabes dorsalis, Ogilvie-Syndrom, Psychosen • Bewegungsapparat: Wirbelfrakturen, Rippenfrakturen, Beckenfrakturen, • sonstiges: diabetisches und urämisches Koma, hämolytische und leukämische Krisen, Purpura Schoenlein-Henoch, Intoxikationen (Arsen, Blei etc.), Kollagenosen.
4. Intraabdominale Erkrankungen ohne (sofortige) Operationsanzeige • gastrointestinal
• gynäkologisch 5. Extraabdominale Erkrankungen: Sofortoperation kontraindiziert • kardiovaskulär • retroperitoneal • pulmonal • urogenital
neurologisch Frakturen Coma uraemicum, diabeticum
Akutes Abdomen
625
Abbildungen 35.7-1 und 35.7-2 zeigen topographisch die wichtigsten abdominalen Prozesse. Der Anteil traumatischer Ursachen ist je nach Region und sozialem Umfeld des Krankenhauses stark unterschiedlich. In Westeuropa liegt in über drei Viertel der Fälle ursächlich ein stumpfer Verletzungsmechanismus zugrunde (Verkehrs- und Arbeitsunfall, Sturz, Sportunfall etc.). Das penetrierende Trauma (Stich- und Schußverletzungen) nimmt im Bundesdurchschnitt weniger als 10 % ein. In Großstädten sind sie häufiger vertreten als in kleineren Gemeinden oder auf dem Land.
Pankreatitis Milzinfarkt Herzinfarkt Milzruptur Pleuritis Nierenbeckenstein Pyelitis perinephritischer Abszeß
Ulkusperforation Cholezystitis Pankreatitis Appendizitis subhepatischer Abszeß Stauungsleber Leberruptur subphrenischer AbszeB
Appendizitis F ^ ^ ^ P t ^ - ^ N H K ^ Sigmadivertikulitis M.CROHN I fF~ Rektosigmoidkarzinom MECKELsches Divertike \ V — U r e t e r s t e i n Adnexltls Invagination | VVf ~ T x ^ ^ ^ ^ V Gallenblasenperforation $NXy inkarzerierte Hernie Lymphadenitis mesenterica \ \ I / ) stielgedrehte Ovarial ; Mittelschmerz I • ,/ I zyste Tubargravidität | x-/ Hodentorsion PsoasabszeB Abb.35.7-1: Topographische Differentialdiagnose des Akuten Abdomens: 4 Quadranteneinteilung (nach R. Häring [Hrsg.], Dringliche Bauchchirurgie. Thieme, Stuttgart, New York 1982) unterstrichen: gilt für beide Seiten)
Pleuritis Angina pectoris Herzinfarkt Hiatushernie Ösophagusperforation Ulkusperforation Pankreatitis mechanischer Ileus okklusiver Mesenterialinfarkt non-okklusiver Mesenterialinfarkt Gastroenteritis pseudomembranöse Enterocolitis Aneurysmaruptur akute Harnverhaltung metabolische, toxische und bakterielle Ursachen Abb.35.7-2: Topographische Differentialdiagnose des Akuten Abdomens: Mittelbauch (nach R. Häring [Hrsg.], Dringliche Bauchchirurgie. Thieme, Stuttgart, New York 1982)
Topographische Darstellung abdomineller Prozesse (Abb. 35.7-1,2)
626
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Operationen wegen akuter intraabdominaler Erkrankungen bei Akutem Abdomen: • Appendizitis: 35-50 % • mechan. Ileus: 10-25% • Cholezystitis: 10%
Faßt man die wegen akuter intraabdominaler Erkrankung operierten Patienten zusammen, entfallen 35-50 % auf die Appendizitis, 10-25 % auf den mechanischen Ileus und 10 % auf die Cholezystitis, in einem weiteren Drittel andere Ursachen.
Klinische Leitsymptome bei Akutem Abdomers
7.2 Symptome Die Klinik manifestiert sich in 2 Leitsymptomen: • Führendes Leitsymptom ist der Schmerz. Er kann schlagartig mit voller Intensität einsetzen, beginnend mäßiggradig sein und sich dann kontinuierlich steigern oder • nach heftigem Beginn im weiteren Verlauf abnehmen. Aus diesen charakteristischen Abläufen können verschiedenste Mischformen entstehen. • Zweites Leitsymptom sind Motilitätsstörungen des Gastrointestinaltraktes: Hyperperistaltik oder Darmparalyse erlauben Rückschlüsse auf die Ursachen. Schließlich mündet die Erkrankung häufig in einen Schockzustand, der krankheitsbedingt entsteht und durch heftige Schmerzen verstärkt werden kann.
1. Schmerz
7.2.1 Schmerz
viszeraler und somatischer Schmerz a) Viszeraler Schmerz
Der abdominale Schmerz wird über 2 Afferenzen zum ZNS geleitet: (1) Viszerale Schmerzafferenz: sympatische Fasern und unpaare Abdominalganglien (G. coeliacum, Gg. mesentericum superius et inferius) zum ZNS.
• viszerale Schmerzafferenz: viszerale = sympatische Nervenfasern
Organe und Peritoneum viscerale sind von viszeralen = symphatischen Nerven versorgt. Eine direkte sensible Nervenversorgung besteht nicht. So ist die Distension des Darms an sich nicht schmerzhaft und Korrekturoperationen an einem Dünnund Dickdarmstoma - sofern sie nur die Darmwand betreffen - lassen sich ohne Anästhetikum ausführen.
Ursache: Spasmen der glatten Muskulatur, lokale -» Gewebsazidose, Ödem und Entzündung Lokalisation und Zuordnung nicht möglich
Überschießende Kontraktionen der glatten Muskulatur (Krampf/Kolik), Ödem und Entzündung des viszeralen Peritoneum sowie eine lokale Azidose (Mesenterialarterienverschluß) führen zur Schmerzempfindung. Der viszerale Schmerz wird überwiegend in dem abdominalen Gebiet empfunden, das der embryonalen Anlage des Organs entspricht.
Prädilektionsstellen: organabhängig
Prädilektionsstellen viszeraler Schmerzen sind: • • • •
Projektion auf Head-Zonen und Ausstrahlung extraabdominaler Krankheitsursachen als Bauchschmerz durch Verbindungen viszeraler und somatischer Efferenzen im Rückenmark
Ösophagus: retrosternal-thorakal Magen/Duodenum/Pankreas/Gallenwege: Epigastrium Dünndarm, rechtes Kolon: periumbilikal linkes Kolon: Unterbauch
Eine eindeutige Lokalisation und selbst die Zuordnung des Schmerzes zu einer Körperseite ist meist nicht möglich. Der abdominal entstandene Schmerz wird oft auf Head-Zonen an der Körperoberfläche projiziert. Dieses Phänomen der „referred pain" läßt sich durch nervale Konnektionen von viszeralen und somatischen Efferenzen auf segmentaler Rückenmarksebene erklären. Beispiele: Gallenkoliken lösen nicht selten eine Schmerzempfindung über dem rechten Nierenlager oder in der rechten Schulter aus, ein penetrierendes präpylorisches Ulkus kann als Schmerz zwischen den Schulterblättern registriert werden.
viszeroviszerale Reflexe
Die nervalen Konnektionen erklären auch den umgekehrten Weg, über den extraperitoneale Erkrankungen (Angina pectoris, Pleuritis) Bauchschmerzen hervorrufen können. Auch viszeroviszerale Verbindungen sind möglich. Über nervale Reflexbahnen können sich Organsysteme gegenseitig beeinflussen. So führt die Harnleiterkolik zu einer Darmparalyse.
627
Akutes Abdomen Der Schmerzcharakter ist typischerweise dumpf, quälend, brennend, bohrend und wellenförmig. Charakteristisch ist auch die vegetative Begleitsymptomatik: Übelkeit, Erbrechen, Angstzustände, Unruhe, Tachykardie, Kaltschweißigkeit der Haut, Blässe etc. Nicht selten versucht der Patient durch ständigen Wechsel seiner Körperhaltung Schmerzerleichterung zu erzielen: „er windet sich". (2) Somatische Schmerzafferenz: Nn. intercostales —> N. phrenicus —> ZNS. Das Peritoneum parietale, die Schichten der Bauchwand und des Retroperitoneums wie auch das Mesenterium (bis zu 2 Zentimeter an den Darm heran) sind durch zerebrospinale = somatische Nervenfasern versorgt. Diese lösen den somatischen Schmerz aus. Ursächlich liegen mechanische Traumatisierung, Einklemmung, Entzündungen und chemische Reaktionen zugrunde. Der somatische Schmerz kann durch die Irritation des parietalen Peritoneum in der Nähe von entzündlichen Prozessen der Eingeweide fortgeleitet werden, bereits vor einer Entzündungsreaktion des Bauchfells: Druck-, Loslaß-, Erschütterungs- und „kontralateraler Loslaßschmerz" lassen sich so erklären. Wegen der unilateralen Innervierung ist die Seitenlokalisation im allgemeinen eindeutig. Der somatische Schmerzcharakter ist von gleichbleibender Intensität und Qualität (schneidend, scharf oder brennend). Er wird durch Anspannung der Bauchdecken verstärkt; der Patient stellt die Bauchdecken deshalb ruhig und nimmt eine Schonhaltung ein (Anziehen der Beine in Beugestellung). Ein reflektorischer Muskelspasmus bewirkt die Abwehrspannung. Der viszerale Schmerz geht der somatischen Schmerzempfindung zeitlich fast immer voraus.
• Schmerzcharakter: - dumpf, quälend, brennend - bohrend u. wellenförmig • vegetative Begleitsymptome: - Übelkeit, Erbrechen - Angstzustände, Unruhe - Tachykardie, Kaltschweißigkeit, Blässe b) Somatische Schmerzafferenz - somatische = zerebrospinale Nervenfasern • Ursache: - Trauma - Entzündung - chemische Reaktion
• Irritation des Peritoneum parietale führt zu: - Druckschmerz - Loslaßschmerz - Erschütterungsschmerz - kontralateralem Loslaßschmerz • Seitenlokalisation eindeutig • Schmerzcharakter: - gleichbleibende Intensität u. Qualität • viszeraler Schmerz zeitlich vor somatischem Schmerz
Beispiel: Dies ist am eindeutigsten bei der Schmerzentwicklung der akuten Appendizitis: Z u Beginn imponiert der dumpfe Schmerz im mittleren Epigastrium begleitet von Übelkeit und Erbrechen (viszerale Schmerzafferenz). Im weiteren Verlauf verlagern sich die Schmerzen und sind umschrieben im rechten Unterbauch lokalisierbar. Die Schmerzen werden bei Muskelanspannung und Erschütterung verstärkt (somatischer Schmerz).
- typisches Beispiel: akute Appendizitis
Schmerzvarianten. Klinisch lassen sich 4 Varianten eines Bauchschmerzes unterscheiden, wobei der initial-viszerale vom somatischen Schmerz gefolgt ist:
• 4 Varianten des Bauchschmerzes
(1) kontinuierlich zunehmender Schmerz bei Entzündungen: Appendizitis, Cholezystitis, Pankreatitis, Divertikulitis, Ulkuspenetration; (2) kolikartiger Schmerz mit schmerzfreien Intervallen: Gallenstein-, Uretersteinkolik, mechanischer Ileus; (3) Perforationsschmerz (perakuter Beginn, später zusätzlich Peritonitiszeichen); (4) der Darmischämieschmerz (perakuter Beginn, dann für Stunden relative Schmerzbesserung, später zusätzlich Peritonitis): Strangulation, Torsion oder Volvulus eines Darmabschnittes, Mesenterialinfarkt.
7.2.2 Motilitätsstörungen 7.2.2.1 Erbrechen
4 =
2. Motilitätsstörungen a) Erbrechen
Das Erbrechen kann reflektorisch und durch Überfüllung des Magens (Überlauferbrechen) ausgelöst werden. Reflektorisches Erbrechen: Das sensorische Brechzentrum liegt in der Medulla oblongata. Es wird durch Reize aktiviert: Intoxikation (z. B. Alkohol und andere Gifte), Hypoxie (bei schwerer Blutung oder pulmonaler Insuffizienz), Elektrolytentgleisung (Hyperkaliämie) und Azidose. Der vagovagale Reflex als vegetative Begleitsymptomatik gehört bei jeder Form des viszeralen Schmerzes zu den typischen Ursachen des „reflektorischen Erbrechens". Brechreiz und Würgen bestehen fort, auch wenn der Magen längst leer ist (Gallenkolik, akute Appendizitis).
reflektorisches Erbrechen: Aktivierung des sensorischen Brechzentrums in der Medulla oblongata Vagovagale Reflexe als Ursache vegetativer Begleitsymptomatik beim viszeralen Schmerz: typisch bei akuter Appendizitis und Gallenkoliken
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
628 • Überlauferbrechen: - Ursache: - voller M a g e n bei Passagebehinderung durch mechanische Obstruktion oder Darmparalyse hell, klar, sauer: Magenausgangstenose - gallig, klar: hoher Dünndarmileus - grünlich-braun, trüb, fäkulent: distaler Dünndarmileus • Miserere
Überlauferbrechen: Zum „Überlaufen" des Mageninhaltes kommt es, wenn entweder ein mechanisches Hindernis oder die fehlende Peristaltik den Transport des gastrointestinalen Inhalts verhindert. Aspekt und Geruch des Erbrochenen lassen Rückschlüsse auf die Erkrankung zu: Klarer oder sauer riechender Mageninhalt sprechen für eine Stenose proximal der Papilla Vateri (Pylorus, Bulbus duodeni), die hohe Dünndarmobstruktion führt zu galligem Erbrechen. Trübes, grünlich braunes und fäkulent riechendes Erbrechen ist Zeichen für eine Passagebehinderung im distalen Intestinal trakt (Obstruktion oder Paralyse): Miserere.
• Haematemesis - Blutungsquelle: Ösophagus, Magen, oberes D u o d e n u m - Magensäure führt zu Hämatinbildung (schwarz, kaffeesatzartig) • Blockierung des Erbrechens bei: - Ösophagusruptur - Magenperforation - nach Fundoplicatio
Bluterbrechen (= Haematemesis): Schwallartiges, hellrotes Bluterbrechen deutet auf eine Ösophagus- oder Fundusvarizenblutung hin. Auch bei einer Magenblutung kann das Blut hellrot sein, wenn die Magensäuresekretion medikamentös blockiert ist oder bei einer Massivblutung die Magensäuresekretion nicht ausreicht, um die Menge des Blutes schwarz zu färben (Hämatinbildung). Hämatinerbrechen spricht üblicherweise für eine Blutungsquelle im Magen oder proximalen Duodenum. Bei einigen Erkrankungen gibt es typischerweise kein Erbrechen; nach Ösophagusruptur (Boerhaave-Syndrom) und beim rupturierten Magen; bei freiperforiertem Magenulkus ist es sehr selten, ebenso nach Fundoplicatio.
Peristaltik
7.2.2.2 Peristaltik: Hypo- und Hyperperistaltik
a) Hypoperistaltik - ausgelöst durch viszeroviszerale Reflexe oder ischämische Darmwandnekrose • Diagnostik: - Auskultation - Sonographie
Eine Hypoperistaltik kann in eine komplette Darmparalyse münden. Sie wird meist indirekt durch viszeroviszerale Reflexe ausgelöst, kann aber auch durch eine ischämische Darmwandnekrose entstehen. Klinisch fällt ein verstärkter Meteorismus des Abdomen auf. Bei der Auskultation sind nur noch vereinzelte leise Darmgeräusche zu hören. Bei der Darmparalyse lassen sich keine Geräusche auskultieren. Bei manueller Kompression der Bauchdecken und anschließendem Loslassen ist das Schwappen des Darminhaltes hörbar. Es liegt ein paralytischer Ileus vor. Auch sonographisch läßt sich die Darmmotilität gut beurteilen: von der völligen Bewegungslosigkeit über die ungerichtete Pendelperistaltik bis hin zu Darmspasmen läßt sich die Motilität fast immer objektivieren. Wird die Hypoperistaltik, bzw. Darmparalyse reflektorisch durch extraabdominale Erkrankungen verursacht, fehlen der lokale Druckschmerz und die Bauchdekkenspannung (Peritonismus) wie sie zum Beispiel für die Peritonitis typisch sind.
Ursachen
=Ì>
b) Hyperperistaltik durch: • Durchfallerkrankungen
mechanische Hindernisse: Auskultation: kräftige, klingende Darmgeräusche bis zu spritzender Stenoseperistaltik, verbunden mit krampfartigen Bauchschmerzen und ggf. Miserere
Ursachen: • jede Reizung des Peritoneums: Blut, Gas, Magen-Darminhalt, diffuse Peritonitis; • Koliken der Gallen- und Harnwege; • retroperitoneale Krankheitsprozesse (Wirbelfrakturen, Hämatome, Pankreatitis); • frühpostoperativ als „physiologische Magen-Darm-Atonie", besonders nach intraabdominalen, aber auch nach retroperitonealen und selbst nach Thorax-Eingriffen. Die Hyperperistaltik ist durch eine Steigerung der Dünndarmmotilität definiert. 2 auslösende Mechanismen: (1) Durchfallerkrankungen, die durch einen viralen oder bakteriellen Magen-Darm-Infekt verursacht werden. Sie können zu heftigen, krampfartigen Bauchschmerzen, Fieber und Lymphadenitis führen. Zum Teil kommt es gleichzeitig zum Erbrechen. Ursachen sind meist Infektionskrankheiten durch Viren, Yersinien, Salmonellen (Typhus) (2) mechanische Hindernisse im Dünn- und Dickdarm (mechanischer Ileus). Charakteristisch sind die sehr kräftigen, teilweise krampfartigen Darmgeräusche, die oft ohne Stethoskop hörbar sind. Sie können klingend und plätschernd sein (Gemisch von Gas und Flüssigkeit im Darmlumen). Bei einer noch erhaltenen, restlichen Passage durch eine Stenose können spritzende Stenosegeräusche auskultiert werden.
Akutes Abdomen Für den Patienten ist die Hyperperistaltik meist mit erheblichen, teils krampfartigen Bauchschmerzen verbunden. Schließlich führt die Passagebehinderung zum Miserere. Die Hyperperistaltik kann durch Erschöpfung der Darmwandmuskulatur in eine Darmparalyse übergehen, auskultatorisch herrscht dann Totenstille. Durch manuelle Erschütterung des Bauchrauminhaltes können plätschernde Darmgeräusche provoziert werden. Folgende Ursachen können für einen mechanischen Ileus zugrunde liegen: Ursachen: (s. Kap. 35.5, S.602)
7.2.3 Schock (s. Kapitel 21, S. 129) 7.2.3.1 Volumenmangelschock
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Erschöpfung der Darmmuskulatur —> Darmparalyse Übergang in Totenstille im Abdomen
3. Schock
a) Volumenmangelschock
Der Volumenmangelschock kann durch Blutung oder Verschiebung des intravasalen Volumens in extravasale Kompartimente verursacht werden. Blutungsschock: Beim akuten Abdomen sind auslösende Faktoren die • gastrointestinale, intraluminale Blutung (Ösophagus-, Fundusvarizen, peptische Ulzera, Colitis ulcerosa, Tumoren) oder • intraperitoneale Blutung (stumpfes oder penetrierendes Bauchtrauma, Spontanrupturen bei Tumoren) (s. Kap. 44.2, S.889), rupturiertes Aortenaneurysma bei Blutungsdurchbruch in die Bauchhöhle.
abdominaler Blutungsschock intraluminal: gastrointestinale Blutung intraperitoneal: Trauma, Spontanruptur von Tumoren (z. B. Lebertumoren)
Hypovolämischer Schock ohne Blutung: Beim akuten Abdomen kann es zur Verschiebung (Sequestrierung) großer Flüssigkeitsmengen aus dem Intravasalraum in das Darmlumen, Retroperitoneum, die Abdominalhöhle oder in interstitielles Gewebe kommen. Dies führt zur arteriellen Drucksenkung, Tachykardie, Steigerung der Blutviskosität (Hämatokriterhöhung) und konsekutiv zur Senkung des HMV. In der Folge treten Mikrozirkulationsstörungen und eine meist erhebliche metabolische Azidose auf. Beim mechanischen Ileus können in 24 Stunden bis zu 141 Flüssigkeit in das Darmlumen verloren gehen, bei der hämorrhagisch-nekrotisierenden Pankreatitis bis zu 10 1 in den Retroperitonealraum und bei der Peritonitis bis zu 41 in die Bauchhöhle. Meist ist damit eine erhebliche Elektrolytverschiebung und ein ausgeprägter Eiweißverlust verbunden. Das erste Ziel der Intensivtherapie besteht in der Stabilisierung der Vitalfunktionen und der Verhinderung des irreversiblen Schocks. Sobald wie möglich muß dann die Krankheitsursache behandelt werden, da sonst eine definitive Beherrschung des Schocks nicht möglich ist.
hypovolämischer Schock ohne Blutung intravasaler Volumenmangel durch Verschiebung von Flüssigkeit in verschiedene extravasale Kompartimente begleitend: Imbalanzen von Elektrolyt-, Eiweiß-, und Säure-Basen-Haushalt,
• Schocktherapie: - Stabilisierung der Vitalfunktionen - Verhinderung eines irreversiblen Zustands
7.2.3.2 Septisch-toxischer Schock
b) Septisch-toxischer Schock
Ursachen sind die diffuse, eitrige Peritonitis und die hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis. Bakteriämie und Toxinämie führen zu einer erheblichen Steigerung des HMV durch Weitstellung der periphären Blutgefäße mit entsprechendem Druckabfall. AV-Shunts reduzieren die Sauerstoffsättigung im peripheren Gewebe. Wie bei allen Schockformen kann es zu Störungen der Blutgerinnung und sekundären Organinsuffizienzen (Lunge, Niere, Leber, Myokard) kommen. Entscheidend für die Beherrschung des Schockgeschehens ist einerseits die frühzeitige Herdsanierung. Die Letalität einer diffusen Peritonitis beträgt bei ausbleibender Herdsanierung nahezu 100 % (s. Kapitel 35.8, S. 637). Der Zeitfaktor spielt eine wesentliche Rolle.
- Bakteriämie und Toxinämie —> HMV T, sekundäre Organinsuffizienzen - „Herdsanierung" entscheidend für die Beherrschung des Krankheitsbildes; - Zeitverzug, Lebensalter der Patienten und Komorbidität führen zur Steigerung der Letalität
Beispiel: Bei einer Magenperforation geht die Latenzzeit zwischen Perforation und operativer Behandlung pro Stunde mit einer Letalitätssteigerung um ca. 2 % ein-
Die Prognose wird durch Lebensalter und Begleiterkrankungen mitbestimmt.
MikroZirkulationsstörungen
Ursachen: Ileus, Pankreatitis, Peritonitis
630
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Diagnostik bei Akutem Abdomen
7.3 Diagnostik, Differentialdiagnose
Schnelles Handeln ist oberstes Gebot! Deshalb nur wenig Zeit für die Diagnostik Einsatz standardisierter Dokumentationsprogramme können zur Steigerung der Effizienz von Diagnostik und Therapie beitragen ggf. explorative Laparotomie
Diagnostik. Das A k u t e A b d o m e n erfordert oft eine explorative Laparotomie ohne Zeitverzug, bei der die Diagnose gestellt wird. Vorteilhafter ist eine präoperative Diagnostik, sofern dies möglich ist. Grundsätzlich gilt: Je stabiler der Allgemeinzustand, um so mehr Zeit bleibt für die Diagnostik. Die eingesetzten Verfahren müssen einfach und schnell durchführbar, effizient und mit einer möglichst geringen zusätzlichen Belastung für den Patienten verbunden sein.
Anamnese
Wie, wann, unter welchen Umständen traten die Beschwerden auf? frühere Erkrankungen, Operationen Lebensgewohnheiten Stuhlgang, Miktion Periodenblutung, Schwangerschaft Fieber, Schüttelfrost Erbrechen, Gewichtsabnahme Medikamente
Klinische Untersuchung
7.3.1 Anamnese und Untersuchung Anamnese (s. Kap. 1, S.2). U m so zielgerichtet wie möglich untersuchen zu können, ist trotz des reduzierten Allgemeinzustandes des Patienten eine eingehende Anamneseerhebung von entscheidender Bedeutung. Dabei sollten auch Verwandte und Bekannte einbezogen werden: • Unter welchen Umständen kam es zu den Beschwerden, welche Erkrankungen, welche Operationen sind vorausgegangen? Welche Medikamente nimmt der Patient ein? Wie sind die Lebensgewohnheiten? Welche besonderen Umstände lagen zum Zeitpunkt des Krankheitsbeginns vor? Stuhlunregelmäßigkeiten, Probleme bei der Miktion, Erbrechen, wann war die letzte Periodenblutung? Fieber, evtl. Schüttelfrost? Gewichtsabnahme?
7.3.1.1 Klinische Untersuchung Bereits während der Befragung gewinnt der Untersucher einen klinischen Gesamteindruck seines Patienten. Ruhedyspnoe, Exsikkose, ikterische Hautverfärbung usw. fallen sofort auf. Die Untersuchung sollte nach einem prinzipiellen Schema und grundsätzlich von einem Erfahrenen durchgeführt werden. Inspektion im allgemeinen und des A b d o m e n s im besonderen sowie Palpation und Auskultation sind die Basis der klinischen Untersuchung.
lnspektion • Facies abdominalis • trockene Haut und Schleimhäute • Tachypnoe
• Pathognomonisch - Blutung: Blässe der Haut und der Konjunktiven, Leberhautzeichen, Tachykardie, Schock - Ulkusperforation: Kahnförmig eingefallene, brettharte Bauchdecke - Pankreatitis: Gesichtsrötung, Ikterus - Ileus: Darmsteifungen - Appendizitis: axillo-rektale Temperaturdifferenz > 1 ° - Cholezystitis/Cholangitis: besonders hohes Fieber, Ikterus - Mesenterialinfarkt: absolute Arrhythmie
• Temperatur • Arrhythmie, Tachykardie
Inspektion. Grundsätzlich bietet der Patient ein je nach Schweregrad des akuten A b d o m e n s ausgeprägtes Erscheinungsbild. Die typische Facies abdominalis enthält das eingefallene Gesicht mit perioraler Blässe, spröden Lippen und trockener Zunge. Die allgemeinen Krankheitszeichen bestehen meist in einer zusätzlichen Exsikkose der H a u t und schnellen, flachen Atemzügen. Bei fortgeschrittenem Schock können die Extremitäten livide verfärbt sein. Weitere Zeichen sind abhängig von der Krankheitsursache: • Eine deutliche Blässe der H a u t und besonders der Konjunktiven sind Hinweis auf eine Blutung. • Leberhautzeichen (Spider naevi, Behaarungstyp, Palmarerythem etc.) sind richtungweisend für eine Lebererkrankung. • Die kahnförmig eingefallene, brettharte Bauchdecke ist für die Ulkusperforation typisch. • Periorale Blässe und Rötung der Wangen, eventuell begleitet von einem flüchtigen Sklerenikterus geben Hinweise auf eine akute Pankreatitis. • Beim fortgeschrittenen Ileus können die distendierten Darmschlingen durch die Bauchdecken hindurch sichtbar sein (Darmsteifungen), ebenso bei inkarzerierten Hernien (Abb. 35.7-3). In dieser Phase der Untersuchung werden auch die Temperatur, die Pulsfrequenz und der Blutdruck gemessen. Die Temperaturmessung erfolgt beim akuten Abdomen immer axillär und rektal. Eine Temperaturdifferenz von > 1 ° spricht für eine lokalisierte, bakterielle Entzündung (z. B. Appendizitis). Besonders hohe Temperaturen werden bei der Cholezystitis und Cholangitis gemessen. Bei alten Patienten oder allgemeiner immunologischer Abwehrschwäche kann die Temperatur auch bei schweren intraabdominellen Entzündungen normal sein! Ein arrhythmischer Puls kann den Hinweis auf ein embolisches Geschehen in die Darmarterien signalisieren. Tachykardie und erniedrigter Blutdruck kennzeichnen die Schocksituation und weisen ggf. (nicht zwangsläufig) auf eine Blutung hin.
Akutes Abdomen
631
Palpation. Nachdem man sich die Stelle des größten Schmerzes zeigen läßt, beginnt man mit der Palpation der Bauchdecke an den vom Schmerzmittelpunkt entfernten Bereichen und bewegt sich tastend konzentrisch auf den Schmerzpunkt zu. Die vorsichtige Perkussion der Bauchdecke zeigt meist einen lokalen Peritonismus am deutlichsten. Bei der Untersuchung beschränkt man sich auf das Notwendigste: • Bruchlücken: Beim Ileus ist auf das Vorliegen einer Bauchwandhernie auch in den Leisten- und Schenkelpforten zu achten (s. Abb. 35.7-3). Dazu muß besonders bei adipösen Patienten sehr sorgfältig untersucht werden. Eine inkarzerierte Hernie darf nie gewaltsam reponiert werden. Der inkarzerierte Darm- oder Netzanteil könnte bereits irreversibel durchblutungsgestört sein! • Bewertung der Abwehrspannung, des Druck- und Loslaßschmerzes (auch kontralateral) als Hinweis auf eine lokale bzw. diffuse Peritonitis (s. Abb. 35.7-1, 2: topographische Differentialdiagnose). Bei schlaffer Bauchwand (postpartal, erhebliche Gewichtsabnahme) und bei septisch-toxischem Schock kann auch im Fall einer schweren Peritonitis die klassische Abwehrspannung fehlen. • Peritonismus (= Druckschmerz und Abwehrspannung) weist auf eine Irritation des Peritoneums hin. • Die Provokation des Erschütterungsschmerzes kann durch Aufforderung zum Husten ausgelöst werden. • Die bimanuelle Palpation wird zum Nachweis von intraabdominellen Resistenzen eingesetzt: Tumoren, Gallenblasenhydrops bzw. -empyem, Splenomegalie, Größe, Konsistenz und Oberfläche der Leber, abdominale Aortenaneurysmen (pulsierender Tumor, Abb. 35.7-4). • Mit der Perkussion werden Aszites, intraabdominales Blut, die Harnblasenfüllung und Meteorismus bewertet. • Praxishinweis: Die rektale digitale Untersuchung ist beim akuten Abdomen obligat.
Palpation • Beschränkung auf das Notwendigste: - von peripher auf das Schmerzzentrum hintasten - vorsichtige Perkussion für Lokalisation sinnvoll • -
Palpationskriterien: Bruchlücken Bewertung der Abwehrspannung Peritonismus = Druckschmerz und Abwehrspannung, Erschütterungsschmerz bimanuelle Palpation Perkussion -> Organvergrößerungen, Aszites rektale digitale Untersuchung pulsierender Tumor im Epigastrium Aortenaneurysma Nierenlager
- rektale digitale Untersuchung
Ein klaffender M.spincter externus ebenso wie ein druckschmerzhafter Douglas-Raum weisen auf eitrig-entzündliche Unterbauchprozesse hin. Tiefsitzende Rektumkarzinome können getastet werden. Blut am Finger kann Hinweis auf einen Tumor, eine mesenteriale Ischämie, eine Invagination oder Kolitis sein. Teerstuhl läßt eine obere gastrointestinale Blutung erkennen. • Ein pulsierender Tumor im Epigastrium (!) wird beim infrarenalen Aortenaneurysma getastet. • Schließlich werden die Nierenlager auf Druck- und Klopfschmerz hin untersucht (Blutung, Pyelonephritis, paranephritischer Abszeß).
Abb.35.7-3: Stark vorgewölbte Leistenhernie rechts mit Einklemmung Abb. 35.7-4: Großes, die Bauchdecken vorwölbendes symptomatisches Bauchaortenaneurysma Abb.35.7-5: Subhepatischer Abszeß im Sonogramm (Pfeile)
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Auskultation s. S.3 Darmperistaltik, Gefäßgeräusche
Auskultation. Beschreibung s. Kapitel 1, S.3. Die Auskultation dient der Einschätzung der Darmperistaltik und der Entdeckung intraabdomineller Gefäßgeräusche: Aorten-, Aneurysma der Eingeweidearterien, stenosierende arteriosklerotische Prozesse der Viszeralarterien (Angina abdominalis).
Sonographie
7.3.1.2 Sonographie, Labor, Röntgen
• gehört zu jeder Untersuchung beim akuten Abdomen: • Beurteilung von: - intraabdominelle Flüssigkeit - Leber, Milz, Gallenblase u n d - w e g e - Darmperistaltik und -wand - Retroperitoneum, Bauchdecke • Entdeckung/Ausschluß - Blutung, Ruptur, Entzündung - Abszesse, Steine, Tumoren, Aortenaneurysma
Die Sonographie gehört heute zu jeder klinischen Untersuchung. Freie Flüssigkeit im Abdomen wird mit hoher Treffsicherheit diagnostiziert. Die Qualität des intraabdominellen Sekrets ist durch Feinnadelpunktion unter sonographischer Führung zu eruieren. Blut, Eiter, Galle oder Dünndarminhalt lassen sich bereits makroskopisch differenzieren. Im Zweifel kann das gewonnene Sekret weiteren Laboruntersuchungen zugeführt werden (Amylase, Bilirubin, Leukozyten). Darmmotilität (s. S.608). Leber- und Milzrupturen können ebenso wie die akute Pankreatitis mit relativ hoher Treffsicherheit erkannt werden. Das gleiche gilt für Bauchdecken- oder retroperitoneale Hämatome (spontanes Rektusscheidenhämatom, rupturiertes Aorten- oder Iliakaaneurysma). Die Beurteilung der Gallenblase (Steine, Entzündung, Empyem) und der Leber (Metastasen, Abszesse) sowie die Entdeckung von Abdominalabszessen (perityphlitisch, subphrenisch oder subhepatisch) (Abb. 35.7-5) gelingt in den meisten Fällen.
• Treffsicherheit
Laboruntersuchungen weniger wertvoll für die Diagnosesicherung, hauptsächliche Bedeutung für Operationsvorbereitung und Intensivtherapie • -
Standarduntersuchung: Blutbild Elektrolyte Glukose, Kreatinin a-Amylase, Lipase Quick, PTT Urinstatus Blutgruppe
Röntgenuntersuchungen
Thorax - Pneumonie, Pleuraerguß - Zwerchfellhochstand,-ruptur - Herzfigur, Mediastinalverbreiterung - subdiaphragmale Luftsichel bei freier Perforation Abdomenleeraufnahme • freie Luft -> Perforation • Aerobilie -> biliodigestive Fistel, Gallensteinileus • Darmspiegel Ileus • Kalkschatten —> Konkremente, chronische Pankreatitis • retroperitoneale Gasbildung Perforation eines retroperitonealen Darmabschnitts Fakultative Untersuchungen: • CT mit i.v. Kontrastmittelgabe - Pankreatitis - Aneurysmen - retroperitoneale Raumforderungen
Die Treffsicherheit von Inspektion, Palpation, Auskultation und Sonographie beim Akuten Abdomen beträgt > 75 %! Laboruntersuchungen (Normalwerte s. Kap. 50) tragen nur im Einzelfall zur Operationsindikation bei. Ihre größere Bedeutung liegt in der Operationsvorbereitung und ggf. Schockbehandlung: Volumenersatz, Ausgleich von Elektrolytimbalanzen und von Störungen des Säure-Basen-Haushaltes. Zu den Standarduntersuchungen gehören: Blutbild, Elektrolyte, Glukose, Kreatinin, a-Amylase und Lipase im Serum, Quick und PTT, Blutgruppe, Urinstatus. Gezielte Untersuchungen sind: Blutgasanalyse (arterielle Punktion), Lactat, GOT, AP, Y-GT, Bilirubin, LDH, CK (ggf. CKMB), Harnstoff, Thrombozyten und Differentialblutbild. Die Bereitstellung von Blutkonserven und Gefrierplasma (FFP) richten sich nach Art und Größe des Eingriffs sowie vorbestehenden Gerinnungsstörungen. Röntgenuntersuchungen. Die Untersuchung des Thorax und die Abdomenleeraufnahme sollten immer durchgeführt werden (obligat). Alle weiteren Untersuchungen sind fakultativ mit gezielter Fragestellung einzusetzen. • Die Röntgenuntersuchung des Thorax wird möglichst im Stehen oder Sitzen in 2 Ebenen angefertigt. Pneumonie, Pleuraerguß (linksseitig charakteristisch bei Pankreatitis), Zwerchfellhochstand (subphrenischer Abszeß, Abb. 35.7-6), Luftsicheln unter den Zwerchfellen (freie Perforation; in einem Drittel aller Perforationen zunächst nicht vorhanden), Zwerchfellruptur (Aufhebung der Zwerchfellkontur, Abb. 35.7-7), Mediastinalverbreiterung (Aortendissektion, Blutung), Herzfigur. • Abdomenleeraufnahme in Linksseitenlage oder im Stehen (selten möglich): freie Luft in der Bauchhöhle, Luft in den Gallenwegen = Aerobilie (biliodigestive Fistel, Gallensteinileus), Dünn- und Dickdarmspiegel (Gas über horizontal gestellten Flüssigkeitsmengen = „stehende Schlingen") bei Ileus, Kalkschatten (Gallen-, Nierenbecken- und Harnleitersteine, chronisch-kalzifizierende Pankreatitis), retroperitoneale Gasbildung (Phlegmone mit gasbildenden Bakterien, retroperitoneale Perforation von Duodenum, Colon ascendens, -descendens oder Rektum) Fakultativ sind: • CT: Bei akuter Pankreatitis zum Nachweis von Parenchymnekrosen (i.v.-Kontrastmittel!), Darstellung eines Aorten- oder Beckenarterienaneurysmas, bzw. einer Dissektion (i.v.-Kontrastmittel), retroperitoneale Raumforderungen (Blutung, Tumoren, Abszesse ggf. Senkungsabszesse), Pankreasruptur;
Akutes Abdomen
Abb.35.7-6: Röntgenaufnahme vom Thorax (seitlich). Darstellung einer breiten Luftsichel unterhalb des Zwerchfells als Hinweis auf einen subphrenischen Abszeß (Pfeile)
633
Abb.35.7-7: Traumatische Zwerchfellruptur links mit basaler Verschattung und prolabierter, luftgefüllter Darmschlinge
• Kolonkontrasteinlauf oder MDP mit wasserlöslichem Kontrastmittel bei Verdacht auf Sigmadivertikulitis mit/ohne Perforation (Abb. 35.7-8), Magenausgangs-, Dünnund Dickdarmstenose, Kontrastmittelpassage beim Ileus. Die orale Gabe des wasserlöslichen Kontrastmittels hat zum Teil auch eine therapeutische Wirkung durch Anregung der Darmperistaltik;
Abb.35.7-8: Kolonkontrasteinlauf mit Gastrografin. Divertikelperforation im Sigma mit Kontrastmittelaustritt (Pfeile)
• Kolonkontrasteinlauf/MDP mit wasserlöslichem Kontrastmittel! - Divertikulitis (Abb. 35.7-8) - Magenausgang-, Darmstenose, Ileus
Praxishinweis: Bei intravasalem Volumenmangel und Elektrolytverschiebungen ist die Röntgen-MDP mit wasserlöslichen Kontrastmitteln wegen des zusätzlichen Volumenentzuges aus dem Intravasalraum kontraindiziert! Obsolet ist auch die Untersuchung mit bariumhaltigen Kontrastmitteln: Eine Perforation ist nie ausgeschlossen und die Bariumperitonitis lebensgefährlich. • Angiographie: Nachweis/Ausschluß eines Mesenterialarterienverschlusses, unklarer Blutungsquellen im Darm (zur extravasalen Kontrastmittelanreicherung ist ca. 1 ml Blutaustritt/min notwendig), Ausschluß/Nachweis einer Aortendissektion, von Aneurysmen etc.; • Urologische Röntgendiagnostik: retrogrades Zystogramm (Verdacht auf Harnblasenruptur) retrogrades Pyeloureterogramm, Urethrographie (Harnröhrenverletzung), i.v.-Urogramm (bei pathologischen Kreatininwerten kontraindiziert).
• Angiographie: - Mesenterialarterienverschluß - Lokalisation massiver Darmblutungen
7.3.1.3 Sonstige Untersuchungen
Sonstige Untersuchungen
Die höchste Priorität haben: Magensonde, wird nasal eingeführt. Die Position kann durch Auskultation im mittleren Epigastrium überprüft werden:
• nasale Einführung einer Magensonde:
• urologische Röntgendiagnostik
Bei Luftinsufflation über die liegende Sonde muß die Einleitung der Gasblasen hörbar sein. Im Zweifelsfall kann die korrekte Lage durch Röntgenleeraufnahme überprüft werden.
Mit der Magensonde werden 2 Ziele verfolgt: Diagnostisch werden Menge und Qualität des Mageninhalts beurteilt: Blut, Hämatin, Dünndarminhalt. Therapeutisch wird durch Ableitung des Magensekrets das Erbrechen und damit die Aspiration verhindert, der Magen kann gespült werden. Darmrohr, ggf. Schwenkeinlauf: Damit kann die anhaltende Blutung oder eine partielle Schleimhautabstoßung des Darms (ischämische Kolitis, Mesenterialinfarkt) diagnostiziert werden. Entscheidender ist die therapeuti-
- diagnostisch: Beurteilung von Menge und Qualität des Mageninhalts - therapeutisch: Entlastung des Magens und Dünndarms, Aspirationsprophylaxe, Magenspülung • Darmrohr und Schwenkeinlauf - diagnostisch: anhaltende Blutung, Schleimhautabstoßung
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
- therapeutisch: Anregung der Darmtätigkeit
• EKG - bei allen Patienten über 50 Jahre Weitere M a ß n a h m e n in Abhängigkeit von der Situation • Notfallendoskopie - diagnostisch: Blutungsquelle und -aktivität - therapeutisch: Blutstillung
sehe Wirkung (Anregung der Darmtätigkeit, Forcierung der Darmentleerung bei gastrointestinaler Blutung). Praxishinweis: Der Einlauf ist bei vermuteter kolorektaler Perforation kontraindiziert. EKG: bei über 50jährigen, kardiopulmonaler Vorerkrankung (Ausschluß einer koronaren Durchblutungsstörung oder eines Herzinfarktes. Je nach Situation kommen weitere Maßnahmen zum Einsatz: Notfallendoskopie (Ösophagus/Magen/Duodenum oder Kolon): Besonders bei der akuten oberen Gastrointestinalblutung ist die Ösophagogastroduodenoskopie obligat. Sie dient nicht nur der Lokalisation und der Beurteilung der Blutungsaktivität sondern auch der gleichzeitigen Blutstillung. Dies kann durch gezielte, submuköse Injektion von geeigneten Substanzen in Ösophagus, Magen oder Duodenum erreicht werden. Nach erfolgreicher Blutstillung ist in der Regel die Kontrollendoskopie nach spätestens 24 Stunden indiziert. Die Lokalisation einer Kolonblutung ist meist erst nach orthograder Darmlavage möglich und gelingt nicht mit vergleichbarer Treffsicherheit wie im Ösophagus, Magen und Duodenum. Die rektale Blutung wird am besten mit dem starren Rektoskop lokalisiert und anschließend peranal gestillt (Gummibandsaugligatur, Sklerosierung, Umstechung).
Peritoneallavage selten indiziert, durch Sonographie verdrängt
Die Peritoneallavage ist nach Etablierung der Sonographie heute nur noch in Ausnahmefällen angezeigt. Sie dient der Diagnostik intraabdomineller Blutungen (Milz, Leberruptur).
Laparoskopie: diagnostisch: unklarer Bauchschmerz, Trauma therapeutisch: Appendektomie, Cholezystektomie, Zwerchfellruptur, frische Ulkusperforation
Laparoskopie: fester Stellenwert bei unklaren Bauchschmerzen und mit Einschränkungen auch beim stumpfen und penetrierenden Bauchtrauma. Bei entsprechender Indikation kann die Operation ebenfalls laparoskopisch durchgeführt werden (Appendektomie, Cholezystektomie, Übernähung einer Zwerchfellruptur, evtl. auch einer frischen Ulkusperforation). Bei der diffusen Peritonitis ist das Umsteigen zu einer konventionellen, explorativen Laparotomie absolut indiziert.
Konsiliaruntersuchungen: bes. durch Internisten, Gynäkologen und Urologen
Konsiliaruntersuchungen: Gynäkologe, Pädiater, Urologe, Neurologe, Internist u. a.
Differentialdiagnose
7.3.1.4 Differentialdiagnose
• unnötige Laparotomien vermeiden!
Wie in der Übersicht auf Seite 624 und 625 dargestellt, kann das Akute Abdomen durch eine Vielzahl von Erkrankungen verursacht werden, die entweder nicht operationspflichtig und/oder extraperitoneal lokalisiert sind. Eine, den Patienten belastende, unnötige Laparotomie muß vermieden werden. Jede Operation beim akuten Herzinfarkt ist mit einem sehr hohen Risiko verbunden! Aber auch andere Erkrankungen (z.B. akute hepatische Porphyrie, basale Pleuropneumonie, Ogilvie-Syndrom beim alten oder neurologisch kranken Patienten) sollten möglichst nicht erst nach einer frustranen, explorativen Laparotomie diagnostiziert werden. Hinsichtlich der jeweiligen klinischen, laborchemischen und apparativen Differentialdiagnostik wird auf die entsprechenden Lehrbücher verwiesen.
Andererseits gilt beim Akuten Abdomen: Im Zweifelsfall ist die Laparotomie nach zügiger Optimierung des Gesamtzustandes ohne Zeitverlust durchzuführen.
7.4 Akutes A b d o m e n des Kindes und der Schwangeren Besonderheiten beim akuten A b d o m e n des Kindes - erfahrener Untersucher - Einbeziehung der Eltern - Geduld
7.4.1 Akutes Abdomen des Kindes Die Beurteilung und Ursachenforschung eines Akuten Abdomens erfordert besonders beim Kleinkind einen erfahrenen Untersucher (s. Kap. 41, S.818). Erst etwa ab dem Schulalter kann man mit relativ zutreffenden Angaben zur Krankheitsentstehung und zur Schmerzlokalisation rechnen. Von
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Akutes A b d o m e n Kleinkindern werden die Schmerzen, unabhängig von der Lokalisation des Herdes, fast immer in der Nabelgegend angegeben. Die Anamnese wird von den Eltern erfragt. Ursachen. Grundsätzlich können alle Erkrankungen des Erwachsenenalters auch bei Kindern auftreten. Dies gilt auch für maligne Tumoren.
• häufigste Ursachen:
Die Häufigkeit stellt sich allerdings völlig anders dar. Während bösartige Neoplasien ausgesprochen selten sind, bilden die Appendizitis und der Ileus die häufigsten Ursachen. Daneben bestehen einige, für das Alter charakteristische Erkrankungen: • Imagination von Dünndarm und der Ileozökalregion, Volvulus, Megakolon, Malrotation. • Bauchwandhernien führen nur bei Inkarzeration zum Akuten Abdomen. Eine lebensgefährliche Situation sind Zwerchfellbrüche des Neugeborenen, da es zur Verdrängung der Thoraxorganen durch den Prolaps von Baucheingeweiden kommt. • Das Bauchtrauma ist meist auf Spiel- Sport- oder Verkehrsunfälle zurückzuführen. Bei Rupturen parenchymatöser Organe (Leber, Milz) kommt es häufiger als beim Erwachsenen zum spontanen Blutungsstillstand. Bei konservativer Therapie ist eine subtile, klinische Überwachung (Kreislaufmonitoring, Labor, Sonographie) auf der Intensivstation erforderlich. Wenn Milzrupturen operativ versorgt werden, dann möglichst immer organerhaltend (s. Kap. 36., S. 722) Die Untersuchung ist erschwert: Abwehrreaktionen des unruhigen Kindes erlauben eine sorgfältige Palpation der Bauchdecken oft erst nach wiederholten Anläufen. Die Auskultation kann dabei zusätzlich durch Schreien beeinträchtigt werden. Auch hier führen die Einbeziehung der Eltern und ein einfühlsames, geduldiges Vorgehen bei der Untersuchung am ehesten zum Ziel. Häufig liegen dem Bauchschmerz extraabdominale Krankheiten zugrunde (Pneumonie, Racheninfekte). Praxishinweis. 2 Besonderheiten beim Kind: • Entzündungen breiten sich schneller aus und zeigen eine geringere Tendenz zur lokalen Abgrenzung. • Der septisch-toxische Schock tritt schneller, ohne Vorwarnzeichen ein, besonders bei der diffusen Peritonitis (apathisches, „sehr krankes Kind"). Deshalb sind die Frühdiagnose und rasche Laparotomie besonders wichtig.
7.4.2 A k u t e s A b d o m e n der S c h w a n g e r e n Auch während einer Schwangerschaft können die in Kap. 7.1 aufgelisteten Erkrankungen zu einem Akuten Abdomen führen. Diagnostische Grundsätze sind: • Gynäkologische Anamnese: Menarche, Periodenblutung, letzte Menstruation, Schwangerschaften, Aborte, gynäkologische Vorerkrankungen • Schwangerschaftstest: Ausschluß einer pathologischen (Früh-) Schwangerschaft • kein Röntgen, besonders im ersten Trimenon, (Ausnahme: vitale Indikation) • Gynäkologen konsiliarisch hinzuziehen Differentialdiagnose. Besondere Probleme bereitet die Differentialdiagnose zwischen akuter Appendizitis und Adnexitis. Während erstere in der Regel operiert wird ist die Therapie bei der Adnexitis konservativ.
daneben charakteristisch: Invagination, Volvulus Megakolon, Malrotation Bauchwand- und Zwerchfellhernien Bauchtrauma
Milzruptur: konservativ oder milzerhaltende Operation
• Untersuchung erschwert - Abwehrreaktionen des Kindes
• extraabdominale Ursachen häufiger als beim Erwachsenen 2 Charakteristika für das akute Abdomen beim Kleinkind • Entzündungen breiten sich schneller aus • septischer Schock tritt schneller auf
Besonderheiten beim Akuten Abdomen in der Schwangerschaft
4=
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35. C h i r u r g i e d e s Verdauungstraktes
Differentialdiagnose: - Extrauteringravidität (EU) - Tubenruptur, Tubarabort - stielgedrehter Ovarialtumor - vorzeitige Wehen - Uterusruptur - intrauterine Blutungen - Nierenkoliken
In der Frühschwangerschaft sind zu beachten: • Extrauteringravidität (EU), Tubenruptur, Hibarabort, • Uterusruptur, Ovarialzystenruptur, stielgedrehter Ovarialtumor. In der Spätschwangerschaft müssen einsetzende Uteruskontraktionen (auch vor dem Geburtstermin) ausgeschlossen werden. Weitere Charakteristika sind: • Durch die Vergrößerung des Uterus ist die Palpation von intraabdominalen Resistenzen erschwert bis unmöglich. Die Dilatation der Bauchdecke läßt eine typische Abwehrspannung oft nicht zu. • Der große Uterus verdrängt das Zökum nach rechts lateral kranial. Der Druckschmerz bei der akuten Appendizitis ist daher in den rechten Mittel- bis Oberbauch verlagert!; • Nierenkoliken bei Harnleiterkompression und Uterusruptur; • Intrauterine Blutungen bei vorzeitiger Plazentalösung etc. Praxishinweis. Der Schmerz bei akuter Appendizitis wird in der fortgeschrittenen Schwangerschaft im rechten Mittel- bis Oberbauch lokalisiert. Posttraumatisches Akutes Abdomen (s. Kap. 44.2, S.896)
Präoperativ-therapeutische Maßnahmen
7.5 P r ä o p e r a t i v - t h e r a p e u t i s c h e
Grundsatz: Schnelle Entscheidung für die richtige Behandlungsmaßnahme
Der Schlüssel für die erfolgreiche Therapie des Akuten Abdomens ist die rasche Entscheidung für die richtige Behandlungsmaßnahme. Unabhängig von der Indikation zur Operation wird mit der konservativen Therapie begonnen. Ziel der präoperativen Behandlung ist die Verbesserung des Allgemeinzustandes. Noch während der laufenden Untersuchungen wird der Anästhesist in die Vorbereitungen eingebunden. Art und Ausmaß der Operationsvorbereitungen sind abhängig von der Schwere des Krankheitsbildes. Jede Stunde führt zu einer drastischen Prognoseverschlechterung.
• rechtzeitige Zuziehung des Anästhesisten
Therapiemaßnahmen/Operationsvorbereitung 0
Maßnahmen
Operationsvorbereitung • ZVK, PVK. Venöser Zugang über peripheren (PVK) und zentralvenösen Katheter. (ZVK, Vv.jugularis interna sive subclavia). Darüber können Blutabnahmen für die Laboruntersuchungen erfolgen und die Infusionstherapie. • ZVD, zentralvenöser Druck: Kontrolle des intravasalen Volumens vor und während der Infusion. • Medikamente. Die i. v. Zufuhr ist wegen der besseren Steuerbarkeit vorzuziehen. • Maske, Nasensonde. Die Anreicherung der Atemluft mit Sauerstoff ist bei Blutungen, Lungen- oder koronaren Herzerkrankungen notwendig, ggf. Intubation mit maschineller Beatmung. • Pulmonaliskatheter, insbesondere beim septisch-toxischen Schock oder bei begleitenden, gravierenden kardiopulmonalen Insuffizienzen. • Harnblasenkatheter, exakte Bilanzierung der Volumensubstitution, Rückschlüsse auf die Nierenfunktion bei Hypoxie, Sepsis, Hypovolämie. • Nasogastrische Sonde, Ableitung des Mageninhalts. Dadurch werden nicht nur Rückschlüsse auf die Art der Erkrankung ermöglicht (s. S. 633). Als Aspirationsprophylaxe sollte die Magensonde bereits vor der Narkoseeinleitung gelegt sein. Schließlich geben Menge und Art des Refluxes während der Therapie Informationen zur Beherrschung einer Blutung, zur Magen-Darm-Passage.
637
Peritonitis, intraabdominale Abszesse
8. Peritonitis, intraabdominale Abszesse
Peritonitis
J. R. Izbicki, C. Blöchle 8.1 Peritonitis Die Peritonitis ist eine durch Mikroorganismen (ca. 95 % der Fälle) meist Bakterien oder Pilze, chemisch-toxische Noxen, radiogen oder durch Peritonealkarzinose bedingte Entzündung des Peritoneums, die entweder lokal begrenzt ist oder diffus das gesamte Bauchfell einbeziehen kann. Der akute Verlauf ist typisch, es gibt aber in Abhängigkeit von der Pathogenese auch chronische Peritonitiden. Nach der Ursache werden primäre von sekundären Peritonitiden unterschieden. Unter dem Begriff der Peritonitiskrankheit werden sekundäre, oft vital bedrohliche Schädigungen anderer Organsysteme, bis hin zum Multiorganversagen im Sinne einer Sepsis zusammengefaßt. Die frühe postoperative Peritonitis entsteht durch Kontamination des Operationsgebietes, Nahtbruch oder Durchwanderung von Keimen und gilt als eine der am meisten gefürchteten Komplikationen der Abdominalchirurgie.
= diffuse oder lokalisierte Entzündung des Bauchfells: meist bakteriell induziert mit akutem Verlauf
Peritonitiskrankheit - » Folgeerscheinung der Peritonitis mit sekundärer, vital bedrohlicher Schädigungen anderer Organsysteme bis zum Multiorganversagen Sonderform:
diagnostische Herausforderung: - laviertes klinisches Beschwerdebild - absolute (Tachy-)Arrhythmie - teigige Konsistenz der Bauchdecken - diffuse Bauchschmerzen - zunächst nur diskreter Peritonismus - Darmparalyse, Elektrolytentgleisungen Doppler-Sonographie der Abdominalgefäße
Mesenterialinfarkt. Eine besondere diagnostische Herausforderung stellt die Peritonitis bei Mesenterialinfarkt dar. Bei laviertem klinischen Beschwerdebild müssen eine absolute (Tachy-)Arrhythmie, teigige Konsistenz der Bauchdecken und diffuse Bauchschmerzen bei zunächst nur diskretem Peritonismus die Aufmerksamkeit auf dieses lebensbedrohliche Krankheitsbild lenken. Darmparalyse und Elektrolytentgleisungen sind weitere Hinweise auf die fortschreitende Peritonitis.
Zügige Diagnostik, kein Zeitverlust!
Bei Verdacht auf einen Mesenterialinfarkt ist eventuell die Untersuchung der großen abdominellen Gefäße mittels Doppler-Sonographie hilfreich, während eine Angiographie heute aus Zeitgründen nur noch von untergeordneter Bedeutung ist.
Das diagnostische Programm ist in möglichst kurzer Zeit zu bewältigen, da mit jeder Stunde Verzögerung Ausdehnung und Schweregrad der Peritonitis, besonders bei Mesenterialinfarkt, zunehmen und die Letalität ansteigt. In Zweifelsfällen ist eher eine a posteri unnötige Laparotomie durchzuführen, als einmal zu wenig oder zu spät operativ zu intervenieren.
Differentialdiagnosen: - Myokardinfarkt, Pneumonie, Lungenembolie - Pseudoperitonitis diabetica
Differentialdiagnostisch ist ein Myokardinfarkt, eine Lungenembolie, eine Pneumonie und eine Pseudoperitonitis diabetica auszuschließen, die sich auch einmal mit dem abdominalen Beschwerdebild einer Peritonitis präsentieren können.
Therapieprinzipien
8.1.4 Richtlinien für die Therapie, Prognose
• Ausschaltung der Peritonitis-Ursache • Therapie assoziierter Komplikationen
Die Prinzipien der Peritonitisbehandlung sind die Ausschaltung der Ursache und die Therapie der Komplikationen.
Konservative Therapie
8.1.4.1 Konservative und begleitende nichtoperative Therapie
primäre Pentonitiden Gezielte Antibiose nach Antibiogramm
Konservative Behandlung. Bei den primären Peritonitiden (z.B. Pneumokokken-, Streptokokken- oder Gonokokken-Peritonitis, gynäkologische Unterbauchperitonitis) ist eine nach Möglichkeit gezielte, d. h. an dem Er-
Peritonitis, intraabdominale Abszesse
643
gebnis des Erregernachweises und des entsprechenden Antibiogramms ausgerichtete, kausale Antibiose angezeigt. Die begleitende nicht operative Behandlung umfaßt: • Monitoring der Vitalfunktionen: Urinausscheidung, Herzfrequenz, Blutdruck, ZVD, Temperatur, kapilläre Sauerstoffsättigung • nasale Sauerstoffinsufflation (cave Verminderung des zentralen Atemantriebes bei Hyperoxygenierung) • Fiebersenkung (physikalisch oder medikamentös), Analgesie • Streßulkus-Prophylaxe, Entlastung des Gastrointestinaltraktes über eine Magensonde • Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes bzw. parenterale Ernährung über zentralen Venenkatheter • Prophylaxe venöser Thrombosen mit Heparin, evtl. abführende Maßnahmen.
Begleitende nichtoperative Therapie Beginn bereits während der Diagnostik zur Stabilisierung und Verbesserung des Patienten
Die Maßnahmen sind bereits parallel zur Diagnostik einzuleiten, um ggf. die präoperative Stabilisierung oder Verbesserung des Patienten zu gewährleisten und der Ausbildung eines septischen Schocks entgegenzuwirken. Die intensivmedizinische Therapie umfaßt zusätzlich die hochkalorische parenterale Ernährung mit Substitution von Spurenelementen und Vitaminen, die Früherfassung und Behandlung von Komplikationen wie z.B. der Substitutionstherapie bei Verbrauchskoagulopathie, maschineller Beatmung bei pulmonaler Funktionsstörung, Dialyse bei Nierenversagen, sowie Katecholamingabe und Volumensubstitution bei hyperdynamer Hypotension.
Eine besondere Bedeutung kommt der Behandlung des peritonitisassoziierten paralytischen Ileus zu (s. Kap. 35.5, S. 603).
8.1.4.2 Operative Therapie
Intensivmedizinische Therapie zusätzlich: - hochkalorische parenterale Ernährung - Substitution der Spurenelemente und Vitamine, - Früherfassung und Behandlung von Komplikationen (DIC, pulmonale oder renale Dekompensation, Schock)
Operative Therapie
Eine Operation ist bei > 95 % aller Peritonitiden primär indiziert und steht daher im Mittelpunkt der Behandlung. Sie wird durch die oben beschriebenen Maßnahmen ergänzt. Ziele des chirurgischen Eingriffs sind: • die Beseitigung der Ursache durch klassische operative Techniken: Übernähung, Resektion, Vorverlagerung des Darmes (Anus praeter terminalis) • die Entfernung des septisch-toxisch wirkenden, kontaminierten Sekretes aus der Bauchhöhle durch Ausräumung, Reinigung und Drainage einer lokalisierten Abszeßformation, sowie durch Spülung der Bauchhöhle mit physiologischer Kochsalzlösung, evtl. mit Zusatz antiseptisch-antitoxisch wirksamer Substanzen bei diffuser Peritonitis (Abb. 35.8-2).
Ziele: • Beseitigung der Ursache • Entfernung des kontaminierten Sekretes Spülen (Tab.35.8-1) • Vorbeugung von Komplikationen
Dabei spielt die Reduktion der Keimanzahl und der Konzentration toxischer Mediatoren, sowie die Lösung von etwaigen Fibrinbelägen eine entscheidende Rolle. Eine vollständige Keimfreiheit ist nicht erreichbar. Da das Bakterienwachstum einer logarithmischen Funktion folgt, wird nach einigen Stunden erneut eine kritische Keimanzahl erreicht, so daß bei schweren Peritonitiden wiederholte Spülungen erforderlich sein können.
• Spülstrategien zur Verminderung der Keimzahl - kontinuierlich geschlossene Spülung - offene Dauerspülung - Etappenlavage (s. Tab. 35.8-1)
Verschiedene Therapiestrategien sind entwickelt worden: Die Keimverminderung kann zum einen durch programmierte Etappenlavage, d. h. der geplanten operativen Spülung des Abdomens (meist nach 24 Stunden), zum anderen durch Einbringen von Spül- und Saugdrainagesystemen mit geschlossener kontinuierlicher Spülung der Bauchhöhle und durch offene Dauerspülung erzielt werden (Tab. 35.8-1). Darüber hinaus kann durch Kompartimentierung (Abb. 35.8-3), d. h. Begrenzung des entzündlichen veränderten Areals in der Abdominalhöhle, die Ausdehnung der Peritonitis, z.B. bei einer hämorrhagisch-nekrotisierenden Pankreatitis, eingedämmt werden. Dazu wird das Kolon transversum bzw. das daran angeheftete Omentum majus an der vorderen Bauchdecke fixiert, um die Kontamination des Unterbauches zu verhindern.
644
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Tab.35.8-1: Spülbehandlung bei diffuser Peritonitis (modif. n. A. Hirner) Methode
Nachteile
Vorteile
Kontinuierliche geschlossene Spülung Spülung über mehrere kontinuierlicher Spüleffekt, Drainagen bei geschlos- keine wiederholten Narkosen senem Abdomen
Drainagekomplikationen, Spülstraßen, Flüssigkeitseinlagerung, Keimeinschwemmung
Offene Dauerspülung (Laparostomie) Abdomen offen
kontinuierlicher Spüleffekt, schlechte Pflegekein intraabdomineller Druck- möglichkeit, Retraktion d. Bauchanstieg, einfache Kontrolle decke, Darmfistel, längere Morbidität
Etappenlavage wiederholte Spülungen, Bauchhöhle temperorär mit Reißverschlußsystem verschließbar,
• Drainagen
Sekretableitung
keine Drainagen, Komplikationen früh erkennbar, Revision d. Abdomens, gute Pflegemöglichkeit, keine intraabdominelle Druckerhöhung
• die Vorbeugung von Komplikationen chen Sekretableitung:
wiederholte Narkosen, Verletzungsgefahr (Darm), Retraktion d. Bauchdecke
durch Drainagen zur kontinuierli-
T-Drainage des Gallengangs bei Duodenalläsionen, Anlage protektiver Dünn- oder Dickdarmstomata (Anus praeter terminalis) zum Schutz von Anastomosen, durch äußere oder innere Schienung des Dünndarmes (z. B. Verfahren nach Child bzw. Plazierung intestinaler Sonden) zur Prophylaxe eines postoperativen DarmverschlusOperative Taktik: - primär sanierendes Operationsverfahren - in Ausnahmefällen alternativ auch zunächst palliatives, zweizeitiges Operationsverfahren
Operative Taktik. Unter Berücksichtigung der Ausdehnung der Peritonitis, Schweregrad der evtl. bereits vorhandenen Sepsis, Allgemeinzustand und Grunderkrankung des Patienten muß eine Entscheidung bei der Durchführung des Eingriffs getroffen werden. Meist wird ein primär sanierendes Operationsverfahren angestrebt:
Abb.35.8-2: Klassische Drainage des Bauchraumes bei diffuser Peritonitis mittels 5 Einzeldrainagen
Abb.35.8-3: Kompartimentierung des Oberbauches durch Fixation des Colon transversum an der Bauchdecke und Plazierung von Saug-Spül-Drainagen in die Bursa omentalis zur kontinuierlichen Spülung und Saugung bei nekrotisierender Pankreatitis
Peritonitis, i n t r a a b d o m i n a l e Abszesse
645
Cholezystektomie bei Gallenblasenempyem; eine rechtsseitige Hemikolektomie bei perforiertem Zökumkarzinom; die Nekrosektomie bei hämorrhagisch-nekrotisierender Pankreatitis; bei der Ulkusperforation als Komplikation der Ulkuskrankheit ist für die Operationstaktik die Ulkusgenese und -anamnese, sowie das Zeitintervall zwischen Perforationsereignis und chirurgischer Intervention von wesentlicher Bedeutung. Das Spektrum der Operationen reicht dabei von der einfachen Ulkusexzision und Übernähung über eine selektive proximale Vagotomie bis zur Resektion des Magens. Bei Patienten, die aufgrund einer schweren Sepsis erheblich gefährdet sind, kann in Ausnahmefällen auch einmal ein zunächst palliatives, zweizeitiges Operationsverfahren, d. h. primäre Drainage des Infektionsherdes und sekundäre Sanierung der Infektionsquelle, angezeigt sein. 8.1.4.3 Prognose
Prognose
Je nach Ursache, Ausdehnung und Zeitintervall zwischen Beginn der Peritonitis und chirurgischer Intervention, Ausbildung eines septischen Schocks und Begleiterkrankungen variiert die postoperative Krankenhausletalität akuter Peritonitiden zwischen 5 und 3 0 % . Eine günstige Prognose haben Peritonitiden nach perforierter Appendizitis oder nach Perforation eines peptischen Ulcus ventriculi bzw. duodeni, während die fäkulente Peritonitis nach Kolonperforation eine eher schlechtere Prognose hat. Im Vergleich dazu hat die frühe postoperative Peritonitis eine schlechtere Prognose mit einer Letalität von bis zu 6 0 % , wobei eine Anastomoseninsuffizienz am Dickdarm mit fäkulenter Peritonitis besonders gefürchtet ist. Die G r ü n d e hierfür sind im wesentlichen in der versteckten, nach einem vorausgegangenen operativen Eingriff nur schwierig zu beurteilenden Symptomatik und die Belastung des Patienten im Postaggressionsstoffwechsel zu suchen. U m die Abschätzung der Überlebenschancen eines an einer Peritonitis erkrankten Patienten zu standardisieren, sind Indizes zur Beurteilung der Schwere entwickelt worden. Besonders bewährt haben sich der Mannheimer Peritonitis-lndex (MPI) und der Acute Physiology and Chronic Health Evaluation Score (APACHE II).
Postoperative Krankenhausletalität akuter Peritonitiden: 5-30% • Eher günstige Prognose nach: - perforierter Appendizitis - Perforation eines peptischen Ulkus • Eher ungünstige Prognose nach: - fäkulenter Peritonitis (L) Kolonperforation • Sonderstellung: - postoperative Peritonitis (Letalität bis 60%)
Gründe: - versteckte, nach einem vorausgegangenen operativen Eingriff schwierig zu beurteilende Symptomatik - Postaggressionsstoffwechsel Prognoseindizes: 1. Mannheimer Peritonitis Index = MPI
Der MPI wird zum Zeitpunkt der chirurgischen Intervention aus einfachen Parametern wie Alter, Geschlecht, Organversagen, maligne Erkrankung, präoperative Peritonitisdauer (> 24 Std.), lokale versus diffuse Ausbreitung, Ausbreitungspunkt (Dickdarm versus nicht Dickdarm), sowie der Charakteristik des entzündlichen Exsudates (klar, trüb-putride, kotig-jauchig) abgeschätzt. Die Sensitivität des MPI liegt bei 80 %, die Spezifität bei 74 % und die Vorhersagegenauigkeit bei 76 %. Der APACHE II-Score ist nicht speziell für Patienten mit Peritonitis, sondern allgemeiner für intensivmedizinpflichtige Patienten entwickelt worden, hat sich aber auch bei der Peritonitiskrankheit zur Graduierung und Prognosebeurteilung bewährt. Der APACHE II-Score wird täglich erhoben, um den Trend für den Krankheitsverlauf abzuschätzen. Er setzt sich aus mehreren Modulen zusammen: Die relevanten physiologischen Parameter sind Körpertemperatur, Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz, Gasaustausch (p0 2 , art-ven. 0 2 -Differenz, pH), Serum-Kalium und -Natrium-Konzentration, Hämatokrit und Leukozyten, sowie neurologischer Status anhand des Glasgow-Komaskala. Darüber hinaus werden das Alter und der chronische Gesundheitszustand berücksichtigt. Für die Prognosebeurteilung bei Peritonitiskrankheit liegt die Sensitivität des APACHE II-Scores bei 55%, die Spezifität bei 74 % und die Vorhersagegenauigkeit bei 69 %.
2. APACHE II-Score
Spätfolgen der Peritonitis sind Verwachsungen mit einer erhöhten Inzidenz des mechanischen Ileus: Bridenileus auch D e k a d e n nach Appendektomie wegen perforierter Appendizitis.
Peritonitis-Spätfolgen: Verwachsungen mit Begünstigung eines mechanischen Ileus
8.2 I n t r a a b d o m i n e l l e Abszesse
Intraabdomineile Abszesse
Aufgrund der Fähigkeit des Peritoneums, durch Verklebungen und Verwachsungen intraabdominelle Infektionen zu begrenzen (Omentum majus), resultieren intraabdominelle Abszesse.
646
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
suphrenisch
subphrenisch Ii.
subhepatisch intermesenterial (= Schiingenabszeß)
parakolisch Ii.
mesozökal perityphlitisch DOUGLAS
Abb.35.8-4: Prädilektionsstellen intraabdomineller Abszesse
Lokalisationen
=i> Oftmals Fehlen dramatischer klinischer Symptome; typisch sind Fieber, allgemeine Entzündungszeichen und lokale Schmerzen Komplikationen durch - Abszeßruptur in die freie Bauchhöhle - Abszeßpenetration in die Pleurahöhle, Retroperitoneum u.a. Unterscheidung: • spontane und postoperative Abszesse • früh- und spätpostoperative Abszesse
Subphrenischer und subhepatischer Abszeß: - lymphogen, hämatogen, percontinuitatem - vor allem nach Oberbaucheingriffen Klinik: sympathischer Begleiterguß, basale Begleitpneumonie, Singultus, Schulterschmerz Perityphlitischer Abszeß Entstehung durch verschleppte Appendizitis Lagevariationen: • ileoinguinal, lumbolateral oder mesozökal - » definitive chirurgische Abszeßausräumung mit Appendektomie, ggf. mit Resektion der lleozökalregion Douglas-Abszeß Entstehung meist nach: - Appendektomie und Nahtinsuffizienz - Infektion des inneren Genitale der Frau - als Residuum einer diffusen Peritonitis Klinik: - Tenesmen - Stuhlinkontinenz - Urininkontinepz - Harnverhalt - Begleitzystitis
Typische Lokalisationen sind (Abb.35.8-4): subphrenisch, subhepatisch, perityphlitisch, intermesenterial (Schiingenabszeß) und im Douglas-Raum. Wegen der Abkapselung der Peritonitis fehlen meist die dramatischen klinischen Symptome, jedoch sind Fieber, allgemeine Entzündungszeichen, lokale Schmerzen stets vorhanden. Jeder intraabdominelle Abszeß kann durch „Ruptur" zu einer diffusen Peritonitis führen. Ein subphrenischer Abszeß kann auch in die Pleurahöhle einbrechen. Zu unterscheiden sind spontane und postoperative Abszesse. Postoperative Abszesse können früh (6.-7. Tag) oder spät (bis zu vielen Wochen) nach einem abdominellen Eingriff auftreten. Primäreingriff, Genese und Lokalisation des Abszesses, Art und Virulenz der Erreger, Allgemeinzustand und Abwehrlage des Patienten sind die entscheidenden Faktoren, die den zeitlichen Ablauf der Abszeßausbildung beeinflussen. Diese Faktoren sind gleichzeitig bestimmend für die Prognose intraabdomineller Abszesse, deren durchschnittliche Letalität zwischen 20-40 % beträgt. Subphrenische und subhepatische Abszesse sind zwischen Zwerchfell bzw. Leber und Colon transversum lokalisiert. Der Infektionsweg ist entweder indirekt lymphogen und hämatogen oder direkt per continuitatem, vor allem postoperativ (Oberbaucheingriffe) durch Sogwirkung des Zwerchfells. Sie können in die angrenzende Pleurahöhle oder in das Retroperitoneum einbrechen. Der perityphlitische Abszeß entsteht durch eine verschleppte Appendizitis und ist entsprechend der Lagevariationen der Appendix vermiformis ileoinguinal, lumbolateral und mesozökal lokalisiert. Entgegen der häufig propagierten einfachen Drainage des perityphlitischen Abszesses stellt die definitive chirurgische Abszeßausräumung mit Appendektomie, wenn erforderlich auch die Resektion der lleozökalregion das konsequente, sanierende Therapickonzept dar.
Douglas-Abszeß. In dem auch als „Schlammfang" charakterisierten Douglas-Raum (9 Excavatio rectouterina, d Excavatio rectovesicalis) finden sich Abszesse vor allem nach Appendektomie oder nach Infektion des inneren Genitale der Frau, sowie nach Nahtinsuffizienz und als Residuum einer diffusen Peritonitis. Klinische Symptomatik. Typisch sind: Müdigkeit, Kraftlosigkeit, schlechter Allgemeinzustand, Fieber mit Schüttelfrost und lokalen Schmerzen. Je nach Lokalisation kommt es zu weiteren typischen Symptomen. Bei subphrenischen Abszessen treten hinzu: Zwerchfellreizung mit Singultus, sympathischer Pleuraerguß, basale Begleitpneumonie, Schulterschmerz (N.phrenicus). Beim Douglas-Abszeß: Tenesmen, Stuhl- und Urininkontinenz, Zystitis, Harnverhaltung.
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Gastrointestinale Blutungen und portale Hypertension Die Diagnose ist durch Anamnese, körperliche Untersuchung, und Sonographie, ggf. auch als transvaginale oder -rektale Untersuchung (Douglas-Abszeß) und CT zu stellen. Sonographie und CT können diagnostisch und therapeutisch, d. h. durch gezielte Punktion und Einbringen von Drainagen, genutzt werden. Therapie. Die radikale chirurgische Abszeßausräumung und Drainage der Abszeßhöhle ist Therapie der Wahl, ausgenommen bei kleinen Schiingenabszessen (s. Abb. 35.8-4). Bei operativem Vorgehen sollte gleichzeitig die Abszeßursache angegangen werden. Methode der Wahl ist die Sonographie oder CT-gesteuerte Abszeßdrainage mit einem Pigtail-Katheter. Über diesen läßt sich die Abszeßhöhle entleeren und zugleich mit antiseptischen Lösungen spülen. Ungünstig gelegene und für die gesteuerte Drainageplazierung nicht geeignete Abszesse müssen operativ drainiert werden (evtl. retroperitonealer Zugang). Douglas-Abszesse lassen sich transrektal oder vom hinteren Scheidengewölbe aus punktieren und drainieren.
Diagnostik - Anamnese - körperliche Untersuchung - Sonographie (ggf. transvaginal oder -rektal) und - CT Therapie In fast jedem Fall Drainage angezeigt, ausgenommen multiple „Schlingenabszesse" bei operativem Vorgehen möglichst Abszeßursachen beseitigen - Methode der Wahl
Komplikationen sind: Abszeßperforation und diffuse Peritonitis, Blutungen durch die Drainage, Drainagedislokationen, Bauchdeckeninfektionen, Rezidivabszesse. Spätfolgen sind Verwachsungen durch die Entzündung mit der Gefahr eines Ileus, Narbenhernien. Die Prognose wird von der zugrunde liegenden Erkrankung und von einer evtl. Multimorbidität des Patienten bestimmt.
Spätfolgen: Verwachsungen, Ileus, Narbenhernien Prognose von der Grunderkrankung und Multimorbidität abhängig
9. Gastrointestinale Blutungen und portale Hypertension
Gastrointestinale Blutungen einschließlich portaler Hypertension
ft Häring 9.1 Ursachen und Klinik der Blutungen 9.1.1 Ursachen, Formen, Lokalisation Blutungsformen. Die verschiedensten Ursachen können im Gastrointestinaltrakt mehr oder weniger ausgeprägte Blutungen auslösen. Sickerblutungen zeigen sich insbesondere unter dem Bild der sekundären Anämie, massive Blutungen dagegen verlaufen meist dramatisch und lebensbedrohend. Aus ihnen kann sich ein irreversibler und zum Tode führender hypovolämischer Schock entwickeln. Blutungsquelle (Abb. 35.9-1). 85 % aller Blutungen des Gastrointestinaltraktes stammen aus Ösophagus, Magen oder Duodenum und nur 15 % aus dem Dünn- und Dickdarm.
Formen • Sickerblutungen: sekundäre Anämie • massive Blutungen: lebensbedrohender Verlauf —» hypovolämischer Schock -»Exitus
• Lokalisation (Abb. 35.9-1):
Blutungsursachen: Ulzerationen und Erosionen, Ösophagus- und Fundusvarizen, gut- und bösartige Tumoren, entzündliche Schleimhautveränderungen, Divertikel, Strangulation, Verletzungen, Gerinnungsstörungen, Hämorrhoiden u. v. a.
Ursachen (Abb. 35.9-1): - Ulzerationen, Erosionen, - Ösophagusvarizen, Tumoren - Divertikel, Strangulation, Verletzungen - Hämorrhoiden etc.
9.1.2 Allgemeine klinische Zeichen
Klinische Zeichen der Blutung
Die Diagnostik bei der akuten gastrointestinalen Blutung hat 3 Ziele (Abb. 35.9-1), ihre • Lokalisierung, Identifizierung und Klassifizierung. Das Ausmaß einer Blutung läßt sich aus einfachen klinischen Zeichen annähernd beurteilen, wie Aussehen des Patienten, Pulsfrequenz, Blutdruck,
- Aussehen des Patienten - Pulsfrequenz, RR, Schockindex
648
35. Chirurgie des Verdauungstraktes (350A Ösophagus - Magen ' Duodenum - Leber
Blutungsquelle
(^1%) Dünndarm (14%) Dickdarm - Anus
Blutungsursache
Blutungsaktivität
Ulkus Varizen Tumor Entzündung Angiodysplasie Divertikel Blutungsübel Aneurysma Hiatushernie Hämobilie Trauma -Forrest-Typ l-lll -Schockindex (Allgöwer) -Anzahl notwendiger Blutkonserven
Abb.35.9-1: Diagnostische Ziele bei gastrointestinalen Blutungen
Abb.35.9-2: Schockindex nach Allgöwer: P Pulsfrequenz, RR Blutdruck, BV Blutvolumen
- erbrochenes, peranum abgegangenes Blut
Schockindex, Menge des erbrochenen oder per anum abgegangenen Blu-
M a s s i v e Blutung:
Die massive Blutung ist gekennzeichnet durch kalte, blasse, zyanotisch gefleckte und schweißbedeckte Haut, eingesunkene Augen, blasse und matte Schleimhäute. Der Patient ist ängstlich, erschöpft, apathisch oder unruhig. Der periphere Arterienpuls (A. radialis) ist flach, gespannt und frequent, die Venenfüllung schlecht. Der systolische Blutdruck liegt bei kleiner Blutdruckamplitude unter 100 mmHg, die Pulsfrequenz bei über 100.
- kalte, blasse, zyanotisch gefleckte, schweißbedeckte Haut - eingesunkene Augen - blasse und matte Schleimhäute Der Patient ist:
- ängstlich, erschöpft, apathisch - peripherer Arterienpuls ist: flach, gespannt und frequent Verminderte Venenfüllung Systolischer RR: 100/ min. Einteilung der Blutung in 4 Schweregrade
• • • •
I: chron.-okkulte Blutung II: geringe Blutung III: mittelschwere Blutung IV: schwere Blutung
Endoskopische Einteilung nach Forrest S.Tab. 35.9-1
Klinisch kann man die Blutung in 4 Stadien einteilen: I: chronisch okkulte Blutung. (Hb reduziert, keine Kreislaufauswirkungen), II: geringe Blutung. (Hb ~ 10 g%, Puls und Blutdruck noch konstant), III: mittelschwere Blutung. (Schockindex > 1, Tachykardie, geringer Blutdruckabfall, Hb < 10 g%), IV: schwere Blutung. (Schockindex etwa 1,5, Blutdruck 120/min, Oligurie, Hb < 8 g%) Forrest hat eine endoskopische Einteilung der Blutungsaktivität empfohlen, die bei allen gastrointestinalen Blutungen berücksichtigt werden sollte (Tab. 35.9-1) Tab. 35.9-1: Endoskopische Klassifizierung der gastrointestinalen Blutungsaktivität n. Forrest
Abschätzung der Größe des Blutverlusts durch Schockindex (Abb. 35.9-2): 0,5 = normal 1,0 = Blutverlust 20-30% 1,5 = Blutverlust ca. 50%
Blutungsaktivität
Forrest-Typ
Kriterien
Aktive Blutung
la Ib
Arterielle, spritzende Blutung Sickerblutung
Abgelaufene Blutung
II
Koagel auf der Läsion, sichtbarer Gefäßstumpf
Keine Blutungszeichen
III
Läsion ohne Blutungskriterien
Der Schockindex (Quotient aus Pulsfrequenz und systolischem Blutdruck) nach Allgöwer gibt einen ungefähren Anhalt über die Größe des Blutverlustes (Abb.35.9-2): 0,5 = normal, 1,0 = Blutverlust von ca. 20-30%, 1,5 = Blutverlust von ca. 50 %. Das klinische Bild wird durch Messungen und Laboruntersuchungen ergänzt: Hb ( < 1 0 g % ) , HK ( < 3 0 % ) , Z V D ( < 5 c m H 2 0 ) , Urinproduktion (< 40 ml/h).
649
Gastrointestinale Blutungen und portale Hypertension Blutungen in den Gastrointestinaltrakt zeigen sich als Bluterbrechen (Hämatemesis) und Blutstuhl (Melaena). Massive Blutungen, oralwärts des Pylorus gelegen, führen überwiegend zur Hämatemesis, solche distal des Pylorus zur Melaena oder Hämatochezie. Blutabgänge aus dem Anus können hell- bis dunkelrot oder teerartig (schwarz, glänzend, klebrig) sein. Teerstühle - bereits verdautes Blut bei längerer Verweildauer im Darm - finden sich bei Blutungen oberhalb der Flexura duodenojejunalis.
Zeichen der Blutungen in den Gastrointestinaltrakt:
Die Sicherung der Blutungsquelle erfolgt durch Endoskopie, Röntgenkontrastuntersuchung (nicht während der massiven Blutung), Angiographie, Szintigraphie (Kontrastmittelextravasat), selten erst bei der Laparotomie. Bei massiver Blutung sind synchron durchzuführen: • Schockbekämpfung und Diagnostik, • Blutstillung durch Operation, endoskopische Sklerosierung, Vasookklusion, Tamponade oder medikamentös (Säurehemmung, Vasokonstriktion)
Sicherung der Blutungsquelle durch: - vor allem Endoskopie - Röntgenkontrastuntersuchung - Angiographie, Szintigraphie - Laparotomie Bei massiver Blutung müssen synchron ablaufen: 1. Schockbehandlung und Diagnostik 2. Blutstillung
9.2 Portale Hypertension: Ösophagus- und Magenfundusvarizen
Portale Hypertension: Ösophagus- und Magenfundusvarizen
Ösophagus- und Magenvarizen sind Folge eines Hochdrucks im Pfortaderstromgebiet. Prinzipiell unterscheiden wir den Widerstands- und Volumenhochdruck. Für die tägliche Praxis wichtig ist der Widerstandshochdruck. Nach Lokalisation und Ausdehnung wird er in 3 Formen unterteilt:
Varizen sind Folge eines Hochdrucks im Pfortaderstromgebiet. 2 Hochdruckformen: - Widerstandshochdruck - Volumenhochdruck Einteilung des Widerstandshochdrucks in 3 Formen: 1. Prähepatischer Block (Abb. 35.9-2) entsteht durch Thrombose im Pfortaderstamm oder in der Milzvene
Prähepatischer Block (Abb. 35.9-2) entsteht durch eine Thrombose im Pfortaderstamm (zentral) oder in der Milzvene (peripher). Ursächlich kommen perinatale Nabelgefäßinfektionen, eine Pylephlebitis, entzündliche und tumoröse Pankreasprozesse in Frage. Intrahepatischer Block (Abb. 35.9-3) Die präsinusoidale Form entsteht bei Bilharziose (selten in Europa), der postsinusoidale Block bei der Leberzirrhose: Sie verursacht in 95 % den Pfortaderhochdruck und kann alkoholisch, posthepatitisch und biliär bedingt sein.
2. Intrahepatischer Block (Abb. 35.9-3) präsinusoidai bei Bilharziose, postsinusoidal bei Leberzirrhose Wichtigste Ursache
Posthepatischer Block (Budd-Chiari-Syndrom) (Abb. 35.9-4), eine Abfluß Störung im Bereich der großen und kleinen Lebervenen (VOD = venous occlusive disease), z.B. durch Tumor, Thrombose, allergische Vaskulitis, Rechtsherzinsuffizienz. Intra- und prähepatischer Block kommen bisweilen auch kombiniert vor.
3. Posthepatischer Block (Abb. 35.9-4) Abflußstörung der großen und kleinen Lebervenen (Budd-Chiari-Syndrom)
Der hyperkinetische oder Volumenhochdruck entsteht durch pathologische arterioportale Fisteln bzw. Aneurysmen, die traumatisch oder nach operativen Eingriffen (z.B. Milzexstirpation, Cholezystektomie, gynäkologische Operationen) auftreten können (Abb. 35.9-5).
Volumenhochdruck: entsteht durch pathologische arterioportale Fisteln bzw. Aneurysmen
Abb.35.9-3: Prähepatischer Block durch Thrombosierung im Pfortaderstromgebiet (1), a. Milzvenenthrombose (= peripherer Block), b. Pfortaderthrombose (= zentraler Block). Intrahepatischer Block bei Leberzirrhose (2) (Häufigkeit 95%)
Abb.35.9-4: Posthepatischer Block bei BuddChiari-Syndrom
650
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Pathophysiologie
9.2.1 Pathophysiologie der portalen Hypertension
Anstieg des Pfortaderdrucks auf 30-60 cm H 2 0 durch die genannten Ursachen -> Kollateralkreislauf zum Niederdrucksystem der Hohlvene Ösophagus- und Magenfundusvarizen.
Der Pfortaderdruck (normal: 10-20 cm H 2 0 ) kann durch die genannten Ursachen zu beträchtlichen Werten bis zu 50-60 cm H 2 0 ansteigen. Es entwickeln sich Kollateralkreisläufe zum Niederdrucksystem der Hohlvene. Klinisch wichtig ist der Umgehungskreislauf über den Magen und die subepithelialen Venen des distalen Ösophagus.
Gefürchtete Folgen des Pfortaderhochdrucks:
=0 Intrahepatischer Block (Leberzirrhose) infolge Leberschrumpfung -» Reduktion des portalen Durchblutungsanteils -» kompensatorische Vergrößerung des arteriellen Anteils Strombahnhindernisse führen zur Druckerhöhung zahlreiche Kollateralbahnen zur V. cava (s. Abb.35.9-6) -> Rupturgefahr der stark gefüllten Venen im distalen Ösophagus und Magenfundus Einleitung des Pfortaderblutes durch Kollateralen in den großen Kreislauf unter Umgehung der Leber —> oftmals Enzephalopathie
Aszites bei Pfortaderhochdruck durch: - erhöhten hydrostatischen Druck - vermehrte Lymphproduktion in der Leber mit behindertem Abfluß - Hypalbuminämie bei Leberzirrhose - verminderten kolloidosmotischen Druck
Folgen des Pfortaderhochdrucks sind: katastrophale Blutungen aus Ösophagus- und Fundusvarizen, therapierefraktärer Aszites, Enzephalopathie und Hypersplenismus (Thromobzytopenie, Anämie, Leukopenie). Bei der Leberzirrhose (= intrahepatischer Block) ergeben sich schwerwiegende Konsequenzen für die Leberdurchblutung. Infolge der Leberschrumpfung wird der portale Durchblutungsanteil reduziert (normal: % Pfortader, V3 A. hepatica) und der arterielle Anteil kompensatorisch vergrößert (Pfortader V3, A. hepatica 2/3). Bei etwa 30 % der Patienten besteht durch intrahepatische arterioportale Shunts eine Strömungsumkehr, die der zirrhotischen Leber zusätzlich arterielles Blut entzieht. Das aufgrund der verschiedenen Strombahnhindernisse unter hohem Druck stehende und gestaute Pfortaderblut fließt auf zahlreichen Kollateralbahnen zur V. cava (Abb. 35.9-6). Die wichtigsten Kollateralwege sind: V. coronaria ventriculi und gastroösophageale Venen, rekanalisierte Nabelvene (Caput medusae), Kollateralvcnen des Retroperitoneums, Zwerchfells usw. Besondere Gefahren drohen bei Ruptur der strotzend gefüllten subendothelialen Venen im distalen Ösophagus und Magenfundus. Durch die Kollateralbahnen wird Pfortaderblut unter Umgehung der Leber - und daher nicht entgiftet - direkt in den großen Kreislauf geleitet. Dies hat für etwa 2030 % der Patienten eine mehr oder weniger ausgeprägte Enzephalopathie zur FolgeDie oft starke Aszitesbildung beim Pfortaderhochdruck entsteht durch den erhöhten hydrostatischen Druck, durch vermehrte Lymphproduktion in der Leber bei behindertem Abfluß, durch die Hypalbuminämie bei Leberzirrhose und den entsprechend verminderten kolloidosmotischen Druck. Beim posthepatischen Block (Budd-Chiari-Syndrom) ist der Aszites besonders ausgeprägt, während er beim prähepatischen Block fehlt.
Abb.35.9-5: Zustand nach Jahre zurückliegender gynäkologischer Operation. Nach Ösophagusvarizenblutung Durchführung einer selektiven Angiographie und Darstellung einer arterioportalen Fistel zwischen A. und V. mesenterica inferior (->) und Entwicklung eines AV-Aneurysmas. Folge: Hyperkinetischer Pfortaderhochdruck. (Röntgeninstitut Univ.-Klinikum Benjamin Franklin der FU Berlin)
Abb. 35.9-6: Kollateralbahnen bei Pfortaderhochdruck: die wichtigsten Kollateralen gehen über die Ösophagusvenen, die sich varikös erweitern
651
Gastrointestinale Blutungen und portale Hypertension 9.2.2 Diagnostik
Diagnostik bei portaler Hypertension
Die Diagnostik bei portaler Hypertension muß folgendes klären: • Nachweis von Ösophagus- und Magenfundusvarizen, • Feststellung der Ursache der portalen Hypertension, • Beurteilung der Leberdurchblutung und Prüfung der -funktion
- sind Varizen vorhanden? - Ursache der portalen Hypertension? - Leberdurchblutung,-funktion?
Folgende diagnostische Verfahren stehen zur Verfügung: • Endoskopie, besonders bei Varizenblutung, auch zum Ausschluß anderer Blutungsursachen, • Kontrastuntersuchung von Ösophagus und Magen zum Nachweis der Varizen (Abb. 35.9-7) • Farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) • indirekte Splenoportographie (Zöliakographie) zur Darstellung des Pfortaderstromgebietes und der Kollateralbahnen (Pfortaderthrombose!) und der A. hepatica (z.B. Stenose des Truncus coeliacus!) (Abb. 35.9-8), • Lebersequenzszintigraphie zur Ermittlung der Durchblutungsanteile Pfortader/A. hepatica, • laborchemische Untersuchungen: Leberwerte, Gerinnung, Ammoniak i.S., Elektrophorese, Cholinesterase, Amidopyrin-Exhalationstest usw.
Diagnostische Verfahren: • Ösophagogastroskopie • Röntgen (Abb. 35.9-7) • Sonographie (FKDS) • Splenoportographie (Abb. 35.9-8) • Szintigraphie • Labor
Diese Untersuchungen sind besonders für die Indikationsstellung bei portosystemischen Shunt-Operationen wichtig. Die Belastungsfähigkeit des Zirrhotikers durch einen operativen Shunt ist oft schwer zu beurteilen. Hierzu wurden eine Reihe von Klassifizierungskriterien erarbeitet. Am gebräuchlichsten ist die von Child angegebene Klassifikation, die klinische und laborchemische Parameter zur Grundlage hat (Tab. 35.9-2). Im Stadium Child-A ist die Prognose für eine Shunt-Operation günstig, für Child-B weniger günstig und für Child-C ungünstig. Im Stadium Child-C sollte möglichst ein inkompletter portosystemischer Shunt (distale splenorenale Anastomose nach Warren) angelegt werden.
Abb.35.9-7: Links: perlschnurartige Darstellung von Ösophagusvarizen mittels Ösophagusbreischluck (Röntgeninstitut Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin) Abb.35.9-8: Rechts: Indirekte Splenoportographie mit Darstellung der im steilen Winkel verlaufenden Pfortader (->) u. verplumpten intrahepatischen Pfortaderästen (intrahepat. Block). Ausgeprägter Kollateralkreislauf über der V. gastrica sin. (Z^) u. V. gastrica brevia (Röntgeninstitut Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
Splenoportographie vor geplanter ShuntOperation unerläßlich! Diagnosestellung besonders wichtig für Shunt-Operation Child-A -» günstige Prognose, Child-B Prognose eingeschränkt, Child-C ungünstig
652
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Tab.35.9-2: Child-Klassifikation
Therapie der Varizenblutung und des Pfortaderhochdrucks Therapieziel: - Stillung der akuten Varizenblutung - Vermeidung der Rezidivblutung Klinische Bedeutung
1
2
3
Punkte
Gesamt-Bilirubin Albumin Aszites Neural. Symptome Allgemeinzustand
35 kein keine gut
-51 -30 mäßig leichte reduziert
>51 10 cm im Durchmesser, zentral penetrierende Verletzung mit aktiver Blutung. Grad IV: Lappendestruktion, massive zentrale expandierende Hämatome. GradV: Verletzung der retrohepatischen V. cava oder der großen Lebervenen, extensive bilobäre Parenchymdestruktion
Symptome: lokale Spontan- und Druckschmerzen sowie Abwehrspannung im rechten Oberbauch und im Epigastrium, Zeichen des hämorrhagischen Schocks (evtl. mit relativer Bradykardie). Diagnose, Differentialdiagnose: Penetrierende Wunden im Bereich des rechten Rippenbogens bzw. des rechten Oberbauches und des Epigastriums sind immer verdächtig auf eine Leberverletzung. Die Diagnose wird gestellt durch Anamnese, Verletzungsmechanismus, Klinik und bildgebende Verfahren. Die Sonographie ist besonders gut geeignet als Nachweis und Verlaufskontrolle eines intrahepatischen Hämatoms sowie intraabdominaler Flüssigkeits- und Blutansammlungen. Auf der Thorax- und Abdomenübersichtsaufnahme: Zwerchfellhochstand, Thoraxverletzung (rechtsseitig), weichteildichte Raumforderung im rechten Oberbauch. Therapie: Wichtigste Ziele sind Blutstillung und Verhinderung einer Infektion (Antibiotika und Nekrosedebridement). Bei penetrierender Leberverletzung ist eine Laparotomie stets angezeigt. Bei nicht rupturiertem subkapsulärem und intrahepatischem Hämatom ohne aktive Blutung (Grad I und II) ist eine konservative Behandlung unter klinischer Beobachtung und sonographischer Kontrolle gerechtfertigt. Die aktive Blutung bedarf stets einer operativen Versorgung. Die Blutstillung kann erfolgen: • vorübergehend durch Pringle-Manöver (s.o.), evtl. Abklemmung der V. cava inferior infra- und suprahepatisch (Grad V), • definitiv durch direkte Gefäß- und Lebernaht,
Symptome: stumpfe Verletzungen - lokale Schmerzen - Schock (Bradykardie!) penetrierende Verletzungen - Wunde im rechten Thorax- und Abdomenbereich Diagnose: Unfallhergang, lokale Druckschmerzen. Thorax- und Abdomen-Übersichtsaufnahme: Zwerchfeilhochstand, weichteildichte Raumforderung Sonographie: Blut- und Flüssigkeitsansammlung im Abdomen Therapie: Operative Blutstillung bei aktiver Blutung - Pringle-Manöver - direkte Gefäßnaht - Fibrinklebung, Infrarotkoagulation - Lebernaht - Kompressionstamponade (perihepatisches Packing)
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
666
• durch Fibrinklebung und Infrarotkoagulation des Parenchyms, • durch Kompressionstamponade (perihepatisches Packing): dabei wird die Leber mit Bauchtüchern von den Seiten ringsum komprimiert, bis die Rupturstelle dicht aneinandergepreßt ist. Entfernung nach 2-5 Tagen, dann definitive Versorgung. Eine Resektion ist nur selten erforderlich und soll nach Möglichkeit vermieden werden. Sie kann aber im Ausnahmefall bei schwerem Verletzungsgrad indiziert sein.
Prognose: Letalität 10%, bei Grad V 80% Prognostisch ungünstig ist ein zusätzliches Schädel-Hirn-Trauma
Die Prognose wird bestimmt durch die meist vorhandenen Begleitverletzungen, vor allem durch ein Schädel-Hirn-Trauma. Die nur auf die Leberverletzung bezogene Letalität beträgt heute etwa 10 %, bei Grad V etwa 80 %.
Leberzysten Man unterscheidet: - nichtparasitäre, kongenitale und erworbene Zysten - parasitäre Zysten
10.4 Leberzysten Man unterscheidet nichtparasitäre, kongenitale und erworbene sowie parasitäre Zysten.
Nichtparasitäre Zysten
10.4.1 Nichtparasitäre Zysten
Seltene Erkrankung.
Sie sind selten, werden heute aber durch Ausweitung der Oberbauchsonographic zunehmend häufiger diagnostiziert. Man differenziert zwischen kongenitalen (echten) und erworbenen Zysten. Bei den kongenitalen Formen werden die Gallengangszysten und die parenchymatösen Zysten unterschieden. Die echten solitären Leberzysten können bis kopfgroß werden. Die Zystenleber (Durchsetzung der gesamten Leber mit multiplen Zysten, Abb. 35.105) kommt häufig in Kombination mit Zystennieren oder zystischer Durchsetzung des Pankreas vor.
Unterscheidung zwischen: erworbenen Zysten: - Zystadenom, Zystadenokarzinom - Gallenwegszysten durch Gallestauung kongenitale Zysten: - Gallengangszysten, parenchymatöse Zysten Zystenleber: Durchsetzung der gesamten Leber mit multiplen Zysten Größere Zysten verursachen: - Druck- und Spannungsgefühl im Oberbauch, Appetitlosigkeit - Übelkeit und Erbrechen, Ikterus. Therapie: Methode der Wahl ist die Enukleation oder Fensterung der Zyste mit Drainage (evtl. laparoskopisch). Bei Zystenleber: nur Fensterung. Gute Prognose Erworbene Zysten: selten. Folge entzündlicher, posttraumatischer, neoplastischer Erweichungsprozesse Therapie wie bei kongenitalen Formen
Ätiologie und Pathogenese sind bisher nicht eindeutig geklärt. • Zysten von weniger als 10 cm Durchmesser bleiben meistens symptomlos. Größere Zysten verursachen Druck- und Spannungsgefühl im Oberbauch, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Ikterus, evtl. Fieber.
Die Therapie kann nur eine chirurgische sein. Die Indikation ist bei großen Zysten gegeben, die Beschwerden verursachen. Methode der Wahl ist die Enukleation oder Fensterung der Zyste mit Drainage (evtl. laparoskopische Operation). Eine Leberlappenresektion kommt nur in Ausnahmefällen in Frage. Bei der Zystenleber werden, wenn Beschwerden auftreten, lediglich die größeren Zysten gefenstert. Die Prognose der Zystenleber ist relativ gut. Erworbene Zysten sind das Zystadenom und Zystadenokarzinom sowie Gallenwegszysten. Letztere können im Rahmen einer Gallenstauung auftreten. Die erworbenen Zysten sind sehr selten, meist als Folge entzündlicher, postischämischer, posttraumatischer und neoplastischer Erweichungsprozesse entstanden. Die Therapie ist die gleiche wie bei den kongenitalen Formen.
Abb. 35.10-5: CT einer Zystenleber und Zystenniere links (Röntgeninstitut Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
Leber
667
Beim Zystadenokarzinom ist die Leberresektion oder Transplantation angezeigt.
10.4.2 Parasitäre Zysten
Parasitäre Zysten
Die Echinokokkose hat durch die Bevölkerungsbewegung von Süd nach Nord (Gastarbeiter aus den Mittelmeerländern) deutlich zugenommen. Wir unterscheiden 2 für den Menschen pathogene Echinococcus-Arten: Echinococcus granulosus (= cysticus) und E. multilocularis (= alveolaris). Der Mensch spielt im Kreis der Erkrankung die Rolle eines „Fehlzwischenwirts".
hervorgerufen durch Echinococcus: 2 pathogene Arten:
10.4.2.1 Echinococcus granulosus (cysticus)
1. Echinococcus granulosus
Ätiopathogenese: Im „Lebenskreislauf" des Hundebandwurms sind Rind, Schaf und auch der Mensch Zwischenwirte (Abb. 35.10-6). Der Mensch infiziert sich mit den Eiern des Echinococcus, der in Schafzuchtgebieten (Mittelmeerländer, Südamerika, Mecklenburg) endemisch vorkommt. Nach der Infestation in der Darmwand gelangen die Larven über den Pfortaderkreislauf in die Leber (in 70 % mit Zystenbildung) und von dort aus auch in die Lungen (20 %), evtl. auch in andere Organe. In dem betreffenden Organ entwickelt sich die Hydatide, aus deren innerer Keimschicht sich Tochterblasen (= Scolices) entwickeln. Sie können sich ablösen und schwimmen in der Hydatidenflüssigkeit. Die Zyste vergrößert sich pro Jahr um etwa 2-3 cm. Meist handelt es sich um solitäre Zysten, die bis Kopfgröße erreichen können. Vorwiegende Lokalisation ist der rechte Leberlappen.
Mensch ist Zwischenwirt (Abb. 35.10-6) -» Larven über Pfortaderkreislauf in die Leber -> von dort auch in die Lungen Entwicklung einer Hydatide: solitäre Zyste bis Kopfgröße
Symptome: Die Entwicklung des Echinococcus kann jahrelang asymptomatisch sein. Beschwerden treten erst bei größerwerdenden Zysten durch Raumforderung und Verdrängungserscheinungen auf. Häufigste Symptome sind Druckgefühl im Oberbauch, Inappetenz, gelegentlich Ikterus.
Symptome: lange symptomlos, später: - Druckgefühl im Oberbauch - Inappetenz - gelegentlich Ikterus Diagnose: Hepatomegalie, Zwerchfellhochstand rechts Abdomenübersichtsaufnahme: Kalkeinlagerung in der Wirtskapsel Sonographie und CT (Abb. 35.10-7): - unscharfe Begrenzung - schollige Verkalkung - Kolliquationsnekrosen
Diagnose, Differentialdiagnose: Bei der klinischen Untersuchung Hepatomegalie und Zwerchfellhochstand rechts. Auf der Abdomenübersichtsaufnahme sind evtl. Kalkeinlagerungen in der Wirtskapsel zu erkennen. Wichtig sind Sonographie und CT (Abb. 35.10-7). Sie zeigen typische Veränderungen, die auch für die Differentialdiagnose von Bedeutung sind (unscharfe Begrenzung, schollige Verkalkung, Kolliquationsnekrosen, Dichtewerte zwischen 10 und 50 HU 1 ). HU = Hounsfield-Einheiten = durch C T gemessene Dichtewerte.
Wiederkäuer
Abb. 35.10-6: Lebenskreislauf des Echinococcus granulosus (cysticus) (nach U. Bär)
Abb.35.10-7: Echinococcus cysticus mit intrazystischen Tochterzysten im rechten Leberlappen. CT mit radspeichenartigem Muster (Röntgeninstitut Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
668
Abb.35.10-8: Operationsverfahren beim Echinococcus cysticus der Leber Serologische Untersuchung: • indirekter Immunfluoreszenztest • indirekter Hämagglutinationstest Differentialdiagnose beachten!
Komplikationen: - Superinfektion - Ruptur - anaphylaktischer Schock Therapie: grundsätzlich Indikation zur Operation: - Zystektomie (Abb.35.10-8a) - Perizystektomie (Abb.35.10-8b) Hemihepatektomie (Abb.35.10-8c) Prognose: Letalität 0 und 4 % Rezidivquote ca. 8%
Serologische Untersuchungen ergänzen die Diagnostik: indirekter Immunfluoreszenztest, indirekter Hämagglutinationstest.
Differentialdiagnostisch sind vor allem nichtparasitäre angeborene oder erworbene Zysten abzugrenzen. Eine Punktion der Zysten zur weiteren Diagnostik ist kontraindiziert, da die Gefahr einer intraabdominellen Verschleppung von Skolices besteht. Komplikationen: In etwa 40 % kommt es zu Komplikationen, wie Superinfektion, Ruptur in die Gallenwege mit Ikterus, Ruptur in die Bauch- und Thoraxhöhle mit anaphylaktischem Schock. Therapie: Grundsätzlich wird operiert. Verfahren: • Zystektomie: Entfernung der Echinokokkuszyste nach vorheriger Abtötung des Parasiten mit Argentum-Nitricum-Lösung (0,5 %ig), oder hypertoner Kochsalzlösung (10 %ig). Methode der Wahl (Abb. 35.10-8 a). • Perizystektomie: Entfernung des Parasiten inklusive der Wirtskapsel, Nachteil ist die hierbei entstehende große Leberwunde mit Gefahr der Blutung und Gallefistel (Abb. 35.10-8 b). • Hemihepatektomie: Nur in Ausnahmefällen indiziert bei sehr großen Zysten, die beispielsweise den ganzen linken Leberlappen einnehmen (Abb. 35.10-8 c). Prognose: Die Letalität liegt zwischen 0 und 4 %, die Rezidivquote bei ca. 8 % . Die Prognose ist im wesentlichen abhängig von der Ausdehnung und Lokalisation der Zysten. Die serologischen Tests können jahrelang positiv bleiben.
2. Echinococcus multilocularis
10.4.2.2 Echinococcus multilocularis (= alveolaris)
Primäre Leberechinokokkose mit infiltrativ destruierendem Wachstum. Einwachsen in Lungen und Milz (Abb.35.10-8) Zwischenwirte: - Nagetiere und - Mensch
Ätiopathogenese: Es handelt sich um den Fuchsbandwurm, wobei Nagetiere und der Mensch Zwischenwirt sind (Abb. 35.10-9). Endemiegebiete sind Alaska, Steiermark, Tirol und die Schwäbische Alb. Es handelt sich um eine primäre Leberechinokokkose mit infiltrativ destruierendem Wachstum. Hierbei können die Organgrenzen überschritten werden und der Echinococcus per continuitatem in die Lungen und die Milz einwachsen. Die Infestation im menschlichen Darm kann auch durch Einnahme von kontaminierten Waldfrüchten (kotbeschmutzt) eintreten. Typisch ist, daß keine bindegewebige Kapsel zwischen Parasit und Lebergewebe resultiert, wie dies beim Echinococcus granulosus der Fall ist.
Symptome: - Verdrängungserscheinungen - Druckgefühl, Inappetenz - Ikterus Diagnostik: - Sonographie, CT - keine Punktion! Komplikationen: Zerstörung der Leber, Ikterus Übergreifen auf Nachbarorgane
Symptome, Diagnose, Differentialdiagnose: Die Symptome entsprechen den gleichen wie bei malignen Lebertumoren: Verdrängungserscheinungen, Druckgefühl, Inappetenz, Ikterus. Diagnostische Abklärung wie bei malignen Lebertumoren durch Sonographie und CT, Punktion kontraindiziert. Differentialdiagnostisch ist ein primäres Leberkarzinom und eine Metastasenleber auszuschließen. Komplikationen: Zerstörung der Leber durch destruierendes Wachstum; Kompression und Einbruch in die Gallenwege führen zum Ikterus. Übergreifen auf Nachbarorgane möglich.
Therapie: Leberresektion (Hemihepatektomie). Bei Befall beider Leberlappen: einzelne Zysten absaugen, ausbrennen, drainieren
Therapie: Heilung nur durch Leberresektion (Hemihepatektomie). Die Resektionsquote liegt bei etwa 50%. Bei Verschlußikterus kommt die interventionelle Einlage einer Endoprothese bzw. eines Stents in Frage. Bei Totalbefall der Leber u. U. Lebertransplantation indiziert.
Leber
669
Primärer WildtierZyklus
Kot fSfä
\ maus
Feldmaus
Sekundärer urbaner Zyklus
dBj
(Hund)
Abb.35.10-9: Lebenskreislauf des Echinococcus multilocularis (nach U. Bär)
Befällt der Echinococcus multilocularis beide Leberlappen, so können einzelne Zysten abgesaugt, ausgebrannt und drainiert werden. Zu empfehlen ist heute die adjuvante Chemotherapie mit Albendazol oder Mebendazol. Hohes Rezidivrisiko, Operationsletalität um 10%.
10.5 Leberabszesse
Bei Totalbefall Lebertransplantation Lebenskreislauf des Echinococcus multilocularis (Abb.35.10-9) Operationsletalität um 10% Hohes Rezidivrisiko Chemotherapie mit Albendazol oder Mebendazol
Man unterscheidet den pyogenen Leberabszeß und den Amöbenabszeß.
Leberabszesse Man unterscheidet: - pyogenen Leberabszeß - Amöbenabszeß
10.5.1 Pyogener Leberabszeß
Pyogener Leberabszeß
Ätiologie und Epidemiologie: Es handelt sich um eine durch bakterielle Infektion entstandene Eiteransammlung in der Leber. Häufigkeit etwa 0,02 % aller stationären Patienten. Die Erkrankung ist lebensbedrohlich. Ursachen:
Eiteransammlung in der Leber durch bakterielle Infektionen Lebensbedrohliche Erkrankung
• abszedierende biliäre Infektion (30-40%), Infektion im Zuflußgebiet der Pfortader (25 %), • Septikämie (20%), Fortleitung eitriger Erkrankung benachbarter Organe (z.B. subphrenischer Abszeß) (5 %), • Trauma (3 %), unbekannte Ursachen (= kryptogen 20 %). Etwa 30 % aller Leberabszesse entwickeln sich nach einem intraperitonealen Eingriff. Solitäre und multiple Abszesse treten in gleicher Häufigkeit auf. Überwiegend wird der rechte Leberlappen betroffen. Als Erreger kommen alle Arten der intestinalen Bakterienflora in Frage. In 50% wird eine Besiedlung mit Anaerobiern festgestellt (Bacteroides, Sphaerophorus, Peptostreptokokken). Ansonsten findet man E. coli, Klebsiellen, Enterobacter, Streptokokken. Symptome, Diagnose, Differentialdiagnose: Die häufigsten Symptome für einen pyogenen Leberabszeß sind: Fieber (oft septisch, intermittierend), Oberbauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit, Ikterus, körperlicher Verfall, klinisch eine vergrößerte und druckschmerzhafte Leber. Auf der Thorax- und Abdomenübersichtsaufnahme ist ein Zwerchfellhochstand rechts mit einem sog. „sympathischen Pleuraerguß" nachweisbar. Wichtig für die Diagnose sind Sonographie und Computertomographie (Abb. 35.10-10). Sie geben ein exaktes Bild über Lokalisation und Ausdehnung des Abszesses. Durch sonographisch gesteuerte Punktion kann Mate-
Ursachen: - biliäre und portale Infektion - Septikämie, subphrenischer Abszeß - Trauma, kryptogen
Erreger: alle Arten der intestinalen Bakterienflora In 50% anaerobe Erreger! Symptome: - Fieber - Oberbauchschmerzen - Übelkeit und Erbrechen - Appetitlosigkeit - Ikterus - körperlicher Verfall Diagnose: vergrößerte, druckschmerzhafte Leber Thorax- und Abdomenübersichtsaufnahme: Zwerchfellhochstand, Pleuraerguß
670 Sonographie und CT, (Abb. 35.10-10) zeigt die exakte Lokalisation und Ausdehnung des Abszesses Punktion zur Erregerbestimmung Komplikationen: - Fortleitung der Abszesse, Sepsis - Ruptur - Peritonitis, Pleuraempyem Therapie operative Eröffnung des Abszesses mit Drainage und Spülung In den meisten Fällen: perkutane transhepatische Drainage Antibiotika obligat!
Gesamtletalität: 3-10%, heute günstiger
35. Chirurgie des Verdauungstraktes rial zur bakteriologischen Untersuchung gewonnen und der Abszeß gesichert werden. Differentialdiagnostisch auszuschließen sind Zysten und erweichende Tumoren. Komplikationen: Häufigkeit 10-30 %, Fortleitung der Abszesse in den subhepatischen und subphrenischen Raum, Sepsis, Ruptur in die Bauch- und Brusthöhle mit folgenschwerer Peritonitis und Pleuraempyem. Therapie: Die Behandlung des Leberabszesses umfaßt lokale und systemische Maßnahmen. In der Regel ist die operative Eröffnung des Abszesses mit Drainage und Spülung erforderlich. In den meisten Fällen kann heute eine perkutane transhepatische Drainage unter sonographischer und computergesteuerter Kontrolle durchgeführt werden (Methode der Wahl). Die systemische Applikation von Antibiotika - je nach Keimspektrum und Antibiogramm - ist obligat. Ferner ist es wichtig, die Ursachen zu sanieren. Die Prognose hängt vom Ausmaß des Abszesses und der Begleiterkrankungen ab; sie ist heute wesentlich günstiger als früher. Die Gesamtletalität beträgt 3-10%.
Amöbenabszeß
10.5.2 Amöbenabszeß
Infektion des Lebergewebes mit Entamoeba histolytica Keime erreichen über Pfortader die Leber Nekrose und Verflüssigung des Lebergewebes führen zur Abszeßbildung
Ätiologie und Epidemiologie: Infektion des Lebergewebes mit Entamoeba histolytica, häufig in Endemiegebieten Mittelamerikas, Afrikas und Ostasiens. Durch den Tourismus auch nach Europa eingeschleppt. Die Entamoeba histolytica erreicht über die Pfortader die Leber und führt durch proteolytische Enzyme zu einer Nekrose und Verflüssigung des umliegenden Gewebes. In 1-40 % aller infizierten Patienten die infiziert wurden, kommt es innerhalb von 3 Monaten nach einer Amöbenruhr zu einem Leberabszeß. Betroffen sind vorwiegend Männer. Häufigste Lokalisation ist der rechte Leberlappen (meist Solitärabszeß).
Symptome: - Hepatomegalie - Schmerzen im rechten Oberbauch - Fieber, Gewichtsverlust - Durchfälle und Ikterus Diagnose: - Anamnese - Sonographie - CT Differentialdiagnose: pyogener Leberabszeß Komplikation: Ruptur in Thorax- und Bauchhöhle Therapie: - medikamentöse Behandlung mit Metronidazol
Symptome, Diagnose, DifFerentialdiagnose: Hepatomegalie, Schmerzen im rechten Oberbauch, Fieber, Gewichtsverlust, Durchfälle und Ikterus (bis zu 60 %). Wichtig ist die Anamnese (Urlaub in einem Endemiegebiet!). Die Diagnose wird durch Sonographie und CT im Zusammenhang mit dem Hämagglutinationstest gestellt. Der Nachweis von Amöben im Stuhl ist als diagnostisches Kriterium ungeeignet. Der Abszeßinhalt ist „steril", jedoch können Superinfektionen auftreten. Differentialdiagnostisch ist vor allem der pyogene Leberabszeß auszuschließen. Komplikationen: Häufigkeit 10%, vor allem ist die Ruptur in die Thoraxund Bauchhöhle gefürchtet.
Abb.35.10-10: CT der Leber; großer Leberabszeß im linken Leberlappen (Röntgeninstitut Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
Therapie und Prognose: Im Gegensatz zum pyogenen Leberabszeß wird der Amöbenabszeß hauptsächlich medikamentös behandelt. Als ein sehr wirksames Medikament hat sich Metronidazol (Clont®) bewährt.
Abb.35.10-11: MRT der Leber: 2 signalintensive Hämangiome (Röntgeninstitut Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
Leber
671
Gegebenenfalls ist auch die sonographiegesteuerte Aspiration und Drainage des Abszesses notwendig (Abszesse mit über 10 cm Durchmesser). Die chirurgische Behandlung (Drainage, evtl. Leberresektion) kommt nur bei Komplikationen (Ikterus, drohende Ruptur) in Frage. Letalität 0-2%, Heilungsdauer nicht selten bis zu 8 Monaten. Die serologischen Tests bleiben jahrelang positiv.
- ggf. Aspiration und Drainage des Abszesses (sonographiegesteuert) - chirurgische Behandlung nur bei Komplikationen Operationsletalität: 0-2%
10.6 L e b e r t u m o r e n
Lebertumoren
10.6.1 Gutartige Tumoren
Gutartige T u m o r e n
Sie sind häufiger als die bösartigen Tumoren, wachsen langsam und machen anfänglich kaum Symptome. Symptome, Diagnose: Große Geschwülste können durch Verdrängung und Kompression lokale Beschwerden verursachen. Nicht selten werden sie erst bei Komplikationen (Stieldrehung, Ruptur, Blutung, Ikterus) entdeckt. Diagnosestellung durch Sonographie, CT, Angiographie, hepatobiliäre Szintigraphie, evtl. Laparoskopie und Biopsie. Ist die Benignität gesichert, so ist die Operation nur bei Komplikationen und Symptomen erforderlich.
Symptome: lokale Beschwerden durch große Geschwülste Diagnose: Sonographie, CT, Angiographie, Szintigraphie, Laparoskopie und Biopsie
Hämangiom, Hämangiokavernom, häufigster benigner Lebertumor, oft multipel und in jedem Lebensalter vorkommend. Riesenhämangiome sind selten. Sie entarten nicht maligne. Mögliche Komplikationen sind Ruptur, Gerinnungsstörungen, Verdrängungserscheinungen, chronische Anämie, Schmerzen. Sonographisch zeigen sich flüssigkeitsreiche, gekammerte Neubildungen, im Angio-CT Irisblendenphänomen, im MRT intensive Signale (Abb. 35.10-11). Die operative Entfernung ist nur bei sehr großen, symptomatischen Geschwülsten angezeigt (Hemihepatektomie, laterale Segmentresektion).
1. Hämangiom, Hämangiokavernom Häufigster benigner Lebertumor! Komplikationen: Ruptur, Gerinnungsstörungen, Schmerzen, chronische Anämie Diagnostik: Sonographie, CToder AngioCT, MRT
Fokale noduläre Hyperplasie (FNH), tumorähnliche Läsion, die histologisch charakteristische fibröse Septen mit sternförmiger zentraler Narbe und Gallengangsproliferationen erkennen läßt. Die Ätiologie ist unbekannt. Vorkommen vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter und solchen, die über längere Zeit Kontrazeptiva einnehmen, wobei diese als Ursache der FNH nicht gesichert sind. Die FNH ist in mehr als der Hälfte der Falle asymptomatisch. Sie wird meist als Zufallsbefund entdeckt. In etwa 1 % kommt es zu intraabdominellen Blutungen durch Tumorruptur. Diagnostik: Sonographie, CT (sternförmige Narbe typisch), MRT; Angiographie (typisch: radiär verlaufende Arterien, Coiling, homogene Läsionen in der Parenchymphase); Hepatocholeszintigraphie (typische Trias: Hypervaskularisation, normale Parenchymphase, Tracerretention, sog. „trapping")Die Therapie der FNH richtet sich nach Lokalisation, Größe und Symptomatik. Erste Maßnahme: Absetzen der Kontrazeptiva, Rückbildung oder Verkleinerung der Tumoren, die auch multipel vorkommen können, wurde beobachtet. Eine operative Therapie ist nur bei großen Knoten (größer als eine Faust) angezeigt, wenn sie Beschwerden verursachen. Findet man als Zufallsbefund bei einer Laparotomie einen Knoten am Leberrand, so sollte man ihn exzidieren, tiefer sitzende aber belassen. Leberadenom, gutartiger, von den Leberzellen ausgehender Tumor; eine sichere Abgrenzung zum primären Leberkarzinom ist nur histologisch möglich. Kommt häufig bei Frauen vor, die Kontrazeptiva einnehmen. Hauptkomplikation ist die Blutung (ein Drittel der Fälle). Klinisch verursacht das Adenom Schmerzen und Verdrängungserscheinungen, eine maligne Entartung ist sehr selten. Therapeutisch, ist möglichst die Resektion des Tumors anzustreben. Nach Absetzen der Kontrazeptiva ist eine Regression möglich.
2. Fokale noduläre Hyperplasie (FNH) Tumorähnliche Läsionen Verlauf meist asymptomatisch
Operative Entfernung nur bei großen Tumoren
Ätiologie unbekannt (Kontrazeptiva?)
Diagnostik: • Sonographie, CT, evtl. Angio-CT, MRT • Angiographie, Hepatocholeszintigraphie Therapie: • Absetzen von Kontrazeptiva • operative Therapie nur bei großen Knoten und Beschwerden
3. Leberadenom Tumor geht von den Leberzellen aus Überwiegend bei Frauen Komplikationen: Blutung, selten maligne Entartung Symptome: Schmerzen, Verdrängungserscheinungen Therapie: Resektion des Tumors
672
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Bösartige Lebertumoren
10.6.2 Bösartige Lebertumoren
Epidemiologie: Geographisch unterschiedlich häufig. In Nordamerika und Europa nur in ca. 3% aller bösartigen Tumoren. 80% sind hepatozellulär und 20% cholangiozellulär entstanden. Fibrolamelläres Karzinom nur in 1-2%. Lebersarkome sind äußerst selten.
Epidemiologie: Das primäre hepatozelluläre Karzinom ist geographisch unterschiedlich häufig (Ostafrika 60-70%, im Fernen Osten sehr hoch, in Nordamerika und Europa nur in etwa 3 % aller bösartigen Tumoren).
1. Primäres hepatozeiluläres Karzinom
10.6.2.1 Primäres hepatozelluläres Karzinom
prädisponierend: - Zirrhose - HBs-Antigenträger - Aflatoxin - Hämochromatose
Ätiopathogenese: Prädisponierende Faktoren sind: Alkoholzirrhose, Aflatoxin, Hämochromatose. Das primäre Leberkarzinom ist in 60-80 % mit einer Zirrhose gekoppelt. Männer in der 6. Lebensdekade erkranken bevorzugt. Risikopatienten sind vor allem Zirrhotiker mit Nachweis von HBsAntigen im Serum. Typisch ist die intrahepatische Metastasierung durch peri- und intravasales Wachstum sowie Einbruch in die Venen. Extrahepatische Metastasen finden sich in etwa 50 % der Fälle in Lymphknoten, Lunge und Knochen. Die Blutversorgung des Leberkarzinoms ist fast ausschließlich arteriell.
Typisches Zeichen: intrahepatische Metastasierung, Einbruch in die Venen -> Lungenmetastasen
TNM-Klassifikation
=0
Etwa 80 % der Leberkarzinome sind hepatozellulär und 20 % cholangiozellulär entstanden. Das fibrolamelläre Karzinom (Häufigkeit 1 - 2 % aller Leberkarzinome) hat eine günstigere Prognose. Es kommt überwiegend bei Jugendlichen vor. Sarkome (Endotheliosarkom, embryonales Sarkom, Pericytom) sind äußerst selten.
TNM-Klassifizierung: T - Primärtumon TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden, TO Kein Anhalt für Primärtumor, 77 Solitärer Tumor < 2 cm, ohne Gefäßinvasion, 72 Solitärer Tumor < 2 cm mit Gefäßinvasion, oder multiple Tumoren auf einen Lappen begrenzt, < 2 cm, ohne Gefäßinvasion, oder solitärer Tumor > 2 cm, ohne Gefäßinvasion, 73 Solitärer Tumor > 2 cm, mit Gefäßinvasion, oder multiple Tümoren auf einen Lappen begrenzt, < 2 cm, mit Gefäßinvasion, oder multiple Tumoren auf einen Lappen begrenzt, > 2 cm, mit oder ohne Gefäßinvasion, T4 Multiple Tumoren in mehr als einem Lappen oder Tumor(en) mit Befall eines größeren Astes der V. portae oder Vv. hepaticae. N - Regionäre Lymphknoten: NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden, NO Keine regionären Lymphknotenmetastasen, N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen. M - Fernmetastasen: MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden, MO Keine Fernmetastasen, Ml Fernmetastasen. Die pT-, pN- und pM-Kategorien entsprechen den T-, N- und M-Kategorien.
Symptome: - Druck- und Völlegefühl - Oberbauchschmerzen mit Ausstrahlung in die rechte Schulter - Leistungsknick, Gewichtsverlust etc. Diagnose: - Tumormarker a,-Fetoproteini - Bestimmung der Dignität: Biopsie und histologische Untersuchung - Sonographie - CT (Abb.35.10-12) - MRT
Symptome: Uncharakteristische Beschwerden, wie Druck- und Völlegefühl, Oberbauchschmerzen mit Ausstrahlung in die rechte Schulter. Zeichen der malignen Erkrankung wie Leistungsknick, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Anämie. Als Zeichen der Leberinsuffizienz Fieber, Ikterus. Diagnose und Differentialdiagnose: Die laborchemischen Befunde sind uncharakteristisch, sie entsprechen häufig denen bei der Zirrhose. Bilirubinanstieg. • Der Tumormarker a ¡-Fetoprotein ist bei etwa 80% der Patienten erhöht. Sonographie, CT (Abb. 35.10-12) und MRT sind die wichtigsten Untersuchungsverfahren. Die Dignität kann in manchen Fällen durch Angiographie, definitiv aber nur durch Biopsie und histologische Untersuchung (Punktion bzw. Laparotomie) geklärt werden.
Therapie: radikale Resektion
Therapie: Eine Heilung ist nur durch radikale Resektion (Hemihepatektomie, Trisegmentektomie) möglich. Dank der verbesserten Diagnostik bei den Risikopatienten ist das Leberzellkarzinom heute in etwa 25 % resektabel. Operationsletalität 5 - 8 %. Beim fortgeschrittenen, nicht mehr resezierbaren Tumor kommt nur noch die Lebertransplantation in Frage. Die Ergebnisse sind jedoch schlechter
Leber
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als bei benignen Erkrankungen, weil Tumorrezidive bei 50-80 % der Patienten innerhalb des ersten Jahres auftreten. Die Operationsletalität bei der Transplantation beträgt heute 5-29%, die 1- und 5-Jahres-Überlebensrate 38% bzw. 20%.
Bei fortgeschrittenem Tumor: Lebertransplantation. Ergebnisse jedoch nicht günstig. In bis zu 80% Tumorrezidive nach 1 Jahr
Als Palliativbehandlung kann eine systemische oder regionale Chemotherapie evtl. alternierend mit einer Strahlentherapie versucht werden, aber auch eine Chemoembolisation der Äste der A. hepatica.
Prognose: Überlebenszeit bei Patienten ohne Resektion etwa 6 Monate. 5Jahres-Überlebensrate nach radikaler Resektion etwa 20%, bei Tumorgröße < 5 cm Durchmesser ca. 50 %. Günstiger ist die Prognose beim fibrolamellären Karzinom.
Palliativbehandlung: • systemische oder regionale Chemotherapie • Chemoembolisation der tumorversorgenden Arterienäste Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate nach radikaler Resektion: 20%
10.6.2.2 Primäres cholangiozelluläres Karzinom
2. Primäres cholangiozelluläres Karzinom
Es ist 4 mal seltener als das Leberzellkarzinom und entwickelt sich überwiegend in nichtzirrhotischen Lebern. Man unterscheidet den peripheren und den hiliären (zentralen) Typ. Beim ersten handelt es sich um einen Tumor der kleinen Gallengänge in der Leberperipherie und beim hiliären um einen Tumor der großen intrahepatischen Gallengänge (Ductus hepaticus) bzw. deren Bifurkation (Klatskin-Tumor; s. Abb. 35.11-17, S. 691).
Entwicklung meist in nichtzirrhotischen Lebern Peripherer und hiliärerTyp (Klatskin-Tumor).
Im Vordergrund der Symptomatik steht der Ikterus infolge intrahepatischer Cholestase. Die direkte Cholangiographie (PTC, ERC) ist für die Diagnose und Differentialdiagnose wichtig. Die Heilung ist durch Resektion möglich, evtl. auch durch eine Lebertransplantation. Als palliative Behandlung kommt eine perkutane transhepatische bzw. endoskopische transduodenale Drainage (z. B. Stent) zur Beseitigung des Ikterus in Frage. Die 5-Jahres-Überlebensrate ist gering.
Symptomatik: Ikterus
10.6.2.3 Sekundäre Lebertumoren (Lebermetastasen) Sie sind die häufigsten bösartigen Geschwülste der Leber und finden sich überwiegend bei malignen Tumoren im Zuflußgebiet der Pfortader: Magen, Pankreas, Kolon und Rektum sowie Ösophagus. Beim regelmäßigen Tumor-Nachsorgeprogramm werden Metastasen mit der Oberbauchsonographie und CT häufig festgestellt (Abb. 35.10-13). Die Überlebenszeit bei Lebermetastasen ist von der Art des Primärtumors abhängig. Sie beträgt im Mittel etwa 4-8 Monate. Bei Patienten mit kolorektalem Karzinom ist die Prognose nach Resektion der Metastasen (Keilexzision oder Hemihepatektomie) deutlich besser als
Therapie: Resektion, evtl. Lebertransplantation Palliative Behandlung: Drainage zur Beseitigung des Ikterus
3. Sekundäre Lebertumoren (Lebermetastasen) Häufigste maligne Geschwülste der Leber
Überlebenszeit bei Lebermetastasen ist von der Art des Primärtumors abhängig: ca. 4-8 Monate
Metastasen]
Abb.35.10-12: CT der Leber: ausgedehntes primäres Leberzellkarzinom des rechten Lappens bei Zirrhose mit Aszites (->) (Röntgeninstitut Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
Abb.35.10-13: Angio-CT der Leber: multiple Metastasen in beiden Lappen beim primären kolorektalen Karzinom (Röntgeninstitut Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
5-Jahre-Überlebensrate nach Resektion: 25-40 % Operationsindikation: - großzügig stellen - sind beide Leberlappen befallen: regionale Chemotherapie über Port-a-Cath®
bei anderen Karzinomen. 20-30% aller Metastasen sind resezierbar. Die Operationsletalität beträgt 0-5 %, die 5-Jahres-Überlebensrate 25^40 %. Die Indikation zur Entfernung von Lebermetastasen sollte großzügig gestellt werden. Finden sich diffuse Metastasen in beiden Leberlappen, so ist die regionale Chemotherapie sinnvoll. Überlebenszeiten und Lebensqualität können hierdurch deutlich verbessert werden.
Palliative Behandlung
10.6.2.4 Palliative Behandlungsverfahren
• systemische Chemotherapie, • lokale Maßnahmen
Für nichtresezierbare Tumoren kommen die systemische Chemotherapie (5Fluorouracil, Adriamycin, Mitomycin C, Methotrexat u. a. m.) und eine Reihe von Lokalmaßnahmen als palliative Behandlungsverfahren in Frage. Mitunter kann dadurch eine deutliche, wenn auch nicht wesentliche Verlängerung der Überlebenszeit und eine Besserung der Lebensqualität erreicht werden.
Systemische Chemotherapie - Indikation: • extrahepatische Metastasen • Leberzirrhose
Die systemische Chemotherapie wird wegen der starken Nebenwirkungen, der niedrigen und damit wenig wirksamen Zytostatikakonzentration im Tumorgewebe nur noch in bestimmten Fällen angewandt. Die Indikation ist gegeben beim Vorliegen extrahepatischer Metastasen und bei Zirrhose.
Lokoregionale Therapie: • intraarterielle Chemotherapie über ein Portsystem • Tumorembolisation • Bestrahlung
Die lokoregionale Therapie (s. Kap. 25, S.233) basiert darauf, daß die malignen Lebertumoren zu etwa 90 % arteriell und nur zu 10 % portal venös versorgt sind. Diese Therapieform ist bei gleichzeitigen extrahepatischen Tumormetastasen kontraindiziert. • lokoregionäre Infusionschemotherapie: Durch die gezielte i. a. Verabreichung kann ein hoher Zytostatikaspiegel im Tumorgewebe mit weniger systemischen Nebenwirkungen erreicht werden. Dazu wird operativ ein Katheter (z. B. Port-a-Cath®) in die A. hepatica mit einem subkutan eingepflanzten Zytostatikareservoir eingelegt. Die mediane Überlebenszeit beträgt etwa 14-18 Monate. • Embolisation: Die selektive Embolisation der arteriellen Gefäße (mit Hilfe der Seldinger-Technik über die A. femoralis) führt zu ischämischen Tumornekrosen. Bei der Chemoembolisation werden der Okklusionssubstanz (z.B. Microsphären) Zytostatika beigemischt. Endokrine Lebertumoren sprechen gut auf diese Behandlung an. Ein weiterer Therapieversuch ist die Ligatur der A. hepatica oder Okklusion derselben mit Ballonkatheter. Die perkutane Radiatio kommt wegen der geringen Strahlentoleranz der Leber (ca. 24 Gray) nur symptomatisch (Schmerzlinderung bei Leberkapselspannung infolge Tumorwachstum) in Betracht.
Gallenwege
11. Gallenblase und Gallenwege R. U. Häring
Anatomie Zum extrahepatischen Gallenwegsystem zählen - Gallenblase, D. cysticus - D. hepaticus communis - D. choledochus
Klinische Anatomie. Zum extrahepatischen Gallenwegsystem zählen - Gallenblase mit Ductus cysticus, - Ductus hepaticus communis (Zusammenfluß der Dd. hepatici dexter et sinister) - Ductus choledochus Die Ducti hepatici dexter et sinister vereinigen sich in der Leberpforte und bilden den D. hepaticus communis, der nach Einmündung des D. cysticus als D. choledochus bezeichnet wird. Sie verlaufen im Lig. hepatoduodenale lateroventral der V. portae und der A. hepatica propria. Der D. choledochus verläuft dann retroduodenal in einer Pankreasrinne, um gemeinsam mit dem D. pancreaticus major (Wirsungianus) an der Hinterwand der Pars inferior duodenalis in der Papilla duodeni major (Papilla Vateri) in das Duodenum einzumünden (Abb.35.11-1). Die arterielle Blutversorgung der Gallenblase erfolgt durch die A. cystica. Funktionell entspricht diese einer Endarterie, die regelhaft aus der A. hepatica dextra entspringt. Der venöse Blutabstrom aus der Gallenblase erfolgt unter Umgehung der V. portae direkt in die Leber. Für Verlauf und Einmündung des D. cysticus, sowie Ursprung und Verlauf der A. cystica sind zahlreiche Normvarianten beschrieben. Der Chirurg muß sie genauestens
Arterielle Versorgung der Gallenblase durch die A. cystica aus der A. hepatica dextra
Gallenblase und Gallenwege
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Abb.35.11-1: Schematische Darstellung der extrahepatischen Gallenwege und der Gefäßversorgung: 1. Gallenblase, 2. D.cysticus, 3. D. hepaticus, 4. D. hepaticus dexter, 5. D. hepaticus sinister, 6. D.choledochus, 7. Papille, 8. A. hepatica communis, 9. A. hepatica propria, 10. A.cystica, 11. Aa.hepaticae sin. etdex., 12. V. portae kennen, um intraoperative Gallengangs- oder Gefäßverletzungen zu vermeiden. Ebenso wechselhaft kann die gemeinsame Einmündung von D. choledochus und D. pancreaticus in das Duodenum sein. Für sie sind 4 Hauptvarianten beschrieben, deren Kenntnis für das Verständnis der pathogenetischen Mechanismen der biliären Pankreatitis und bei der Resektion des penetrierenden Ulcus duodeni von Bedeutung ist.
Für A. cystica, D. cysticus und Mündung des D. choledochus gibt es zahlreiche Normvarianten, Gefahr einer intraoperativen Gallengangs- oder Gefäßverletzung
Physiologie und Pathophysiologie: Die Galle wird kontinuierlich in der Leber produziert. Diese Lebergalle besteht zu 95-98 % aus Wasser und zu 2 5 % aus organischen (Gallensäuren, Phospholipiden, Cholesterin) und anorganischen Bestandteilen wie Kalium, Natrium, Kalzium, Chlorid und Bikarbonat. Die Lebergalle wird in der Gallenblase gespeichert und je nach Bedarf schubweise in das Duodenum ausgeschieden. Der physiologische Reiz zur Gallenblasenentleerung ist die Nahrungsaufnahme. Humoral gesteuert (Cholezystokinin, im Duodenum und proximalem Jejunum) wird die Gallenblase zur Kontraktion und der Sphincter Oddi zur zeitgerechten Erschlaffung angeregt. Die Gallensäuren ermöglichen im Darm durch Mizellenbildung die Fettabsorption und werden vor allem im terminalen Ileum zu 95 % reabsorbiert und dem enterohepatischen Kreislauf wieder zugeführt. Ist die Rückresorption der Gallensäuren durch entzündliche Erkrankungen, Durchfälle, ausgedehnte Darmresektionen, Kurzschlußverbindungen usw. gestört, so kann dies leicht zur Gallensteinbildung (Lithogenese) führen. Das täglich produzierte Volumen der Lebergalle von 700-1200 ml kann nicht in der Gallenblase gespeichert werden; daher wird die Galle durch Wasserentzug eingedickt. Die organischen Bestandteile der Blasengalle verändern sich in ihrem Verhältnis zueinander aber nicht, so daß der Lithogenitätsindex und damit eine Übersättigung der Galle mit einzelnen Bestandteilen nicht zunimmt (s. Gallensteinbildung S.679).
Physiologie Lebergalle: 98% Wasser, nur 2-5% organische und anorganische Bestandteile.
11.1 Diagnostik von Gallenwegerkrankungen Zur Abklärung von Oberbauchbeschwerden stehen indirekte (nicht invasive), direkte (invasive) und intraoperative Untersuchungsverfahren zur Verfügung. Voraussetzungen für den sinnvollen Einsatz der apparativen Diagnostik sind die sorgfältige Anamnese und die gründliche körperliche Untersuchung. Ergänzt wird die Diagnostik durch das Laborscreening.
Gallenblase dient der Speicherung. Entleert sich auf hormonellen Reiz (Cholezystokinin)
Mizellenbildung ermöglicht die Fettabsorption durch Gallensäuren. Reabsorption der Gallensäuren erfolgt überwiegend im terminalen Ileum —> enterohepatischer Kreislauf. Kann durch Entzündungen, Durchfälle, Darmresektion, Kurzschlußverbindungen gestört werden führt zur Gallensteinbildung Durch Wasserentzug wird die Blasengalle konzentriert: - Gleichgewicht der organischen Bestandteile bleibt erhalten - keine Änderung des Lithogenitätsindex Diagnostik Indirekte Untersuchungsverfahren
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes 11.1.1 Indirekte Untersuchungsverfahren
Sonographie Screeningverfahren zur Abklärung von Gallenwegserkrankungen
Sonographische Zeichen einer Gallenblasenerkrankung: 1. Schallschatten bei Steinen > 3 m m 2. Wandverdickung 3. Gallenblasengröße T Sonographische Zeichen einer Gallenwegserkrankung: - Beurteilung der Gallengänge durch Luftüberlagerung eingeschränkt - Dilatation und Stauung der Gänge Röntgen-Abdomenübersicht: Hinweise für Gallenwegserkrankung: - kalkhaltige Konkremente - Porzellangallenblase - Luft in den Gallenwegen
Sonographie, heute ein Screeningverfahren zur Diagnostik von Gallenwegserkrankungen mit hoher Treffsicherheit (95-98%) bei Cholezystolithiasis und Komplikationen: Hydrops, Empyem, akute Cholezystitis. Ihr Vorteil ist neben der fehlenden Strahlenbelastung die gleichzeitige differentialdiagnostische Beurteilung der Nachbarorgane, unabhängig von der Leberfunktion. Zeichen einer Gallenblasenerkrankung im Sonogramm sind: • positiver Steinnachweis ab einer Größe von 3 mm mit Schallschatten (Abb. 35.11-2) • Wandverdickung mit evtl. pericholezystärem Flüssigkeitssaum (s. Abb. 35.11-9, S.681) und • die gestaute, vergrößerte Gallenblase (Abb. 35.11-3). Im Bereich der extrahepatischen Gallengänge wird die Diagnosestellung durch Luft- und Darmgasüberlagerung erschwert. Der positive Steinnachweis ist hier nur in 60-70 % der Falle möglich. Indirekte Zeichen der Gallengangserkrankungen sind gestaute und dilatierte Gallengänge. Röntgen-Abdomenübersicht (s. Abb.35.11-8, S.681): Nur ca. 15 % der Gallensteine sind schattengebend (kalkhaltig) und werden direkt auf der Abdomenübersicht erkannt. Ein weiterer Hinweis auf eine Gallenwegserkrankung ist das positive Aerogramm im Bereich der Gallenwege. Orale Cholegraphie, wurde als Screeningverfahren von der Sonographie abgelöst.
Intravenöse Cholezystochoiangiographie (Abb. 35.11-4): indiziert bei Verdacht auf Choledocholithiasis kontraindiziert beim Verschlußikterus. Vorsicht bei Kontrastmittelallergie!
Intravenöse Cholezystochoiangiographie: Prinzip ist die i.v. Applikation des gallegängigen Kontrastmittels als Injektion oder Infusion mit anschließenden Schichtaufnahmen im Zeitverlauf (Abb. 35.11-4). Mit diesem Verfahren gelingt eine gute Darstellung des extrahepatischen Gallenwegssystems. Die Choledocholithiasis kann bereits präoperativ gesichert werden. Der Operateur erhält Informationen über den Gallengangsverlauf, die ihn vor überraschenden intraoperativen Befunden warnen. Bei der einfachen Cholezystolithiasis ohne anamnestische Hinweise auf eine Choledocholithiasis sollte man auf diese Untersuchung heute jedoch verzichten, denn sie ist mit einer erheblichen Rate von Nebenwirkungen im Sinne allergischer Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock behaftet. Beim Verschlußikterus (Bilirubin > 2 m g % ) ist sie kontraindiziert, da das Kontrastmittel nicht mehr von der ikterischen Leber ausgeschieden wird.
Abb.35.11-2: Typische Zeichen der Cholezystolithiasis im Sonogramm: Steinreflex, Schallschatten
Binnenechos (Konkrement) dorsale Schallauslösung
Abb.35.11-3: Gallenblasenhydrops Konkrement
mit
Gallenblase und Gallenwege
Abb.35.11-4: Intravenöse Cholangiographie bei Cholezystolithiasis. Zarte Füllung d. D.Choledochus
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Abb.35.11-5: ERC bei Cholezystocholedocholithiasis nach Einlage einer nasobiliären Sonde
CT. Selten notwendig. Lediglich bei Verschlußikterus und Verdacht auf ein malignes Tumorleiden kann sie wesentlich zur Diagnosesicherung beitragen. Insbesondere zur Abklärung der Operabilität liefert sie wichtige Hinweise, da lokale Tumorinfiltration und Metastasierung beurteilt werden können.
Computertomographie: keine Routineuntersuchung, wichtig für Tumor-Staging und zur Abklärung der Operabilität bei maligner Erkrankung
MRT. Zur Beurteilung der lokalen Operabilität bei Gallenblasen- und Gallengangstumoren geeignet. Der Vorteil ist die bessere Gewebecharakterisierung.
MRT: sinnvoll zur Beurteilung der lokalen Operabilität bei Gallenwegstumoren, da bessere Gewebecharakterisierung
So kann zwischen Tumorbefall und entzündlichem Ödem unterschieden und die intrahepatische Ausdehnung der Gallenwegskarzinome beurteilt werden.
Hepatobiliäre Sequenzszintigraphie: Prinzip ist die Injektion eines gallegängigen Radiopharmakons (Hepatobida), das über die Hepatozyten in die Gallengänge ausgeschieden wird. Indiziert ist diese Untersuchung zur Differenzierung zwischen intra- und extrahepatischer Cholestase, insbesondere nach vorausgegangener Operation im Bereich der Gallenwege.
Hepatobiliäre Sequenzszintigraphie: zur Differenzierung zwischen intra- und extrahepatischer Cholestase, insbesondere nach Voroperationen
11.1.2 Direkte Untersuchungsverfahren
Direkte Untersuchungsverfahren
Endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie (ERCP). Prinzip: Röntgenkontrastmitteldarstellung der Gallenwege und des Pankreasganges durch endoskopische Sondierung der Papilla major. Indikationen: • Verdacht auf Choledocholithiasis und Postcholezystektomiesyndrom • zur Differenzierung zwischen benigner oder maligner Ursache eines Verschlußikterus • zur Beurteilung von Gallenwegsanomalien, -gangzysten oder Strikturen. Gleichzeitig sind therapeutische Maßnahmen möglich: endoskopische Papillotomie und Steinextraktion, Einlage einer nasobiliären Sonde, Plazierung von Gallengangsendoprothesen oder Stents zur palliativen Überbrükkung von malignen Verschlüssen (Abb.35.11-5).
ERCP: indiziert beim Verschlußikterus. Differenzierung zwischen Stein- und Tumorleiden. Gleichzeitig Therapie möglich (Papillotomie, Steinextraktion, Stent-Einlage)
Endosonographie. Intraluminale Sonographie von Gallenblase und Gallenwegen mit einer endoskopisch bis in die Pars descendens duodeni eingeführten Ultraschallsonde. Indikation: überwiegend präoperatives lokoregionäres Tumorstaging. Ebenso können Tumorinfiltrationen der Wandschichten und lokoregionäre Lymphknoten beurteilt werden.
Endosonographie: indiziert zum präoperativen lokoregionären Tumorstaging
Die Aussagekraft der Methode ist bei steingefüllter Gallenblase und bei proximalen Gallengangstumoren eingeschränkt.
678
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
PTC: indiziert beim Tumorverschluß, insbesondere der Hepatikusgabel oder wenn ERCP technisch nicht durchführbar ist. Gleichzeitig Therapie: Einlage einer Drainage (PTD) zur Dekompression des Gallenwegssystems oder palliative Maßnahme bei inoperablem Tumor
Perkutane transhepatische Cholangiographie (PTC): Anterograde Darstellung des Gallengangssystems durch perkutane, sonographisch gezielte Punktion der dilatierten Gallenwege mit anschließender Kontrastierung. Auch sie ist beim Verschlußikterus indiziert, insbesondere wenn eine ERCP aus technischen Gründen mißlingt oder nicht durchführbar ist (vorausgegangene biliodigestive Anastomose oder distale Magenresektion nach Billroth II), ebenso bei Tumorverschlüssen im Bereich der Hepatikusgabel (Klatskin-Tumor). Hier liefert die PTC wichtige Hinweise über die Ausdehnung proximal der Tumorstenose, so daß die Möglichkeiten eines operativen Eingriffs abschätzbar werden.
intraoperative Untersuchungsverfahren
11.1.3 Intraoperative Untersuchungsverfahren
Folgende Fragen werden beantwortet:
Das breite Spektrum der diagnostischen Methoden wird durch die intraoperativen Verfahren abgerundet. Ziel der intraoperativen Diagnostik ist die Beantwortung der nachfolgenden Fragen:
Ì>
• Anatomie der Gallengänge? Choledocholithiasis? Abflußhindernis der Galle durch Tumor oder Entzündung? • Gallengangsrevision erforderlich? Iatrogene Gallengangsverletzung? Juristische Dokumentation? Folgende Untersuchungen können durchgeführt werden:
Intraoperative Cholangiographie Beurteilt werden: - Kontrastmittelabfluß in das Duodenum - Weite des Gallengangs - Steinfreiheit der Gallengänge. Simultane Manometrie meist überflüssig. Bei pathologischem Befund Gallengangsrevision indiziert Intraoperative Choledochoskopie: direkte Inspektion des Hauptgallengangs, der Papille und der Hepatikusgabel • Indikationen: Choledocholithiasis, Tumorverdacht, Papillenstenose Intraoperative Sonographie der Leber: • Metastasenverdacht, Gallenblasenkarzinom Intraoperative Sonographie der Gallenwege: • Gallengangstumoren • Choledocholithiasis Auch bei laparoskopischen Operationen möglich, jedoch nicht in allen Kliniken verfügbar
Intraoperative Cholangiographie. Prinzip: Kanülierung des D. cysticus mit anschließender Kontrastmittelapplikation und Durchleuchtung. Beurteilt wird der Kontrastmittelabfluß in das Duodenum, die Weite des Gallengangs und die Steinfreiheit der extra- und intrahepatischen Gallengänge.
Cholelithiasis
11.2 Cholelithiasis
Im Rahmen der konventionellen Cholezystektomie war diese Untersuchung obligat. Nach Verbesserung des Instrumentariums findet die Methode auch bei der laparoskopischen Cholezystektomie zunehmend Anwendung. Bei pathologischem Befund ist die Gallengangsrevision weiter indiziert.
Choledochoskopie: Die Choledochoskopie mit speziellen starren und flexiblen Geräten ermöglicht die direkte Inspektion des Hauptgallengangs, der Papille und der Hepatikusgabel. Bei Tumorverdacht ist gleichzeitig die Entnahme von Biopsiematerial möglich. Intraoperative Sonographie: Domäne der intraoperativen Sonographie ist die Metastasenchirurgie der Leber. Die intraoperative Beurteilung der Gallenwege bei Verdacht auf Choledocholithiasis ist auch bei laparoskopischen Operationen mit speziellen Ultraschallsonden möglich; sie gilt jedoch noch nicht als etabliertes Verfahren.
Im Einzelfall ist der Einsatz der Sonographie zur Abschätzung der Leberinfiltration eines malignen Gallenwegtumors sinnvoll.
Definition. Häufigste Erkrankung von Gallenblase (Cholzystolithiasis) und Gallengang (Choledocholithiasis), verursacht durch Gallensteine. Pathogenese
11.2.1 Epidemiologie und Pathogenese
Gallensteine: häufigste Erkrankung der Gallenwege. Prädispositionsfaktoren: - Adipositas - Schwangerschaft - Kontrazeptiva, Östrogenpräparate nach der Menopause - Stoffwechselerkrankungen - Gallensäurenverlustsyndrom
Die Häufigkeit von Gallensteinen ist abhängig von geographischen und ethnischen Faktoren sowie von Geschlecht und Alter.
Man schätzt, daß in Mitteleuropa ca. 10-15 % aller Männer und ca. 30 % aller Frauen im Alter von 45-70 Jahren Gallensteinträger sind. Als prädisponierende Faktoren gelten: • Adipositas, Schwangerschaft • Einnahme von Kontrazeptiva oder Östrogenpräparaten nach der Menopause, • Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus, Hyperparathyreoidismus).
Gallenblase und Gallenwege
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Die Resektion des terminalen Ileums z.B. beim Morbus Crohn führt über ein Gallensäurenverlustsyndrom aufgrund des defekten enterohepatischen Kreislaufs zur vermehrten Gallensteinbildung. D e r typische G a l l e n s t e i n k r a n k e w i r d t r e f f e n d d u r c h d i e 7 „ F " des A n g e l s a c h s e n b e s c h r i e b e n : fat, forty, female, fertile, fairy, flabby, full of flatus.
Typisch für den Gallensteinkranken:
Pathogenese: Zwischen organischen und anorganischen Bestandteilen der Blasengalle herrscht ein stabiles physiologisches Gleichgewicht. Die wasserlöslichen Gallensäuren halten durch Mizellenbildung die wasserunlöslichen Phospholipide und Cholesterine in Lösung. Übersättigung der Galle mit einzelnen Bestandteilen und damit die Erhöhung des lithogenen Index der Galle stellt den ersten Schritt zur Steinentstehung dar. Ort der Entstehung ist die Gallenblase. Nur im Ausnahmefall kommt es zur primären Steinbildung im Gallengang, und zwar bei Stase der Galle vor Strikturen, Fremdkörpern oder Fadenresten nach Voroperationen. Es werden Pigment- und Cholesterinsteine unterschieden. Pigmentsteine (= Bilirubinsteine, ca. 10%) entstehen als Folge einer Hämolyse im Rahmen hämolytischer Anämien, nach Herzklappenersatz, Malaria und anderen parasitären Erkrankungen, chronischen Infekten der Gallenwege und Leberzirrhose. Ursache ist die vermehrte Sekretion unkonjugierten Bilirubins sowie schlecht löslicher Bilirubinkonjugate durch die Leber. Reine Pigmentsteine sind selten, häufig findet man Kalkeinlagerungen. Ca. 90 % aller Steine sind Cholesterinsteine; dabei beträgt der Anteil reiner Cholesterinsteine nur ca. 10 %. Überwiegend handelt es sich um Kombinationssteine mit Kalziumsalzen und Bilirubinanteilen.
Pathogenese der Gallensteinbildung • Physiologisches Gleichgewicht zwischen organischen und anorganischen Substanzen der Blasengalle gestört • Mizellenbildung hält unlösliche Phospholipide und Cholesterine in Lösung • Übersättigung der Galle mit einzelnen Substanzen erhöht lithogenen Index - » 1. Schritt zur Steinbildung Steinarten: - Pigment- bzw. Bilirubinsteine ~ 10% - Cholesterinsteine, meist kombiniert mit Kalkeinlagerungen ~ 90%
11.2.2
Symptomatik
Symptomatik
D e r G a l l e n s t e i n t r ä g e r wird erst mit A u f t r e t e n v o n S y m p t o m e n z u m Gallensteinkranken. D i e m e i s t e n S t e i n e b l e i b e n klinisch s t u m m , d. h. sie v e r u r s a c h e n k e i n e B e s c h w e r d e n , u n d das R i s i k o d e r G a l l e n s t e i n t r ä g e r , eine K o m p l i k a t i o n zu e r l e b e n , ist gering. Typisches, a b e r n i c h t h ä u f i g s t e s S y m p t o m d e s G a l l e n s t e i n k r a n k e n ist d i e Gallenkolik, a u s g e l ö s t d u r c h e i n e n V e r s c h l u ß d e s D. cysticus. H i e r b e i k o m m t es i n f o l g e d e r D r u c k e r h ö h u n g in d e r sich g e g e n d a s H i n d e r n i s k o n trahierenden Gallenblase zur Ü b e r d e h n u n g der Gallenblasenwand. D e r Kolikschmerz ist d u r c h a n f a l l s a r t i g e , heftigste, w e l l e n f ö r m i g v e r l a u f e n d e S c h m e r z e n , die o f t a u s völligem W o h l b e f i n d e n a u f t r e t e n , c h a r a k t e r i s i e r t . D e r viszerale Schmerz b e g i n n t m e i s t i m E p i g a s t r i u m u n d v e r l a g e r t sich d a n n in d a s r e c h t e H y p o c h o n d r i u m m i t A u s s t r a h l u n g in d e n R ü c k e n u n d z u m r e c h t e n S c h u l t e r b l a t t e n t s p r e c h e n d d e n H e a d - Z o n e n ( A b b . 35.11-6). D i e S c h m e r z a t t a c k e k a n n v o n Übelkeit, Erbrechen und flüchtigem Ikterus b e g l e i t e t w e r d e n . P e r i t o n i t i s c h e S y m p t o m e f e h l e n m e i s t . A u s g e l ö s t wird der Schmerz häufig durch eine fettreiche opulente Mahlzeit.
Erst mit Auftreten von Symptomen wird der Gallensteinträger zum Gallensteinkranken Typisches Symptom: • Gallenkolik mit Schmerzausstrahlung in Rücken und rechte Schulterblattregion Weitere Symptome: - dumpfe Oberbauchschmerzen - Übelkeit - Erbrechen - flüchtiger Ikterus - Nahrungsunverträglichkeit
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
680
Cholezystolithiasis
Gallige Peritonitis
Abb. 35.11-7: Komplikationen der Gallensteinerkrankung
Gallenblasenkarzinom
Biliodigestive Fistel
Gallensteinileus
Gallensäureverlustsyndrom
Verschlußikterus
Akute eitrige Cholangitis
Papillenstenose
Pankreatitis
Biliäre Leberzirrhose
Komplikationen des Gallensteinleidens
11.2.3 Komplikationen
- durch Entzündungen - durch Steinwanderung
Der Verlauf des Gallensteinleidens ist nicht vorhersehbar. 50% der Patienten mit symptomatischen Gallensteinen haben rezidivierende Beschwerden, und bei ihnen ist das Risiko einer Gallensteinkomplikation hoch. Man unterscheidet entzündliche und Steinwanderungskomplikationen (Abb. 35.11-7).
Chronische Cholezystitis
11.2.3.1 Chronische Cholezystitis
Mechanische Irritation der Gallenblasenwand führt zur chronischen Entzündung mit sekundärer Keimbesiedlung. Endstadium ist die funktionslose Schrumpfgallenblase Gallenblasenhydrops: Verschluß des D. cysticus (Vernarbung, Konkrement) bewirkt Gallenaufstau. Gestaute Gallenblase imponiert als prallelastischer Tumor Porzellangallenblase: Rückresorption von Galiensäuren und Bilirubin führt zu entfärbter (weißer) Galle. Bei Präzipitation von Kalziumsalzen Porzellangallenblase - erhöhtes Karzinomrisiko (60%) Klinik: Symptomatisches u. asymptomatisches Stadium. Dumpfe intervall- oder plateauartige rechtsseitige Oberbauchschmerzen, oft nur uncharakteristische dyspeptische Beschwerden Untersuchung: - Druckschmerz im re. Oberbauch (Murphy-Zeichen) - gelegentlich Abwehrspannung und - palpable Resistenz (Hydrops) Labor: uncharakteristisch - Leukozytose, B S G ? , geringe Erhöhung der Transaminasen und der alkalischen Phosphatase Sonographie: - Wandverdickung - positiver Steinnachweis - keine Gallenblasenkontraktion auf Reiz
Definition. Gallenblasensteine führen durch die mechanische Irritation der Gallenblasenwand zu einer chronischen Entzündung, die primär abakteriell verläuft. Erst sekundär tritt eine aszendierende Keimbesiedelung hinzu. Endstadium des chronischen Entzündungsprozesses ist die funktionslose Schrumpfgallenblase. Wird der D. cysticus durch ein Konkrement verschlossen, kann sich ein Gallenblasenhydrops ausbilden. Die gestaute, funktionslose Gallenblase imponiert als prallelastischer Tumor. Durch Reabsorption von Gallensäuren und Bilirubin entsteht eine entfärbte weißliche Galle, die bei Präzipitation von Kalziumkarbonat schließlich das Bild einer Porzellangallenblase ergibt (Abb.35.11-8), die mit einem erhöhten Karzinomrisiko bis zu 60 % verbunden ist. Klinisch wird zwischen einem asymptomatischen und symptomatischen Stadium der chronischen Cholezystitis unterschieden. Angegeben werden kontinuierliche oder intervallartige, dumpfe, plateauartige rechtsseitige Oberbauchschmerzen. Die Schmerzepisoden können mehrere Tage anhalten. Oft klagen die Patienten nur über uncharakteristische dyspeptische Beschwerden, Unverträglichkeit von Kaffee, Fett und anderen Speisen. Bei der körperlichen Untersuchung findet sich ein Druckschmerz im rechten Oberbauch (Murphy-Zeichen) mit gelegentlicher Abwehrspannung, eventuell auch eine palpable Resistenz.
Akute Cholezystitis
11.2.3.2 Akute Cholezystitis
Infektion: Durch chemische und mechanische Schädigung der Gallenbiasenwand. Sekundäre Keiminvasion: hämatogen (Pfortader, A. cystica), lymphogen und aszendierend (Duodenum)
Infektion. Die mechanische Irritation der Gallenblasenwand durch Konkremente (Entleerungsstörung Wandüberdehnung -4 Wandischämie) und gleichzeitige chemische Schädigung durch aufgestaute Gallensäuren erleichtert die sekundäre Keiminvasion: • hämatogen (Pfortader, A. cystica), lymphogen oder aszendierend (Duodenum).
Laborchemisch bestehen nur uncharakteristische Veränderungen wie Leukozytose, BSG-Beschleunigung, leichte Erhöhung der Transaminasen und der alkalischen Phosphatase.
Die Diagnose wird durch das Sonogramm gesichert. Sind die Kriterien für die chronische Cholezystitis (Wandverdickung, Steinnachweis) gegeben, sind weitere Untersuchungen nicht erforderlich. Begleiterkrankungen von Nachbarorganen (z.B. Magen) sollten jedoch präoperativ ausgeschlossen sein.
Gallenblase und Gallenwege
Abb.35.11-8: Röntgen-Abdomenübersicht und Darstellung einer Porzellangallenblase (Kalkeinlagerungen in der Wand)
681
Abb.35.11-9a,b: Zeichen der akuten Cholezystitis im Sonogramm: 1 WandVerdickung, 2 pericholezystärer Flüssigkeitssaum, 3 Steinschatten, 4 diffuse Reflexionen u. Sludge
Klinisch gehen der akuten Cholezystitis meist Koliken voraus. Die Patienten klagen dann jedoch über anhaltende Schmerzen im rechten Oberbauch mit typischer Ausstrahlung, begleitet von Übelkeit und Erbrechen. Zusätzlich bestehen hohe Temperaturen, evtl. Schüttelfrost, Sklerenikterus und eine reflektorische Darmparalyse. Bei der körperlichen Untersuchung ist der rechte Oberbauch druckschmerzhaft mit Abwehrspannung und lokaler Peritonitis. Ein Gallenblasenempyem ist als druckdolente Resistenz im rechten Oberbauch palpabel.
Verlaufsformen: serofibrinös, phlegmonös, ulcerös nekrotisierend, empyematös oderemphysematös. Übergreifen auf Nachbarorgane möglich (Pericholezystitis) Gefährlichste Komplikation: Perforation mit galliger oder eitriger Peritonitis Häufigste Erreger: E. coli, Streptokokken, Enterokokken, Klebsiellen, Proteus, selten Clostridium perfringens (emphysematöse Cholezystitis) Symptome: - anfangs Koliken - später Dauerschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Schüttelfrost, Sklerenikterus und reflektorische Darmparalyse Befunde: - Druckschmerz re. Oberbauch - Abwehrspannung - lokale Peritonitis
Laborchemisch finden sich die Zeichen der akuten Entzündung mit Leukozytose, BSG-Beschleunigung und evtl. zusätzlich eine leichte Bilirubin-, Transaminasenerhöhung sowie ein Anstieg der alkalischen Phosphatase.
Labor: Leukozytose, BSG, Bilirubin, Transaminasen und alkalische Phosphatase erhöht
Diagnostisches Hilfsmittel ersten Ranges ist auch hier die Sonographie: • Gallenblasenwandverdickung mit evtl. pericholezystärem Flüssigkeitssaum und Steinnachweis • vergrößerte, gestaute Gallenblase und diffuse Reflexionen oder Sludge im Gallenblasenlumen (Abb. 35.11-9).
Sonogramm: 1. Wandverdickung 2. Steinnachweis 3. gestaute, vergrößerte Gallenblase 4. Reflexionen, Sludge
Formen. Die akute Cholezystitis kann serofibrinös, phlegmonös, ulzerös, nekrotisierend und empyematös (Gallenblasenempyem) verlaufen. Komplikation. Die Entzündung kann auf Nachbarorgane übergreifen (Pericholezystitis), und durch Verklebung mit ihnen (Duodenum, Querkolon, großes Netz, Leber) entsteht ein pericholezystitischer Konglomerattumor. Bedrohlichste Komplikation ist die Nekrose der Gallenblasenwand mit Perforation und galliger oder eitriger Peritonitis. Die häufigsten Erreger sind E. coli, Streptokokken, Enterokokken, Klebsiellen, Proteusarten und selten Chlostridium perfringens (emphysematöse Cholezystitis).
Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind: • akute Pankreatitis, penetrierendes Ulkus • akute Appendizitis, Pyelonephritis • Leberabszesse, akute Alkoholhepatitis, Stauungsleber • akuter Myokardinfarkt, rechtsbasale Pneumonie. Eine schlechte Prognose hat die akute emphysematöse Cholezystitis, hervorgerufen durch eine Gallenblaseninfektion mit Chlostridium perfringens. Betroffen sind meist abwehrgeschwächte Patienten (Diabetiker). Der Verlauf ist foudroyant. Typisch sind eine kurze Dauer der Beschwerden mit rascher Verschlechterung, Leukozytose über 20000 und der sonographische Nachweis von Lufteinschlüssen in Gallenblasenlumen oder -wand. Auf der Abdomenübersicht sind ebenfalls Gasspiegelbildungen in den Gallenwegen sichtbar.
Differentialdiagnose:
Emphysematöse Cholezystitis: Infektion mit Clostridium perfringens. Bei abwehrgeschwächten Patienten foudroyanter Verlauf Sonogramm: Lufteinschlüsse in Gallenblasenlumen oder-wand. Gasspiegelbildungen und Luft in den Gallenwegen (Abdomenübersicht)
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
682 Steinlose akute Cholezystitis: nach großen Operationen, Verbrennungen, Polytrauma Ursache: medikamentöse Hemmung der Gallenmotorik, Eindickung und Mikrozirkulationsstörungen infolge Hypovolämie und Schock
Eine Sonderform der akuten Cholezystitis stellt die steinlose Cholezystitis dar. Betroffen sind meist Patienten nach Verbrennungen, Polytrauma oder großen Operationen. Die Ätiologie ist multifaktoriell. Die medikamentöse Hemmung der Gallemotorik, die Stase und Eindikkung der Galle bei parenteraler Ernährung und Mikrozirkulationsstörungen infolge von Hypovolämie und Schock gelten als ursächliche Mechanismen. Die Diagnose ist insbesondere beim beatmeten Intensivpatienten schwierig zu stellen. Die Klinik unterscheidet sich nicht von der anderer Cholezystitiden.
Gallen steinileus
11.2.3.3 Gallensteinileus
Ursache: große Solitärsteine führen zur Entzündung der Gallenblasenwand Übergreifen auf Nachbarorgane biliodigestive Fistel -> Steinwanderung Einklemmung im Darmlumen Obstruktionsileus
Definition. Große Solitärsteine der Gallenblase können ohne auffällige klinische Zeichen zu einem chronisch fortschreitenden Entzündungsprozeß der Gallenblasenwand führen. Es bilden sich Adhäsionen mit den Nachbarorganen, die bei Arrosion der Gallenblasenwand eine biliodigestive Fistel zur Folge haben, durch die das Konkrement in das Intestinum abwandern kann (Abb. 35.11-10). Meist handelt es sich um bilioduodenale, seltener um biliokolische oder biliogastrale Fisteln. Das mit der Peristaltik transportierte Konkrement kann sich im Darmlumen einklemmen und einen Obstruktionsileus auslösen. Prädilektionsstelle hierfür ist das mittlere oder terminale Ileum. Der typische Krankheitsverlauf läßt sich in 3 Phasen einteilen.
Symptome: • dreiphasiger Krankheitsverlauf:
(1) Tage vor der stationären Aufnahme kolikartige rechtsseitige Oberbauchschmerzen als Ausdruck der Steinpenetration (2) intermittierende Schmerzen mit Übelkeit und Erbrechen als Ausdruck passagerer Obstruktion (3) kompletter mechanischer Ileus mit Erbrechen, Wind- und Stuhlverhaltung.
Abb.35.11-10: Steinwanderung von der Gallenblase in das Duodenum infolge pericholezystitischer Verwachsungen, a. Entzündliche Verwachsungen, b. Perforation des Gallensteins durch die biliodigestive Fistel, c. chronische Fistelbildung zwischen Gallenblase und Duodenum
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Abb. 35.11-11: Gallensteinileus: 1 positives Aerogramm der Gallenwege, 2 Steinschatten außerhalb der Gallenblase, 3 Dünndarmileus
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683
Gallenblase und Gallenwege Daher spricht man beim Gallensteinileus wegen seiner wechselnden Symptomatik, die Ausdruck der Steinwanderung ist, vom „launischen Ileus". Die Abdomenübersicht zeigt (Riegler-Trias): positives Aerogramm der Gallenwege, Steinschatten außerhalb der Gallenblase, Zeichen des Dünndarmileus (Abb. 35.11-11).
Diagnose: Röntgen-Abdomen, Riegler-Trias: 1. Aerobilie 2. Steinschatten extrabiliär 3. Ileus
Therapeutisch erlaubt der meist schlechte Allgemeinzustand des Patienten nur die Enterotomie mit Steinentfernung und Dekompression des Dünndarmes. Die Cholezystektomie mit Aufhebung der biliodigestiven Fistel ist elektiv anzustreben. Die Letalität des Gallensteinileus ist hoch, bedingt durch das meist hohe Alter der Patienten und die verspätete Diagnose.
Therapie: Enterotomie mit Steinentfernung und Darmdekompression. Cholezystektomie und Beseitigung der biliodigestiven Fistel sekundär elektiv
11.2.3.4 Choledocholithiasis
Choledocholithiasis
Ursache. Beim Steinleiden der Gallenblase ist in 20-25 % mit Gallengangssteinen zu rechnen. Sie stammen überwiegend aus der Gallenblase (sekundäre Gallengangssteine). Die primäre Steinbildung im Gallengang ist die Ausnahme. Bisweilen bleiben auch Gallengangssteine klinisch stumm. Klassische Krankheitssymptome sind Oberbauchschmerzen und Koliken, die sich nicht vom Gallenblasensteinleiden unterscheiden, zusätzlich auch Zeichen der Cholestase mit Ikterus, acholischen Stühlen und dunklem Urin. Die Komplikationen der Choledocholithiasis reichen von der Cholangitis bis zur biliären Pankreatitis. Cholestase bedeutet Stagnation oder Aufstau der Galle als Folge gestörter Sekretion oder eines behinderten Galleabflusses. Es kommt zur Retention der gallepflichtigen Substanzen im Blut, insbesondere von Bilirubin und Gallensäuren. Leitsymptome sind Pruritus und Ikterus: Zu differenzieren ist zwischen prähepatischem, intrahepatischem und posthepatischem Ikterus. Der prähepatische Ikterus wird durch hämolytische Anämien ausgelöst. Er ist durch fehlende Bilirubinurie bei erhöhter Urobilinogenurie gekennzeichnet. Zusätzlich bestehen laborchemisch die Zeichen der Hämolyse. Ursache des intrahepatischen Ikterus ist eine primäre Schädigung der Leberzellen mit Störung der Bilirubinaufnahme oder Konjugation z.B. bei akuter Virushepatitis oder Leberzirrhose. Beim cholestatischen Ikterus wird ein intrahepatischer vom cholestatischen extrahepatischen Verschlußikterus (posthepatischer Ikterus = chirurgischer Ikterus) unterschieden.
Ursache: In 20-25% bei Cholezystolithiasis gleichzeitig Gallengangssteine Symptome: - Koliken und Oberbauchschmerzen - Cholestase mit Ikterus, acholische Stühle, dunkler Urin
Cholestase: Stagnation oder Aufstau der Galle infolge Störung von Gallesekretion oder Galleabfluß. Retention gallepflichtiger Substanzen (Bilirubin, Gallensäuren) im Blut • Leitsymptome: Ikterus und Pruritus 3 Ikterusformen: • prähepatisch: hämolytische Anämien • intrahepatisch: Virushepatitis, Leberzirrhose • posthepatisch: Choledocholithiasis, Gallengangs- oder Pankreaskopftumor
Ursache für den intrahepatischen cholestatischen Ikterus ist die primäre Störung der Gallesekretion (Medikamente, bakterielle Toxine bei Sepsis, Virushepatitis), seltener die Obstruktion intrahepatischer Gallengänge (cholangiozelluläres Karzinom, Metastasen, primär sklerosierende Cholangitis oder Gallengangsatresie).
Die extrahepatische Cholestase kann durch folgende Erkrankungen bedingt sein: Choledocholithiasis, Cholangitis, Gallengangkarzinom, -blasenkarzinom, Gallengangsstrikturen-, atresie, Choledochuszyste, Papillenstenose, Röhrenstenose bei Pankreatitis, Mirizzi-Syndrom, parasitäre Erkrankungen (Ascaris lumbrocoides, Echinococcus), Hämobilie. Pankreaskarzinom, Metastasen anderer Karzinome. Neben der Anamnese und der klinischen Symptomatik tragen Laborkonstellationen zur Differenzierung des Ikterus bei (Tab. 35.11-1). Bei Verdacht auf eine Cholangiolithiasis ohne Ikterus ist die i. v. Cholangiographie indiziert. Besteht ein Ikterus oder liefert die Untersuchung unklare Befunde, ist, insbesondere um zwischen einem benignen oder malignen Verschlußikterus zu differenzieren, die ERCP oder PTC erforderlich.
Ursachen des extrahepatischen cholestatischen Ikterus
684 Laborchemische Differentialdiagnose bei Gallengangsverschluß und hepatozellulärem Ikterus (Tab. 35.11-1)
35. Chirurgie des V e r d a u u n g s t r a k t e s Tab.35.11-1: Differentialdiagnostisch verwertbare Laborparameter bei Verschluß- und hepatozellulärem Ikterus Verschlußikterus Bilirubin alk. Phosphatase LAP GOT, GPT Gamma-GT GLDH
hepatozellulärer Ikterus TTT TTT
TTT
o.B. (T) TTT T
Urobilinogen i. Harn negativ
Bilirubin alk. Phosphatase LAP GOT, GPT Gamma-GT GLDH
TTT o.B. (T) o.B. (T)
TTT
T TTT
Urobilinogen i. Harn positiv
Cholangitis
11.2.3.5 Cholangitis
= bakterielle Entzündung der Gallenwege. Ursache ist eine Galleabflußstörung mit sekundärer Keimbesiedlung Symptome: Charcot-Trias 1. Ikterus 2. Fieber mit Schüttelfrost 3. Oberbauchschmerzen rechts
Definition, Ursache. Es handelt sich um eine akute bakterielle Entzündung der Gallenwege. Sie entsteht auf dem Boden einer Galleabflußstörung und Stase durch sekundäre aszendierende Keiminvasion. Die Abflußbehinderung ist meist bedingt durch eine Cholangiolithiasis, Gallengangsstriktur, Papillenstenose oder Folge von Voroperationen (biliodigestive Anastomose). Typisch ist die Symptomentrias (Charcot-Trias): • Ikterus, • Fieber mit Schüttelfrost, • Oberbauchschmerzen rechts. Gefürchtet ist die septische Verlaufsform (suppurative Cholangitis) mit Sepsis, Schock und zentralnervösen Ausfallerscheinungen bis zum Koma. Komplikationen: Leberabszesse und die sekundäre biliäre Leberzirrhose.
suppurative Cholangitis: septische Verlaufsform (Schock und ZNS-Beteiligung) Komplikationen • Leberabszeß • biliäre Leberzirrhose Diagnostik: • Sonogramm: Erweiterte extra- und intrahepatische Gallenwege. Weitere A b klärung durch ERC oder PTC Therapie: Beseitigung des Abflußhindernisses durch - PTD - nasobiliäre S o n d e und - Antibiotikaapplikation
Diagnostik. Sonographisch findet sich eine Erweiterung der intra- und extrahepatischen Gallenwege. Eine weitere Abklärung der Ursache ist mittels ERC oder PTC möglich. Therapeutisch steht neben der Antibiotikatherapie die primäre Entlastung des Gallenwegssystems durch endoskopische Papillotomie, Steinextraktion und nasobiliäre Sonde oder PTD (perkutane transhepatische Drainage) im Vordergrund.
Papillenstenose
11.2.3.6 Papillenstenose (Papillitis stenosans)
• primäre Papillenstenose: Ursache unbekannt • sekundäre Papillenstenose: mechanische oder entzündliche Irritation der Papille bei der Steinpassage, Begleiterkrankung von Nachbarorganen (Pankreatitis, Ulcus duodeni) Symptomatik wie bei Choledocholithiasis
Eine weitere Komplikation der Steinwanderung ist die Papillenstenose. Man unterscheidet die primäre von der sekundären Form Die Pathogenese der primären Papillenstenose ist unbekannt. Die sekundäre Papillenstenose ist Folge der mechanischen oder entzündlichen Irritation bei der Steinpassage. Ebenso können chirurgische oder endoskopische Manipulationen im Bereich der Papille zur stenosierenden Papillitis führen. Auch Erkrankungen der Nachbarorgane (Kopfpankreatitis, papillennahes Ulcus duodeni) können eine Papillitis auslösen. Die klinische Symptomatik entspricht der bei Cholangiolithiasis.
Chronisch-sklerosierende Cholangitis
11.2.3.7 Chronisch-sklerosierende Cholangitis
= sklerosierende Entzündung mit Wandverdickung und Obstruktion der Gallengänge: primäre und sekundäre Form.
Definition. Pathologisch-anatomisch handelt es sich um eine sklerosierende Entzündung, die zur Wandverdickung und Obstruktion führt und meist generalisiert die Gallengänge erfaßt. Man unterscheidet eine sekundäre Form beim Gallensteinleiden, nach chirurgischer Manipulation und bei Leberzirrhose und eine primäre Form, deren Ursache unbekannt ist. Diskutiert wird eine immunologische Genese, da sie gehäuft in Kombination mit beispielsweise chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beobachtet wird. Im Vordergrund der Symptomatik steht der schmerzlose Verschlußikterus.
Leitsymptom: schmerzloser Verschlußikterus
Gallenblase und Gallenwege
685
Die Diagnose wird durch die E R C oder PTC geklärt. Es finden sich multiple kurz- oder langstreckige Stenosen mit prästenotischer Dilatation der Gallenwege. Als Folge der Gallenstase kann es zur Gallensteinbildung kommen. Endzustand der Erkrankung ist die sekundäre biliäre Leberzirrhose. Zusätzlich besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung cholangiolärer Karzinome bei primär sklerosierender Cholangitis (PSC). In Autopsiestudien wurde bei bis zu 40 % der Patienten mit PSC ein Gallengangkarzinom diagnostiziert.
Diagnose durch ERCP und PTC: multiple kurz- oder langstreckige Stenosen der Gallenwege Komplikationen: Gallensteinbildung, biliäre Leberzirrhose (Endzustand), Gallengangskarzinom
Die operative Therapie ist ebenso wie die konservative (Steroide, Antibiotika, Immunsuppressiva) unbefriedigend. Operativ kommen biliodigestive Anastomosen und die Lebertransplantation in Frage.
Therapie: Steroide, Antibiotika, Immunsuppressiva operativ: biliodigestive Anastomose, Lebertransplantation
11.2.3.8 Gallengangsstenosen
Gallengangsstenosen
Definition: Gallengangsstrikturen, Röhrenstenose des Ductus choledochus und Mirizzi-Syndrom. • Beim Mirizzi-Syndrom handelt es sich um eine Kompression und Stenose des D. hepatocholedochus. Pathogenetisch kommt es infolge der chronischen Cholezystitis bei im Infundibulum inkrustierten Steinen zur übergreifenden Entzündung und Fibrose des D. hepatocholedochus (Abb. 35.11-12).
Mirizzi-Syndrom: Stenose und Kompression des D. hepatocholedochus. Ursache: Übergreifen derchron. Cholezystitis mit Fibrose des D. hepatocholedochus bei im Infundibulum der Gallenblase inkrustiertem Konkrement
Abb.35.11-12: Mirizzi-Syndrom bei chronischer Cholezystitis. Kompression des D. choledochus durch die geschrumpfte Gallenblase mit großem Gallenstein • Die Röhrenstenose des D. choledochus ist Folge einer chronisch-rezidivierenden Pankreatitis, die zur Stenose des intrapankreatischen Anteils des D. choledochus führt. • Gallengangstrikturen, d. h. narbige Veränderungen des D. choledochus, sind meist Folge technischer Fehler nach Gallenoperationen, z.B. die zu nahe Ligatur des D. cysticus am D. choledochus oder seine Einengung nach Choledochotomie. Gemeinsam ist allen das Auftreten eines extrahepatischen Cholestasesyndroms, evtl. mit sekundären Komplikationen bis zur biliären Leberzirrhose. Die Diagnose wird mittels E R C P oder PTC gestellt, ist gelegentlich jedoch erst durch intraoperative Histologie möglich. Differentialdiagnostisch kann die Abgrenzung zu einem malignen Tumorverschluß schwierig sein. Therapie: plastische Eingriffe zur Erweiterung des Gallengangs und biliodigestive Anastomosen (s.S.693).
11.2.3.9 Biliäre Pankreatitis
Röhrenstenose des D. choledochus: langstreckige Stenose infolge einer chronischen Pankreatitis Gallengangstrikturen: narbige Veränderungen des D. choledochus infolge technischer Probleme bei Gallenwegsoperationen. Klinik: extrahepatische Cholestase Diagnose: ERCP oder PTC Differentialdiagnostisch ist die Abgrenzung zum malignen Tumorleiden schwierigTherapie: plastische Gallengangserweiterung, biliodigestive Anastomose
(s. S.703)
11.3 Therapie
Therapie
Die Therapieverfahren zur Behandlung des Gallensteinleidens reichen von der operativen Entfernung der Gallenblase (Cholezystektomie) über die medikamentöse Auflösung (Litholyse) bis zur extrakorporalen Stoßwellenzertrümmerung (ESWL) der Gallensteine.
• Cholezystektomie: Entfernung der Gallenblase als Ort der Steinbildung, gleichzeitig Rezidivprophylaxe
686
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
• Litholyse: medikamentöse Auflösung der Gallensteine • ESWL: extrakorporale Stoßwellenzertrümmerung der Gallensteine
Ort der Steinbildung ist die Gallenblase. Durch die Cholezystektomie wird nicht nur der Präzipitationsort für Gallensteine entfernt, sondern die hepatische Sekretion von Gallensäuren und Phospholipiden bei gleichbleibender Cholesterinausscheidung gesteigert, sowie die Zirkulation der Gallensäuren im enterohepatischen Kreislauf beschleunigt. Somit stellt die Cholezystektomie gleichzeitig eine Rezidivprophylaxe
Op.-Indikation
11.3.1 Indikation zur Operation, Technik
Indikationen • relative (seltene) Indikation: asympto matischer Gallenstein
Indikation. Allenfalls eine relative Operationsindikation besteht für den asymptomatischen zufällig diagnostizierten Gallenstein. Hier muß für jeden Patienten individuell nach strengen Kriterien die Operationsindikation erarbeitet werden. Kriterien sind Alter, Risiken und Begleiterkrankungen des Gallensteinträgers sowie Größe und Anzahl der Konkremente.
• absolute Indikationen:
1. Laparoskopische Cholezystektomie (s.a. Kap.27, S.261) Indikation: symptomatische Cholelithiasis Kontraindikationen: Gallenblasenkarzinom, Leberzirrhose, biliäre Fistel, Gerinnungsstörungen, Schwangerschaft
2. Technik der konventionellen Cholezystektomie - Ablauf: Rippenbogenrandschnitt rechts - Darstellung des Lig. hepatoduodenale und des D. cysticus - Eröffnung des D. cysticus - Cholangiographie - Unterbindung von D. cysticus, A. cystica - Auslösung der Gallenblase retrograd (in besonderen Fällen auch antegrad) - Übernähung oder Elektrokoagulation des Gallenblasenbettes - Zieldrainage (fakultativ) Bei Choledocholithiasis zusätzlich Gallengangsrevision.
Absolute Operationsindikationen sind: • symptomatische Cholezystolithiasis mit sehr kleinen oder großen Konkrementen: Gefahr der Steineinklemmung mit biliärer Begleitpankreatitis bzw. entzündliche Komplikationen bei großen Konkrementen • akute Cholezystitis: Sofort-, Früh- und Intervalloperation. Die Sofortoperation (Notfalloperation) ist bei der Gallenblasenperforation oder dem Empyem angezeigt. Die Frühoperation ist technisch einfacher und sinnvoll, weil der Entzündungsherd rechtzeitig saniert wird. Die Elektivoperation nach Abklingen der akuten Entzündung ist wegen oft ausgeprägten Verwachsungen technisch schwieriger • Komplikationen der Cholezystolithiasis (Hydrops, Empyem) und Choledocholithiasis. Technik der Cholezystektomie. Die erste Cholezystektomie wurde von C. Langenbuch 1882 in Berlin durchgeführt. Heute kann die Gallenblase konventionell offen oder laparoskopisch entfernt werden. Vorteile der laparoskopischen Operationstechnik sind das geringe Gewebetrauma, geringere Schmerzen, kürzerer Krankenhausaufenthalt und kürzere Arbeitsunfähigkeit. Über 80 % der Gallenblasen werden heute laparoskopisch entfernt. Absolute Kontraindikationen für die laparoskopische Cholezystektomie sind: Verdacht auf ein Gallenblasenkarzinom, Leberzirrhose mit portaler Hypertension, schwere Gerinnungsstörungen, enterobiliäre Fisteln und Schwangerschaft. Verwachsungen nach früheren Oberbauchoperationen, entzündliche Veränderungen der Gallenblase oder Blutungskomplikationen können die laparoskopische Cholezystektomie technisch unmöglich machen und erfordern dann die Konversion zur offenen Cholezystektomie. Operationstechnik der laparoskopischen Cholezystektomie s. Kap. 27, S.261). Konventionelle Cholezystektomie. Die Eröffnung der Bauchhöhle erfolgt über einen Rippenbogenrandschnitt rechts, Pararektalschnitt oder quere rechtsseitige Oberbauchlaparotomie. Nach Inspektion und Palpation aller Oberbauchorgane Entscheidung zur antegraden oder retrograden Cholezystektomie. Übersichtliche anatomische Situseinstellung. Das Lig. hepatoduodenale sowie der D. cysticus mit seiner Einmündung in den D. choledochus werden dargestellt. Der D. cysticus wird eröffnet und die Cholangiographie durchgeführt. Nach Abschluß der intraoperativen Diagnostik und Ligatur des D. cysticus sowie der A. cystica wird die Gallenblase retrograd aus dem Leberbett geschält (Abb. 35.11-13). Das Gallenblasenbett sollte entweder vernäht oder mit dem Thermokauter koaguliert werden, um Blutungen und Galleaustritt zu verhindern. Bei unübersichtlichen anatomischen Verhältnissen (schweren chronischen Entzündungsprozessen) ist die antegrade Cholezystektomie vorzuziehen, da die anatomischen Strukturen schrittweise freigelegt werden können. Besonders zu beachten sind anatomische Varianten des Verlaufs der A. cystica und des D. cysticus. Liegt eine Choledocholithiasis vor, muß zusätzlich die Gallengangsrevision erfolgen. Hierzu wird das Duodenum mobilisiert und der D. choledochus zwischen Haltefä-
Gallenblase und Gallenwege
687
Herauslösen der Gallenblase, , aus dem Gallenblasenbett
A cystica (liglert u. durchtrennt) Gallenblase
Duct. cysticus (llgiert u. durchtrennt)
I I : A. cystia J / J f Duct. cysticus ' r \ J Lig. hepatoduodenale Abb.35.11-13a,b,c: Technik der Cholezystektomie, a. Anatomische Situation, b. A.cystica und D. cysticus durchtrennt, im D. cysticus Cholangiographiekanüle, c. antegrade Auslösung der Gallenblase
den längs eröffnet. Die Konkremente werden mittels Faßzangen, Steinlöffeln oder Fogarty-Ballonsonden entfernt. Zusätzlich wird der Gallengang mit Kochsalzlösung gespült, um Steinreste herauszubefördern und inkrustierte Steine zu lösen. Der Gallengang kann gleichzeitig mit dem flexiblen Choledochoskop inspiziert und Gewebe zur Biopsie entnommen werden. Die Choledochotomie wird nach Einlage einer Kehrschen T-Drainage mit feinen resorbierbaren Nähten verschlossen (Abb. 35.11-14). Die Drainage dient der abschließenden Kontroll-Cholangiographie und wird in der Regel nach 5-7 Tagen entfernt. Etwa zurückgelassene Konkremente können durch Spülung mit Natriumcholat oder Äther über die T-Drainage oder mit speziellen Sonden durch den Drainagekanal (Burhenne-Manöver) entfernt werden. Als Alternativmethode steht die endoskopische Papillotomie mit retrograder Steinextraktion zur Verfügung.
Ablauf: - Längseröffnung des D. choledochus - Steinexstirpation mitteis Spülung, Faßzangen, Steinlöffeln, Ballonkatheter - evtl. Inspektion d. Gallengangs (Choledochoskopie) - T-Drainage - Verschluß der Choledochotomie und Röntgen-Kontrolle
I m Z e i t a l t e r d e r Endoskopie ist die operative u n d Papillenplastik n u r selten indiziert.
3. Operative transduodenale Papillotomie und Papillenplastik heute nur selten indiziert (Abb. 35.11-15)
transduodenale
Papillotomie
Hierzu wird nach Längsinzision des Duodenums die Papille aufgesucht und über einen vorher durch Choledochotomie eingeführte Sonde nach laterokranial gespalten. Fixation der Papillenschleimhaut mit resorbierbaren Nähten an die Duodenalschleimhaut (Abb. 35.11-15). 11.3.3 K o m p l i k a t i o n e n u n d E r g e b n i s s e d e r C h o l e z y s t e k t o m i e
Komplikationen der Cholezystektomie
M o r b i d i t ä t u n d Letalität der o p e r a t i v e n Eingriffe sind a b h ä n g i g v o n A r t der Gallenwegserkrankung, Alter des Patienten und Begleiterkrankungen. Die Letalität der elektiven C h o l e z y s t e k t o m i e b e t r ä g t f ü r d a s k o n v e n t i o n e l l e u n d das l a p a r o s k o p i s c h e V o r g e h e n 0 , 1 - 0 , 4 % . N o t f a l l o p e r a t i o n e n o d e r e i n e E r w e i t e r u n g d e r O p e r a t i o n im Sinne d e r C h o l e d o c h u s r e v i s i o n bei
1. Intraoperativ: Verletzungen der Gallenwege, Lebergefäße und des D. pancreaticus (Papillotomie)
Technik der Choledochusrevision (Abb. 35.11-14)
Stumpf des Duc.
Kehr'sche T-Drainage Naht der
Duc. choledochus Abb.35.11-14: Zustand nach Cholezystektomie u. Choledochusrevision sowie Kehr-T-Drainage
688
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Sonde
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Papilla ' Vateri /.
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2. Früh postoperativ: Nachblutung, Zystikusstumpf- o. Duodenalinsuffizienz, Gallefistel, gallige oder eitrige Peritonitis 3. Spät: Postcholezystektomiesyndrom: Unscharfer Sammelbegriff für Beschwerden nach Cholezystektomie, die jedoch selten durch die Operation verursacht sind (s. Abb. 35.11-16)
Ursachen
Papillotomie
Komplikationen der Cholezystolithiasis erhöhen das Mortalitätsrisiko um den Faktor 10. Komplikationen: Intraoperative Komplikationen sind Verletzungen der extrahepatischen Gallenwege und der Leberarterie. Ursache hierfür sind schwierige präparatorische Verhältnisse und anatomische Normvarianten. Die Häufigkeit von Gallengangsverletzungen beträgt 0,2-0,6 %. Sie scheint bei der laparoskopischen Cholezystektomie in größeren Serien und bei entsprechender Erfahrung des Operateurs nicht höher zu sein. Therapeutisch ist meist die Revisionslaparotomie und Anlage einer biliodigestiven Anastomose erforderlich. Bei der Papillotomie besteht zusätzlich die Verletzungsgefahr des D. pancreaticus. Frühe postoperative Komplikationen sind die Nachblutung aus der A. cystica oder dem Leberbett, Gallefistel mit Cholaskos bis zur biliären Peritonitis bei Zystikusstumpfinsuffizienz oder von aberrierenden Gallengängen aus dem Leberbett. Nach transduodenaler Papillotomie besteht das Risiko der Nahtinsuffizienz am Duodenum mit nachfolgender Peritonitis. Spätkomplikationen werden fälschlicherweise unter dem Begriff Postcholezystektomiesyndrom zusammengefaßt. Sie haben jedoch selten ihre Ursache als direkte Operationsfolge. Chronische, persistierende oder rezidivierende Beschwerden nach Gallensteinoperationen bedürfen einer exakten Analyse. Zur diagnostischen Abklärung ist meist die ERCP erforderlich. Sie lassen sich in folgende Gruppen einteilen (Abb.35.11-16): • organische Gallenwegsveränderungen: Choledocholithiasis (zurückgelassene Steine), benigne Gallengangsstrikturen, Papillenstenose, Mirizzi-Syndrom (s. Abb. 35.11-12), übersehenes Malignom (Abb. 35.11-16), • organische Gallenwegsveränderungen fraglich pathogenetischer Bedeutung: langer Zystikusstumpf, Neurinom des Zystikusstumpfes, • extrabiliäre Operationsfolgen: Narbenhernien, Adhäsionen,
Syndrom des Duct, cysticus belassene Steine im Duct, hepatocholedochus
übersehenes Karzinom im Duct, choledochus
Abb. 35.11-16: Spätkomplikationen
nach Cholezystektomie
Gallenblase und Gallenwege
689
• vorbestehende extrabiliäre Erkrankungen: Hiatushernie, Ulkuskrankheit, Duodenaldivertikel, Pankreatitis, Pancreas divisum, Kolondivertikulose, -karzinom etc., • funktionelle Beschwerden ohne organisches Korrelat: gestörte Fettresorption, Reizmagen, Reizkolon. Ca. ein Drittel der Patienten klagt postoperativ über leichte dyspeptische Beschwerden, nur 3-5 % geben schwere Symptome wie Koliken oder Cholangitis an. Rezidiveingriffe sind entsprechend selten erforderlich.
11.3.4 Litholyse und Lithotripsie
Ergabnisse der Cholecystektomie: Letalität der elektiven Op. 15 mm Op.-Indikation, da Karzinomrisiko
Die Cholezystosen werden in Cholesteatosen und Adenomatösen unterschieden. Die Cholesteatose (Stippchen- oder Erdbeergallenblase) ist als Einlagerung von Cholesterin und Lipoiden in die Gallenblasenwand definiert („Steinknospen"). Die Adenomyomatose ist durch eine segmentale bis diffuse Hypertrophie der Muskulatur oder Hyperplasie der Mukosa mit evtl. intramuralen Divertikeln charakterisiert. Die Beschwerden reichen von uncharakteristischen Oberbauchschmerzen bis hin zu Koliken. Bei diesen Erkrankungen ist besonderer Wert auf die Funktionsdiagnostik der Gallenblase zu legen. Erkrankungen der Nachbarorgane müssen ausgeschlossen werden. Die Indikation zur Cholezystektomie ist streng zu stellen. Sie ist nur bei therapierefraktären Beschwerden, die anders nicht erklärt werden können, sinnvoll. Sonographisch können polypoide Läsionen der Gallenblasenwand nachgewiesen werden. Es handelt sich meist um Cholesterol-, hyperplastische oder entzündliche Polypen. Gallenblasenadenome, die echte Präkanzerosen sind, sind differentialdiagnostisch abzugrenzen. Daher sollte bei polypoiden Läsionen > 15 mm die Cholezystektomie erfolgen, da ein Karzinom nicht sicher auszuschließen ist. Kleinere polypoide Läsionen der Gallenblasenwand bedürfen der sonographischen Verlaufskontrolle.
Mißbildungen u n d Anomalien der Gallenwege Gallenblasenagenesie, doppelte Gallenblasenanlage und ektope Lage sind Raritäten Gallengangsatresie: häufigste angeborene Mißbildung der Gallenwege Symptom: prolongierter Ikterus, der unbehandelt zur biliären Leberzirrhose führt Choledochuszyste: seltene Mißbildung Symptome: rezidivierende Ikterusschübe, Koliken und evtl. palpabler Oberbauchtumor. Ruptur mit galliger Peritonitis selten Therapie: Zystenresektion und biliodigestive Anastomose, da Gefahr der malignen Entartung
Fehlbildungen und Anomalien. Die Agenesie der Gallenblase, gedoppelte Gallenblase und ektopisch intrahepatisch gelegene Gallenblase sind Raritäten. Häufigste angeborene Mißbildung der Gallenwege sind Gallengangsatresien mit einer Inzidenz von 1:10000 bis 1:20000. Es können 4 Formen mit Beteiligung der extra- und intrahepatischen Gallenwege unterschieden werden. Klinisch steht der prolongierte Icterus neonatorum im Vordergrund, der schließlich zum Vollbild der biliären Leberzirrhose führt (s. Kap. 41, S.815) Eine weitere seltene angeborene Mißbildung (Inzidenz 1:100000) sind die Choledochuszysten. Auch hier werden 4 Typen unterschieden. Das klinische Bild zeigt rezidivierende Ikterusschübe, abdominelle, teils kolikartige Schmerzen und evtl. einen tastbaren Tumor im rechten Oberbauch. Selten ist die Zystenruptur mit galliger Peritonitis. Therapie: Zystenresektion mit biliodigestiver Anastomose wegen Gefahr der malignen Entartung.
Maligne Tumoren der G a l l e n w e g e
11.5 Maligne Tumoren der Gallenwege
Gallenblasenkarzinom
11.5.1 Gallenblasenkarzinom
Epidemiologie: Häufigster Tumor der Gallenwege, bevorzugt bei Frauen und im 6.-7. Lebensjahrzehnt. 70% sind Gallensteinträger, jedoch nur 1-2% entwickeln ein Gallenblasenkarzinom Bei Steinen > 3 cm ist das Krebsrisiko 10 fach erhöht Weitere Risikofaktoren für die biliäre Karzinogenese
Epidemiologie: D a s G a l l e n b l a s e n k a r z i n o m ist d e r h ä u f i g s t e T u m o r d e r ext r a h e p a t i s c h e n G a l l e n w e g e . B e v o r z u g t e s M a n i f e s t a t i o n s a l t e r ist d a s 6. u n d 7. L e b e n s j a h r z e h n t , w o b e i F r a u e n ü b e r w i e g e n d (Verhältnis 3 : 1 ) e r k r a n k e n . 70 % der P a t i e n t e n mit e i n e m G a l l e n b l a s e n k a r z i n o m sind G a l l e n s t e i n t r ä ger, j e d o c h n u r 1 - 2 % d e r Steinträger entwickeln ein K a r z i n o m . Risikofaktoren. E s besteht eine R e l a t i o n zwischen Steingröße u n d Karzinomrisiko: A b e i n e r Steingröße v o n 3 c m ist d a s Krebsrisiko u m das 10 fache e r h ö h t . W e i t e r e R i s i k o f a k t o r e n f ü r die biliäre K a r z i n o g e n e s e sind: R e f l u x v o n P a n k r e a s s e k r e t , C h o l e d o c h u s z y s t e , Cholezystitis (Porzellangallenblase), primär sklerosierende Cholezystitis Colitis ulcerosa, familiäre Polyposis coli Thorotrast (früher verwendetes Röntgenkontrastmittel), Parasiten ( F i s c h b a n d w u r m ) , Hepatolithiasis
Histologie, Ausbreitung: - 80% Adenokarzinom - Metastasierung: lymphogen, per continuitatem
Histologie, Ausbreitung, klinische TNM-Klassifikation. Meist h a n d e l t es sich u m Adenokarzinome (80 % ) . U n d i f f e r e n z i e r t e K a r z i n o m e , P l a t t e n e p i t h e l k a r z i n o m e , M e l a n o m e o d e r K a r z i n o i d e sind selten. G a l l e n b l a s e n k a r z i n o m e w a c h s e n szirrhös o d e r polypös. D i e A u s b r e i t u n g erfolgt l y m p h o g e n o d e r p e r c o n t i n u i t a t e m in die N a c h b a r o r g a n e . H ä m a t o g e n e M e t a s t a s e n o d e r e i n e i n t r a d u k t a l e A u s b r e i t u n g sind selten. D i e S t a d i e n e i n t e i l u n g erfolgt nach d e m T N M - S y s t e m :
Gallenblasenkarzinom: TNM-Klassifikation
TTX TO Tis 77
Primärtumor: Primärtumor kann nicht beurteilt werden, kein Anhalt für Primärtumor, Carcinoma in situ, Tumor infiltriert Schleimhaut oder Muskulatur,
Gallenblase und Gallenwege
691
Tla Tumor infiltriert Schleimhaut, Tlb T\imor infiltriert Muskulatur, 72 Tumor infiltriert perimuskuläres Bindegewebe, aber nicht jenseits der Serosa oder in die Leber, T3 Himor mit Perforation der Serosa und Ausdehnung in ein Nachbarorgan (nicht mehr als 2 cm in die Leber), T4 Tumor mit Ausdehnung in mehr als ein Nachbarorgan oder mehr als 2 cm in die Leber. N - Regionäre Lymphknoten: NX regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden, NO keine regionären Lymphknotenmetastasen, N1 regionäre Lymphknotenmetastasen, Nla Metastasen in Lymphknoten am D. cysticus, paracholedochal oder am Leberhilus (Lymphknoten des Lig. hepatoduodenale), Nlb Metastasen in Lymphknoten um den Pankreaskopf, paraduodenal, um die V. portae, an A. coeliaca oder in oberen mesenterialen Lymphknoten. M - Fernmetastasen: MX Vorhandensein von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden, MO keine Fernmetastasen, Ml Fernmetastasen.
Symptomatik, Diagnostik: Die Beschwerden sind uncharakteristisch und entsprechen oft dem Bild der chronischen Cholezystitis. Anhaltende Dauerschmerzen, zunehmender Ikterus, Gewichtsabnahme und Leistungsknick sind Spätsymptome und prognostisch ungünstig. Die Diagnose wird häufig zufällig im Rahmen einer Cholezystektomie gestellt. Sichere diagnostische Verfahren zur Frühdiagnose gibt es nicht. In fortgeschrittenen Tumorstadien fällt sonographisch die Wandverdickung der Gallenblase mit evtl. Infiltration der Leber auf. Bei Ikterus kommen die ERCP und PTC zum Einsatz. CT, MRT, Endosonographie dienen zum Tumorstaging und zur Abklärung der Operabilität. Therapie: Eine kurative Therapie ist nur bei frühen Tumorstadien möglich. Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie mit Resektion der Lebersegmente IV, V u n d evtl. VI (s. Abb. 35.10-1, S. 662) mit simultaner Lymphadenektomie, an der Leberpforte beginnend, entlang dem Lig. hepatoduodenale und der A. hepatica bis zum Truncus coeliacus. Nur im Stadium T l a (Tumorinfiltration der Mukosa) ist die Cholezystektomie unter kurativer Intention ausreichend. Besteht Inoperabilität, sind als palliative Maßnahmen die Anlage einer biliodigestiven Anastomose oder die endoskopische Einlage einer Gallengangsendoprothese möglich. Eine adjuvante oder palliative Strahlentherapie wird beim Gallenblasenkarzinom geprüft.
Symptomatik: uncharakteristische Beschwerden wie bei chronischer Cholezystitis. Ikterus, Gewichtsabnahme, Dauerschmerz sind Spätsymptome und prognostisch ungünstig Diagnostik: Kaum Frühdiagnose möglich. Im Sonogramm Wandverdickung und evtl. Leberinfiltration Bei Ikterus zusätzlich ERCP und PTC erforderlich. CT, MRT und Sonographie dienen zur Festlegung des Tumorstadiums und Operationsplanung Therapie: Cholezystektomie nur in frühen Tumorstadien kurativ. Bei Infiltration aller Wandschichten Erweiterung des Eingriffs mit Lebersegmentresektion Palliative Maßnahmen: biliodigestive Anastomose oder Einlage einer Gallengangsendoprothese.
Die Prognose ist abhängig vom Tumorstadium, insgesamt aber schlecht, da die Diagnose meist im fortgeschrittenen Stadium gestellt wird. Bei Tumorinfiltration aller Wandschichten ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate nicht zu rechnen. Nach palliativen Maßnahmen verstirbt die Mehrzahl der Patienten innerhalb von 6 Monaten.
Prognose: sehr schlecht. Bei Tumorinfiltration aller Wandschichten keine 5-Jahres-Überlebenszeitzu erwarten. Nach palliativer Therapie überlebt die Mehrzahl der Patienten nicht ein halbes Jahr
11.5.2 Gallengangskarzinom
Gallengangskarzinom
Epidemiologie: Gallengangskarzinome sind seltene Geschwülste. In großen Sektionsstatistiken betrug die Inzidenz 0,01-0,46%. Bevorzugtes Manifestationsalter ist das 5.-7. Lebensjahrzehnt mit geringem Überwiegen des männlichen Geschlechts (Verhältnis 1,4:1). Nur in ca. 20 % besteht zusätzlich eine Cholezystolithiasis. Histologisch handelt es sich überwiegend um Adenokarzinome. Vom Wachstumstyp können eine papillomatöse, polypöse und szirrhöse Form unterschieden werden. Nach der Lokalisation differenziert man zwischen Karzinomen der Hepatikusgabel (Klatskin-Tumor; s. Abb.35.11-17), der Choledochusmitte und des unteren retroduodenal verlaufenden D. choledochus. Die periampulären Karzinome stellen eine Besonderheit dar und werden im Rahmen des Pankreaskarzinoms abgehandelt. Die Ausbreitung erfolgt lymphogen, hämatogen über die Pfortader oder durch lokal infiltratives Wachstum in die Leberpforte. Stadien: s. Tab. 35.11-2)
Epidemiologie: meist im 5.-7. Lebensjahrzehnt auftretend. Kein Zusammenhang mit dem Gallensteinleiden Histologisch meist Adenokarzinom mit lymphogener, hämatogener oder lokal infiltrativer Ausbreitung. Man unterscheidet: - Hepatikusgabelkarzinome (KlatskinTumor) - Karzinome der Choledochusmitte und - des distalen D. choledochus
692 Stadieneinteilung
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Tab.35.11-2: Stadieneinteilung extrahepatischer Gallengangskarzinome Klinische Stadien Stadium 0 Stadium 1 Stadium II Stadium III Stadium IVA Stadium IVB
• TNM-Kiassifikation
Tis T1 T2 T1 T2 T3 jedes T
NO NO NO N1 N1 jedes N jedes N
MO MO MO MO MO MO Ml
TNM-Klinische Klassifikation T - Primärtumor: TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden, TO kein Anhalt für Primärtumor, Tis Carcinoma in situ, 77 Tumor begrenzt auf Gallengangswand (Muskelwand), Tla Tumor begrenzt auf die Schleimhaut, Tlb Tumor infiltriert Muskulatur, 72 Tumor infiltriert periduktales Bindegewebe, T3 Tumor infiltriert Nachbarstrukturen (Leber, Pankreas, Duodenum, Gallenblase, Kolon, Magen) N - Regionäre Lymphknoten: NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden, NO keine regionären Lymphknotenmetastasen, N] regionäre Lymphknotenmetastasen, Nla Metastasen in paracholedochalen oder hiliären Lymphknoten (Lymphknoten im Lig. hepatoduodenale), Nlb Metastasen in Lymphknoten um den Pankreaskopf paraduodenal, um die V. portae, an A. coeliaca oder in oberen mesenterialen Lymphknoten M - Fernmetastasen: MX Vorhandensein von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden, MO keine Fernmetastasen, Ml Fernmetastasen.
11.5.2.1 Symptomatik und Diagnostik Symptomatik: - schmerzloser Ikterus und Pruritus, - Courvoisier-Zeichen: gestaute palpable Gallenblase und schmerzloser Verschlußikterus - allgemeine Tumorzeichen Diagnostik: ERCP und PTC zeigen Lokalisation und Ausdehnung des Verschlusses
H ä u f i g s t e s Symptom ist der z u n e h m e n d e , meist schmerzlose Ikterus, der von Juckreiz u n d allgemeinen T u m o r z e i c h e n wie Gewichtsverlust u n d Leistungsknick begleitet w e r d e n k a n n . Bei der klinischen U n t e r s u c h u n g findet sich h ä u f i g die schmerzlose, gestaute G a l l e n b l a s e als p a l p a b l e r T u m o r im r e c h t e n O b e r b a u c h (CourvoisierZeichen). D i e D i a g n o s e wird mittels E R C P o d e r P T C gestellt. D i e E R C P läßt die Lokalisation d e s Verschlusses zuverlässig e r k e n n e n . Bei H e p a t i k u s g a b e l k a r z i n o m e n ist zusätzlich die P T C erforderlich, u m die p r o x i m a l e T u m o r a u s d e h n u n g b e u r t e i l e n zu k ö n n e n ( A b b . 35.11-17). Differentialdiagnostisch k a n n die A b g r e n z u n g zu einer sklerosierenden Cholangitis, e i n e r R ö h r e n s t e n o s e
G a l l e n b l a s e und G a l l e n w e g e
693
des D. choledochus oder zu einem Mirizzi-Syndrom schwierig sein. Die weiterführende Diagnostik mittels CT, MRT und Endosonographie erlaubt die Differenzierung, das Tumorstaging und die Beurteilung der lokalen Operabilität.
11.5.2.2 T h e r a p i e
Therapie
Eine kurative Tumorresektion ist selten möglich. Das Resektionsausmaß richtet sich nach der Lokalisation. Tumoren des unteren Choledochusdrittels können durch die partielle Duodenopankreatektomie nach Kausch-Whipple reseziert werden. Bei Karzinomen des mittleren Drittels erfolgt die Resektion und Anlage einer biliodigestiven Anastomose. Klatskin-Tumoren sind in ca. 40 % der Fälle resektabel. Ursache hierfür ist die enge anatomische Nachbarschaft zum Leberhilus mit -arterie und Pfortaderästen. Als Palliativmaßnahmen kommen in Frage: biliodigestive Anastomosen, Gallengang-Stents und extern-interne transhepatische Drainagen (s.u.). Als adjuvante oder weitere palliative Therapie stehen die perkutane oder intrakavitäre Strahlentherapie mittels Seeds-Implantation oder After-loading-Verfahren zur Verfügung, mit denen eine geringe Lebensverlängerung und Rückgang des Ikterus erreicht werden kann. Die Prognose des Gallengangskarzinoms ist nicht nur vom Tumorstadium, sondern auch von seiner Lokalisation abhängig: Tumoren des mittleren und distalen Choledochusdrittels sind häufiger einer radikalen Resektion zugänglich, während Hepatikusgabelkarzinome in benachbarte Gefäße der Leberpforte infiltrieren und meist inoperabel sind. Die mittlere Überlebenszeit nach Resektion beträgt 1-2 Jahre, nach palliativen Maßnahmen 2 6 Monate.
radikale T u m o r r e s e k t i o n n u r s e l t e n m ö g lich: - Tumoren des distalen Choledochusdrittels: partielle Duodenopankreatektomie nach Kausch-Whipple - Tumoren des mittleren Choledochusdrittels; Tumorresektion und biliodigestive Anastomose - T u m o r e n d e r H e p a t i k u s g a b e l : Tumorresektion, evtl. Leberteilresektion und biliodigestive Anastomose P a l l i a t i v m a ß n a h m e n : biliodigestive Anastomosen, Gallengang-Stent oder externinterne transhepatische Drainagen.
11.6 Verschlußikterus
Verschlußikterus
Biliodigestive Anastomosen dienen der Wiederherstellung des Galleabflusses in den Dünndarm. Ihre Technik richtet sich nach dem Grundleiden: • Bei der Cholezystoenterostomie anastomosiert man den Gallenblasenfundus mit dem Duodenum oder mit einer nach Roux ausgeschalteten Dünndarmschlinge. Voraussetzung ist ein durchgängiger D. cysticus. Indiziert ist dieses Verfahren als reine Palliation beim distalen Tumorverschluß des D. choledochus. • Die Choledochoduodenostomie ist eine weitere Form der biliodigestiven Anastomose und ebenfalls in der Regel als palliatives Verfahren indiziert (Abb. 35.11-18).
1. B i l i o d i g e s t i v e A n a s t o m o s e n :
• Choledocho-, Hepatikojejunostomie. Methode der Wahl bei Tumorverschluß im distalen Gallengang (nach Resektion oder palliativ), Narbenstrikturen, Röhrenstenose bei chronischer Pankreatitis oder Gallengangverletzungen ist die Choledocho- bzw. Hepatikojejunosto-
a) C h o l e z y s t o e n t e r o s t o m i e : Anastomose zwischen Gallenblasenfundus und Duodenum oder einer nach Roux ausgeschalteten Jejunumschlinge b) C h o l e d o c h o d u o d e n o s t o m i e : wie o.g. Verfahren, palliative Maßnahme, Seitzu-Seit-Anastomose zwischen Gallengang und Duodenum c) C h o l e d o c h o - b z w . H e p a t i k o j e j u n o s t o mie:
D. choledochus
Duodenum
A b b . 3 5 . 1 1 - 1 8 : Latero-Iaterale Choledochoduodenostomie:a. Längsinzision des distalen Gallenganges und quere Inzision am mobilisierten Duodenum, b. Hinterwandnaht fertiggestellt, vordere Naht fast abgeschlossen
694
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
© Abb.35.11-19: Termino-laterale Hepatikojejunostomie (Roux-Y) mit Zipfellappenplastik nach Götze-Gütgemann: a. Längsinzision an der Vorderwand des querdurchtrennten D. choledochus und dreieckförmige Läppchenbildung an der Vorderwand des Jéj u n u m s dienen der Erweiterung der Anastomose, b. Das Dreieckläppchen w i r d in die Längsinzision am Gallengang mit Einzelknopfnähten eingepaßt, c. Komplette Anastomose m i t der nach Roux ausgeschalteten Jejunumschlinge
mie, eine Anastomose zwischen der Hepatikusgabel oder dem Hepatocholedochus mit einer nach Roux ausgeschalteten isoperistaltischen Jejunumschlinge (Abb. 35.11-19). Anastomosentechnik: termino-laterale Hepatiko- bzw. Choled o c h o j e j u n o s t o m i e m i t einer RouxSchlinge Anastomosenvariante: doppelte Jejunumschlinge u n d Braun-Fußpunktanastomose
Hierzu wird der Darm retrokolisch in den rechten Oberbauch verlagert und zumeist eine termino-laterale Anastomose mit plastischer Erweiterung (Dreieckplastik nach Götze-Gütgemann) durchgeführt. Dieses Verfahren hat sich auch in Langzeitergebnissen, die durch erneute Strikturbildung belastet sein können, sehr gut bewährt und an größeren Operationszahlen bestätigt (K.J.Paquet). Statt mit einer Roux-Schlinge kann die Anastomose auch mit einer doppelten Jejunumschlinge und Braun-Fußpunktanastomose ausgeführt werden.
Komplikationen: Nahtinsuffizienz, Gallefistel, Peritonitis, erneute Anastomosenstenose m i t Cholestase, Cholangitis
Die Komplikationen der biliodigestiven Anastomosen reichen von der Nahtinsuffizienz mit Fisteln und evtl. Peritonitis über die Anastomosenstenose mit erneuter Cholestase bis zum Reflux von Darminhalt mit aszendierender Cholangitis.
Bauch-
Drain
Hepaticusgabel"
Drain
Duct, choledochus
Abb. 35.11-20: Extern-interne transhepatische Drainagen u n d Endoprothesen
Duct. hepaticus ®
695
Pankreas Interventionelles Verfahren zur Galleableitung ist die perkutane transhepatische Einlage (PTD) einer externen Gallengangsdrainage, die evtl. in eine extern-interne Drainage umgewandelt werden kann, bei der die Galle wieder in das Darmlumen geleitet wird (Abb. 35.11-20). Durch kombiniertes radiologisch-endoskopisches Vorgehen ist weiterhin die Einlage einer Gallengangsendoprothese oder Stents möglich. Komplikationen: Drainagen- oder Prothesendislokation mit Gallefistel, Cholaskos oder galliger Peritonitis. Weiterhin wird eine Galleinkrustation mit Verstopfung und erneuter Cholestase und Cholangitis beobachtet. Selten sind Blutungen aus Leber oder Gallengang.
11.7 Verletzungen der Gallenwege Isolierte traumatische Verletzungen der extrahepatischen Gallenwege sind selten. In ca. 2 % liegt beim stumpfen Bauchtrauma eine Beteiligung der Gallenwege vor. Das Verletzungsmuster reicht von der Kontusion bis zur Zerreißung der Gallenblase bzw. -gänge. Folgen sind Cholaskos bis zur galligen, sekundär eitrigen Peritonitis. Das Gallenwegssystem kann auch z. B. bei Verletzungen der Leber beeinträchtigt werden. Hierzu zählt die Hämobilie (s. Kap. 44.2, S. 894), d. h. arterielle Blutung in die Gallengänge als Folge einer traumatischen Verbindung von Leberarterien und intrahepatischen Gallengangsästen. Klinisch besteht eine Symptomentrias mit Blutung (Melaena), Kolikschmerz hervorgerufen durch Blutkoagel und ein intermittierender Ikterus. Die Zeichen der gastrointestinalen Blutung stehen im Vordergrund. Endoskopisch kann häufig die Blutung aus der Papilla Vateri lokalisiert werden. Zur Ortung der Blutungsquelle ist die selektive Angiographie erforderlich. Traumatisch bedingt kann auch die Bilhämie sein, d.h. die pathologische Kommunikation der Lebervenen mit intrahepatischen Gallengängen, die einen Galleabfluß (höherer Druck im Gallengang) in die V. cava auslöst. Symptome: hohe Temperaturen, rasch progredienter, hochgradiger Ikterus.
12. Pankreas M. H. Schoenberg, H. G. Beger
2. palliative interventionelle Verfahren: a) perkutane transhepatische Drainage (PTD) mit Ableitung der Galle nach außen b) evtl. Umwandlung in eine extern-interne Drainage c) Gallengangsendoprothese, Stent • Komplikationen: - Draindislokation mit Gallefistel, Cholaskos, Peritonitis - Drainverstopfung mit Cholestase, Cholangitis - Blutung aus Leber oder Gallengang Verletzungen extrahepatischer Gallenwege Isolierte traumatische Verletzungen der Gallenwege selten In 2% beim stumpfen Bauchtrauma Gallengangsverletzungen mit anderen Verletzungen kombiniert Hämobilie: traumatische Verbindung von Leberarterien und intrahepatischen Gallengängen mit arterieller Blutung in den Gailengang • Symptome: - gastrointestinale Blutung (Melaena) - Kolikschmerz (Blutkoagel) - intermittierender Ikterus (Blutkoagel) Bilhämie: pathologische Kommunikation zwischen Lebervenen und intrahepatischen Gallengängen, Galleabfluß in die V. cava • Symptome: - Ikterus, rasch progredient - hohe Temperaturen Pankreas
12.1 Klinische Anatomie und Physiologie Entwicklung: Pankreas und Gallenwege entspringen gemeinsam mit dem oberen Duodenum aus dem primären Verdauungsrohr, das sich u. a. in die ventrale und dorsale Pankreasanlage differenziert. Endo- und exokrines (azinäres) Gewebe entstehen aus Gangsprossungen in der 9.-12. SSW. Durch die Verschmelzungen beider Anlagen entstehen aus der ventralen Anlage der hintere und untere Abschnitt des Pankreaskopfes (Processus uncinatus) und aus dem dorsalen Teil die restliche Bauchspeicheldrüse (Korpus und Kauda). Der Ausführungsgang der ventralen Anlage findet an den langen Pankreasgang der dorsalen Anlage Anschluß. Diese beiden Ausführungsgänge bilden den D. Wirsungianus, der zusammen mit dem D. choledochus in die Papilla Vateri einmündet. Der Rest des langen Ausführungsganges aus der dorsalen Anlage ist Ausgangspunkt des akzessorischen Drüsenganges von Santorini und mündet in der Papilla minor. Aus der Entwicklungsgeschichte erklärt sich somit die enge anatomische Lagebeziehung und ihre synergistische Funktionsweise von Pankreas, Gallenwegen und Duodenum. Dieser funktionelle Synergismus und die anatomische Nachbarschaft führen aber auch häufig zu Erkrankungen, bei denen alle Organsysteme involviert sind (Abb. 35.12-1).
Entwicklung Pankreas, Gallenwege und der obere Duodenalabschnitt haben einen gemeinsamen Ursprung Funktioneller Synergismus und enge Nachbarschaft führen häufig zu Erkrankungen bei denen alle Organsysteme gleichzeitig involviert sind
Anatomie. Das Pankreas liegt schräg von rechts unten nach links oben im Oberbauch oberhalb der Mesenterialwurzel, überkreuzt die Lumbalwirbel 1-2 und ist unterschiedlich fest im Retroperitoneum fixiert. Die Bauchspeicheldrüse wird unterteilt in Kopf, Korpus und Kauda. Der dorsokaudale Teil des Kopfes, der in seiner Lagebeziehung zum Kopf verschieden liegen kann, ist der Processus uncinatus. Die V. und A. mesenterica superior verlaufen links und vorderseitig vom Proc. uncinatus in die Mesenterialwurzel.
Anatomie und Topographie Für die Pankreaschirurgie wichtig sind vor allem die topographischen Beziehungen zur Pfortader, V. mesenterica sup. und zur V. lienalis Einteilung des Pankreas in Kopf, Korpus und Kauda (Schwanz)
696
35. Chirurgie des Verdauungstraktes paraaortale Lymph parahiliäre Lymphknoten A. pancreatico duodenalis— Pankreas
D.choledochus Colon
^—y
Duodenum Ductus Santorini Ductus Wirsungianus
\ . mesenteriale \\ Lymphknoten \ A. + V. mesenterica sup.
A b b . 3 5 . 1 2 - 1 : T o p o g r a p h i s c h e A n a t o m i e der B a u c h s p e i c h e l d r ü s e
Der d o r s o k a u d a l e A n t e i l d e s K o p f e s w i r d a l s P r o c e s s u s u n c i n a t u s bezeichnet. E r bildet e i n e n a c h links a u s l a u f e n d e R i n n e , in der A . u n d V. m e s e n t e r i c a s u p . v e r l a u f e n • P a n k r e a s k o p f hat e n g e V e r b i n d u n g e n mit d e m d u o d e n a l e n C u n d liegt „lokker" im Retroperitoneum - Kocher-Manöver mobilisiert Pankreaskopf aus d e m Retroperitoneum D. p a n c r e a t i c u s u n d D . c h o l e d o c h u s m ü n d e n in der R e g e l g e m e i n s a m in der P a p i l l a Vateri c h i r u r g i s c h e Z u g a n g s w e g e in die B u r s a omentalis: • transmesokolisch • durch das Omentum minus • Durchtrennung des Lig. gastrocolicum • A b l ö s e n d e s g r o ß e n N e t z e s v o m Querkolon Gefäßversorgung • Arterien: - A . p a n c r e a t i c o d u o d e n a l i s dexter a u s der A . g a s t r o d u o d e n a l i s - A . p a n c r e a t i c o d u o d e n a l i s a u s der A . m e s e n t e r i c a s u p . ; b e i d e A r t e r i e n bilden eine Arkade - Versorgung von Korpus und Kauda sehr v a r i a b e l - » kurze Ä s t e a u s der A . l i e n a l i s und aus den Aa. pancreaticoduodenales • V e n ö s e r A b f l u ß über d i e V. m e s e n t e r i c a s u p . u n d V. lienalis in d i e V. portae • L y m p h a b f l u ß : m e s e n t e r i a l e , parahiliäre u n d paraaortale L y m p h k n o t e n g r u p p e n
D e r Pankreaskopf bildet zusammen mit dem duodenalen C eine enge topographische Verbindung und liegt locker im Retroperitoneum und ventral der V. cava. Diese anatomische Situation erleichtert es dem Chirurgen, den Pankreaskopf aus dem Retroperitoneum zu mobilisieren (Kocher-Manöver). Im Pankreaskopf verläuft der D. pancreaticus (D.Wirsungianus), der das Pankreas drainiert. Ebenfalls verläuft in diesem Bereich das hintere pankreatische Segment des D.choledochus. In der Regel m ü n d e n beide Gänge im Bereich der Papilla Vateri, jedoch ergeben sich relativ häufig Variationen. Insbesondere wird der ventrale Teil des Pankreaskopfes nicht selten separat über den D.Santorini und die Papilla duodeni minor drainiert. Der Isthmus der Bauchspeicheldrüse liegt über der V. portae und der Konfluenz zwischen V. lienalis und V. mesenterica superior. Ein Teil des Korpus und des Pankreasschwanzes ist an der Vorderfläche mit Peritoneum überzogen und bildet die Hinterwand der Bursa omentalis. Chirurgisch existieren 4 Zugangswege in die Bursa omentalis: (1) transmesokolisch, (2) durch das kleine Netz, (3) zwischen Magen und Querkolon nach Durchtrennung des Lig. gastrocolicum und (4) durch Ablösen des großen Netzes vom Querkolon.
Physiologie Exokrine Funktion • täglich w e r d e n 1-21 klares Pankreassekret produziert, b e s t e h e n d a u s a n o r g a nischen (Bicarbonat, Chlorid) und organischen Substanzen (Enzyme) • S t i m u l a t i o n der S e k r e t i o n : nerval, g a stral u n d intestinal
Physiologie. Exokrine Pankreasfunktion: Nach nervaler (N. vagus), gastraler und intestinaler Stimulation sezerniert das Pankreas ein farbloses Sekret, das aus anorganischen (z.B. Bicarbonat und Chlorid) und organischen Anteilen (Enzymen) in wässeriger Lösung besteht. D a s p H des Sekrets liegt bei 8,0-8,7 und die tägliche Menge schwankt zwischen 1 - 2 1. Die Synthese der Enzyme findet in den Azinuszellen statt: a-Amylase, Lipase und Proteasen. Die a-Amylase spaltet die Kohlenhydrate, die Lipase dient der Fettverdauung. Proteasen werden in ihrer inaktiven Form - als Trypsinogen oder Chymotrypsinogen - freigesetzt, und Trypsinogen im D u o d e n u m durch
Gefäße, Nerven. Das Pankreas ist ein stark vaskularisiertes Organ. D e r Pankreaskopf wird im wesentlichen durch die Rr. pancreatici aus der A.gastroduodenalis und der A. mesenterica superior versorgt, Korpus- und Kaudabereich durch die A. lienalis. Die wesentlichen aus der A. lienalis abgehenden Pankreasgefäße sind: Aa. pancreaticae dorsales, A.pancreatica magna, die zur dorsalen Pankreasseite zieht, und A . c a u d a e pancreatis. D e r venöse Abfluß des Organs erfolgt über die Vv. mesenterica superior, portae et lienalis. Die V. mesenterica inferior m ü n d e t in die V. lienalis innerhalb der letzten 3 cm vor der Konfluenz mit der V. portae ein. Formvarianten sind im venösen Bereich der Blutzirkulation des Pankreas sehr häufig. Ebenso ist das Mesoduodenum ein gefäßführendes Band zwischen Pankreaskopf und Proc. uncinaturs einerseits und dem distalen D u o d e n u m und der Flexura duodenojejunalis andererseits. Die Lymphgefäße knotengruppe.
m ü n d e n in eine mesenteriale, parahiliäre und paraaortale Lymph-
697
Pankreas Enterokinasen in seine aktive Form, d. h. zu Trypsin, umgewandelt. Dieses wiederum aktiviert Chymotrypsinogen zu Chymotrypsin. Grund für die Umwandlung der Proteasen in ihre aktive Form erst im Duodenum ist, um die Bauchspeicheldrüse vor Selbstverdauung zu schützen. In gleicher Weise wirken in Azinuszellen gebildete Inhibitoren, die eine vorzeitige Umwandlung von Trypsinogen und Chymotrypsinogen im Pankreas verhindern. Die endokrine Funktion der Bauchspeicheldrüse wird von den Langerhans-Inselzellen übernommen. Sie stellen etwa 1 - 2 % des gesamten Pankreasgewebes dar und sind hauptsächlich im Korpus- und Schwanzbereich lokalisiert. Langerhans-Inseln enthalten: insulinproduzierende B-Zellen (60-70%), glukagonsezernierende A-Zellen, B-Zellen setzen etwa 6-7 mg/d Insulin frei, wovon tatsächlich nur 2 mg/d ausgeschüttet werden. Dies entspricht einem Tagesbedarf von 40 IE Insulin. Den Hauptgrund für die Freisetzung von Insulin aus dem Speichergranulat stellt eine eiweißund glukosereiche Mahlzeit dar. Daneben fördern aber auch Glukagon, das seinerseits den Blutzuckerspiegel hebt, sowie Sekretin und Gastrin die Insulinausschüttung. Die Kompensationsfähigkeit der gesamten Bauchspeicheldrüse ist so groß, daß erst nach einem Verlust von etwa 80 % des exokrinen und endokrinen Anteils des Gewebes Insuffizienzerscheinungen wie Diabetes mellitus und Malabsorption klinisch relevant werden.
12.2 Pankreaserkrankungen
• Funktion der Enyzme: a-Amylase - > Kohlenhydratspaltung, Lipase - » Fettspaltung - die Proteasen Trypsinogen und Chymotrypsinogen werden im Duodenum zu Trypsin und Chymotrypsin aktiviert, um die Selbstverdauung des Organs zu verhindern Endokrine Funktion • Langerhans-Inseln: 1 - 2 % des gesamten Pankreasgewebes • vorwiegend im Korpus und Schwanz lokalisiert: - A-Zellen —> Glukagon - B-Zellen Insulin - D-Zellen —> Somatostatin - PP-Zellen —> pankreatisches Polypeptid • Produktion von Insulin, 6-7 mg/die, 2 mg = 40 I.E. werden benötigt • Insulinfreisetzung durch - eiweiß- und glukosereiche Nahrung - Glukagon, Sekretin und Gastrin • Verlust von etwa 8 0 % Pankreas Diabetes mellitus —> Malabsorption
12.2.1 Diagnostik
Diagnostik von Pankreaserkrankungen
Indirekte Verfahren. Aufgrund der besonderen Lage des Pankreas konnte zunächst nur indirekt durch Untersuchungen benachbarter Organe annäherungsweise auch das Pankreas mitbeurteilt werden. Diese indirekten Verfahren sind die Magen-Darm-Passage mit Barium sowie die hypotone Duodenographie (Abb. 35.12-2) bei Pancreas anulare, Adenomen und Tumoren im Bereich der Papille. Direkte Verfahren haben die o. g. verdrängt • Sonographie inc. Endosonographie und native sowie kontrastmittelverstärkte CT, • endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie und Angiographie.
Indirekte Methoden • Magen-Darm-Passage mit Barium • hypotone Duodenography
In neuerer Zeit gelingt es durch nuklearmedizinische Methoden, hormonproduzierende Tumoren im Pankreas darzustellen und maligne wie benigne (entzündliche) Geschwülste zu unterscheiden. Ebenfalls scheinen Sensitivität und Spezifität bildgebender Verfahren mit der MRT deutlich zuzunehmen, jedoch ist sie der kontrastmittelverstärkten CT nicht überlegen.
Ziel der Diagnostik ist, die Erkrankung zu erkennen, sie differentialdiagnostisch einzuordnen, ihre Ausdehnung abzugrenzen und die Operabilität zu beurteilen, um Probelaparotomien zu vermeiden.
Direkte Methoden • Sonographie incl. Endosonographie • kontrastmittelverstärkte CT • ERCP • selektive Angiographie • nuklearmedizinische Untersuchungen • (MRT)
Ziel der Diagnostik
12.2.1.1 Sonographie, CT
Moderne bildgebende Verfahren
Mit Hilfe der Sonographie ist die Beurteilung der dem Pankreas benachbarten Organe wie Leber, Milz, Niere, Gallengangssystem relativ zuverlässig möglich, während sie beim Pankreas selbst durch Darmgasüberlagerung häufig erschwert ist. Deshalb ist vor allem bei akuter Pankreatitis die Sonographie der CTunterlegen, da infolge der akuten Entzündung häufig ein Subileus auftritt. Bei chronischer Pankreatitis und Pankreaskarzinomen ist die Sonographie aussagekräftiger. Mit Hilfe der Endosonographie lassen sich kleinere Tumoren (Papillenadenome, -karzinome, endokrine Tumoren in Pankreaskopf und -korpus) mit hoher Sensitivität darstellen (Abb. 35.12-3).
Sonographie: Beurteilung • benachbarter Organe • Tumorausdehnung • des Pankreasganges (Dilatation) • Nachteil: Darmgasüberlagerung bei akuter Pankreatitis Beurteilung nicht möglich Endosonographie • Tumordiagnostik vor allem zur Operabilitätsbeurteilung (Tiefeninfiltration, Übergreifen auf Nachbarorgane Computertomographie (CT) Verfahren: • kontrastmittelverstärkte CT
CT. Die kontrastmittelverstärkte Computertomographie (CT) ermöglicht neben der morphologischen Beurteilung eine Evaluierung der Pankreasdurchblutung durch Analyse der Kontrastmittelenhancementkurve. Weiterhin erlauben die Schichtaufnahmen nach Bolusinjektion von Kontrastmittel die
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb. 35.12-2: Hypotone Duodenographie bei (nicht relevanter) Magenausgangsstenose wegen Pancreas anulare • Analyse der Kontrastmittelenhancementkurve (Beurteilung der Pankreasdurchblutung) • Kontrastmittelfüllung (Gastrografin) des Magens und Duodenums (bessere Abgrenzung dieser Organe • Akute Pankreatitis - Durchblutung und Nekrosenentwicklung - Differenzierung zwischen der leichten und schweren Form der Pankreatitis - CT-gesteuerte Feinnadelpunktion zum Nachweis von Bakterien • Chronische Pankreatitis: - Nachweis entzündlicher Tumoren im Pankreaskopf und - Abgrenzung gegenüber Pseudozysten
• Pankreaskarzinom - Tumoren < 2 cm sind darstellbar - Beziehungen zu benachbarten Gefäßen und damit Operabilitätsbeurteilung möglich - CT-gesteuerte Feinnadelpunktion zur Dignitätsdiagnose
Abb.35.12-3: Endosonographie beim Pankreaskopfkarzinom, das semizirkulär in die Pfortader eingebrochen ist (—>)
Darstellung der transient auftretenden Dichtedifferenz zwischen normalem und pathologischem Pankreasgewebe sowie die Identifizierung der dem Organ benachbarten Gefäße. Zur klaren Abgrenzung gegenüber Magen und Duodenum können die Patienten wasserlösliches Kontrastmittel (z. B. Gastrografin) einnehmen. Besser als die Sonographie vermag die CT Pankreastumoren, Zysten, Veränderungen bei akuter ödematöser und nekrotisierender sowie chronischer Pankreatitis darzustellen. • Bei der akuten Pankreatitis kann die Durchblutung der Bauchspeicheldrüse durch CT bereits frühzeitig erfaßt werden. Ist die Durchblutung des Pankreas reduziert oder fehlt sie total, muß von der schweren, d. h. hämorrhagisch nekrotisierenden Pankreatitis ausgegangen werden. Die kontrastmittelverstärkte CT vermag heute zwischen einer leichten und schweren Form der akuten Pankreatitis zu differenzieren (Abb. 35.12-4). • Bei chronischer Pankreatitis können entzündliche Tumoren entstehen, insbesondere im Pankreaskopf (20%). Diese sind mit der CT einwandfrei festzustellen und gegenüber anderen pankreatogenen Raumforderungen (Pseudozysten) abzugrenzen. Häufig ist es jedoch schwierig, eine Unterscheidung zwischen bösartigen und gutartigen, d. h. entzündlichen Tumoren zu treffen. • Pankreaskarzinom: Die CT ist die am häufigsten angewandte Methode, um das Pankreaskarzinom zu diagnostizieren. Insbesondere ist jedoch die kontrastmittelverstärkte Computertomographie in der Lage, Tumoren < 2 cm darzustellen und von solchen in benachbarten Organen abzugrenzen. Ebenso ist ein Tumoreinbruch in eines der großen benachbarten Gefäße (Milzvene, Pfortader, V. mesenterica superior oder Truncus coeliacus) festzustellen (Abb. 35.12-5). Bei periampullären Karzinomen existieren in der CT häufig keine direkten Tumorzeichen, jedoch indirekte wie Dilatation der extra- und intrahepatischen Gallenwege sowie des D. pancreaticus. Dies ist für die Diagnose jedoch wegweisend. Bei Tumoren unklarer Dignität vermag die sonographisch wie CT-gesteuerte Feinnadelpunktion und Aspiration die Diagnose zu sichern und evtl. auch Metastasen nachzuweisen. Praxishinweis: Eine „leere" Punktion oder Aspiration von gutartigem Gewebe schließt jedoch, wie immer, ein malignes Geschehen nicht aus!
Pankreas
Abb. 35.12-4: Kontrastmittel-CT. Totalnekrose des Pankreas hämorrhagisch-nekrotisierender Pankreatitis
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Abb.35.12-5: Kontrastmittel-CT. Pankreaskopfkarzinom. Verplumpter Pankreaskopf mit Verdacht auf Infiltration in das angrenzende Duodenum
12.2.1.2 ERCP, Angiographie, neue Verfahren
ERCP
Die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatographie (ERCP, Abb. 35.12-6) ist eine der wichtigsten Entscheidungshilfen, zur Differentialdiagnose von Tumoren im pankreatikobiliären System und zur Differenzierung, ob diese im Pankreaskopf (85%), distalen Choledochus (6%) oder in der Papilla Vateri (4,5 %) lokalisiert sind. Ebenso vermag die ERCP mechanische Hindernisse (Papillenstenose, Gallenwegs- und Pankreasgangkonkremente, Gangstenosen, Pancreas anulare) abzuklären und damit auch zwischen chronischer Pankreatitis und Pankreaskarziom zu unterscheiden. Bei der Untersuchung kann zusätzlich Gewebe zur histologischen bzw. Sekret zur zytologischen Untersuchung gewonnen werden. Pankreaskarzinom und chronische Pankreatitis sind manchmal schwierig abzugrenzen, da sie bisweilen gleichartige ERCP-Veränderungen aufweisen können. Eine Striktur oder ein Abbruch des Pankreasganges sind bei entsprechender Anamnese immer verdächtig auf ein malignes Geschehen. Ebenfalls ist die gleichzeitige Stenose des D. choledochus und D. pancreaticus („double duct sign") ein relativ sicherer Hinweis auf einen malignen Prozeß im Pankreaskopfbereich. Bei der chronischen Pankreatitis können mit der ERCP nicht nur Veränderungen der Pankreasgänge, sondern auch der Seitenäste (Äste 2. Ordnung) festgestellt werden. Beim periampullären Tumor (Adenom bzw. Adenokarzinom an der Papille, am peripapillären Duodenum und distalen Choledochus) ist die ERCP beweisend (Sensitivität >90%), da sie auch gleichzeitig Gallen- und Pankreasgang darstellt und die Biopsie ermöglicht. Die häufigsten Komplikationen der ERCP sind eine, innerhalb von wenigen Tagen rückläufige, milde Pankreatitis oder Cholangitis.
Wichtigste Entscheidungshilfe zur Differentialdiagnose der Tumoren im pankreatikobiliären System
Differenzierung von mechanischen Hindernissen: • Papillenstenose • Gallenwegs- und Pankreasgangsteine • Gangstenosen • Pancreas anulare • DD: Pankreaskarzinom und chronische Pankreatitis - Nachweis einer gleichzeitigen Stenose des D. choledochus und D. pancreaticus als „double duct sign" -> relativ sicherer Hinweis auf einen malignen Kopfprozeß - Nachweis eines periampullären Tumors • häufigste Komplikation: milde reversible Pankreatitis und Cholangitis
Angiographie (Abb. 35.12-7). Die selektive digitale Subtraktionsangiographie (DSA) von Truncus coeliacus, A. mesenterica superior und Vv. mesenterica superior et lienalis weist tumoröse und entzündliche Gefäßveränderungen nach. Im Vordergrund der Angiographie steht die Klärung der Operabilität maligner Tumoren der Bauchspeicheldrüse. Eine Einengung oder ein Verschluß dieser Gefäße durch benigne und vor allem maligne tumoröse Veränderungen bedeuten häufig Inoperabilität. Oftmals kann die Diagnose verschiedener Pankreaserkrankungen nur durch eine sinnvolle Kombination der bildgebenden Verfahren und laborchemischen Veränderungen gestellt werden.
Angiographie selektive Darstellung des Truncus coeliacus, der A. und V. mesenterica sup. und V. lienalis sowie der Pfortader Wichtig für • Darstellung der Gefäßtopographie und von Gefäßanomalien (häufig) • Operabilitätsbeurteilung • Nachweis endokriner Tumoren, z. B. Insulinom
Neuere diagnostische Methoden. Die 18-FDG-PET (Fluorodeoxiglukose-Positronenemissionstomographie) vermag mit hoher Sensitivität (92%) und Spezifität (85,2 %) benigne von malignen Tumoren zu unterscheiden (Anreicherung radioaktiv markierter Glukose in malignen Tumoren). Eine weitere Methode zur Operabilitätsbeurteilung von tumorösen Pankreaserkrankungen ist die Laparoskopie und die laparoskopisch gesteuerte Sonographie mit gezielter Punktion. Neueste Ergebnisse zeigen, daß die Laparoskopie eine höhere Sensitivität hinsichtlich der Operabilität erreicht als die Schnittbildverfahren. Ebenso kann mit einer laparoskopisch gesteuerten Endosonographie die Ausdehnung des Krankheitsherdes beurteilt werden.
Neuere diagnostische Methoden Fluorodeoxiglukose-Positronenemissionstomographie (18-FDG-PET): • Nuklearmedizinische Methode, unterscheidet zwischen gut- und bösartigen Tumoren • Laparoskopie und laparoskopisch gesteuerte Sonographie zur Operabilitätsbeurteilung! • erspart überflüssige Probelaparotomie
700
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Abb. 35.12-6: ERCP bei chronischer Pankreatitis mit deutlich erweiterten Seitenästen II. Ordnung des D. pancreaticus major (Wirsungianus)
Abb.35.12-7: Selektive DSA des Truncus coeliacus mit Darstellung von Vv. mesenterica superior et lienalis. Beide Venen sind hochgradig eingeengt oder verschlossen (->). Portalvenöser Umgehungskreislauf
Pankreasfehlbildungen
12.2.2 Pankreasfehlbildungen: Pankreas anulare, divisum, aberrans
1. Pancreas anulare kongenitale Mißbildung, umgreift ringförmig das Duodenum -» Duodenalstenose • in 75% in der Pars descendens duodeni • in 21 % im oberen Duodenalknie Muskulatur der Duodenalwand ist aufgefasert -» erschwert die chirurgische Präparation
Das Pancreas annulare ist eine kongenitale Fehlbildung, welche sich häufig erst im Erwachsenenalter klinisch manifestiert. Das zirkulär angelegte aberrierende Pankreasgewebe umgreift das Duodenum und führt konsekutiv zu einer wechselnd ausgeprägten Duodenalstenose.
Koinzidenz
Duodenalstenose, meist mit proximaler Dilatation • beim Säugling typisches Doppelblasenphänomen durch Luftansammlung in Magen und Bulbus duodeni Differentialdiagnose • Duodenalatresie, Pylorospasmus, Ulkusstenose • Pankreaskarzinom, Kopfpankreatitis Operationsverfahren • Anteropyloroduodenojejunostomie • Duodenojejunostomie mit Roux-YSchlinge • Duodenododenostomie • laterolaterale Duodenojejunostomie • selten Magenresektion Billroth II
Das Pancreas annulare ist in 75 % der Fälle um die Pars descendens duodeni angelegt, in 21 % der Patienten findet es sich im Bereich des oberen Duodenalknies. Die Pankreasbrücke hat meist eine Dicke von 1-3 cm, und die Duodenalwand wird vom Pankreas anulare (Ringpankreas) auf eine Strecke von 3-5 cm infiltriert. Ihre Muskulatur ist dabei aufgefasert, was die Ablösung der Pankreasbrücke vom Duodenum außerordentlich erschwert und die Vitalität der Duodenalwand häufig beeinträchtigt. In 34 % koexistiert ein Ulcus duodeni.
Praxishinweis: Bei Pancreas anulare muß nach einem Ulkus gefahndet werden. In 26 % der Fälle besteht eine Begleitpankreatitis. Symptome: Im Vordergrund steht die Duodenalstenose mit Dyspepsie, postprandialem Völlegefühl und Erbrechen. Eine Pankreatitis als klinisches Leitsymptom ist selten, ebenfalls selten sind gastrointestinale Blutungen, Verschlußikterus oder Symptome, die auf Duodenalulzera im Rahmen des Pankreas annulare zurückgeführt werden können. Diagnostik: Die Magen-Darm-Passage mit hypotoner Duodenographie ist zumeist beweisend: Duodenalstenose mit proximaler Dilatation. Auch bei der Röntgenleeraufnahme des Abdomens kann in einigen Fällen die angeborene Duodenalstenose bzw. -atresie vermutet werden, wenn sich das Doppelblasenphänomen zeigt. Dieses entsteht durch Luftansammlung im Magen und im Bulbus duodeni. Differentialdiagnose: Duodenalatresie, Pylorospasmus, Pankreaskarzinom, chronische Kopfpankreatitis mit entzündlichem Pankreaskopftumor, Ulkusstenose. Therapie: Ziel ist die Behebung der lokalen Stenose und die Behandlung eventueller Begleitleiden. 5 Methoden: (1) laterale Anteropyloroduodenojejunostomie, (2) Duodenojejunostomie mit Roux-Y-Schlinge, (3) Duodenoduodenostomie, (4) laterolaterale Duodenojejunostomie, (5) Magenresektion nach Billroth II (nur in Einzelfällen erforderlich).
701
Pankreas Pancreas divisum. Bei dieser angeborenen Fehlbildung fehlt die gemeinsame Drainage der Ausführungsgänge ins Duodenum. Eine Verschmelzung des dorsalen Anteils mit dem Rest der Drüse hat nicht stattgefunden: der ventrale Teil des Pankreaskopfes, -isthmus, -korpus und -schwanzes drainiert in die kleine Papille. Die Drainage des hinteren und unteren Anteils des Pankreaskopfes einschließlich Proc. uncinatus erfolgt durch den größeren D. Wirsungianus in der Papilla Vateri. Dieser Duktus ist jedoch relativ kurz. Infolgedessen tritt häufig eine chronische Pankreatitis auf infolge unzureichender Drainage des dorsalen Pankreas. Symptome: rezidivierende Schmerzen im Oberbauch bei jüngeren Patienten wie bei einer chronischen Pankreatitis. Dabei muß die Anamnese sehr genau erhoben werden, ob nicht äußere Einflüsse (Alkoholismus) sowie Diätfehler der eigentliche Grund für die chronische Pankreatitis sind. Diagnostik: Darstellung der Ganganomalie durch ERCP. Differentialdiagnose: chronische Pankreatitis aufgrund einer anderen Ätiologie, Pankreastumoren. Therapie: Sie richtet sich nicht nur nach der Anomalie, sondern insbesondere nach der ausgeprägten chronisch-rezidivierenden Pankreatitis. Die endoskopische Papillotomie kann nur in wenigen Fällen den Circulus vitiosus unterbrechen. Ist der gesamte D. Wirsungianus erweitert, wird eine Pankreatikojejunostomie nach Partington-Rochelle vorgeschlagen. Diese ist jedoch eine drainierende Operation, die den Krankheitsverlauf nicht kausal unterbricht und somit zu keiner wesentlichen Linderung führen kann. Günstiger ist die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion, die sowohl eine ausreichende Drainage des D. Wirsungianus gewährleistet als auch das entzündete Pankreasgewebe mitentfernt.
2. Pancreas divisum angeboren, gemeinsame Drainage der Ausführungsgänge ins Duodenom fehlt. Abfluß des Pankreassekretes oft unzureichend chronische Pankreatitis
Symptome • rezidivierende Oberbauchschmerzen chronische Pankreatitis Diagnostik • ERCP: Ganganomaiie Differentialdiagnose • chron. Pankreatitis anderer Ätiologie • Pankreastumoren Therapie Pancreatojejunostomie nach Partington-Rochelle bei Gangerweiterung duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion n. Beger
Pancreas aberrans ist dystopes Pankreasgewebe, das sich im Magen, Duodenum, in der Umgebung des Pankreas, der Gallenblase und insbesondere im Meckel-Divertikel findet. Symptome: selten. Bisweilen kommt es zu einer intestinalen Blutung (aus dem Mekkel-Divertikel). Therapie: Exstirpation des Pancreas aberrans bei vorliegenden Beschwerden.
3. Pancreas aberrans versprengtes Pankreasgewebe in Magen, Duodenum, Gallenblase und MeckelDivertikel
12.2.3 Pankreasverletzungen
Verletzungen des Pankreas
Ätiologie (s.Kap. 44.2, S.895). Die überwiegend retroperitoneal liegenden Organe wie Pankreas, Duodenum uncfD.hepaticus sind bei Bauchtraumen im Vergleich zu den intraabdominell liegenden Organen, wie Milz und Leber, gut geschützt. Während Zwölffingerdarmverletzungen sowie Läsionen der Gallenblase ausgesprochen selten sind, beobachtet man Pankreasverletzungen relativ häufig (10-16%); sie zeigen eine steigende Tendenz in den letzten Jahren. Ursache für Pankreasverletzungen sind in Nordamerika Schuß- und Stichverletzungen, während in Deutschland Dezelerationstraumen bei Verkehrsunfällen führend sind. Besonders typisch sind Fahrradlenkerverletzungen, gekennzeichnet durch eine umschriebene, aber ausgeprägte Gewalteinwirkung, wobei die Bauchspeicheldrüse, vor der Wirbelsäule liegend, getroffen wird. Naturgemäß kommt dieser Unfallmechanismus am häufigsten im Kindesalter vor.
perforierende oder stumpfe Verletzungen Am häufigsten durch Dezelerationstraumen bei Verkehrsunfällen Fahrradlenkerverletzungen
Diagnostik. Häufig stimmt die klinische Symptomatik mit dem Ausmaß der Verletzungen nicht überein. Dies gilt insbesondere bei isolierten retroperitonealen Verletzungen, bei denen anfangs nur geringe und uncharakteristische Beschwerden bestehen. Insbesondere sind Kombinationsverletzungen diagnostisch schwierig zu erfassen, da Symptome anderer abdomineller Organläsionen, Frakturen, Thoraxverletzungen oder Schädel-Hirn-Traumen ganz im Vordergrund stehen können. Voraussetzung für eine schnelle Diagnose ist, diese Verletzungen überhaupt in das differentialdiagnostische Konzept miteinzubeziehen. Dies bedeutet auch, daß man bei Patienten, die wegen anderer abdomineller Organverletzungen operiert werden müssen, in jedem Fall dabei die Bursa omentalis eröffnet, um etwaige Pankreasläsionen nicht zu übersehen.
Diagnostik - geringe und uncharakteristische Beschwerden, die nicht der Schwere der Verletzung entsprechen • Kombinationsverletzungen häufig: Leber, Milz, Duodenum, Frakturen, Thorax- und Schädelhirnverletzungen -> Polytrauma Entscheidend ist: Pankreasverletzung in Differentialdiagnose miteinbeziehen
Therapie: Exstirpation des P. aberrans
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35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Symptome: - sichtbare Prellmarken - Druckschmerz im Epigastrium - Bauchdeckenspannung
Diagnostik • Sonographie (eingeschränkte Beurteilung) • CT besonders geeignet nach der akuten Phase beim Polytraumatisierten zum Nachweis von Hämatomen, Abszessen, Pseudozysten
Hinweis kann der Unfallhergang sein, ebenso ist auf sichtbare Zeichen einer stumpfen Gewalteinwirkung wie Prellmarken, Hämatome und Kontusionen zu achten. Bei der Untersuchung zeigt sich oftmals ein lokalisierter Druckschmerz im Epigastrium mit umschriebener oder diffuser Bauchdeckenspannung. Nach wie vor sind die CT (mit und ohne Kontrastmittelgabe) und die ERCP die zuverlässigsten Verfahren (Sensitivität und Spezifität 85-90%). CT und E R C P sind jedoch für den polytraumatisierten Patienten belastend und deshalb nur bei dringendem Verdacht auf ein Pankreastrauma angezeigt. Obwohl die Sonographie zunehmend an Bedeutung beim stumpfen Bauchtraumen gewinnt, ist sie bei retroperitonealen Verletzungen nicht besonders sensitiv. Nur der erfahrene Untersucher kann retroperitoneale Hämatome in der Pankreasloge und im Lig. hepatoduodenale ebenso wie eine Duodenalperforation mit ausreichender Sicherheit feststellen. Die intraperitoneale Lavage, die bei Verdacht auf intraperitoneale Blutungen früher favorisiert wurde, hat aufgrund der verbesserten Ultraschalldiagnostik an Bedeutung verloren. Bei retroperitonealen Verletzungen kann nur dann ein positives Ergebnis erwartet werden, wenn ein Hämatom um das Pankreas in die freie Bauchhöhle durchgebrochen ist. Ein Vorteil der intraperitonealen Lavage ist es jedoch, in der Spülflüssigkeit die Konzentration der Amylase und der Leukozyten zu messen. Amylaseerhöhung und Leukozytose kann erster Hinweis für eine Pankreasund Duodenalverletzung oder eine Dünndarmperforation sein. Dahingegen ist die laparoskopische Diagnostik zur Beurteilung von Verletzungen im Retroperitoneum, insbesondere am Pankreas wenig geeignet.
Therapie • 1/3 der Patienten wird erst 12 Stunden nach dem Unfall operiert! • Bursa omentalis eröffnen! Operation! • abhängig von Schweregradeinteilung für Pankreasverletzungen: 1-4:
Schwerdegrad I (leichte Verletzung): Drainage der Pankreasloge kleinere Pankreasfisteln: OctreotidInjektionen Somatostatin®) Schweregrad II-III: Drainage der Bursa omentalis, evtl. Linksresektion Schweregrad IV: möglichst keine Resektion sondern Anastomosierung der peripheren Anteile des durchtrennten Pankreas mit einer Roux-Schlinge
Behandlungsergebnisse bei schweren Pankreasverletzungen häufig unbefriedigend wegen hoher Komplikationsrate
Therapie. Aufgrund der unsicheren Diagnosestellung wird die adäquate chirurgische Versorgung oft verzögert. 1/3 der Patienten wird erst 12 Stunden nach dem Unfall oder noch später operiert. Die Eröffnung der Bursa omentalis ist bei der chirurgischen Exploration wegen eines Bauchtraumas obligat. Die chirurgische Behandlung ist vom Schweregrad der Verletzung abhängig: Schweregrad 1: Pankreastrauma ohne Eröffung des Gangsystems, Schweregrad 2: Eröffnung des D. pancreaticus, Schweregrad 3: komplette Ruptur des Pankreas mit Durchtrennung des D. pancreaticus, Schweregrad 4: kombinierte schwere Verletzung von Pankreas und Duodenum. Bei leichten Verletzungen (Schweregrad 1) genügt die Drainage der Pankreasloge mit dicklumigen Silikon- und doppellumigen Salem-Drainagen. Die Bursa omentalis wird durch Naht verschlossen, damit eine lokale Lavage dieser Region möglich ist. Kleinere Pankreasfisteln, können meist mit hochdosierten Octreoctid-Injektionen (Somatostatin®) zuverlässig behandelt werden. Anders ist die Situation, wenn der D. pancreaticus verletzt wurde (Schweregrade 2, 3): In der Akutsituation, insbesondere bei vitaler Gefährdung des Verletzten, genügt primär die Drainage der Bursa omentalis, um den Eingriff rasch zu beenden. Rasch durchführen läßt sich bei akuter Gefährdung auch die Linksresektion mit Splenektomie. Bei zentralen Verletzungen der Bauchspeicheldrüse sollte man die Indikation zur Resektion aus funktionellen Gründen zurückhaltend stellen und wenn möglich, eine Anastomosierung des peripheren Pankreasanteils mit Jejunum durchführen. Die Versorgung der seltenen Verletzungen des Pankreaskopfes oder des Duodenums ist wesentlich problematischer (Schweregrad 4). Hier ist die partielle Duodenopankreatektomie erforderlich. Sie hat jedoch ein hohes Risiko, vor allem bei Mehrfachverletzten. Die Ergebnisse bei schweren Pankreasverletzungen sind oft unbefriedigend und mit einer hohen Komplikationsrate belastet: Pankreatitis, Pseudozysten, peripankreatische Abszesse, Pankreasfisteln und Blutungen.
Pankreas
703
Spätfolgen. A m häufigsten sind Pseudozysten und äußere Pankreasfisteln. In der Regel werden Pseudozysten mit einer Y-förmig ausgeschalteten Dünndarmschlinge drainiert. Die Operation sollte nicht früher als 6 Wochen nach dem Unfall erfolgen, da die Zystenwand sonst für eine Naht noch zu dünn ist. Pankreasfisteln schließen sich in der Regel spontan, wenn keine Gangverletzung vorliegt. Läßt sich eine chirurgische Behandlung nicht umgehen, empfiehlt sich die Anastomose mit einer Y-förmig ausgeschalteten Jejunumschlinge.
Spätfolgen: • Pseudozysten • äußere Pankreasfisteln
12.2.4 E n t z ü n d u n g e n
Entzündungen
Klassifikation. Die Pankreatitis ist häufig. Die Inzidenz liegt in Mitteleuropa zwischen 10 und 40/100000 Einwohnern im Jahr. Sie wird nach der Verlaufsform in eine akute und chronische Pankreatitis eingeteilt.
Inzidenz der Pankreatitis: 10-40 Erkrankungen pro 100000 Einwohner
12.2.4.1 Akute Pankreatitis
Akute Pankreatitis
Ätiopathogenese. Nach klinischen, morphologischen und biochemischen Kriterien unterscheidet man 2 Verlaufsformen: interstitiell-ödematöse und nekrotisierende Pankreatitis. Die interstitiell-ödematöse Pankreatitis ist häufiger (ca. 75 % aller akuten Pankreatitiden) und verläuft im wesentlichen unkompliziert. Die schwerere Form, nekrotisierende Pankreatitis, ist gekennzeichnet durch Nekrosen im exo- und endokrinen Pankreas, im intra- und peripankreatischen sowie retroperitonealen Fettgewebe.
Einteilung: • interstitiell-ödematöse Pankreatitis (75%), verläuft im wesentlichen unkompliziert • nekrotisierende Pankreatitis: intra- und peripankreatische Nekrosen sowie Fettgewebenekrosen
Pankreasnekrosen entwickeln sich in den ersten 96 Stunden bei der akuten Pankreatitis und sind meist fokal multizentrisch und pankreasgangfern lokalisiert. Charakteristisch ist das Nebeneinander von Parenchymnekrosen und vitalem reversibel entzündetem Gewebe. Eine Totalnekrose des Organs ist äußerst selten. Innerhalb von 2 Wochen nach Krankheitsbeginn entwickeln 40-60 % aller Patienten eine bakterielle Kontamination der Nekrosen. Pankreasabszesse und postnekrotische -Pseudozysten sind Komplikationen der nekrotisierenden Pankreatitis, die zwischen der 3. und 6. Krankheitswoche manifest werden. Sie können intrapankreatisch entstehen, sind aber meist extrapankreatisch lokalisiert und von einer entzündlichen Pseudokapsel umgeben, die benachbarte Organe einbeziehen kann. Ursachen: Gallenwegerkrankungen (z.B. Choledocholithiasis), Alkoholismus, Trauma (exogen, z.B. ERCP, operativ), Stoffwechselstörungen (Hyerlipidämie, Urämie, Hyperparathyreoidismus), Infektionen, vaskuläre Erkrankungen.
Spätfolgen: • Pankreasabszesse • Pseudozysten
Ursachen der akuten Pankreatitis
Pathogenese. Diesen vielfältigen ätiologischen Faktoren steht ein weitgehend einheitliches pathogenetisches Prinzip gegenüber. Alle Ursachen führen zu einer intrapankreatischen Aktivierung der Verdauungsenzyme mit Autodigestion des Organs. Pathologisch-anatomisch findet man Pankreasparenchym- und Fettgewebenekrosen, Ödem, Hämorrhagien und eine Akkumulation von Entzündungszellen als Folgen der lokalen Enzymwirkung. Die proteolytischen Enzyme bewirken Gefäßschäden und lokale Gerinnungsstörungen: die Phospholipase A 2 ist zusammen mit der Lipase für die Pankreasparenchymnekrosen durch Bildung zytotoxischer Lysophospholipiden und konsekutiver Zerstörung der Zellmembran verantwortlich. Darüber hinaus werden noch andere zytotoxische Faktoren (Sauerstoffradikale, Zytokine, Leukotriene etc.) diskutiert, die in der Frühphase der akuten Pankreatitis zu schweren Gewebeschäden und Entzündungsreaktionen führen können.
Einheitliches pathogenetisches Prinzip intrapankreatische Aktivierung der Verdauungsenzyme mit Autodigestion des Organs • proteolytische Fermente: - Gefäßschäden und - lokale Gerinnungsstörungen • zytotoxische Lysophospholipide zerstören Zellmembranen
Die akute Pankreatitis kann in jedem Alter auftreten, ist jedoch bei Kindern und Jugendlichen selten und dann häufig infektiös, parasitär, traumatisch oder hereditär bedingt. Bei M ä n n e r n jenseits des 40. Lebensjahres beruht sie meist auf chronischem Alkoholismus und bei Patienten, insbesondere Frauen, die das 5. oder 6. Dezennium überschritten haben, auf biliären Erkrankungen.
Klinisches Bild - kann in jedem Lebensalter auftreten - bei Kindern und Jugendlichen selten, meist infektiös, parasitär, traumatisch oder hereditär bedingt
704
35. Chirurgie des Verdauungstraktes 12.2.4.1.1 Symptome und Diagnose der akuten Pankreatitis
Symptomatik
Symptomatik (Abb. 35.12-8): • akute, heftige, gürtelförmige und zum Rücken ausstrahlende Oberbauchschmerzen, • Übelkeit, Erbrechen und Subileus bis Ileus, • gelegentlich tastbarer schmerzhafter Tumor im Oberbauch. Bei der schweren nekrotisierenden Form: • Tachypnoe, bedingt durch Pleuraergüsse und Bronchopneumonie • Blutdruckabfall, Tachykardie bis hin zum Kreislaufschock und prärenales Nierenversagen, • blaurote bis bräunliche Hautverfärbungen und ödematöse Durchtränkung der Subcutis im Nabelbereich (Cullen-Zeichen) oder in der Flanke (Grey-Turner-Zeichen).
Zeit (in Wochen oderJahren)-
I Akut-reversible Form //; \\
Ausschaltung der Ursache
»Akute" Pankreatitis
- Epigastrischer während Schmerz des Serumenzym- akuten spiegel J Anfalls Pankreas-Funktion (exokrin und endokrin)
Frühstadium
Spätstadium -Zeit (in Wochen oder Jahren)-
A
A
iM\
Reversible Insuffizienz
r
Sekretorische Insuffizienz
II chronisch-progressive Form
Digestive Insuffizienz + Diabetes
-Kalk < -
CCKSekretintest
i^ '
Stuhl.. chymotrypsin ^
j 1
Epigastrischer während Schmerz des ISerumenzym- akuten Anfalls i spiegel Pankreas-Funktion (exokrin und endokrin)
PABA/ " Pankreolauryltest
^
I—Steatorrhoe
Diabetes < ] —
Abb. 35.12-8: Klinik und Verlaufsformen der akuten und chronischen Pankreatitis: Schmerzen, Serumenzyme und Pankreasfunktion (n. Amman et al.)
Pankreas
705
Diagnostik (Abb. 35.12-9). Labordiagnostik. Ein Anstieg von a-Amylase und Lipase im Serum bzw. Urin ist nur bei eindeutiger Symptomatik beweisend. Die Enzyme steigen auf das 3- bis 5fache in den ersten Tagen an und fallen nach 3-4 Tagen wieder ab. Hohe Enzymspiegel über 10 Tage nach Krankheitsbeginn zeigen Komplikationen an: Pseudozysten, Abszesse. Die Höhe des Anstiegs ist kein Hinweis auf die Schwere der Erkrankung. Tatsächlich können Patienten mit schwerer nekrotisierender Pankreatitis relativ geringe Enzymerhöhungen aufweisen. Eine sichere diagnostische Aussage ermöglicht dagegen der Nachweis von Amylase und Lipase im hämorrhagischen Aszites und Pleuraexsudat. Folgende Parameter haben eine prognostische Bedeutung: • Abfall des Serumkalziums nach dem 2. und 3. Tag ist prognostisch ungünstig. Die Ursache der Hypokalzämie ist unklar. Möglicherweise erklärt sie sich durch Bildung unlöslicher Kalksalze (Fettgewebsnekrosen) infolge Freisetzung langkettiger Fettsäuren bei der Lipolyse im nekrotischen Gewebe.
• Hyperglykämie und Glukosurie weisen auf eine schwere Funktionseinschränkung hin. Weitere Laborparameter zeigen Komplikationen (s. o.) an: • metabolische Azidose (Blutgasanalyse), DIC (Gerinnungsparameter), • intravasaler Flüssigkeitsverlust mit Anstieg von Hb und HK, Leukozytose
> 20000 • prärenales Nierenversagen
(Harnstoff und Kreatinin i. S.T).
Bildgebende Verfahren. Röntgenuntersuchung des Thorax und Abdomenleeraufnahme geben nur indirekte Hinweise: einzelne geblähte Dünndarmschlingen im linken Ober- und Mittelbauch („sentinel loop"), ein plötzlicher Abbruch der Luftfüllung im Bereich der linken Kolonflexur oder des oberen Colon descendens („colon cut-off sign") sind unsichere Hinweise. Schollige Verkalkungen, die sich auf der Abdomenleeraufnahme bisweilen darstellen, sind ein Hinweis für chronisch-rezidivierende Formen der Entzündung. • Die Sonographie ist aufgrund der luftgefüllten Darmschlingen unzuverlässig. Sie dient jedoch der Abklärung einer biliären Ursache. • Am besten ist die kontrastmittelverstärkte CT geeignet, um zwischen der nekrotisierenden und interstitiell-ödematösen Pankreatitis zu unterscheiden (s. Abb. 35.12-14,10). Komplikationen. Während die milde Form in der Regel folgenlos ausheilt, kommt es bei der hämorrhagisch-nekrotisierenden Pankreatitis bei ungenügender Volumensubstitution rasch zum Schock und zur Freisetzung kardio-
Anamnese'
Diagnostik (Abb. 35.12-9) a) Labordiagnostik: • Amylase- und Lipaseanstieg in Serum und Urin - kein Hinweis auf die Schwere der Erkrankung! • beweisend: Enzymnachweis in hämorrhagischem Aszites und Pleuraexsudat!
• Prognosefaktoren: - Abfall des Serumkalziums - Hyperglykämie und Glukosurie Zeichen einer schweren Funktionseinschränkung Hinweise auf Komplikationen • Blutgasanalyse Azidose • Gerinnungsparameter -> DIC • H b t , H K t , Leukozytose -» Exsikkose • Kreatinin?, Harnstoff-Nt, —> akutes Nierenversagen b) Röntgenuntersuchung • Thorax und Abdomenleeraufnahme nur indirekte Hinweise auf eine akute Pankreatitis: - geblähte Dünndarmschlingen im linken Ober- und Mittelbauch -> „sentinel loop" • Abbruch der Luftfüllung im Bereich der linken Kolonflexur „colon cut-off sign" • schollige Verkalkungen -> Hinweis auf chronisch-rezidivierende Pankreatitis c) Sonographie - bei akuter Pankreatitis infolge Darmgasüberlagerung unzuverlässig - Abklärung von biliärer Ursachen -» Gallenblasen- und Gallengangssteine d) Kontrastmittelverstärkte CT
Komplikationen • milde Form der akuten Pankreatitis heilt folgenlos aus
akute Pankreatitis
Labor: a-Amylaset, Lipaset, Kalziumi, Glukoset, Glukosurie, Blutgasanalyse — metabol. Azidose, , BB— Leukozytose> 20 000, Kreatinint, Leberenzymet
Abb.35.12-10: Kontrastmittel-CT. Akute hämorSonographie, ANGIO-CT
rhagisch-nekrotisierende
Rö-Thorax, -Abdomen im Stehen
Abb.35.12-9: Algorithmus zur rationalen Diagnostik (EPT: endoskopische Papillotomie)
bei akuter
Pankreatitis
überwie-
gend im Kopfbereich (—>). Exsudat im Retroperitoneum rechts mit Überlagerung der Psoaskonturen Pankreatitis
706
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
• hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis schwerer Schock mit Freisetzung kardiotoxischer Substanzen • Folgen: Nieren-, respiratorische Insuffizienz, Sepsis, DIC • lokal: Pankreasabszeß, Pseudozyste, gastrointestinale Blutung, Darmperforation
toxischer Substanzen, die zu Niereninsuffizienz und respiratorischer Insuffizienz führen. Weitere Komplikationen sind Sepsis und DIC infolge bakterieller Infektion der Pankreasnekrosen. Lokal können Pankreaspseudozysten bzw. -abszesse, gastrointestinale Blutungen und Perforationen am Darm auftreten, die einer chirurgischen Therapie bedürfen.
Therapie
12.2.4.1.2 Therapie der akuten Pankreatitis
Konservativ • Schmerzbekämpfung: Cave, kein Morphin wegen Papillenspasmus! • Ruhigstellung des Organs: Nahrungsund Flüssigkeitskarenz • Absaugen des Magensaftes, kontinuierlich per Magensonde
Da im Verlauf jeder, auch im Anfang harmlos erscheinenden Pankreatitis lebensbedrohliche Komplikationen folgen können, ist die Intensivüberwachung des Patienten erforderlich (Aufnahme auf Wachstation). Die konservative Therapie besteht in (Abb. 35.12-11): • Schmerzbekämpfung: Pyrazolonderivate oder Pethidin, kein Morphin (Papillenspasmus!) • Ruhigstellung des Organs: orale Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz, Absaugen des Magensaftes, kontinuierlich durch Magensonde. • Volumensubstitution und parenterale Ernährung: Im Schock (Volumenmangel sowie Freisetzung kardiotoxischer und -depressiver Substanzen) ist eine frühzeitige Behandlung mit Kolloiden und Kristalloiden notwendig, um die zum Teil erheblichen Flüssigkeits- und Volumenverluste auszugleichen. Sonst drohen Nierenversagen, kardiozirkulatorische Insuffizienz, Multiorganversagen. Patienten mit schwerer nekrotisierender Pankreatitis müssen mindestens 72 Stunden intensivmedizinisch überwacht werden: Herz-Kreislauf-Parameter, Lungen- und Nierenfunktion (Dauerkatheter, Magensonde, zentraler Venenkatheter, evtl. Pulmonaliskatheter, kontinuierliches Monitoring der Sauerstoffsättigung), ggf. künstliche Beatmung und Nierenersatztherapie (Hämofiltration, -dialyse).
Intensivüberwachung- und therapie Volumensubstitution und parenterale Ernährung bei Verschlechterung: maschinelle Beatmung und Nierenersatztherapie (Hämofiltration, Hämodialyse)
Operativ • keine Op. bei der milden Form • Bei der schweren nekrotisierenden Pankreatitis in 40-60% bakterielle Superinfektion innerhalb 14 Tagen (intestinale Bakterientranslokation)
Operative Therapie. Sie erübrigt sich bei der milden Form der akuten Pankreatitis. Bei der schweren nekrotisierenden Form entwickeln 40-60 % der Patienten innerhalb von 2 Wochen eine bakterielle Superinfektion der Pankreasnekrosen, die sich auch auf die retroperitonealen Nekrosen ausbreitet. Ursache der bakteriellen Infektion ist vermutlich eine Translokation von Patient mit Abdominalschmerz
Diagnose AP
AIP
Anamnese Klinik Pankreasenzyme
Diskrimination AIP vs. NP
NP
CRP, LDH Konserv. Therapie tgl. Kontrolle von Nekrosemarkern bis zur Schmerzfreiheit
Intensivmedizin. Therapie
I
Ansprechen
biliäre AIP
I
Nichtansprechen
I i \
KM-CT ERCP/EPT : bei inkarz. Steinen, Intervallcholezystektomie
FNP
sterile Nekrosen, Organkomplikationen, die innerhalb 72h auf Intensivtherapie ansprechen
persistierende Organkomplikationen, Sepsis, infizierte Nekrosen
Abb. 35.12-11: Differentialdiagnostischer Algorithmus bei akuter Pankreatitis (AP): akutödematöse (AIP) und nekrotisierende Pankreatitis (NP). CRP C-reaktives Protein, LDH Laktatdehydrogenase, KM-CT Kontrastmittel-CT, FNP Feinnadelpunktion- und Aspiration, ERCP/EPT endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie mit Papillotomie
Pankreas
707 • Sicherung der Infektion aus dem klinischen Bild und durch bakteriologischen Keimnachweis (Feinnadelpunktion) —> eindeutige Operationsindikation
Keimen aus dem Darm oder Gallengangssystem. Die infizierten Pankreasnekrosen sind meist Ausgangspunkt septischer Komplikationen. Verschlechtert sich der Allgemeinzustand und ergibt die Feinnadelaspiration eine bakterielle Infektion der Pankreasnekrosen, so wird operiert. Ziel der Operation ist die Entfernung der Nekrosen im Pankreas und Retroperitoneum. Die alleinige Nekrosetomie reicht in der Regel jedoch nicht aus, da die Nekrotisierung häufig in Schüben verläuft. Deshalb ist zusätzlich eine kontinuierliche Bursalavage bzw. Laparostomabehandlung (s. Abb. 35.8-3, S.644) oder eine Etappen-Lavage erforderlich. Bei biliärer Genese wird frühzeitig eine Sanierung der Gallenwege angestrebt bzw. durch endoskopische Papillotomie und Steinextraktion die Ursache der biliären Pankreatitis beseitigt. Postoperative Komplikationen sind: intraperitoneale und -luminale Blutungen sowie Fisteln. • Blutungen erfordern eine sofortige operative Intervention. Ebenso häufig treten gastrointestinale Blutungen durch hämorrhagische Gastritis, Magen- und Darmulzera auf. • Fisteln: Eine meist ungefährliche Folge von Nekrosenentfernungen sind äußere Pankreasfisteln, die in der Regel konservativ (evtl. durch Behandlung mit Somatostatinanaloga) ausheilen können. Seltener sind Dickdarmfisteln, die einer chirurgischen Intervention bedürfen.
Ziel der Operation: • Nekrosenentfernung im Pankreas und im Retroperitoneum • Spüldrainagen in die Bursa omentalis -»kontinuierliche Bursa- bzw. Etappenlavage • Bei biliärer Genese Sanierung der Gallenwege: Cholezystektomie, endoskopische Papillotomie, Entfernung von Choledochussteinen Postoperative Komplikationen • Blutung: intraperitoneal und intraluminal (Gastritis, akute Ulzera) • Fisteln: nach außen, heilen meist spontan, evtl. Somatostatin-Behandlung • Dickdarmfisteln werden meist operiert
12.2.4.2 Chronische Pankreatitis
Chronische Pankreatitis
Definition. Eine chronische Pankreatitis liegt vor, wenn entzündliche Veränderungen zu einer irreversiblen Einschränkung der exo- und endokrinen Pankreasfunktion geführt haben. Es wird unterschieden zwischen der selteneren schmerzlosen chronischen Pankreatitis mit zunehmendem Funktionsverlust und der häufigeren chronisch-rezidivierenden Pankreatitis, die durch zahlreiche Schmerzattacken gekennzeichnet ist. Eine Restitutio ad integrum wie bei der akuten Pankreatitis (milde Form) ist nicht möglich.
entzündliche Veränderungen mit irreversibler Einschränkung der exo- und endokrinen Pankreasfunktion • Unterscheidung: - schmerzlose chronische Pankreatitis und - chronisch-rezidivierend P., die mit erheblichen Schmerzen einhergeht Ätiologie • nach der Häufigkeit: - Alkoholabusus —> Gallensteine -» primäre HPT —» hereditäre Pankreatitis - untere Grenze der toxischen Alkoholwirkung beim Mann: 60-70 g/die, bei der Frau 1/3 davon Pathogenese Präzipitation von eiweißhaltigem Material in den Azini und Endkanälchen des Pankreas —> Konkremente Gangstenosen mit Atrophie und Fibrosierung des Pankreasgewebes Störung des Sekretflusses durch Druckerhöhung im Gangsystem, löst neue pankreatitische Schübe aus Klinisches Bild • Leitsymptom: Schmerzattacken im Oberbauch mit gürtelförmiger Schmerzausstrahlung • Gewichtsverlust durch verminderte Nahrungsaufnahme • Stenose des D. choledochus und D. pankreaticus („Kopfpankreatitis") • pankreatopriver Diabetes mellitus Diagnostik (Abb. 35.12-12) • exokrine Funktionsprüfung: - Pankreolauryltest - Stuhlfettausscheidung • endokrine Funktionsprüfung: - Glukosetoleranztest • Sonographie, CT: informieren über die Morphologie -> Zysten, Verkalkung, Gallen-, Pankreassteine
Ätiologie. Die 4 häufigsten Ursachen sind: (1) chronischer Alkoholabusus, (2) rezidivierende Choledocho- und Cholezystolithiasis, (3) primärer Hyperparathyreoidismus, (4) hereditäre Pankreatitis. A m häufigsten ist chronischer Alkoholabusus anzuschuldigen, wobei Menge und Art des Getränks keine Rolle zu spielen scheinen. Als untere Grenze der toxischen Wirkung sind 60-70 g reiner Alkohol pro Tag beim Mann und etwa ein Drittel davon bei der Frau anzunehmen. Erste Symptome der Erkrankung erscheinen gewöhnlich nach 2 Jahren. Pathogenese. Bei der chronischen Alkoholpankreatitis präzipitiert eiweißhaltiges Material in den Azini und Endkanälchen des Pankreas, wobei die Entstehungsmechanismen bis heute unklar sind. Durch Kalziumeinbau entstehen aus ihnen Konkremente, die einen mechanischen Reiz auf das Gangepithel ausüben und zu einer Wucherung des perikanikulären Bindegewebes führen. Es entstehen Gangstenosen, hinter denen das Pankreasgewebe atrophiert und fibrosiert. Die Störung des Sekretflusses und die konsekutive Druckerhöhung im Gangsystem lösen die akuten Schübe der chronisch-rezidivierenden Pankreatitis mit aus.
Symptome. Leitsymptom der chronisch-rezidivierenden Pankreatitis sind anfallsweise heftige Oberbauchschmerzen, die gürtelförmig ausstrahlen. Sie haben eine deutliche Verminderung der Nahrungsaufnahme und Gewichtsverlust zur Folge. Durch Anschwellen des Pankreaskopfes bzw. durch einen entzündlichen Pankreaskopftumor kommt es zu einer Stenosierung des D. choledochus sowie des D. pancreaticus und als Spätsymptom zu einem pankreopriven Diabetes mellitus. Die Diagnose (Abb. 35.12-12) wird durch Anamnese und Symptomatik gestellt. Zur Prüfung der exokrinen Pankreasfunktion hat sich der Pankreolauryltest und die Stuhlfettausscheidung bewährt. Die endokrine Funktion wird durch den oralen Glukosetoleranztest überprüft. Sonographie und CT informieren nicht nur über die morphologische Beschaffenheit des Organs, sondern auch über Zysten, Verkalkung, Gallensteine und entzündliche Tumoren.
708
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Anamnese-
chronische Pankreatitis
reduzierter Allgemeinzustand und Ernährungszustand Druckschmerz im Epigastrium, Resistenz in Pankreasregion, passagerer Ikterus
Alkoholabusus, Oberbauchschmerzen, Nahrungsintoleranz, Gewichtsabnahme, Diarrhoe, Steatorrhoe
f
ScreeningVerfahren
Sonographie
spezielle i Diagnostik : " Funktionsprüfungen jSekretin-Pankreozymin-Test, Insulinreserven
1
Röntgen
Labor Lipase, Amylase, Trypsin-RIA, Bilirubin, y-GT, AP, Ca2+ Gesamtlipide, Glukosebelastung, Chymotrypsin im Stuhl, Pankcreolauryl-Test, Stuhlgewicht, Stuhlfett
-klinischer Befund
Abdomenleeraufnahme, Magen-Darm-Passage, i.v. Cholangiographie, KE
1
morphologische Untersuchungen CT, NMR, ERCP, PTC, Angiographie
Abb.35.12-12: Algorithmus zur rationalen Diagnostik bei chronischer kreatitis
ERCP mit zytologischer Untersuchung: Pankreasgangsteine, Strikturen, Ausschluß eines Pankreaskarzinoms Angiographie: Information über die Gefäßsituation, wichtig für Operationsplanung
Komplikationen • Pseudozysten mit Verdrängung benachbarter Organe
Pan-
D i e ERCP m i t z y t o l o g i s c h e r U n t e r s u c h u n g d e s P a n k r e a s s e k r e t s d i e n t z u m N a c h w e i s v o n G a l l e n g a n g - und P a n k r e a s g a n g s t r i k t u r e n sowie - g a n g s t e i n e n . Sie gibt H i n w e i s e auf S c h w e r e u n d A u s d e h n u n g d e r c h r o n i s c h - r e z i d i v i e r e n d e n E n t z ü n d u n g u n d k a n n ein P a n k r e a s k a r z i n o m a u s s c h l i e ß e n ( A b b . 35.1213). Röntgenuntersuchung. D i e Magen-Darm-Passage, insbesondere die hypotone D u o d e n o g r a p h i e vermag große Pankreaszysten abzugrenzen und eine Duodenalstenose nachzuweisen. Angiographie: Ist d i e I n d i k a t i o n z u r O p e r a t i o n gestellt, sollten die G e f ä ß e (Verlauf d e r A r t e r i e n , M i l z v e n e n t h r o m b o s e , p o r t a l e H y p e r t e n s i o n ) p r ä operativ dargestellt werden. Komplikationen. A b h ä n g i g v o n S c h w e r e u n d L o k a l i s a t i o n d e r O r g a n z e r s t ö r u n g e n t s t e h e n a u c h bei d e r c h r o n i s c h e n P a n k r e a t i t i s Pseudozysten, die
Abb. 35.12-13: Kontrastmittel-CT. Chronische Pankreatitis mit schollenartigen Verkalkungsherden im Pankreaskopf
Pankreas
709
Komplikationen durch Verdrängung benachbarter Organe nach sich ziehen können: Einengung des intrapankreatischen Abschnitts des D. choledochus (Cholestase), des Duodenums (Magenausgangsstenose) und evtl. der Kolonflexur. Seltener sind gastrointestinale Blutungen, bedingt durch portale Hypertension oder durch Ulcéra ventriculi et duodeni. Ursache des pankreatogenen Aszites, von Perikard oder Pleuraergüssen sind Gang- und Zystenwandrupturen, Verödung von Lymphbahnen sowie eine portale Hypertension.
• Röhrenstenose des D. choledochus -> Verschlußikterus • Stenose des Duodenums bei entzündlichem Kopftumor • gastrointestinale Blutungen Pfortaderthrombose mit portaler Hypertension, Magen-Duodenalulzera • pankreatogener Aszites • Pleura- und Perikardergüsse
Chirurgische Therapie. Operiert wird bei
Chirurgische Therapie (Abb. 35.12-14) Indikationen
• Cholezysto- oder Choledocholithiasis und Komplikationen: Stenose von D. choledochus, D. pancreaticus, Duodenum, portale Hypertension • therapieresistenten Schmerzen und zum Ausschluß maligner Tumoren. Das operative Verfahren richtet sich nach Indikation und Lokalisation der Läsion. Man unterscheidet drainierende und resezierende Operationen. Drainierende Verfahren (Abb. 35.12-14) sind: • Gallenwegseingriffe beim Steinleiden, biliodigestive Fistel und Röhrenstenose des D. choledochus, • laterolaterale Pankreatojejunostomie nach Partington-Rochelle sowie terminoterminale Pankreatojejunostomie nach du Val. Diese Verfahren sind nur bei ausgeprägten Erweiterungen des D. pankreaticus indiziert.
80 %) zu empfehlen. Schwieriger ist die Operationsentscheidung bei entzündlichen Pankreaskopftumoren. Hier ist eine organsparende, weniger invasive Resektion anzustreben, wie die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion. Durch Entfernen des Pankreaskopftumors kommt es zu einer deutlichen Linderung der Schmerzen, teils auch zu einer Verbesserung der endo- und exokrinen Funktion (5%). Die totale Duodenopankreatektomie hat eine hohe Spätletalität (pankreopriver Diabetes mellitus, „brittle diabetes").
Zysten und Pseudozysten
12.2.5 Zysten und Pseudozysten
M a n unterscheidet: Retentions-, dysontogenetische Zysten, Zystadenome, muzinöse und seröse Pseudozysten
Definition: Man unterscheidet: Retentions-, dysontogenetische Zysten, Zystadenome (muzinöse und seröse) und Pseudozysten.
- echte Pankreaszysten mit innerer Epithelauskleidung sind selten - Pseudozysten entstehen durch Abflußbehinderung im Gangsystem. Sie sind mit Flüssigkeit und Nekrosen gefüllt - Zystadenome sind zystische Tumoren mit Epithelauskleidung, die muzinösen entarten in 2 0 % maligne Ätiologie • 3 Ursachen für Pankreaspseudozysten: - posttraumatisch: 1 - 3 0 % - bei chron. Pankreatitis: ca. 2 0 % - bei akuter Pankreatitis: ca. 1 5 % • Pseudozysten können sehr groß werden und liegen extraparenchymatös (s.Abb. 35.12-15), enthalten nicht nur Flüssigkeit sondern auch nekrotisches Material
Pankreaspseudozysten sind durch Unterbrechnung bzw. Verschluß des Pankreasgangsystems entstanden, mit Flüssigkeit- oder Nekrosen gefüllte Hohlräume ohne eigene Epithelauskleidung. Zystadenome sind zystische Tumoren mit epithelialer Auskleidung und serösem bzw. muzinhaltigem Inhalt. Muzinöse Zystadenome können in 20 % maligne entarten (Abb. 35.1215).
Abb.35.12-15: Prädilektionsstellen von Pankreaspseudozysten und ihre topographischen Beziehungen
Abb.35.12-16: Pseudozystendrainagen: a. Äußere Drainage, b. Interventionelle innere Drainage zwischen Magen und Zyste mit einem Pigtail-Katheter, c. Innere Drainage mit einer hochgezogenen Dünndarmschlinge und BraunEnteroanastomose, d. Innere Drainage mit einer nach Roux ausgeschalteten Jejunumschlinge
Echte Pankreaszysten sind selten. Sie haben eine Epithelauskleidung und enthalten in ihrer Zystenflüssigkeit in der Regel keine Pankreasenzyme.
Ätiologie. Wir unterscheiden 3 Hauptursachen der Pankreaspseudozysten: • posttraumatisch (Häufigkeit 1 - 3 0 %), • chronische Pankreatitis (Häufigkeit 20 %), • akute Pankreatitis (Häufigkeit ~ 15 %). Oft sind Pseudozysten sehr groß und liegen extraparenchymatös (Abb. 35.12-16). Meist enthalten sie nicht nur Flüssigkeit, sondern auch nekrotisches Material, so daß eine interventionelle Therapie selten gelingt. Zwischen der chronischen und akuten Pankreatitis als Ausgangspunkt von Pseudozysten finden sich Übergangsformen.
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Pankreas Symptome. Große Zysten verursachen Beschwerden: • tastbare abdominale Resistenz mit glatter Oberfläche, zuweilen verschieblich. Steht die Pseudozyste unter Druck, kann ein solider Tumor vorgetäuscht werden. • epigastrische Schmerzen und im linken Hypochondrium, Ausstrahlung in den Rücken. • Abmagerung: Diese steht jedoch nicht mit der Pseudozyste in direktem Zusammenhang, sondern durch Verdrängung oder Stenosierung des Duodenums. Folgende Komplikationen sind möglich: • Blutung: häufig Einblutungen in die Zyste. Lebensbedrohlich sind Arrosionsblutungen aus den Aa. lienalis, gastroduodenalis et gastroepiploica. • Verschlußikterus: durch Verdrängung und Einengung des D. choledochus. • Aszites und Pleuraerguß: meist reflektorisch als Folge einer Entleerung der Pankreaspseudozyste in die Bauchhöhle. • Infektion, Ruptur, Stenose im oberen Magen-Darm-Trakt. Diagnostik. Indirekte Darstellung der Pseudozyste durch Magen-DarmPassage, Kolonkontrasteinlauf, i. v.-Pyelogramm. Methode der Wahl ist die Sonographie. Sie dient außerdem der Verlaufskontrolle. Die CT ist zwar ebenso verläßlich, jedoch aufwendiger, teurer und mit Strahlung belastet. Die ERCP stellt etwaige Verbindungen zwischen D. pancreaticus und Pseudozyste sowie eine nachgeordnete Stenose des Pankreasganges dar. Die Angiographie weist Verdrängungen der Milzarterie und der -vene sowie ein Kollateralkreislauf (portale Hypertension) nach. Konservative Therapie. Die spontane Heilung von Pankreaspseudozysten ist durchaus möglich, aber selten. In manchen Kliniken wird eine interventionelle Therapie, d. h. ultraschallgesteuerte transkutane Punktion und Drainage mit Pigtail-Katheter durchgeführt. Sie ist jedoch nur selten erfolgreich, da die Zysten nicht nur mit Flüssigkeit, sondern auch mit nekrotischem Material gefüllt sind. Dieses läßt sich über die Drainage allenfalls durch ausgedehnte Spülungen entfernen. Besteht eine Verbindung zum Pankreasgang und ist dieser außerdem duodenalwärts stenosiert, ist ein interventionelles Vorgehen nicht sinnvoll.
Operative Therapie. Eine über 6 Wochen bestehende Pankreaspseudozyste bildet sich nicht mehr spontan zurück; sie wird wegen drohender Komplikationen operiert. Für eine erfolgreiche Operation muß die Zystenwand genügend fest sein, Anastomosennähte finden sonst keinen Halt. Man operiert frühestens 6-8 Wochen nach Abklingen der akuten Pankreatitis. Drainageverfahren: Zystogastrostomie, -jejunostomie und -duodenostomie. A m einfachsten und günstigsten ist die Zystojejunostomie, da - wie bei den anderen Verfahren - keine Speisen in die Zyste gelangen können.
12.2.6 Pankreastumoren Gutartige T\imoren sind selten: Adenom der Papilla Vateri, seröse und muzinöse Zystadenome. Sie können ähnliche Symptome wie bösartige Tumoren hervorrufen (schmerzloser Verschlußikterus, epigastrische Schmerzen, Magenausgangsstenose) und sollten entfernt werden. Muzinöse Zystadenome können in 20 % maligne entarten.
12.2.6.1 Pankreaskarziom und periampulläres Karzinom Das Adenokarzinom des Pankreas, welches 2 % aller Karzinome und 10 % jener des Magen-Darm-Trakts ausmacht, nimmt an Häufigkeit zu. Zu 70 % ist es im Pankreaskopf lokalisiert, zu 30 % im Korpus-
711 Klinische Symptome Nur die großen Zysten machen Beschwerden: • tastbare Resistenz im Oberbauch mit glatter Oberfläche • epigastrische Schmerzen und im linken Hypochondrium mit Ausstrahlung in den Rücken • Abmagerung durch Verdrängung oder Stenosierung des Duodenums Komplikationen
4 =
Diagnostik • indirekte Darstellung durch Röntgenuntersuchung des Magen/Duodenums und des Kolons • Sonographie ist Methode der Wahl, vor allem zur Verlaufskontrolle • CT: gute Darstellung mit exakter Lokalisation, Nachteil hohe Kosten und Strahlenbelastung • ERCP —> Beurteilung des Gangsystems • Angiographie bei Verdacht auf Pfortader- und Milzvenenthrombose portale Hypertension Therapie (Abb. 35.12-16) Konservativ • Spontanheilung der Pseudozysten ist möglich aber selten • interventionell: ultraschallgesteuerte transkutane Punktion und Drainage mit einem Pigtail-Katheter, der die Zyste mit dem Magen verbindet Operative Behandlung • Indikation. Zysten, die sich innerhalb 6 Wochen nicht zurückgebildet haben - Eingriff nicht früher als 6-8 Wochen nach Beginn der Erkrankung, da Zystenwand erst dann stabil für eine Anastomosennaht • Drainageverfahren: - Zystogastrostomie - Zystojejunostomie (Methode der Wahl) - Zystoduodenostomie Gutartige Pankreastumoren • Adenom der Papilla Vateri • Seröse und muzinöse Zystadenome - gutartige Tumoren können ähnliche Symptome hervorrufen wie die bösartigen - Exstirpation indiziert Pankreaskarzinom und perampulläres Karzinom Inzidenz:
712
35. Chirurgie des Verdauungstraktes
Pankreaskarzinom
periampuläres Karzinom
Duodenum 1; nahe Papille (2) Ampulle Endstück des (3) Ductus Wirsungianus 4 terminaler Choledochus
Adeno-
Azinuszell- Zystadenokarzinom karzinom
Inselzellkarzinom
., -10-15%
-80-85%
-5%
Abb.35.12-17: Definition und Häufigkeit der Pankreaskarzinome mit ihren Untergruppen (n. Hermanek 1984) periampulläre Karzinome werden frühzeitiger erkannt (Verschiußikterus!), daher bessere Prognose
Klinische Zeichen • Schmerzen im Epigastrium, in den Rükken gürtelförmig ausstrahlend, unabhängig von der Nahrungsaufnahme
Kauda-Bereich. Man unterscheidet das eigentliche Pankreaskarzinom und die periampullären Karzinome (Lokalisation an der Papille, am peripapillären Duodenum und distalen Choledochus, Abb. 35.12-17). Periampulläre Karzinome werden durch die frühzeitig auftretende Symptomatik (Verschiußikterus) früher erkannt und haben daher eine günstigere Prognose (Abb. 35.12-18). Symptome. Der Schmerz ist häufig das erste und dominierende Symptom. Beim Karzinom des Pankreaskopfes wird der Schmerz im Epigastrium, in den Rücken ausstrahlend und unabhängig von der Nahrungsaufnahme an-
Anamnese-
Sonographie
Pankreaskarzinom und Lebermetastasen
Pankreaskarzinom
mafech"
'
/ \ ERCP
rus
keine Therapie palliative chir. Therapie oder interne-externe Drainage
CT
-Klinischer Befund
Tumorverdacht
/IN
ERCP PTC CT/ NMR
Angiographie
Pankreas-Ca.
I
Angiographie
chir. Therapie
kein Ca. Sonographie oder CT-Kontrollen
chir. Therapie
Abb.35.12-18: Diagnostischer und therapeutischer Algorithmus beim Pankreaskarzinom
Pankreas
713
gegeben. Beim Pankreasschwanzkarzinom ist der Schmerz im linken Hypochondrium lokalisiert und führt zu lumbalen Schmerzen, die oft als rheumatisch verkannt werden. Dabei geht wertvolle Zeit verloren, so daß der Befund häufig inoperabel ist. Beim Karzinom im Pankreaskopfbereich bzw. beim periampullären Karzinom, tritt ein schmerzloser Verschlußikterus als Leitsymptom auf (Courvoisier-Zeichen: tastbare prallgefüllte Gallenblase).
schmerzloser Verschlußikterus beim Kopf- und periampullären Karzinom Courvoisier-Zeichen —> tastbare prall gestaute Gallenblase
Diagnostik (Abb. 35.12-19). Konventionelle diagnostische Maßnahmen wie Magen-Darm-Passage mit hypotoner Duodenographie sind meist erst bei inoperablen Tumorbefunden hinweisend; vorzuziehen sind: • Sonographie, CT (Abb. 35.12-20): Die Tumoren lassen sich lokalisieren, jedoch nicht differenzieren (benigne/maligne). • Endoskopie, ERCP stellen Pankreas- und Gallengänge dar. Gangveränderungen geben Hinweise auf die Dignität: langstreckige Stenosen des D. choledochus —» entzündlicher Pankreaskopftumor, kurzstreckige Stenosen des Gallen- und Pankreasganges, d. h. „double-duct sign" —> Hinweis auf ein Pankreaskopfkarzinom. • Selektive Angiographie stellt tumorbedingte Gefäßabbrüche, Milzvenenund Pfortaderverschlüsse oder -thrombosen dar (wichtig für die Diagnose und Beurteilung der Operabilität).
Diagnostik • Sonographie, CT: - Größe und Lokalisation der Tumoren Differenzierung zwischen gut- oder bösartig nicht sicher möglich • Endoskopie, ERCP - Darstellung von Pankreas- und Gallengang: langstreckige Stenose -> entzündlicher Prozeß, kurzstreckige Stenose -> meist bösartiger Tumor - „double-duct sign" -> Hinweis auf Pankreaskopfkarzinom • Selektive Angiographie - Darstellung tumorbedingter Gefäßabbrüche, Milzvenen- und Pfortaderthrombose mit Kollateralkreislauf Hinweis für evtl. Inoperabilität
Chirurgische Therapie. Die Entfernung des Pankreaskarzinoms ist Therapie der Wahl. Meist besteht jedoch bereits Inoperabilität. Die Resektionsquote beträgt nur 10-30%, bei den periampullären Karzinomen im Durchschnitt 75 %. Praxishinweis: Das Pankreaskarzinom ist resektabel, wenn keine Metastasen vorhanden sind, die Gefäße tumorfrei oder nur semizirkulär in den Tumor einbezogen sind, die Mesenterialwurzel nicht befallen ist, das Risiko einer Resektion für den Patienten tragbar erscheint. Palliative Eingriffe sind: • biliodigestive Anastomosen: Bei Inoperabilität und Verschlußikterus Hepato- oder Choledochojejunostomie mit ausgeschalteter Schlinge nach Y-Roux, seltener eine laterolaterale Choledochoduodenostomie. • Gastroenteroanastomose: Bei Magenausgangsstenose und inoperablem Tumor. Radikale Operationen. Der Anteil der resezierbaren Pankreaskarzinome ist von der Tumorlokalisation abhängig: Am häufigsten sind Pankreaskopfkarzinome resektabel (10-35 %), nur 14,5 % der Korpus- und Kaudakarzinome sowie 2,3 % der Karzinome, die das ganze Pankreas befallen haben.
Chirurgische Therapie • Resektionsquote 10-30%, beim periampullären Karzinom etwa 75%
Palliative Eingriffe —> biliodigestive Anastomosen: Bei Inoperabilität und Verschlußikterus • Hepato- oder Choledochojejunostomie • Choledochoduodenostomie • Gastroenterostomie: Bei Magenausgangsstenose Radikale Operationen • Resektabilität: - Pankreaskopfkarzinom: 10-35% - Korpus- und Kaudakarzinom: 14,5% - Totalbefall des Pankreas: 2,3%
D a Uncinatuskarzinome sehr früh die V. mesenterica superior zirkulär ummauern, ist die Resektion dieser Tumoren meist nicht mehr möglich.
Abb.35.12-19: Kontrastmittel-CT. Muzinöses nom des Pankreas
Zystadenokarzi-
Abb.35.12-20: ERCP: kurzstreckige und hochgradige Stenose des D. choledochus bei Pankreaskopfkarzinom (-»)
714 Operationsverfahren (Abb. 35.12-21) • partielle D u o d e n o p a n k r e t e k t o m i e n. Kausch-Whipple. Beim Kopfkarzinom indiziert. Wiederherstellung der intestinalen Passagen durch Choledochoduodenostomie, Pankreatojejunostomie oder Pankreatogastrostomie, GE
• pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie. Magenteilresektion entfällt, Speiseweg über das Duoden u m bleibt erhalten. Nur bei sehr begrenzten Tumoren möglich
• Pankreaslinksresektion m i t Splenektom i e bei Karzinomen der linken Pankreashälfte • t o t a l e Pankreatektomie bei multizentrischen Karzinomen. Nachteil: schwer einstellbarer pankreopriver Diabetes mellitus Adjuvante Therapie • Radiochemotherapie konnte in einigen Studien die Überlebenszeit verlängern • Ergebnisse der regionalen Chemotherapie über den Truncus coeliacus sind noch nicht gesichert
35. Chirurgie des Verdauungstraktes Radikale Verfahren: • partielle Duodenopankreatektomie nach Kausch-Whipple*, bei Karzinomen des Pankreaskopfes indiziert. Pankreas, Duodenum, D. choledochus und distale Magenhälfte werden en bloc reseziert und eine sorgfältige Lymphadenektomie am oberen und unteren Pankreasrand, am Pylorus, am Leberhilus und paraaortal ausgeführt. Die Rekonstruktion bei dieser ausgedehnten Organentfernung ist aufwendig. Erforderlich sind eine biliodigestive Anastomose (Choledochojejunostomie), Anastomose zwischen Magenrest und Dünndarm (Gastroenterostomie), und technisch am schwierigsten, eine Anastomosierung des distalen Pankreasrestes mit dem Jejunum (Pankreatojejunostomie) oder mit dem Magen (Pankreatogastrostomie, technisch einfacher und sicherer). Gefürchtet ist vor allem die Nahtinsuffizienz an der Pankreasanastomose. Bei kleineren Tumoren bietet sich die pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie an, wobei die Magenteilresektion entfällt (Abb. 35.1221) Bei partieller Einbeziehung der Pfortader oder wichtiger Arterien (A. hepatica communis, A. mesenterica superior) kann eine Erweiterung des Eingriffs mit Gefäßresektion und entsprechender Rekonstruktion sinnvoll sein. • Pankreaslinksresektion mit Splenektomie bei Karzinomen der linken Pankreashälfte indiziert • totale Pankreatektomie erlaubt eine größere Radikalität bei multizentrischen Karzinomen (15-20 %). Von Nachteil ist der schwer einzustellende pankreoprive Diabetes mellitus. Adjuvante Therapie. Die postoperative adjuvante Radiochemotherapie führte in verschiedenen randomisierten Studien zu einer signifikanten Verlängerung der sehr schlechten Überlebenszeit nach kurativer Resektion des Pankreaskarzinoms. Auch die alleinige postoperative regionale Chemotherapie scheint die Überlebenszeit der kurativ behandelten Patienten nach * Erste erfolgreiche D u o d e n o p a n k r e a t e k t o m i e 1912 durch Walter Kausch in Berlin
Abb.35.12-21: Partielle Duodenopankreatektomie beim Pankreaskarzinom und Rekonstruktionsmöglichkeiten: a. Organentfernungen, b. Pyloruserhaltendes Verfahren (n. Beger) mit terminolateraler Duodenojejunostomie und terminoterminaler Pankreatojejunostomie, c. Subtotale Magenresektion und Duodenektomie. Rekonstruktion durch Gastrojejunostomie und terminoterminaler Pankreatojejunostomie, d. Pankreatogastrostomie, sicheres und einfaches Verfahren
Pankreas
715
Resektion zu verbessern. Insbesondere jedoch bei Patienten, die bei nicht resektablem Primärtumor nur palliativ operiert werden konnten, scheint die Kombination mit extremer Bestrahlung und Chemotherapie zu deutlich längeren Überlebenszeiten zu führen. Ebenso kann bei diesen Patienten eine regionale Chemotherapie über den Truncus coeliacus die Prognose verbessern. Beide Verfahren sind im Vergleich zu ihren Wirkungen und Nebenwirkungen bzgl. der Gesamtprognose gegeneinander abzuwägen. Seit einigen Jahren wird die intraoperative Radiotherapie (IORT) in Studien überprüft. Sie hat den Vorteil, daß sowohl aus kurativer als auch palliativer (Schmerzen!) Absicht, eine hohe Strahlendosis (20 Gy) auf das Tumorbett bzw. auf den Tumor selbst appliziert werden kann. Postoperativ wird die Bestrahlung perkutan fortgesetzt. Bisher liegen jedoch noch keine abgesicherten Ergebnisse vor.
intraoperative Radiotherapie (IORT) ist aufwendig und noch nicht abgesichert
Prognose. Die postoperative Letalität hängt von der Ausdehnung der Operation ab. Durch die Fortschritte in der chirurgischen Technik und Intensivmedizin kann jedoch auch nach entsprechender Abklärung der perioperativen Risiken eine partielle Duodenopankreatektomie mit einer Letalität von < 5 % durchgeführt werden. Gefürchtete postoperative Komplikationen sind: Nahtinsuffizienz an der Gallengangs- und Pankreasanastomose, Pankreatitis, Nachblutung intraabdominal oder am Pankreasrest. Das Pankreaskarzinom wird nach der TNM-Klassifikation der UICC (1987) beurteilt. Diese bezieht sich auf das duktale Adenokarzinom des exokrinen Pankreas. Ausgangspunkt für das Karzinom ist das schleimproduzierende Epithel des Pankreasganges. In dieser Klassifikation sind die periampullären Karzinomformen nicht aufgenommen:
Prognose • insgesamt schlecht • Operationsletalität hängt von der Ausdehnung des Eingriffs ab, bei Duodenopankreatektomie etwa 5% • postoperative Komplikationen: - Nahtinsuffizienz an der Gallengangsund Pankreasanastomose - Pankreatitis - Nachblutung Klassifizierung des Pankreaskarzinoms nach • TNM-System der UICC und Stadieneinteilung
T - Primärtumor Tx Tumor kann nicht untersucht werden, TO kein Hinweis auf Primärtumor, 77 Tumor auf das Pankreas begrenzt: Tla Tumorgröße 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung, Tlb Tumor > 2 cm in größter Ausdehnung 72 Tumor breitet sich direkt in Duodenum, Gallengang oder peripankreatischem Gewebe aus 73 Tumor breitet sich direkt in Magen, Milz, Kolon oder benachbarte große Gefäße aus N - Regionäre Lymphknoten: Nx regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden, NO keine regionären Lymphknotenmetastasen, N1 regionäre Lymphknotenmetastasen M - Fernmetastasen: Mx keine Untersuchung auf Fernmetastasen, MO keine Fernmetastasen, Ml Fernmetastasen vorhanden.
4=
Basierend auf der TNM-Klassifikation erfolgt auch die Einteilung in UICCTumorstadien (1987): Stadium
I
Stadium Stadium Stadium
II III IV
T1 T2 T3 jedes T jedes T
NO NO NO N1 jedes N
MO MO MO MO Ml
Die Prognose des Pankreaskarzinoms ist insgesamt schlecht. Die durchschnittliche 5-Jahres-Überlebensrate unter Einbeziehung der operablen Pankreaskarzinome liegt bei 0,4 %. Bei resezierenden Verfahren mit kurativem Ansatz ist die Prognose etwas besser, vor allem im Tumorstadium I und II. Im Tumorstadium III und IV liegt die mittlere Überlebenszeit selten über einem Jahr. Günstiger ist die Prognose der periampullären Karzinome. Die Patienten erreichen eine 5-Jahres-Überlebensrate bis zu 30%. Adjuvante Behandlungsverfahren (Strahlen- und Chemotherapie) scheinen die Prognose auch bei inoperablen Patienten günstig zu beeinflussen.
5-Jahres-Überlebenszeit für alle Karzinompatienten inklusive der „radikal" operierten beträgt etwa 0,4% periampulläres Karzinom: 5-JahresÜberlebenszeit bis zu 30% adjuvante Strahlen- und Chemotherapie scheinen die Prognose auch beim inoperablen Patienten gering zu verbessern
36. Milz R. U. Häring
1. Klinische Anatomie und Physiologie • Topographie: - Lage im linken Subphrenium - Fixierung durch Ligamente zu Magen, Pankreas, Zwerchfell, linker Kolonflexur - Gefäßversorgung: - A. lienalis aus Tr. coeliacus - V. lienalis, die gemeinsam mit V. mesenterica superior die Pfortader bildet
Klinische Anatomie: Die Milz ist nach der Leber das zweitgrößte Organ des Monozyten-Makrophagen-Systems (früher: RHS). Ihre durchschnittliche Größe beträgt 3 x 6 x 12 cm bei einem Gewicht, in Abhängigkeit von der Blutfüllung, zwischen 120-300 g. Sie liegt im linken Subphrenium, geschützt vor stumpfer Gewalteinwirkung durch die 9.-11. Rippe. Ihre Lagebeziehung zu Zwerchfell, Magen, Pankreas, linker Kolonflexur und linker Niere wird durch ligamentäre Verbindungen (Ligg. phrenicolienale, gastrolienale, colicolienale und phrenicocolicum) aufrechterhalten. Die arterielle Gefäßversorgung erfolgt über die A. lienalis, die aus dem Tr. coeliacus entspringt und geschlängelt am Oberrand des Pankreas zum Milzhilus verläuft und sich dort in die segmentalen Milzäste aufteilt. Äste der A. lienalis, wie die A.gastroepiploica sinistra und Aa. gastricae brevis versorgen Teile der großen Magenkurvatur und des -fundus. Es bestehen Kollateralen zur A. gastroepiploica dextra. Der venöse Blutabstrom erfolgt über die V. lienalis, die nach Einmündung der unteren Mesenterialvene, gemeinsam mit der V. mesenterica superior die Pfortader bildet.
• Histologie: - Trabekel - Bindegewebsbalken, die von der Kapsel und dem Hilus das Organ durchziehen. Zwischen den Trabekeln liegt das Parenchym, die Pulpa - Rote Pulpa - Gefäßsinus und intersinuoidales retikuläres Maschenwerk - Weiße Pulpa - Lymphfollikei, lymphoretikuläre Gefäßscheiden - Marginalzone - zwischen roter und weißer Pulpa gelegen
Histologie: Das Stützgerüst der Milz wird durch die bindegewebige Milzkapsel gebildet, von der aus kräftige Bindegewebebalken, Trabekel, das Organ durchziehen. Entlang der Trabekel verzweigen sich Äste von A. und V. lienalis und führen zur segmentalen Milzstruktur. In dem Fächerwerk der Trabekel liegt das Milzparenchym, die Pulpa. Es wird die rote und weiße Milzpulpa unterschieden. Die rote Milzpulpa entspricht den Gefäßsinus und dem intersinuoidalen retikulären Maschenwerk und macht ca. 85 % des Organvolumens aus. Die weiße Pulpa setzt sich aus den lymphoretikulären Gefäßscheiden und den Lymphfollikeln (Malphigi-Körperchen) zusammen. Ihr Anteil am Organvolumen beträgt ca. 15 %. Zwischen roter und weißer Pulpa liegt die Marginalzone, die durch retikuläres Bindegewebe mit zahlreichen Blutsinus und speziellen Makrophagen gebildet wird.
1. hämatologische Aufgaben:
Klinische Physiologie. Ca. % des HMV durchströmen die Milz, etwa 101/h. Aus dieser guten Durchblutung des Organs einerseits und durch die erhebliche Verlangsamung des Blutstromes im Maschenwerk der Milz andererseits, leiten sich die Aufgaben der Milz ab. • Hämatologische Funktionen sind: Hämopoese, Filter-, Abbau- und Speicherfunktion.
• Hämatopoese: - bis 6. Schwangerschaftsmonat Erythropoese - lebenslange Potenz zur Erythropoese - Reifungsstätte der Retikulozyten - Lymphopoese • Reservoirfunktion: - fürThromb-, Lymph-, Monozyten • Abbaufunktion: - überalterte oder abnorme Erythro- und Thrombozyten Clearancefunktion: - intrazelluläre Einschlußkörper, Fremdkörper 2. immunologische Aufgaben: • Steuerung der immunologischen Abwehrfunktionen durch zelluläre und humorale Faktoren • Wichtigste immunologische Aufgabe —» Phagozytose von virulenten Keimen und Antigenen Hierfür verantwortlich: - T-Lymphozyten - ortsständige Makrophagen und - B-Lymphozyten
In der Perinatalzeit erfolgt die Hämopoese in der Milz, ab dem 6. Schwangerschaftsmonat im Knochenmark. Die Milz bleibt Reifestätte der Retikulozyten. Die Potenz zur Erythropoese bleibt in der Milz lebenslang erhalten und kann bei Anämien wieder übernommen werden. Demgegenüber ist die Milz auch im Erwachsenenalter eine wichtige Stätte der Lymphopoese. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Rcservoirfunktion der Milz für Thrombozyten, Lymphozyten und Monozyten. Ca. 30 % des Thrombozytenpools werden in der Milz gespeichert. Darüber hinaus werden überalterte oder abnorme Erythrozyten und Thrombozyten in der Milz abgefangen und phagozytiert. Die Clearancefunktion (pitting function) ermöglicht der Milz aus funktionstüchtigen Erythrozyten Einschlußkörper wie Howell-Jolly-Körper (Kernchromatin), Heinz-Körper (Hämoglobinpräzipitate), Pappenheimer-Körper (Eisengranula) zu entfernen.
• Immunologische Funktionen sind zelluläre und humorale Immunglobulin- und Lymphokinproduktion.
Immunantwort,
Die immunologische Abwehrfunktion der Milz wird durch zelluläre und humorale Faktoren gesteuert. Hauptaufgabe ist die Phagozytose von virulenten Keimen oder Antigenen aus der Blutbahn, da afferente Lymphbahnen in der Milz fehlen. Dies wird durch die T-Lymphozyten und ortsständigen Makrophagen in der weißen Pulpa und den Kontakt mit den B-Lymphozyten, die die rote Pulpa durchwandern, gewährleistet. Die humorale Immunantwort erfolgt über die B-Lymphozyten. Nach Kontakt mit dem Antigen werden das Komplementsystem aktiviert und Immunglobuline (IgA,
Erkrankungen, Verletzungen, Splenektomie IgG, IgM) produziert. Die Oberfläche des Antigens wird besetzt und somit als körperfremd gekennzeichnet (Opsonierung). Sie ist die Voraussetzung für die Phagozytose von Antigenen durch extralienale Makrophagen. Dies betrifft im besonderen Keime (z.B. Pneumokokken), die durch eine Polysaccharidkapsel geschützt sind. Bei Primärkontakt mit einem solchen Erreger, ist die Opsonierung und Phagozytose in der Milz die Voraussetzung für die Bildung spezifischer humoraler Antikörper. Zusätzlich erfolgt in der Milz die Produktion von Lymphokinen, die die Phagozytosefähigkeit der Makrophagen steigern und chemotaktisch auf Monozyten wirken. Die Tetrapeptide Tuftsin und Properdin mit opsonierenden Eigenschaften werden ebenfalls in der Milz produziert. Die höchste immunologische Aktivität entfaltet die Milz bei hämatogenem Kontakt mit einer kleinen Menge pathogener Mikroorganismen, in Abwesenheit von spezifischen Antikörpern. Die Milz hat daher besonders im frühen Kindesalter eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung des Immunsystems.
2. Symptome, Diagnostik, Erkrankungen Leitsymptom der Milzerkrankungen ist die Vergrößerung des Organes (Splenomegalie). Verbunden mit der Splenomegalie geben viele Patienten uncharakteristische linksseitige Oberbauchschmerzen an. Sie sind Ausdruck einer Kapselspannung, Irritation des Zwerchfells oder Kompression oder Verdrängung benachbarter Organe. Meist suchen die Patienten den Arzt nicht wegen dieser Oberbauchbeschwerden auf, sondern im Vordergrund stehen andere Symptome unterschiedlicher Grundkrankheiten, wie Fieber, Ikterus, Blutungsneigung oder Lymphknotenschwellungen. Die Milz entzieht sich aufgrund ihrer Lage der klinischen Palpation. Auch die vergrößerte Milz ist nur in ca. der Hälfte der Fälle klinisch zu evaluieren. Wichtigste nichtinvasive Untersuchungstechniken sind Sonographie und CT: Form, Größe und Binnenstruktur der Milz können so bestimmt und die wesentlichen Erkrankungen differentialdiagnostisch voneinander abgegrenzt werden. Die Milzszintigraphie kann unspezifisch mit radioaktiv markierten Kolloiden oder Mikrosphären vorgenommen werden. Hierbei kommt es zur Darstellung des RHS von Knochenmark, Leber und Milz. Eine selektive Milzszintigraphie ist mit körpereigenen, Hitze alterierten Erythrozyten, die nach Markierung mit Tc99 reinjiziert werden, möglich. Diese Untersuchung dient der Überprüfung der Funktion nach milzerhaltenden Eingriffen oder nach Autotransplantation von Milzgewebe.
Der präoperative Nachweis einer Nebenmilz vor Splenektomie bei hämolytischer Anämie oder Thrombozytopenie ist möglich. Zusätzlich sollte vor geplanter Splenektomie aus hämatologischer Indikation durch szintigraphische Kinetikuntersuchungen ein vermehrter Abbau von Erythrozyten oder Thrombozyten in der Milz nachgewiesen werden und die eventuelle Übernahme der Erythropoese durch die Milz ausgeschlossen sein. Hiermit ist eine Abschätzung des Operationserfolgs möglich. Die selektive Angiographie über den Truncus coeliacus dient der Abklärung der Gefäßanatomie, dem Nachweis von Gefäßveränderungen, wie Stenose, Thrombose, Dissektion oder Aneurysma der A.lienalis. Gleichzeitig sind therapeutische Eingriffe, wie die Embolisation der A. lienalis möglich.
717 Opsonierung: Markierung der Antigenoberfläche, damit diese als körperfremd erkannt wird. Erst nach Opsonierung ist Phagozytose von verkapselten Bakterien möglich Bildung der Tetrapeptide Tuftsin und Properdin mit opsonierenden Eigenschaften Milz hat im frühen Kindesalter eine wichtige Funktion für die Entwicklung des Immunsystems
Symptomatik, Diagnostik Leitsymptome: Schmerzen linker Oberbauch Patient sucht Arzt wegen Symptomatik der Grunderkrankung (Ikterus, Fieber, Blutungsneigung, Lymphknotenschwellung) auf
Milzgröße meist palpatorisch nicht festzustellen
Diagnostik: • Sonographie, C T - F o r m , Größe und Binnenstruktur des Organs beurteilbar • Szintigraphie - selektiv mit Hitze alterierten Erythrozyten, Nachweis von Nebenmilzen, Funktionsprüfung, Kinetikuntersuchung zum Nachweis eines vermehrten Zellabbaus in der Milz
Angiographie-selektiv zum Nachweis von Gefäßerkrankungen der A.lienalis, Embolisation der A.lienalis möglich
3. Erkrankungen, Verletzungen, Splenektomie Anomalien. Das völlige Fehlen der Milz (Milzagenesie) ist eine sehr seltene angeborene Fehlbildung, meist kombiniert mit weiteren Anomalien, wie einem kompletten Situs inversus und Angiokardiopathien (Ivemark-Syndrom). Die Kinder versterben meist im 1. Lebensjahr.
Lien accessorius. Fusionsstörungen der mesenchymalen Zellcluster im dorsalen Mesogastrium während der Embryonalzeit sind Ursache für akzesso-
Anomalien • Ivemark-Syndrom: Milzagenesie, häufig kombiniert mit Situs inversus und Angiokardiopathien
718
36. Milz Nebenmilz: akzessorische Milz durch fehlende Fusion derZellcluster in der Embryonalzeit Lokalisation im Bereich der embryonalen Organanlage kann Funktion der Milz nach Splenektomie übernehmen und hypertrophieren
rische Milzen (Nebenmilzen) im Bereich der embryonalen Organanlage. Inzidenz 10-20%. Der überwiegende Anteil der Nebenmilzen ist am Milzhilus und den ligamentären Verbindungen zu Magen und Kolon gelegen. Es sind jedoch auch Nebenmilzen im Mesenterium, den Adnexen und peritestikulär beobachtet worden. Pathogenetische Bedeutung kann eine Nebenmilz durch die Stieldrehung oder Ruptur erlangen. Wird eine Nebenmilz bei der Splenektomie aus hämatologischer Indikation übersehen, kann dies Ursache für den Mißerfolg der Operation sein. Sie übernimmt sekundär die Funktion und hypertrophiert als Folge der Grundkrankheit.
Wandermilz: kongenitale oder erworbene mangelhafte Fixierung der Milz Krankheitswert nur bei Komplikationen wie Stieldrehung
Wandermilz. Eine seltene Anomalie ist die ektope Lage der Milz (Wandermilz). Ursache ist die mangelnde kongenitale Ausbildung oder erworbene Erschlaffung der Aufhängebänder der Milz. Die ektope Lage hat per se keinen Krankheitswert. Komplikation kann jedoch die Stieldrehung des Gefäßstiels mit Infarzierung der extrem mobilen Milz sein.
Lokale Milzerkrankungen
3.1 Lokale Milzerkrankungen
• Milzzyste: - primär - angeboren, echte Zyste mit Epithel- oder Endothelauskleidung - sekundär - parasitär (Echinokokkus), posttraumatisch, postinfektiös, nach Milzinfarkt
Milzzysten: Es werden primäre und sekundäre Zysten der Milz unterschieden. Primäre echte Zysten sind mit einer Epithel- oder Endothelschicht ausgekleidet und dysontogenetischer Genese. Überwiegend handelt es sich jedoch um sekundäre Zysten, infolge parasitärer Erkrankungen (Echinokokkose). Milzzysten können sich auch posttraumatisch, nach Milzinfarkt oder nach abszedierenden Entzündungen entwickeln. Nur ein geringer Prozentsatz der Patienten gibt Beschwerden an. Die Symptomatik ist sehr variabel, oft handelt es sich um sonographische Zufallsbefunde. Die Indikation zur Splenektomie ist bei parasitären Zysten gegeben. Eine relative Operationsindikation besteht bei allen übrigen Milzzysten in Abhängigkeit von den Beschwerden oder der Größe. Ab einer Zystengröße von > 4 cm wird die Operation empfohlen, um Komplikationen, wie der Zystenruptur mit massiver Blutung vorzubeugen. Es sollte eine organerhaltende Operationstechnik mit segmentaler Resektion oder „Entdeckelung" der Zyste erfolgen, evtl. auch laparoskopisch möglich.
Therapie: parasitäre Zyste: Splenektomie, bei den übrigen Milzzysten in Abhängigkeit von Größe und Beschwerden möglichst milzerhaltendes Op-Verfahren
• Milzabszeß: - Ätiologie: hämatogen bei Bakteriämie oder sekundäre Infektion bei infarziertem Milzgewebe - Therapie: Splenektomie, perkutane Abszeßdrainage bei isoliertem Abszeß und schlechtem AZ
Ein Milzabszeß kann hämatogen durch Bakteriämie bei septischem Fokus (Endokarditis, Lungenabszeß) oder durch sekundäre Infektion von geschädigten Milzgewebe nach Infarzierung oder Trauma entstehen. Symptome sind Fieber, Schmerzen im linken Oberbauch, Abwehrspannung, Pleuraerguß links. Die Diagnose wird durch CT gesichert. Bei multiplen Abszessen ist die Splenektomie Therapie der Wahl. Bei schlechtem Allgemeinzustand und singulärem Abszeß ist die perkutane, CT-gesteuerte Abszeßdrainage indiziert.
• Milzarterienaneurysma: selten - Ätiologie: Arteriosklerose, posttraumatisch, postinfektiös - Therapie: Aneurysmaresektion, Splenektomie, angiographische Embolisation
Aneurysmen der Milzarterie sind selten. Die Ätiologie reicht von der Arteriosklerose über postinfektiöse Aneurysmen (Pankreatitis) bis zur Traumafolge. Die primäre Symptomatik ist meist die Ruptur mit Blutung in die Bauchhöhle, seltener mit Einbruch in den Gastrointestinaltrakt. Die Diagnose wird angiographisch gestellt (Abb. 36-1). Gelegentlich ist die Embolisation des Aneurysmas möglich, ohne daß ein kompletter Infarkt der Milz eintritt, da die Kollateralisierung der Milz ausgeprägt ist. Gelingt die Embolisation nicht, ist die Aneurysmaresektion und eventuell Splenektomie erforderlich. Tumoren: Selten entstehen in der Milz primäre Tumoren. Benigne Geschwülste sind: Hämangiome, Lymphangiome, Hamartome. Eine Operationsindikation mit der Prämisse der Organerhaltung ist besonders bei Hämangiomen wegen der Ruptur- und Blutungsgefahr gegeben (Abb. 36-2). Primäre Malignóme sind Hämangio- und Lymphangiosarkome, die mit einer hochgradigen Splenomegalie einhergehen und zu Spontanrupturen neigen. Therapie der Wahl ist die Splenektomie, die Prognose ist jedoch schlecht. Grundsätzlich ist eine hämatogene Metastasierung solider Tumoren in die Milz möglich. Die Indikation zur Splenektomie ist nur ausnahmsweise bei isolierter Milzmetastase oder drohenden Komplikationen gegeben. Aufgrund der engen anatomischen Lagebeziehung der Milz zu Magen, Pankreas, linker Kolonflexur ist bei Malignomen dieser Organe gelegentlich die zusätzliche Splenektomie erforderlich, um chirurgische Radikalität zu erreichen.
• Milztumoren: selten - primäre benigne oder - maligne Tumoren der Milz Therapie: • benigner Tumor möglichst partielle Splenektomie • maligner Tumor - Splenektomie, Prognose schlecht • Milzmetastasen: selten - Operationsindikation nur bei isolierter Milzmetastase oder Komplikationen - Splenektomie bei Oberbauchkarzinomen (Magen, Kolon, Pankreas, Niere, Nebenniere) aus Radikalitätsgründen bisweilen erforderlich
Erkrankungen, Verletzungen, Splenektomie
Abb.36-1: Selektive Angiographie. Darstellung eines Aneurysmas der Milzarterie
719
Abb.36-2: CT: große Hämangiome
3.2 Systemerkrankungen mit Milzbeteiligung Hyperspleniesyndrom. Hypersplenismus ist ein pathologischer Überfunktionszustand mit Splenomegalie und peripherer Zytopenie (Erythro-, Leukooder Thrombozytopenie) infolge vermehrten Abbaus der Blutzellen in der Milz. Als Kompensation der gesteigerten Sequestration der Blutzellen in dem vergrößerten Organ kommt es zur Hyperplasie des Knochenmarks. Das Ausmaß des Hyperspleniesyndroms korreliert nicht mit der Milzgröße oder der für die Milzvergrößerung verantwortlichen Grunderkrankung. Beim primären Hypersplenismus ist die Ursache nicht geklärt (Ausschlußdiagnose). Der sekundäre Hypersplenismus kann sich bei zahlreichen Krankheiten entwickeln: • Lebererkrankungen mit portaler Hypertension, Obstruktion (Thrombose) der V. lienalis oder der Pfortader • Lymphome (M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome), Leukämien (CML, Haarzelleukämie), Osteomyelofibrose • hämolytische Anämien, Thrombozytopenie (M. Werlhof) • Kollagenosen (Lupus erythematodes, Felty-Syndrom), Infektionen (Malaria, infektiöse Mononucleose) Die Splenektomie bei Hypersplenismus kann aus therapeutischer oder diagnostischer Indikation erfolgen. In Abhängigkeit von der Grunderkrankung handelt es sich um eine symptomatische oder kausale Therapie. Die Indikation zur Splenektomie (Tab. 36-1) wird in Abhängigkeit vom Schweregrad und der Konstanz der peripheren Blutzellveränderungen gestellt: • rezidivierende Transfusionen bei hämolytischer Anämie, • wiederholte Blutungen bei Thrombo-, erhöhte Infektionsraten bei Leukopenie
in der vergrößerten Milz
Systemerkrankungen m i t Milzbeteiligung Hyperspleniesyndrom: Trias aus • Splenomegalie • periphere Zytopenie • Hyperplasie des Knochenmarks • primärer Hypersplenismus: Ätiologie unbekannt, Ausschlußdiagnose • sekundärer Hypersplenismus: Folge anderer Erkrankungen
Leberkrankheiten Thrombose der V. lienalis sive portae maligne L y m p h o m e , Leukämie, Osteomyelofibrose M. Werlhof Kollagenosen, Infektionen
Auch Schmerzen und Komplikationen durch Verdrängung von Nachbarorganen durch die vergrößerte Milz sind eine Operationsindikation.
Indikation zur Splenektomie (Tab. 36-1): • hoher Transfusionsbedarf bei hämolytischer A n ä m i e • rezidivierende Blutungen bei T h r o m b o zytopenie • vermehrte Infektanfälligkeit bei Leukopenie • ausgeprägte Schmerzsymptomatik • Kompression v o n Nachbarorganen
3.3 Verletzungen der Milz
Verletzungen der Milz
Die traumatische Milzruptur (s. Kap. 44.2, S.893) ist eine der häufigsten Indikationen zur Splenektomie, besonders im Kindesalter. Ursache: stumpfe (Lenkradaufprall, Sturz aus großer Höhe) und penetrierende Gewalteinwirkung (perforierendes Throax- oder Abdominaltrauma, Rippenfraktur), iatrogen bei Oberbauchoperationen (Magenresektion, Fundoplikatio, Kolonresektion mit Einbeziehung der linken Kolonflexur), Spontanruptur bei Infektionen (Malaria, infektiöse Mononukleose).
Ätiologie der Milzruptur - Unfälle - iatrogen - Spontanruptur bei Infektionen
720
36. Milz Tab.36-1: Indikationen zur Splenektomie bei Systemerkrankungen mit Milzbeteiligung Indikation Krankheit Mechanismus 1. Hämolytische Anämien Sphärozytose
kongenital, Membrandefekt der Erythrozyten
Elliptozytose
kongenital, erhöhte Permeabi- bei Splenomegalie und lität der Erythrozytenmembran nachgewiesener Sequestration kongenital, defekte Hämoglo- erhöhter Transfusionsbinsynthese bedarf kongenital, HbA durch HbS er- erhöhter Transfusionsbedarf setzt
Thalassämie Sichelzellanämie autoimmunhämolytische Anämie
Autoantikörper gegen Erythro- wenn Steroidtherapie zyten (Wärmeagglutinine) nicht erfolgreich, Transfusionsbedarf
2. Thrombozytopenie immunothrombo- Antithrombozytäre Ak, verzytopenische Purmehrter lienaler Thrombozypura (M. Werlhof) tenabbau thrombotischthrombozytopenische Purpura (M. Moschkowitz)
ab 4. Lebensjahr, verhindert Hämolyse und Gallensteinbildung
chronisch: nach erfolgloser Steroidtherapie, akut: bei lebensbedrohlicher Blutung
Hyalinablagerungen in den Ar- umstritten, nur nach teriolen, führt zu Endothelscha- Versagen der medikaden, arterielle Thrombosen mentösen Therapie und Thrombozytenverbrauch
3. Proliferative Erkrankungen Morbus Hodgkin
bei Milzbefall Splenomegalie
Stadieneinteilung (Staging)
Non-HodgkinLymphom
Splenomegalie bei Milzbefall
bei Symptomatik oder Komplikation
Haar-Zell-Leukämie B-Zell-Lymphom
Häufigkeit
bei Versagen der Interferontherapie bei starken Beschwerden
chronisch myeloisehe Leukämie
sekundärer Hypersplenismus
Osteomyelofibrose
kompensatorische Übernahme bei starken Symptomen der Hämatopoese
Die Milzruptur ist die häufigste Organverletzung des Abdomens nach stumpfem Bauchtrauma, gefolgt von Leber- und Dünndarmverletzungen.
Verletzungsausmaß (Abb. 36-1): 1. Einzeitige Milzruptur: sofortige Symptome (Blutungszeichen) nach Parenchym- oder Kapselverletzung 2. Zweizeitige Milzruptur: sekundäre Berstung der Milzkapsel durch Hämatomdruck, Tage nach dem Primärtrauma
Das Verletzungsausmaß ist abhängig von Art und Richtung der Gewalteinwirkung. Es reicht von der Kontusion mit subkapsulärem Hämatom über kleinere Parenchymeinrisse bis zur kompletten Berstung. Die traumatische Ruptur wird in 4 Schweregrade eingeteilt (Abb. 36-3). Häufig bestehen zusätzliche Verletzungen intraabdomineller Organe. • Bei der einzeitigen Milzruptur entwickelt sich die Symptomatik infolge der Parenchym- und Kapselverletzung sofort oder innerhalb weniger Stunden. • Bei der zweizeitigen Milzruptur führt die Parenchymverletzung zur Ausbildung eines subkapsulären Hämatoms. Die Berstung der Milzkapsel durch den Hämatomdruck hat erst sekundär, Tage nach dem Primärtrauma, die intraabdominelle Blutung zur Folge.
Symptome • hämorrhagischer Schock
Symptomatik. Im Vordergrund stehen Zeichen des Blutungsschocks (Tachykardie, Blutdruckabfall, blasse, kaltschweißige Haut). Es besteht ein
Erkrankungen, Verletzungen, Splenektomie Grad I:
721
Grad II:
Grad III:
Grad IV:
oberflächliche Parenchym ruptur ohne Hilusbeteillgung
tiefe Parenchymruptur, Polfragmentation, Hilus einbezogen
Berstung des Organs, Hilusabriß
Abb. 36-3: subkapsuläres Hämatom, Kapselriß
Einteilung der Milzruptur (modif. n. S. Uranüs)
in Schweregrade
Spontan- oder Druckschmerz im linken Oberbauch mit Ausstrahlung in die linke Schulter und Schonatmung. Diagnostik: sofort und zielgerichtet: • Anamnese (Unfallmechanismus), wenn möglich • klinische Untersuchung (Schmerzsymptomatik, Kontusionsmarken der Bauchwand) und Labor (Hb-Abfall, Leukozytose) • Sonographie des Abdomens (Parenchymverletzung, subkapsuläres Hämatom, freie Flüssigkeit, Abb. 36-4) und Röntgenthorax- sowie Abdomenlee rauf nähme (Zwerchfellhochstand, Rippen-, Wirbelfraktur, unscharfer Milzschatten). Bei unsicherer Diagnose zusätzlich CT-Abdomen (Abb. 36-5), sonographisch gezielte Punktion der freien Flüssigkeit oder Peritoneallavage.
• Druckschmerz
Therapie: Die Wahl des Therapieverfahrens wird beeinflußt durch Verletzungstyp, Blutungsintensität, Begleitverletzungen und Alter des Patienten. Das Spektrum reicht von der konservativen Behandlung über die verschiedenen Techniken der operativen Milzerhaltung bis zur Splenektomie:
Therapie: abhängig von - Blutungsintensität - Verletzungstyp - Begleitverletzungen und - Patientenalter • operative Verfahren zur Milzerhaltung
• Elektro-, Infrarot-Kontakt-Koagulation • Applikation von Hämostyptika (Kollagenvlies), Fibrinklebung • Tamponade mit resorbierbaren Fadennetzen, Parenchym-, Kapselnähte • Ligatur der Segmentarterie • partielle Splenektomie (Hemisplenektomie, Segment-, Polresektion)
I—IV
Diagnostik • • • •
Anamnese Status praesens Labor Sonographie, Röntgen, CT
«=
Oberste Prämisse ist die sichere Blutstillung, möglichst unter Erhaltung des Organs. Oberflächliche Kapselläsionen oder Parenchymeinrisse können durch Koagulation und primäre Naht versorgt werden. Bei diffusen Blutungen ist die Milzraffung mit Hilfe resorbierbarer Fadennetze meist erfolgreich (Abb. 36-6). Bei tiefen Einrissen oder Organfragmentierungen ist die Ligatur der segmentalen Gefäße und partielle Splenektomie erforderlich. Bei Ruptur Grad IV mit Berstung des Organs oder hilusnahen Einrissen wird splenektomiert.
Splenektomie bei Berstung des Organs und nicht sicher stillbarer Blutung erforderlich
Autologe Transplantation. Bei Kindern oder Jugendlichen kann zur Prophylaxe der erhöhten Infektanfälligkeit die Auto-Transplantation von Milzgewebe vorgenommen werden. Hierzu wird die Milz in Scheiben- oder Breiform aufbereitet und in einer gestielten Omentumplastik replantiert. Dieses Milzgewebe regeneriert und kann partiell die Milzfunktion übernehmen. Die Wertigkeit dieser Maßnahme gerade in Bezug zur Abwehrfunktion der Milz ist sehr umstritten. Diese Funktion der Milz ist nicht nur an die histologische Struktur gebunden, sondern auch abhängig von der Durchblutung und dem Anteil des HMV. Als Routineverfahren hat sich die Autotransplantation nicht durchgesetzt.
Autotransplantation: Milzgewebe als Brei oder Scheiben wird in das Omentus majus replantiert, Gewebe regeneriert und übernimmt Teilfunktionen der Milz, Wertigkeit für Abwehrkompetenz umstritten, kein Routineverfahren
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36. Milz
Abb.36-4: Sonographie bei einer traumatischen Milzruptur
konservative Therapie: bei kreislaufstabilen Patienten unter engmaschiger klinischer und sonographischer Verlaufskontrolle, bei Anhalt für Blutungsaktivität (Hbi): Operation
Abb.36-5: CT vom Oberbauch. Traumatische Milzruptur. Rupturlinie deutlich erkennbar
Ein konservatives Vorgehen ist bei kreislaufstabilem Patienten ohne tiefe Parenchymverletzungen möglich. Voraussetzung ist die engmaschige klinische und sonographische Überwachung des Patienten. Tritt ein Hb-Abfall, Kreislaufinstabilität oder sonographisch eine Zunahme der freien intraabdominellen Flüssigkeit auf, ist die Operation angezeigt.
3.4 Operationstechnik Zugang: - mediane Laparotomie - quere Oberbauchlaparotomie - Rippenbogenrandschnitt links
Der Zugang zur Milz kann über eine mediane oder quere Oberbauchlaparotomie oder durch einen Rippenbogenrandschnitt links erfolgen. Bei stumpfen oder penetrierenden Bauchtraumen ist die mediane Laparotomie zu empfehlen, da auch alle übrigen intraabdominellen Organe beurteilt werden können. Bei Elektivoperationen bietet der Rippenbogenrandschnitt ausreichende Übersicht.
Splenektomie: - präliminare Ligatur der A. lienalis am Pankreasoberrand - Mobilisierung der Milz nach ventromedial
Splenektomie. Abdomen eröffnen, Spalten des Lig. gastrocolicum, Ligatur der A. lienalis am Oberrand des Pankreas (Abb. 36-7). Dies ermöglicht eine Autotransfusion des Milzblutes, das Blutungsrisiko wird reduziert. Anschließend Mobilisierung der Milz nach ventromedial unter Durchtrennung der Aufhängebänder (Abb. 36-8) und getrennte Ligatur von A. und V. liena-
—
Abb.36-6: Milzerhaltung bei Ruptur mit Hilfe eines resorbierbaren Fadennetzes, das um die Milz geschlungen und im Hilus verknotet wird ohne die Zirkulation zu drosseln
üg. aastroltenale
Abb.36-7: Operationstechniki: eröffnete Bursa omentalis, Darstellung der Milzarterie am Oberrand des Pankreas und präliminare Ligatur der Arterie, um größere Blutungen zu vermeiden
Erkrankungen, Verletzungen, Splenektomie
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A. lienalis A. gastroepiploica sin. (durchtrennt)
Milz Milzbett
Abb.36-8: Operationstechnik II: Mobilisation der Milz aus dem subphrenischen Raum nach Ligatur und Durchtrennung der Aufhängebänder und Verwachsungsstränge Iis am Milzhilus. Abschließend Versorgung der Vasa breves zur großen Magenkurvatur und zum -fundus. Nach Exstirpation des Organs wird das Milzlager drainiert.
- Ligatur der Gefäße - Drainage des Milzlagers
Partielle Splenektomie. Voraussetzung ist die vollständige Mobilisierung des Organs. Nur so sind die segmentale Verzweigung der Milzgefäße darstellbar und das Verletzungsausmaß vollständig beurteilbar. Ligatur der Segmentgefäße, Parenchymdurchtrennung mittels Elektromesser oder Klammernahtinstrumenten. Die Resektionsfläche wird mit Nähten und Hämostyptika zur Blutstillung versorgt.
Partielle Splenektomie: • Voraussetzung: vollständige Mobilisierung zur Beurteilung des Organs - Parenchymdurchtrennung elektrisch oder mit Klammernahtinstrument - Resektionsfläche zusätzlich übernähen
Explorative Laparotomie, Staging. Ziel ist die Stadieneinteilung und Planung des Behandlungskonzeptes bei M. Hodgkin, wenn dieses durch andere diagnostische Maßnahmen nicht festgelegt werden kann. Neben der Splenektomie müssen eine Stanz- oder Keilbiopsie aus beiden Leberlappen sowie paraaortale, -iliakale und mesenteriale Lymphknotenbiopsien erfolgen. Bei Kindern werden milzerhaltende Verfahren angewendet.
Staging - Laparotomie: Stadieneinteilung des M. Hodgkin, wenn mit anderen Verfahren unsicher, zusätzlich Leber- und Lymphknotenbiopsie erforderlich
Komplikationen. Die Mortalitäts- und Morbiditätsrate nach Splenektomie ist abhängig von der Grunderkrankung, der Milzgröße und Schwere des Traumas. Häufigste Komplikationen sind: Magen-Darm-Atonie, Nachblutung und lokale Wundinfektionen.
Komplikationen nach Splenektomie Mortalitäts- und Morbiditätsrate abhängig von der Grunderkrankung. Am häufigsten sind folgende Komplikationen: • Magen-Darm-Atonie • Nachblutung • subphrenischer Abszeß • Pankreasschwanznekrose, -fistel • Magenwandnekrose Milzveriust OPSI-Syndrom: • foudroyante Sepsis durch verkapselte Bakterien, häufig letaler Ausgang • Prävention: - Pneumokokkenvaccine, Antibiotikaprophylaxe mit Penicillin für mehrere Wochen postoperativ - Patienten auf erhöhte Infektionsgefahr hinweisen! - persistierende Thrombozytose Ursache für erhöhte Thrombembolierate
Schwerwiegende Komplikationen wie Pankreatitis, Pankreasschwanznekrose, Pankreasfistel, subphrenischer Abszeß, Magenwandnekrose werden selten beobachtet.
3.5 Folgen des Milzverlustes Der Verlust der immunologischen Funktionen bedingt eine erhöhte Infektanfälligkeit. Besonders gefährdet sind Kleinkinder bis zum 3.-5. Lebensjahr. Gefürchtet ist das OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy infection). Es handelt sich um ein foudroyant verlaufendes septisches Krankheitsbild, das häufig tödlich verläuft. Ursache ist eine Infektion mit Bakterien (Pneumokokken, Haemophilus influenzae), die durch eine Polysaccharidkapsel vor Phagozytose extralienaler Makrophagen geschützt sind. Präventiv wird mit polyvalenter Pneumokokkenvakzine geimpft. Bei Elektivoperationen sollte dies präoperativ erfolgen. Postoperativ wird zusätzlich eine mehrwöchige Antibiotikaprophylaxe mit Penicillin empfohlen. Splenektomierte Patienten sollten auf das erhöhte Infektionsrisiko hingewiesen werden. Nach Splenektomie wird häufig eine persistierende Thrombozytose nachgewiesen, die eine erhöhte Anfälligkeit für thrombembolische Komplikationen zur Folge haben kann.
37. Chirurgie des Retroperitonealraumes, Peritoneums und Mesenteriums C.
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Anatomie Retroperitonealraum - Grenzen Einteilung: • vorderer pararenaler Raum mit Duodenum, Kolon, Pankreas • perirenaler Raum mit Nebennieren, Nieren, Harnleiter Peritoneum • parietale • viscerale Mesenterium • Halteapparat • Lymphknoten
Klinische Anatomie. Der Retroperitonealraum wird topographisch vom Bindegewebekörper zwischen dem hinteren Bauchfell und der Rückenmuskulatur eingenommen. Begrenzt ist er kranial vom Zwerchfell, kaudal von der Linea innominata des Beckens, lateral durch den jeweiligen Außenrand des M. quadratus lumborum. Man unterteilt den vorderen pararenalen Raum mit den extraperitonealen Darmteilen von Duodenum, Kolon und Pankreas, den perirenalen Raum mit Nebenniere, Niere und Harnleiter sowie den hinteren pararenalen Raum. Das Peritoneum kleidet als seröse Haut die Innenseite der Bauchhöhle (Peritoneum parietale) und die Oberfläche der intraabdominalen Organe (Peritoneum viscerale) aus. Peritoneale Duplikaturen, die vom dorsalen Peritoneum parietale ausgehen und zum Peritoneum viscerale übergehen bezeichnet man als Mesenterium. Sie sind der Halteapparat des Darmes und Leitstruktur für Gefäße, vegetative Nervenfasern und Lymphknoten.
1. Retroperitoneale Fibrose, Tumoren 1.1 Ormond-Syndrom idiopathische Fibrose = M.Ormond Bindegewebeverdickung Ummauerung von Aorta, V.cava, Harnleiter Harnleiteraufstau
Männer häufiger als Frauen erkrankt Pathogenese - Formenkreis fibröser Proliferationen - entzündliche Fibrosen - medikamentenbedingt Klinik • Erstsymptome - Bauchschmerzen 44% - Rückenschmerzen 44% - Hoden-, Leistenschmerzen - Gewicht^, Fieber • Kompressionssymptome —> Harnwegsinfekt Diagnostik • Klinik • Labor • Sonographie • Urogramm: klassische Trias
Bei der idiopathischen Fibrose (IRF) -1948 von Ormond beschrieben - entwickelt sich eine fibrotische Verhärtung des Retroperitoneums, die zu einer Obstruktion der Ureteren führt. Die Ausbreitung folgt dem Kompartiment der Nierenfaszie vom -hilus, ein- oder doppelseitig (1/3 der Fälle), bis zum Beckeneingang. Die grau-weiße Bindegewebeschicht kann 2-12 cm Dicke erreichen und umhüllt Aorta, Kava und Harnleiter. Sie erinnert an einen malignen Tumor, infiltriert jedoch das Peritoneum nicht. Die Klinik ergibt sich aus den Organummauerungen, vor allem der Harnleiter. Die Erkrankung befällt dreimal häufiger Männer als Frauen. 2/3 der Kranken sind 4060 Jahre alt. Die Pathogenese ist unbekannt. Vermutet wird eine Vaskulitis als auslösender Faktor. Aus dem Formenkreis nicht entzündlicher fibröser Proliferationen sind Keloide bei Dupuytren-Kontrakturen mit I R F in Verbindung gebracht worden. Entzündliche Fibrosen (Riedel-Struma, sklerosierende Cholangitis u.a.) wurden zusammen mit retroperitonealer Fibrose beobachtet. Eine medikamentenbedingte retroperitoneale Fibrose ist nach Methylsergid (Ergotamin) bekannt und in vielen Fällen beschrieben.
Symptome. Uncharakteristische dumpfe, nicht kolikartige Schmerzen (81 %) mit folgender Verteilung: • Leibschmerzen 4 4 % , Schmerzen in Rücken und Flanke 44%, Hodenschmerz 11 %, Leistenschmerz 9 %, Schmerz im Oberschenkel 4 %. Weitere Beschwerden umfassen Gewichtsverlust, unbestimmte Darmbeschwerden, Appetitlosigkeit und Fieber. Später dominieren Kompressionssyndrome mit Hydronephrose, Pyelonephritis, Dysurie, Fieberattacken und Anurie sowie Lymphstauung. Diagnostik: Klinisch: wenig typisch, selten tastbare Resistenzen, Beinschwellungen und Hydozelen. Blutdrucksteigerung. Labor: BKS-Beschleunigung, Anämie, Harnstofferhöhung, Harnweginfekte. Die Sonographie deckt stärkere Harnstauungen auf. Das Urogramm zeigt die klassische Befundtrias: • uni- oder bilaterale Ureterstenose in Höhe des 5.LWK, Medialverlagerung der Ureteren, Aufstau von Kelchen, Nierenbecken und proximalem Harnleiter.
Retroperitoneals Fibrose, Tumoren
725
Das CT zeigt die charakteristischen Bindegewebeverdickungen (Abb. 37-1). Differentialdiagnostisch sind Tumoren, Hämatome und Entzündungen bei Divertikulitis, M. Crohn oder retrozökaler Appendizitis abzugrenzen. Gelegentlich ist die explorative Freilegung und Biospie notwendig. Therapie: Die konservative Behandlung beinhaltet das Absetzen von fibroseerzeugenden Medikamenten (z.B. Methysergid). Außerdem sind Steroide, Antibiotika und Antiphlogistika indiziert. Bei renalen Komplikationen wird operativ die Ureterolyse und die intraperitoneale Verlagerung der Ureteren vorgenommen. Bei Einengung der arteriellen Strombahn sind Bypass-Operationen mit intraperitonealem Verlauf der Implantate notwendig. Die Prognose ist im allgemeinen gut, vorausgesetzt, daß keine irreversiblen Nierenschäden vorliegen.
• CT Differentialdiagnose • Tumoren, Hämatome • Entzündungen Therapie • konservativ: Steroide, Antibiotika, Antiphlogistika • operativ: Ureterolyse und intraperitoneale Verlagerung
1.2 R e t r o p e r i t o n e a l T u m o r e n
Tumoren
Primär retroperitoneale Tumoren sind insgesamt selten und machen 0,2 % aller Geschwülste aus. Sie sind überwiegend (etwa 70%) maligne (Lipo-, Lympho-, Myo-, Fibrosarkome, Neuroblastome, undifferenzierte Karzinome). Gutartige Tumoren (seltener) sind Lipome, Neurome, zystische Geschwülste. Organgebundene retroperitoneale Tumoren entstammen der Niere oder Nebenniere, dem Pankreas, Duodenum oder retroperitonealen Kolonsegmenten. Sekundäre retroperitoneale Tumoren umfassen hauptsächlich Lymphknotenmetastasen anderer bösartiger Geschwülste, besonders von Hodentumoren.
Primär retroperitoneale Tumoren - meist maligne - gutartige Tumoren seltener
Retroperitoneale Tumoren im Kindesalter sind häufiger (20% aller bösartigen Geschwülste beim Kind). Prototypen sind der WilmsTumor der Niere und das Neuroblastom ausgehend von Nebenniere oder Sympatikusgrenzstrang. Symptome: wenig charakteristisch. Raumforderungen imponieren - wenn sie überhaupt tastbar sind - als intraperitoneale Tumoren und müssen von diesen abgegrenzt werden. D i e klinische Untersuchung dient daher der Organzuordnung. Nach den Regeln allgemeiner Bauchdiagnostik ist durch Ausschlußdiagnose die Zugehörigkeit zu Leber, Gallenblase, Milz, Magen, Kolon zu beurteilen.
Die Diagnose stützt sich in erster Linie auf die Sonographie. Sie läßt häufig bereits eine Organzugehörigkeit feststellen. Die CTermöglicht eine direkte Darstellung mit Aussage zu Tumorlokalisation und -ausdehnung (Abb. 37-2).
Abb.37-1: Retroperitoneale Fibrose. Aorta und re Nierenarterie sind von einer dicken Fibroseschicht ummauert.
Prognose: gut
Organgebundene retroperitoneale Tumoren Sekundäre retroperitoneale Tumoren - Lymphknotenmetastasen Retroperitoneale Tumoren im Kindesalter
Klinik - wenig charakteristisch - von intraperitonealen Geschwülsten abzugrenzen - Organzuordnung beurteilen Diagnose • Sonographie: Screening-Methode - CT
Abb.37-2: Retroperitonealer Tumor rechts. Ausgedehnte Raumforderung hinter der Leber mit ventraler Verdrängung der V.cava
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37. Chirurgie des Retroperitonealraumes, Peritoneums und Mesenteriums Rfifl
SIX
OOi
• Kriterien für retroperitoneale Lage
Angiographie
Differentialdiagnose - Hämatome - Abszesse - intraabdominelle Tumoren Therapie - abhängig von Tumorlokalisation und -ausbreitung - meist operativ - selten strahlensensible Tumoren - oft erweiterte Resektion notwendig
Abb. 37-3: Retroperitonealer Tumor links (a) oberhalb der Niere im CT. b Selektive DSA: Identifikation als Nebennierentumor mit eigener Gefäßversorgung
Bei Schwierigkeiten in der Zuordnung sprechen für eine retroperitoneale Lage folgende Kriterien: • anteriore Verdrängung von Kolon, Duodenum oder Pankreas • laterale oder Vorverlagerung von V. cava oder Nierenvenen • Abdrängung der Pfortader
Mittels Angiographie läßt sich genauer zwischen benignen und malignen Raumforderungen unterscheiden und über die Gefäßversorgung häufig die Organzugehörigkeit ermitteln (Abb. 37-3 a u. b). Stark vaskularisierte Geschwülste gestatten oft Rückschlüsse auf den Malignitätsgrad. Die Angiographie informiert über potentielle intraoperative Blutgefäßgefährdung und bietet strategische Leitlinien. Differentialdiagnostisch sind retroperitoneale Raumforderungen anderer Ursachen - Hämatome, Abszesse (Abb. 37-4) - und intraabdominelle Tumoren abzugrenzen. Vielfach ermöglicht die Feinnadelpunktion eine diagnostische Sicherung. Die Therapie ergibt sich aus Tumorlokalisation und -ausbreitung. Sie ist quasi immer chirurgisch - abgesehen von strahlensensiblen Geschwülsten, die aber zunächst die Probefreilegung zur Sicherung der Artdiagnose erfordern. Lymphknotenmetastasen bestimmter Hodentumoren sind erfolgreich einer Chemotherapie zugänglich. Gutartige wie bösartige Tumoren sind oft nur unter erweiterter Resektion von Nachbarorganen (Niere, Nebenniere, Kolon, Beckengefäße) zu beseitigen.
2. Verletzungen, Abszesse 2.1 Verletzungen Retroperitoneale Verletzungen - Erkennung schwierig • penetrierende Traumen • stumpfe Traumen - Entscheidungshilfen: - vitale Parameter - Polytrauma? - intraabdominelle Organverletzungen? - Unfallhergang
(s.Kap.44.3, s.900)
Während intraperitoneale Verletzungen durch klinisches Bild, Peritoneallavage und Sonographie zuverlässig zu erkennen sind, bereitet die Erfassung und Beurteilung retroperitonealer Verletzungen oft Schwierigkeiten. Penetrierende Traumen mit Volumenmangelschock und schwerer innerer Blutung zwingen durch die Akutsituation zur sofortigen operativen Blutstillung ohne weitere Diagnostik. Nach stumpfen Traumen orientiert sich der diagnostische Weg abhängig vom Zustand des Patienten an folgenden Fragen: - sind die vitalen Parameter (Atmung, Kreislauf, Bewußtsein) ohne Schockzeichen stabil? - liegt ein Polytrauma vor mit schwer einschätzbaren Blutverlusten? - läßt sich eine intraabdominelle Organverletzung ausschließen? - geben Unfallhergang oder Klinik Hinweise auf eine retroperitoneale Organverletzung oder Blutung?
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Verletzungen, Abszesse Der Häufigkeit nach rangieren Hämatome weit vor Nierenverletzungen und der Läsion von Pankreas oder Duodenum. Die übrigen Organverletzungen im Retroperitoneum sind Raritäten. Hämatome entwickeln sich • häufig nach Wirbelbrüchen, besonders ausgedehnt nach LWS-Querfortsatzabrissen • perirenal nach Nierenrupturen und durch Veneneinrisse, meist zusammen mit Beckenfrakturen • durch Mesenterialeinrisse und spontan unter Antikoagulanzienbehandlung (Marcumar) und im Verlauf einer Aortenruptur Symptome sind abhängig von Plötzlichkeit und Ausmaß der Blutung. Schocksymptomatik! Darmparalyse mit aufgetriebenem Leib. Untersuchungen: Röntgen-Leeraufnahme: knöcherne Verletzungen? Sonographie: Aneurysmaausschluß, Hämatomlokalisation. Urogramm: Nierenruptur? Hochstehende, eventuell seitlich verlagerte Harnblase. CT. Therapie: Begrenzte Hämatome werden konservativ behandelt. Schockkontrolle, Überwachung, Blutersatz. Ggf. Absetzen von Marcumar! Beseitigung der Darmparalyse. Diurese beachten. Blasenkatheter - bei Beckenfrakturen mit Verdacht auf Harnröhrenverletzung suprapubisch. Bei Komplikationen - fortbestehenden Blutungen, Nierenrupturen mit Urinphlegmone, Abszessen - operative: Hämatomausräumung, Blutstillung, Versuch des Organerhaltes.
Häufigkeit: 1. Hämatome 2. Nierenverletzungen 3. Pankreas-, Duodenalverletzungen Ursachen für Hämatome: - Wirbelbrüche - Nierenrupturen - Venen- und Mesenterialeinrisse - Beckenbrüche - spontan unter Antikoagulanzienbehandlung Symptome: • Schock • Darmparalyse Untersuchungen: - Röntgen-Leeraufnahme - Sonographie - Urogramm, CT Therapie: • konservativ • cave Harnröhrenyerletzung! • operative Maßnahmen
2.2 A b s z e s s e
Abszesse
Topographie: Die Beurteilung retroperitonealer Abszesse, ihre Entwicklung und Ausbreitung wird durch das Verständnis der retroperitonealen Kompartimente erleichtert: • Abszesse im vorderen perirenalen Raum entspringen den dort gelegenen Darmabschnitten bei Divertikeln, M. Crohn, Kolonkarzinom und - wichtig, da häufig - dem Pankreas. Sie bleiben meist unilateral, nur Pankreasabszesse kreuzen die Mittellinie. Die Ausbreitung erfolgt nach kaudal, Keime entstammen der Koligruppe und neigen zur Gasbildung. • Abszesse im perirenalen Raum entstehen durch übergreifende Infektionen von der Niere. Auch sie entwickeln sich nach kaudal, die Erreger entsprechen dem Spektrum bei Harnweginfekten. • Abszesse im retrofaszialen Raum (also hinter der dorsalen Faszie und vor dem M. psoas) rangieren strenggenommen nicht mehr zum Retroperitoneum. Abszesse in diesem Raum entspringen gewöhnlich dem Knochen, meist Wirbeln, dem Becken oder den Iliosakralfugen. Häufiger Erreger ist Staph. aureus.
Ausbreitung in retroperitonealen Kompartimenten
In diese Kategorie gehört auch der heute seltene Senkungsabszeß bei Wirbelsäulentuberkulose.
Abb. 37-4: Retroperitonealer Tumor im Beckeneingang rechts. Histologisch in der vollständig entfernten Geschwulst: Tuberkulose
1. Vorderer pararenaler Raum: - Darmdivertikel - M.Crohn - Kolonkarzinom - Pankreatitis! Keime aus der Koligruppe 2. Perirenaler Raum - Niereninfektionen - Erreger wie bei Harnweginfekten 3. Retrofaszialer Raum - ausgehend vom Knochen
- Senkungsabszeß bei Wirbeltuberkulose
Abb. 37-5: Retroperitonealer mit Gasbildung
Abszeß hinter der rechten Niere
37. Chirurgie des Retroperitonealraumes, Peritoneums und Mesenteriums
728
Klinik: Entwicklung schleichend, unklare Beschwerden • -
Trias: Leibschmerz Hinfälligkeit Darmparalyse
Unergiebiger Tastbefund - Beugeschonhaltung - Koxitis ausschließen - Beinparästhesien - Labor untypisch Diagnostik: - Sonographie orientiert - CT sichert - Röntgen-Standarduntersuchungen zur Abgrenzung hilfreich - Skelettszintigraphie
Therapie: - gezielte Abszeßpunktion und-drainage - operative Entlastung Infektionsquelle sanieren
Symptome: Während intraperitoneale Infekte rasch zum dramatischen Bild der lokalen oder diffusen Peritonitis führen, kann die retroperitoneale Infektion sich über Wochen, ja über Monate schleichend entwickeln, bevor die Diagnose gestellt wird. Fieber, Schüttelforst und Rückenschmerzen sind unspezifisch, am ehesten läßt sich das Beschwerdebild mit der Trias charakterisieren: nicht lokalisierbarer Leibschmerz, allgemeine Schwäche und Hinfälligkeit, aufgetriebener Leib infolge Darmparalyse. Klinisch ist die Untersuchung unergiebig, ein typischer Tastbefund nicht zu erwarten. Wirbelsäule und Iliosakralfugen prüfen. Beugeschonhaltung bei Psoasbeteiligung. Koxitis ausschließen. Retrofaszialer Abszeßdruck auf lumbosakrale Nerven führt zu Schmerz und Parästhesie am Oberschenkel. Im Labor: Leukozytose mit Linksverschiebung, BKS-Beschleunigung. Diagnostik: Sonographie zur Orientierung und Aufdeckung einer Raumforderung hilfreich, gibt Auskunft, ob Binnenstruktur solide oder liquide ist. CT-bei jedem Verdacht unentbehrlich - vermittelt topographische Details im Körperquerschnitt (Abb.37-5). Röntgen-Standarduntersuchungen mit Skelettbildern der Wirbelsäule mit Schichten, Urogramme, Magen-DarmDarstellungen (Kontrasteinlauf, MDP) bei Abszessen im vorderen pararenalen Raum. Skelettszintigraphie bei Abszessen infolge möglicher Knochenerkrankungen. Therapie: Sonographisch bzw. CT-gesteuerte gezielte Abszeßpunktion und -drainage. Wo das nicht möglich ist: operative Entlastung. Antibiotische Behandlung mit Resistenzbestimmung. Stets die Infektionsquelle ausfindig machen und gleichzeitig oder in zweiter Sitzung sanieren.
3. Mesenteriale Lymphadenitis, Tumoren Lymphadenitis
3.1 Mesenteriale Lymphadenitis Praxishinweis: Die unspezifische Entzündung mesenterialer Lymphknoten ist eine der häufigsten Ursachen für Bauchschmerzen im Kindesalter.
ileozökale Lymphknoten betroffen Bakterielle Ursachen nicht nachweisbar
Pathogenese: Lymphknoten hauptsächlich der ileozökalen Region schwellen an, wirken glasig aufgetrieben, hyperplastisch. Eine bakterielle Infektion läßt sich nicht nachweisen, eher ist eine hypersensitive Reaktion auf eine Resorption vom Dünndarm (Fremdproteine?) wahrscheinlich.
Klinisch: uncharakteristische Leibschmerzen
Therapie: keine spezieile Behandlung nötig. Bei Laparotomie appendektomieren
Symptome. Uncharakteristische Leibschmerzen bei Kindern, Abgeschlagenheit, gelegentlich Fieber, Übelkeit, Erbrechen. Vielfach mäßige Leukozytose. Differentialdiagnostisch ist eine akute Appendicitis oft kaum abzugrenzen. Therapie: Die Prognose ist gut, die Beschwerden gehen meist ohne spezifische Behandlung zurück. Die schwierige Abgrenzung einer Appendizitis führt oft zur Laparotomie, wobei die vergrößerten Mesenteriallymphknoten und fehlende Entzündungszeichen an der Appendix wegweisend sind. In diesen Fällen wird appendektomiert, um im Rezidivfall (25 %) Irrtümer auszuschließen.
Tumoren
3.2 Mesenteriale Tumoren
Primärtumoren rar Metastasen häufig Zystische oder solide Tumoren
Primärtumoren sind rar, maligne Absiedlungen oder Lymphknotenmetastasen intraabdomineller Geschwülste dagegen relativ häufig. Morphologisch können sich zystische oder solide Tumoren entwickeln (Häufigkeit 2:1), ausgehend von Lymph-, Binde- und Nervengewebe oder Gefäßen. Auch können zystische Tumoren aus embryonalen Defekten (Chylus- oder Retentionszysten) oder posttraumatisch entstehen.
DD: Appendizitis
Mesenteriale Lymphadenitis, Tumoren Die Mehrzahl der Tumoren ist gutartig. Zysten häufig multilokular. Lipome oder Fibrome neigen nach Entfernung zu Rezidiven oder maligner Entartung.
729 Mehrzahl der Tumoren gutartig
Neurogene Geschwülste (Neurilemmom, Schwannom) sind selten, ebenso vaskuläre Tumoren (Hämangioperizytom).
Unter den malignen Tumoren sind Lipo- sowie Leiomyosarkome am häufigsten. Sie metastasieren kaum, wenn überhaupt dann spät. Die sekundären Mesenterialtumoren entstehen infiltrativ oder als Metastasen: per continuitatem, per disseminationem, lymphogen.
Maligne Tumoren - Liposarkom - Myosarkom - metastasieren selten
Eine Sonderform bildet das Pseudomyxoma peritonei, ein lokal infiltrativer tumorähnlicher Prozeß mit zahlreichen muzinhaltigen Zysten in der Peritonealhöhle. Er entsteht entweder von schleimbildenden Zystadenomen des Ovars oder von Mukozelen der Appendix. Histologisch sind die Gebilde gutartig, werden jedoch infolge der Ausbreitung und der Einbeziehung vitaler Strukturen bedrohlich.
Pseudomyxoma peritonei: tumorähnlicher Prozeß
Symptome. Gutartige wie bösartige Tumoren imponieren grundsätzlich als Raumforderungen, tastbar abhängig von Größe und Lage, ohne Symptome, zunächst meist als Zufallsbefund. Völlegefühl. Darmobstruktionen sind selten, wie auch Blutungen oder Infarzierungen. Diagnose: Sonographie, CT, im Übrigen: Ausschlußdiagnostik analog wie bei retroperitonealen Tumoren.
Klinisch imponiert Raumforderung
Therapie: Ausschließlich operativ. Zystische Tumoren sind gut zu enukleiren, häufig ist eine begleitende (Dünn-)darmteilresektion erforderlich. Prognose: Bei zystischen oder soliden benignen Tumoren gut, solange Totalentfernung gelingt. Maligne Geschwülste haben häufig bereits Gefäße der Darmwurzel infiltriert und lassen sich daher kaum kurativ beseitigen.
Behandlung operativ zusätzliche Darmteilresektion häufig nötig Prognose gut, wenn Totalentfernung gelingt. maligne Tumoren meist nicht kurativ zu beseitigen
Diagnose durch Sono und CT
38. Hernien B. Stallkamp
Äußere Herrtie * sackartige Ausstülpung des parietalen Peritoneums in oder vor die Bauchdecke.
1. Häufigkeit, Symptomatik, Diagnostik, Komplikationen Definition. Äußere Hernien sind sackartige Ausstülpungen des parietalen Peritoneums in oder vor die Bauchdecke, in der sich zeitweise oder dauernd Organe der Bauchhöhle befinden.
(Zu unterscheiden: Prolaps)
Von der Hernie zu unterscheiden ist der Prolaps: Vorfall von Eingeweiden durch eine Lücke im Peritoneum.
• -
Der Bruchsack (Peritoneum) tritt durch eine Lücke in der Bauchdecke (Bruchpforte, Bruchkanal mit innerem und äußerem Bruchring) aus und ist von Bruchhüllen (Haut, Subkutangewebe) bedeckt (Abb. 38-1 a). Jedes Bauchorgan kann zum Bruchinhalt werden (häufig Dünndarm oder Omentum majus, seltener Dickdarm, Appendix, Ovar etc.).
Bruchinhalt: jedes Bauchorgan: Dünndarm Omentum majus Appendix Ovar, etc.
• interparietale Hernie: - zwischen den Bauchwandschichten • Gleithernie: Bruchinhalt Teil der Bruchsackwand
Sonderformen sind die interparietale Hernie (Bruchsack zwischen den Schichten der Bauchdecke) und die Gleithernie, bei der der Bruchinhalt gleichzeitig einen Teil der Bruchsackwand bildet (Abb. 38-1 b), was nur bei Organen möglich ist, die einseitig von Peritoneum überzogen sind (z.B. Zökum, Harnblase).
Unterscheidung nach Bruchinhalt: • reponibel • irreponibel (Verwachsungen) • inkarzeriert (Einklemmung mit Abschnürung der Blutversorgung):
Der Bruchinhalt kann reponibel, irreponibel oder inkarzeriert sein. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen irreponibel (Verwachsungen des Bruchinhaltes) und inkarzeriert (Einklemmung des Bruchinhaltes mit Abschnürung der Blutversorgung). Die klinische Bedeutung der Hernien wird vorwiegend durch die Gefahr der Inkarzeration von Darmanteilen mit der Folge von Ileus, Gangrän und Peritonitis bestimmt.
• Eventerationshernie = H.permagna - ein großer Teil der Bauchorgane im Bruchsack. Reposition schwierig oder unmöglich
Findet sich ein großer Teil der Bauchorgane im Bruchsack, spricht man von einer H.permagna oder einer Eventerationshernie. Die Reposition kann schwierig oder unmöglich sein, wenn der Bruchinhalt sein „Heimatrecht" in der Bauchhöhle verloren hat.
Häufigkeit, Lokalisation, Ätiologie • häufiges chirurgisches Krankheitsbild:
Häufigkeit, Lokalisation, Ätiologie. Hernien gehören zu den häufigsten chirurgischen Krankheiten (im eigenen Krankengut ca. 12 %). Ca. 75-80 % sind in der Leistenregion und ca. 15-20 % an der vorderen Bauchwand lokalisiert. Kongenitale Hernien sind Folge eines inkompletten fetalen Bauchwandschlusses (indirekte Leistenhernie bei ganz oder teilweise offenem Processus vaginalis peritonei).
• kongenitale Hernie: - Folge eines inkompletten fetalen Bauchwandschlusses
'eritoneum Bauchwand Bruchpforte Bruchsack Bruchhüllen Bruchinhalt
Häufigkeit, Symptomatik, Diagnostik, Komplikationen Erworbene Hernien entstehen an anatomischen oder operativ/traumatisch entstandenen Schwachstellen des Gewebes (Muskel- und Faszienlücken, Durchtrittsstellen von Nerven, Gefäßen, Samenstrang etc.) oder bei Bindegewebeschwäche (konstitutionell, degenerativ) in Verbindung mit ungewöhnlicher intraabdomineller Drucksteigerung (Husten, Obstipation, Erbrechen, Aszites, Tumor, Gravidität, Heben schwerer Lasten, Miktionsstörungen etc.).
731 • erworbene Hernie: - Entstehung an Schwachstellen des Gewebes oder - infolge Bindegewebeschwäche in Verbindung mit intraabdomineller Drucksteigerung (z.B. Husten, Obstipation, Erbrechen, Tumor etc.)
Bei jeder Hernie des Erwachsenen ist die digitale Palpation des Rektums zum Ausschluß eines Rektumkarzinoms obligat. Nur äußerst selten kann ein Trauma als Ursache einer Hernie gelten. Voraussetzung für die Anerkennung als Unfallfolge ist ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit einer starken direkten traumatischen Gewebeschädigung, während Brüche nach starkem Pressen oder Heben schwerer Lasten nicht als unfallbedingt anzusehen sind.
Leitsymptom eines Bruches ist die Bruchgeschwulst, während die Beschwerden (Schmerzen bei Anspannung der Bauchmuskulatur, peritoneale Reizungen) meist gering sind. Permanente Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen sind Hinweise auf eine Inkarzeration. Die Diagnose wird durch Inspektion (Vorwölbung, Asymmetrie) und Palpation meist am stehenden Patienten gestellt, wobei der Hustenanprall gegen den tastenden Finger ein wichtiges Zeichen ist. Adipositas, kleine Bruchpforten und straffe Bauchdecken erschweren die Diagnose. Bei Kindern muß man sich vielfach auf die Beobachtungen der Eltern verlassen.
Symptomatik der Hernien: Leitsymptom: Bruchgeschwulst
Die klinische Untersuchung ist nicht zu ersetzen, u. U. aber durch bildgebende Verfahren zu ergänzen. Sonographie und CT können durch den Nachweis von Luft an atypischer Stelle und ggf. durch die genaue Lokalisaton und Bestimmung des Ausmaßes der Muskellücke zur Diagnosestellung und Operationsplanung beitragen (Abb. 38-2,12). Zur Vermeidung von Fehldiagnosen (Abszeß mit Gasbildung) ist dabei der Nachweis einer Kommunikation intra- und extraperitonealer Strukturen durch die Muskelfaszienlücke wichtig. Kriterien für eine Hernie sind der subkutane Nachweis von Darmschlingen (Luft, Peristaltik) einschließlich Mesenterium (echodichter als subkutanes Fettgewebe), das Verschwinden der Befunde bei Entlastung und ihre Reproduzierbarkeit bei Anspannung der Bauchmuskulatur.
• Hustenanprall gegen den tastenden Finger • Sonographie/CT: - Luft und Peristaltik an atypischer Stelle - Kommunikation intra- u. extraperitonealer Strukturen - Befundänderungen bei Betätigung der Bauchpresse - ideal bei Adipositas und kleiner Hernie
Differentialdiagnostisch müssen insbesondere in der Leistenregion Lymphome, ektope Hoden, Hydro-, Varikozelen, Varixknoten, Abszesse, Zysten und Tumoren ausgeschlossen werden. Epigastrische Hernien können Ulcera duodeni sive ventriculi, Erkrankungen der Gallenblase und des Pankreas wie auch Bauchwandtumoren und Abszesse vortäuschen, während Spieghel-Hernien eine Appendizitis, andere Darmerkrankungen und Bauchwandhämatome simulieren können. Beachte: M. rectus-Hämatome überschreiten nie die Fascia transversalis bzw. Linea alba.
Differentialdiagnose - ektope Hoden - Hydro-, Varikozele - Abszesse, Zysten, Tumoren
Komplikationen. Die wichtigste ist die Inkarzeration, Einklemmung von Darm oder anderen Organen im Bruchsack bzw. in der Bruchpforte. Durch eine plötzliche abdominale Druckerhöhung wird die Bruchpforte erweitert und z.B. eine vorliegende Darmschlinge in den Bruchsack gepreßt, die bei der nachfolgenden Verkleinerung der Bruchpforte einklemmt (elastische Inkarzeration). Die Inkarzeration führt über eine venöse Stauung, Darmwandödem und Drosselung der arteriellen Blutzufuhr zur Darmgangrän mit Perforation und Peritonitis. Klinisch dominieren neben dem Lokalbefund (Schwellung, Rötung, Spontan- und Druckschmerz) anfangs die Ileussymptome, später die toxischen Folgen der Peritonitis. Bei der sog. Koteinklemmung liegt dagegen primär keine Inkarzeration vor. Vielmehr wird der abführende Darmschenkel einschließlich der Blutgefäße durch Koprostase im zuführenden Schenkel mechanisch verlegt, so daß ein Ileus resultiert.
Komplikationen der Hernien 1. Inkarzeration • Ursache: plötzliche Erweiterung der Bruchpforte durch abdominale Druckerhöhung und Einpressung einer Darmschlinge bei Verkleinerung der Bruchpforte Einklemmung. Folge: Darmgangrän (Abb.38-4) mit Perforation und Peritonitis
Darmwandbruch: Einklemmung eines Teiles der Darmwand bei erhaltener Darmpassage (Abb. 38-3), meist als Littre-Hernie bezeichnet.
3. Darmwandbruch - Einklemmung eines Teils der Darmwand - Darmpassage bleibt erhalten (Abb.38-3)
Littre beschrieb 1700 ursprünglich die Einklemmung eines Dünndarmdivertikels (Meckel 1809), 1714 aber einen „echten" Darmwandbruch. Im angloamerikanischen Raum wird die Bezeichnung Richter-Hernie bevorzugt: Richter beschrieb diese Bruchform 1785.
Diagnose: • Inspektion und Palpation am stehenden Patienten
2. Koteinklemmung - keine Inkarzeration - mechanische Verlegung eines Darmschenkels durch Koprostase -» Ileus
732
38. Hernien
gangränöser
Darm
Abb.38-2: Sonographie einer Leistenhernie mit Dünndarm im Bruchsack (BD = Bauchdekke, L = atypische Luft, H = Bruchlücke)
Abb.38-3: Darmwandbruch: passage bleibt erhalten
Darm-
Abb.38-4: Retrograde Inkarzeration (mod. n. Heberer et al.)
4. Bruchentzündung • Ursachen: - Repositionsversuch, Bruchband, Trauma - Appendizitis im Bruchsack
Eine weitere Komplikation stellt die Bruchentzündung dar, die durch Bruchband, Trauma, Repositionsversuch oder das Auftreten eines akuten Krankheitsprozesses im Bruchsack (akute Appendizitis) ausgelöst werden kann.
5. Bruchzufall - symptomatisch dominierende Hernie bei anderer Baucherkrankung (hohe Letalität) 6. symptomatische Hernie - Folge oder Symptom einer Abdominalerkrankung (Druckerhöhung).
Bruchzufall bzw. symptomatische Hernie ist die zufällige oder ursächliche Kombination einer Hernie mit einer anderen Erkrankung der Bauchhöhle. Dabei kann die Hernie blande oder inkarzeriert sein und zu einer Verkennung der Begleitkrankheit (Magenperforation, EU-Ileus, Extrauterin-Gravidität, Nephrolithiasis etc.) führen. Es kann sich aber auch um eine retrograde Inkarzeration handeln (Maydl-Hernie, Einklemmung von Darmschlingen in Form eines W mit Inkarzeration nur des intraabdominellen Schenkels, Abb. 38-4). Bei irreponibler H e r n i e kann in diesen Fällen eine Inkarzeration vorgetäuscht werden (Scheineinklemmung). Wird die Diagnose präoperativ verfehlt, ist die intraoperative E r k e n n u n g eines Bruchzufalls von größter Wichtigkeit (Letalität bis >50%). Als symptomatische Hernie bezeichnen wir einen Bruch, der Folge oder Symptom einer Erkrankung mit erhöhtem abdominellen Druck ist (z.B. Kolonkarzinom).
2. Therapie Dauerhafte Heilung nur durch Operation!
Die dauerhafte Beseitigung eines Bruches läßt sich ausschließlich durch eine Operation erreichen. Spontanheilungen werden nur gelegentlich bei kindlichen Nabel- oder Leistenhernien beobachtet.
Konservativ. Ein Bruchband (Pelotte mit Federband) kann den Austritt eines Bruches u. U. verhindern, Inkarzerationen aber nicht verhüten; es ist deshalb mit seltenen Ausnahmen (definitive Ablehnung der Operation, unvertretbar hohes Operationsrisiko) abzulehnen. Das Bruchband verhindert oder erschwert infolge von Druckatrophie oder Hautreizungen die rechtzeitige Operation. Kein Bruchband bei irreponibler Hernie und bei Kindern! Inkarzeration: unmittelbare Beseitigung durch manuelle Reposition
Die Inkarzeration eines Bruches muß unmittelbar beseitigt werden, am besten durch eine unblutige manuelle Reposition (Taxis), sofern nicht die Dauer der Einklemmung ( > 4-6 h), lokale Reizerscheinungen oder eine sehr enge Bruchpforte die sofortige Operation erfordern. Vielfach gelingt die Reposition erst am entspannten Patienten (Sedierung).
Therapie
a)
733
b)
Abb.38-5: Inkarzerierte Hernie (a), Reposition en bloc (b): Die Inkarzeration des Darmes wurde nicht beseitigt
Praxishinweis: Die Finger einer Hand umfassen trichterartig die Bruchgeschwulst und pressen zunächst den Darminhalt sukzessive aus, um anschließend den Darm selbst in die Bauchhöhle zurückzudrängen. Zu vermeiden ist eine En-bloc-Reposition (Scheinreposition) von Bruchsack und Bruchring ohne Beseitigung der Inkarzeration (Abb. 38-5). Eine peritoneale Symptomatik nach einer Reposition erfordert die sofortige Laparotomie. Operativ. Jede Hernie stellt unabhängig vom Alter eine Indikation zur Operation dar. Die Erfolgsquote liegt bei ca. 95 %. Kontraindikationen sind: • relativ: sehr schlechter Allgemeinzustand, hochgradige Adipositas, schwere Zweiterkrankungen, prognostisch ungünstiges Tumorleiden, ungünstige Hautverhältnisse, Hernia permagna, lange bestehende Brüche mit großer Bruchpforte. • absolut: manifeste Herzinsuffizienz, Aszites (Leberzirrhose, Peritonealkarzinose), übergroße Narben- und Bauchwandhernien.
Vorbereitung und Anästhesie: Eine gezielte Vorbehandlung ist nur bei therapiebedürftigen Zweiterkrankungen (z.B. Diabetes mellitus, dekompensierte Herzinsuffizienz) sowie übergroßen Hernien (wiederholte Anlage eines Pneumoperitoneums) erforderlich. Die Operation erfolgt in Allgemeinnarkose oder Peridural- bzw. Spinalanästhesie, zunehmend auch (bei Leistenhernien) in lokaler Infiltrationsanästhesie (ambulante Chirurgie, hohes Narkoserisiko). Hernienoperation: Herniotomien erfolgen immer nach den gleichen Prinzipien: • Darstellung von Bruchhüllen, -sack und -pforte, • Versorgung des Bruchinhaltes, Beseitigung des Bruchsackes, • Verschluß der Bruchlücke und Wundschluß Dabei sind Besonderheiten zu beachten: Gleithernie (Bruchsack wird nur reponiert), Schädigung inkarzerierter Organe (Darmresektion), Appendizitis im Bruchsack (Appendektomie). Nachbehandlung: Möglichst frühzeitige Mobilisation vermeidet embolische und pulmonale Komplikationen. Als Ausnahmen gelten große, plastisch versorgte Bauchwandbrüche und gelegentlich Rezidivhernien. Leichte körperliche Tätigkeit kann nach 3-4 Wochen, schwere körperliche Arbeit bzw. entsprechende sportliche Betätigung erst nach 3-6 Monaten wieder aufgenommen werden. Postoperative Komplikationen: Nachblutung, Wundinfektion, Pneumonie, Lungenembolie etc. sind unspezifische Komplikationen. Ein Hernienrezidiv tritt etwa in 5 % auf. Die Operationsletalität liegt im allgemeinen unter 1 %, steigt bei Inkarzerationen aber bis auf etwa 10 %.
Repositionsmanöver
Für jede Hernie besteht eine Indikation zur Operation • Kontraindikationen der Bruchoperation - relativ - absolut Anästhesieverfahren • Allgemeinnarkose • Peridural-/Spinalanästhesie • Lokalanästhesie
Hernienoperation • Operationsprinzip
Nachbehandlung - frühzeitige Mobilisation - leichte körperliche Tätigkeit nach 3-4 Wochen - sportliche Betätigung und schwere körperliche Arbeit nach 3-6 Monaten Postoperative Komplikationen - Nachblutung, Wundinfektion - Pneumonie, Lungenembolie - Hernienrezidiv Operationsletalität bei Hernienoperation < 1 %, bei Inkarzeration bis 10%
734
38. Hernien
Hernienformen
3. Spezielle Hernienformen
1. Leistenhernie
3.1 Direkte und indirekte Leistenhernie
Unterscheidung nach der inneren Bruchpforte: • direkte = mediale Hernie • indirekte = laterale Hernie
D i e L e i s t e n h e r n i e n stellen mit e i n e m A n t e i l von 7 5 - 8 5 % die häufigste Bruch form dar. In D e u t s c h l a n d wird die jährliche I n z i d e n z auf 0,4 % d e r G e s a m t b e v ö l k e r u n g geschätzt: 150-200000 b e h a n d l u n g s p f l i c h t i g e H e r n i e n p r o Jahr. H e r n i a e inguinales sind angeboren o d e r erworben, w e r d e n zu 15-20 % beidseits b e o b a c h t e t u n d t r e t e n bei M ä n n e r n - w e n n a u c h mit a b n e h m e n d e r T e n d e n z - wesentlich häufiger auf als bei F r a u e n . ( D i e R e l a t i o n M : F ist in d e n letzten 100 J a h r e n v o n ca. 20 : 1 auf 4 - 8 : 1 gesunken.) N a c h d e r Lokalisation der inneren Bruchpforte sind direkte (mediale) u n d indirekte (laterale) H e r n i e n zu u n t e r s c h e i d e n ( A b b . 38-6).
• Anatomie der Leistenregion (Abb. 38-6)
Klinische Anatomie der Leistenregion: In der Leistengegend wird die vordere Bauchwand vom Leistenkanal durchsetzt, der vom inneren Leistenring (Fossa inguinalis lateralis, lateral der Vasa epigastrica) schräg von dorsal, kranial und lateral nach ventral, kaudal und medial zum äußeren Leistenring, einer Lücke in der Aponeurose des M. obliquus externus abdominis, verläuft. Durch diesen Kanal zieht der Samenstrang bzw. das Lig. rotundum. Die Vorderwand wird vorwiegend von der Aponeurose des M. obliquus externus und die Hinterwand von der Fascia transversalis gebildet, während die Mm. obliqui internus et transversus abdominis die obere und das Leistenband die untere Begrenzung darstellen.
Ätiopathogenese: • keine Obliteration des inneren Leistenringes kongenitale indirekte H.inguinalis • postnatale Leistenringerweiterung - » erworbene indirekte H. inguinalis
Ätiopathogenese. Der innere Leistenring wird nach der Obliteration des Processus vaginalis peritonei (s. Descensus testis) von parietalem Peritoneum überzogen. Bleibt die Obliteration ganz oder teilweise aus, entwickelt sich eine kongenitale indirekte (laterale) Leistenhernie (oder eine Hydrocele funiculi spermatici sive testis). Erweitert sich erst später im Leben der innere Leistenring und stülpt sich Peritoneum in den Leistenkanal vor, handelt es sich um eine erworbene indirekte Leistenher-
• Entwicklungsstadien der Leistenhernie: schwächste Stelle der Bauchwand: F o s s a inguinalis medialis
Symptome - Vorwölbung in der Leistengegend - leichte ziehende Schmerzen Diagnose • Inspektion und Palpation:
Entwicklungsstadien: • Hernia incipiens: Vorwölbung des peritonealen Bruchsackes in den Leistenkanal • Hernia completa: Austritt des Bruchsackes am äußeren Leistenring • Hernia scrotalis: Vorliegen des Bruchsackes bis ins Skrotum Medial der epigastrischen Gefäße stellt die Fossa inguinalis medialis die schwächste Stelle der Bauchwand dar. Hier liegt die innere Bruchpforte der direkten (medialen) Leistenhernie, die ebenfalls am äußeren Leistenring austritt. Sie ist immer erworben, wesentlich seltener als die indirekte Form und bei Frauen eine Rarität. Symptome. E i n e Vorwölbung in der L e i s t e n g e g e n d o d e r leichte ziehende Schmerzen k ö n n e n die einzigen S y m p t o m e sein. D e n K r a n k h e i t s w e r t b e s t i m m e n die K o m p l i k a t i o n e n . D i e Diagnose wird d u r c h Inspektion (Vorwölbung, A s y m m e t r i e ) u n d Palpation ( E i n s t ü l p e n d e s S k r o t u m s bis vor d e n ä u ß e r e n Leistenring, H u s t e n -
Abb. 38-6: Bruchpforten
in der Leistenregion
(1) Indirekte Leistenhernie (2) Direkte Leistenhernie (3) Femoralhernie (4) H.Obturatoria
735
Spezielle Hernienformen anprall) am stehenden Patienten gestellt. Bei Frauen ist die Diagnose ohne Bruchgeschwulst oft schwieriger. Eine Sonographie kann grundsätzlich sehr hilfreich sein (wenig aufwendig, nicht belastend, beliebig wiederholbar, kostengünstig). Differentialdiagnostisch sind eine Schenkelhernie, eine Hydrozele, Lymphome, Abszesse, Aneurysmen und Varixknoten abzugrenzen.
- am stehenden Patienten - unter Husten oder Pressen - Ergänzung durch Sonographie
Therapie. Die Leistenhernie ist grundsätzlich eine elektive Indikation zur Herniotomie, die nicht reponible inkarzerierte Hernie eine absolute Indikation zur sofortigen Operation. Ausnahmen ergeben sich nur elektiv bei Einschränkung der allgemeinen oder lokalen Operabilität. Kontraindikationen: u. a. inkurable Tumorleiden, Aszites, manifeste Herzinsuffizienz.
Therapie: • Operationsindikation: - grundsätzlich bei Diagnosestellung - Inkarzeration: absolut und sofort - elektiv mit wenigen Ausnahmen: - Peritonealkarzinose - manifeste Herzinsuffizienz - ausgeprägter Aszites Bewährte Op.-Verfahren (Abb. 38-7) • Bassini: Rekonstruktion des äußeren Leisten ringes • Kirschner: Sehr fester Bruchlückenverschluß durch Subkutanverlagerung des Samenstranges • Shouldice: Doppelte Naht der Fascia transversalis vermindert Rezidivneigung • McVay: Verschluß aller Bruchpforten durch Anheften des M.obliquus int. an das Cooper-Band
Operationsverfahren (Abb. 38-7,8). Nach Versorgen des Bruchinhalts und Abtragen des Bruchsackes (Herniotomie) stehen zahlreiche Reparationsmethoden für die Bruchpforte und die Stabilität der Bauchwand zur Verfügung, die vor allem auf einer Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals beruhen. Anerkannt und am häufigsten angewandt sind die Verfahren nach Bassini (1884), Lotheissen/McVay (1898,1949) und Shouldice (1945). Die Prinzipien der spannungsfreien Reparation (Lichtenstein, 1968) sowie die konventionelle präperitonealen (Stoppa, 1973) und endoskopischen (intra- und präperitonealen) Zugänge müssen sich noch bewähren (Tab. 38-1). Tab.38-1: Operationsmethoden bei primärer Leistenhernie (Klinikumfrage 1992)* Methode
%
Shouldice Bassini Modifikationen McVay Laparoskopisch Netz- u. Kissentechnik
47,7 38,5 9,7 1,3 0,7 0,2
* Töns, Ch. et a l „ Chirurg (1993) 64: 635
Bei der Plastik nach Bassini wird die Aponeurose des M. obliquus internus abdominis mit dem Leistenband vernäht unter Einbeziehung der gespaltenen Fascia transversalis. Durch Subkutanverlagerung des Samenstranges (Kirschner) kann ein noch festerer Bruchlückenverschluß erreicht werden. Shouldice vernäht die Fascia transversalis mit 2 fortlaufenden Nähten und fixiert die Mm. transversus et obliquus internus am Leistenband. Der Verschluß aller Bruchpforten der Leistenregion gelingt nach McVay durch Anheften der Transversalfaszie bzw. -muskulatur und des M. obliquus internus an das Lig. pubicum superius (Cooperi), einem derben Bindegewebestrang auf dem Pecten ossis pubis (Abb.38-7,8). Die spannungsfreien Patch- oder Plugtechniken vermeiden weitgehend die sonst notwendige Exploration und führen durch den Polypropylen-Patch zwischen Internus- und Externusmuskulatur mit Bildung eines prothetischen inneren Leistenringes zu einer Verstärkung der Bauchwand bzw. durch den Plug (Stöpsel) zu einer narbigen Einengung der Bruchpforte (Abb. 38-8 d). Durch einen präperitonealen Zugang (oberhalb der Symphyse) lassen sich alle Bruchpforten der Leistenregion darstellen. Kleine Lücken können direkt verschlossen werden, größere Defekte erfordern den uni- oder bilateralen Einsatz alloplastischer Netze, die, fixiert durch den Abdominaldruck, die Fascia transversalis verstär-
Neuere Verfahren (noch nicht etabliert) • Lichtenstein: spannungsfreie Reparation mit Kunststoff-Patch oder-Plug • Stoppa: Präperitoneales Kunststoffnetz • endoskopische Netzapplikation (präoder intraperitoneal)
Die endoskopischen Verfahren erlauben über einen transabdominalen oder präperitonealen Zugang die Applikation von Kunststoffnetzen zum Verschluß der Bruchlücken. Die Indikationen dieser Verfahren sind noch nicht standardisiert (keine ausreichenden Langzeitergebnisse).
Komplikationen (selten): Durchtrennung des D. deferens (Adaptation über einer Catgut-Schiene), Verlegung der Vasa spermatica mit Hodennekrose oder -atrophie (frühzeitige Revision), Einengung der V.femoralis mit
Komplikationen selten
736
38. Hernien M. abd. transversus M. obl. internus
Aponeurose d. M. obl. ext. Samenstrang Leistenband
M. pectineus
Abb.38-7: Reparationsverfahren der Leisten- und Schenkelhernien (Querschnitt), a. Anatomie, b. Leistenhernie, c. Bassini, d. Bassini-Kirschner, e. McVay, f. Shouldice, g. Lichtenstein, h. Halsted-Ferguson (mod. n. Schumpelick)
Letalitätsrate: bis 1 %, nach Notfall-Op: 5% und höher. Wichtige Spätkomplikation: Rezidiv (5-10%), abhängig von: - Form der Hernie - Art der Reparation - Zeit nach der Operation Operation im Säuglings- und Kindesalter - Verlagerung des Samenstranges vermeiden. - Nach Versorgung des Bruchsackhalses w i r d die Externusaponeurose vernäht oder der M.obliquus internus an das Leistenband geheftet
Thrombose und Embolie, Darm- und Blasenläsionen mit Peritonitis, Ileus, Kot-, Urinfistel, Wundinfektionen, Neuralgien durch Nervenläsionen. Die Letalitätsrate beträgt 0-1%, bei Inkarzerationen aber ca. 5% und mehr. Wichtigste Spätkomplikation ist das Rezidiv (5-10 %). Indirekte H. 3-10%, direkte H. 5 - > 1 0 % , Operationen nach Bassini 5 - > 1 0 % , McVay um 5 % , Shouldice < 3%, mit Kunststoffnetzen bis 1,4%, Re-Rezidivrate 3 - > 30 %, jeweils mit der postoperativen Zeit zunehmend.
Besonderheiten im Säuglings- und Kindesalter. Leistenhernien werden mit einer Häufigkeit von etwa 1-10 % angegeben. Mädchen sind wesentlich seltener betroffen als Knaben. Die rechte Seite überwiegt mit 60%, ca. 20% treten beiderseits auf. Es handelt sich nahezu immer um angeborene, indirekte Hernien. Inkarzerationen sind häufig (10-15 %), aber nur selten bedrohlich. 70 % davon treten im ersten Lebensjahr auf. Die Reposition ist fast immer möglich. Bei einem Ovar im Bruchsack sind Repositionsversuche zugunsten einer sofortigen Operation zu unterlassen. Die Diagnose stellt die Indikation zur Operation dar. Vorübergehende Kontraindikationen sind erhebliches Untergewicht, Dyspepsien, Infekte, Hautveränderungen (Soor) oder bedrohliche Zweiterkrankungen. Frühgeborene werden vor der Krankenhausentlassung, beidseitige Hernien gleichzeitig operiert. Die routinemäßige Operation der Gegenseite bei einseitiger Hernie ist umstritten.
Spezielle Hernienformen
737
Abb.38-8: Reparationsverfahren bei Leistenhernien (Operationssitus): 1 F.transversalis, 2 M.obliquus internus, 3 Leistenband, 4 Samenstrang a.,b. Anheften des M.obliquus internus an das Leistenband (Bassini), c. Doppelung der F.transversalis (Shouldice), d. Bildung des inneren Leistenringes durch Kunststoff netz (Lichtenstein) (mod. n. Schumpelick)
D i e Operationstechnik vermeidet Verfahren mit Verlagerung des Samenstranges. Nach zentraler Versorgung des Bruchsackhalses wird lediglich die Exterausaponeurose vernäht (Abb.38-7h) oder der M.obliquus internus über d e m Samenstrang an das Leistenband geheftet. Die Operationsletalität liegt bei 0,02-0,1 % (bei Inkarzerationen bei 1 bis 2 %).
3.2 Femoral- und Nabelhernien
2. Femoralhemi«
Schenkelhernien (H.femoralis sive cruralis) stellen die zweithäufigste Bruchform dar (10 %) und treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern ( 3 : 1 ) . Klinische Anatomie: Die Bruchpforte zwischen dem Leistenband und den Beckenknochen wird durch den Arcus ileopectineus in die Lacuna musculorum und die Lacuna vasorum unterteilt. Die (typischen) Femoralhernien treten medial der Gefäße durch das Septum femorale, das sich zwischen Lig. inguinale, Lig. lacunare, dem Pecten ossis pubis bzw. dem Lig. Cooperi und der V.femoralis ausspannt (s. Abb. 38-6).
Anatomie
738
38. Hernien Die Bauchwand besteht hier nur aus der Transversusaponeurose mit dem bedeckenden Peritoneum. Andere Austrittsstellen sind äußerst selten.
Diagnose • wegen enger Bruchpforte häufig Inkarzeration. Repositionsversuche meist erfolglos • gefürchtete Form: Femoralhernie als Darmwandbruch
Symptomatik, Diagnostik: Der Bruchsack ist typischerweise unterhalb des Lig. inguinale im Bereich der Fossa ovalis abzugrenzen, kann aber auch nach kranial verlagert und schwer abgrenzbar sein. Die enge und wenig nachgiebige Bruchpforte erklärt die Neigung zur Inkarzeration. Repositionsversuche sind wegen Erfolglosigkeit in der Regel zu unterlassen. Schwer zu diagnostizieren und deshalb gefürchtet ist die Femoralhernie als Darmwandbruch. Differentialdiagnostik s. Leistenhernie.
Therapie • baldmöglichst operieren • Verschluß der Bruchlücke mit Hilfe des Cooper-Ligamentes
Therapie: Jede Femoralhernie sollte baldmöglichst operiert werden. Als Kontraindikation kann nur allgemeine Inoperabilität gelten. Über einen inguinalen Zugang (leichte Präparation, sicherer Bruchpfortenverschluß) wird die Bruchlücke mit Hilfe des Cooper-Ligamentes verschlossen (s. Abb. 35-7 e). Die Komplikationen entsprechen denen der Leistenbruchoperation.
Hernien der vorderen Bauchwand 3. Nabelhernie - vorwiegend bei Frauen. Begünstigende Faktoren: - Schwangerschaft, Adipositas - erhebliche Gewichtsabnahme - körperliche Belastung • Bruchpforte: Anulus umbilicalis
Nabelhernie. Die Nabelhernien des Erwachsenen (ca. 5 % aller Hernien) sind erworben und betreffen vorwiegend das weibliche Geschlecht. Schwangerschaft, Adipositas, erhebliche Gewichtsabnahme und körperliche Belastung gelten als begünstigende Faktoren. Beim Neugeborenen kann die physiologische Nabelhernie persistieren (20%) oder sich vor der Ausbildung einer festen Nabelnarbe neu entwikkeln. Frühgeburt, pulmonale Infekte, Passagestörungen des Darmes etc. begünstigen ihr Auftreten. Bruchpforte ist der Anulus umbilicalis, der zirkulären Faserzügen der Bauchwandaponeurose entspricht. Symptomatik, Diagnostik: Der winzige bis kopfgroße Bruchsack enthält vielfach einen Netzzipfel, bei größeren Brüchen auch Dünndarm oder Dickdarm. Verwachsungen der Darmschlingen führen zur Irreponibilität. Die klinische Diagnose ist einfach. Lediglich die Abgrenzung von einer Paraumbilikalhernie (Faszienlücke außerhalb des Nabelringes) gelingt nicht immer.
Symptome - Bruchsack kann Netzzipfel, Dünndarm oder Dickdarm enthalten. - bei Verwachsungen der Darmschlingen: irreponibel Therapie • prinzipiell Operation • im ersten Lebensjahr: spontane Rückbildung möglich Operationsprinzip - Bruchsack vom Hautnabel ablösen und abtragen -> Bruchpforte durch Naht verschließen - größere Bauchwandfestigkeit durch Fasziendoppelung Komplikationen - Wundhämatome - Wundinfektion - Rezidivgefahr
Therapie: Bei Erwachsenen sollte jede Nabelhernie operiert werden. Die Indikation relativiert sich nur bei Risikopatienten und entfällt bei Aszites oder Peritonealkarzinose. Im ersten Lebensjahr besteht nur bei relativ großen Bruchsäcken oder Größenzunahme eine Operationsindikation, da spontane Rückbildung möglich ist. Das Operationsprinzip besteht darin, den Bruchsack vom Hautnabel abzulösen, nach Versorgung des Bruchinhaltes abzutragen und die Bruchpforte durch Naht (Fasziendoppelung) zu verschließen. Bei größeren Hernien führt eine longitudinale oder transversale Fasziendoppelung (Mayo) zu größerer Bauchwandfestigkeit (Abb. 38-9). Abschließend wird der Hautnabel wieder an der Faszie fixiert. Komplizierend sind Wundhämatome und -infektionen mit nachfolgender Rezidivgefahr.
stellte Fasziendoppelung
Spezielle Hernienformen
a)
739
b)
c)
Abb.38-10: Epigastrische Hernie, a. Querschnitt der Bauchdecke, b. Prolabierter präperitonealer Fettbürzel, c. Echte epigastrische Hernie mit Omentum majus im Bruchsack
Das Operationsrisiko der inkarzerierten Nabelhernie ist bei einer Letalitätsquote von 10-20 % relativ hoch, liegt bei unkomplizierten Fällen aber nur bei ca. 1 %. In etwa 3 % ist mit einem Rezidiv zu rechnen. Nabelschnurbruch (s. Kap. 41, S.798)
Operationsletalität: 1 % bei Inkarzeration 10-20%
3.3 Epigastrische Hernie, Rektusdiastase
5. Epigastrische Hernie
Epigastrische Hernie: Durch (präformierte) Lücken in der Faszie der Linea alba oberhalb des Nabels können präperitoneale Fettbürzel prolabieren (Abb. 38-10). Wenn das Peritoneum trichterförmig nachgezogen wird, entstehen echte Hernien. Werden diese übersehen (adipöse Bauchdecken, kleiner Fettbürzel), können erhebliche, aber meist uncharakteristische Oberbauchbeschwerden zu umfassender aber unergiebiger Diagnostik füh-
Prolaps von präperitonealen Fettbürzeln durch Lücken in der Faszie oberhalb des Nabels. Echte Hernie möglich
Die Operationsindikation wird von der Beschwerdesymptomatik bestimmt. Nach Abtragen von Bruchsack oder Fettbürzel wird die Faszienlücke fest verschlossen. Komplikationen sind selten, Rezidive aber möglich.
Behandlung: - nach Abtragung von Bruchsack oder Fettbürzel -> Verschluß der Faszienlücke 6. Rektusdiastase Auseinanderweichen der Rektusmuskulatur am Oberbauch: - bei Anspannung -> Vorwölbung der Bauchmuskeln über der Linea alba - selten Indikation zur Operation, da hohe Letalitätsrate
Rektusdiastase: Auseinanderweichen der Rektusmuskulatur am Ober-, selten am Unterbauch. Bei Anspannung der Bauchmuskeln wölbt sich über der Linea alba ein mehr oder weniger breiter Wulst vor (definitionsgemäß keine Hernie). Die Rektusdiastase kann kosmetisch stören oder hinderlich sein. Bei einer Letalitätsrate von etwa 10 % sowie einer Rezidivhäufigkeit bis zu 75 % besteht nur selten eine Indikation zur operativen Behandlung (direkte Naht der Rektusscheide, schichtweise Adaptation der Bauchdecke oder Fasziendoppelung).
3.4 Spieghel- 1 , Lumbal-, Narbenhernie Die Spieghel-Hernie im weiteren Sinne tritt durch eine Lücke in der Fascia Spigelii aus, jenem Teil der Bauchwandaponeurosen, der zwischen der Linea semilunaris Spigelii (Grenzline zwischen muskulärem und aponeurotischem Teil des M. transversus abdominis) und dem lateralen Rand der Rektusscheide liegt (Abb.35-11). Die Hauptaustrittsstelle liegt in Höhe der Linea arcuata, unterhalb derer das hintere Blatt der Rektusscheide fehlt. Die Hernie durchbricht die Aponeurosen des M. transversus abdominis und des M.obliquus internus und breitet sich unter der Aponeurose des Externusmuskels in Form einer interstitiellen Hernie aus (echter Bruchsack oder präperitoneales Fettgewebe). Inkarzerationen sind relativ häufig. Die Diagnose kann schwierig sein (Adipositas, kleine Hernie). Differentialdiagnostisch kommen intraabdominale Erkrankungen, Bauchwandhämatome und -tumoren in Betracht. Ein CT kann nützlich sein (Abb. 38-12). Die operative Versorgung ist unproblematisch, Rezidive sind nicht bekannt. 1
Adriaan van den Spieghel, genannt Spigelius, A n a t o m und Chirurg in Padua, 1578-1625
Nabelschnurbruch
7. Spieghel-Hernie • Austreten der Hernie durch eine Lücke in der Fascia Spigelii
Ausbreitung der Hernie unter der Aponeurose des Externusmuskels als eine interstitielle Hernie
operative Versorgung unproblematisch keine Rezidive
740
38. Hernien
Rippenbogen
Linea semilunaris
M. trans versus abdominis M. rectus abdominis Linea arcuata
Lateraler Rand der Rectusscheide Ligamentum inguinale
6. Lumbalhernien Selten. Austrittsstelle im oberen und unteren Lumbaidreieck Neigung zur Inkarzeration Operation immer angezeigt: Verschluß der Bruchlücke mit Hilfe der Fascia lumbalis. Selten Rezidiv 7. Narbenhernien • Ursachen - Adipositas - Hypoproteinämie, Anämie - Nervenverletzungen - ungünstige Schnittführung - abdominale Drucksteigerung Therapie • konservativ oder operativ • kleine Bruchpforte: Inkarzerationsgefahr Operative Therapie der Narbenhernie - Bruchpfortenverschluß durch einfache Naht - Fasziendoppelung nach Mayo oder Bauchwandplastik
Abb. 38-11: Anatomie der Hernia Spigelii mit häufigster Austrittsstelle (x)
Lumbalhernien. Bevorzugte Austrittsstellen sind das obere und untere Lumbaidreieck zwischen der 12. Rippe und dem Beckenkamm am lateralen Rand des M.latissimus dorsi. Die seltenen Hernien können angeboren oder erworben sein und neigen zur Inkarzeration. Die Differentialdiagnose hat Abszesse und Tumoren zu berücksichtigen. Bei der immer angezeigten Operation wird die Bruchlücke mit Hilfe der Fascia lumbalis sive glutealis verschlossen. Rezidive gelten als selten.
Narbenhernien als Folge einer Laparotomie entwickeln sich meist innerhalb des ersten postoperativen Jahres. Eine Sonderform ist die parastomale Hernie, die auch durch einen Prolaps von Darm vorgetäuscht sein kann. Die möglichen Ursachen sind vielfältig: Adipositas, Hypoproteinämie, Anämie, Faktor-XIII-Mangel (?), Nervenverletzungen, ungünstige Schnittführung, postoperative abdominale Drucksteigerung durch Husten, Darmatonie etc.. Kleine Narbenhernien sind inkarzerationsgefährdet, große eher lästig. Die Therapie kann konservativ durch eine Bandage (großer Bruch, große Bruchpforte, Adipositas, Risikopatient) oder operativ erfolgen (enge Bruchpforte, Inkarzeration, Ileus). Operative Therapie: Große Hernien machen eine intensive Vorbehandlung notwendig (Gewichtsreduktion, Atemgymnastik, wiederholte Anlage eines Pneumoperitoneums). Der Eingriff selbst erfordert die typischen Schritte der Bruchoperation. Der Bruchpfortenverschluß erfolgt durch einfache Naht oder besser durch Fasziendopplung nach Mayo (s. Abb. 38-9, S.738). Verbleibt ein Fasziendefekt oder steht die Faszie unter zu starker Spannung, muß eine Überbrückung
A. glutea sup. M. piriformis
A. glutea int. N.ischiadicus
Lig. sacrotuberale Abb.38-12: Spieghel-Hernie im CT
Abb.38-13: Bruchpforten der Hernia ischiadica: H.supra- (1) und infrapiriformis (2), H.spinotuberosa (3)
741
Spezielle Hernienformen oder Entlastung angestrebt werden (Kutis, Fascia lata, lyophilisierte Dura, Kunststoffnetze). Komplikationen wie Infektion und Fistelbildung sind geläufig. Die Letalitätsrate liegt bei 2 %, die Rezidivquote bei 10 %.
3.5 Brüche des kleinen Beckens Hemia obturatoria. Die H.obturatoria tritt zusammen mit dem Gefäßnervenbündel (Vasa obturatoria, N. obturatorius) durch das Foramen obturatorium unter den M. pectineus und erscheint an der Innenseite des Oberschenkels (s. Abb. 38-6, S. 734). Häufig sind ältere Frauen betroffen (Erschlaffung des Beckenbodens). Die Bruchgeschwulst ist wegen der starren Faszie meist klein, so daß der Bruch leicht übersehen oder mit einer Schenkelhernie verwechselt wird. Starke Schmerzen, Parästhesien am Oberschenkel und das Howship-Romberg-Zeichen (Verstärkung der Schmerzen durch Streckung, Adduktion und Innenrotation der Hüfte) gelten als pathognomonisch. Vielfach führt erst die Inkarzeration mit Ileus zur Diagnose. In diesen Fällen beträgt die Letalität 10-15 %. Die Operation erfordert eine Laparotomie. Die Bruchpforte ist ventral unter dem Schambein zu suchen. Die Versorgung von Bruchinhalt und Bruchsack steht im Vordergrund. Die Bruchpforte wird durch direkte Naht oder mit Hilfe von Kunststoffnetzen oder lyophilisierter Dura verschlossen oder auch offen gelassen. Rezidive gelten als selten. Hernia ischiadica. In dem Bruchsack der seltenen H. ischiadica mit ihren verschiedenen Bruchpforten (Abb. 38-13) finden sich neben Darm, Omentum majus oder Ovar häufig Anteile des Ureters. Glutaealtumor, Ischialgie und Ileus sowie ggf. Zeichen der Harnstauung sind die wichtigsten Symptome. Bei der Operation ist der übersichtliche und weniger gefährliche transperitoneale Zugang dem glutaealen vorzuziehen. Der schwierige Bruchpfortenverschluß lateral zwischen Rektum und Blase bzw. Uterus erfolgt mit Hilfe von Faszienplastiken oder Kunststoffeinsätzen. Beckenbodenbrüche = Perinealhernien: äußerst selten (z. B. nach abdomino-sakraler, selten nach abdominoperinealer Rektumexstirpation). Sie treten vorn durch die Excavatio vesico-uterina oder hinten durch die Excavatio rectouterina in den Bekkenboden ein und sind bei Frauen häufiger als bei Männern. Sie enthalten in der Regel Dünndarm, klemmen aber nur selten ein. Differentialdiagnostisch sind Zysten und Abszesse abzugrenzen. Die Operation zielt auf einen Verschluß der Bruchpforte, ausgehend von einem transperitonealen, perinealen oder kombinierten Zugang. Rezidive sind nicht selten.
Komplikationen - Infektionen - Fistelbildung - Letalitätsrate: 2% Brüche des kleinen Beckens 8. Hernia obturatoria Durchtritt der Hernie durch das Foramen obturatorium und Erscheinen an der Innenseite des Oberschenkels (s.Abb. 38-6). - starke Schmerzen - Parästhesien - Howship-Romberg-Zeichen - Inkarzeration mit Ileus möglich Behandlung - Operation mit Laparotomie - Versorgung von Bruchinhalt und Bruchsack - Verschließen der Bruchpforte (unter dem Schambein) durch direkte Naht oder mit Dura 9. Hernia ischiadica Selten. Bruchsackinhalt: Darm, Omentum majus, Ovar, Ureter Symptome Glutaealtumor, Ischialgie, Ileus, Harnstau Operation Verschluß der Bruchpforte durch Faszienplastiken oder Kunststoffeinsätze 10. Beckenbodenbrüche Selten. Häufiger bei Frauen. Bruchsackinhalt: Dünndarm, selten Einklemmung Behandlung Verschluß der Bruchpforte
3.6 Innere Bauchbrüche, Zwerchfellhernie
11. innere Bauchbrüche
Bei inneren Hernien wird der Bruchsack von einer innerhalb der Bauchhöhle gelegenen Bauchfelltasche oder -faltung gebildet, in der Bauchorgane fixiert sind. Die Diagnose kann aufgrund einer Ileussymptomatik oder einer Kontrastmitteldarstellung des Darms allenfalls vermutet und durch Laparotomie gesichert werden. Lokalisationen: H.bursae omentalis sive paraduodenalis, H.recessus duodenalis, H. duodeno-mesocolica inf., H. mesenterico-parietalis dextra, H. recessus ileocoecalis sup. et inf., H. intersigmoidea, H. supravesicalis. Bei symptomatischen Hernien sollte operiert werden. Nach Rückverlagerung der Eingeweide ist der Bruchsack zu verschließen oder die Bruchpforte so zu erweitern, daß keine Einklemmung mehr möglich ist. Dabei sind Darm- und Gefäßverletzungen, die zu ernsten Komplikationen führen können, sorgfältig zu vermeiden. Zwerchfellhernie (s. Kap. 32., S.357)
Bruchsack bildet sich aus Bauchfelltasche oder Bauchfellfaltung Sicherung der Diagnose Laparotomie
Operatives Vorgehen Rückverlagerung der Eingeweide -> Verschluß des Bruchsackes (oder Erweiterung der Bruchpforte um Einklemmung zu vermeiden) Zwerchfellhernie s. Kapitel 32., S. 357
39. Weichteiltumoren C. Zornig
Weichgewebetumoren sind überwiegend gutartig, sie haben Bedeutung, w e n n sie a u f g r u n d der G r ö ß e und Lokalisation s y m p t o m a t i s c h werden
Weichgewebetumoren sind überwiegend gutartig. Sie haben nur dann Bedeutung, wenn sie aufgrund von Größe oder Lokalisation klinisch symptomatisch werden oder Malignität nicht auszuschließen ist. Die seltene, bösartige Variante, das Weichteilsarkom, stellt wegen der Vielzahl der histologischen Typen und großer Variabilität der Lokalisation eine schwer faßbare Tumorentität dar.
Weichgewebstumoren sind Neoplasien des mesenchymalen Gewebes. Sie gehen u. a. von Fett-, Binde- oder Muskelgewebe aus. Die maligne Variante heißt Sarkom.
Definition. Weichteiltumoren sind Neoplasien des mesenchymalen Gewebes. Sie sind nichtepithelialen, extraskelettalen Ursprungs und gehen vom Binde-, Fett-, Muskel- oder Nervenhüllgewebe aus. Tumoren des Monozyten-Makrophagen-Systems, der Glia und des Stützgewebes der Organe sowie der Eingeweide gehören nicht dazu.
Es gibt jeweils benigne und maligne Varianten. Die häufigsten Sarkome sind maligne fibröse Histiozytome, Liposarkome (Abb. 39-2,3), maligne Schwannome, Fibro-, Leiomyo-, Rhabdomyo- und synoviale Sarkome. W e n i g e Tumoren wachsen lokal infiltrativ o h n e zu metastasieren S a r k o m e sind a m häufigsten an den Extremitäten (60%) lokalisiert, auch a m S t a m m (20%) und i m Retroperitoneum (20%)
Wenige Tumoren (Desmoide, noduläre Fasziitis, Myositis proliferans) wachsen lokal infiltrativ, metastasieren aber nicht und gelten damit als gutartig. Man unterscheidet Extremitätensarkome (ca. 60 % der Fälle) von solchen am Stamm (20%) und im Retroperitoneum (20%). Die Lokalisation im Kopf-Hals-Bereich und im Mediastinum ist sehr selten.
TNM-Klassifikation
Die Einteilung der Weichteilsarkome nach der TNM-Klassifikation: T-Primärtumor, T, Tumor < 5 cm, T2 Tumor > 5 cm N-Regionäre Lymphknoten, N0 keine, N, regionäre Lymphknotenmetastasen M-Fernmetastasen, M0 keine, M ; Fernmetastasen
Epidemiologie Weichteilsarkome sind selten: 1 % aller Malignóme
Epidemiologie. Die Inzidenz gutartiger Weichteiltumoren ist nicht exakt anzugeben, da selten Behandlungsbedürftigkeit besteht und nur ein Bruchteil dieser Tumoren exzidiert wird. Dagegen sind Weichteilsarkome mit einer Inzidenz von 1-2/100000 Einwohner/Jahr ausgesprochen selten. Sie machen weniger als 1 % aller malignen Tumoren aus, obgleich der Mensch zu mehr als 80 % aus mesenchymalem Gewebe besteht. Beide Geschlechter sind annähernd gleich betroffen. Im Gegensatz zu Karzinomen, deren Häufigkeit im Alter zunimmt, treten Sarkome auch schon im Kindesalter auf (hauptsächlich Rhabdomyosarkome), und das Erkrankungsrisiko bleibt bis in hohe Altersgruppen nahezu gleich.
Beide Geschlechter und alle Altersgruppen sind gleich betroffen
Ätiologie w e i t g e h e n d unklar
Disponierende Faktoren: - Bestrahlung J a h r e zuvor - chronisches L y m p h ö d e m Treves-Syndrom - M.Recklinghausen
Die Ätiologie von Weichgewebstumoren ist weitgehend unklar.
• Stewart-
Wachstumscharakteristika • gutartige Weichteiltumoren w a c h s e n lokal verdrängend
Patienten geben häufig an, daß ein Trauma dem Tumorwachstum vorangegangen sei. Eine Kausalität k o n n t e allerdings nie bewiesen werden. Vielmehr ist das Trauma wohl häufig Anlaß, sich mit der entsprechenden Körperregion näher zu befassen. Als prädisponierende Faktoren für die Sarkomentstehung sind lediglich eine Jahre zuvor durchgeführte Bestrahlung, ein in der Regel strahlenbedingtes chronisches Lymphödem (mit Ausbildung eines Lymphangiosarkoms, („Stewart-Treves Syndrom") und der M. Recklinghausen (Neurofibromatose) akzeptiert. Im letzteren Fall ist die Entstehung eines malignen Schwannoms bei ca. 5 % der Patienten bekannt. D i e maligne Transformation benigner Weichteiltumoren ist ansonsten sehr unwahrscheinlich.
Wachstumscharakteristika. Die Mehrzahl der benignen Weichteiltumoren wächst lokal verdrängend, nur die o. g. Ausnahmen zeigen eine Infiltration
39. Weichteiltumoren der Umgebung. Multifokalität ist bekannt (Lipome, Neurofibrome etc.), Metastasen gibt es nicht. Die Einschätzung des Wachstumsverhaltens der Weichteilsarkome fällt vielen Chirurgen schwer. In über der Hälfte der Fälle imponieren Sarkome makroskopisch kapselbegrenzt. Aber nur bei einem Teil dieser Tumoren kann mikroskopisch eine rundum intakte Pseudokapsel nachgewiesen werden. Alle anderen Sarkome wachsen infiltrativ oder aber sie weisen diskontinuierlich von der Haupttumormasse entfernt gelegene Satellitenknoten auf (Ursache für hohe Rate lokaler Rezidive). Das Sarkom breitet sich zunächst in seinem anatomischen Ursprungskompartment aus und respektiert langfristig das umgebende Hüllgewebe (Faszie, Nerven- oder Gefäßscheide). Sarkome neigen zur Ausbildung von Impfmetastasen. Wird das Sarkom bei der Erstoperation freigelegt, so ist mit einer Tumorzellkontamination des Operationsgebietes zu rechnen. Deshalb sind die Hälfte der Lokalrezidive multifokal: z. B. peritoneale Tumormanifestationen bei primär retroperitonealen Sarkomen. Eine Metastasierung findet hauptsächlich hämatogen statt, Lymphknotenmetastasen sind selten. Es metastasieren fast ausschließlich schlechter differenzierte Sarkome. Hoch differenzierte Sarkome neigen im Zuge des lokalen Rezidivierens zu entdifferenzieren.
743
Weichteilsarkome täuschen makroskopisch oft eine Kapsel vor, wachsen aber infiltrativ, z.T. mit umgebenden Satellitenknoten —» Ursache für hohe Rate von Lokalrezidiven
Weichteilsarkome respektieren lange begrenzende Faszien Neigung zur Ausbildung von Impfmetastasen bei Freilegung des Sarkoms Lokalrezidive häufig multifokal
Fernmetastasierung - vorwiegend hämatogen - selten lymphogen - Neigung zur Entdifferenzierung beim lokalen Rezidiv
Periphere Weichteilsarkome metastasieren bevorzugt (ca. 8 0 % ) in Lunge, Leber und Haut; retroperitoneale in Lunge und Leber, oder es finden sich die peritonealen Absiedlungen.
Abb.39-1: Liposarkom im Quadrizepskompartment links mit Kontakt zu allen 4 Anteilen des Muskels. Das gesamte Kompartment muß reseziert werden. Die Streckfunktion im Kniegelenk wird durch Transposition des M.semitendinosus und des langen Bizepskopfes auf die Quadrizepssehne wiederhergestellt
Abb.39-3: Querschnitt durch das formalinfixierte Resektat des Quadrizepskompartments mit allseits von Faszie umhülltem Liposarkom (dieselbe Patientin wie Abb. 39-1,2)
Abb.39-2: Breite Umschneidung der Biopsieregion und Resektion en bloc mit dem Sarkom (dieselbe Patientin wie Abb. 39-1)
Abb.39-4: MRT des linken Oberschenkels nach Resektion des Quadrizepskompartments ohne Nachweis von Rezidivtumor, etwas weiter kaudal als Abb.39-1 (dieselbe Patientin wie Abb. 39-1,2,3)
744 Klinik • Leitsymptom ist der palpatile Tumor • Schmerzen sind selten • schnelle Wachstumsprogredienz • Bewegungseinschränkung oder gastrointestinale Beschwerden • lokale Druckerscheinungen bei großen Tumoren Schmerzen sprechen gegen Bösartigkeit Sarkome verursachen kaum Allgemeinsymptome Symptomatik sehr unspezifisch Zeit von Symptombeginn bis zur Diagnose (fatale Pause) 7-14 Monate!
39. Weichteiltumoren Leitsymptom ist der palpable und oft auch sichtbare Tumor. Das Sarkom zeichnet sich im Vergleich zu gutartigen Weichgewebstumoren durch eine schnellere Wachstumsprogredienz aus. Je nach Lokalisation können Bewegungseinschränkungen oder eine gastrointestinale Symptomatik entstehen. Große Tumoren erzeugen einen lokalen Druck, während Schmerzen gegen Bösartigkeit sprechen. Lediglich Varianten der benignen Tumoren mit entzündlicher Komponente (z.B. Fasciitis nodularis) gehen mit einem durchaus sehr erheblichen Druckschmerz einher. Im Gegensatz zu Karzinomen verursachen Sarkome Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit oder Gewichtsverlust erst bei generalisierter Metastasierung. Retroperitoneal oder gluteal gelegene Sarkome fallen oft erst mit einem Durchmesser von 20 cm und mehr auf (Abb. 39-2,3). Die Symptomatik ist so unspezifisch, daß die Diagnose erst nach 7-14 Monaten gestellt wird.
Diagnostik Anamnese: - Hinweise auf Dignität klinische Untersuchung: - Hinweise auf Dignität - erster Schritt für eine Operationsplanung - neurologische Ausfälle —> Nerveninfiltration, selten durch Druck Bei offensichtlich gutartigem Tumor (Anamnese, Befund, subkutane Lage, keine Wachstumstendenz) keine weitere Diagnostik. Bei Beschwerden jedoch Tumorextirpation, aber ohne zusätzliche Diagnostik Sonographie: unbedeutend MRT: - beste Lokalisationsdiagnostik - im Thorax auch mit der CT
Diagnostik. Die Anamnese gibt Auskunft über den zeitlichen Verlauf der Tumorerkrankung und damit wichtige Hinweise auf eine mögliche Malignität. Die klinische Untersuchung erlaubt eine grobe Aussage über Lokalisation und Größe eines Tumors sowie über Funktionseinschränkungen. Neurologische Ausfälle weisen auf eine Infiltration des entsprechenden Nerven hin. Sie entstehen kaum durch bloße Verlagerungen. Liegt in Kenntnis der Anamnese und des Untersuchungsbefundes (Patient mit mehreren Lipomen, keine Wachstumstendenz, subkutane Lage etc.) offensichtlich ein gutartiger Tumor vor, der keine Beschwerden verursacht, so ist keine weitere Diagnostik erforderlich. Verursacht er jedoch Beschwerden, so kann der Tumor ohne zusätzliche Diagnostik entfernt werden. Bei Malignitätsverdacht jedoch ist die unverzügliche Diagnostik und radikale Tumorentfernung einzuleiten. Die Sonographie ist bei der Lokalisationsdiagnostik eher von untergeordneter Bedeutung. Die bessere Darstellung gelingt mit der MRT (Abb. 39-1).
Fakultative Untersuchungen: - Nativröntgen - Knochenszintigraphie - Angiographie Laboruntersuchungen führen nicht weiter kein Tumormarker! Histologische Diagnosesicherung bei peripheren Sarkomen mit Stanz- oder Inzisionsbiopsie
Spezielle Untersuchungen. Je nach Lokalisation des Primärtumors können weitere Untersuchungen notwendig werden: Nativröntgen, Knochenszintigraphie und Angiographie.
Nur der intrathorakale Raum ist wegen der geringeren bewegungsabhängigen Artefaktanfälligkeit noch eine Domäne der CT.
Laboruntersuchungen sind in der Diagnostik von Weichteiltumoren wenig hilfreich. Speziell gibt es bis heute keinen spezifischen Tumormarker.
Probeexzision. Die histologische Diagnosesicherung sollte bei Sarkomen immer vor der definitiven Resektion gelingen, um eine sichere Basis für die Planung eines oftmals agressiven operativen Vorgehens zu haben. Von diesem Prinzip kann man allenfalls bei retroperitonealen oder mediastinalen Tumoren abgehen, da eine offene Gewinnung von Tumormaterial zu aufwendig ist. Alle anderen Lokalisationen sind für eine Stanzbiopsie oder eine Probenentnahme in Lokalanästhesie erreichbar.
- Biopsiekanal bei definitiver Operation mitresezieren!
- Staging von Lunge und Leber durch Röntgen-Thorax und CT
Die Probeexzision sollte so angelegt werden, daß das bei diesem Eingriff tangierte Gewebe später am Resektat verbleiben kann (Abb. 39-3). Ist bei retroperitonealen oder mediastinalen Tumoren in der Schnellschnittuntersuchung keine endgültige Aussage zur Dignität möglich, so sollte hinsichtlich der Operationstaktik von Malignität ausgegangen werden. Liegt Malignität vor, so muß das Tumorstaging vor Festlegung der Therapiestrategie komplettiert werden: In Anbetracht des Metastasierungsverhaltens reicht die Untersuchung von Lunge und Leber aus (Röntgenuntersuchung des Thorax, Thorax- und Leber-CT).
Differentialdiagnostik Wichtige Abgrenzung gegenüber nicht neoplastischer Raumforderungen (Hämatom, Entzündung)
Differentialdiagnostik. Nicht neoplastische Raumforderungen (Hämatom, Entzündung) lassen sich oft durch die Anamnese (Unfall, Gerinnungsstörung etc.) abgrenzen. Zweifel sollten bei längerem Bestehen einer Schwellung aufkommen. Die Dignitätsfeststellung kann schwierig sein.
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39. Weichteiltumoren Malignitätszeichen sind: • Wachstumsprogredienz, • Tumordurchmesser >10 cm, • subfasziale oder retroperitoneale Lage und • neurologische Ausfälle. Dagegen spricht das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer ähnlicher Tumoren (Neurofibromatose, Lipomatose).
Differenzierung zwischen gut- und bösartigem Weichteiltumor oft schwierig! Malignitätszeichen: • Wachstumsprogredienz • Großer Tumordurchmesser • Subfasziale Lage • Retroperitoneale Lage • Neurologische Ausfälle
Letzte Instanz ist die histopathologische Aufarbeitung einer Probe. Allerdings kann bei hoch differenzierten Sarkomen die Abgrenzung von der jeweiligen benignen Variante (z. B. „lipoma like liposarcoma" - Lipom) dem Pathologen Probleme bereiten.
Histopathologische Beurteilung bisweilen schwierig
Therapie gutartiger Weichteiltumoren: Die Operation ist bei lokalen Verdrängungserscheinungen oder aus kosmetischen Gründen indiziert. Die Exstirpation kann bei meist subkutaner Lage mit geringem Aufwand erfolgen (Lokalanästhesie). Der Tumor sollte komplett mit einem allenfalls schmalen Sicherheitssaum entfernt werden. Viele Tumoren, z.B. Lipome, lassen sich stumpf an der Tumorgrenze enukleieren. Technisch aufwendiger ist die Exstirpation subfaszial gelegener Tumoren, wie intramuskuläre Lipome. Diese sind schwerer zugänglich und vom umgebenden Gewebe schwerer zu trennen. Die Entfernung eines infiltrativ wachsenden Tumors (z.B. Desmoid) ist ebenso anspruchsvoll wie die Operation eines Sarkoms, da die gleiche Neigung zu Lokalrezidiven besteht. Auch Hämangiome stellen wegen der oftmals großen Flächenausdehnung höhere Anforderungen an die Chirurgie. Bei Kleinkindern kann auf spontane Rückbildung gehofft werden. Therapie der Sarkome: Größe und Lokalisation mit Beziehungen zu benachbarten Strukturen sollten präoperativ exakt dargestellt sein (Abb. 39-1) und anhand der bildgebenden Diagnostik festgelegt werden, welche Strukturen bei der Tumorentfernung am Resektat verbleiben sollen.
Therapie 1. Gutartige Weichteiltumoren - resezieren, wenn sie Leidensdruck verursachen! - Resektion mit geringem Aufwand möglich, häufig Enukleation - Exstirpation subfaszial gelegener Tumoren ist technisch schwieriger - Exstirpation infiltrativ (Desmoid) oder sehr großflächig (Hämangiom) wachsender Tumoren kann schwierig sein
2. Sarkome - präoperativ exakt planen - immer RO-Situation anstreben
Praxishinweis: Ziel jeder Sarkomoperation: Der Chirurg sollte das Sarkom bei der Operation nicht zu Gesicht bekommen, also RO-Operation! Die Karzinomchirurgie erfolgt im wesentlichen nach festgelegten Prinzipien. Im Gegensatz dazu muß die Operationstaktik bei Sarkomen in Abhängigkeit von der Lokalisation individuell festgelegt werden.
Sarkomchirurgie ist individuell zu planen
Man kann folgende allgemeine Forderungen aufstellen: • Bei peripheren Sarkomen Malignität präoperativ sichern und Biopsiekanal weiträumig exzidieren und am Resektat belassen! • Bei subkutaner Lage die Faszie als Begrenzung zur Tiefe mitresezieren! • Bei subfaszialer Lage Sarkom mit umgebenden Hüllstrukturen (Faszie), z.B. im Rahmen einer Resektion eines Muskelkompartments, entfernen! • Bei retroperitonealem Tumor großzügig die Indikation zu multiviszeralen Eingriffen (z. B. mit rechter Niere und rechtem Hemikolon) stellen! • Bei Sarkomrezidiven nicht nur den erkannten Tumor resezieren, sondern das gesamte Operationsgebiet des Ersteingriffes incl. des früheren Zugangs! • Nicht so sehr auf einen quantitativen (in Zentimeter gemessenen) Sicherheitsabstand Wert legen als vielmehr auf einen qualitativen (intakte Faszie um den Tumor)! Darüber hinaus darf man bei der Resektion hinsichtlich der Ausdehnung keine Kompromisse machen, weil man Schwierigkeiten beim Verschluß des gesetzten Defektes befürchtet. Alle plastisch chirurgischen Deckungsmöglichkeiten bis hin zum freien Transfer myokutaner Lappen sollten zur Verfügung stehen! In besonders schwierigen Fallen muß auch eine primäre Amputation in Erwägung gezogen werden.
• Bei der Resektion keine Sorge vor Defektdeckung - Extremitätenamputation nicht selten unvermeidlich
746 Solitäre Metastasen sollten reseziert werden! - Metastasenchirurgie ist nahezu immer palliativ Postoperative Komplikationen: - Serom bei großen Wundflächen - Wundheilungsstörung bei Rezidiveingriffen und nach Bestrahlung - Funktionseinschränkung nach Resektion von Muskeln
Strahlentherapie: bessert die Rate lokaler Rezidive, vor allem nach R1-Resektionen Chemotherapie: - Sarkome im Kindesalter sprechen sehr gut an - Ansprechrate bei Erwachsenen 30-40%
Prognose - Lokalrezidivraten bis zu 90% - günstig sind 10-20%
- 80% der Lokalrezidive treten innerhalb der ersten 2 Jahre nach Primärtherapie auf. Wichtigstes Prognosekriterium für das Auftreten eines Lokalrezidivs ist das R-Stadium —> Zeichen für die Qualität der chirurgischen Therapie - Überleben hängt vor allem von Fernmetastasen ab: 80% treten in den ersten 2 Jahren auf - Weichteilsarkome haben eine 5-JahresÜberlebensrate von ca. 50% Prognoseparameter für das Überleben: • Differenzierungsgrad • Tumorgröße • Lymphknotenmetastasen • Fernmetastasen • R-Status Nachsorge 2 Jahre lang vierteljährlich, dann 3 Jahre halbjährlich Kontrolle des Lokalbefundes und Röntgen-Thorax MRT für die Diagnostik eines Lokalrezidivs
39. Weichteiltumoren Die Resektion von Metastasen ist oftmals indiziert, da eine gute Palliation erreicht werden kann (Lebensverlängerung, Entfernung von sichtbarem Tumor). Sie ist nur in Einzelfällen kurativ. Eine häufige postoperative Komplikation ist das Serom, bedingt durch die oftmals großen Wundflächen mit langdauernder Sekretion von Lymphe. Saugdrainagen sollten lange belassen werden. Wundheilungsstörungen treten eher bei Rezidiveingriffen auf und besonders, wenn das Operationsgebiet schon bestrahlt ist. Funktionseinschränkungen nach Resektion von Muskeln sollten bei einiger Erfahrung auf diesem Gebiet gut präoperativ abschätzbar sein (Aufklärungsgespräch). Adjuvante Therapie. Ergänzend zur Chirurgie stehen hauptsächlich die Strahlen- und Chemotherapie zur Verfügung. Die Strahlentherapie kann als lokale Maßnahme vor allen Dingen in R1-Situationen (Tumor reicht mikroskopisch bis zum Resektionsrand) das operative Ergebnis absichern. Weichteilsarkome im Kindesalter sprechen sehr gut auf eine Chemotherapie an, so daß immer eine kombinierte Behandlung angestrebt wird. Bei Erwachsenen ist die Chemotherapie in der adjuvanten Situation (nach Entfernung allen sichtbaren Tumors) umstritten. Bei Vorliegen von Fernmetastasen hat sie eine Ansprechrate von 30-40%. Dabei handelt es sich aber leider zum größten Teil um Teilremissionen, die in der Regel nur eine begrenzte Zeit anhalten. Andere noch in der Erprobung befindliche Therapieverfahren s. Kap. 25, S. 234.
Prognose. Lokalrezidive von Weichteilsarkomen treten mit einer Häufigkeit von bis zu 90 % auf, wenn die o. g. Therapieprinzipien nicht befolgt werden. Als sehr günstig muß bei peripheren Sarkomen eine Lokalrezidivrate von 10-20 % angesehen werden. Bei retroperitonealen Sarkomen liegt die Rate deutlich höher, da wegen der direkten Nähe vital wichtiger Strukturen seltener wirkliche RO-Resektionen gelingen. Ca. 80 % aller Lokalrezidive treten innerhalb der ersten 2 Jahre nach Primärtherapie auf. Als prognostisch relevant für das Auftreten eines Lokalrezidivs hat sich vor allem das R(esidualtumor)-Stadium erwiesen. Dieses kann man als Maß für die Qualität der chirurgischen Therapie ansehen. Auch die Durchführung einer Strahlentherapie in Rl-Situationen ist von Bedeutung. Das Überleben hängt hauptsächlich von der Fernmetastasierung ab. Diese wird in ca. 80 % der Fälle in den ersten 2 Jahren nach Diagnosestellung manifest. Weichteilsarkome haben mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 50 % eine insgesamt ungünstige Prognose. Prognoseparameter mit statistischer Signifikanz sind vor allem: Differenzierungsgrad (Gl-3 für hoch bis niedrig differenzierte Sarkome), Tumorgröße, Lymphknoten- oder Fernmetastasen und auch hier der R-Status. Beispiel: Die 5-Jahres-Überlebensrate eines Patienten mit einem Gl-Sarkom liegt bei über 80%, mit einem G3-Sarkom bei 30%.
Nachsorge. Sarkompatienten sollten sich 2 Jahre lang in vierteljährlichem Abstand, dann für 3 Jahre halbjährlich zur Nachsorgeuntersuchung vorstellen. Den Lokalbefund klärt die MRT (Abb. 39-4). Fernmetastasen erfaßt eine Röntgenuntersuchung der Lunge, bei retroperitonealen Sarkomen eine Sonographie der Leber.
40. Endokrine Chirurgie
1. Schilddrüse
Schilddrüse
G. Görtz Klinische Anatomie. D e r rechte und linke Schilddrüsenlappen sind durch den Isthmus miteinander verbunden. Im Isthmusbereich findet sich nicht selten ein Lobus pyramidalis. Bei inkompletter Obliteration des Ductus thyreoglossus können mediane Halsfisteln oder Zysten entstehen, die sich leicht infizieren. Neben dem follikelzelltragenden Organteil entwickeln sich gleichzeitig aus den Ultimobranchialkörperchen die calcitoninproduzierenden C-Zellen der Schilddrüse. Die Schilddrüse wiegt etwa 15-20 g und mißt vom oberen bis zum unteren Pol etwa 4 cm mit einer Dicke von 2-4 cm. Die Blutversorgung der Schilddrüse wird durch jeweils zwei Arterien von jeder Halsseite gewährleistet: die A.thyreoidea superior aus der A. carotis externa und die A. thyreoidea inferior aus dem Truncus thyreocervicalis der A.subclavia. Die A.thyreoidea inferior unterkreuzt die A. carotis communis. Gelegentlich existiert eine A. thyreoidea ima, die gewöhnlich ein Ast der A. anonyma direkt aus der Aorta ist. Das venöse Blut fließt über die oberen und lateralen Venen in die Vena jugularis und über die unteren Venen in die Vena anonyma ab. Der Lymphabstrom erfolgt über die oberflächlichen und tiefen cervikalen sowie über die mediastinalen Lymphbahnen. Die Schilddrüse liegt in enger Nachbarschaft zur A. carotis communis und zum N. recurrens, der dorsal von der Schilddrüse zum Hypopharynx verläuft (Abb. 40.1-1). Klinische Physiologie. Die Schilddrüse ist eine inkretorische Drüse, die in ihren Follikeln die Hormone Trijodthyronin (T 3 ) und Thyroxin (T 4 ) produziert. Sie nimmt in der Steuerung der Stoffwechselaktivität des Gesamtorganismus eine zentrale Stellung ein. Die Schilddrüsenhormone beeinflussen das Wachstum, die Entwicklung und den Metabolismus aller Gewebe. Insbesondere wird die Sensitivität von Zellen gegen betaadrenerge Stimulation reguliert. Im Mittelpunkt des Schilddrüsenhormonstoffwechsels steht das Jod. Die Hormonsynthese vollzieht sich in mehreren Schritten (Abb. 40.1-2 a):
Anatorrtie
• Gewicht: 15-20 g Blutversorgung durch 2 Arterien: • A.thyreoidea superior aus der A.carotis externa • A.thyreoidea inferior aus der A. subclavia
Topographie: enge Nachbarschaft mit: • N.recurrens (Abb.40.1-1) • A. carotis comm. • V. jugularis Physiologie Schilddrüse ist eine inkretorische Drüse mit Produktion der Hormone: • Trijodthyronin (T3) • Thyroxin (T4)
40. Endokrine Chirurgie
748 Hormonsynthese und -inkretion umfassen mehrere Schritte (s. auch Abb.40.1-2a)
0
Jodiertes Thyreoglobulin —> Speicherung im Follikellumen -» Organifikation
Endozytose
Hormoninkretion
Schilddrüsenhormone steigern die • Glukoseutilisation • Lipolyse • Proteinsynthese • somatische Entwicklung
Jodination (Aufnahme des Jodid in die Follikelzelle) Jodisation (Jodierung des Thyreoglobulins) Organifikation (Speicherung des jodierten Thyreoglobulins im Koloid) Hormoninkretion (Sekretion von Hormonen in die Blutbahn) periphere Hormonkonversion (Dejodierung von T 4 zu T 3 oder rT 3 in der Peripherie). Der tägliche Bedarf von etwa 100-150 (ig Jod wird mit der Nahrung aufgenommen und passiert als Jodid die Basalmembran der Follikelepithelzelle (Abb. 40.1-2 a). In der Follikelzelle wird das Jodid durch Peroxidasen in das elementare Jod überführt. Mit Hilfe von Peroxidasen wird in der Schilddrüse das Thyreoglobulin jodiert. Innerhalb eines Eiweißmoleküls entstehen auf diese Weise nebeneinander Monojod- und Dijodtyrosine. Durch intramolekulare Kopplung von zwei Tyrosinen entstehen die Jodthyronine, Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin (T 4 ). Das jodierte Thyreoglobulin wird im Follikellumen der Schilddrüse gespeichert (Organifikation). Der Kolloidreichtum ist eine Größe für den Hormonvorrat, aus dem bei Bedarf die Schilddrüsenhormone abgerufen werden können. Durch TSH-Stimulation werden kleine Kolloidtröpfchen mit Thyreoglobulinen erneut in die Follikelzelle aufgenommen (Endozytose), wo sie sich mit Lysosomen vereinigen (Phagolysosomen) und von der apikalen Zellseite zur Basalmembran in Richtung Blutgefäße wandern. Proteolytische Enzyme aus den Lysosomen spalten während der Wanderung das Thyreoglobulin in Jodtyrosine und Jodthyronine auf. Das dabei freiwerdende Thyroxin und das Trijodthyronin werden in die Blutbahn abgegeben (Hormoninkretion), die Jodtyrosine dagegen werden größtenteils intrathyreoidal wieder dejodiert und bleiben in der Follikelzelle (Abb. 40.1-2 b). Die täglichen Inkretionsraten der Schilddrüse betragen für das L-Thyroxin (T 4 ) etwa 87 |Xg für das L-Trijodthyronin (T3) etwa 10 (ig und für das reverse T 3 (rT 3 ) etwa 1 % der Thyroxinmenge. Das reverse T 3 unterscheidet sich vom normalen T 3 nur durch die andere Kopplung des 3. Jodidmoleküls im Thyronin. Im Blut werden die Hormone überwiegend an thyroxinbindendes Globulin (TBG), an das thyroxinbindende Präalbumin (TBPA) und Serumalbumin gebunden und transportiert. Die Halbwertszeit für das Thyroxin beträgt infolge der stärkeren Eiweißbindung etwa 7 Tage und die Halbwertszeit des T 3 2 Tage. Vom T 4 liegen nur etwa 0,03 % als freies Thyroxin und vom T 3 etwa 0,3 % in freier Form vor. Die größte biologische Aktivität besitzt das T 3 , welches die Glukoseutilisation, Lipolyse, Proteinsynthese, somatische
Follikelzelle
autonome Follikelzelle
Abb.40.1-2: Intra- und extrathyreoidaler Schilddrüsenstoffwechsel: a. Intrathyreoidal unterscheidet man die Jodination, Jodisation, Organifikation und die Hormonsekretion. Syntheseschritte werden in der Follikelzelle durch Peroxidasen katalysiert. Propylthiouracile und Methimazol hemmen die Peroxidasewirkung: Jodid wird nicht zu Jod, die Jodisation des Thyreoglobulins fehlt. Propylthiouracil inaktiviert die Dejodinasen und hemmt dadurch die periphere Hormonkonversion. Jod und Lithium blokkieren die Vereinigung von Lysosomen und Kolloidtröpfchen zum Phagolysosom. Die Jodaufnahme wird unterbrochen, b. Der extrathyreoidale Stoffwechsel umfaßt den Transport und die periphere Hormonkonversion von T 4 nach T 3
749
Schilddrüse Entwicklung und die thyreotrope Hypophysenfunktion am stärksten beeinflußt. Aus dem Thyroxin entsteht in der Peripherie durch Dejodierung das stoffwechselaktive T 3 und das stoffwechselinaktive reverse-T 3 . Durch diese periphere Hormonkonversion stehen täglich etwa 25 ng T 3 neben dem direkt sezernierten T 3 zur Verfügung. Die Hormonproduktion und Sekretion unterliegen einem Regelmechanismus, in den der Hypothalamus, der Hypophysenvorderlappen und die Schilddrüse als Relaisstationen eingebunden sind. Die Stellgrößen sind die peripheren Schilddrüsenhormone, die bei einem Abfall die Relaisstationen über folgende Mechanismen aktivieren: Aus dem Hypothalamus wird das Thyreotrope Releasing Hormon (TRH) sezerniert, welches über den Hypophysenvorderlappen die Freisetzung von Thyreoidea-stimulierendem H o r m o n (TSH) stimuliert. Das T S H aktiviert die Endopinozytose und beschleunigt die Aufspaltung und Inkretion der Schilddrüsenhormone. Darüberhinaus wird auch das Zellwachstum der Follikelzellen beeinflußt. Die Schilddrüsenhormonsynthese kann durch Propylthiouracil, Methimazol, Jod und Lithium gehemmt werden (Thyreostatika). Jod und Lithium h e m m e n die enzymatische Aufspaltung des Thyreoglobulins im Phagolysosom. Bei schweren infektiösen und mit Schock einhergehenden E r k r a n k u n g e n verläuft die Konversion vom T 4 vorübergehend vermehrt zum biologisch inaktiven rT 3 (Abb. 40.1-2). Gleichzeitig fällt die T r K o n z e n t r a t i o n ab (Niedrig-T 3 -Syndrom, Low-T 3 -Syndrom). Mit Besserung der Erkrankung tritt wieder eine Normalisierung der Konversion zum T 3 ein.
1.1 S t r u m a
Niedrig-T 3 -Syndrom —> Folge einer gestörten peripheren Hormonkonversion. Bei gravierenden Erkrankungen oder Schock entsteht vermehrt inaktives reverses T 3 , infolgedessen Abfall des normalen T 3
Struma
Definition. Struma (Kropf) ist eine funktionell bedingte sieht- und tastbare, an die Erhaltung des Hormongleichgewichts angepaßte Vergrößerung der Schilddrüse. Außerdem gibt es nicht funktionell bedingte Strumen, z.B. bei dungen oder -tumoren.
Periphere Hormonkonversation: - aus Thyroxin entsteht durch Hydrolyse eines Jodatoms T 3 oder reverses T 3 - Hormonproduktion und Sekretion unterliegen einem Regelmechanismus in den Hypothalamus, Hypophyse und Schilddrüse eingebunden sind - Thyreostatika hemmen die Hormonsynthese und Freisetzung von Propylthiouracil, Methimazol und Lithium
Schilddrüsenentzün-
Formen und Lage. Die Schilddrüse wird im Hals durch den Kehlkopf, das Jugulum sowie auf beiden Seiten durch die Mm. sternocleidomastoidei begrenzt. Dystopien finden sich: retrosternal, mediastinal; intrathorakal, ohne und mit Verbindung zur Halsschilddrüse (Struma endothoracica vera bzw. falsa); intratracheal, am Zungengrund und am Ovar (Struma ovarii). Die Struma kann knotig (solitär oder multinodulär), durch Zysten, Blutungen, Narbengewebe (z. B. nach Schilddrüsenresektion), gutartige Adenome, heiße und kalte Knoten sowie maligne Tumoren verändert sein. Diffuse Strumen findet man häufig bei einer gesteigerten Stoffwechsellage, z.B. im Wachstumsschub bei Jugendlichen (Adoleszentenstruma) oder bei Schwangeren.
1.1.1 Ätiopathogenese, Pathophysiologie der Struma Für die Entstehung der Struma sind mehrere Faktoren verantwortlich. A m häufigsten sind hyperplastische Prozesse infolge eines Hormondefizits, entzündliche, infiltrative und neoplastische Veränderungen. Eine kompensatorische Hyperplasie kann folgende Ursachen haben: • Joddefizit, -Überangebot, unzureichende Schilddrüsenhormonsynthese • thyreostatische Wirkung von Medikamenten bzw. von Nahrungsmitteln • selten angeborener Fehler einer mangelhaften Hormonsynthese (Störungen des Jodtransportes, der -organifikation, der Thyreoglobulinsynthese, der -kopplung oder der Dejodierung von Jodthyrosinen). Jodmangelstruma. In Deutschland haben breitflächige Jodbestimmungen bei allen Bevölkerungsschichten in Ost und West den endemischen Jodmangel in allen Altersklassen belegt. Dieser ist die Hauptursache für das Strumawachstum. Jodmangelstrumen sind morphologisch durch ein jodarmes Kolloid und durch die Hyperplasie des Follikelepithels charakterisierbar. Die mit der Hyperplasie verbundene Vermehrung des Schilddrüsenvolumens kann durch eine Vermehrung der Follikelanzahl, durch eine Vergrößerung der Follikel infolge Akkumulation von Kolloid und durch eine Z u n a h m e des Bindegewebes, der Extrazellularsubstanz und G e f ä ß e bedingt sein.
• funktionell bedingte, an die Erhaltung des Hormongleichgewichtes angepaßte, diffuse oder knotige Vergrößerung der Schilddrüse - nichtfunktionell bedingte Strumen bei Entzündungen und Tumoren • dystope Strumen: - retrosternal, mediastinal - intrathorakal - intratracheal, am Zungengrund - am Ovar (Struma ovarii) • Knotenstruma hat viele Ursachen • Differentialdiagnose: - blande Knoten, Zysten - gutartige Adenome - heißer Knoten -> autonomes Adenom - kalter Knoten —> Schilddrüsenkarzinom?
Pathogenese und Pathophysiologie der Struma Entstehung durch hyperplastische Prozesse infolge Hormondefizit Ursachen der kompensatorischen Hyperplasie: • Joddefizit, -Überangebot • T 3 i , T44• Thyreostase (Medikamente) Breitflächige Jodbestimmungen in Deutschland ergaben endemischen Jodmangel in allen Altersklassen -> Jodmangelstrumen Vergrößerung des Schilddrüsenvolumens durch Vermehrung und Vergrößerung der Follikel, Zunahme des Bindegewebes, der Extrazellularsubstanz und der Gefäße.
750 Hyperplasie und Hypertrophie durch: • extrathyreoidale Faktoren: - TSH und wachstumstimulierende Immunglobuline - epidermal growth factor - insulin-like growth factor I - Jod -» Proliferation der Thyreozyten • intrathyreoidale Faktoren - Wachstumsfaktoren - Immunglobuline chronische Stimulation des Schilddrüsenwachstums durch - degenerative Prozesse, Einblutungen und Fibrosierungen - heterogenes Wachstum infolge inhomogener Proliferationen - somatische Mutationen, Veränderungen am TSH-Rezeptor-Gen
Seit 1993 ist die Verwendung von Jodsalz in Deutschland nicht mehr gesetzlich eingeschränkt
Schilddrüsenerkrankungen
Epidemiologie
40. Endokrine Chirurgie Die morphologischen Veränderungen in der Schilddrüse werden durch extra- und intrathyreoidale Faktoren beeinflußt. • Extrathyreoidale Faktoren sind das TSH und wachstumstimulierende Immunglobuline, andere Wachstumsfaktoren (epidermal growth factor, EGF, und insulin-like growth factor I (IGF-I). Jod beeinflußt das Strumawachstum, indem eine Jodverarmung die Proliferation der Thyreozyten stimuliert. • Intrathyreoidale Faktoren sind Wachstumsfaktoren und Immunglobuline, welche von den Lymphozyten und Plasmazellen produziert werden.
Die chronische Stimulation des Schilddrüsenwachstums geht mit einer Knotenbildung einher, die durch 3 Mechanismen erklärt wird: (1) Durch degenerative Prozesse mit Einblutungen und Fibrosierungen im Parenchym der fibrös-narbigen Gewebestränge. Degenerative Prozesse laufen in jeder Schilddrüse ab und sind der häufigste Grund für die Häufung von Knoten mit dem Alter. (2) Durch heterogenes Wachstum infolge inhomogener Proliferationspotentiale bilden sich Knoten durch rascher proliferierende Zellen neben weniger aktiven Arealen. (3) Durch somatische Mutationen können lokal erhöhte proliferative Aktivitäten in den Thyreozyten ausgelöst werden, die zur Bildung klonaler Knoten führen. In toxischen Adenomen wurden somatische Mutationen des TSH-Rezeptors nachgewiesen. Die Veränderungen am TSHRezeptor-Gen führten zu einer konstitutiven Aktivierung der Adenylcyclase mit einer Dauerstimulation von Wachstum und Funktion. Seit 1993 ist in Deutschland die freiwillige Verwendung von Jodsalz bei der Nahrungszubereitung gesetzlich nicht mehr eingeschränkt. Man hofft, daß durch den Ausgleich des alimentären Jodmangels die Inzidenz der Struma zurückgeht. 1.1.2 Häufigkeit, Symptome und Diagnostik bei Schilddrüsenerkrankungen Epidemiologie. Deutschland ist ein Strumaendemiegebiet. Etwa jeder 7. Einwohner (15 %) hat eine Struma. Vom Norden nach Süden verdreifacht sich die Häufigkeit von 7% auf > 2 0 % . Die meisten Strumen weisen knotige Veränderungen auf. Pro Jahr werden etwa 10000 Schilddrüsenoperationen durchgeführt: ca. 70% euthyreote Knotenstrumen, 20 % hyperthyreote, 5 % maligne und 5 % Rezidivstrumen.
Symptom®
1.1.2.1 Symptome
= sieht- und tastbare Vergrößerungen der Schilddrüse: - homogen diffus - unifokal und - multifokal knotig
Schilddrüsenerkrankungen manifestieren sich überwiegend als Struma. Die Vergrößerung der Schilddrüse führt zu sichtbaren Veränderungen am Hals, die dem Patienten selbst, häufiger aber Mitmenschen auffallen. Die diffus vergrößerte Schilddrüse ist in ihrer Konsistenz meist uniform homogen, und beide Lappen sind vergrößert.
• Jede solitär knotige Veränderung ist tumorverdächtig! • Neu aufgetretene Schilddrüsenvergrößerungen vor dem 25. und nach dem 60. Lebensjahr sind malignomverdächtig • solitäre und harte Knoten sind verdächtiger als eine multinodöse Struma • Abklärung durch Sonographie und Punktionszytologie
Praxishinweis: Eine solitäre knotige Veränderung ist verdächtig auf eine mögliche bös- oder gutartige Neubildung! Die multinoduläre Form ist am häufigsten, meist, aber nicht immer gutartig. Besonders prominente Knoten oder gleichzeitig vergrößerte Halslymphknoten sind verdächtig auf Malignität. Primär malignomverdächtig sind neu aufgetretene Schilddrüsenvergrößerungen vor dem 25. oder nach dem 60. Lebensjahr oder wenn anamnestisch eine Bestrahlung in dieser Region im Kindesalter vorausgegangen ist. Solitäre und besonders harte Knoten, sind verdächtiger als eine multinoduläre Struma im Jodmangelgebiet. Bei indolenten Halslymphknoten und unauffälligem Schilddrüsentastbefund ist stets ein Karzinom diagnostisch entsprechend abzuklären. Auch bei nicht direkt sichtbaren Veränderungen am Hals ist, wenn entsprechende Symptome vorliegen, an eine verborgene Struma zu denken.
751
Schilddrüse
mechanische Auswirkungen einer Struma Stridor Kloßgefühl Schluckstörungen plötzlicher Stimmverlust Überfunktion -> Stoffwechselsteigerungen: Unterfunktion -> Stoffwechsel 4Schmerzen sind Hinweis auf entzündliche Erkrankungen Exophthalmus beim M. Basedow
Bei Pyknikern ist die Struma bisweilen substernal entwickelt. Ein venöser Kollateralkreislauf im Brustwandbereich kann als Zeichen für eine obere Einflußbehinderung infolge einer Struma gedeutet werden.
Die Struma kann mechanische Auswirkungen haben: • Stridor, • Kloßgefühl, • Schluckstörungen, • plötzlicher Stimmverlust. Daneben können typische Symptome bei funktionellen Störungen vorliegen. Bei Überfunktion Zeichen eines gesteigerten, bei Unterfunktion eines reduzierten Stoffwechsels (s.S.757 u. 760). Schmerzen weisen auf entzündliche Schilddrüsenerkrankungen hin, Exophthalmus auf einen M. Basedow. 1.1.2.2 Diagnostik
Diagnostik
Klinische Untersuchung. Inspektion: Beurteilung der Konfiguration des Halses und Messung seines größten Umfanges. Heiserkeit? Stridor bei bestimmten Kopfhaltungen? Palpation: Der Patient sitzt auf einem Stuhl, der Arzt steht hinter ihm. Der Untersucher umfaßt den Hals vorne auf beiden Seiten. Durch sanfte Palpation lassen sich Größe, Abgrenzung zum Jugulum, Knoten (Größe und Anzahl), Schluckverschieblichkeit, Druckdolenz und Konsistenz einer Struma beurteilen. Die normale Schilddrüse ist kaum tastbar.
Klinische Untersuchung - Konfiguration und Umfang des Halses - Stridor? Heiserkeit? - Größe und Anzahl von Knotenbildungen? Konsistenz? Schmerzhaftigkeit? - Abgrenzung v o m Jugulum, Schluckverschieblichkeit?
Apparative Untersuchungen. • Sonographie: Sie gehört heute zur Basisuntersuchung bei der Schilddrüsendiagnostik. Man beurteilt damit die Größe des Organs, diffuse Veränderungen, Anzahl und Größe von Knoten und Zysten sowie vergrößerte Lymphknoten (Abb. 40.1-3). Auch palpatorisch nicht erfaßbare, kleine und dorsal gelegene Knoten lassen sich nachweisen. Sie dient außerdem der gezielten Punktion zur zytologischen Untersuchung verdächtiger Areale. • Schilddrüsen-Szintigraphie: Sie zeigt die Lokalisation der Schilddrüse, ihre Größe und Form, sowie die funktionelle Aktivität (Abb. 40.1-4 a-c). Die Untersuchung wird mit dem Radionukleid "m-Tc-Pertechnat oder Radiojod 131 J durchgeführt. Das Radiojodszintigramm ist indiziert bei Hyperthyreose oder zur Metastasensuche beim Schilddrüsenkarzinom. Gleichzeitig Messung der Radiojodaufnahmekapazität, um die therapeutische Dosis zu berechnen. Das Szintigramm stellt, abhängig vom funktionierenden Schilddrüsengewebe, unterschiedliche Verteilungsmuster dar. Speichernde Areale sind repräsentativ für funktionierendes Gewebe = warme Bezirke. Bei normaler Schilddrüsenfunktion reichert sich das Nukleid in beiden Lappen homogen, als sog. „Schmetterlingsfigur", an (Abb.40.1-5a). Szintigraphisch nicht speichernde Areale = kalte Bezirke entsprechen funktionell inaktivem Gewebe. Läßt sich den verschiedenen Speichermustern eine knotige Veränderung zuordnen, so spricht man von kalten (Abb. 40.15 b) oder warmen Knoten (Abb. 40.1-5 c,d).
Apparative Untersuchungen • Sonographie: - Basisuntersuchung für die Schilddrüse - Beurteilung von Lage, Größe, Struktur (Knoten) - gezielte Punktionen von Gewebe • Schilddrüsen-Szintigramm: - Untersuchung mit "m-Tc-Pertechnat oder Radiojod 131 J - Beurteilung der - Lokalisation - Größe, Form und - funktionellen Aktivität —> speichernde Areale sind repräsentativ für funktionierendes Gewebe -> warme Bezirke -> nichtspeichernde Areale entsprechen funktionell inaktivem Gewebe -> kalte Bezirke
Abb.40.1-3: a. Sonographie einer Schilddrüse mit einer großen Zyste im linken Lappen, b. 6 Monate nach Punktion Gewebeverdichtung in der Zyste -> szintigraphisch kalter Kno-
a
b
ten
752
40. Endokrine Chirurgie
Abb.40.1-4: Patient mit euthyreoter Struma per magna, a. Szintigraphischer Befund: unregelmäßige Funktionsareale infolge regressiver Veränderungen. Vergrößerung vor allem des rechten Schilddrüsenlappens, b. Röntgenübersicht der Hals- und oberen Thoraxpartie: Schilddrüse reicht bis nach retrosternal besonders rechts, Kalkablagerungen in regressiven Bezirken, c. der Patient ist zur Operation gelagert. Imposante Vergrößerung der Schilddrüse
Abb.40.1-5: Szintigraphische Befunde bei verschiedenen Schilddrüsenfunktionen, a. Normales Szintigramm mit typischer Schmetterlingsfigur, b. Kalter Knoten inmitten normal speichernden Parenchyms, c. Kompensiertes Adenom (warmer Knoten), d. Suppressionsszintigramm: vermehrte Speicherung im warmen Knoten, während das umgebende Schilddrüsengewebe nicht oder nur gering speichert
bei einseitiger Speicherung übersteuerte Szintigraphie erforderlich, um durch Autonomie partiell supprimierte Bezirke zu erkennen Suppressionsszintigramm bei Verdacht auf autonomes, noch kompensiertes Adenom
Röntgenuntersuchungen Hypopharyngogramm zur Beurteilung einer Verdrängung und Einengung der Trachea Röntgen-Thorax: bei retrosternalen Strumen und beim Schilddrüsenkarzinom indiziert (Lungenmetastasen?)
Findet sich nur eine einseitige Speicherung, ist ein übersteuertes Szintigramm erforderlich. Damit ist eine beidseitig angelegte, aber durch Autonomie partiell supprimierte Schilddrüse, darzustellen. Bei Verdacht auf ein kompensiertes autonomes Adenom ist neben einem vermehrt speichernden Areal das restliche Schilddrüsengewebe schwächer dargestellt (Abb. 40.1-3 c). Zum Nachweis eines autonomen Knotens ist ein zweites, Suppressionsszintigramm, nach vorheriger Thyroxinbehandlung (1 Woche 100-150 [ig L-T 4 /die) notwendig. Unterliegt das umgebende Schilddrüsengewebe dem thyreotropen Regelkreis, so ist keine perinoduläre Speicherung vorhanden. Besteht jedoch perinodulär auch eine Autonomie, so wird die Suppression verhindert (Abb. 40.1-5 c,d). • Röntgenuntersuchungen (Abb. 40.1-3 b, c): Die Thoraxübersicht und das Hypopharyngogramm zeigen eine Verdrängung und Einengung der Trachea sowie pulmonale oder ossäre Herde bei Metastasen eines Schilddrüsenkarzinoms. CT und MRT werden beim Karzinom eingesetzt, um Tumorausdehnung, Infiltration benachbarter Organe und regionäre Lymphknotenvergrößerungen darzustellen.
Schilddrüse Morphologische Untersuchungen: Bei jedem nicht speichernden „kalten Knoten" ist eine Feinnadelpunktion indiziert, um die Dignität festzustellen. Die zytologische Untersuchung kann nur das Karzinom bestätigen aber nicht ausschließen. Laboruntersuchungen: Sie sind vor allem wichtig für eine Funktionsdiagnostik (s. auch Labormedizinischer Anhang): direkte oder indirekte Messung der Schilddrüsenhormone T 3 und T 4 i.S. Bestimmung des freien Thyroxins (FT 4 ) und des Trijodthyronins (FT 3 ) Bestimmung des Gesamtthyroxins = freies Thyroxin und des eiweißgebundenen Thyroxin (RIA) als kompetetive Proteinbindung Messung der T 3 -Bindungskapazität TRH-Test: i.V., orale oder nasale Applikation von T R H bewirkt eine Freisetzung von TSH aus dem Hypophysenvorderlappen. Steigt das TSH nicht an, so ist dies ein Hinweis auf eine hyperthyreote Funktionslage.
753 Feinnadelpunktion G e w e b e e n t n a h m e zur zytologischen Diagnostik v o n Knoten in der S t r u m a (Karzinom?)
Laboruntersuchungen gnostik
1.1.3 T h e r a p i e bei S c h i l d d r ü s e n e r k r a n k u n g e n
Therapie
1.1.3.1
1. M e d i k a m e n t ö s e
Medikamentöse
> Funktionsdia-
Das funktionelle Defizit an T 3 oder T 4 und Folgen des Jodmangels können medikamentös ausgeglichen werden: (1) Monotherapie mit Jodid oder T 4 oder Kombination: Jodid + T 4 oder (2) Hormonmonotherapie mit einer Kombinaton aus T 3 und T 4
Funktionelles Defizit an T 3 oder T 4 s o w i e Folgen des J o d m a n g e l s ausgleichen durch:
Die Monotherapie mit einem Jodidpräparat substituiert einen bestehenden Jodmangel und beseitigt dessen Folgen. Der Jodgehalt des Kolloids wird erhöht, und die Follikelhypertrophie bildet sich zurück. Das Jodid hat auf die TSH-Stimulation keinen unmittelbaren Einfluß. Die Jodidsubstitution ist sinnvoll bei Strumen mit diffuser Parenchymvermehrung und geringen regressiven Veränderungen, z.B. bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen. Die Monotherapie mit Thyroxin bewirkt eine Suppression der thyreotropen Stimulation durch das TSH. Dadurch kommt es zu einer funktionellen Inaktivität und zu einer Hypoplasie der Follikel. Ein latenter oder manifester Hormonmangel induziert über die vermehrte TSH-Freisetzung ein verstärktes Strumawachstum, was nur durch eine T¿-Substitution zu verhindern ist. Nach Resektion einer euthyreoten Struma nodosa beobachtet man einen Anstieg der thyreotropen TSH-Stimulation. Für die postoperative Rezidivprophylaxe eignet sich daher eine Thyroxinsubstitution. Die Kombinationstherapie mit Jodid und Thyroxin summiert die Einzeleffekte der Monotherapien. Jodid reduziert die Follikelhyperplasie und Thyroxin supprimiert die thyreotrope Stimulation. Diese Therapie ist in den letzten Jahren in den Vordergrund getreten. Die Basissyntheseleistung ist auf eine ausreichende externe Jodidzufuhr angewiesen. Durch eine solche Maßnahme könnte eine autonome Funktionsentgleisung in der Restschilddrüse verhindert werden. Die Kombinationstherapie mit T 3 + T 4 ist sinnvoll, wenn die Konversion von T 3 nach T 4 gestört ist. Dies kann bei gleichzeitigen Lebererkrankungen zutreffen.
Monotherapie mit Jodid substituiert den Jodmangel und seine Folgen
• Monotherapie mit Thyroxin —» Suppression der thyreotropen Stimulation durch TSH
• Kombinationstherapie mit Jodid und Thyroxin s u m m i e r t die Einzeleffekte der Monotherapien Reduktion der Follikelhyperplasie und S u p p r e s s i o n der thyreotropen Stimulation
• Kombinationstherapie mit T 3 + T«, w e n n die Konversion v o n T 3 nach T 4 gestört ist, z. B. bei Lebererkrankungen
1.1.3.2 Operative
2. Operative Therapie
Vorbereitung: Sie besteht aus den üblichen Vorbereitungen vor jeder Operation (s. Kap. 14, S. 106). Eine spezielle Vorbereitung ist bei einer Hyperthyreose erforderlich, weil grundsätzlich eine euthyreote Stoffwechsellage hergestellt werden muß: • Behandlung mit Thyreostatika —» Methimazol 20-30 mg/die (Cave: Blutbildkontrolle wegen Gefahr der Agranulozytose!) oder Carbimazol 3045 mg/die für 2-6 Wochen, Propylthiouracil 150-600 mg/die
a) Operationsvorbereitung Bei Hyperthyreose spezielle Vorbereitung, um eine euthyreote Stoffwechsellage herzustellen: • Thyreostatika + Betablocker • Diazepam + Plummerung (= Jodzufuhr)
754
40. Endokrine Chirurgie • Betablocker wegen der gesteigerten Katecholaminempfindlichkeit —» Propranolol 120-160 mg/die für 5-10 Tage • Diazepam oder Oxazepam zur Sedierung am Abend 10 mg • Plummerung, d.h. kurzfristige Jodapplikation —> 5%ige Lugol-Lösung, 15-30 Tropfen/die für 5-10 Tage
b) Operationsverfahren
- Zugang durch Kocher-Kragenschnitt - Längsinzision zwischen den vorderen Halsmuskeln, seltener quere Muskeldurchtrennung
Operationsverfahren: Die operative Freilegung erfolgt durch den Kragenschnitt nach Kocher, wenige Zentimeter oberhalb des Jugulums, möglichst in einer Hautfalte (kosmetische Gründe!). Der direkte Zugang zur Schilddrüse ist nach 2 Methoden möglich: (1) Längsinzision in der Mittellinie zwischen den vorderen Halsmuskeln. Dieser Zugang ist bei den meisten Strumen ausreichend. (2) Querdurchtrennung der vorderen Halsmuskeln. Er gewährt eine bessere Übersicht und ist bei der Struma per magna und beim fortgeschrittenen Karzinom sinnvoll.
• Resektion
Das Ausmaß der Resektion ist abhängig von Funktion, Morphologie und Dignität: Bei ausgedehnten Resektionen werden grundsätzlich beide Stimmbandnerven (drohende Lähmung des N. recurrens) und die Epithelkörperchen (drohende Entfernung) freigelegt, um sie zu schonen!
£ (1) Enukleation: für kleine oberflächliche Knoten (2) Selektive Schilddrüsenresektion:
Knotenentfernung mit einem Saum Schilddrüsengewebe
(3) Subtotale Schilddrüsenresektion: Ein-
oder beidseitige subtotale Entfernung von Schilddrüsengewebe —> Standardverfahren.
(4) Thyreoidektomie: Komplette Exstirpation der Schilddrüse, besonders beim Karzinom indiziert. Einseitige
Operationsverfahren sind (Abb. 40.1-6): • Enukleation: Ausschälung eines isolierten, kleinen, an der Oberfläche liegenden Knotens, meist eines autonomen Adenoms • Selektive Schilddrüsenresektion: Entfernung eines einzelnen oder auch mehrerer kleiner Knoten mit einem schmalen Saum von Schilddrüsengewebe. Letzteres ist für die histologische Dignitätsbeurteilung wichtig. • Subtotale Schilddrüsenresektion: Ein- oder beidseitige Entfernung von Schilddrüsengewebe inklusive aller Knotenbildungen. Dorsal und kranial werden Reste normalen Schilddrüsengewebes belassen. Dieses Vorgehen gilt für euthyreote gutartige Strumen. Bei hyperthyreoter Struma muß je nach Schwere des Krankheitsbildes mehr an Schilddrüsengewebe reseziert werden. Die A. thyreoidea superior wird mit den begleitenden Venen nach Ligatur durchtrennt, während die A. thyreoidea inferior nicht in jedem Falle (Gefahr der Rekurrenzverletzung) ligiert werden muß. • Thyreoidektomie: Komplette Entfernung der Schilddrüse inklusive ihrer Kapsel. Beide Arterien müssen durchtrennt werden. Eventuell Erweiterung des Eingriffes mit Lymphadenektomie in den verschiedenen Kompartimen:
A. thyreoidea sup.
A. thyreoidea sup.
A. carotis com.
A. carotis com.
A. thyreoidea inf.
Nervus recurrens 0,5 cm
Nervus—recurrens
Emil Theodor Kocher, Bern (1841-1917), Chirurg und Nobelpreisträger (1909)
Gl. parathyreoidea
thyreoidea inf.
Gl. parathyreoidea
Abb. 40.1-6:
Subtotale Resektion der Schilddrüse, 1 Ligatur und Durchtrennung der Aa.thyreoideae sup., Darstellung der Nn.recurrentes, Ligatur der Aa.thyreoideae inf., 2 Resektion der Schilddrüse bis auf kleine dorsale Reste, Kapselnaht
755
Schilddrüse ten. Der Eingriff ist beim Schilddrüsenkarzinom angezeigt. Bei einseitiger Durchführung der Operation wird er als Hemithyreoidektomie oder Lobektomie bezeichnet. • Mediastinotomie: Erweiterung des Eingriffs ins Mediastinum kommt sehr selten vor. Dabei wird das Sternum partiell oder in ganzer Ausdehnung in der Mittellinie gespalten, so daß man einen gut überschaubaren Zugang hat. Die Operationen werden mit einer kosmetisch günstigen feinen Intrakutannaht der Haut abgeschlossen. Postoperative Komplikationen und Folgeerscheinungen. Bei schonender Narkose des gut vorbereiteten Patienten und blutungsarmer Operationstechnik gibt es praktisch keine Letalität, ebenso keine Wundinfektionen. Gelegentlich kommen unmittelbar postoperativ Nachblutungen vor (Gefahr der Trachealkompression!), die bei sofortiger Revisionsoperation gut zu beherrschen sind. • Rekurrensparese (Stimmbandlähmung), ein- oder beidseitig, ist die gefurchteste Komplikation. Häufigkeit 1-5 %. Sie ist abhängig von Art und Ausdehnung der Operation. Bei der Struma maligna und bei der Rezidivstruma ist sie höher. Durch spezielle Sprechschulung kann der Stimmausfall bisweilen kompensiert werden. • Postoperativer Hypoparathyreoidismus mit Tetanie ist mit 0,5 % sehr selten, allerdings bei Thyreoidektomie häufiger (~ 3 %). Er ist Folge einer partiellen oder kompletten unbeabsichtigten Entfernung der Epithelkörperchen. • Die postoperative Hypothyreose ist, abhängig von der Art der Schilddrüsenerkrankung und der Ausdehnung der Operation, häufiger, insbesondere bei Karzinomoperationen. Zur Prophylaxe und Behandlung der Unterfunktion ist eine lebenslange T 4 -Substitution (75-150 jxg/die) erforderlich. Das TSH sollte nicht vollständig supprimiert sein. Die alleinige Gabe von Jodid reicht nicht aus, da das Restgewebe meist keine ausreichende Synthesefunktion besitzt und durch die thyreotrope TSH-Stimulation zum erneuten Wachstum neigt.
Exstirpation —> Hemithyreoidektomie o d e r Lobektomie. Gleichzeitige Lymphadenektomie b e i m Tumor. (5) Mediastinotomie: E r w e i t e r u n g der O p e r a t i o n ins M e d i a s t i n u m bei retrosternalen T u m o r e n , selten notwendig
3. Komplikationen und Folgeerscheinungen • keine Letalität, k a u m W u n d h e i l u n g s s t ö rungen
Rekurrensparese Häufigkeit 1 - 5 % w i c h t i g s t e K o m p l i k a tion!
Hypoparathyreoidismus Tetanie, durch M i t e n t f e r n u n g v o n Epithelkörperchen. N a c h subtotaler Resektion 0,5%, nach T h y r e o i d e k t o m i e ~ 3 % Hypothyreose, w e n n zu w e n i g S c h i l d d r ü s e n g e w e b e zurückbleibt. Lebenslange T h y r o x i n s u b s t i t u t i o n erforderlich
1.2.Spezielle E r k r a n k u n g e n 1.2.1 Schilddrüsenentzündungen
Schilddrüsenentzündungen
Ursachen: Sie können bakteriell, viral, radiogen, traumatisch oder autoimmunogen bedingt sein und lokal oder diffus auftreten. Einige chronische Verlaufsformen sind ätiologisch ungeklärt. Einteilung: nach Ursache und Morphologie: • akute Thyreoiditis (diffus oder fokal) bakteriell, viral, radiogen, traumatisch. • subakute Thyreoiditis (diffus oder fokal), z.B. De Quervain. • chronische Thyreoiditis: lymphozytär (Autoimmunthyreoiditis) in Verbindung mit einer Struma, z.B. Hashimoto; fibrös, z.B. Riedel-Struma; spezifisch (Tbc, Lues).
Ursachen - bakteriell, viral, r a d i o g e n - traumatisch, a u t o i m m u n
1.2.1.1 Akute Thyreoiditis
Akute Thyreoiditis
Symptome: Struma, hohes Fieber, Schmerzhaftigkeit und Rötung der Haut, Heiserkeit, hohe Blutsenkungsgeschwindigkeit, Leukozytose. Ursachen: bakteriell, viral, radiogen, traumatisch, septische Metastase im Rahmen einer allgemeinen Sepsis. Diagnostik: Bei Verdacht auf eine eitrige Einschmelzung in der Schilddrüse erfolgt die Abklärung durch Sonographie und gezielte Punktion. Nach Abklingen der akuten Entzündungszeichen folgen die Funktionskontrolle und ein Szintigramm. Therapie: Antibiotika, 100 [ig L-Thyroxin, bei einschmelzendem eitrigem Prozeß (Abszeß!) operative Eröffnung unter gleichzeitiger Antibiotikaund Thyroxin-Therapie. Prognose: Rasche Abheilung unter konservativer Therapie.
Symptome Struma, h o h e s Fieber, Schmerzhaftigkeit, Rötung, Heiserkeit, h o h e B S G , Leukozytose. V e r s c h i e d e n e U r s a c h e n m ö g l i c h
Einteilung • akut • subakut • chronisch
Diagnose S o n o g r a p h i e , Punktion, S z i n t i g r a m m
Therapie • Antibiotika • L-Thyroxin • operative E r ö f f n u n g b e i m A b s z e ß
756
40. Endokrine Chirurgie
Subakute Thyreoiditis
1.2.1.2 Subakute Thyreoiditis
Riesenzell-Thyreoiditis de Quervain
Als besondere Form ist die Riesenzell-Thyreoiditis (de Quervain) bekannt, die morphologisch typische, durch Granulozyten- und Riesenzellinfiltrate bedingte Granulome aufweist und deswegen auch als subakute granulomatöse Thyreoiditis bezeichnet wird. Symptome: Meist fehlen akute Entzündungszeichen, nachweisbar sind Struma und BSG-Beschleunigung, Druckgefühl. Nach einer vorübergehenden Überfunktion kann eine leichte Unterfunktion auftreten, die sich bald normalisiert. Ätiologie: wahrscheinlich Virusinfekte Diagnostik: Punktionzytologie, Szintigraphie, Funktionskontrolle, Titer gegen Mumps-, Masern-, Adeno-, Coxsackie- oder Echo-Viren können erhöht sein. Therapie: Je nach Funktionszustand vorübergehend thyreostatisch oder Hormonsubstitution mit 100 (ig L-Thyroxin, Operation nur bei unklarer Zytologie (Malignom!). Nachuntersuchungen sind notwendig; sie beziehen sich auf die Funktionskontrolle und auf die Morphologie (Abnahme der Lymphozyten zeigt die Normalisierung an). Die Prognose ist günstig. In der Regel tritt Heilung unter konservativer Therapie nach kurzer Zeit ein. Differentialdiagnostisch ist die Post-partum-Thyreoiditis bei Frauen abzugrenzen. Die Symptomatik verläuft funktionell und morphologisch ähnlich wie bei der de Quervain-Thyreoiditis, von der sie durch den Nachweis von Schilddrüsenantikörpern unterschieden werden kann. Die Prognose ist günstig.
Symptome - Struma - BSG-Beschleunigung - Druckgefühl Diagnose - Punktionszytologie, Szintigraphie - Funktionskontrolle - Erhöhung verschiedener Titer Therapie - thyreostatisch - Hormonsubstitution mit L-Thyroxin - Op. bei unklarer Zytologie (Malignom) Nachuntersuchung - Funktionskontrolle - Morphologie • Differentialdiagnose: - Post-partum-Thyreoiditis
Chronische Thyreoiditis
1.2.1.3 Chronische Thyreoiditis
Man unterscheidet:
Formen: Nach Genese und morphologischer Struktur werden die Hashimoto-Thyreoiditis als Autoimmunthyreoiditis und die „eisenharte" Riedel-Struma unterschieden. Ihre Ursachen sind nicht bekannt. Hashimoto-Thyreoiditis (Struma Hashimoto, Autoimmun-Thyreoiditis, Thyreoiditis lymphomatosa): Symptome: Meist liegt eine Struma vor. Ferner erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit, positiver Schilddrüsenantikörpernachweis, morphologisch massive lymphozytäre Infiltration. Diagnostik: Funktionskontrolle, Sonographie, Punktionszytologie, erhöhter Titer der Thyreoglobulin-Antikörper oder mikrosomaler Antikörper. Schilddrüsenantikörper richten sich entweder gegen das Zytoplasma der Epithelzellen der Schilddrüsenfollikel (mikrosomales Antigen) oder gegen die im Kolloid der Follikel vorhandenen Antigene (Thyreoglobulin, Kolloidantigen = CA2). Therapie: Konservativ; im akuten Stadium kann durch vermehrte Zelldestruktion eine erhöhte Hormonfreisetzung eine Hyperthyreose auslösen. Die Therapie mit Thyreostatika führt zu einer Funktionsnormalisierung, eine simultane Hormonsubstitution ist bei entsprechender thyreostatischer Langzeittherapie erforderlich. Bei chronischer Verlaufsform kann wegen des relativen Hormondefizits eine alleinige Hormonsubstitution ein weiteres Strumawachstum in einzelnen Fällen verhindern. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis ist eine höhere Inzidenz von Schilddrüsenkarzinomen beobachtet worden, die weniger für die diffuse Struma als vielmehr für die gleichzeitige noduläre Veränderung zutrifft, so daß bei diesen Patienten die Operation empfohlen werden muß. Prognose: Medikamentöse oder operative Therapiemaßnahmen beeinflussen den Krankheitsverlauf nur funktionell. Nur wenige Patienten erfahren eine spontane Remission, bei den meisten tritt unter Umständen erst nach vielen Jahren durch die Destruktion der Schilddrüse eine manifeste Hypothyreose ein. Bei Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis und bei deren Angehörigen sollte das gleichzeitige Vorliegen anderer Autoimmunerkrankungen ausgeschlossen werden.
1. Hashimoto-Thyreoiditis - Vorliegen einer Struma - erhöhte BSG - positiver Schilddrüsenantikörpernachweis - massive lymphozytäre Infiltration Diagnose - Funktionskontrolle - Sonographie - Punktionszytologie - erhöhter Titer Thyreoglobulin-Antikörper - mikrosomale Antikörper Therapie • bei diffuser Struma: - Schilddrüsenhormone - Thyreostatika • bei Schilddrüsenkarzinom einer knotigen Struma: - Operation
Schilddrüse
757
Struma fibrosa (eisenharte Riedel-Struma). Ihre Ursache ist unbekannt. Symptome: sehr derbe Struma, erhöhte BSG, morphologisch interstitielle Fibrose. Diagnose: Punktionszytologie, Funktionskontrolle, Schilddrüsenszintigramm, BSG, Sonographie. Therapie: Substitution mit Schilddrüsenhormonen. Da eine sichere Abgrenzung zu malignen Veränderungen ohne Serienschnittuntersuchungen nicht möglich ist, wird man in der Regel eine subtotale Schilddrüsenresektion durchführen müssen. Prognose: Die meist progrediente Fibrosierung führt zu einer Unterfunktion, deswegen ist eine lebenslange Hormonsubstitution erforderlich.
2. Struma fibrosa (Riedel-Struma) Symptome: derbe Struma, erhöhte BSG, interstitielle Fibrose (morphologisch) Diagnose: Zytologie, Funktionszintigramm, Sonographie Therapie Substitution mit Schilddrüsenhormon bei fehlender Abgrenzung zu Malignität: Schilddrüsenresektion Lebenslange Hormonsubstitution
1.2.2 Blande euthyreote Struma
Blande euthyreote Struma
Ursachen für knotige (solitäre oder multinoduläre) Veränderungen sind Zysten, Blutungen, Narbengewebe oder gutartige Adenome. Die diffuse euthyreote Struma entsteht häufig als Folge einer gesteigerten Stoffwechsellage z.B. im Wachstumsschub bei Jugendlichen (Adoleszentenstruma) oder bei Schwangeren. Bei starker Größenzunahme kann vorübergehend eine Thyroxinsubstitution sinnvoll sein (s.S.753). Operationsindikation besteht bei: • großer Struma und mechanischen Symptomen: Stridor, Schluckstörungen, Einflußstauung • retrosternaler-mediastinaler Ausdehnung, Verdacht auf Bösartigkeit (schnelles Wachstum eines Knotens) und kosmetischen Gründen.
Ursachen für knotige Veränderungen: gutartige Adenome Zysten, Blutungen, Narbengewebe Diffuse euthyreote Struma häufig Folge einer gesteigerten Stoffwechsel läge Adoleszentenstruma, Schwangere
1.2.3 Hyperthyreose
Operationsindikation • Struma per magna • Stridor, Schluckstörungen, EinflußStauung • retrosternale oder mediastinale Lage • Verdacht auf Malignität • kosmetische Gründe Hyperthyreose
Einteilung: Wir unterscheiden 4 Formen der Hyperthyreose:
4 Formen
• Hyperthyreosen ohne endokrine Orbitopathie und ohne Schilddrüsenantikörper (diffuse Autonomie, disseminierte, solitäre und multilokulare Autonomie - autonomes Adenom). Abb.40.1-5c,d, S.752) • Hyperthyreosen mit endokriner Orbitopathie oder Schilddrüsenantikörpern (M.Basedow). • Hyperthyreose durch TSH oder TSH-ähnliche Aktivitäten = sekundäre Hyperthyreose (Hypophysenvorderlappen-Adenom, paraneoplastisches Syndrom). • Hyperthyreosis factitia = artefizielle Hyperthyreose (z.B. nach Applikation von Schilddrüsenhormonen). Die disseminierte Autonomie ist eine meist latente Hyperthyreose, die sich bei älteren Patienten mit langjähriger Struma entwickeln kann. Neben gesunden Schilddrüsenfollikeln bestehen einzelne autonome Follikelherde, die sich im normalen Szintigramm nicht entdecken lassen. Erst durch die Funktionsdiagnostik fällt meist ein grenzwertiger oder normaler FT 3 und FT 4 -Wert mit negativer TRH-Stimulierung auf (Abb.40.1-5c).
1. Disseminierte Autonomie • meist latente Hyperthyreose bei älteren Patienten - einzelne autonome Follikelherde
1.2.3.1 Autonomes Adenom (Warmer Knoten), Gesamtautonomie
2. Autonomes Adenom
Das autonome Adenom ist eine noduläre Schilddrüsenveränderung, deren Hormonproduktion nicht dem Regelkreis unterliegt. Symptome: Beim kompensierten autonomen (warmen) Adenom ist im Schilddrüsenszintigramm (s.Abb.40.1-5c, S.752) neben dem Knoten auch im paranodulären Gewebe eine Speicherung vorhanden. Die Hormone werden sowohl vom autonomen als auch vom umliegenden normalen Gewebe gebildet. Hormonkonzentrationen im Serum normal. Diagnose: Zum Ausschluß einer gleichzeitig vorliegenden Autonomie im paranodulären Gewebe wird ein Suppressionstest (s.S.752) durchgeführt. Das dekompensierte autonome (heiße) Adenom speichert die Radioaktivität ausschließlich im Knoten (s.Abb.40.1-5d).
- noduläre Schilddrüsenveränderung, Hormonproduktion unterliegt nicht dem Regelkreis.
Diagnose: • Schilddrüsenszintigramm • Suppressionstest • übersteuertes Szintigramm
758
40. Endokrine Chirurgie
Abb.40.1-7: a. Szintigraphisch diffuses Speichermuster, entspricht einem M. Basedow oder einer Gesamtautonomie, keine Suppression durch Thyroxin möglich, b. Beim autonomen (warmer oder heißer) Knoten szintigraphische Speicherung nur im Knoten, jedoch nicht im umgebenden Schilddrüsengewebe, das infolge der verstärkten Hormonproduktion im heißen Knoten supprimiert wird: dekompensiertes autonomes Adenom
3. Gesamtautonomie = Endstufe der disseminierten Autonomie
Der Nachweis des supprimierten paranodulären Gewebes erfolgt mit einem übersteuerten Szintigramm (Abb. 40.1-7). Die Schilddrüsenhormonwerte im Serum sind erhöht. Die Gesamtautonomie ist die Endstufe der disseminierten Autonomie. Sie unterscheidet sich vom M. Basedow durch das Fehlen immunogener Merkmale und ist häufiger multinodulär strukturiert.
4. Morbus Basedow
1.2.3.2 Morbus Basedow
= Autoimmunerkrankung mit diffuser Struma, Exophthalmus und Schilddrüsenantikörper oder eines der Symptome • Zeichen nach Stellwag, Graefe und Moebius • Herzjagen, Angstgefühl • Schlafstörungen • vermehrter Appetit • gesteigerte Nervosität • Haarausfall, Gewichtsverlust • Wärmeintoleranz Diagnose: • T 3 , T 4 , TRH-Test • Szintigraphie • Schilddrüsenantikörper
Definition: Genetisch determinierte Autoimmunerkrankung mit diffuser Struma in Verbindung mit dem einzelnen oder kombinierten Auftreten von Exophthalmus und Schilddrüsenantikörpern. Tritt häufiger bei jüngeren Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf und insgesamt seltener bei Männern. Symptome: Struma, Herzjagen, Angstgefühl, schlechter Schlaf, vermehrter Appetit, gesteigerte Nervosität, Haarausfall, Gewichtsverlust, Wärmeintoleranz, Merseburger Trias (Struma, Exophthalmus, Tachykardie), Zeichen nach Stellwag (seltener Lidschlag), nach Graefe (Zurückbleiben des Oberlids beim Blick nach unten) und nach Moebius (Konvergenzschwäche). Diagnose: Die Funktionsdiagnostik erfolgt durch Bestimmung der peripheren Hormone (FT 3 und FT4, TRH-Test), die Lokalisationsdiagnostik mit Szintigraphie und ggf. Suppressionstest. Beweisend ist der Nachweis von Schilddrüsenantikörpern, (TSH-bindendes inhibierendes Immunoglobulin = TBII, thyroid stimulating immunglobulin = TSI, mikrosomale Antikörper, Thyreoglobulinantikörper).
5. Thyreotoxische Krise
1.2.3.3 Thyreotoxische Krise
• Definition
=Î> Ursache: Streßsituation, schwere Zweiterkrankung Letalität: ca. 50%
Definition: Exzessive Steigerung aller Stoffwechsel- und Funktionsabläufe im Organismus durch eine entgleiste Schilddrüsenüberfunktion. Ihre Ursachen sind unbekannt. Die akut lebensbedrohliche Situation kann durch Jodexposition (jodhaltige Medikamente, Röntgenkontrastmittel), nach Streßsituation (Unfall, Operation) und durch schwere Zweiterkrankung (Infektion) ausgelöst werden. Sie tritt häufiger beim Basedow-Typ auf. Letalität etwa 50 %.
759
Schilddrüse Symptome: Temperaturanstieg auf über 40 °C ohne Anzeichen für einen akuten Infekt, ausgeprägte Tachykardie, motorische Unruhe, Angst und Verwirrtheit, Erbrechen, Durchfälle und Hyperhidrosis. Durch den hohen Flüssigkeits- und Energieverlust tritt rasch eine Exsikkose, Adynamie, Koma oder eine kardiale Dekompensation mit Vorhofflimmern und Blutdruckabfall auf. Die Therapie muß bei dem geringsten Verdacht sofort einsetzen: Thyreostatisch: 80 mg Methimazol i.V., weitere Gabe als Dauerinfusion bis 240 mg/die, zusätzlich Proloniumjodid 800 mg/die. Beim Verdacht auf eine jodinduzierte thyreotoxische Krise muß anstelle des Jodids Lithiumchlorid 1500 mg/die i.v. gegeben werden. Lithium hemmt die intrazelluläre proteolytische Freisetzung von Schilddrüsenhormonen. Sympathikolytisch: Reserpin 0,25-0,5 mg i.v. mehrmals täglich oder Propranolol 1-2 mg langsam i.v. alle 4 bis 6 h. Herz-Kreislauf-Kontrolle! Substitution von Glukokortikoiden wegen des akuten Mangels bei Thyreotoxikose angezeigt. Hydrocortison 200-300 mg als kontinuierliche Dauerinfusion über 24 h. Gegen die Hyperthermie sind Wadenwickel und bis zu 500 mg Paracetamol wirksam. Salizylate und Barbiturate sind wegen der vermehrten Freisetzung von Hormonen aus der Eiweißbindung zu vermeiden. Die Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Energieverluste werden parenteral ausgeglichen. Die Überwachung erfolgt auf einer Intensivstation. Frühzeitige Plasmapherese kann erfolgreich sein. 1.2.3.4 Endokrine Orbitopathie
Symptome • Temperaturanstieg > 40°C, Tachykardie • motorische Unruhe, Angst, Verwirrtheit • Erbrechen, Durchfälle, Hyperhidrosis Durch hohen Flüssigkeitsverlust -> Exsikkose, Adynamie, kardiale Dekompensation Therapie • sofort bei Verdacht einsetzen! • thyreostatisch: 80 mg Methimazol i.v., als Dauerinfusion bis 240 mg/die
Sympatholytische Therapie: - Reserpin i.v. - Herz-Kreislauf-Kontrolle - Substitution von Glukokortikoiden - parenteraler Ausgleich von Flüssigkeits- und Elektrolytverlust - Keine Azetylsalizylsäure oder Barbiturate!
6. Endokrine Ophthalmopathy
Definition: Als Teil der Autoimmunerkrankung des M. Basedow auftretende Protrusion des Augapfels (Abb. 40.1-8), die durch Verdikkung des retrobulbären Fett- und Muskelpolsters infolge zellulärer Infiltration, Ödemisierung und Einlagerung von Mukopolysacchariden verursacht wird. Sie tritt meist beidseits auf und entwickelt sich unabhängig vom Ausmaß der Hyperthyreose. Die Ursache ist unbekannt.
bei M. Basedow: Protrusio bulbi beidseits
Symptome: Der Patient empfindet häufig das Gefühl „Sand in den Augen" zu haben, dazu Doppelbilder und herabgesetzte Sehschärfe. Zu den frühen Zeichen gehören die Merseburger Trias (Struma, Exophthalmus, Tachykardie) sowie spezielle Augenzeichen: seltener Lidschlag (Stellwag), Zurückbleiben des Oberlides beim Blick nach unten (Graefe) und die Konvergenzschwäche (Möbius). Zu den fortgeschrittenen Symptomen zählen die sichtbare Schwellung der periorbitalen Weichteile, die Lähmung extraokulärer Muskeln und die Schädigung der Kornea infolge fehlenden Lidschlages. Als Spätkomplikation kann völliger Sehverlust durch Lähmung des Sehnerven auftreten. Diagnose: Klassische Frühsymptome und die nachgewiesene Hyperthyreose sichern die Diagnose. Schwierig kann die Zuordnung sein, wenn klinische Hyperthyreosezeichen fehlen. Der Beweis wird durch einen negativen TRH-Test erbracht.
Symptome: • Merseburger Trias (Struma, Exophthalmus, Tachykardie) • Spezielle Augenzeichen: - Stell wag - Graefe - Möbius • „Sand in den Augen" • Doppelbilder, Sehschwäche
Therapie: Im Frühstadium ist außer der Normalisierung der Schilddrüsenfunktion keine Therapie erforderlich. Bei zunehmender Photophobie können abgedunkelte Brillengläser Erleichterung bringen. Im akuten Entzündungsschub führt die Gabe von Kortikoiden bei vielen Patienten zu einer Besserung. Patienten mit schwerer Orbitopathie und schwerer Hyperthyreose profitieren mehr von einer vollständigen Thyreoidektomie. Bei schwerer Orbitopathie kann durch retrobulbäre Radiotherapie oder durch operative Orbitadekompression die Augensymptomatik gebessert werden.
Therapie: • bei Photophobie: Sonnenbrille • medikamentös (Prednison) • Bestrahlung • Operation (Thyreoidektomie, Orbitadekompression)
Diagnose: • klassische Symptome • Hyperthyreose-Nachweis
760
40. Endokrine Chirurgie
multinoduläre Struma diffuse Struma
stark mechanische Beeinträchtigung
Risikopatienten ältere Patienten
Schwangerschaft ab 3. Monat
Thyreostatikatherapie
Operation subtotale SD-resektion
r,
Radiojod therapie
W - T — •Odauerhafte Remission 10-30%
kleine Struma Patienten >40Jahre 2 Rezidiv C
Abb.40.1-8: Ausgeprägter M. Basedow mit Struma diffusa und endokriner Orbitopathie (Protrusio bulbi)
U
Rezidiv
1 Rezidiv !
oder
Abb.40.1-9: Therapie-Algorithmus bei hyperthyreoter
Struma
Therapie der Schilddrüsenüberfunktion
1.2.3.5 Therapie der Hyperthyreose
• Operationsindikation für alle autonomen Knoten (Abb. 40.1-8)
Für alle autonomen Knoten besteht eine Operationsindikation. Bei älteren Patienten oder gravierenden Risikofaktoren kann alternativ auch eine Radiojodbehandlung empfohlen werden (Abb. 40.1-9). Medikamentöse Therapie: Bei Strumen mit Gesamtautonomie und beim M. Basedow kann sich nach einer einjährigen thyreostatischen Therapie mit Carbimazol oder Propycil in 10-30 % der Fälle die Funktion spontan normalisieren. Die thyreostatische Therapie soll TSH supprimieren. 3 Wochen nach Beginn der Thyreostase muß der Hormonbedarf mit 150-200 ug L-T4/die substituiert und nach 1 Jahr diese Therapie beendet werden. Dann wird die spontane Reaktivierung der Schilddrüsenfunktion überprüft. Falls keine Remission eingetreten ist, kann die Thyreostase fortgesetzt werden. Nach der 1. und 2. erfolglosen Behandlung ist die Operation oder die Radiojodtherapie indiziert. Die operative Therapie kommt bei allen hyperthyreoten multinodulären Strumen mit autonomen und regressiv veränderten Knoten infrage. Die morphologische Abklärung kalter Bezirke ist unbedingt erforderlich. Als alternative Therapie gilt die Operation bei allen übrigen Formen der Hyperthyreose. Thyreoidektomie: die vollständige oder fast vollständige Entfernung der Schilddrüse ist bei jeder schweren Hyperthyreose insbesondere in Verbindung mit einer kleinen Struma, hoher Antikörperaktivität und bei schwerer endokriner Orbitopathie indiziert. Die Radiojodtherapie ist bei allen Hyperthyreoseformen als Alternative zur Operation möglich, besonders beim Rezidiv nach Operationen. Nachteile: späterer Therapieerfolg, Strahlenbelastung und hohe Rate an Unterfunktionszuständen. Die Radiojodtherapie ist bei Patienten unter 40 Jahren wegen des genetischen Risikos aus Strahlenschutzgründen kontraindiziert.
• medikamentös: - für Gesamtautonomie und BasedowHyperthyreose: Operation erst nach einjähriger thyreostatischer Behandlung, da Spontanremission möglich
Radiojodtherapie: Alternative zur Operation bei allen Hyperthyreoseformen, besonders bei Rezidiv
Hypothyreose
1.2.4 Hypothyreose
= Schilddrüsenhormonmangel
Definition: Schilddrüsenhormonmangel unterschiedlicher Ursache in stoffwechselaktiven Körpergeweben.
Einteilung
• Angeborene Hypothyreose (sporadischer bzw. endemischer Kretinismus) durch Schilddrüsenaplasie (Athyreose, kongenitales Myx-
Schilddrüse
761
• ödem, Schilddrüsendysplasie, z.B. Zungengrundschilddrüse) oder Jodfehlverwertung (Stoffwechseldefekt). • Erworbene Hypothyreose (1) Primäre Hypothyreose mit und ohne Struma: idiopathisch, entzündlich, neoplastisch, postoperativ, nach Röntgen- und Radiojodtherapie, medikamentös (Jod- oder Thyreostatikadauertherapie), während der Schwangerschaft, Pubertät. (2) Sekundäre Hypothyreose: unzureichende Stimulierung der Schilddrüse durch TSH-Mangel, morphologisch bedingt bei Hypophysentumoren oder Hypophysektomie oder durch TSHMangel als Folge unzureichender TRH-Produktion im Hypothalamus. (3) Tertiäre Hypothyreose: renaler oder intestinaler Schilddrüsenhormonverlust. Symptome: Bei angeborener Hypothyreose finden sich oft eine Nabelhernie, Icterus prolongatus, persistierende Fontanelle, Trink- und Eßfaulheit, Verstopfung, starke Schläfrigkeit, meist keine Struma. Im Erwachsenenalter fällt vor allem die Veränderung der Gesamtpersönlichkeit auf: extreme Antriebsarmut, Verlangsamung, stumpfes Desinteresse und mimische Starre. Die Haut ist kühl und trocken, in 15 % teigig (Myxödem), zusätzlich rheumatoide Beschwerden, Hör-, Riech- und Geschmacksstörungen, veränderte Stimmlage und veränderter Stimmumfang. Diagnostik: erniedrigte r 5 /T 4 -Serumspiegel bei charakteristischer Klinik. Sicherung der Hypothyreose: überhöhte TSH-Serumspiegel, überschießenden TSH-Anstieg nach TRH-Gabe, erniedrigter PBJ-Wert und erniedrigter ETR-Wert (= effective thyroxin binding ratio), Cholesterinspiegel ist hoch. Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Hypothyreose mit dem TRH-Test. Die Ausgangssituation ist ein niedriges FT 4 und ein normales oder niedriges TSH. TSH-Verhalten beim TRH-Test (s.Tab.40.1-1):
Symptome: 1. angeborene H. • Nabelhernie • Ikterus prolongatus • persistierende Fontanelle • Trink- und Eßfaulheit • Verstopfung • Schläfrigkeit 2. im Erwachsenenalter • Antriebsarmut • kühle und trockene Haut • rheumatoide Beschwerden • Hör-, Riech- und Geschmacksstörungen • veränderte Stimmlage und -umfang Diagnose: • erniedrigter T 3 /T 4 /Serumspiegel
Tab.40.1.1: TRH-Test. TSH-Konzentration i.S. nach i.v. TRH-Applikation (200 |xg) TSH basal normal stimulierbar Euthyreose
I erhöht beschleunigt stimulierbar primäre Hypothyreose
niedrig nicht stimulierbar sekundäre Hypothyreose durch Hypophysenvorderlappenoder Hypothalamusinsuffizienz
Therapie: Lebenslange Schilddrüsenhormonsubstitution. Bei bestehender Nebenniereninsuffizienz muß diese zuerst therapiert werden (sonst Gefahr der Addison-Krise). Nur die medikamentös induzierte Hypothyreose ist reversibel. Chirurgische Therapie: Eine Indikation besteht nur bei Hypothyreose, die durch eine Neoplasie bedingt ist oder wenn durch die Größe der Struma mechanische Komplikationen wie Stridor, Schluckstörungen aufgetreten sind. Komplikation: Die unbehandelte Hypothyreose bei Neugeborenen kann zu progredienter und permanenter Reduktion der zerebralen Funktionen und zum verlangsamten Wachstum führen (Kretinismus). Bei postnatal erworbener Hypothyreose kommt es unbehandelt nach Jahren in 13-15 % zum Myxödem (generalisierte muzinöse Gewebeschwellung).
Therapie lebenslange Schilddrüsenhormonsubstitution Indikation zur chirurgischen Therapie bei Formen der erworbenen Hypothyreose (Neoplasie, mechanische Behinderung, etc.) Komplikationen bei erworbener Hypothyreose: Myxödem
762
40. Endokrine Chirurgie • In Streßsituationen besteht die Gefahr des Myxödem-Komas. Hypothermie und Hypoventilation führen zu zunehmender C0 2 -Narkose und Koma mit einer hohen Letalität von 40 %.
In Streßsituationen: Myxödem-Koma
Tumoren der Schilddrüse
I.2.5 Tumoren der Schilddrüse
Einteilung • ~ 5 % aller Strumen sind durch maligne Tumoren hervorgerufen • kommen in jedem Lebensalter vor, bei Frauen häufiger • Inzidenz: auf 100000 Einwohner 3 Schilddrüsentumoren • Histologische Klassifizierung (WHO)
Einteilung. Mehr als die Hälfte aller Strumen sind durch echte Gewebeneubildungen verursacht. Nur ~ 5 % sind maligne Tumoren. Sie kommen in jedem Lebensalter vor; Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Inzidenz 3 auf 100000 Einwohner. Histologische Klassifizierung der Schilddrüsentumoren (nach der WHO):
£
I. Epitheliale Tumoren: A. gutartige: (1) follikuläres Adenom, (2) andere Tümoren B. bösartige: (1) follikuläres Karzinom: (a) gekapseltes minimal invasives, (b) grob invasives (2) papilläres Karzinom: (a) papilläres Mikrokarzinom, (b) gekapseltes papilläres Karzinom, (c) follikuläre Variante des papillären Karzinoms, (d) diffus sklerosierendes Karzinom, (e) oxyphile Variante des papillären Karzinoms (3) Plattenepithelkarzinom: (4) undifferenziertes (anaplastisches) Karzinom, (5) medulläres Karzinom II. Nicht epitheliale Tumoren: A. gutarige, B. bösartige: (1) Fibrosarkom, (2) andere III. Sonstige l\imoren: (1) Karzinosarkom, (2) malignes Hämangioendotheliom, (3) malignes Lymphom, (4) Teratome
Klassifizierung, Ausbreitung
1.2.5.1 Klassifizierung, Ausbreitung, Metastasierung
• •
Klassifizierung: Nach dem ontogenetischen Ursprung entstehen die Karzinome aus dem Follikelepithel oder aus der C-Zelle (medulläres Karzinom). Letztere können familiär auftreten (Abb. 40.1-10). Häufigkeit (Abb. 40.111). Die Ausbreitung kann lokal, lymphogen und hämatogen erfolgen. Tumorgröße und Metastasierung werden nach dem TNM-System der WHO klassifiziert:
• •
ontogenetischer Ursprung: Follikelepithel oder C-Zelle prozentuale Verteilung der Karzinome s.Abb. 40.1-10 Tumorausbreitung lokal lymphogen und hämatogen Klassifizierung des Schilddrüsenkarzinoms nach dem TNM-System (WHO)
TTx T1 T2 T3 T4 NNX NO N1
Primärtumor Primärtumor kann nicht beurteilt werden, T 0 kein Primärtumor 1 cm oder weniger, begrenzt auf Schilddrüse Tumor > 1 cm, aber nicht > 4 cm, auf Schilddrüse begrenzt Tumor > 4 cm, begrenzt auf Schilddrüse Tumor jeder Größe mit Ausbreitung jenseits der Schilddrüse Regionäre Lymphknoten Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden Kein Anhalt für Lymphknotenmetastasen Regionäre Lymphknotenmetastasen: N l a in ipsilateralen Halslymphknoten, N l b in Metastasen in bilateralen, in der Mittellinie gelegenen oder kontralateralen Halslymphknoten oder mediastinalen Lymphknoten M - Fernmetastasen
=>
Hypobranchialrinne
Neuraileiste
SD-Follikelepthel
C-Zelle des Ultimobranchialkörpers
\
\ Thyreoglobulin lyreog
/
Metastasten extrathyreoidaler Tumoren
\
Karzinom
Calcitonin litonin
papilläres Karzinom
medulläres Karzinom
papilläres SD-Karzinom r follikuläres SD-Karzinom /
familiär
-anaplastisches SD-Karzinom
sporadisch
solitär MEN II a MEN II b
Abb.40.1-10: Ursprungs/on
undifferenziertes Karzinom
Schilddrüsenkarzinomen
follikuläres Karzinom Plattenepithelkarzinom Abb.40.1-11: Häufigkeit von Schilddrüsenkarzinomen
Schilddrüse
763
Je nach Größe des Primärtumors und seiner Beziehung zur Schilddrüsenkapsel werden okkulte (TO, Tl), intra- (T2, T3) und extrathyreoidale (T4) Karzinome unterschieden. Die Metastasierung ist in allen Stadien des Primärtumors möglich. Beim differenzierten Karzinom ist die lokoregionäre Metastasierung in einem frühen Stadium und bei einem jungen Patienten nicht von vorneherein Hinweis auf ein aggressives Tumorwachstum, beim älteren Patienten hingegen ist sie prognostisch schlechter. Die Art der Metastasierung ist von der Tumorentität abhängig (s.bei den Karzinomarten).
• Unterscheidung von - okkulten - intra- und - extrathyreoidalen Karzinomen Metastasierung - in allen Stadien des Primärtumors möglich - Art der Metastasierung ist abhängig von Tumorentität
1.2.5.2 Symptome und Diagnostik
Symptome
Symptome: Sie gelten für alle Karzinomentitäten. • Frühe Zeichen sind: plötzliche Knoten im Halsbereich oder innerhalb einer bekannten Struma, Größerwerden einer bestehenden Struma, insbesondere von Knoten. • Spätsymptome sind: Heiserkeit infolge Rekurrensparese, Stridor durch Trachealeinengung oder -Verdrängung, Schluckstörungen, sichtbare Einflußstauung, derbe Konsistenz und höckrige Oberfläche, aufgehobene Schluckverschieblichkeit der Schilddrüse, schlechte Abgrenzbarkeit, zervikale Lymphome. Diagnose: Inspektion und Palpation der Schilddrüse, wobei die o.g. Befunde erhoben werden können. Sonographie und Szintigraphie geben Hinweise über Morphologie der Veränderungen und den Funktionszustand. Kalte Knoten werden durch Punktionszytologie abgeklärt, jedoch ist kein Karzinomausschluß möglich! Bestimmung der Tumormarker (Calcitonin, Thyreoglobulin, CEA, TPA = tissue polypeptid antigen); ihre Bedeutung für die einzelnen Tumorarten s. dort. Röntgen-Thorax und CT oder MRT der Halsregion und des Mediastinums schließen die Diagnostik ab.
• Frühe Symptome: plötzliches Auftreten von Knoten am Hals • Späte Symptome: - Heiserkeit, Stridor - Schluckstörungen - Einflußstauung - höckrige, derbe Oberfläche - Lymphome Diagnostik • Inspektion und Palpation • Sonographie und Punktionszytologie • Szintigraphie • Labor: Calcitonin, Thyreoglobulin, CEA, TPA • Rö-Thorax, CT oder MRT
1.2.5.3 Operative Therapie
Operative Therapie
Bei jedem gesicherten Schilddrüsenkarzinom und bei jedem Verdacht ist die Operation angezeigt, sei es aus diagnostischen oder therapeutischen Gründen. Art und Ausdehnung der Operation richten sich nach Histologie, Ausdehnung und Alter des Patienten. Als Standardeingriff gilt die Thyreoidektomie mit Exstirpation der regionären Lymphknoten, schon deswegen, weil eine multizentrische Tumorlokalisation in beiden Lappen möglich ist. Bei einigen Karzinomen ist aber auch die Hemithyreoidektomie ausreichend (s.dort). Die Lymphknotendissektion sollte sich dem biologischen Charakter (s. bei den einzelnen Karzinomarten) der Tumoren anpassen. Die lymphogene Ausbreitung erfolgt in die zervikozentralen Kompartimente I a und Ib, in die zervikolateralen Bereiche II und III und in die mediastinalen Regionen IVa und IV b (Abb. 40.1-12). Die palliative l\imorverkIeinerung (Debulking) ist aus 2 Gründen sinnvoll: • Unterstützung einer adjuvanten Therapie und • Entlastung bei mechanischen Komplikationen, z. B. Stridor. Postoperative Komplikationen sind bei Tumoreingriffen dieselben wie bei der blanden Struma, jedoch häufiger (Rekurrensparese 5-10%. Hypoparathyreoidismus -15%).
Bei Verdacht und bei gesichertem Karzinom ist stets die Operation angezeigt • Standardeingriff: - Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion - bei wenigen Tumoren auch Hemithyreoidektomie ausreichend (s.dort) • palliative Tumorverkleinerung —> Debulking zur Unterstützung einer adjuvanten Therapie und bei mechanischen Problemen • Komplikationen - häufiger Rekurrensparese
1.2.5.4 Adjuvante Therapie
Adjuvante Therapie
Substitution von Schilddrüsenhormon nach Thyreoidektomie: 200-300 [ig L-Thyroxin/die. • Das Wachstum differenzierter Karzinome und ihrer Metastasen (besonders bei Patienten < 40 Jahre) ist von der TSH-Stimulation abhängig, • TSH-Anstieg wirkt wachstumstimulierend. • Schilddrüsenhormone supprimieren die TSH-Produktion. • Lokalrezidivrate und Metastasierung werden dadurch günstig beeinflußt.
Substitution von Schilddrüsenhormon: • Ausgleich des Hormonausfalls (200-300 |ig/die L-Thyroxin) • TSH wirkt wachstumstimulierend auf den Tumor
764
40. Endokrine Chirurgie
Abb.40.1-12: Topographische Einteilung der regionalen Lymphknoten in Kompartimente beim Schilddrüsenkarzinom
Abb.40.1-13: Nachsorge und postoperative Therapie beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom
Radiojodtherapie • Elimination von restlichem Gewebe und von Lymphknotenmetastasen • Zerstörung hämatogener Metastasen (Lunge, Knochen) Perkutane Strahlentherapie • bei nicht jodspeichernden Karzinomen und solitären ossären und pulmonalen Metastasen
Radiojodtherapie: Indikationen sind: • Elimination von speicherndem Restgewebe oder Lymphknotenmetastasen • Beeinflussung speichernder Metastasen, z.B. in Lunge und Skelett. Perkutane Strahlentherapie: ist bei allen Patienten mit nicht jodspeichernden Karzinomen und solitären ossären und pulmonalen Metastasen angezeigt. Sie kann auch zur Unterstützung der Radiojodtherapie bei großen, undifferenzierten Tumorarealen, die nicht entfernt werden konnten, angewandt werden.
Zytostatische Therapie - nicht überzeugend - beim undifferenzierten Karzinom palliativer Effekt
Zytostatische Therapie: Sie hat beim Schilddrüsenkarzinom nicht überzeugt. Beim undifferenzierten Karzinom und bei fortschreitender Metastasierung eines differenzierten Karzinoms haben Zytostatika einen palliativen Effekt.
Tumornachsorge
1.2.5.5 Tumornachsorge, Prognosen
Muß interdisziplinär erfolgen Ziele:
Die Tumomachsorge sollte interdisziplinär Programm hat folgende Ziele:
£ Untersuchungsverfahren • klinische Untersuchung (Lokalrezidiv?) • Sonographie des Halses und Rö-Thorax (Metastasen?) • Szintigraphie: Hals, Ganzkörper, Skelett • Labor: Tumormarker, TRH-Test (Beurteilung derTSH-suppressiven Therapie) Prognose • abhängig vom histologischen Typ, Tumorgröße, Metastasierung, Patientenalter
erfolgen (Abb.40.1-13). Das
• Suche nach Restgewebe, Rezidivknoten, Metastasen • Überwachung und Therapie von postoperativen Folgen: Rekurrensparese, Hypoparathyreoidismus und nach adjuvanter Therapie: strahlenbedingte Sialadenitis, Knochenmarkdepression • Überwachung der suppressiven Hormontherapie, Schmerzbehandlung, wenn notwendig, psychische Betreuung. Untersuchungsverfahren: klinische Untersuchung (Lokalrezidiv?), Sonographie der Halsregion und Röntgenthorax (Metastasen?), Szintigraphie von Hals, Gesamtkörper und Skelettsystem (Metastasen?), Laboruntersuchungen: speziell TRH-Test zur Beurteilung der TSH-Suppressionstherapie, Tumormarker. Die Prognose beeinflussen: Histologie, Tumorgröße, Metastasierungsgrad, Alter. Differenzierte Karzinome (papillär, follikulär) haben eine 5-Jahres-Überle-
Schilddrüse
765
benszeit von 90%, die okkulten Karzinome sogar von 99%, bei extrathyreoidalem Wachstum (T 4 ) nur 70 %. Undifferenzierte Karzinome haben eine schlechte Prognose; ihre Überlebenszeit liegt bei < 10 %, beim medullären Karzinom nur um 50 %. Die Prognose ist bei Patienten jünger als 40 Jahre günstiger.
• 5-Jahres-Überlebenszeiten: - differenzierte Karzinome 90%, okkulte 99%, bei extrathyreoidalem Wachstum 70% - undifferenzierte Karzinome: < 1 0 % , beim medullärem Karzinom < 50%
1.2.5.6 Follikuläres Adenom
Follikuläres Adenom
Inzidenz: Gutartiger epithelialer Tumor, etwa 40 % aller kalten Knoten, bei Frauen am häufigsten, entsteht durch Proliferation der Follikelepithelien. Symptome: Struma mit solitärem oder mehreren Knoten, klinisch ohne Unterschied zu anderen gutartigen Knoten. Keine Funktionsstörung, keine auffällige Größenzunahme. Diagnostik: Im Szintigramm kalter Knoten, sonographisch echoarmer unspezifischer Bezirk. Zytologisch keine Differenzierung zwischen gutartigem Adenom und follikulärem Karzinom möglich. Deshalb Operation indiziert.
Gutartiger Tumor, zu 40 % in kalten Knoten, bei Frauen häufiger Symptome: Struma mit solitären oder multiplen Knoten, kein auffälliges Größenwachstum
Pathologie: Geht vom Follikelepithel aus und ist gekapselt. Abgrenzung zum follikulären gekapselten Karzinom ist nur durch Nachweis von Gefäß- oder Kapselinvasion möglich. Typisch sind regressive Veränderungen, Nekrosen, Einblutungen, Vernarbungen, Verkalkungen und Zysten.
Pathologie: v o m Follikelepithel ausgehender gekapselter Tumor Malignitätsnachweis durch Gefäßeinbruch und Kapselinvasion
Therapie: Da subjektive Beschwerden nur gering sind, kein Anlaß für Operation, jedoch aus diagnostischen Gründen (Histologie) bisweilen unvermeidbar. Prognose: gut, keine Rezidive, Strumarezidivprophylaxe erforderlich
Therapie: Op. aus diagnostischen Gründen zur Materialgewinnung
1.2.5.7 Follikuläres Karzinom
Follikuläres Karzinom
Inzidenz: Im Endemiegebiet am häufigsten. Follikuläre Karzinome weisen keine Merkmale des papillären Typs auf. Die WHO-Klassifikation unterscheidet aufgrund der Morphologie und des biologischen Verhaltens 2 Formen: (1) Minimal invasives (gekapseltes) follikuläres Schilddrüsenkarzinom, vom follikulären Adenom durch Mikroinvasionen in Kapsel oder Gefäße abzugrenzen. Differentialdiagnose daher zytologisch nicht möglich, sondern nur operativ (Histologie!). Symptome: Tastbarer solitärer Knoten, Lymphome selten und untypisch. Szintigraphisch kalter Knoten. Diagnostik: Wie bei anderen Schilddrüsenerkrankungen (s.S.750). Pathologie: Invasion von Epithelproliferaten in kapselnahe Gefäße und in die Kapsel selbst. Obligates Unterscheidungsmerkmal zum follikulären Adenom. Hämatogene Metastasierung ist typisch nicht die lymphogene. Therapie: Lobektomie der suspekten- und subtotale Resektion der Gegenseite. Keine Lymphknotendissektion erforderlich. Schnellschnitt ist unsicher! Liegen mehrere Gefäßeinbrüche vor, handelt es sich um ein grob invasives Karzinom, dann Thyreoidektomie. Danach Radiojodszintigraphie zum Nachweis hämatogener Metastasen (-15 %) in Gehirn, Leber, Knochen, Lungen. Prognose: 10-Jahres-Überlebensrate > 90 %. TSH suppressive Therapie hat nur geringen Effekt auf Rezidive oder Metastasen. (2) Grob invasives follikuläres Schilddrüsenkarzinom: Prognostisch ungünstiges differenziertes Karzinom, in > 80 % Fernmetastasen! Symptome: Hirnausfälle weisen auf Hirn- und Rückenschmerzen auf osteolytische Wirbelmetastasen hin.
Inzidenz: in Endemiegebieten am häufigsten
Pathologie: Multiple Einbrüche in die Kapsel und kapselnahe Gefäße, meist unscharfe Begrenzung.
Therapie: Thyreoidektomie, bei Tumorinfiltration in die Umgebung entsprechende Operationserweiterung. Bei Infiltration von Ösophagus oder Trachea, palliative Tumorentfernung, ergänzt durch Radiojodtherapie der Metastasen. Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate - 5 0 % .
Diagnostik: im Szintigramm kalter Knoten, sonographisch echoarmer Bezirk
Prognose: gut, Strumarezidivprophylaxe!
2 Formen: 1. Minimal invasives (gekapseltes) follikuläres Karzinom: - unterscheidet sich v o m Adenom durch Gefäß- und Kapselinvasion • Symptome: tastbarer solitärer und szintigraphisch kalter Knoten • Diagnose: Sonographie • Pathologie: hämatogene Metastasierung • Therapie: Lobektomie, subtotale Resektion des anderen Lappens
• Prognose: 10-Jahres-Überlebensrate
>90% 2. Grob invasives follikuläres Karzinom • prognostisch ungünstig. Schon bei der Diagnose in > 80% Fernmetastasen • Symptome: Vergrößerung einer schon lange bestehenden Struma. Hirnfunktionsausfälle, Rückenschmerzen • Pathologie: multiple Gefäß- und Kapseleinbrüche • Therapie: Thyreoidektomie ist obligat! Radiojodtherapie der Metastasen • Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate um 50%
766
40. E n d o k r i n e C h i r u r g i e
Papilläres Karzinom
Inzidenz
£
1.2.5.8 Papilläres K a r z i n o m Inzidenz: Häufigste Form ( - 5 0 % ) aller Schilddrüsenkarzinome, Altersgipfel zwischen 3.^1. Dezennium. Bei Kindern fast ausschließlich papilläre Karzinome. Nach Strahlenexposition und Radiotherapie im Kindesalter treten gehäuft papilläre Karzinome auf, Latenzzeit 10-20 Jahre.
Symptome - kalter Knoten, besonders bei Patienten >40 Jahre - bevorzugt in Regionen mit ausreichendem Jodangebot Diagnostik - Sonographisch echoarmer hypodenser Bezirk - Zytologie kann Karzinom beweisen - CT wichtig für die operative Strategie
Symptome: Bei Patienten < 40 Jahren ist ein solitärer, relativ unauffälliger kalter Knoten verdächtig auf ein papilläres Karzinom. Solitäre zervikale Lymphome immer bioptisch abklären! Vorkommen besonders in Regionen mit ausreichendem Jodangebot, in Strumaendemiegebieten ebenso häufig wie follikuläre Karzinome. Diagnostik: Szintigraphisch kalter Knoten, sonographisch echoarmer hypodenser Bezirk, dessen Dignität offen ist. Feinnadelbiopsie kann den Karzinomnachweis erbringen, falsch positive Befunde sind ausgeschlossen. Ein negativer Befund schließt das Karzinom jedoch nicht aus! Feinnadelbiopsie und CT bestimmen die operative Strategie mit.
Pathologie: Epithelproliferationen mit vermehrt fibrovaskulären Strukturen, extrakapsulär, Tumorgröße > 5 cm -> prognostisch ungünstig • 5 Formen: 1. Papilläres Mikrokarzinom: 2. Gekapseltes papilläres Karzinom: 3. Follikuläre Variante: Prognose gut, 50% Metastasierung in die Halslymphknoten 4. Diffus sklerosierendes Karzinom: 5. Oxyphile Variante des papillären Karzinoms: schlechte Radiojodspeicherung, Prognose ungünstig
Pathologie: Typisch sind papilläre Epithelproliferationen und fibrovaskuläre Strukturen; es ist selten gekapselt und meist ohne Mitosen. Extrakapsuläres Wachstum und größere Tumoren ( > 5 cm) sind prognostisch ungünstig. Nach der WHO-Klassifikation unterscheidet man 5 Sonderformen: • papilläres Mikrokarzinom: meist Zufallsbefund im Schilddrüsenresektat bei Operation aus anderen Gründen. Durchmesser < 1 cm. Bei Autopsien von nicht an der Schilddrüse Erkrankten bis zu 20 % okkulte papilläre Karzinome. Trotz lymphogener Metastasierung und multizentrischer Ausbreitung, sehr gute Prognose • gekapseltes Karzinom: Prognostisch ebenfalls günstig. Metastasierung in regionäre Halslymphknoten ( - 2 5 % ) • follikuläre Variante: Follikulärer Aufbau, lymphogene Metastasierung, multizentrischer Befall • diffuse Form: Meist multifokal, in nicht gekapselten papillären Karzinomen • oxyphile Variante: Papillär aufgebauter Tumor ohne typische Milchglaskerne. Schlechte Radiojodspeicherung, ungünstigere Prognose.
Ausbreitung: multizentrisch, intrathyreoidal, Lymphknotenmetastasen in 50%
Ausbreitung: Unabhängig von Alter und Größe des Tumors findet sich eine multizentrische intrathyreoidale Ausbreitung. Lymphknotenmetastasen in > 50 %, selten Gefäßeinbrüche.
Therapie • Thyreoidektomie mit Lymphadenektomie bei allen papillären Karzinomen • Ausnahmen: - bei zufällig entdeckten papillären Mikrokarzinomen keine Zweitoperation (Thyreoidektomie), Radiojodtherapie - TSH-suppressive Thyroxinsubstitution • bei Makroformen 4-6 Wochen postoperativ ablative Radiojodtherapie, nochmalige Behandlung wegen Metastasierung
Therapie: Thyreoidektomie bei allen papillären Schilddrüsenkarzinomen. Die regionären Lymphknoten sind im Kompartment Ia und Ib routinemäßig mitzuentfernen, da in -50 % Metastasen vorhanden sind. TSH-suppressive Thyroxinsubstitution (150-250 ng/die) unterdrückt besonders bei jüngeren Patienten das Tumorwachstum. Dauerhaft TSH-supprimierte Patienten weisen weniger Rezidive auf und überleben länger. Radiojodtherapie: 4-6 Wochen postoperativ (maximale TSH-Stimulation infolge Thyroxinmangel) zunächst ablative Radiojodtherapie wegen Restgewebes, anschließend Wiederholung der Behandlung zur Eliminierung speichernder Metastasen, abschließend dauerhafte TSH-suppressive T 4 Substitution. Die externe Bestrahlung hat keinen zusätzlichen Effekt.
Prognose: pT1- und gekapselte Karzinome haben eine normale Lebenserwartung, bei den übrigen -»10-Jahres-Überlebensrate 80-90%. • ungünstige Faktoren sind: - Alter > 50 Jahre, extrakapsuläre Ausbreitung - Fernmetastasen, schlechte Differenzierung, Gefäßinvasion - oxyphile Variante
Bei zufällig entdeckten papillären Schilddrüsenkarzinomen, die zu den Sonderformen zählen, ist die Thyreoidektomie als Zweitoperation ungerechtfertigt; subtotale Resektion oder Lobektomie sind kurativ. Die Radiojodtherapie entfällt.
Prognose: pTl Karzinome und gekapselte haben eine normale Lebenserwartung. Für die übrigen Tumoren liegt die 10-Jahres-Überlebensrate bei 80-90 %. Ungünstige Prognosefaktoren sind Alter > 50 Jahre, extrakapsuläre Ausbreitung, Fernmetastasen, schlechte Differenzierung, Gefäßinvasion, oxyphile Variante.
767
Schilddrüse 1.2.5.9 Plattenepithelkarzinom, anaplastisches Karzinom
Plattenepithelkarzinom
Plattenepithelkarzinom. Sehr selten. Eher denkt man an eine Sekundärinfiltration der Schilddrüse durch Metastasen beim Ösophagus- oder Trachealkarzinom. Prognose ist ungünstig.
Sehr selten, ungünstige Prognose
Anaplastisches Karzinom. Ca. 10 % aller Schilddrüsenkarzinome treten fast
Anaplastisches Karzinom • 10% aller Schilddrüsenkarzinome, häufig in schon lange bestehenden Strumen, bevorzugt bei Patienten > 50 Jahre Symptome Plötzliches Wachstum einer schon bekannten Knotenstruma: Engegefühl, Dysphagie, Atemnot, Schmerzen Diagnostik: Feinnadelbiopsie, CT oder MRT von Hals und Schädel. Häufig Trachea, Ösophagus und Halsgefäße massiv infiltriert
ausschließlich bei Patienten > 50 Jahren auf und entwickeln sich häufig in einer schon lange bestehenden Knotenstruma. Symptome: Plötzliches Wachstum einer bekannten Struma, rasch zunehmendes Engegefühl, Dysphagie, Atemnot und Schmerzen. Klinisch derber, nicht verschieblicher, mit der Umgebung verbackener Tumor sowie derben Lymphomen. Diagnostik: Feinnadelbiopsie zur morphologischen Differenzierung Metastasen in der Schilddrüse selbst oder maligne Lymphome können sich dramatisch entwickeln. CT oder MRT von Hals und Schädel lassen die Ausdehnung des inkurablen Tumors erkennen. Häufig sind Trachea, Ösophagus und Halsgefäße massiv infiltriert. Pathologie: Vollständige tumoröse Durchsetzung der Schilddrüse. Ausgeprägte Polymorphie und Mitosenreichtum. Anaplastische Karzinome exprimieren kein Thyreoglobulin. Abgrenzung zum malignen Lymphom, schlecht differenzierten medullären Karzinom oder zu Metastasen eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms nur durch immunhistochemische Untersuchungen.
Pathologie: vollständige tumoröse Durchsetzung der Schilddrüse. Differentialdiagnose nur durch immunhistochemische Untersuchungen möglich!
Therapie: Jede Therapie ist palliativ. Debulking der Tumormassen verzögert den Verlauf und schiebt die Kompression von Trachea und Ösophagus hinaus. Die kombinierte Radiojodtherapie mit externer Radiatio kann unterstützenden palliativen Effekt haben. Die simultane Chemotherapie (Adriablastin) hat eine synergistische Wirkung. Prognose: Fast 90 % der Patienten versterben mit und ohne Therapie innerhalb eines Jahres.
Therapie: palliativ!
1.2.5.10 Medulläres Karzinom (C-Zell-Karzinom) Inzidenz: 5-10 % aller malignen Schilddrüsentumoren stammen von den CZellen ab, davon kommen ~ 20 % familiär vor (Erbgang autosomal dominant).
Medulläres Karzinom (C-Zell-Karzinom)
Die erbliche Form kann solitär oder in Verbindung mit anderen, ebenfalls hormonaktiven Tumoren (MEN) auftreten (Tab.40.1-2): • Als MEN IIa wird die Kombination des C-Zell-Karzinoms mit einem Phäochromozytom und einem primären Hyperparathyreoidismus bezeichnet. • MEN IIb oder Sipple-Syndrom bedeutet C-Zell-Karzinom, Phäochromozytom, multiple Neurome an Augen und im Mund, gastrointestinale Ganglioneuromatose, Skelettdeformationen (Marfanoider Habitus, Kyphoskoliose) und Café-au-lait-Flecken.
Tab.40.1-2: APUD-Zellen, (s. Kap. 40.3, S.778)
deren
Hormone
und
abgeleitete
Tumoren
Organ
Zelltyp
Hormon
Tumor
Pankres
B-Zelle A-Zelle D-Zelle
Insulin Glucagon Gastrin
Insulinom
Schilddrüse
C-Zelle
Calcitonin
medulläres Karzinom
Magen
G-Zelle A-Zelle
Gastrin Enteroglucagon
Gastrinom
Duodenum
S-Zelle
Sekretin
Nebennierenmark
chromaffine Zelle
Adrenalin, Noradrenalin
Phäochromozytom
Dünndarm
enterochromaffine Zelle
Serotonin
Karzinoid
HVL
Mukoidzelle (basophil)
ACTH, MSH
HVL-Adenom
Gastrinom
Prognose: 90% der Patienten versterben innerhalb eines Jahres mit und ohne Therapie
Inzidenz 5-10% der SD-Karzinome stammen von parafollikulären, calcitoninproduzierenden Zellen ab. 20% gehäuft familiär —> autosomal dominanter Erbgang • MEN IIa C-Zell-Karzinom + Phäochromozytom + primärer Hyperparathyreoidismus • MEN II b oder Sipple-Syndrom C-Zell-Karzinom + Phäochromozytom + multiple Neurome an Augen und Mund + gastrointestinale Ganglioneuromatose + Skelettdeformitäten + Café-aulait-Flecken
768 Symptome: langsames Wachstum, häufig Fernmetastasen, Altersgipfel im 4. Dezennium Familiäre Form wird infolge der Familienuntersuchung 15-20 Jahre früher entdeckt Diagnostik: sonographisch, zytologisch, CT von Hals und Mediastinum, Rö-Thorax, Oberbauchsonographie, Skelettszintigraphie
• spezielle Laboruntersuchungen bzgl. Phäochromozytom und Hyperparathyreoidismus —» Kalzitonin, CEA, Parathormon, Kalzium, Phosphat Familienuntersuchungen: bei jedem medulllären SD-Karzinom angezeigt Evtl. Genanalyse Screening umfaßt: • Palpation und Sonographie der SD • Phäochromozytom-Diagnostik • Hyperparathyreoidismus-Diagnostik
Pathologie: familiäres C-Zell-Karzinom gehört zum APUD-Zellsystem Diagnosesicherung durch immunhistochemische Untersuchungen C-Zell-Hyperplasie ist eine obligate Präkanzerose!
40. Endokrine Chirurgie Symptome: Langsames Wachstum, frühe Metastasierung in die Halslymphknoten (50%). Später häufig Metastasen in Leber, Knochen, Lunge, Nebenniere. Altersgipfel im 4. Dezennium. Die familiäre Form wird infolge Screenings 15-20 Jahre früher entdeckt. Auffallend ist eine beidseitige Knotenstruma. Das sporadische C-Zell-Karzinom manifestiert sich als solitärer, neu aufgetretener, palpatorisch wenig auffälliger Knoten. Diagnostik: Zytologischer Malignitätsnachweis durch morphologische Heterogenität erschwert. Meist steht das Schilddrüsenkarzinom im Vordergrund, jedoch bisweilen Symptome des Phäochromozytoms oder des primären Hyperparathyreoidismus. Präoperativ zur Erfassung der lokalen Tumorausdehnung und der frühzeitigen Metastasierung C T von Hals und Mediastinum, Röntgen-Thorax, Oberbauchsonogramm und Skelettszintigraphie. Laborbefunde: Kalzitoninspiegel und C E A sind erhöht. Bei nur grenzwertiger Kalzitoninerhöhung und im R a h m e n von Screeninguntersuchungen sind Stimulationsteste mit Kalzium oder Pentagastrin indiziert (Kalzitoninanstieg). Phäochromozytom und primären Hyperparathyreoidismus ausschließen. Familienuntersuchung: Sie ist bei jedem medullären Schilddrüsenkarzinom erforderlich, um den Tumor noch im okkulten Stadium zu erfassen. D N A Analyse sinnvoll aber nicht obligat, da erhöhte Kalzitoninwerte oder ein positiver Stimulationstest in > 90 % sicher sind. Das Screening umfaßt Palpation und Sonographie sowie Ausschluß eines Phäochromozytoms (Katecholamine, Metanephrine und Vanillinmandelsäure im 24-StundenUrin). Bei pathologischen Werten sind zusätzlich morphologische Untersuchungen (NN-CT, Metajodbenzylguanidin-Szintigramm) erforderlich. Ein primärer Hyperparathyreoidismus wird mit dem Kalzium-, Phosphat- und Parathormonspiegel erfaßt. Pathologie: Das C-Zell-Karzinom ist mit dem follikulären und anaplastischen Karzinom verwechselbar. Zur Diagnosesicherung immunhistochemische Untersuchungen. Die vermutete Herkunft des Tumors aus dem APUD-Zellsystem erklärt die Bildung von Substanzen, die diagnostisch genutzt werden können (Calcitonin, Katakalzin, ACTH, Serotonin, Somatostatin, Prostaglandine, neuronspezifische Enolase). Keine Korrelation zwischen Intensität der Markerexpression und der Prognose. Für den familiären Typ ist eine multizentrische Tumorausbreitung in beide Schilddrüsenlappen charakteristisch. Praxishinweis:
Therapie: Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion • bei anhaltend erhöhten Calcitoninwerten -> Radiojodtherapie • TSH-Suppression nicht erforderlich • prophylaktische Thyreoidektomie bei Kindern mit positivem Gen-Merkmal
Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate 50-80% Nicht epitheliale Tumoren und Metastasen anderer Primärtumoren selten Metastasen v.a. bei: • Mamma- und Nierenkarzinomen und • in 20% vom Bronchuskarzinoid Malignes Lymphom SD kann primär und sekundär bei generalisiertem malignen Lymphom befallen sein. Häufigkeit 1-2% aller bösartigen SDKarzinome. Bei Frauen häufiger, Altersgipfel bei 60 Jahren
Die C-Zell-Hyperplasie
ist eine obligate
Präkanzerose!
Therapie: Thyreoidektomie mit bilateraler Lymphknotendissektion. Bei postoperativ erhöhtem Calcitonin, Suche nach lokalen- oder Fernmetastasen. Bei verbliebenem Schilddrüsengewebe und anhaltend erhöhten Calcitoninwerten, Radiojodtherapie. Wirksamkeit jedoch nicht bewiesen. Da die C-Zellen selbst kein Radiojod speichern, kann eine Umgebungsbestrahlung der C-Zellen versucht werden. Die externe Radiatio ist zurückhaltend zu beurteilen, adjuvante Chemotherapie hat keinen Vorteil. Da die CZellen vom T S H unabhängig sind, ist nach Operation nur eine Hormonsubstitution erforderlich. Bei asymptomatischen Kindern mit positivem GenMerkmal wird die prophylaktische Thyreoidektomie empfohlen. Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate 5 0 - 8 0 % . Bei Lymphknotenmetastasierung ungünstigere Prognose.
1.2.5.11 Nicht epitheliale Tumoren, malignes Lymphom Nicht epitheliale Tumoren und Metastasen anderer Primärtumoren (Hämangiome, Lipome, Fibrome, Leiomyome, neurogene Geschwülste und ihre malignen Entitäten) sind in der Schilddrüse äußerst selten. Bisweilen metastasieren Mamma- und Nierenkarzinome in die Schilddrüse, in 20 % das Bronchuskarzinom. Malignes Lymphom. Inzidenz: 1 - 2 % aller bösartigen Schilddrüsentumoren. Das maligne Lymphom kann die Schilddrüse primär und sekundär bei generalisierten Lymphomen befallen. Bei der Frau häufiger als beim Mann, Altersgipfel bei 60 Jahren. Lympho- und Retikulumzellsarkome sind häufiger, der M. Hodgkin und ein Plasmozytom seltener.
Schilddrüse Symptome: Beidseitige Schilddrüsenvergrößerung und der Halslymphknoten. Bei Generalisation Lymphome auch in anderen Bereichen, nicht selten Splenomegalie. Heiserkeit ist relativ häufig. Diagnostik: Die Feinnadelbiopsie ist zur Diagnosesicherung weniger geeignet, besser ist eine Biopsie. Zum Staging eines disseminierten Lymphoms gehören CT des Abdomens und eine diagnostische Laparoskopie mit Lymphknotenexstirpation sowie Leberbiopsie. Pathologie: Ausgangspunkt sind die B-Zellen und Non-Hodgkin-Zellen. Die Kombination mit einer Hashimoto-Thyreoiditis ist auffällig.
769 Leitsymptome: beids. SD-Vergrößerung. Heiserkeit relativ häufig, generalisierte Lymphome, Splenomegalie Diagnostik: Biopsie • Staging beim disseminierten Lymphom: - CT-Abdomen - Laparoskopie, Lymphknotenexstirpation, Leberstanze
Therapie: Thyreoidektomie, auch zur exakten Klassifizierung. Strahlentherapie hat einen günstigen Effekt. Lebenslange Thyroxinsubstitution erforderlich. Bei Generalisation kombinierte Radio-Chemotherapie. Prognose: Korreliert mit der Ausdehnung und dem histologischen Typ. Auf die Schilddrüse begrenzte Lymphome haben nach Thyreoidektomie und Radio-Therapie eine günstige Prognose.
Therapie: Thyreoidektomie, Strahlentherapie, Thyroxinsubstitution
1.2.6 R e z i d i v s t r u m a
Rezidivstruma
Definition. Rezidivstruma ist eine Anpassungswucherung der Schilddrüse nach vorheriger operativer Verkleinerung. Häufigkeit 5-80 %. Die große Differenz ist durch unterschiedliche Definition und durch verschieden lange Verlaufsbeobachtungen zu erklären. Selbst 20 Jahre postoperativ kann eine Rezidivstruma auftreten. Bei konsequenter Rezidivprophylaxe ist sie mit 1-25 % niedriger.
Ursachen: Beim Rezidiv sind die strumigenen Faktoren dieselben wie vorher. Ein erhöhtes Rezidivrisiko gilt für alle Schilddrüsen, die nach der Erstoperation noch knotige Areale oder viel Restgewebe aufweisen. Symptome: Halsumfang ein- oder beidseitig sichtbar vergrößert, knotige Veränderungen tastbar. Subjektiv Luftnot, Schluckbeschwerden und Druckgefühl. Diagnostik: Umfassende Diagnostik zur Abklärung der Funktion und Morphologie erforderlich: Bestimmung der peripheren Hormone T 3 , T 4 und des TSH, Sonographie, Feinnadelbiopsie beim kalten Knoten. Pathologie: Morphologisch ein vielfältiges Bild. Es dominieren regressive Veränderungen neben gutartigen Adenomen. Funktionell gehäuft multifokale oder disseminierte Autonomieherde. Papilläres Karzinom ausschließen.
Therapie: Die Therapie mit einer TSH-suppressiven Thyroxinsubstitution spricht bei Rezidivstrumen wegen des gleichzeitig regressiven und autonomen Gewebes nicht an. Die Indikation zur operativen Therapie ist wegen der hohen Komplikationsrate streng zu stellen. Rekurrensparese 10-25 %! Die Operation ist angezeigt bei • Verdacht auf Malignität und bei hochgradiger mechanischer Alteration: Luftnot, Schluckstörungen, Einflußstauung • Rezidivwachstum nach Prophylaxe mit multifokalen Knoten unterschiedlicher Funktion. Die Radiojodbehandlung ist, solange keine malignitätsverdächtigen Knoten vorliegen, Therapie der Wahl bei Rezidivstrumen mit Autonomie. Prophylaxe: Strumarezidive können durch eine sorgfältige Entfernung des knotig veränderten Schilddrüsengewebes von vorneherein verringert werden. Postoperativ lebenslange medikamentöse Prophylaxe erforderlich. Regelmäßige jährliche Kontrollen können frühzeitig neue morphologische Veränderungen aufdecken und sind zur Überprüfung der Prophylaxe erforderlich. Der Patient muß über die Möglichkeit eines erneuten Rezidivs aufgeklärt werden!
Prognose: gut, abhängig von Ausdehnung und Histologie
= Anpassungswucherung der SD nach vorheriger operativer Verkleinerung • Häufigkeit 5-80%. Die große Differenz erklärt sich aus Definition und Zeitintervall
Ursachen: zuviel Restgewebe zurückgeblieben Symptome: Halsumfang T, Luftnot, Schluckbeschwerden, Druckgefühl Diagnostik • Hormonbestimmungen • Sonographie • Feinnadelbiopsie bei kalten Knoten
Therapie: Operation bei • Malignitätsverdacht • hochgradigen mechanischen Problemen • multifokalen Knoten unterschiedlicher Funktion Wegen erhöhter Gefahr der Rekurrensverletzung strenge Indikationsstellung
• Radiojodbehandlung Methode der Wahl bei Rezidivstrumen mit Autonomie Prophylaxe - sorgfältige Erstoperation - lebenslange medikamentöse Prophylaxe - jährliche Kontrolluntersuchungen - Patienten aufklären!
770 Nebenschilddrüsen
40. Endokrine Chirurgie
2. Nebenschilddrüsen (NSD) A. Hirner, M. Ziegler
Anatomie (Abb. 40.2-1 ) Lokalisation der N S D
Klinische Anatomie: Normalerweise sind 4 NSD vorhanden: paarig an der Laterodorsalseite der Schilddrüse, jeweils ober- und unterhalb der Kreuzungsstelle von A.thyreoidea inferior und N.laryngeus recurrens. Die oberen NSD liegen relativ konstant in Höhe des oberen Schilddrüsenpols. Die unteren NSD liegen in bis zu 20% im vorderen Mediastinum (retrosternal), z.T. im Thymus (Abb.40.2-1). In 1 3 % liegen sie im Parenchym der Schilddrüse. Weitere Varianten sind Verschmelzung und Multiplizität. Die normale Größe der abgeplatteten, ovalen Drüse beträgt etwa 5 x 4 x 2 mm, das maximale Gewicht 50 mg. Die Farbe im Erwachsenenalter ist durch zunehmende Fetteinlagerung gelb-braun, die Farbe eines (kein Fett enthaltenden) Adenoms mehr rotbraun bzw. rehfarben.
Physiologie: In der Nebenschilddrüse Bildung von Parathormon —> reguliert Kalziumhomöostase: • Mobilisation von Kalzium aus dem Knochen • Kalziumabsorption im Dünndarm (Anwesenheit von Vitamin D) • Einschränkung der tubulären Phosphatrückresorption in der Niere -> Parathormon erhöht Serumkalzium und erniedrigt Serumphosphat • Parathormonantagonist: Calcitonin Unterfunktion
Klinische Physiologie. In der NSD wird das Parathormon gebildet, ein Polypeptid, das die Kalziumhomöostase reguliert. Es besteht ein direkter negativer FeedbackMechanismus zwischen Ca++-Konzentration und Parathormonsekretion. Es mobilisiert Ca** aus dem Knochen (Osteoklastenaktivität), es steigert in Anwesenheit von Vitamin D die Ca**-Absorption im Dünndarm und schränkt die tubuläre Phosphatrückresorption der Niere ein. Zusammenfassend führt Parathormon zur Erhöhung der Serumkalzium- und zur Erniedrigung der Serumphosphatkonzentration. Der Antagonist des Parathormons - im Hinblick auf die Kalziumfreisetzung am Skelett - ist das in den C-Zellen der Schilddrüse gebildete Calcitonin. Die normale Serum-Ca++-Konzentration beträgt 2,24-2,78 mmol/1.
Idiopathischer Hypoparathyreoidismus. - selten
Der idiopathische Hypoparathyreoidismus ist sehr selten.
2.1 Hypo- und Hyperparathyreoidismus, Karzinom Für den Chirurgen wichtig ist die iatrogen bedingte parathyreoprive Tetanie nach subtotaler Strumaresektion oder Thyreoidektomie (versehentliche Mitnahme aller 4 NSD bzw. zweizeitige Nekrose nach Devaskularisation).
• wichtig für die Chirurgie: iatrogen bedingte parathyreoprive Tetanie nach subtotaler Strumaresektion oder Thyreoidektomie. Symptome: Hypokalzämie, Chvostek-Phänomen positiv, tetanische Zeichen (Pfötchenstellung der Hand, Karpfenmund). Therapie - Vitamin D, Dihydrotachysterol - Kalziumspiegel auf subnormale Werte einstellen
Noch nach Monaten kann sich durch eine allmähliche Hypertrophie winzigster NSD-Reste die Kalziumhomöostase normalisieren. Leitsymptom ist die Hypokalzämie (< 2,2 mmol/1): tetanische Zeichen wegen Ubererregbarkeit des peripheren Nervensystems (Chvostek-Zeichen (Gesichtsmuskelkontraktionen nach Klopfen auf den N. facialis) Muskelkrämpfe, Pfötchenstellung der Hand, Karpfenmund). Die Therapie ist ausschließlich konservativ-medikamentös: Vitamin D oder Dihydrotachysterol ( A T 10) und Kalziumsubstitution. D e r beste Stimulus für die Regeneration von NSD-Gewebe ist die Hypokalziämie; daher sollte der Ca ++ -Spiegel nur auf Werte knapp unterhalb der Norm eingestellt werden.
Abb. 40.2-1: Topographische Anatomie und Lagevarianten der NSD, Seitenansicht (mit freundlicher Genehmigung aus Rothmund 1980)
Nebenschilddrüsen (NSD)
771
2.1.1 Hyperparathyreoidismus Die klinische Definition des Hyperparathyreoidismus beinhaltet nicht nur den erhöhten Parathormonspiegel, sondern auch die dadurch bedingten Krankheitssymptome an Niere, Magen, Duodenum, Pankreas und Psyche. In ätiologischer und therapeutischer Hinsicht wird ein primärer vom sekundären und tertiären Hyperparathyreoidismus unterschieden.
Überfunktion = Hyperparathyreoidismus - erhöhter Parathormonspiegel mit Krankheitssymptomen an: Niere, Magen, Duodenum, Pankreas und Psyche. • Trias: Stein-, Bein- und Magenpein! Unterteilung in primären, sekundären, tertiären Hyperparathyreoidismus
2.1.1.1 Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT)
1. Primärer Hyperparathyreoidismus
Der pHPTist zu 85-90 % durch ein singulares NSD-Adenom bedingt. Dabei hat die einzelne NSD-Zelle die normale Kontrolle ihrer Hormonsekretion verloren („falsch eingestellter" Schwellenwert) und weist eine ungehinderte Wachstumsproliferation auf. Adenome bis zu 5 g Gewicht sind keine Seltenheit. Die anderen 3 NSD sind demgegenüber ohne pathologischen Befund. Die restlichen Patienten mit pHPT (10-15 %) haben eine noduläre Hyperplasie aller 4 NSD. Diese sog. 4-Drüsen-Hyperplasie weist auf eine übergeordnete Störung hin: gehäuftes familiäres Auftreten im Rahmen der MENTyp I und II (s. S.778). Die Inzidenz des pHPT beträgt bei der Gesamtbevölkerung ca. 0,15-0,3 % Krankheitsfälle pro Jahr. 40- bis 60jährige sind am häufigsten betroffen, Frauen 2-3mal so häufig wie Männer. Bei unter 20jährigen ist der pHPT extrem selten. Die Anamnesedauer beträgt im Durchschnitt mehrere Jahre. Nur durch häufigere Serumkalzium-Bestimmungen im Verlauf kann die Diagnose schneller gestellt werden. Die Organmanifestationen des pHPT betreffen vor allem die Nieren, den Knochen und den Gastrointestinaltrakt (Tab. 40.2-1). Die funktionellen Symptome sind in der Regel reversibel, die organischen nur partiell.
- meistens bedingt durch singuläres NSD-Adenom - selten durch eine 4-Drüsen-Hyperplasie (im Rahmen des MEN-Typ I u. II)
Tab. 40.2-1: Funktionelle und organische Symptome
beim primären
HPT
Funktionell
Organisch
Niere:
Polyurie, -dipsie, Hyposthenurie
Nephrolithiasis Nephrokalzinose
50-70% selten
Knochen:
Schmerzen 20-30%
Déminéralisation
10-30%
Gastrointestinaltrakt:
Übelkeit, Erbrechen, Obstipation
Ulkus Pankreatitis Cholelithiasis
20-30% 10-20% 10-20%
Herz:
QT-Zeit verkürzt Hypertonie 40-60%
Myokardnekrosen
sehr selten
Allgemein: (HyperkalzämieSyndrom)
Adynamie, Ermüdbarkeit, Depression (30-50%), Hyporeflexie, Muskelschwäche, Gewichtsverlust
Pathophysiologie. Zugrunde liegt die Ausfällung von Kalksalzen in den verschiedenen Geweben durch Überschreiten des Löslichkeitsproduktes von Kalzium und Phosphat. Die Nierensteine sind meist Kalziumoxalat- oder Phosphatsteine. Ca. 10% aller rezidivierenden beidseitigen Nierensteine sind durch einen pHPT bedingt. Die Nephrokalzinose als globale Verkalkung des Nierenparenchyms ist selten. Die ossäre Beteiligung im Sinne der Ostitis fibrosa cystica generalisata wird als Spätsymptom immer seltener diagnostiziert: subperiostale zystische Knochenresorption an Händen, Schädel und langen Röhrenknochen. Häufig sind dagegen Schmerzen des Bewegungsapparates, auch bedingt durch eine hyperkalzämische Synovitis. Die erhöhte Ulkusinzidenz hat ihre Ursachen in der kalziuminduzierten Hypergastrinämie. Ein Zusammenhang mit der Cholelithiasis ist wahrscheinlich, jedoch nicht gesichert. Die Pankreatitis durch Gallen- oder Pankreasgangsteine kann sekundär bzw. primär als kalzifizierende Pankreatitis entstehen.
Inzidenz 0,15-0,3% Krankheitsfälle pro Jahr Altersgipfel 40-60 Jahre Bei Frauen häufiger als bei Männern Anamnesedauer meist mehrere Jahre
Organmanifestation des pHPTan (Tab. 40.2-1): - Nieren - Knochen - Gastrointestinaltrakt Auftreten von funktionellen und organischen Symptomen
Pathologisches Prinzip Ausfällung von Kalksalzen in Geweben: • Nierensteine • Nephrokalzinose • Verkalkung des Nierenparenchyms Nierenversagen • ossäre Beteiligung i m Sinne der Ostitis fibrosa Weitere Folgen der pHPT: • erhöhte Ulkusinzidenz • Pankreatitis (Sekundärerscheinung)
772 • parathyreotoxische Krise:
40. Endokrine Chirurgie Die parathyreotoxische Krise als akut lebensbedrohliche Verlaufsform kommt bei ca. 5 % aller Patienten mit p H P T vor. Sie hat heute bei sofortiger operativer Therapie eine Letalität von ca. 20 %. Sie ist gekennzeichnet durch eine exzessive Hyperkalzämie (über 4 mmol/1) mit Somnolenz, Verwirrtheit, Erbrechen, Schwäche, abdominellen Schmerzen und Dehydratation aufgrund der Polyurie. Bei wenigen Patienten stehen ein „akutes Abdomen" oder „paranoide Wahnvorstellungen" im Vordergrund. Die Soforttherapie umfaßt: • allgemeine intensivmedizinische Maßnahmen: Flüssigkeitszufuhr, Ausgleich des Säure-Basen-Haushaltes, kardiopulmonale Therapie, Steroide etc.; • Senkung der Hyperkalzämie: Furosemid, Hämodialyse, Calcitonin; • Operation: innerhalb von Stunden, aber erst nach Senkung des Serumkalziums und Erreichung einer ausreichenden Nierenfunktion.
2. Sekundärer Hyperparathyreoidismus
2.1.1.2 Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT)
= kompensatorische Parathormonerhöhung infolge chronischer Hypokalzämie. Ursachen - exzessiver und chronischer Mangel von Kalzium in der Nahrung - Malabsorption - chronische Hämodialyse
Definition. Kompensatorische Parathormonerhöhung infolge chronischer Hypokalzämie durch: • exzessiven, chronischen Mangel von Kalzium in der Nahrung, • Malabsorption (z.B. M.Crohn) und • mit Abstand am häufigsten: chronische Hämodialyse, d. h. die urämische Niere wegen des dadurch bedingten Phosphatstaus: Steigt die Phosphatkonzentration, fällt die Kalziumkonzentration zur Konstanterhaltung des Kalzium-Phosphat-Produkts, ferner Mangel an 1,25-Dihydroxycholecalciferol. Klinisch steht die Osteopathie (Schmerzen, Spontanfrakturen) im Vordergrund. Sie ist eine Mischform von Osteomalazie und Ostitis fibrosa cystica generalisata. Das Krankheitsbild wird mitbestimmt durch schmerzhafte periartikuläre Weichteil- und Gefäßverkalkungen. Das pathologisch-anatomische Korrelat des sHPT ist die Vergrößerung aller 4 NSD, die 4-Drüsen-Hyperplasie. Alle chronischen Hämodialyse-Patienten entwickeln eine 4-Drüsen-Hyperplasie, allerdings nur ein Teil davon das klinische Vollbild einer renalen Osteopathie. Davon können wiederum die meisten konservativ behandelt werden: Änderung der Dialysatzusammensetzung, Zufuhr von Kalzium und Vitamin D, Applikation von phosphatbindendem Aluminiumhydroxid.
Klinische Zeichen: - Osteopathie mit Schmerzen und Spontanfrakturen - schmerzhafte Weichteil- und Gefäßverkalkungen konservative Therapie - Änderung des Dialysats - Kalzium und Vitamin D - phosphatbindendes Aluminiumhydroxid
3. Tertiärer Hyperparathyreoidismus
2.1.1.3 Tertiärer Hyperparathyreoidismus (tHPT)
= autonom werdende Parathormonüberfunktion eines sHPT
Definition. Wird bei einem lange bestehenden sHPT die Parathormonüberfunktion autonom, spricht man von einer tHPT.
NSD-Karzinom Klinik - exzessive Hyperkalzämie - infiltratives Wachstum - mit der Umgebung verbacken - Lymphknotenmetastasen - Rekurrensparese
Nebenschilddrüsenkarzinom. Pathologisch-anatomisch ist die Diagnose schwierig zu stellen und erfordert wie bei allen endokrin aktiven Karzinomen einen erfahrenen Pathologen. 1 - 3 % aller NSD-Tumoren mit p H P T sind Karzinome. Klinisch steht eine exzessive Hyperkalzämie im Vordergrund. Im Durchschnitt sind Karzinome größer als Adenome und wegen des infiltrativen Wachstums mit der Umgebung verbacken. In einem Drittel der Fälle haben sie schon in die regionären Lymphknoten metastasiert und zu einer Rekurrensparese geführt. Nach chirurgischer Exstirpation - einschließlich Hemithyreoidektomie - rezidivieren sie oft.
Diagnostik des HPT
2.2 Diagnostik und Therapie 2.2.1 Diagnostik
Differentialdiagnose s. Tab. 40.2-2
Differentialdiagnose: In Tab. 40.2-2 sind die wichtigsten Erkrankungen, welche mit einer Hypo- und Hyperkalzämie einhergehen können, der Häufigkeit nach geordnet.
Nebenschilddrüsen (NSD) Tab.40.2-2: Ursachen der
773
Kalziumstoffwechselstörung
Hypokalzämie
Hyperkalzämie
7. Parathormonmangel - postoperativ (parathyreopriv) - idiopathisch (autoimmun? angeboren?)
7. Erhöhte Kalziumfreisetzung aus dem Knochen - Tumorhyperkalzämie (bes. Metastasen) - pHPT - paraneoplastischer HPT (= Pseudohyperparathyreoidismus) - Immobilisation
2. Parathormonresistenz des Skeletts 2. Erhöhte Kalziumaufnahme - Milch-Alkali-Syndrom (und andere Pseudohypoparathyreoidismus exzessiv Kalzium-haltige Nahrungs(z. B. Mangel an cAMP) und Arzneimittel) sHPT - Vit.D - Sarkoidose (dabei endogene Vit.-DSpiegel-Erhöhung) 3. Erhöhter Kalziumverbrauch - Schwangere + Stillzeit - akute Pankreatitis
3. Verminderte Kalziumausscheidung - Thiadiazid-Diuretika - Chlorothiazid-Applikation
Tab.40.2-3: Labordiagnostik von Tumorhyperkalzämie
und pHPT
Ca 2+
p3+
AP
PTH
Tumorhyperkalzämie (Malignom mit Knochenmetastasen)
T
(T)
(T)
N
pHPT
T
1
(T)
T
AP = alkalische Phosphatase, PTH = Parathormon, N = normal, (t) = normal bis wenig erhöht
Bei der Hyperkalzämie steht der pHPT mit ca. 20 % an zweiter Stelle der Ursachenfrequenz, jedoch ist die tumorbedingte Hyperkalzämie im medizinischen Alltag beinahe 5mal häufiger. Diagnostik des HPT: Die Labordiagnostik ermöglicht zusammen mit der Knochenmarksbiopsie die sichere Unterscheidung von der Tumorhyperkalzämie (Tab.40.2-3). Ein sHPT kann jedem chronischen Dialysepatienten unterstellt werden: im Serum hohes Parathormon, hohes Phosphat und wechselndes Ca++ (letzteres initial eher niedrig, später eher erhöht). Zur allgemeinen Diagnosestellung, insbesondere des pHPT, gehören Röntgenaufnahmen von Hand, Schädel und langen Röhrenknochen, im Einzelfall - besonders beim sHPT - auch einmal eine Beckenkammbiopsie zum histologischen Nachweis der für den HPT typischen Fibroosteoklasie.
Diagnostik • Labor • Röntgenaufnahmen: Hand, Schädel, lange Röhrenknochen • Beckenkammbiopsie (in Einzelfällen). Mituntersuchung von: Niere, Galle, Magen, Pankreas wegen möglicher Organkomplikationen
Im Zweifelsfall sollten Niere, Galle, Magen und Pankreas untersucht werden zum Ausschluß bzw. Nachweis einer auch hier manifesten Organkomplikation.
Praxishinweis: In der Praxis führt der diagnostische häufig von den Nierensteinen zum pHPT.
Weg jedoch
sehr
Lokalisationsdiagnostik: Ist ein pHPT gesichert, sind heute lokalisationsdiagnostische Maßnahmen nicht notwendig, da in der Regel die operative Freilegung aller 4 NSD indiziert ist und in über 90 % aller Fälle das Adenom identifiziert sowie exstirpiert werden kann. Empfehlenswert sind jedoch die Sonographie (Abb.40.2-2) für den Halsbereich und CT/MRT für das vordere obere Mediastinum wegen der häufigen retrosternalen Lage von NSD-Adenomen.
Lokalisationsdiagnostik des HPT • Sonographie * M R T (Abb. 40.2-2).
Eine weitergehende Lokalisationsdiagnostik ist nur noch für die Rezidivoperation angezeigt:
Weitere Lokalisationsdiagnostik nur für Rezidivoperation:
774
40. Endokrine Chirurgie
Abb. 40.2-2: NSD-Adenom mit pHPTbei einem 34jährigen Mann, links Ultraschall, rechts MRT. Die Pfeile markieren das Adenom. (A = A.carotis communis, V = V.jugularis interna, T = Trachea) - arterielle Katheterangiographie - venöse Rückstromangiographie (Parathormonbestimmung)
Chirurgische Therapie des HPT
arterielle, superselektive Katheterangiographie zur Sichtbarmachung des vaskularisierten Tumors; venöse, superselektive Rückstromangiographie mit gezielter Blutabnahme zur jeweiligen Parathormon-Bestimmung (bis zu 10 verschiedene Blutabnahmen).
2.2.2 Chirurgische Therapie und Ergebnisse Eine Operation kommt nur bei Überfunktion infrage.
Operative Indikation
pHPT: Indikation mit Diagnoseerstellung • sHPT: absolute Indikation: - wenn Schmerzen und Spontanfrakturen konservativ nicht mehr therapierbar sind, - bei Bestehen einer permanenten Hyperkalzämie mit Sekundärkomplikationen
Intraoperative Maßnahmen • Schnellschnittuntersuchung zur Unterscheidung Adenom - Hyperplasie Postoperative Maßnahmen - wegen Gefahr der hyperkalzämischen Tetanie: 6stündliche Kalziumbestimmung und Substitution
bei Autotransplantation: für 3 Monate orale Kalziumzufuhr
2.2.2.1 Operative Indikationen, perioperative Maßnahmen Die operative Indikation sollte in enger Zusammenarbeit mit dem Endokrinologen bzw. Nephrologen gestellt werden. Für den pHPT ist die Indikation mit der Diagnose gegeben. Ausnahmen sind allgemein operationsgefährdete Patienten mit nur asymptomatischem, laborchemischem pHPTund nur ganz geringer Serumkalzium-Erhöhung.
Für den sHPT ist die absolute Indikation gegeben, wenn die Osteopathieschmerzen einschließlich der Neigung zu Spontanfrakturen konservativ nicht mehr beherrscht werden und terminal eine permanente Hyperkalzämie mit Sekundärkomplikationen besteht (sog. tHPT), z.B. Gefahr der Steinbildung im Nierentransplantat. Präoperative Maßnahmen: Bei der parathyreotoxischen Krise steht initial die konservative Intensivtherapie im Vordergrund (s. oben). Beim sHPT sollte kurz vor der Operation die letzte Dialyse stattgefunden haben, um Nachblutungen wegen Heparinisierung zu vermeiden. Intraoperative Maßnahmen: Wichtig ist die enge Zusammenarbeit mit dem Pathologen, um beim pHPT mittels Schnellschnittuntersuchung die Unterscheidung Adenom (ca. 85 %) zu Hyperplasie (ca. 15 %) treffen zu können. Postoperative Maßnahmen: Gefährlich ist die hypokalzämische Tetanie ( 2 3.postoperativer Tag) als Folge des „bone hunger" des demineralisierten Knochens. Je höher die alkalische Phosphatase präoperativ ist (Korrelat des Ausmaßes der Skelettbeteiligung des pHPT), desto wahrscheinlicher ist die postoperative Tetanie wegen Kalziumabwanderung in den Knochen (deshalb östündliche Ca ++ -Bestimmung und entsprechende Substitution i. v. oder oral). Bei Autotransplantation von NSD-Gewebe muß im Durchschnitt 3 Monate lang bis zur vollen hormonellen Wirksamkeit dieses transplantierten Gewebes oral mit Kalzium und AT 10 substituiert werden. Auch hierbei gilt, die Kalziumwerte nur auf subnormale Werte einzustellen, weil die Hypokalzämie den besten Reiz zur Regeneration auch des autotransplantierten NSD-Gewebes darstellt.
Operationsverfahren
2.2.2.2 Operationsverfahren
Freilegung beider Schilddrüsenlappen -> Aufsuchen aller 4 NSD -> bei erfolgloser Suche: subtotale Schilddrüsenresektion
Zugang wie bei Strumaoperation (s. Abb. 40.2-1). Nach Freilegen beider Schilddrüsenlappen werden alle 4 NSD entsprechend ihrer anatomischen Lage aufgesucht. Bei erfolgloser Suche schließt sich eine subtotale Schilddrüsenresektion an.
Nebenniere (NN)
775
Eine Sternotomie zur weiteren Suche wird erst in einem zweiten Eingriff durchgeführt, nach entsprechender Verlaufsbeobachtung und Lokalisationsdiagnostik.
Primärer HPT. Das Adenom wird unter Schonung des N. laryngeus recurrens exstirpiert. Empfehlenswert ist die gleichzeitige Exstirpation der homolateralen unauffälligen NSD zur besseren pathologisch-anatomischen Beurteilung. Sind Zweifel an Farbe und Größe der beiden anderen NSD, wird aus ihnen jeweils eine kleine Probeexzision entnommen: zur histologischen Beurteilung, ob es sich um eine noduläre 4-Drüsen-Hyperplasie handelt. Ist dies der Fall, werden alle NSD exstirpiert und ein Teil einer NSD in die Unterarmmuskulatur transplantiert (s.u.). Die Belassung eines Teiles einer NSD in loco typico zur Aufrechterhaltung einer normalen Funktion sollte unterbleiben, weil dies wieder hypertrophieren kann (erhöhte Gefahr einer Rekurrensverletzung bei Zweitoperation).
1. pHPT • Exstirpation des Adenoms Empfehlung: gleichzeitige Exstirpation der homolateralen unauffälligen NSD In Zweifelsfällen kleine Probeexzision zur histologischen Beurteilung • bei nodulärer 4-Drüsen-Hyperplasie: Exstirpation aller NSD und Transplantation einer NSD in die Unterarmmuskulatur
Sekundärer HPTi alle 4 hyperplastischen NSD werden exstirpiert (s. Abb. 40.2-1) und histologisch im Schnellschnitt untersucht. Aus der kleinsten NSD werden etwa 20 jeweils 1 mm 3 große Gewebestückchen herausgeschnitten und in subfasziale Muskeltaschen des Unterarms 1-2 cm tief implantiert. Hypertrophiert das transplantierte Gewebe im Unterarm mit der Konsequenz eines erneuten sHPT, kann das Gewebe in Lokalanästhesie reduziert werden.
2. sHPT • Exstirpation aller 4 hyperplastischen NSD -> histologische Schnellschnittuntersuchung -> Implantation von Gewebestückchen in die subfaszialen Muskeltaschen des Unterarms
Ergebnisse. Die Letalität für die elektive Operation beträgt 0-0,5 %, für die parathyreotoxische Krise ca. 20 %. Die funktionellen Spätergebnisse sind bei richtiger Indikationsstellung - sehr gut: beim pHPT 91-100%, bei sHPT (einschließlich Autotransplantation) 80-90 %.
Ergebnisse • Operationsletalität bei elektiver Operation: 0-0,5% • bei parathyreotoxischer Krise: ca. 20 % Funktionelle Spätergebnisse: zwischen 80 und 100% gut
Handelte es sich um einen p H P T bei multipler endokriner Adenomatöse (oft 4-Drüsen-Hyperplasie), ist die Rezidivrate bei Entfernung nur einer adenomatösen NSD mit über 35 % sehr hoch.
3. Nebenniere (NN)
Nebenniere
A. Hirner, M. Ziegler Klinische Anatomie: Die beiden NN sind kappenförmige Gebilde mit einer maximalen Größe von 6 x 3 x 1 cm. Sie liegen retroperitoneal und sitzen den oberen Nierenpolen auf. Ihr Gewicht beträgt 5-8 g. Die rechte NN liegt im kranialen Winkel zwischen V. cava inferior und Nierenvene; die linke NN hat enge Beziehungen zur Bursa omentalis, dem Pankreasschwanz und Milzhilus. Die arterielle Versorgung ist dreifach: A. suprarenalis superior aus der A.phrenica inferior, A. suprarenalis media direkt aus der Aorta und A. suprarenalis inferior aus der A. renalis. Die singulare V. suprarenalis mündet rechts in die V. cava inferior, links in die V. renalis. Auch wenn die Niere als Beckenniere disloziert ist, bleibt die NN in ihrer normalen Position in Höhe des 12. B W K / l . L W K .
Anatomie Die Nebennieren liegen retroperitoneal den oberen Nierenpolen auf
3.1 Nebennierenmark-Krankheiten
Nebennierenmark-Krankheiten
Einleitung und Physiologie: Für das Verständnis der NNM-Krankheitsbilder sind 3 entwicklungsgeschichtliche Phänomene von Bedeutung: 1. Die paarigen paravertebralen sympathischen Ganglien und die unpaaren prävertebralen Ganglien (Ganglion coeliacum, mesentericum superius und inferius) stammen wie das N N M von der Neuraileiste ab und produzieren ebenfalls Katecholamine (im Gegensatz zum NNM jedoch nur Noradrenalin); 2. die Herkunft der NNM-Zellen ist die Neuralleiste (Ektoderm); das NNM gehört deshalb zum diffus im Körper verteilten neuroendokrinen System. Dieses Zellsytem ist durch eine gleichartige Produktion von Polypeptidhormonen und biogenen Aminen gekennzeichnet, weshalb es auch APUD-Zellsystem genannt wird (/tmine Precursor i/ptake and Oecarboxylation: Aufnahme von Aminovorstufen und ihre Umwandlung durch Dekarboxylierung in biogene Amine). • Die wichtigsten APUD-Organe sind Hypophyse, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, endokrines Pankreas, sympathische Ganglien und N N M (s. Tab. 40.1-2, S.767).
Das Nebennierenmark gehört zum neuroendokrinen System, das diffus im Körper verteilt ist Produktion von Katecholaminen und biogenen Aminen (deshalb: APUD-Zellsystem) Wichtigste APUD-Organe - Hypophyse - Schilddrüse - Nebenschilddrüse - endokrines Pankreas - sympathische Ganglien - NNM
776
40. Endokrine Chirurgie
Wichtigste Funktion des N N M Produktion von - Adrenalin und - Noradrenalin Synthesegang: Tyrosin —» Dopa —» Dopamin —» Noradrenalin —> Adrenalin. A b b a u in der Leber zu Vanillinmandelsäure und deren Ausscheidung im Urin (diagnostisch v o n Wert)
3. ab der 10. SSW wachsen von den paravertebralen Ganglien Neuroblasten in das NNM ein: Bei Geburt sind sie kaum noch nachweisbar. Im NNM wird zu 80 % Adrenalin und zu 20 % Noradrenalin gebildet. Adrenalin wirkt vornehmlich auf die ß r R e z e p t o r e n des Herzens (positiv inotrop, dromotrop, chronotrop) und auf die ß 2 -Rezeptoren der Peripherie (Vasodilatation); Noradrenalin wirkt überwiegend peripher-vasokonstringierend (a-Wirkung). Die Synthese geht von Tyrosin über Dopa, Dopamin, Noradrenalin hin zu Adrenalin. In der Leber erfolgt der Abbau zur Vanillinmandelsäure, welche glukuronidiert im Urin ausgeschieden wird.
Krankheitsbilder • Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom • M.Addison
Klinische Krankheitsbilder: Mit dem Alter atrophiert das NNM, dennoch sind isolierte NNM-Unterfunktionen ohne klinische Relevanz: Es steht genügend extraadrenales katecholaminproduzierendes Gewebe zur Verfügung. Die wichtigsten Ursachen für den Untergang der gesamten NN sind das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (z.B. Meningokokkensepsis) und der M. Addison (bei Tuberkulose).
1. Phäochromozytom
3.1.1 Phäochromozytom
= hormonaktiver Tumor des NNM: Überproduktion von Katecholamin Bluthochdruck
Definition: Das Phäochromozytom ist ein hormonaktiver Tumor des NNM, welcher sich klinisch durch Überproduktion von Katecholaminen bemerkbar macht (Panik-Syndrom). Das führende Symptom ist der Hochdruck:
Symptome - Kopfschmerzen - Schwitzen - Blässe, Tremor u.a.
Dauerhochdruck Paroxysmaler Hochdruck Kopfschmerzen Schwitzen Zittern, Nervosität Blässe im Gesicht Tremor Übelkeit, Erbrechen Müdigkeit Gewichtsverlust
Dignität des Phäochromozytoms durch histologische Untersuchung meist nicht zu bestimmen, erst die Metastasierung gilt als Malignitätsnachweisl Epidemiologie • Inzidenz 0,1 % (Sektionsstatistik), davon • 2 0 % bei Kindern. • 1 0 - 2 0 % extraadrenal lokalisiert • 4 % bilateral • 1 - 2 % extraabdominal • 1 0 % maligne
Symptome (s. o.) • durch übermäßige Katecholaminproduktion - Anamnesedauer 3 Jahre - latente diabetische Stoffwechsellage - paroxysmale Hypertonie vegetative Symptome - systolische Blutdruckspitzen bis 300 m m Hg Seltene Verlaufsformen - wie akute Psychose - wie gramnegative S e p s i s - wie Thyreotoxikose - Akuter Herztod - Ruptur mit akuter Blutung
Erwachsener 70% 30% 80% 70% 60% 40% 40% 30% 30% 20%
Kind 90% 10% 80% 70% 30% 30% -
60% 30% 40%
Pathologische Anatomie: Der Himor hat ein durchschnittliches Gewicht von 90100 g bis hin zu über 2 kg. Die Chromaffinität ist an Adrenalin gebunden. Ausschließlich Noradrenalin enthaltende extraadrenale Phäochromozytome färben sich mittels Chromosalzen nicht dunkel: (nicht chromaffine) Paragangliome. Normalerweise ist der Tumor benigne; die sichere Aussage der Malignität ist nur bei Lymphknoten- oder Fernmetastasen zu treffen. Epidemiologie: Die Inzidenz des Phäochromozytoms beträgt in großen AutopsieStatistiken ca. 0,1%. Ungefähr 0,5-1,0% aller Hypertoniker haben ursächlich ein Phäochromozytom. 20% aller Phäochromozytome betreffen Kinder (50% davon sind bilateral, multipel oder extraadrenal). Das durchschnittliche Alter der restlichen 80% der Patienten liegt bei 30-50Jahren; über 60jährige sind sehr selten betroffen. Das weibliche Geschlecht überwiegt leicht. 10-20% aller Phäochromozytome liegen extraadrenal (= Paragangliome), 4 % sind bilateral (dann oft MEN, s. S.778), 7 % multipel und 10 % maligne. 10 % kommen familiär vor mit teils autosomaler Vererbung: MEN Typ II, 1 - 2 % aller Phäochromozytome liegen extraabdominell vor allem im Bereich paravertebraler sympathischer Ganglien teils thorakal, teils zervikal.
Symptome (s. o.) leiten sich von der übermäßigen Katecholaminproduktion ab. Es besteht, wie bei allen endokrin aktiven Tumoren, keine Korrelation zwischen Größe des Tumors und Ausmaß der Symptomatik. Durchschnittlich Anamnesedauer 3 Jahre. Wenngleich mit ca. 30 % nicht so häufig, sind die paroxysmale Hypertonie (1 x pro Tag bis 1 x pro Jahr - alle Intervalle sind möglich) und die sich jeweils anschließenden vegetativen Symptome s.o. für die Diagnose wegweisend. Systolische Blutdruckspitzen bis zu 300mmHg sind keine Seltenheit. Stimuli für die paroxysmale Attacke s. Tab. 40.3-1. Seltene klinische Verlaufsformen ähneln akut psychotischen Reaktionen, einer gramnegativen Sepsis, einer chronisch-kongestiven Herzinsuffizienz, einer Thyreotoxikose, einem plötzlichen Herztod oder einem Volumenmangelschock nach freier intra- oder gedeckt retroperitonealer Ruptur.
Nebenniere (NN)
777
Tab.40.3-1: Auslösende Stimuli für die paroxysmale
Hypertonieattacke
Durch den Patienten
Medikamentös - ärztlich
Alkohol/Nikotin, Körperwendungen, körperliche Anstrengung, stumpfes Bauchtrauma (einschl. Massage) lokale Wärmeanwendung Geburtsvorgang Lachen, Anstrengung bei Stuhlgang Gurgeln, Rasieren, Temperaturwechsel, Sexualverkehr Niesen, Schmerzen Hyperventilation, emotionaler Streß, voluminöses Essen, Miktion.
Allgemeinnarkose, Histamin, Amobarbital, Tetraäthylammonium, Propylthiouracil, Kortikotropin, Glukagon, Pneumoretroperitoneum, Karotissinusdruck
Diagnose. Trias aus • Anamnese, • Katecholaminspiegel in Plasma und Urin und • 131 J-M-Benzylguanidin-Szirti/grap/iie Fakultativ: CT, MRT (Abb. 40.3-1), Sonographie, i. v.-Pyelographie (mit konventioneller Tomographie), Angiographie - arteriell und (fakultativ) venös (mit selektiven Blutentnahmen) Die modernen biochemischen Untersuchungen umfassen nicht nur die Vanillinmandelsäure als Stoffwechselendprodukt im Urin, sondern auch direkte Messungen von Adrenalin und Noradrenalin im Plasma und Urin. Hierzu müssen zumindest 1 Woche lang Medikamente wie a-Methyl-Dopa, Monoaminooxydasehemmer und Sedativa abgesetzt sein. Die den Tumor darstellende mJ-M-Benzylguanidin-Szintigraphie ist wichtig für die Lokalisationsdiagnostik und von hoher Sensitivität und Spezifität. Zur weiteren Art- und Lokalisationsdiagnostik dienen CT, MRT und Ultraschall (Tumorgröße < 1 cm), ferner die selektive arterielle Angiographie (blush-Phänomen wegen der starken Vaskularisation).
Therapie. Absolute Indikation zur (elektiven) Exstirpation der betroffenen NN! Nur sie bringt Heilung. Wichtig ist die präoperative Einstellung des Hochdrucks mit a- (z. B. Dibenzysan®) und später ß-Rezeptorenblockern. Präoperatives und anästhesiologisches Vorgehen: Kurz vor der Operation Auffüllen des intravasalen Volumens, da dieses durch die periphere Vasokonstriktion verringert ist (Gefahr der Hypovolämie!). Während der chirurgischen Manipulation am Tumor kann es durch Katecholaminausschüttung zu exzessiven Blutdruckspitzen kommen (Gefahr der intrazerebralen Blutung!): Therapie mit Natriumnitroprussid! Ein erweitertes hämodynamisches Monitoring ist unerläßlich! Intraoperativ-chirurgisches Vorgehen: Der beste Zugang ist der transperitoneale Oberbauchquerschnitt mit der Möglichkeit zur Revision weiterer Phäochromozytom-Lokalisationen. Zunächst wird die V. suprarenalis ligiert, um die systemische Einschwemmung von Katecholaminen zu vermeiden.
Abb. 40.3-1: Phäochromozytom rechte Nebenniere (MRT) bei einem 45jährigen Mann (Pfeile markieren Tumor)
Diagnose Trias aus • Anamnese • Labor (Katecholamine) • Szintigraphie
Labor: Vanillinmandelsäure, direkte Messung von Adrenalin und Noradrenalin in Plasma und Urin
• Lokalisationsdiagnostik - CT, MRT - Ultraschall - selektive Angiographie Therapie • Exstirpation • zur Vermeidung von Blutdruckspitzen während der Operation: Applikation von Natriumnitroprussid
• chirurgisches Vorgehen - Oberbauchquerschnitt Exstirpation der gesamten NN
778
40. E n d o k r i n e C h i r u r g i e Bei bilateralem Phäochromozytom: Erhaltung einer NNR Wenn dies nicht möglich ist: Autotransplantation von NNR-Gewebe in die Unterarmmuskulatur Beim malignen metastasierenden Phäochromozytom: mögliche Reduktion der Tumormasse Operationsletalität: 0-3%, Patienten sind geheilt Malignes Phäochromozytom: Lebenserwartung 1-5 Jahre
Bei einseitigen Phäochromozytomen wird grundsätzlich die gesamte NN exstirpiert, bei bilateralen sollte zumindest eine NNR zur Vermeidung eines anadrenalen Syndroms erhalten bleiben. Ist dies operationstechnisch nicht möglich, Autotransplantation von NNR-Gewebe in die Unterarmmuskulatur. Beim malignen metastasierten Phäochromozytom wird soviel Tumorgewebe wie möglich exstirpiert: Zytostatika oder Strahlentherapie sind bislang ohne Erfolg. Ergebnisse und Prognose. D i e O p e r a t i o n s l e t a l i t ä t b e t r ä g t h e u t e b e i m sing u l ä r e n b e n i g n e n P h ä o c h r o m o z y t o m 0 - 3 % , die Kurz- u n d L a n g z e i t e r g e b nisse sind mit 7 0 - 8 0 % N o r m o t e n s i o n s e h r gut: D i e P a t i e n t e n sind geheilt, falls die j a h r e l a n g e H y p e r t o n i e nicht zu S e k u n d ä r v e r ä n d e r u n g e n g e f ü h r t h a t . B e i m malignen Phäochromozytom liegt die m i t t l e r e L e b e n s e r w a r t u n g zwischen 1 u n d 5 J a h r e n .
2. Multiple endokrine Neoplasie (MEN)
3.1.2 M E N u n d a n d e r e N N M - T u m o r e n
gehört zum APUD-System = multiples Auftreten aktiver Adenome (APUDome)
M E N : m u l t i p l e e n d o k r i n e Neoplasie. A u f g r u n d der A b s t a m m u n g des N N M v o n d e r Neuraileiste gehört es z u m A P U D - S y s t e m ( A P U D —> a m i n p r e c u r s o r u p t a k e a n d decarboxylation); das multiple A u f t r e t e n verschieden e r e n d o k r i n aktiver Adenome (= A P U D o m e ) ist möglich ( d a n n o f t f a m i liäre Disposition bzw. auch d o m i n a n t vererblich). D i e wichtigsten A P U D o m - K o m b i n a t i o n e n sind:
Syndrome • Wermer-Syndrom • Sipple-Syndrom
Typ I:
Beim HVL-Adenom werden folgende Hormone produziert: • ACTH • Somatotropin • Melanozyten-stimulierendes Hormon • Prolaktin Dagegen ist auch Ausfall aller Hormone möglich (Apoplex)
B e i d e n H V L - A d e n o m e n bedingt die Hormonaktivität das klassische Bild: M i t a b s t e i g e n d e r H ä u f i g k e i t ACTH, STH, MSH u n d P r o l a k t i n . Bei f o r t g e s c h r i t t e n e n H V L - A d e n o m e n ist ein Apoplex des H V L möglich mit Ausfall aller H o r m o n e .
Bei Typ II A und II B: Häufige Indikation zur bilateralen Adrenalektomie mit Autotransplantation
Wermer-Syndrom (autosomal dominanter Erbgang) - Inselzelladenom; Gastrinom oder VIP/PPom (teils Hyperplasie, teils Adenom) - Nebenschilddrüsenadenom: meist adenomatöse Hyperplasie - HVL-Adenom: meist mit Cushing-Syndrom evtl. + Schilddrüsenkarzinom (follikulär oder papillär) Typ I I A: Sipple-Syndrom (dominanter Erbgang) - Phäochromozytom (in 25 % bilateral; dann meist Hyperplasie) - Schilddrüsenkarzinom (medullär) evtl. + Nebenschilddrüsenadenom Typ I I B: (Erbgang z. Z. nicht festlegbar) - Phäochromozytom (häufig bilateral; dann meist Hyperplasie) - Schilddrüsenkarzinom (medullär) - orale/intestinale Ganglioneuromatose oder: - marfanoider Habitus/Skelettanomalien
Praxishinweis: Konsequenz dieser empirischen MEN-Erkenntnis ist der möglichst frühzeitige Ausschluß jeweiliger Zweit-APUDome in einer kontrollierten Nachsorge: Die einzelnen Krankheitsbilder können bis zu Jahrzehnten versetzt auftreten. • B e i Phäochromozytom ist d e r Ausschluß eines medullären Schilddrüsenkarzinoms b e s o n d e r s wichtig: B e s t i m m u n g d e s k a r z i n o e m b r y o n a l e n A n t i gens ( C E A ) u n d des Calcitonins. E i n e operativ -taktische K o n s e q u e n z ist bei Typ II A u n d II B gegeben: die h ä u f i g e I n d i k a t i o n z u r bilateralen Ardenalektomie mit Autotransplantation von N N R - G e w e b e in d e n U n t e r a r m .
3. Ändere benigne NNM-Tumoren Schwannome, Neurofibrome, Ganglioneurome. Angiome, Leiomyome, Myelolipome, Zysten, bindegewebige Tumoren Behandlung: Operation ab 3 cm Größe
Andere benigne NNM-Tumoren: Schwannome, Neurofibrome, Ganglioneurome; Angiome, Leiomyome, Myelolipome, durch Endothel oder Epithel ausgekleidete Zysten und bindegewebige Tumoren. Behandlung: Operation ab 3 cm Größe. Solche hormoninaktive Tumoren, die meist Zufallsbefunde sind, wird man ab einer Größe von 3 cm operieren, schon zum Ausschluß der Malignität.
4. Aridere maliqne NNM-Tumoren
A n d e r e maligne NNM-Tumoren: D i e A n z a h l der N N M - N e u r o b l a s t e n erreicht in d e r 17.-20. F e t a l w o c h e ihren H ö h e p u n k t . Z u r n o r m a l e n Variation g e h ö r t d e r e n Persistenz bis ins f r ü h k i n d l i c h e Alter.
- Neuroblastom: häufigster kongenitaler maligner Tumor
M i t e i n e r Sektionsinzidenz v o n 1 : 2 0 0 0 ist das Neuroblastom d e r häufigste kongenitale maligne Tumor; i n s g e s a m t liegt die m e d i a n e Inzid e n z d e s N e u r o b l a s t o m s beim A l t e r v o n 2 Jahren.
Nebenniere (NN)
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60 % aller Neuroblastome gehen vom NNM aus, die restlichen 40 % liegen extraadrenal. Oft ist der Tumor perkutan zu tasten. 3/4 zeigen erhöhte Katecholaminmetabolite im Urin.
Diagnose • Tastbefund und Katecholaminmetabolite im Urin
Die chirurgische Exstirpation ist die Therapie der Wahl und bringt im Stadium I (Tumor auf Ursprungsorgan beschränkt, keine Lymphknoten- oder Fernmetastasen) in 70 % dauernde Heilung. Zytostatika- und Strahlentherapie haben in Einzelerfahrungen eine gute Tumorregression erbracht.
Therapie der Wahl • Exstirpation • Zytostatika- und Strahlentherapie bringen Tumorregression
Sehr seltene maligne NNM-Tumoren sind das Ganglioneuroblastom gnose als das Neuroblastom), Teratom und maligne Melanome.
sehr seltene NNM-Tumoren - Ganglioneuroblastom - Teratom - malignes Melanom Nebennierenrinden-Krankheiten
(bessere Pro-
3.2 Nebennierenrinden-Krankheiten Klinische Anatomie und Physiologie: Die Nebennierenrinde (NNR) macht 80-90 % des Gesamtgewichts der NN aus. Sie ist in 3 Schichten gegliedert, denen jeweils eine bestimmte Hormon-(Gruppen-)Produktion zuzuordnen ist. Die Biosynthese aller NNR-Hormone geht vom Cholesterin aus. Der H V L hat eine entscheidende Rolle für die Regelmechanismen der Sekretion der meisten NNRHormone. Die 3 Schichten der NNR von außen nach innen sind: • Zona glomerulosa: Bildungsort des Mineralkortikoids Aldosteron (C 21-Steroid). • Zona fasciculata: Sie ist die stärkste NNR-Schicht, die Bildungsstätte der Glukokortikoide Kortisol und Kortison (C 21-Steroide). Die Glukokortikoide werden als 17-Hydroxykortikosteroide im Urin ausgeschieden. • Zona reticularis: Bildungsort der Androgene, vor allem Dehydroandrosteron (C 19-Steroid). Sie werden als 17-Ketosteroide im Urin ausgeschieden.
Ausgangspunkt der Biosynthese aller NNR-Hormone: Cholesterin
3.2.1 Conn-Syndrom (primärer Hyperaldosteronismus, PH)
1 Conn-Syndrom - primärer Hyperaldosteronismus (PH) = chronische Überproduktion von Aldosteron Bluthochdruck
Definition. Autonome, chronische Überproduktion von Aldosteron mit hypokaliämischem und hyporeninämischem Hochdruck. Im Gegensatz hierzu steht der senkundäre Hyperaldosteronismus, der durch eine erhöhte Reninausschüttung bedingt ist (z. B. bei Nierenarterienstenose oder Leberzirrhose).
3 Schichten der NNR von außen nach innen: 1. Zona glomerulosa: - Bildungsort von Aldosteron 2. Zona fasciculata: - Bildungsort von Kortisol und Kortison 3. Zona reticularis: - Bildungsort der Androgene
Die Inzidenz wird auf ca. 1 % aller Hypertoniker geschätzt. Es ist nicht mit anderen somatischen Abnormitäten kombiniert. Durchschnittliches Erkrankungsalter 30-50 Jahre, Frauen sind 3mal häufiger betroffen als Männer.
Inzidenz - 1 % aller Hypertoniker
Ätiopathogenese. 2 morphologische Substrate können dem PH zugrundeliegen: Singuläres Adenom (zu 75 %) oder bilaterale (manchmal noduläre) Hyperplasie (zu 25 %). Die meisten Adenome sind 1-2 cm groß und 1-3 g schwer; sie sind eingekapselt, ihre Schnittfläche ist goldgelb. Nur 2 % aller PH-Patienten sind durch ein NNR-Karzinom bedingt.
Morphologisches Substrat: - singuläres Adenom (häufiger) oder - bilaterale Hyperplasie (seltener)
Die Pathogenese der bilateralen Hyperplasie ist unklar (erniedrigte Sensitivität gegenüber ACTH oder Angiotensin II?).
Symptome. Die Anamnese dauert mehrere Jahre: meist nur mittelschwerer Hochdruck, (Hypervolämie wegen renaler Na + -Rückresorption), exzessive Hypokalämie (renaler K+-Verlust) und die Neigung zur metabolischen Alkalose (renaler H+-Verlust) mit konsekutiver Hypokalzämie (Tetaniezeichen). Die Hypokalämie äußert sich in Muskelmüdigkeit, Muskelschwäche, Darmträgheit und in einer verminderten renalen Sensitivität gegenüber ADH mit konsekutiver Polyurie und Polydipsie. Patienten geben oft nur Kopfschmerzen und allgemeine Müdigkeit an. Diagnose, Differentialdiagnose. Hochdruck, Hypokalämie, Urin-Kaliumverlust, Hyperaldosteronismus und Hyporeninämie stehen im Vordergrund. Wichtig ist hierzu das initial zumindest zweiwöchige Absetzen aller kaliumverlierender Antihypertensiva/Diuretika (Tab. 40.3-2).
Symptome - mittelschwerer Hochdruck - exzessive Hypokalämie mit folgenden Zeichen: Muskelmüdigkeit, -schwäche, Darmträgheit, Polyurie, -dipsie - metabolische Alkalose mit konsekutiver Hypokalzämie - allgemein: Kopfschmerzen und Müdigkeit Diagnose:
780
40. Endokrine Chirurgie Tab.40.3-2: Diagnostischer Algorithmus bei M.Conn 1. Nachweis des primären Hyperaldosteronismus Wenn
Dann
1. RR T und
Diuretika ab, nach 14 Tagen mehrfache Kp-Bestimmungen
2. Kp < 3,5 mmol/l
K+ im 24-h-Urin
3. K¡jr¡n > 40 mmol/24 h
Aldo-18-glucuronid im 24 h-Urin und Renin im Plasma
4. Aldo T und Renin i
Differenzierung: Adenom oder Hyperplasie?
2. Differenzierung: singulares Adenom oder bilaterale Hyperplasie - hoch auflösendes CT/MRT, Sonographie (bei > 10 mm in 75% zutreffend) - NNV-Katheter (in 90% zutreffend): selektive Blutabnahme (Aldosteron und Kortisol) - J 131 -Cholesterin-Szintigramm (in 50-80% zutreffend): evtl. mit Dexamethason-Suppression - Dexamethason-Test: periphere Blutabnahme (Desoxykortikosteron, Kortikosteron + Aldosteron)
Weitere diagnostische Methoden zur Abklärung (Adenom - Hyperplasie) sind: - CT, MRT - Ultraschall - Bestimmung von Aldosteron und Kortison im venösen Blut - NN-Phlebographie - Szintigraphie
Ist d e r P H bewiesen, so ist zu klären, o b es sich u m ein Adenom o d e r u m eine bilaterale Hyperplasie handelt. D i e wichtigsten Schritte h i e r z u sind CT, Ultraschall, MRT, venöse Blutabnahme ( A l d o s t e r o n und Kortison) nach selektiver K a t h e t e r i s i e r u n g beider Vv. s u p r a r e n a l e s u n d die sich anschließende NN-Phleobographie ( A b b . 40.3-2).
Therapie • medikamentös: Mittel der Wahl bei Hyperplasie: - Spironolacton - zusätzlich Antihypertensiva
Therapie. Medikamentös: Spironolacton ist d a s Mittel der Wahl bei d e r Hyperplasie; L a n g z e i t n e b e n e f f e k t e sind (dosisabhängig) G y n ä k o m a s t i e u n d I m p o t e n z .
• chirurgisch: - bei einseitigem Adenom: Exstirpation der NN
Chirurgisch. B e i m einseitigen A d e n o m ist die Exstirpation d e r N N die Behandlung der Wahl, selbstverständlich n a c h m e h r w ö c h i g e r Spironolactonb e h a n d l u n g in K o m b i n a t i o n mit Kaliumsubstitution.
Weniger verläßlich (50-80 % positiv) ist die NN-Szintigraphie mittels 131 J-Cholesterin, evtl. unter Dexamethasoninduzierter Suppression der ACTH-Ausschüttung: Beim autonomen Adenom stellt sich dann nur der Tumor dar, bei der bilateralen Hyperplasie dagegen beide Nebennieren.
Meist müssen zusätzlich Antihypertensiva appliziert werden. Die Wertigkeit von Amilorid und Cyproheptadin (Serotonin-Antagonist) ist in Diskussion.
Abb.40.3-2: Retrograde selektive NN-Phlebographie (Katheter von der V.femoralis über die V.cava inferior bis in die rechte V.suprarenalis hochgeführt) mit indirekter Darstellung eines Conn-Adenoms: „kugelig" verdrängte Kapselvenen (Pfeile) Radiologische Klinik, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
Nebenniere (NN)
781
E i n e perioperative H o r m o n t h e r a p i e ist nicht notwendig, evtl. empfiehlt sich die früh-postoperative Natriumsubstitution wegen eines passageren Hypoaldosteronis-
Bei Versagen oder zu starker Nebenwirkung der medikamentösen Therapie werden (bei der bilateralen Hyperplasie) beide NN exstirpiert mit gleichzeitiger Autotransplantation von NNR-Gewebe in die Unterarmmuskulatur.
bei Versagen der medikamentösen Therapie und bilateraler Hyperplasie: Autotransplantation v o n N N R - G e w e b e in die Unterarmmuskulatur
Intraoperativ-chirurgisches Vorgehen. Neben dem beim Phäochromozytom beschriebenen transperitonealen Zugang, der zur Exploration beider Nebennieren geeignet ist, gibt es auch den retroperitonealen (einseitigen) Zugang. Dieser ist beim Phäochromozytom wegen der schwierigen Unterbindung der Nebennierenvene ungeeignet, kommt aber für die Adrenalektomie wegen anderer Indikationen infrage. Neben dem konventionell offenen Verfahren kann die Nebenniere über einen retroperitonealen endoskopischen Zugang exstirpiert werden. Das Verfahren ist aber noch nicht etabliert.
Ergebnisse und Prognose. Die operative Letalität einer einseitigen NN-Exstirpation wegen Conn-Syndrom liegt bei 0-1 %, die dauernde Heilung bei über 90%. Bei bilateraler Hyperplasie ist die einseitige NN-Exstirpation ohne Erfolg; die beidseitige NN-Exstirpation ohne Autotransplantation erzwingt die lebenslange (schwierige) Substitution von Glukokortikoiden, ggf. auch Aldosteron.
• Operationsletalität 0-1 %. Dauerheilung über 90%
3.2.2 Cushing-Syndrom
2. Cushing-Syndrom
Definition. Permanent erhöhter Plasmakortisolspiegel (Hyperkortisolismus) mit Aufhebung des biphasischen Tagesverlaufs.
= dauernde pathologische Erhöhung des Plasmakortisols
Ätiopathogenese. Ursachen des Cushing-Syndroms s. Tab. 40.3-3. Beim primären (= peripheren) Cushing-Syndrom wird das Kortisol autonom in einem Tumor der NNR gebildet (häufiger Adenom, seltener Karzinom). Bei Kindern ist das Karzinom mit Abstand der häufigere Tumor. Für Adenom wie Karzinom ist die Seitenlokalisation jeweils 1:1, das weibliche Geschlecht überwiegt 3:1. Typisches Erkrankungsalter 20-40 Jahre. Die Tumoren haben eine Kapsel, sind rund, von gelber Farbe und fester Konsistenz. Bei größeren Tumoren bestehen zentrale Nekrosen und Kalzifikationen. Die Dignitätsbestimmung ist oft schwierig. Kleine Tumoren (unter 50 g) sind eher benigne, größere eher maligne.
a) Primäres Cushing-Syndrom: = Bildung von Kortisol autonom in einem Tumor der NNR - bei größeren Tumoren: zentrale Nekrosen und Kalzifikationen - bei Kindern häufiger - typisches Alter 20-40 J .
Tab.40.3-3: Ursachen des
Cushing-Syndroms
Primäres Cushing-Syndrom: - NNR-Adenom - NNR-Karzinom
15% 10%
25%
Sekundäres Cushing-Syndrom: - A C T H - Ü b e r p r o d u k t i o n im HVL (= M . C u s h i n g ) - ektopische ACTH-Produktion - A C T H - o d e r Kortisolmedikation
60% 10% 5%
75%
Das sekundäre (= zentrale) Cushing-Syndrom ist wesentlich häufiger. Hauptursache ist eine ACTH-Überproduktion im HVL, meist durch ein basophiles Mikroadenom (evtl. Sella-Verbreiterung im Röntgenbild). Durch das ACTH wird die gesamte NNR stimuliert, klinisch dominierend ist jedoch das Kortisol. Pathologisch-anatomisch besteht eine bilaterale, diffuse adenomatöse Hyperplasie, wobei einzelne Knoten so groß werden können, daß sie bei den bildgebenden Röntgenverfahren mit einem singulären Adenom verwechselt werden.
b) Sekundäres Cushing-Syndrom: • Hauptursache ist ACTH-Überproduktion im HVL bedingt durch basophiles Mikroadenom
782
40. Endokrine Chirurgie
• seltene Ursachen - ACTH- oder Kortison-Medikation, - ektopische ACTH-Produktion (paraneoplastisches Syndrom)
Seltenere Ursachen eines sekundären Cushing-Syndroms sind die ACTH- oder Kortison-Medikation und die ektope ACTH-Produktion im Sinne eines paraneoplastischen Syndroms; für letzteres sind kleinzellige, oft schon metastasierte Bronchialkarzinome besonders typisch, wenngleich beinahe jeder (maligne) Tumor ACTH-ähnliche Polypeptide bilden kann: Thymom, Insulinom, Karzinoid, medulläres Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozytom.
Symptome - Stammfettsucht - verminderte Infektabwehr - gestörte Wundheilung - Hochdruck - diabetische Stoffwechsellage - Neigung zu Magen-Darm-Ulzera - Rupturblutung (Notfall-Op.!)
Symptome. Das Cushing-Syndrom führt zu einer ganzen Palette klinischer Einzelsymptome:
bei Frauen Amenorrhoe Virilismus Hirsutismus
Diagnose a) Feststellung des Cushing-Syndroms - Aspekt des Patienten - erhöhte Plasma-Kortisol-Spiegel - freies Kortisol im 24-Stunden-Urin - niedrig dosierter DexamethasonHemmtest b) Ursachenbestimmung - Unterscheidung von primärem und sekundärem Cushing-Syndrom: direkte ACTH-Messung im Serum, hochdosierter Dexamethason-Test, Metopiron-Test c) Seitenlokalisation - CT, MRT - Ultraschall
Adipositas Diabetische Stoffwechsellage (bei Belastung) Stammfettsucht, Hochdruck, Müdigkeit je Extremitäten-Muskelatrophie, Hirsutismus, Menstruationsstörungen/Impotenz, Striae rubrae je plethorisches Vollmondgesicht Osteoporose (z. B. Fischwirbelbildung), Akne und Hautpigmentation je psychische Veränderungen, Ödeme je Büffelnacken Kopfschmerzen, schlechte Wundheilung Leukozytose mit Lymphopenie Magen-Darm-Ulzera
90 % 80 % 80 % 70 % 60 % 50 % 50 % 40 % häufiger seltener seltener seltener
• Für chirurgische Eingriffe sind Stammfettsucht, verminderte Infektabwehr und gestörte Wundheilung besonders gefährlich. Perioperativ beachtenswert sind der Hochdruck, die diabetische Stoffwechsellage und die Neigung zu Magen-Darm-Ulzera. Die akute, lebensbedrohliche Hyperkortisolismus-Krise hat keine chirurgische Relevanz, da sie immer medikamentös beherrscht werden kann (s. u.). Eine operative Notfallindikation ergibt sich nur aus der Rupturblutung. AGS: Da beim sekundären Cushing-Syndrom durch das A C T H auch die Zona reticularis stimuliert wird, stehen bei Frauen Amenorrhoe, Virilismus und Hirsutismus oft im Vordergrund. Sind die 17-Ketosteroide im Urin als Abbauprodukt des Androgens exzessiv erhöht, spricht dies für ein Karzinom, bei welchem meist Aldosteron, Glukokortikoide und Androgene gleichzeitig gesteigert sind.
Diagnose und Differentialdiagnose. Die Diagnose umfaßt: • Feststellung des Cushing-Syndroms. Bei fortgeschrittener Klinik erlaubt der Aspekt eines Patienten - in Verbindung mit dessen anamnestischen Angaben (hilfreich sind frühere Fotografien!) - die Verdachtsdiagnose. Beweisend ist das insbesondere abends/na.chts erhöhte Kortisol im Plasma (Ausschluß einer Streßsituation!). • Ursachenbestimmung. Zur Unterscheidung von primärem und sekundärem Cushing-Syndrom dienen die direkte ACTH-Messung im Serum, der hochdosierte Dexamethason-Test und der Metopiron-Test. Ist der ACTH-Spiegel im Serum exzessiv hoch, muß an ein paraneoplastisches Syndrom mit ektoper ACTH-Bildung gedacht werden (Suche des Primärtumors). • Seitenlokalisation. Beim primären Cushing-Syndrom erfolgt die Seitenlokalisation durch CT (Abb. 40.3-3), MRT, Ultraschall, selektiv-venöse Ka-
Abb. 40.3-3: CTeines linksseitigen großen NNAdenoms mit Cushing-Syndrom (Pfeile) (Radiologische Klinik, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
Nebenniere (NN)
783
theterisierung (zur seitengetrennten NN-Blutabnahme) mit retrograder NN-Venographie und - weniger zuverlässig - die Cholesterin-Szintigraphie.
- selektiv-venöse Katheterisierung - Cholesterin-Szintigraphie (wenig zuverlässig)
Therapie. Je nach Ursache bestehen unterschiedliche therapeutische Konzepte:
• Therapiekonzepte
• Exstirpation der betreffenden NN beim primären Cushing-Syndrom; • kausale Therapie eines mit ektoper ACTH-Bildung einhergehenden Tumors; • Exstirpation eines (Mikro-)Adenomes im HVL; • medikamentös-konservative Therapie bei sekundärem CushingSyndrom, falls kein HVL-(Mikro-)Adenom exstirpiert werden kann; alternativ hierzu • Röntgenbestrahlung des HVL (perkutan-konventionell oder Einlage von radioaktiven Seats) zur globalen Reduktion ACTH-produzierender Zellen; • Reduktion bzw. Absetzen einer Cushing-bedingenden Kortisontherapie. Adrenalektomie. Die früher bei der bilateralen nodulären Hyperplasie meist durchgeführte beidseitige Adrenalektomie ist heute weitgehend verlassen, da alternative Therapieformen (s.o.) besser sind. Versagen diese aber, kann heute wiederum bilateral adrenalektomiert werden, jedoch nur bei gleichzeitiger Autotransplantation von NNR-Gewebe in Muskelgewebe.
bei Versagen: bilaterale Adrenalektomie mit gleichzeitiger Autotransplantation von NNR-Gewebe
Medikamentös-konservative Therapie mit Metopiron und Aminoglutethimid (beides Inhibitoren in der Steroidsynthese = „Adrenostatika") und Mitotan (für die NNR zytotoxischer DDD-Abkömmling). Perioperative Maßnahmen beim primären Cushing-Syndrom: Nach der Tumorexstirpation muß früh-postoperativ Kortison substituiert werden, da die kontralaterale NNR stets supprimiert ist: 300 mg Hydrokortison am 1. postoperativen Tag, dann absteigende Dosierung. Nach einigen Wochen ist meist keine Substitutionstherapie mehr notwendig. Klassische Hinweise für eine NNR-Insuffizienz im postoperativen Verlauf sind unklares Fieber, Hypotonie, Hyperkaliämie und unklare Bauchschmerzen.
Medikamentöse Therapie - Metopiron - Aminoglutethimid - Mitotan Perioperative Maßnahmen - Kortisonsubstitution für einige Wochen
Ergebnisse und Prognose. Postoperative Komplikationen sind beim Cushing-Patienten wegen der zugrundeliegenden pathophysiologischen Besonderheiten häufig und gefürchtet. Die Letalität beträgt 2-4%, die Rate schwerer Infektionen (subphrenischer Abszeß, Pneumonie, infizierter Platzbauch etc.) 10 %. Häufig subkutane Wundheilungsstörungen. Bei exakt diagnostiziertem und operiertem NNR-Adenom ist der Patient geheilt, es sei denn, zwischenzeitlich durch die Cushing-Krankheit erworbene kardiovaskuläre Probleme führen ihrerseits zum Tode. Dies betrifft ca. 20% aller Cushing-Patienten trotz „chirurgischer Heilung"! Beim NNR-Karzinom ist die Prognose schlecht; Überlebenszeiten von mehr als 1 Jahr sind selten.
• Operationsletalität: 2-4% - bei exakter Operationsausführung: geheilter Patient - oftmals Exitus wegen erworbener kardiovaskulärer Komplikationen. Schlechte Prognose bei NNR-Karzinom Überlebenszeit < 1 Jahr
Nach der früher noch häufig durchgeführten bilateralen Adrenalektomie wegen sekundärem Cushing-Syndrom kommt es in 10-20 % - aufgrund des weiterbestehenden ACTH-produzierenden Mikroadenomes - zum sog. Nelson-Tumor des HVL, welcher mit Gesichtsfeldausfällen einhergeht, selten mit einem „Hypophysenapoplex" (Totalausfall aller Hormone).
3.2.3 Adrenogenitales Syndrom (AGS) und sonstige NNR-Tumoren Das AGS kann angeboren (Enzymmangel) oder erworben sein (NNR-Tumor). Kongenitales AGS: Es ist Folge von quantitativ unterschiedlichen Enzymdefekten in der Synthese der NNR-Hormone, besonders der Glukokortikoi-
3. Adrenogenitales Syndrom Man unterscheidet: a) Kongenitales AGS • Ursache: Enzymdefekte in der Synthese der NNRHormone
784
40. Endokrine Chirurgie
• klinische Symptome: - Pseudohermaphroditismus mit intersexueller Genitalentwicklung - isosexuelle Genitalentwicklung (beim Knaben)
de (am häufigsten C21-Hydroxylasemangel). Dieser relative Kortisolmangel bedingt bei intaktem Regelkreis eine vermehrte ACTH-Ausschüttung, wodurch sich zwar der Glukokortikoidspiegel wechselnd stark normalisiert, die Zona reticularis einschließlich der auf biochemischen „Umwegen" weiterhin möglichen Androgen-Synthese jedoch deutlich aktiviert wird. Zusätzlich wirken die Kortisolpräkursoren selbst vorwiegend androgen.
• bei geringer Störung: - Pubertas praecox (Knaben) - Virilisierung (Mädchen)
Die Symptomatik ist oft schon postpartal sichtbar im Sinne von Pseudohermaphroditismus mit intersexueller Genitalentwicklung beim Mädchen und isosexueller Genitalentwicklung beim Knaben. Bei geringerer biochemischer Störung kommt es erst später zur Pubertas praecox beim Knaben, bzw. zur Virilisierung beim Mädchen.
Therapie: Kortisolsubstitution
Die Therapie besteht in einer möglichst frühzeitigen Kortisolsubstitution. Chirurgische Maßnahmen betreffen höchstens die Korrektur intersexueller Genitalentwicklungen.
b) Erworbenes A G S Folge eines androgenproduzierenden NNR-Tumors. Seltene Erscheinung. Bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern • Mädchen: - Klitoris-Hypertrophie - Skelettwachstum - Virilismus • Frauen: - Amenorrhoe, - Virilismus. • Männer: verstärkter Virilismus.
Erworbenes AGS: Es ist Folge eines seltenen androgenproduzierenden NNR-Tumors (teils Adenome, teils Karzinome, ca. 1 Krankheitsfall pro 1 Million Einwohner). Bei Männern vermag der verstärkte Virilismus - mit Ausnahme der obligaten Hodenatrophie - keine besondere Aufmerksamkeit hervorzurufen. Bei präpubertalen Mädchen dominieren Klitorishypertrophie, Skelettwachstum (jedoch mit vorzeitigem Epiphysenverschluß) und Zeichen des Virilismus. Bei erwachsenen Frauen sind Amenorrhoe und Virilismus (Hirsutismus, erhöhte Libido, tiefe Stimme, Mammaatrophie etc.) Leitsymptome. Die Exstirpation des Tumors (beim Karzinom die weitestgehende Tumorverkleinerung) ist die Therapie der Wahl. Sonstige NNR-Tümoren: Diese nicht endokrin-aktiven Tumoren sind entweder Zufallsbefunde - sog. Inzidentalome - oder sie machen sich aufgrund ihrer oft beträchtlichen Größe durch mechanische Verdrängungserscheinungen bemerkbar. Die häufigsten Tumoren sind Zysten, Lipome, Adenome und Karzinome (oft mit Produktion endokrin-inaktiver, d.h. klinisch stummer Steroidpräkursoren!), Pseudozysten als Folge von NN-Hämatomen (evtl. verkalkt) und Myelolipome (Tumor aus Fettzellen und blutbildenden Anteilen). Wenn der Patient unter 60 Jahre alt ist, der Tumor über 3 cm groß und perioperative Risikofaktoren fehlen, wird die betreffende NN exstirpiert zum sicheren Malignitätsausschluß.
Behandlung: Exstirpation des Tumors. 4. Mächt endokrin-aktive Tumoren der NNR Zysten, Lipome, Adenome, Karzinome, Pseudozysten, Myelolipome Behandlung NN-Exstirpation zum Malignitätsausschluß Sonstige NNR-Tumoren - Zysten - Lipome, Adenome - Karzinome Endokrines Pankreas
• Die häufigsten Tumoren der NN (gute Durchblutung) sind hämatogene Metastasen anderer Malignóme
4. Endokrines Pankreas (GEP-System) A. Hirner, M. Ziegler
GEP-System: gastroenteropankreatisches System, das aus den Langerhans-Inseln, den Pankreasausführungsgängen und der Mukosa von Magen und Duodenum besteht und ebenso wie das Pankreas verschiedene Hormone bildet. Man kennt 30-40 GEP-Hormone.
Folge: Alle endokrinen Pankreastumoren kommen auch in der Wand von Magen und Duodenum vor Ausnahme: Insulinom
GEP-System (gastroenteropankreatisches S.): In den Langerhans-Inseln des Pankreas wird eine Vielzahl verschiedener Hormone produziert. Dieselben Hormone werden aber auch in einigen Zellen der Pankreasausführungsgänge und der Mukosa von Magen und Duodenum gebildet. Der Begriff „gastroenteropankreatisches System" (GEP-System) faßt diese Polytopie der Syntheseorte wie auch die Summe der jeweiligen Hormonfunktionen zusammen. Das GEP-System ist ein Teil des APUD-Systems (s. Tab. 40.1-2, S.767). Tabelle 40.4-1 beinhaltet die Zuordnung der wichtigsten Zelltypen zum jeweilig gebildeten Hormon und zum Namen des jeweiligen endokrin-aktiven Tumors. Insgesamt werden 30-40 Polypeptidhormone im GEP-System synthetisiert (radioimmunologische Typisierung), von welchen allerdings nicht jede physiologische Funktion restlos aufgeklärt ist. Mit einer einzigen Ausnahme (Insulin wird physiologisch und im Falle eines Tumors ausschließlich in der B-Inselzelle synthetisiert) sind alle in Tabelle 40.4-1 angegebenen Zellen und Hormone sowohl in den Langerhans-Inseln als auch in den endokrinen Mukosazellen von Magen/Duodenum identifiziert worden. Dies erklärt, daß alle endokrinen Pankreastumoren - mit Ausnahme des Insulinoms! - auch in der Wand von Magen/Duodenum lokalisiert sein können, wenngleich wesentlich selteUmgekehrt ist für Gastrin, Serotonin und VIP (s.u.) bisher nicht der Beweis erbracht, daß sie physiologischerweise im Pankreas gebildet werden; Gastrin-, Seroto-
Endokrines Pankreas (GEP-System)
785
Tab.40.4-1: Klassifikation der GEP-Zellen, durch Tumoren und dominierende Symptome Zelltyp
Hormon
Tumorbezeichnung
Klinik
Vorkommen
maligne %
A
Glukagon
Glukagonom
Diabetes, Erythem, Venenthrombose
Pankreas
60
B
Insulin
Insulinom
Hypoglykämie
Pankreas
D
Somatostatin
Somatostatinom
Diabetes, Subazidität, Steatorrhoe
Pankreas, Dünndarm
90
PP
pankratisches Polypeptid (PP) vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP)
PPom
pankreatische Cholera (= Verner-MorrisonSyndrom)
Pankreas
75
Pankreas + extrapankreatische Ganglioneuroblastome
50
60-80
VIPom
G
Gastrin
Gastrinom
Ulzera (= ZollingerEllison-Syndrom)
Pankreas, Duodenum, Magen
EC
Serotonin
Serotoninom
Karzinoid: Flush, Diarrhoe
Appendix, Dünn-Dickdarm, Magen Lunge
nin- und VIP-produzierende Pankreastumoren sind jedoch schon lange bekannt: Dies setzt eine Dedifferenzierung der Zelleistung voraus (= paraendokrine Sekretion). Diese multi- bzw. pluripotente Funktion der GEP-Zellen weist auf eine gemeinsame (unreife) Stammzelle hin: die sog. Typ IV- oder D,-Zelle. Meist steht klinisch die Wirkung eines Hormons im Vordergrund, Mischbilder sind jedoch möglich.
4.1 Unter- und Überfunktion
5
3-30
GEP-Zeilen: (Auswahl: Tab. 40.4-1)
Unterfunktion
Unterfunktion. Mit Ausnahme von Insulin und Glukagon sind die GEP-Unterfunktionszustände ohne Krankheitswert. Die fehlende Anlage oder eine verminderte Anzahl Glukagon-produzierender AZellen ist außerordentlich selten (McQuarrie-Syndrom): Ursache schwerer organischer Hypoglykämien bei Kleinkindern wegen des relativen Insulinüberschusses.
• McQuarrie-Syndrom -> Ursache einer schweren organischen Hyperglykämie bei Kleinkindern
Ursachen für Insulininsuffizienz: Dem Diabetes mellitus Typ I (sog. juveniler Diabetes) liegt pathologisch-anatomisch eine selektive Zerstörung der insulinproduzierenden B-Zellen zugrunde. Folge ist der absolute Insulinmangel. Die übrigen Bestandteile der Langerhans-Inseln sind nicht vermindert. Andere Ursachen für die Insulininsuffizienz sind die chronische Pankreatitis mit fortschreitender Zerstörung der Langerhans-Inseln und die chirurgische Pankreasresektion, bzw. -ektomie. Nicht zuletzt wegen des nach Pankreatektomie sehr schwierig einzustellenden Diabetes mellitus wird diese Operation so selten wie möglich durchgeführt.
Ursachen für Insulinisuffizienz Zerstörung der insulinproduzierenden B-Zellen mit absolutem insulinmangel: - Diabetes mellitus Typ I
Chirurgische Therapieansätze bei Insulininsuffizienz: Um die lebenslange Substitution von Insulin und die schwerwiegenden Folgen des Insulinmangeldiabetes zu vermeiden (Niere, Auge, diabetische Mikroangiopathie), versucht man B-Zellen zu transplantieren (s. Kap. 26, S.252). 3 Verfahren sind bisher an einzelnen Zentren angewandt worden; sie haben sich bislang noch nicht als Routineverfahren durchsetzen können: • homologe Transplantation des Linkspankreas (Korpus und Kauda bzw. des ganzen Pankreas-Duodenum-Präparates) • homologe Transplantation von Pankreasinseln (Einschwemmung als Suspension über die Pfortader in die Leber oder über die Milzgefäße in die Milz) • autologe Transplantation von Pankreasinseln: Nach Pankreatektomie werden die B-Zellen separiert und demselben Patienten sofort oder zeitversetzt (kryokonserviert) als Suspension in die Leber zurückgegeben.
Therapieansätze bei Insulininsuffizienz • Substitutionstherapie • Transplantation von B-Zellen:
Ursachen - chronische Pankreatitis - chirurgische Pankreasresektion
1. Homologe Pankreastransplantation 2. Homologe Transplantation von Pankreasinseln als Suspension via Pfortader in die Leber oder via Milzarterie in die Milz 3. Autologe Transplantation von Pankreasinseln nach Pankreatektomie in die Leber
786 Überfunktion = autonom hormonaktive Tumoren (S.Tab.40.4-1) - Pathogenetisches Prinzip der Tumoren: Speicherdefekt
Multiplizität • Insulinom 10% • Gastrinom 70% Malignität • Insulinom 10% • Gastrinom 60%
40. Endokrine Chirurgie Überfunktionen sind bedingt durch autonom hormonaktive Tumoren (s. Tab. 40.4-1). Diese werden im allgemeinen als Inselzelltumoren bezeichnet. Besser ist APUDome, da die histologische Struktur der APUDome weder an die Langerhans-Inseln erinnert noch alle hormonproduzierenden Zellen dieser Tumoren für die normale Insel, d. h. als lokal präexistent gesichert sind (s. GEP-System). Das pathogenetische Prinzip der Tumoren scheint ein Speicherdefekt zu sein: Die Granula werden ständig abgegeben und die Biosynthese dadurch unterhalten. Alle APUDome zusammen haben eine Autopsiefrequenz von 1 %; klinisch werden jedoch weniger als die Hälfte auffällig bzw. diagnostiziert. Sie sind meist zwischen 1 und 3 cm groß, kugelig und eingekapselt. Die Verteilung im Pankreas ist im allgemeinen gleichmäßig. Die Rate der Multiplizität ist unterschiedlich und schwankt zwischen 10 % beim Insulinom und 70 % beim Gastrinom. Tumoren unter 2 cm sind meist benigne, Tumoren über 6 cm meist maligne. Die Rate maligner APUDome ist ebenfalls unterschiedlich: Beim Gastrinom ist sie mit ca. 60 % besonders hoch, beim Insulinom mit ca. 10 % eher niedrig. Die histologische Bestimmung der Dignität ist wie bei jedem endokrinen Tumor schwierig. Das lokal infiltrierende Wachstum und die Existenz von Metastasen sind für Malignität beweisend. Die Metastasierung erfolgt in die peripankreatischen Lymphknoten und hämatogen in die Leber.
Giukagonom
4.1.1 Giukagonom, Insulinom
seltener Tumor. Klinisch 4 Hauptsymptome:
Giukagonom: Der Tumor ist selten. Er tritt bei Patienten mittleren Alters auf. Die Anamnesedauer beträgt mehrere Jahre. Der Prozentsatz der malignen Geschwülste ist hoch.
= 0
Glukagonbestimmung bei Familienangehörigen Therapie operative Entfernung. Patient ist geheilt Bei Inoperabilität: zytostatische Behandlung Insulinom = häufigstes APUDom
Die Klinik ist durch 4 wesentliche Symptome gekennzeichnet: • Glukoseintoleranz: Wahrscheinlich bleibt der manifeste Diabetes mellitus aufgrund der kompensatorischen Insulinhypersekretion lange Zeit verborgen. • Erythema necrolytica migrans: Es bevorzugt die Leisten-/Genitalgegend und die unteren Extremitäten; auch Schleimhäute sind befallen (Vulvitis, Stomatitis, Glossitis). Die Läsionen bestehen aus nässenden rotbraunen Plaques mit Krusten- und Schuppenbildung, Erosionen, Pusteln und Blasen. • Katabole Stoffwechsellage (Gewichtsabnahme, Hypoproteinämie, Hypoaminazidämie, Anämie). • Neigung zu Thromboembolien. Nicht alle der genannten Veränderungen sind derzeitig durch die physiologischen Wirkungen des Glukagons zu erklären. Da das Giukagonom auch im Rahmen der MEN (hierbei oft familiäre DisPosition) vorkommt, empfiehlt es sich, bei den direkten Familienangehörigen eine Glukagonbestimmung vorzunehmen. Nach der operativen Entfernung eines Glukagonoms sind die Patienten geheilt. Bei inoperablen Tumoren kommt die zytostatische Behandlung mit Streptozotozin infrage. Die chirurgische Tumorverkleinerung ist jedoch anzustreben. Insulinom (s. Abb.40.4-1): Es ist mit 1:100000 das häufigste APUDom: Ca. 75 % aller endokrinen Geschwülste des Pankreas sind Insulinome. Vom Insulinom muß abgegrenzt werden die Nesidioblastose: eine diffuse Hyperplasie des Inselzellapparates bei Neugeborenen meist diabetischer Mütter; sie kann ebenfalls zur Hypoglykämie führen. Bei Kindern ist das eigentliche Insulinom sehr selten. Durchschnittliches Erkrankungsalter 40-50 Jahre, Frauen sind etwas häufiger betroffen. Die Anamnese dauert durchschnittlich 2 Jahre. 10 % der Insulinome sind
787
Endokrines Pankreas (GEP-System)
Abb. 40.4-1: Selektive arterielle Angiographie der A. linealis: mit Pfeilen markiert der hypervaskularisierte Tumor am Übergang Korpus zu Kauda (Insulinom) (Radiologische Klinik Univ.-Klinikum Benjamin Franklin, FU Berlin)
multipel (dann oft MEN), ebenfalls 10 % zum Zeitpunkt der Diagnosestellung maligne. Extrapankreatische Insulinome sind nicht beschrieben, es sei denn, es liegt versprengtes Pankreasgewebe vor. Die Verteilung im Pankreas ist gleichmäßig.
Symptome des Insulinoms: • Adipositas und neurologisch-psychiatrische Symptome (je 90%): Konzentrationsmangel, Verwirrtheit, Stupor, Amnesie, Apathie, Depression, Sprach- und Sehstörungen, Krämpfe, Somnolenz, Bewußtlosigkeit, Hemiläsionen • vegetative Symptome (in 30%): Tachykardie, Schweißausbruch, Unruhe, Stenokardien, Ängstlichkeit, Übelkeit, Zittern, Parästhesien • abdominelle Symptome (ca. 10 %): epigastrische Schmerzen
Symptome des Insulinoms
Die Klinik ist durch die kurz- und langfristigen Effekte des organischen Hyperinsulinismus, bzw. der wiederholten Hypoglykämien bis hin zum Bewußtseinsverlust zu erklären.
Das wichtigste Diagnosezeichen ist die Whipple-Trias: • hypoglykämischer Schock, Nüchternblutzucker < 2,0 |imol/l (= 40 mg/ 100 ml) • die sofortige Besserung der Klinik auf Glukosezufuhr. • Das hervorstechendste klinische Merkmal ist die Adipositas durch ständige Kohlenhydratzufuhr in Konsequenz des stets erniedrigten Nüchternblutzuckers. Differentialdiagnose. Die häufigste Fehldiagnose - und auch die häufigste Erstdiagnose - ist aufgrund des wiederholten Bewußtseinsverlustes die Epilepsie.
Wichtigstes Diagnosezeichen = WhippleTrias: 1. hypoglykämischer Schock 2. Nüchternblutzucker < 2,0 pmol/l 3. Besserung bei Glukosezufuhr
Differentialdiagnose
Nach operativ-kausaler Therapie kommt es für einige Wochen zur mäßigen Hyperglykämie (reversibler Suppressionseffekt der gesunden B-Zellen). Danach sind die Patienten geheilt. Bei inoperablem und metastasiertem Insulinom wird mit Streptozotozin therapiert: phasenunspezifische Hemmung der DNS-Synthese mit besonderer Empfindlichkeit der B-Zellen des Pankreas.
Therapie operativ-kausale Behandlung mäßige Hyperglykämie (temporär) Bei Inoperabilität: Streptozotozin.
4.1.2 Somatostatinom, Verner-Morrison-Syndrom, Gastrinom
Somatostatinom Klinische Zeichen - Diabetes mellitus - verminderte Magensäuresekretion - Suppression der GEP-Hormonfreisetzung
Somatostatinom: Die Anzahl der bekannten Fälle ist zu klein, um dieses Syndrom klinisch gut definieren zu können. Im Vordergrund stehen ein manifester Diabetes mellitus (wegen verminderter Insulinfreisetzung), die verminderte Magensäuresekretion und die Suppression einer jeden GEP-Hormonfreisetzung.
788
40. Endokrine Chirurgie
Verner-Morrison-Syndrom oft maligne. Lokalisation in K o r p u s und Kauda
Klinik - intestinale Hypersekretion, dadurch - Verlust v o n Wasser und Elektrolyten - H e m m u n g der Magensekretion - maximale Pankreasanregung
Therapie der Wahl: Tu m o rexsti rpatio n Gastrinom Gastrinproduzierender Tumor (Zollinger-Ellison-Syndrom) Folge: - Magenhypersekretion - rezidivierende, peptische, atypische Ulzera - chronische oder intermittierende Durchfälle
Verner-Morrison-Syndrom: Synonyme: pankreatische Cholera, diarrhöogener Tumor und WDHA-Syndrom (Wäßrige Durchfälle, //ypokaliämie und Achlorhydrie). Bei den meisten Patienten werden 2 Hormone nachgewiesen: VIP und PP; insofern ist das Verner-Morrison-Syndrom die Kombination eines VIPoms und PPoms. 80 % der Tumoren sind in Korpus und Kauda lokalisiert, meist über 3 cm groß und in 50 % maligne. Die Klinik ist bedingt durch eine intestinale Hypersekretion mit Verlusten von Wasser und Elektrolyten, eine Hemmung der Magensekretion (VIP) und eine maximale Pankreasanregung (PP), d. h den dadurch bedingten Verlust von alkalischem Pankreassekret. Sekundäre Veränderungen dieser profusen wäßrigen Durchfälle mit Störung des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes sind Gewichtsverlust, neuromuskuläre Symptome und Herzrhythmusstörungen. Therapie der Wahl ist - wenn möglich - die Tumorexstirpation. Sonst konservative Therapie mit Streptozotozin und Kortison. Bei Operabilität (ca. 50 %) sind die Patienten geheilt. Das Gastrinom produziert Gastrin (= Zollinger-Ellison-Syndrom). Durch die exzessive Dauerstimulation der Parietalzellen führt es zu einer exzessiven Magenhypersekretion und zu rezidivierenden peptischen-Ulzera. Die Ulzera sind oft atypisch gelegen, z. B. in der Pars II und III des Duodenums, ja sogar distal des Treitz-Bandes. Anastomosenulzera nach Billroth II-Magenresektion liegen nicht in der Anastomose, sondern im abführenden Jejunum (komplizierte Ulkusrezidive s. S. 551). 30% der Patienten haben zusätzlich chronische oder intermittierende Duchfälle, bedingt durch eine Inaktivierung der Pankreaslipase im Duodenum durch den hyperaziden Magensaft. D a s Gastrinom ist zu 70 % multipel, zu 60 % maligne (dann häufig schon Lebermetastasen) und zu 20 % extrapankreatisch in Duodenal- und Magenwand gelegen (diese zu 9 0 % maligne). M ä n n e r sind doppelt so häufig betroffen; der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 40 und 50 Jahren. Bei einem Viertel sind noch andere endokrine Tumoren vorhanden ( M E N ) , dabei am häufigsten der primäre Hyperparathyreoidis-
antrale G-Zell-Hyperplasie • u n g e h e m m t e Gastrinproduktion
Therapie 1. Entfernung des M a g e n s 2. Entfernung des gastrinbildenden Tumorgewebes 3. permanente Applikation v o n H 2 -Blocker heute wichtigste Therapie Gastrektomie nur bei Nicht-Ansprechbarkeit auf H 2 -Blocker
Weitere APUDome
4>
Die antrale G-Zell-Hyperplasie hat nichts mit dem Zollinger-Ellison-Syndrom zu tun. Auch sie kann eine verstärkte Ulkusinzidenz bedingen, insbesondere nach distal unvollständiger Billroth II-Magenresektion (blind verschlossener Antrumrest als sog. Duodenalstumpf"): Die G-Zellen sezernieren ungehemmt Gastrin, da sie von der Säure nicht erreicht werden. Therapeutisch stehen 3 Wege zur Verfügung: • Entfernung des Magens als Erfolgsorgan der übermäßigen Gastrinbildung. Die postoperative Letalität schwankt zwischen 2 und 10%. • Entfernung allen gastrinbildenden Tumorgewebes: wegen der häufigen Multiplizität und Malignität meist nicht möglich; • permanente Applikation von H2-Blockern (z.B. Cimetidine, Ranitidine, Omeprazol u.ä.) zur Kontrollierung der Hypersekretion: Dies gelingt bei ca. 80 % der Patienten. Obwohl die Mehrzahl der Gastrinome maligne ist, wird dessen Prognose in erster Linie durch die Komplikationen des Geschwürsleidens bestimmt (Blutung, Perforation, innere Fisteln etc.). Insofern steht heute die H2-Blokkertherapie im Zentrum des therapeutischen Konzeptes, ergänzt durch die wenn möglich - vollständige Exstirpation des Gastrinoms. Nur bei NichtAnsprechbarkeit auf H2-Blocker und Vorliegen multipler oder maligner Tumoren ist die Gastrektomie indiziert. Zytostatika sind ohne Erfolg. Weitere APUDome: Andere endokrine Tumoren sind Karzinoide (Serotoninom) oder ACTH-, MSH-, ADH- und Prostaglandine-produzierende Tumoren. Keiner dieser Tumoren ist jedoch für das Pankreas spezifisch. Das Serotoninom hat seine Primärlokalisation nur in 5 % im Pankreas; die häufigste Lokalisation ist die Appendix.
Endokrines Pankreas (GEP-System)
789
4.1.3 Allgemeine Diagnostik und operative Maßnahmen
Allgemeine Diagnostik
Diagnostik: Das Wichtigste ist das Häufiger-daran-denken! Beispiele hierfür sind das Erythema necrolytica migrans, die spontane Hypoglykämie, die wäßrigen Durchfälle und die aggressive Ulkuskrankheit. Dennoch werden heute sowohl Glukogonome als auch VIP-/PPome häufiger postmortal als zu Lebzeiten diagnostiziert. Mittels Radioimmunoassay kann jedes A P U D o m diagnostiziert werden. Spezifische diagnostische Schritte ergeben sich aus der jeweiligen Klinik: Magensaftsekretionsanalyse beim Gastrinom, Stuhluntersuchung beim VIP-/PPom, Glukosestoffwechseluntersuchungen beim Glukagonom etc. Die verschiedenen Tests beim vermuteten Insulinom, wie Fasten- und Stimulationstest (Tolbutamid, Glukagon), sind einerseits wegen der zu erwartenden Hypoglykämie gefährlich, andererseits wegen der Möglichkeit der direkten Insulinbestimmung weitgehend unnötig geworden. Die Differentialdiagnose der spontanen Hypoglykämie (DD zum Insulinom) ist in aller Regel einfach: große mesenchymale Tumoren, wie z.B. benigne Hämangioperizytome durch Glukoseverbrauch bei normalem Insulinspiegel, HVL- und NNR-Insuffizienz, Dumping-Spätsyndrom (hierbei mäßig erhöhter Insulinspiegel) und die gewollte Hypoglykämie mittels Einnahme von Sulfonylharnstoffen. Die häufigste Ursache der Spontanhypoglykämie ist jedoch noch immer der Hunger! Die apparative Diagnostik umfaßt alle röntgenologischen Methoden, wobei Ultraschall, CT und MRT wegen der geringen Tumorgröße oft versagen. Die Pankreasszintigraphie ist wertlos. Im Mittelpunkt der Lokalisationsdiagnostik für alle pankreatischen APUDome steht die selektiv arterielle Angiographie aufgrund der intensiven und guten Abgrenzung der hypervaskularisierten Tumoren (Abb. 40.4-1); Lebermetastasen lassen sich hiermit ebenfalls gut darstellen.
Häufiger daran denken! Diagnose jedes APUDoms durch Radioimmunoassay
Bei Gastrinom: Magensaftsekretionsanalyse bei VIP-/PPom: Stuhluntersuchung bei Glukagonom: Glukosestoffwechseluntersuchung Differentialdiagnose beachten
Apparative Diagnostik - Röntgenuntersuchung - arterielle Angiographie (Abb.40.4-1) - perkutan-transhepatische selektive Katheterisierung
Bei Tumoren von nur wenigen Millimeter Größe versagen jedoch oft alle bildgebenden Verfahren. Hierbei ist dann die perkutan-transhepatische selektive Katheterisierung von V. lienalis und V. mesenterica superior indiziert, wobei beim Zurückziehen des Katheters (beginnend in der äußersten Peripherie) alle 5 mm eine neue Blutentnahme erfolgt: A n der Stelle, wo die Hormonkonzentration sprunghaft ansteigt, muß auch das APUDom liegen. Die Katheterlage wird in jeder Position mittels Kontrastmittel dokumentiert. Dasselbe Verfahren kann auch intraoperativ angewandt werden.
Operative Maßnahmen: 70 % der A P U D o m e liegen oberflächlich, so daß sie enukleiert werden können, selten ist eine Linksresektion oder Duodenopankreatektomie erforderlich. Wird intraoperativ ein APUDom nicht gefunden, ist die „blinde" Linksresektion vertretbar. Die postoperative Krankenhausletalität nach APUDom-Enukleation. Linksresektion und Whipple-Operation wegen A P U D o m beträgt ca. 2 8%.
Operative Maßnahmen • Enukleation, • Linksresektion (selten) Operationsletalität: 2 - 8 %
Nicht endokrinaktive Inselzelltumoren. Einige seltene Inselzelltumoren haben weder eine klinisch bemerkare noch eine immunhistochemisch nachweisbare Hormonsekretion. Sie werden deshalb als nicht endokrinaktiv bezeichnet. Meist sind sie maligne, haben jedoch gegenüber dem klassischen Adenokarzinom des exokrinen Pankreas eine wesentlich bessere Prognose und zwar wegen ihres langsameren Wachstums, der geringeren Metastasierungsrate, der längere Zeit noch bestehenden Operabilität und des besseren Ansprechens auf Zytostatika (Streptozotozin und 5-Fluorouracil). Eine aggressive chirurgisch-onkologische Therapie ist deshalb gerechtfertigt.
Nicht endokrinaktive Inselzelltumoren - selten - häufig maligne - langsames Wachstum - selten Metastasen Therapie Operation u. Zytostatika
41. Kinderchirurgie J. Waldschmidt
Angeborene Halszysten und -fisteln (s. Kap. 30, S. 332)
1. Ösophagus, Thorax, Diaphragma Erkrankungerl der Speiserähre
1.1 E r k r a n k u n g e n d e r S p e i s e r ö h r e
Ösophagusatresie Angeborener Verschluß der Speiseröhre, meist mit Fistel zurTrachea (Abb.41-1): Typ lllb am häufigsten
Ösophagusatresie: angeborener Verschluß der Speiseröhre mit oder ohne Fistelgang zur Trachea. In 95 % bestehen Fistelgänge von der Trachea zur Speiseröhre, fast immer zum distalen Segment. Nach der Einteilung von Vogt ist der Typ l l l b am häufigsten (Abb.41-1). Es liegt eine Störung der tracheo-ösophagealen Septierung vor. Die Inzidenz beträg 1:3000 bis 1:4000, V3 sind Frühgeborene. Familiäre Häufungen kommen vor.
Krankheitsbild Neugeborene können nicht schlucken. Fruchtwasser, Speichel, Nahrung gelangen in die Atemwege Gefürchtet: Rückfluß von Magensaft Leitsymptome • Hydramnion • vermehrter Speichelfluß • Ansammlung von Fruchtwasser im Nasen-Rachenraum Spätsymptome • Erstickungsanfälle, Nahrungsmittelaspiration, Pneumonie, Zyanose Diagnostik • pränatal durch Sonographie • Sondierung der Speiseröhre: Stopp nach 10-12 cm • Probe nach Elefant • Röntgenuntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel. Abbildung von Thorax und Abdomen
Symptome. Die Neugeborenen können nicht schlucken. Fruchtwasser, Speichel und später die Nahrung gelangen in die Atemwege. Sehr zu fürchten ist der Rückfluß von Magensaft, der durch die physiologische Chalasie der Kardia im Neugeborenenalter begünstigt wird. Leitsymptome sind ein vermehrter Speichelfluß und eine Ansammlung von schaumigem Fruchtwasser im Nasen-Rachen-Raum. Die Kinder husten und haben Erstickungsanfälle. Nahrungsmittelaspiration, Pneumonie und Zyanose sind bereits als Spätsymptome zu betrachten. Bei 30 % bestehen weitere Fehlbildungen im Bereich des Herzens, der Atemwege, des Digestionstraktes bzw. des Urogenitalsystems. Pränatale Diagnostik. Durch ein Hydramnion wird man auf die Besonderheit aufmerksam. Mittels der pränatalen Sonographie ist die Fehlbildung nicht direkt nachweisbar. Sie gelingt aber per exclusionem durch Ausschluß anderer Ursachen einer Schluckstörung. Sondierung der Speiseröhre: Stopp nach 10-12 cm. Probe nach Elefant: In die Sonde insufflierte Luft entweicht gurgelnd durch die Nase und ist am Jugulum und zwischen den Schulterblättern am Rücken zu hören. Röntgenuntersuchung: Der obere Blindsack wird durch Insufflation von 1 ml Luft oder Instillation von 0,5 ml eines nichtionischen wasserlöslichen Kontrastmittels dargestellt. Stets müssen Thorax und Abdomen abgebildet werden, damit gegebenenfalls Zweitatresien im Digestionstrakt erfaßt werden. Bei einer unteren Ösophago-trachealen Fistel (Typ III b und IIIc, Abb. 41-1) ist Luft im Abdomen (Abb. 41-2).
n1H VV selten
6-8%
X
I" a 0,5%
? IIb 0%
1 X
Hie 0,5%
Abb.41-1: Ösophagusatresie. Einteilung und Häufigkeit nach Vogt
/H-Form 2%
Ösophagus, Thorax, Diaphragma
Abb.41-2: Neugeborenes mit Ösophagusatresie Typ III B nach Vogt. Wasserlösliches Kontrastmittel im oberen Blindsack, Luft im Magen infolge einer Fistel zwischen Trachea und distaler Speiseröhre
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Abb.41-3: Operatives Vorgehen bei der Ösophagusatresie. Rechtsseitige Thorakotomie, a. Extrapleurale Freilegung der Fistel zur Trachea, die ligiert und durchtrennt wird, b. End-zu-End-Anastomose der blind endenden Osophagussegmente
Therapie. Vorbereitung und Transport erfolgen bei erhöhtem Oberkörper, um den Magensaftrückfluß zu verhüten. Der Speichel wird fortlaufend abgesaugt. Die Speichelsekretion kann durch eine einmalige Gabe von 0,02 mg Atropin/kg KG vor dem Transport gehemmt werden. Eventuell ist die Reinigung von Larynx und Trachea erforderlich. Die Behandlung einer Pneumonie, Exsikkose und Azidose ist nur bei verschleppter Diagnostik notwendig. Ziel der chirurgischen Maßnahmen ist es, den Fistelverschluß und die Endzu-End-Anastomose der Speiseröhre in den ersten Lebensstunden zu erreichen (rechtsseitige Thorakotomie) (Abb. 41-3). Gelingt die primäre Anastomose wegen der großen Distanz der Ösophagussegmente nicht, wird eine Magenfistel angelegt und eine Bougierung angeschlossen. Mit dieser können die Speiseröhrensegmente so verlängert werden, daß in einer nachfolgenden Operation die Anastomosierung möglich wird. Gelingt die Kanalisierung mit einem Faden, kann auf eine zweite Operation verzichtet und eine Bougierung als Faden ohne Ende erfolgen. Die Prognose ist abhängig von Reife und Gewicht der Kinder, evtl. Zweitfehlbildungen und vom Schweregrad der Pneumonie. Bei den Neugeborenen der Risikogruppe WATERSTONE A (keine weitere Fehlbildung, Geburtsgewicht > 2500 g) beträgt die Letalität 0 % , bei Gruppe B (1800-2500 g oder 2500 g mit Pneumonie oder weiteren Anomalien) und Gruppe C (Körpergewicht unter 1800 g bzw. weitere schwere Fehlbildungen) muß jedoch mit einer Letalität von 10-15 % gerechnet werden.
Therapie • Vorbehandlung - fortlaufende Absaugung des Speichels - Hemmung der Speichelsekretion mit Atropin - Oberkörper erhöht lagern
Stenose. Es ist zwischen äußeren und inneren angeborenen Stenosen der Speiseröhre zu unterscheiden. Ursachen der angeborenen äußeren Ösophagusstenosen sind mediastinale Raumforderungen (Zysten, Duplikaturen) und Gefäßanomalien: A.lusoria, doppelter Aortenbogen, ligamentäre Ringbildungen bei rechts deszendierender Aorta. Ursachen der inneren Stenosen sind: angeborene Wandveränderungen durch Membranen, Knorpelspangen und andere Differenzierungsstörungen (Abb. 41-4). Die äußeren Stenosen durch Aortenbogenringanomalien liegen im oberen Drittel, die inneren Wandstenosen vorwiegend im unteren und z.T. im mittleren Drittel der Speiseröhre (Abb. 41-5). Symptome. Die Kinder regurgitieren und schlucken den Speichel nicht (= Dysphagie). Abhängig vom Grad der Speiseröhrenenge beginnt die Symptomatik im Neugeborenen-, Säuglings- bzw. späteren Kindesalter.
Angeborene Stenosen der Speiseröhr®
• chirurgische Maßnahmen - Fistelverschluß und End-zu-End-Anastomose der Speiseröhre - bei Nichtgelingen: Magenfistel und Bougierungsbehandlung
Operationsletalität: bei Neugeborenen - der Gruppe A: 0% - bei Gruppe B und C: 10-15%
• • -
äußere Ösophagusstenose: mediastinale Raumforderungen Gefäßanomalien innere ösophagusstenose: angeborene Wandveränderungen Differenzierungsstörungen
Klinische Zeichen • Regurgitation
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41. Kinderchirurgie
Abb.41-4: Neugeborenes mit Schluckstörungen. Kompression der Speiseröhre durch eine große mediastinale Zyste, welche die Trachea und den Ösophagus einengt, a. Seitliche Röntgenkontrastaufnahme, b. MRT vom oberen mittleren Mediastinum mit Darstellung der großen Zyste, c. Endoskopie: die Zyste wölbt sich in das Ösophaguslumen vor • Gefahr der Aspiration mit nachfolgender schwerer Atemstörung • Sandifer-Syndrom (SIDS) Therapie - grundsätzlich operativ
Ösophagusstriktur narbige Einengung nach Schädigung der Ösophaguswand Ursachen: Refluxkrankheit, Verbrühung und Verätzung Symptomatik: wie bei Ösophagusstenose Therapie: konservativ mit Bougierung eventuell Operation
Groß ist die Gefahr der Aspiration, vor allem nachts unbemerkt mit nachfolgender, schwerer Atemstörung (Sandifer-Syndrom, sudden infant death Syndrome (= SIDS), Larynxstenose, chronische Bronchitis, Bronchiektasen, Asthma bronchiale, Trachealstenosen). Die Behandlung der kongenitalen Ösophagusstenosen ist grundsätzlich operativ. Nur bei den inneren Stenosen ist ein Versuch mit einer Bougierung gerechtfertigt. Vor einer solchen sind durch Ösophagoskopie, Langzeit-/? HMetrie und Manometrie eine refluxbedingte Striktur und eine Stenose durch Geschwülste auszuschließen. Striktur: Narbige Einengung nach zirkulärer Schädigung der Ösophagusschleimhaut und tieferen Wandschichten. Häufige Ursachen sind die Refluxkrankheit bei Kardiainsuffizienz (distales Drittel), Verbrühungen und Verätzungen (obere und mittlere Enge). Die Symptomatik gleicht der bei einer Ösophagusstenose. Die Behandlung erfolgt konservativ mit Bougierung, endoluminaler LaserResektion, Stent-Implantation oder Operation (Ösophagektomie mit anschließendem Magenhochzug, Koloninterposition oder „gastric tube").
1.2 Erkrankungen von Lungen und Thorax Kongenitales lobäres Emphysem der Lunge Angeborene Überblähung einzelner Lungenlappen Ursache - Ventilverschluß durch Bronchusmißbildung: Einatmen der Luft möglich, jedoch kein Entweichen Krankheitsbild • Dyspnoe, evtl. Zyanose
1.2.1 Kongenitales lobäres Lungenemphysem Definition: Überblähung eines oder mehrerer Lungenlappen im frühen Säuglingsalter. Es liegt ein Ventilverschluß eines Lappen- bzw. Segmentbronchus durch lokale Bronchusfehlbildungen vor: Schleimhautfalten, Knorpeldysplasie, Kompression. Die Luft kann zwar eingeatmet werden, entweicht jedoch nicht. Betroffen sind vor allem der linke Ober- und rechte Mittellappen, vorwiegend Knaben, 50 % in den ersten 4 Lebenswochen. Symptome. Zunehmende Dyspnoe im Säuglingsalter, meist beginnend in der 2.-4. Lebenswoche, exspiratorischer Stridor, interkostale Einziehungen,
Ösophagus, Thorax, Diaphragma
793
- oberes Drittel vaskuläre Ringbildungen durch Aortenbogenanomalien
• mittleres Drittel Kompression durch Zysten Duplikaturen, Geschwülste
- unteres Drittel innere Stenosen durch Membran, Fibrosen, Knorpelspangen.
Abb. 41-5: Ursachen der kongenitalen Ösophagusstenosen im oberen, mittleren und unteren Drittel der Speiseröhre
evtl. Zyanose. Das Atemgeräusch ist abgeschwächt und der Klopfschall hypersonor. Das ipsilaterale Zwerchfell steht tief, die Interkostalräume sind weit, Herztöne und Spitzenstoß zur Gegenseite verlagert. Diagnostik. Das Röntgenbild zeigt eine starke Überblähung des betroffenen Lungenabschnittes mit Atelektase der angrenzenden Lunge und Verlagerung des Mediastinums zur Gegenseite (Abb. 41-6). Beim Neugeborenen fehlt noch die Luftfüllung. Das betroffene Lungensegment ist mit retiniertem Fruchtwasser gefüllt. Gelegentlich wird eine Pulmonalisangiographie erforderlich, um andere Fehlbildungen und Geschwülste abgrenzen zu können: vikariierendes Emphysem bei Atelektase der Nachbarsegmente, passagere Bronchusobstruktionen bei Aspiration oder duch Kompression, Geschwülste, vaskuläre Fehlbildungen. Therapie. Im allgemeinen muß notfallmäßig thorakotomiert und der betroffene Lungenabschnitt rezesiert werden. Die Prognose ist gut. Weitere Lungenfehlbildungen sind selten. Am häufigsten sind Hypoplasien und Dysplasien bei Zwerchfelldefekten, Lungensequestrationen (aberrierendes Gefäß, bei der extralobären Sequestration fehlende Bronchusdrainage und eigene Pleura), Lungenzysten, Bronchusanomalien. Die Diagnostik hat die Angiographie zum Nachweis aberrierender Gefäße, ein CT und im Einzelfall eine Bonchoskopie und Bronchographie einzubeziehen. Die Behandlung ist operativ.
• exspiratorischer Stridor • interkostale Einziehung • abgeschwächtes Atemgeräusch • Herztöne zur Gegenseite verlagert Diagnose • Röntgenbild: starke Überblähung des Lungenabschnittes. Füllung des Lungensegmentes mit Fruchtwasser (Abb. 41-6)
Therapie notfallmäßige Thorakotomie. Resektion des betroffenen Lungenabschnittes. Gute Prognose
1.2.2 Spannungspneumothorax der Früh- und Neugeborenen
Spannungspneumothorax
Häufige Folge eines Atemnotsyndroms mit und ohne artefizielle Ventilation, bei PEEP in ca. 10 %. Fast immer liegt ein interstitielles Lungenemphysem vor, begleitet von einem Mediastinalemphysem, gelegentlich auch von einem Pneumoperitoneum. Seltene Ursachen sind: Ruptur einer Emphysemblase oder Lungenzyste, Bronchusfistel bei Bronchusanomalien. Lebensbedrohlicher Zustand! Mit jedem Atemzug entweicht weitere Luft in die Pleurahöhle, wodurch die Lunge komprimiert und das Mediastinum zur Gegenseite verlagert werden. Das Zwerchfell steht tief. Höchste Eile ist geboten. Zur Entlastung reicht zunächst die Punktion der betroffenen Thoraxhöhle mit einer Plastikkanüle, anschließend die Anlage einer Bülau-Drainage (Abb. 41-7). • Bei großen Gasverlusten über die Fistel muß thorakotomiert oder thorakoskopiert werden. Die Fistel kann in der Regel mit Fibrinkleber verschlossen werden.
Entweichen von Luft in die Pleurahöhle bei jedem Atemzug -> Kompression der Lunge. Lebensbedrohlicher Zustand (Abb.41-7) Ursache - Atemnotsyndrom - Lungenemphysem mit Mediastinalemphysem Therapie - höchste Eile - zunächst Entlastung durch Punktion - später Bülau-Drainage • bei großen Gasverlusten: - Thorakotomie oder Thorakoskopie - Verschluß der Fistel mit Fibrinkleber
1.2.3 Trichter- und Kielbrust, Sternumspalte
Trichterbrust
Bei der Trichterbrust besteht eine Formveränderung des Brustkorbes durch trichterförmige Einziehung des Sternums (Pectus excavatum) und der parasternalen Rippenanteile. Ursache ist eine kongenitale Wandschwäche der sternokostalen Rippenabschnitte bei Störung des Mukopolysaccharidstoffwechsels.
Trichterförmige Einziehung des Sternums und der parasternalen Rippenanteile
794
41. Kinderchirurgie
Abb. 41-6: Lobäremphysem des linken Oberlappens bei 10 Wochen altem männlichen Säugling. Erhebliche Verdrängung des oberen Mediastinums nach rechts, Atelektase des linken Unterlappens
Man unterscheidet 4 Typen
Es werden 4 Typen unterschieden: Typ Typ Typ Typ
Beschwerden - Verkleinerung des Thoraxvolumens - Verdrängung und Torsion des Herzens und der großen Gefäße nach links Therapie Operative Korrektur bei schweren Formen Operationsmethoden Rehbein-Operationstechnik: Durchtrennung der vorderen Brustwand Keilresektion der Rippen Stabilisierung mit Metallschienen
Abb.41-7: Spannungspneumothorax. 11. Lebenstag, 800 g schweres Frühgeborenes. Extreme Verlagerung des Mediastinums nach links, Tiefstand des rechten Zwerchfells. Bronchusfistel mit Fibrinkleber verschlossen
I a, I b, II a II b
symmetrische Einziehung bei gut gewölbtem Thorax; asymmetrische Einziehung bei gut gewölbtem Thorax; symmetrische Einziehung bei Flachthorax asymmetrische Einziehung bei Flachthorax (Platythorax).
Symptome. Bei einer schweren Trichterbrust besteht eine erhebliche Verkleinerung des Thoraxvolumens und eine Verdrängung sowie Torsion des Herzens und der großen Gefäße nach links. Therapie: Die Veränderungen sind progressiv, weswegen bei schweren Formen der Trichterbrust die operative Korrektur angezeigt ist. Der Schweregrad wird aus den röntgenologisch zu ermittelnden inneren Parametern des knöchernen Thorax bestimmt (Abb. 41-8). Von den zahlreichen Operationsmethoden haben sich die nach Rehbein und nach Ravitch bewährt. • Bei der Rehbein-Operationstechnik wird die vordere Brustwand nach Durchtrennung und Keilresektion der Rippen mit schmalen Metallschienen stabilisiert.
Vertebral-Index VI =
VD • 100 SD + VD
leicht 36
Fronto-saggittal-lndex FSI =
SD 100 FD
leicht >30 mittelgradig 20-30 schwer Ruptur der kontralateralen Lunge Erstickungstod (Abb. 41-13)
Behandlung: Bei der Entbindung ist stets ein neonatologischer Intensivmediziner anwesend. Die wichtigste Aufgabe ist es, ein PFC-Syndrom baldmöglichst zu erkennen bzw. bei Nichtvorhandensein durch Stabilisierung der Kinder einem PFC-Syndrom vorzubeugen: Intubation, flache frequente Beatmung, Legen einer Schlürfsonde in den Ösophagus bzw. Magen, Lagerung auf die betroffene Seite, medikamentöse Behandlung des PFC-Syndroms, Legen eines zentralen Venenkatheters und eines arteriellen Katheters, Alkalisierung und sorgfältiges Monitoring zur Früherkennung eines Barotraumas (Pneumothorax, -operikard, interstitielles Emphysem usw.) sowie die Überwachung der Einstiegskriterien und Ausschlußkriterien für eine ECMO-Behandlung (Abb. 41-15), mit der ggf. schon präoperativ begonnen werden muß.
Therapie - höchste Eile - schnelle Entlastung der Lungen durch Beseitigung des Enterothorax - keine Punktion
MembranOxygenator
Anschluß des ECMOGerätes mit Kanülen in den Halsgefäßen
Abb.41-15: Bei einem PFC-Syndrom ist die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) angezeigt. Beim Säugling werden die A. carotis communis und die V.jugularis communis kanüliert. Das venöse Blut wird mit einer Pumpe durch den Membranoxygenator (künstliche Lunge) geleitet und zurück in die A. carotis gepumpt. Das ECMO-Gerät übernimmt während dieser 6-8tägigen Phase die Arbeit der Lungen und des Herzens
41. Kinderchirurgie
798 Dura kuppeiförmigimplantieren
VII. Rippe
Abb. 41-16: Operatives Vorgehen beim Zwerchfelldefekt. Große Defekte können durch Implantation von lyophilisierter Dura oder heterologem Perikard verschlossen werden
Präoperative Maßnahmen
Operatives Vorgehen Entlastungsoperation von abdominal. Hervorluxierung des prolabierten Darmes Beatmung wird möglich -> erst dann Regelversorgung -» Verschluß des Defektes durch Adaptation der Zwerchfellränder oder plastischer Verschluß Bei Fortbestehen der Zyanose: Duktusligatur und Gabe von Tolazolin, ECMO Letalität: 50%
Präoperative Maßnahmen: • Sauerstoffapplikation, evtl. Intubation, niedrige Beatmungsdrucke bei hoher Frequenz, keine Maskenbeatmung, • Einführen einer dicken Ablaufsonde zum Entweichen der Luft aus der Speiseröhre, • Lagerung auf die betroffene Seite bei erhöhtem Oberkörper, • vorsichtiger Azidoseausgleich (Gefahr der Alkalose), • Wärmeverlust verhüten, kontralateralen Pneumothorax drainieren. Operatives Vorgehen: Die Entlastungsoperation erfolgt von abdominal her. Der prolabierte Darm wird hervorluxiert, die Lungen können sich entfalten, und die Beatmung wird möglich. Der Defekt wird, wenn möglich, durch Adapation der Zwerchfellränder verschlossen. Bei großen Defekten wird lyophilisierte Dura oder Rinderperikard implantiert (Abb. 41-16). Bei Fortbestehen der Zyanose und respiratorischen Azidose infolge persistierender fetaler Zirkulation ist die Duktusligatur und die Gabe von Tolazolin (Vasodilatator) erforderlich. Einsatz von ECMO.
Letalität: 50 %.
2. Bauchwanddefekte, Leistenbruch, HydroVarikozele Nabelbruch, epigastrische Hernie
2.1 Nabelbruch, epigastrische Hernie, Omphalozele
• Bruchpforte ist der Nabelring. Selten Einklemmungen • Bei supraumbilikalen und epigastrischen Hernien: - chronische Inkarzeration von Fett—> sog. präperitoneales Lipom —> häufig rezidivierende Bauchschmerzen
Nabelbruch und epigastrische Hernien sind sehr häufig im Säuglings- und Kindesalter. Sie haben nur geringen Krankheitswert. Bei der Hernia umbilicalis bildet der Nabelring die Bruchpforte. Es prolabieren präperitoneales Fett, seltener auch Omentum majus und Darm. Einklemmungen sind wegen der breiten Bruchpforte und des kurzen Bruchsackhalses sehr selten. Bis zur Einschulung bilden sich die meisten Nabelbrüche spontan zurück. Bei den supraumbilikalen und epigastrischen Hernien liegen dagegen chronische Inkarzerationen von präperitonealem Fett des Lig. falciforme hepatis im Bereich einer Faszienlücke der Linea alba vor, sog. präperitoneales Lipom. Sie sind häufig Ursache rezidivierender Bauchschmerzen, weswegen der operative Verschluß der Faszienlücke angezeigt ist. Supraumbilikale Hernien sind wie die epigastrischen Hernien zu bewerten.
Therapie operativer Verschluß der epigastrischen Faszienlücke Bei Nabelbrüchen oft Spontanheilung bis zum 10. Lebensjahr Nabelschnurbruch Hemmungsfehlbildung der Bauchdecke mit Vorfall von Bauchorganen in die Nabelschnur
Krankheitsbild Bauchwandhernie
Omphalozele (Nabelschnurbruch): Hemmungsfehlbildung der Bauchdecke mit Vorfall von Bauchorganen in die Nabelschnur. Inzidenz 1:3000 bis 1:4000, keine Geschlechtsdifferenz, keine Vererbung, 10 % sind Frühgeborene. Es liegt eine unvollständige Rückbildung des physiologischen Nabelschnurbruches vor. Die Retraktion beginnt mit der zweiten Darmdrehung in der 10. Embryonalwoche. Unterbleibt sie, resultieren sehr große Omphalozelen mit Prolaps der Leber und weiteren Fehlbildungen. Symptome. Es besteht eine Bauchwandhernie. Bruchpforte ist der Nabelring, Bruchsack die Nabelschnur, ausgezogen zu einer dünnen, durchsichti-
Bauchwanddefekte, Leistenbruch, Hydro-Varikozele
799
Abb.41-17: Große Omphalozele (Nabelschnurbruch), a. Fetale Sonographie: Kugelige Raumforderung im Fruchtwasser vor der Bauchdekke des Feten, b. Dasselbe Kind: Im Bruchsack, der aus den Häuten der Nabelschnur besteht, befinden sich der gesamte Dünn- und Dickdarm sowie große Anteile der Leber gen Membran, die von Amnionepithel bedeckt und von Peritoneum ausgekleidet wird. Im Bruchsack befinden sich Dünn- und Dickdarm, Anteile der Leber, seltener auch andere Baucheingeweide (Abb. 41-17 a-b). Ein Vorfall der Leber bedeutet eine ungünstige Prognose, da eine sehr frühe Störung der embryonalen Entwicklung vorliegt, und die Zahl der schweren Begleitfehlbildungen sehr groß ist. Bei 40-50 % der Neugeborenen ist mit weiteren Fehlbildungen zu rechnen, nicht nur am Darm, sondern auch extraabdominell am Herzen, am UGS, ZNS, Skelettsystem und Zwerchfell. Gehäuft sind Trisomien (13, 18, 21), das EMG-Syndrom (Exomphalos-Makroglossie-Gigantismus-Syndrom = Wiedemann-Beckwith-Syndrom) und Kombinationen mit anderen Entwicklungsstörungen der Bauchdecke (Blasenekstrophie, vesikointestinale Fissur, Ectopia cordis, Sternumspalte).
Nabelring ist Bruchpforte Nabelschnur ist Bruchsack mit folgendem Inhalt: Dünn- und Dickdarm, Anteile der Leber, andere Baucheingeweide (Abb.4117)
Mit weiteren Mißbildungen ist zu rechnen - Trisomie - UGS - EMG-Syndrom u.a.
Pränatale Diagnostik. Omphalozelen können bereits in der Frühschwangerschaft durch die. fetale Sonographie nachgewiesen werden (12. SSW). Auch Begleitfehlbildungen können erfaßt werden, so daß in der Frühschwangerschaft gegebenenfalls eine Schwangerschaftsunterbrechung erwogen werden kann.
Pränatale Diagnostik fetale Sonographie
Behandlung. Baldiger operativer Bauchdeckenverschluß. Durch sorgfältige Vorbereitungen müssen Auskühlung und Schock verhütet werden.
Therapie
Erstmaßnahmen bei Omphalozele • Bedecken mit sterilen Tüchern und Aluminiumfolie (Gefahr der Auskühlung) • Seitenlagerung wegen Prolaps der Leber mit Kinking der V. cava inferior (Low-output-Syndrom, kardiogener Schock) • Magenablaufsonde, Ausschluß weiterer Fehlbildungen • Azidoseausgleich, Infusionsbehandlung, antimikrobielle Behandlung und Gabe von Vitamin Kj. Kleine Omphalozelen können durch Twisten der Nabelschnur reponiert und durch Ligatur an der Basis korrigiert werden. • Bei großen Omphalozelen ist eine Bauchhöhlenerweiterungsplastik erforderlich. Die Bauchhöhlenerweiterung erfolgt durch Bilden einer Tasche aus lyophilisierter Dura oder anderen Implantaten, welche kuppeiförmig in die Bauchdeckenmuskulatur und in das Peritoneum eingenäht werden. Das Implantat wird mit mobilisierter Haut gedeckt. Die Prognose ist getrübt durch die Begleitfehlbildungen, Letalität 15-20 %.
operativer Bauchdeckenverschluß Erstmaßnahmen bei Nabelschnurbruch
Bei großen Nabelschnurbrüchen: BauGhhöhlenerweiterungsplastik erforderlich
Letalität: 15-20%
800
41. Kinderchirurgie
Gastroschisis
2.2 Gastroschisis und mediane Bauchwandspalten
Paraumbilikaler Defekt der Bauchwand, meist rechts
Gastroschisis: Paraumbilikaler Defekt der Bauchwand (Bauchspalte) rechts, seltener auch links, neben der normal inserierenden Nabelschnur. Inzidenz 1:8000 bis 1:10000, Mädchen häufiger als Knaben, keine Vererbung, 2/3 sind Frühgeborene. Die Pathogenese ist ungeklärt. Möglicherweise liegt ein vaskulärer Insult bei vorzeitigem Verschluß der rechten A.vitellina vor, die die rechte Bauchwand versorgt.
Krankheitsbild: - kleiner Defekt ohne Bruchsack - prolabierte Darmschlingen sind stranguliert, ödemisiert, verquollen, zu einem Konvolut verbacken (Abb. 41-18) • prolabierte Organe: - Dünn- und Dickdarm - Duodenum - Magen - Harnblase - inneres Genitale (beim Mädchen) Therapie Transport der Mutter, terminierte vorzeitige Entbindung baldmöglichste Operation Wichtig ist: sachgemäße Erstversorgung im Kreißsaal Zu beachten: Torsion des Darms sofort beseitigen! Wichtigste operative Maßnahme Erweiterung der Bruchpforte zur Behebung der Strangulation. BauchdeckenErweiterungsplastik ist meist erforderlich Mediane Bauchwandspalten Vorkommen als:
1. Obere mediane Bauchwandspalte Defekt zwischen Nabel und Xyphoid
2. Vesikointestinale Fissur (mediane Unterbauchspalte) Kombination von Nabelschnurbruch und Blasenekstrophie. Meist mit weiteren Mißbildungen an Enddarm, Becken, Wirbelsäule, Genitale
Symptome. Der Defekt ist klein, ein Bruchsack fehlt. Die prolabierten Darmschlingen sind stranguliert, ödemisiert, verquollen und durch eine schwere fibroplastische Peritonitis in den letzten Schwangerschaftswochen (SSW) zu einem Konvolut verbacken (Abb. 41-18). • Es prolabieren Dünn- und Dickdarm, meist mit Duodenum, Magen, Harnblase und beim Mädchen mit dem inneren Genitale. Der pränatale, sonographische Nachweis erfolgt meist erst ab der 32. SSW, ein Hinweis auf die relativ späte Entstehung dieser Fehlbildung. Weitere Fehlbildungen sind daher selten (10 %). Sie sind beschränkt auf den Darm: Stenosen, Atresien, Aganglionose, Kurzdarm. Andere Mißbildungen sind noch seltener. Behandlung. Operation so bald wie möglich. Wichtig ist die sachgemäße Erstversorgung im Kreißsaal, die wie bei einer Omphalozele zu erfolgen hat. Besonders zu beachten ist die Torsion des Darms, welche noch vor Abdecken mit sterilen Tüchern beseitigt werden muß. Wichtigste Maßnahme ist die Erweiterung der Bruchpforte, damit die Strangulation behoben wird. Auf eine Bauchhöhlenerweiterungsplastik kann verzichtet werden, wenn das Kind vorzeitig in der 32.-34. SSW durch Sectio entbunden wird.
Die Prognose ist stark getrübt durch die Folgeschäden am Darm, die durch die intrauterine Strangulation verursacht worden sind. Die Letalität beträgt 30%. Bei pränataler diagnostischer Sicherung und vorgezogener Sectio kann sie auf < 10 % gesenkt werden. Mediane Bauchwandspalten werden von den übrigen Bauchwanddefekten abgegrenzt. Sie kommen als obere mediane Bauchwandspalte und im Bereich des Unterbauches in Form der vesikointestinalen Fissur und Blasenekstrophie vor. • Obere mediane Bauchwandspalte: Defekt zwischen Nabel und Xyphoid. Oft verbunden mit einer kleinen Omphalozele und unteren Sternumspalte. Der Eingeweidevorfall ist mit Haut bedeckt. Schwerste Komplikation ist das gleichzeitige Vorkommen einer Ectopia cordis abdominalis. • Mediane Unterbauchspalte (vesikointestinale Fissur): Diese Kombination einer Omphalozele und Blasenekstrophie geht mit weiteren Fehlbildungen am Enddarm, am Becken, an der Wirbelsäule und am Genitale einher. Oft liegt gleichzeitig ein Kurzdarmsyndrom vor. Die Korrektur ist sehr schwierig, und die Prognose quo ad vitam ist schlecht.
Abb.41-18: Paraumbilikaler Bauchwanddefekt, Gastroschisis. Die Bruchpforte liegt rechts, seltener auch links neben dem Nabel und ist im allgemeinen sehr klein. Ein Bruchsack besteht nicht. Der gesamte prolabierte Darm ist hochgradig stranguliert, meist torquiert und infolge einer Peritonitis schwer geschädigt
Bauchwanddefekte, Leistenbruch, Hydro-Varikozele • Blasenekstrophie (Becken- oder Blasenspalte): Defekt der unteren vorderen Bauchwand mit klaffender Symphyse und Blase bei Epispadie des Genitales. Inzidenz: 1:20 000, 80 % sind Knaben. Symptome: Beckenspalte mit gespaltener Symphyse, Klitoris bzw. gespaltenem Penis und ventral offener Blase, welche aufgeklappt als Platte den großen Defekt füllt. Die Ureterostien sind verzogen und häufig stenosiert. Oft bestehen weitere Anomalien des UGS: vesikoureteraler Reflux, Ureterabgangsstenose, Megaureter, beim Mädchen eine Atresie der Vagina mit Hydrokolpos, beim Knaben eine Retentio testis. Behandlung: Anzustreben ist die primäre Rekonstruktion der Blase noch vor Manifestation eines Harnwegsinfektes. Deswegen sollten Harnblase, klaffende Symphyse und die Epispadie schon am ersten Lebenstag verschlossen und die Bauchwand durch Annäherung der Mm. recti abdominales rekonstruiert werden. Voraussetzung ist eine vordere oder hintere Bekkenosteotomie. Die Orchidolyse und der Aufbau des äußeren Genitale muß u. U. auf einen späteren Zeitraum verschoben werden, kann aber schon beim Ersteingriff gelingen. Das wichtigste Ziel, die Herstellung der Harnkontinenz und die anatomiegerechte Rekonstruktion des äußeren Genitale, wird auch unter günstigen Bedingungen und primärer Endversorgung am ersten Lebenstag nur bei 2/3 der Kinder erreicht.
801 3. Blasenekstrophie Defekt der unteren vorderen Bauchwand mit klaffender Symphyse und Blase Krankheitsbild - Symphyse, Klitoris und Penis gespalten - ventral offene Blase - Ureterostien sind verzogen und häufig stenosiert Therapie - primäre Rekonstruktion der Blase am ersten Lebenstag - Rekonstruktion der Bauchwand Voraussetzung: Beckenosteotomie (vorne oder hinten)
Prognose: Herstellung der Harnkontinenz nur bei 2/3 der Kinder -> spätere Operation evtl. nötig
2.3 Leistenbruch, Hydrozele und Varikozele 2.3.1 Angeborener Leistenbruch
Angeborener Leistenbruch
Definition. Austritt von Baucheingeweiden durch den Leistenkanal in den Processus vaginalis peritonei. Indirekte Hernien werden bei 3 % aller Kinder angetroffen, in 60 % rechts, in 25 % links und in 15 % beiderseitig. Erkrankungsgipfel ist das Säuglingsund Kleinkindesalter. Der Processus vaginalis obliteriert nach dem Descensus der Gonaden. Beim Austritt von Baucheingeweiden wird er zum Bruchsack. Dieser tritt beim Knaben in das Skrotum ein und enthält Omentum majus und Darmschlingen. Beim Mädchen entwickelt sich die indirekte Hernie in die große Schamlippe und enthält sehr häufig Tube und Ovar. Die innere Bruchpforte liegt kranial der epigastrischen Gefäße in der Fovea inguinalis lateralis. Direkte Hernien sind seltener. Voraussetzung ist das gleichzeitige Vorliegen eines Internushochstandes und eines dünnen nachgiebigen Lig. interfoveolare. Die innere Bruchpforte ist kaudal-medial der epigastrischen Gefäße im Bereich der Fovea inguinalis medialis gelegen. Kleine direkte Hernien sind äußerlich an der oberhalb des Tuberculum pubicum gelegenen Schwellung zu erkennen. • Der Bruchsack tritt nicht in das Skrotum bzw. in die Schamlippe ein. Nahezu immer liegen Gleithernien vor, wobei die Harnblase oder das Lig. latum mit der Adnexe Anteile des Bruchsackes bilden.
Austritt von Baucheingeweiden durch den Leistenkanal a) Indirekte Hernie
Symptome. Beim angeborenen Leistenbruch besteht eine Schwellung in der Leiste bzw. im Skrotum oder in der Schamlippe, die beim liegenden Kind mit einem Finger in Richtung Leistenkanal ausgedrückt werden kann. Danach sind die Bruchsackblätter gegeneinander verschieblich (silk glove sign). Beim Vorfall der weiblichen Adnexe werden Tube und Ovar mechanisch beeinträchtigt, eine Verklebung des Fimbrientrichters, zystische Umwandlung der gestauten Ovarien und schließlich die Torsion und Nekrose von Tube und Ovar sind die Folgen. Differentialdiagnose: Gelegentlich bereitet die Abgrenzung einer Hydrozele des Funiculus spermaticus bzw. des Lig.rotundum (NUCK-Zyste) Schwierigkeiten. Hilfreich ist die Transillumination, da nur die wassergefüllte Hydrozele zu durchleuchten ist. Beim Mädchen kann der Adnexprolaps mit einer Lymphadenitis inguinalis verwechselt werden. Vergrößerte Lymphknoten liegen jedoch weiter late-
- Processus vaginalis wird beim Austritt von Baucheingeweiden zum Bruchsack • beim Knaben Eintritt in das Skrotum • beim Mädchen Entwicklung der Hernie in die Schamlippe b) Direkte Hernie: seltener - Bruchsack tritt nicht in Skrotum und Schamlippe ein - fast immer eine Gleithernie - Harnblase oder Ligamentum bilden mit Adnexe Anteile des Bruchsacks
Krankheitsbild - Schwellung in Leiste - Skrotum - Schamlippe • beim Mädchen - starke mechanische Beeinträchtigung von Adnexe, Tube und Ovar. Verklebung des Fimbrientrichters, zystische Umwandlung der Ovarien —> Torsion und Nekrose von Tube und Ovar Differentialdiagnose - Hydrozele des Funiculus spermaticus oder des Lig. rotundum (NUCK-Zyste)
41. Kinderchirurgie
802
ral, sind nicht in Richtung zum äußeren Leistenring verschieblich und bei einer Entzündung stark druckschmerzhaft. Beim Knaben kann ein retinierter Hoden eine Hernie vortäuschen. Im Gegensatz zur Hernie ist er vom Leistenring jedoch gut abzugrenzen und in der Regel auch so weit nach kaudal zu verlagern, daß der Anulus inguinalis externus frei wird. Komplikationen a) Inkarzeration: prolabierte Darmschlinge oder Adnexe ist stranguliert. Reposition nicht möglich Folge: hämorrhagische Infarzierung, Gangrän, Perforation, Peritonitis, Ileus b) Elastische Einklemmung: Reposition gelingt nicht. Noch keine Ischämie c) Reposition en bloc: Scheinreposition. Innerer Bruchring umschließt weiterhin den durchgetretenen Darm d) Hodentorsion: bei Fehlbeurteilung Gangrän von Hoden und Nebenhoden e) Appendizitis im Bruchsack: epigastrischer Schmerzbeginn, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzwanderung f) Richter-Hernie: Darmwandbruch mit Einklemmung der Darmwand. Darmpassage erhalten g) Littre-Hernie: Meckel-Divertikel im Bruchsack Therapie - Reposition des Darms durch Taxis - danach Operation angezeigt
Komplikationen: • Inkarzeration: Die prolabierte Darmschlinge bzw. die prolabierte Adnexe ist stranguliert und kann nicht reponiert werden. Hämorrhagische Infarzierung, Gangrän, Perforation, Peritonitis und Ileus stellen sich ein. • Elastische Einklemmung: Die Reposition (Taxis) gelingt nicht, eine Ischämie des Darms liegt aber noch nicht vor. • Reposition en bloc: Es liegt eine Scheinreposition vor. Die Taxis gelingt. Der innere Bruchring umschließt aber weiterhin den hindurchgetretenen Darm, so daß die Inkarzeration fortbesteht. • Hodentorsion: Sie wird gehäuft bei der präfaszialen Ektopie und Hernia parietalis subfascialis angetroffen. Bei einer Fehlbeurteilung tritt nach wenigen Stunden die Gangrän von Hoden und Nebenhoden ein. • Appendizitis im Bruchsack: Die Symptomatik unterscheidet sich nicht von der Symptomatik einer akuten Appendizitis an typischer Stelle: epigastrischer Schmerzbeginn, Übelkeit und Erbrechen, schließlich die Schmerzwanderung. Der Ablauf ist jedoch verhaltener, so daß Fehldiagnosen häufig sind. • Richter-Hernie: Darmwandbruch mit tangentialer Einklemmung der Darmwand bei erhaltener Darmpassage. • Littre-Hernie: Meckel-Divertikel im Bruchsack mit den bekannten Komplikationen.
• operatives Vorgehen Bruchsack hoch abtragen —> Bruchpforte durch Raffung der Aponeurose verschließen
Behandlung. Immer ist die Reposition des Darms durch Taxis anzustreben. Sie wird erleichtert in einem warmen Bad und in Kopftieflage bei erhobenen Beinen. Auf eine En-bloc-Reposition ist zu achten. Bei Vorfall der weiblichen Adnexe muß vorsichtig reponiert werden. Nach der Taxis ist die Operation angezeigt. Kein Bruchband. Bei der operativen Versorgung wird der Bruchsack hoch abgetragen und die Bruchpforte durch Raffung der Aponeurose vom M. obliquus externus verschlossen. Ein Internushochstand kann durch Naht nach Girard behoben werden. Bassini-Nähte sind beim Knaben wegen der hohen Zahl der Hodenatrophien gefährlich, bei den seltenen direkten Hernien u.U. aber erforderlich.
Hydrozele
2.3.2 Hydrozele, Varikozele
Wasseransammlung im Processus vaginalis peritonei
Hydrozele: Wasseransammlung im proximal und distal obliterierten Processus vaginalis peritonei (Hydrocele funiculi spermatici) bzw. im Cavum scroti (Hydrocele testis). Es besteht eine pralle, glatt begrenzte Schwellung im Verlauf des Funiculus spermaticus bzw. Skrotums. Der Hoden ist stets gut abzugrenzen (Differentialdiagnose gegenüber der symptomatischen Hydrozele bei Hodentumoren, Orchitis usw.). Die Hydrozele testis wird beim Neugeborenen und im Säuglingsalter sehr häufig angetrofen. Sie bildet sich in der Regel spontan zurück. Eine operative Versorgung ist nur erforderlich, wenn eine Kommunikation zur Peritonealhöhle vorliegt. Wir operieren ferner, wenn der Hoden palpatorisch, sonographisch und durch Transillumination nicht abgrenzbar ist (Verdacht auf zystischen Hodentumor) und wenn sich die Hydrozele bis zum Vorschulalter nicht spontan zurückgebildet hat. Das trifft insbesondere für die Hydrozelen des Samenstranges zu.
Glattbegrenzte Schwellung im Skrotum
Hydrocele testis - häufig beim Neugeborenen- und Säugling, spontane Rückbildung • operative Versorgung angezeigt, wenn: - Kommunikation zur Peritonealhöhle vorliegt - der Hoden nicht abgrenzbar ist - Hydrozele sich bis zum Vorschulalter nicht spontan zurückgebildet hat Varikozele Varizenförmige Ektasie der Venen des Plexus pampiniformis mit trophischer Schädigung des Hodens
Varikozele: Varizenförmige Ektasie der Venen des Plexus pampiniformis mit trophischer Schädigung des Hodens. Vorwiegend links gelegen, Hauptmanifestation in der Präpubertät und Pubertät.
Ileus, Analatresie, Pylorusstenose Es werden 3 Schweregrade unterschieden:
803 3 Schweregrade:
I. Grades, wenn das Venenkonvolut auf den Funiculus spermaticus beschränkt und kleiner als die doppelte Funiculus-Dicke ist, II. Grades, wenn das Krampfaderkonvolut bis zum Boden des Skrotums reicht und mehr als die 3 fache Funiculus-Dicke aufweist, III. Grades, wenn eine trophische Störung des Hodens besteht, erkenntlich an einer Abnahme des Hoden Volumens um 25 %, verglichen mit dem gegenseitigen Hoden. Ursache ist eine Ektasie der V. spermatica interna, welche links in die V. renalis einmündet und keine Klappen aufweist. Behandlung: Varikozelen I. Grades werden nicht behandelt. Bei Varikozele II. Grades muß in 6-8 wöchigen Abständen der Verlauf kontrolliert werden, bei Vorliegen einer trophischen Störung des Hodens (III. Grades) ist unverzüglich zu behandeln. Konservativ: transkutane, femorale Sklerosierungsbehandlung, die eine Obliteration der V. spermatica zum Ziel hat. Operativ: wenn die V. spermatica interna transfemoral nicht sondiert oder infolge mehrerer Anastomosen blockiert werden kann. In Analogie hierzu beschränkt sich das chirurgische Vorgehen auf die hohe Ligatur der V. spermatica interna. Das kann laparoskopisch (MIC) vorgenommen werden.
Therapie • bei Varikozele II. Grades und trophischer Störung des Hodens Behandlung einleiten • konservative Behandlung - Sklerosierung • operative Behandlung - hohe Ligatur der V. spermatica interna durch Laparoskopie
Symptomatische Varikozele: Venenektasie infolge Behinderung des venösen Abflusses. Ursachen sind zystische und tumoröse Vergrößerungen der gleichseitigen Niere (Wilmstumor, s. S.849), verdächtig vor allem die im frühen Kindesalter auftretende Varikozele.
Symptomatische Varikozele Venenektasie infolge Behinderung des venösen Abflusses bei Nierengeschwülsten
Drittgradige Varikozelen sind unbehandelt häufig Ursache der männlichen Infertilität. Zudem drohen Phlebitiden, Thrombosen und Phlebolithen.
3. Ileus, Analatresie, Pylorusstenose
Ileus
3.1 Ileus Funktionelle oder mechanische Behinderung der Darmpassage (s. Kap. 35.5, S. 602).
funktionelle oder mechanische Behinderung der Darmpassage
3.1.1 Funktioneller (atonischer oder spastischer) Ileus
1. Funktioneller Ileus
Darmatonien sind im Kindesalter meist symptomatisch, d.h. Folge- oder Begleiterscheinung anderer Erkrankungen, so nach Bauchoperationen, bei Sepsis, nekrotisierender Enterocolitis (NEC), Enteritis, Überdehnung durch Beatmung, Mesenterialinfarkt, Nebennierenblutung, Nierenvenenthrombose, bei Peritonitis und bei extraperitonealen Infektionen. Ein spastischer Ileus wird bei Bleiintoxikation, Überdigitalisierung, Porphyrie und gelegentlich bei psychogenen Darmspasmen angetroffen. Sonderformen sind: M. Hirschsprung, hypertrophische Pylorusstenose und Kardiospasmus.
a) Darmatonien: meist Folge anderer Erkrankungen - Bauchoperation - Sepsis - NEC - Enteritis b) Spastischer Ileus: meist bei - Intoxikation - Überdigitalisierung - Porphyrie
3.1.2 Mechanischerlleus
2. Mechanischer Ileus
Behinderung durch Obturation (Verstopfung), Kompression oder Strangulation (mit Beteiligung des Mesenteriums). Vorrangig sind 4 Fragen zu klären: (1) Liegt überhaupt ein Ileus vor? Beim Neugeborenen und Säugling kann ein Ileus durch intrakranielle Blutungen, Sepsis, Herzinsuffizienz, Myelomeningozele, Atemnotsyndrom, Hypothyreose, mesenteriale Minderperfusion u. a. vorgetäuscht werden, beim älteren Kind vor allem durch eine Hypokaliämie. (2) Besteht ein mechanischer oder ein funktioneller Ileus? In der Initialphase ist die Differenzierung nicht schwierig, da beim atonischen Ileus von Be-
Behinderung durch Obstruktion, Kompression, Strangulation Bei lleusverdacht sind 4 Fragen zu klären: 1. Liegt überhaupt ein Ileus vor?
2. Besteht ein mechanischer oder funktioneller Ileus?
804
3. Liegt eine Strangulation vor?
4. Liegt ein Dünn- oder Dickdarmileus vor? Tiefer Ileus: Bauchdistension im Vordergrund
Differentialdiagnose zwischen mechanischem und funktionellem Ileus im Kindesalter (s.Tab. 41-1)
Differenzierung zwischen Strangulation und Okklusion
41. Kinderchirurgie ginn an die starke abdominelle Distension mit Tympanie, vermehrter Flüssigkeitsansammlung, Bauchdeckenödem und Besenreiserzeichnung besteht, Darmgeräusche fehlen. Meist liegen auch die anderen Zeichen der Peritonitis bzw. einer weiteren Erkrankung vor: Fieber, Tachykardie, trokkene, belegte Zunge, schleimig-blutige Kotentleerungen (Tab. 41.1). (3) Liegt eine Strangulation vor? Die Differenzierung zwischen Strangulation und Okklusion hat schon der Erstuntersucher vorzunehmen, um bei der Strangulation alle verzögernden diagnostischen und konservativen Behandlungsmaßnahmen zu unterlassen, damit vor Eintritt der Gangrän und Durchwanderungsperitonitis laparotomiert und der Endotoxinschock vermieden werden kann (Tab. 41-2). (4) Liegt ein Dünn- oder Dickdarmileus vor? • Beim hohen Ileus setzt das Erbrechen frühzeitig und sehr vehement ein, Kotentleerungen bestehen noch, die abdominelle Distension ist auf den Oberbauch beschränkt oder fehlt ganz. • Beim tiefen Ileus steht die Bauchdistension im Vordergrund, das Erbrechen setzt oft erst nach 8-10 Stunden (Dünndarm) bzw. nach 1 oder mehreren Tagen (Dickdarmverschluß) ein. Schon in der Anfangsphase bestehen Kot- und Windverhaltung. Tab.41-1: Differentialdiagnose zwischen mechanischem und funktionellem Ileus im Kindesalter Symptom
Mechanischer Ileus
Funktioneller Ileus
Peristaltik
gesteigert
fehlt („Totenstille")
Bauchdecken
abhängig von der Loka- stark gewölbt, ödemisiert, lisation des Stopps mehr Besenreiserzeichnung, oft oder weniger stark geAszites wölbt, Tympanie
Allgemeine Zeichen fehlen der Peritonitis
trockene, borkig belegte Zunge, Fieber, Facies abdominalis, Tachypnoe, Schocksymptomatik, schleimigblutige Kotentleerungen, Miserere
Andere Erkrankungen
ZNS-Trauma, Hypokaliämie, Sepsis, basale Pneumonie, Pleuritis, Hypothyreose
häufig Voroperationen, Narben?
Tab.41-2: Differentialdiagnose zwischen Ileus durch Strangulation bzw. Okklusion Strangulation
Okklusion
Plötzlicher Beginn, heftige Schmerzen Schleichender Beginn, oft Vor- u. Begleiterkrankungen Initiales, nicht galliges Erbrechen
Überlauferbrechen: gallig, übelriechend, flockig, später Miserere
Reflektorischer Schock
Volumenmangelschock, Exsikkose, Adynamie, Auskühlung
Blut und Schleim im Kot
Kot- und Windverhaltung, abdominelle Distension, Aspirationspneumonie
Eile nötig
Vorbereitung nötig
Praxishinweis: Dickdarmstrangulation im Kindesalter meist durch konservative Maßnahmen reversibel (Spasmolytika, Klysma, KE-Reposition)
Praxishinweis: Sorgfältige Diagnostik und längerfristige Infusionstherapie, kardiale Vorbereitung, Therapie der Pneumonie nötig und möglich
Ileus, Analatresie, Pylorusstenose
805
3.1.3 Strangulationsileus
Strangulationsileus
Im Mittelpunkt steht die Ischämie des Darmes infolge Mitbeteiligung des Mesenteriums mit drohender Gangrän (6 h) und Durchwanderungsperitonitis mit Endotoxinschock (8-12 h). Größte Eile ist geboten, um den letalen Verlauf zu verhindern (Abb. 4119).
Ischämie des Darmes —> Gangrän, Durchwanderungsperitonitis
Ursachen der Strangulation sind: • beim Neugeborenen: intrauteriner Volvulus beim Mekoniumileus, Dünndarmvolvulus bei Malrotation, innere Hernien, Zwcrchfelldefekte, Mesenterialdefekte. • beim Säugling: Einklemmung von Leistenbrüchen, kongenitale Ligamente, Invagination, Filum terminale, mesenterikodivertikuläre Ligamente, Mesenteriallücken, • beim älteren Kind: postoperative Briden, mesenterikoparietale Hernien, paraduodenale, intersigmoidale und perizökale Hernien, Dickdarmvolvulus (Zökaltorsion, Sigmatorsion, Flexura-lienalisSyndrom), Omentumdefekte.
Größte Eile, u m letalen Verlauf zu verhindern! (Abb. 41-19) Ursachen der Strangulation
4 =
Symptome. Es bestehen heftige, vehement einsetzende Bauchschmerzen. Die Kinder erbrechen, sind schweißbedeckt und befinden sich im Schock. Das Abdomen ist noch nicht distendiert und gespannt. Nur die Region der betroffenen Darmschlinge ist heftig druckschmerzhaft. Das Erbrochene ist noch nicht gallig.
Symptome - vehement einsetzende Bauchschmerzen - Erbrechen - Schweiß, Schock - Region der betroffenen Darmschlinge druckschmerzhaft
3.1.4 Okklusionsileus
Okklusionsileus
Passagebehinderung durch intraluminale, extra- und intramurale Faktoren ohne primäre Zirkulationsstörung (Abb. 41-20 und Tab. 41.3).
Passagebehinderung durch intraluminale, extraluminale, intramurale Faktoren (Abb. 41-20) Krankheitsbild - schmerzloser Beginn -> zunehmende Distension des A b d o m e n s -> galliges Erbrechen, Kot- und Windverhaltung - Störung des Wasser- und Elektrolythaushaltes Erscheinungsbild der Kinder: exsikkiert, schlaff, oligurisch, schnelle Auskühlung, Aspiration Abdomen: gebläht, tympanitisch, plätschernde Darmgeräusche Röntgen Flüssigkeitsspiegel, hoher Zwerchfellstand
Symptome. Allmählicher, meist schmerzloser Beginn, zunehmende Distension des Abdomens und galliges Erbrechen bei Kot- und Windverhaltung. Es bestehen erhebliche Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes, da das Überlauferbrechen erst nach Füllung des ganzen prästenotischen Darms einsetzt. Die Kinder sind exsikkiert, schlaff, haben infolge gestörter Schutzreflexe oft aspiriert, sind oligurisch und kühlen wegen Nachlassens von Muskeltonus und Spontanmotorik aus. Das Abdomen ist gebläht, tympanitisch, anfangs nur wenig schmerzhaft, die Darmgeräusche plätschern, klingen und sind hochgestellt. Rö-Untersuchung: Je nach Lokalisation des Hindernisses bestehen 2 oder mehrere Flüssigkeitsspiegel bei stehenden Schlingen, abnormer Luftverteilung, hochstehenden Zwerchfellen und ausladenden Flanken.
Ischaemie! Ursachen:
Symptome:
Ursachen:
Symptome:
Invagination, Volvulus, Briden, Inkarzeration
Schmerzen, Kollaps, initiales Erbrechen, Blut und Schleim im Kot
Atresie Mekonium Tumor Aganglionose Fremdkörper Wurmknäuel
Dehydratation Verluste von Na+, K+, C f , HCO3 Adynamie Wärmeverlust Überlauferbrechen Kot- und Windverhaltung geblähtes Abdomen
Abb.41-19: Ursachen und S y m p t o m e Strangulationsileus
beim
Abb.41-20: Ursachen und S y m p t o m e beim
Okklusionsileus
806
41. Kinderchirurgie
Tab.41-3: Ursachen des Okklusionsileus Neugeborene
Säuglinge
Ältere Kinder
Obturation (intraluminal)
Atresie Mekonium M o r b u s Hirschsprung Small left Colon Milchpfropf Mukoviszidose
Fremdkörper Tumoren M o r b u s Hirschsprung Kotballen Ingestionsileus
Kotballen Tumoren Parasiten Darmwandhämatom Bezoare Fremdkörper
Strikturen (intramural)
Narben nach fetaler Peritonitis, nach NEC und vaskulären Insulten, Pancreas anulare
Brucheinklemmung, nach NEC, Zirkulationsstörung
Morbus Crohn Yersinia Colitis ulcerosa Bestrahlungsfolgen, Divertikulitis Tbc, HUS
Kompression (extraluminal)
Organo-Megalie v o n Blase, Leber, Niere, A b d o m i n a l t u m o r , große Zysten
Abknickung bei Malrotationen Adhäsionen Ligamenten Zysten Duplikaturen Tumoren
Adhäsionen nach Operation Tumor Zyste Duplikatur Divertikel kongenitale Ligamente SMA-Syndrom
Darmatresie
3.1.4.1 Darmatresie, -stenose, -striktur
Obturationsileus beim Neugeborenen (Abb. 41-21) Ursache Obliteration des D a r m l u m e n s oder vollständige Darmunterbrechung Klinische Zeichen galliges Erbrechen am ersten Lebenstag
Darmatresie: Obturationsileus des Neubgeborenen, meist des Duodenums und Ileums. Die Verlegung der Darmlichtung erfolgt durch eine Membran (Typ I), durch strangförmige Unterbrechungen infolge Obliteration des Darmlumens (Typ II) oder durch eine vollständige Darmunterbrechung (Typ III) (Abb. 41-21). Sonderform ist die „Apple peel-Deformität". Symptome: Galliges Erbrechen am ersten Lebenstag, abdominelle Distension und fehlende Mekoniumentleerung sind die klinischen Erscheinungen. Oft gelingt bereits intrauterin der Nachweis durch die fetale Sonographie.
Darmstenosen Einengung der Darmlichtung durch intraoder extraluminale Faktoren
Darmstenosen: Angeborene oder erworbene Einengung der Darmlichtung durch intra- und extraluminale Faktoren: Tumor, Zyste, Duplikatur, SMASyndrom, Störung des Wandaufbaus.
Striktur des Darmes narbige L u m e n e i n e n g u n g durch entzündliche Erkrankungen
Striktur des Darms: Narbige Lumeneinengung durch entzündliche intramurale Erkrankungen: M. Crohn, Colitis ulcerosa, Tbc, NEC und nach Hernien-Inkarzeration.
Strang
• r — M e m b r a n
D
||
jPf*1
\ \
32%
15% m/o Mes. Defekt a
b
WAyWM/ HtH'Rfff/
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^Separation
45%
• W
( Insultder j ) A. ileo-colica J ^
wmW Hj
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\ Separation
8%
Mes. Defekt c
d
Abb.41-21: Kongenitale Darmatresien, a. Membranöser Verschluß, b. Strangatresie, c. „Gap"-Atresie, d. „Apple peel"-Deformität
807
Ileus, Analatresie, Pylorusstenose 3.1.4.2 Hirschsprung-Erkrankung
Hirschsprung-Erkrankung
Dickdarmileus durch Engstellung des aganglionären Rektosigmoids.
Dickdarmileus durch Engstellung des Rektosigmoids oder anderer Darmabschnitte durch Aganglionose
Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind das Zuelzer-Syndrom (totale Aganglionose), die zonale Aganglionose nach N E C und anderen Darmentzündungen, die neuronale Kolondysplasie, Hypo- und Dysganglionose.
Es werden 3 Verlaufsformen angetroffen: • Obstruktion beim Neugeborenen durch ein langes, aganglionäres Segment. • Enterokolitis im Säuglingsalter. • Intermittierende Obstruktion mit endgültiger Manifestation beim älteren Säugling, Kleinkind, seltener noch später bei kurzen und ultrakurzen Segmenten. Gefürchtet ist die koprostatische Kolitis mit toxischem Megakolon, Durchwanderungsperitonitis und Endotoxinschock. Die Säuglinge verfallen innerhalb weniger Stunden und erbrechen, das Abdomen ist hochgradig distendiert und druckschmerzhaft. Es besteht ein tiefer Ileus mit Rahmentympanie bei leerer Rektumampulle und langem, engen Analkanal. Spontane und digital auslösbare Relaxationen fehlen. Gelingt es nicht, im Rahmen dieser klinischen Untersuchung den Darm zu entleeren, muß ein Anus praeter sigmoideus angelegt werden. Die diagnostische Sicherung erfolgt im Intervall durch Elektromanometrie: Kriterien sind Fehlen der Internusrelaxationen und der propulsiven Peristaltik, Auslösung von Massenkontraktionen, erniedrigte Compliance. Rektoskopie und Biopsie. Morphologische Kriterien sind: Fehlen des Auerbach- und Meissner-Plexus. Histochemische Kriterien: Erhöhung der Azetylcholinesteraseaktivität. Röntgenologische Kriterien: Enges Rektum, trichterförmiges Übergangssegment, Megakolon (Abb. 41-22).
3 Verlaufsformen: 1. Obstruktion 2. Enterokolitis 3. intermittierende Obstruktion
Gefürchtete Komplikationen • koprostatische Kolitis: Verfall des Säuglings innerhalb weniger Stunden, Erbrechen, druckschmerzhaftes Abdomen
Diagnostische Sicherung durch: • Elektromanometrie • Rektoskopie, Biopsie • Röntgen • Histochemie
Röntgenzeichen • enges Rektum • trichterförmiges Übergangssegment • Megakolon
Hernie
Abb.41-22: Röntgenologischer Nachweis eines M. Hirschsprung bei einem 6 Wochen alten Knaben. Das Rektum weitet nicht auf („enges Segment"). Der trichterförmige Übergang vom Rektum zum Colon descendens entspricht der Übergangszone. Die Darmwand enthält Ganglienzellen, die pathologisch verändert und funktionell gestört sind. Proximal davon schließt sich das Megakolon an
Abb.41-23: Defäkogramme bei Aganglionose, A. Die proximale Grenze des aganglionären Segmentes ist durch einen Pfeil markiert. Die peristaltischen Kontraktionswellen verlaufen unkoordiniert. Der Analkanal verkürzt sich nur wenig und öffnet sich nur gering. Die puborektale Schlinge erschlafft nur flüchtig und unvollständig, B. Defäkogramm bei Achalasie mit Kontraktion des Sphincter ani. Es besteht ein Megarektum mit kleinem anorektalen Basalwinkel (1). Der Analkanal ist lang. Bei der Defäkation (2,3) richtet sich die Rektumhinterwand nicht auf. Der anorektale Defäkationswinkel ist kleiner als 90°. Der Analkanal verkürzt sich nur wenig und öffnet sich nicht. Die Rektumhinterwand bildet eine Beckenbodenhernie
41. Kinderchirurgie
808 Defäkographie —> Vergrößerung des Winkels
Defäkographie: Sie ist bei ultrakurzen aganglionären Segmenten angezeigt. Diese sind durch eine Beckenbodenhernierung bei fehlender Relaxation des Analkanals und Vergrößerung des anorektalen Defäkationswinkels gekennzeichnet (Abb. 41-23).
Therapie wenn der Darm nicht entleert werden kann -» Anlegen eines Anus praeter sigmoideus Behandlung durch Kolostomie: Resektion des aganglionären Segmentes -»Darmkontinuität nach verschiedenen Techniken herstellen
Behandlung: Beim Hirschsprung-Ileus des Neugeborenen und bei der prästenotischen Enterokolitis im Säuglingsalter ist eine Kolostomie angezeigt. Das aganglionäre Segment wird im Intervall reseziert und die Darmkontinuität nach den Techniken von Rehbein, Swenson, Duhamel oder Soave wiederhergestellt. Bei tiefen kurzen Segmenten reicht die Proktomyektomie nach Lynn aus. Die Prognose ist gut. Es besteht eine familiäre Häufung. Die genetische Beratung ist daher wichtig. Weitere Fehlbildungen der ableitenden Harnwege sind auszuschließen.
Duplikatur
3.1.4.3 Duplikatur
Doppelbildung des Darms mit oder ohne Kommunikation zum angrenzenden Darmabschnitt (Abb. 41-24). Folge: - Kompression des anliegenden Darmabschnittes - Ulzeration mit Blutung ins Lumen - Perforation - maligne Degeneration Bei tubulären Duplikaturen: - Blindsacksyndrom - am häufigsten im lleozökalbereich
Definition. Doppelbildung des Darmes im Mesenterium mit oder ohne Kommunikation zum angrenzenden Darmabschnitt, meist in Form sphärischer oder tubulärer Hohlräume, die einen normalen Darmwandaufbau aufweisen (Abb. 41-24). Bei den sphärischen Duplikaturen ist durch den Sekretaufstau mit einer ständigen Größenzunahme zu rechnen. Es kommt zur Kompression des anliegenden Darmabschnittes oder gelegentlich zu Ulzerationen mit Blutung in das Lumen, Perforation und maligner Degeneration. Bei den tubulären Duplikaturen (Abb. 41-25) besteht dagegen ein Blindsacksyndrom („bacterial overgrowth"-Syndrom): chronische Bauchschmerzen, Resorptionsstörungen, Minderwuchs, abdomimelle Distension, enterale Blutungen, intermittierende, heftige Koliken durch Torsion und Abknickung der Duplikatur. Häufigste Lokalisation ist der lleozökalbereich. Sie können jedoch in allen Abschnitten des Digestionstraktes auftreten und sich durch beide Körperhöhlen erstrecken. Oft bestehen gleichzeitig Spaltwirbel, Halbwirbel, Keilwirbel am korrespondierenden Wirbelsäulenabschnitt, meist der BWS. Diagnose: Die diagnostische Sicherung gelingt durch Kontrastmitteldarstellung des Magen-Darm-Kanals, bei der sich tubuläre Duplikaturen mit Kontrastmittel füllen und sphärische Duplikaturen durch einen Pelotteneffekt an der mesenterialen Fläche des Darms abzeichnen. Bei Schleimhautheterotopie stellt sich die Duplikatur szintigraphisch dar. Sphärische Duplikaturen sind zudem sonographisch zu erfassen (Abb. 4126).
Diagnose Kontrastmitteldarstellung des MagenDarm-Kanals Bei Schleimhautheterotopie: Szintigraphie Bei sphärischen Duplikaturen: Sonographie
Abb.41-24: Duplikaturen des Magen-Darm-Kanals. Am häufigsten sind Dünndarmduplikaturen, die in Form der tubulären Duplikatur durch das Zwerchfell bis in das Mediastinum vordringen können
Ileus, Analatresie, Pylorusstenose
809
Abb. 41-26: Duplikaturen des Darmes: sphärische, durch Sekretaufstau zystisch erweiterte Duplikatur des Querkolons bei einem Neugeborenen am 1. Lebenstag
Abb. 41-25: Tubuläre Duplikatur des lleums
Komplikationen sind häufig: Perforation, Ulzeration, massive Blutung, Torsion, Volvulus des duplikaturtragenden Darmabschnittes, Blindsacksyndrom. Therapie: operativ, um Komplikationen vorzubeugen. Angestrebt wird die Resektion der Duplikatur. Gelegentlich muß jedoch die Schleimhautauslösung bzw. die Anastomosierung des Lumens mit der Darmlichtung ausreichen.
Komplikationen: Perforation, Ulzeration, massive Blutung, Torsion, Volvulus, Blindsacksyndrom Therapie operativ Resektion der Duplikaturen
3.1.4.4 Pancreas anulare
Pancreas anulare
Pancreas anulare (s. Kap. 35.12, S.700). Ringförmige Einengung des Duodenums durch Fusionsstörung der ventralen und dorsalen embryonalen Pankreasanlagen. Es besteht ein Duodenalileus mit galligem Erbrechen beim Säugling, seltener auch später. Bei 20 % der Kinder liegt eine Trisomie 21 vor. Ebenso häufig sind das gleichzeitige Vorkommen von Malrotationen und Atresien des Duodenums, seltener auch das gleichzeitige Bestehen einer Ösophagusatresie, Herzfehler, Rektumatresie, Mißbildungen der Harnwege, der Zwerchfelle, des Genitales und der Lunge. Die Behandlung ist operativ. Der Pankreasring darf nicht durchtrennt werden. Die Wiederherstellung der Darmpassage erfolgt durch eine DuodenoDuodenostomie, evtl. durch Duodenojejunostomie.
Ringförmige Einengung des Duodenums —> Duodenalileus mit galligem Erbrechen beim Säugling. Oft gleichzeitig Malrotationen und Atresien des Duodenums
Mekoniumileus. Obturation des terminalen lleums durch eingedicktes Mekonium bei Mukoviszidose, seltener auch ohne Pankreasfibrose als sog. Mekoniumkrankheit. Oft liegen bereits intrauterine Komplikationen vor: Atresie, Volvulus, Perforation mit Mekoniumperitonitis, Pseudozysten und Verwachsungssträngen. Die Symptomatik beginnt unmittelbar postnatal mit galligem Erbrechen, abdomineller Distension und Mekoniumentleerungsstörung. Die operative Korrektur ist wegen der ausgeprägten fibroplastischen Peritonitis schwierig. Die Prognose ist wegen der späteren Lungenveränderungen bei der Mukoviszidose schlecht. Es besteht eine familiäre Häufung. Deswegen ist die genetische Beratung wichtig. Eine wertvolle Ergänzung ist die intrauterine Diagnostik dieser Mißbildung.
Mekoniumileus Obturation des terminalen lleums
Therapie operativ durch Duodeno-Duodenostomie oder -jejunostomie
Symptome: galliges Erbrechen, abdominelle Distension, Mekoniumentleerungsstörungen Therapie operative Korrektur oft schwierig
3.1.4.5 Malrotation
Malrotation
Definition. Störung der embryonalen Drehung des Darms bei Unterbleiben der mesenterialen Haftung im 2. und 3. Schwangerschaftsmonat (Abb. 4127). Nach Grob können 3 Hauptgruppen unterschieden werden: • Nonrotation: 90-Grad-Rotation, Ausbleiben der 2. und 3. Drehung. Colon ascendens mittelständig, Darmkonvolut rechts gelegen, Duodenum rechts neben der Mesenterialwurzel deszendierend. Symptome durch frühkindlichen Volvulus und angeborene Verwachsungen, später kann es zum Dickdarmileus durch Abknickung des elongierten, geschlängelt verlaufenden Dickdarms kommen (Abb. 41-28).
Störung der embryonalen Drehung des Darms a) Nonrotation (Abb. 41-27, 28): 90-Grad-Rotation, Ausbleiben der 2. und 3. Drehung Symptome beim Säugling hoher Ileus, später Dickdarmileus
41. Kinderchirurgie
810
a)
c)
Abb. 41-27: Grundformen der Malrotation nach Grob, a. Nonrotation. Der Dünndarm liegt rechts, das Duodenum deszendiert rechts der Mesenterialwurzel, b. Malrotation I. Das Duodenum verläuft dorsal der Mesenterialwurzel, eine Flexura hepatoduodenalis ist nicht ausgebildet, das Zökum liegt im mittleren Oberbauch und ist durch Ladd-Adhäsionen auf das Duodenum fixiert, c. Malrotation II. Die Pars III des Duodenums verläuft vor der Mesenterialwurzel, das Colon ascendens liegt links oder hinter der Mesenterialwurzel
Abb. 41 -28: Röntgenologischer Nachweis einer Nonrotation des Darmes durch obere (MDP) und untere (KE) Kontrastmittelpassage, a. Das Duodenum deszendiert rechts der Wirbelsäule, der Dünndarm ist rechts im Abdomen gelegen, b. Der gesamte Dickdarm liegt im linken Abdomen, die Appendix links neben der Wirbelsäule im kleinen Becken
b) Malrotation I: 180-Grad-Drehung. Ausbleiben der 3. Drehung Symptome Meist Duodenalileus schon im Säuglingsalter c) Malrotation II: inverse 2. Drehung Symptome • Subileuserscheinungen • Bauchschmerzen Therapie operativ durch Lösung von Verwachsungen. Reposition des Darms und anatomiegerechte Fixation
• Malrotation 1:180-Grad-Drehung. Ausbleiben der 3. Drehung. Das Zökum liegt im rechten Oberbauch und ist durch Ladd-Adhäsionen am Duodenum fixiert. Es besteht ein Duodenalileus, meist schon im Säuglingsalter. • Malrotation II. Inverse 2. Drehung mit nachfolgender regelrechter oder fehlgerichteter 3. Drehung. Das Querkolon verläuft hinter der Mesenterialwurzel. Oft sind die Kinder lange symptomlos. Später bestehen Subileuserscheinungen mit rezidivierenden Bauchschmerzen durch Verwachsungen und Abknickungen. Die Korrektur erfolgt durch Lösung aller Verwachsungen, Entfaltung des Mesenteriums, Reposition des Darms und Fixation in anatomiegerechter Lage.
Invagination
3.1.4.6 Invagination
Einscheidung des Darms (Abb.41-29), am häufigsten des lleums in das Zökum. Meist bei Säuglingen, seltener bei älteren Kindern bei: - Tumoren - Polypen oder - Divertikeln des Darms Symptome - krampfartige Bauchschmerzen, Erbrechen - Säugling blaß, schweißig, haloniert - nach 6-8 Stunden Entleerung von Schleim und Blut - schubweiser Verlauf
Definition. Einscheidung des Darms, am häufigsten des lleums in das Zökum bzw. Colon ascendens (ileozökale und ileokolische Invagination) (Abb. 41-29). Reine Dünndarminvaginationen (ileoileal, jejunoileal) und Dickdarminvaginationen (kolo-kolische Invagination) kommen vor allem beim älteren Kind mit Tumoren, Polypen oder Divertikeln des Darms vor. Bei der idiopathischen Invagination erkranken vorwiegend Säuglinge im 4.-8. Lebensmonat. Symptome: Heftige krampfartige Bauchschmerzen und Erbrechen sind die Leitsymptome. Während des Anfalls sind die Säuglinge blaß, schweißbedeckt und haloniert. Nach 6-8 Stunden wird Schleim und Blut entleert. Der Verlauf ist schubweise. Im freien Intervall sind die Bauchdecken weich. Das Invaginat kann dann im rechten Mittel- oder Oberbauch als dolenter Tumor getastet werden. Der rechte Unterbauch ist leer, wie vor allem durch
Ileus, Analatresie, Pylorusstenose
811 colo-
ileo-coecal 34% Valvula Bauhini
colisch Valvula Bauhini
2% ?
Abb. 41-29: Formen und Häufigkeit der Invaginationen. Die enterokolischen Invaginationen (ileozökal und ileokolisch) sind mit fast 90% am häufigsten
normal
Abb.41-30: Sonogramm eines Säuglings mit Dünndarminvagination: „Schießscheiben "Phänomen
Malrotation
Abb.41-31: a. Volvulus des Dünn- und Dickdarmes um 2 x 360° bei Malrotation, Duodenalstenose, b. Malrotationen prädisponieren zum Volvulus, da die Basis des Mesenteriums sehr schmal ist. Bei normaler Rotation und mesenterialer Fixation ist die Haftstelle der Mesenterialwurzel sehr breit (1), bei der Nonrotation (2) und bei der Malrotation I (3) liegen die Fußpunkte der Darmschleife jedoch nahe nebeneinander
die bimanuelle abdomino-rektodigitale Untersuchung festgestellt werden kann. Diagnostik. Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch Sonographie („Schießscheiben"-Phänomen, Abb. 41-30) und durch das Röntgenübersichtsbild: Verschattung durch das Invaginat im rechten Mittel- oder Oberbauch, einzelne kleine Spiegel, luftarmes Abdomen. Ergänzend kann ein Kolonkontrasteinlauf angefertigt werden: Das Kontrastmittel bricht am Invaginat ab oder umfließt das Intussusceptum. Mit einem Einlauf gelingt in ca. 80 % die hydrostatische Devagination. Im Spätstadium, bei Ileus-Symptomatik und bei Vorliegen einer Peritonitis muß sofort operiert werden.
Sicherung der Diagnose - Sonographie: „Schießscheiben"-Phänomen - Röntgenübersichtsbild Verschattung im rechten Mittel- und Oberbauch. Einzelne kleine Spiegel, luftleeres Abdomen - Weitere Diagnostik Kolonkontrasteinlauf Therapie - hydrostatische Devagination - im Spätstadium bei Peritonitis: sofortige Operation
3.1.4.7 Volvulus, Dickdarmtorsion
Volvulus
Volvulus: Strangulationsileus durch Torsion des Dünndarms um die Mesenterialwurzel. Es liegt eine Ischämie des ganzen Dünndarms mit drohender Gangrän vor (Abb. 41-31).
Strangulationsileus. Ischämie des ganzen Dünndarms. Drohende Gangrän (Abb. 4131)
41. Kinderchirurgie
812 Symptome - plötzlich einsetzendes Erbrechen - Bauchschmerzen • Kreislaufschock • Abdomen eingesunken, luftleer, druckdolent Spätsymptome: • Distension • Abwehrspannung • Blut und Schleim im Mekonium bzw. Kot • Irreversibilität mit letalem Ausgang Therapie • Resektion des Darms Dickdarmtorsion Torsion einzelner Darmabschnitte des Dickdarms. Am häufigsten: Sigma- und Zökaltorsion Therapie - konservativ: Einlauf, Spasmolytika - vorsichtige Manipulationen - Operation nur selten nötig
Der Verlauf ist deletär, wenn nicht innerhalb weniger Stunden detorquiert wird. Meist liegt eine Drehunganomalie des Darms vor, die gleichzeitig korrigiert werden muß. Es ist eine typische Erkrankung im frühen Säuglingsalter mit plötzlich einsetzendem Erbrechen, Bauchschmerzen und Kreislaufschock. Das Abdomen ist eingesunken, luftleer und druckdolent. Die Bauchdecken sind zunächst noch weich. Distension, Abwehrspannung, Blut und Schleim im Mekonium bzw. Kot sind Spätsymptome. Sie zeigen die Irreversibilität der Darmschädigung mit dem letalen Ausgang an. Bei Torsion einzelner Schlingen ist die Resektion des Darms möglich. Ausgedehnte Resektionen können evtl. durch einen „second look" nach 24 Stunden vermieden werden.
Anal- und Rektumatresie
3.2 Anal- und Rektumatresie
Angeborenes Fehlen der Analöffnung Ursachen Störung der frühembryonalen Differenzierung der Kloake in Harntrakt und Enddarm
Definition. Angeborenes Fehlen der Analöffnung bzw. des Rektums. Bei hohen Atresien auch Fehlen der Analschließmuskulatur, Fehlbildungen am UGS und am Os sacrum. Häufigste Atresie des Dickdarms, Inzidenz 1:1500 bis 1:2000. Es liegt eine fehlerhafte frühembryonale Differenzierung der Kloake in Harntrakt und Enddarm vor.
Krankheitsbild Fehlen des Enddarms, tiefer Ileus, meist Fistelverbindung zum Harntrakt oder Damm, bei Mädchen: zur Vagina oderVestibulum
Symptome. Der Enddarm fehlt. Es besteht ein tiefer Ileus. Der Anus ist nur an einer kleinen grübchenförmigen Einziehung zu erkennen. In 90 % bestehen Fistelverbindungen zum Harntrakt oder zum Damm bzw. beim Mädchen zur Vagina oder zum Vestibulum.
3 Formen:
Pneumaturie Mekoniumentleerung über Vagina Diagnostik: • Röntgenaufnahme (Abb. 41-33) - Markierung mit Bleiplättchen
• Sonographie - Messung der Länge der atretischen Strecke
Therapie Bei supralevatorischer Atresie abdominoperineale oder sakroabdominoperineale Durchzugsoperation n. Rehbein (Abb. 41-34)
Dickdarmtorsion: Torsionen einzelner Abschnitte des Dickdarms werden vorwiegend beim Kleinkind und älteren Kind mit den bereits weitgeschwungenen, langen Flexuren bei nahe aneinanderliegenden Fußpunkten angetroffen. Am häufigsten sind die Sigma- und die Zökaltorsion, seltener das Flexura-lienalis-Syndrom und die Querkolontorsion. Nahezu immer können Torsionen des Dickdarms konservativ mit Einlauf, Gabe von Spasmolytika und vorsichtigen Manipulationen gelöst werden. Die Operation ist nur sehr selten nötig.
Es wird unterschieden: • supralevatorische Atresie mit Fistel zur Harnröhre bzw. zur Vagina, • translevatorische Atresie mit Fistel zum Damm bzw. Vestibulum, • infralevatorische Atresie. Bei der infralevatorischen Atresie kann sich der Damm vorwölben und das Mekonium dunkel durchschimmern (Abb. 41-32). Eine Fistel zum Harntrakt ist bei Knaben durch den Mekoniumaustritt aus der Harnröhre und später an der Pneumaturie zu erkennen. Beim Mädchen kann das Mekonium im allgemeinen über die Vagina bzw. über die vestibuläre Fistel entleert werden. Ein Ileus liegt dann nicht vor. Diagnostik. Röntgenaufnahme nach Wangensteen-Rees im Hängen bei Kopftieflage und Markierung des Analgrübchens mit Bleiplättchen. Wichtig ist die seitliche Aufnahme, damit der Bezug des Blindsackes zur pubokokzygealen Linie erkennbar wird und die Mißbildungen des Os sacrums zur Darstellung kommen (Abb. 41-33). Sonographie: Mit der Sonographie kann die Länge der atretischen Strecke gemessen werden. Eine Punktion des Blindsackes und Darstellung mit Kontrastmittel ist im allgemeinen überflüssig. Bei 15 % der Kinder bestehen gleichzeitig Mißbildungen des UGS, weswegen grundsätzlich eine Röntgenuntersuchung und Sonographie der Nieren vorzunehmen ist. Therapie. Das operative Vorgehen richtet sich nach der Länge des atretischen Abschnittes, dem Vorhandensein und der Weite einer Fistel zum UGS und nach dem Vorliegen einer Levatorschlinge bzw. eines Sphincter ani. Nur bei der hohen supralevatorischen Atresie ist die abdominoperineale oder sakroabdominoperineale Durchzugsoperation notwendig, um einen si-
Ileus, Analatresie, Pylorusstenose cheren Fistelverschluß und eine perineale Darmöffnung zu erhalten (Abb. 41-34). Dieser Eingriff wird mit der glattmuskulären Umstülpplastik zur Herstellung der Stuhlkontinenz kombiniert. Bei den intermediären und tiefen Formen wird das perineale Vorgehen mit einer Transposition des Rektumblindsackes und der Fistel zum Analgrübchen bevorzugt (Technik nach PENA). Die Prognose ist im wesentlichen abhängig von weiteren Fehlbildungen an UGS, Speiseröhre, Herz, chromosomalen Aberrationen usw. Bei einer muskulären Inkontinencia alvi wird zur Herstellung der Stuhlkontinenz im Vorschul- bzw. Schulalter eine Schließmuskelplastik mit dem M. gracilis durchgeführt.
Abb.41-32: Neugeborenes mit einer Rektum- und Analatresie. Zwischen dem verschlossenen Analgrübchen und dem Skrotum sieht man eine feine perineale Fistel, aus der sich Mekonium entleert
813
Bei den intermediären und tiefen Formen -> Transposition des Rektumbiindsacks n. Pena
Muskuläre Incontinencia alvi -> M. gracilisPlastik
Abb.41-33: Röntgenaufnahmenach Wangensteen-Rees in Kopf-HängeLage, seitlicher Strahlengang. Die atretische Strecke beträgt 16 mm
Abb.41-34: Durchzugsoperation bei Anal- und Rektumatresie nach Rehbein. Zur Korrektur der Enddarmatresie mit Fistel zum UGS wird laparotomiert. Das Sigma wird oberhalb der Douglas-Umschlagfalte durchtrennt, die Rektumschleimhaut aus dem Blindsack ausgehülst, das Colon sigmoideum dann anschließend durch den Muskelschlauch hindurchgeführt und als Anus implantiert. Dadurch gelingt ein sicherer Verschluß der Fistel zum Urogenitalsystem. Die Durchzugsoperation wird zur Herstellung der Schließmuskelfunktion mit der glattmuskulären Umstülpplastik kombiniert
814
41. Kinderchirurgie
Hypertrophische Pylorusstenose
3.3 Hypertrophische Pylorusstenose
Stenose des Magenausgangs durch Hypertrophie und Fibrosierung der Antrunr muskulatur
Definition: Stenose des Magenausganges durch Hypertrophie und Fibrosierung der Antrummuskulatur. Häufigste Obstruktion des Magen-Darm-Kanals im Kindesalter mit einer Inzidenz von 1:500,80 % sind Knaben. Es besteht eine familiäre Häufung. Die Ursache ist nicht bekannt.
Krankheitsbild • Erbrechen im Alter von 2-3 Wochen • Heißhunger, gieriges Trinken • explosionsartiges Herausbringen der Milch • starke Dehydration und Elektrolytverluste Gefährdung durch Alkalose, erkennbar an: • Muskelhypotonie • Blässe, Marmorierung der Haut • Akrozyanose • Auskühlung • Oligurie • flacher Atmung Sicherung der Diagnose • Sonographie
Wichtig ist: Überwachung und Substitution des - Elektrolyt- und Wasserhaushaltes (Cr-Verlust!) - Blutgase Differentialdiagnose - Hiatushernie - Infekt - Überfütterung - Fehlernährung - Pirie-Syndrom (AGS mit Salzverlust)
Symptome. Typische Erkrankung der Säuglinge im Alter von 2—4 Wochen. Nach zunächst unauffälliger Neugeborenenperiode erbrechen die Kinder im Alter von 2-3 Wochen. Sie haben Heißhunger, trinken gierig, bringen die Milch aber schon wenige Minuten später explosionsartig wieder heraus. Sehr schnell kommt es zur Dehydratation und zu starken Elektrolytverlusten. Gefährdet sind die Kinder durch die metabolische hypochlorämische Alkalose, erkennbar an der Muskelhypotonie, Blässe, Marmorierung der Haut, Akrozyanose, Auskühlung, Oligurie und an der flachen Atmung. Das Abdomen ist eingesunken, nur der Oberbauch wölbt sich vor. Bei einer Probemahlzeit zeichnen sich stehende Wellen im Epigastrium ab. Häufig ist die hypertrophische Muskulatur als olivengroßer Tumor unter dem Rippenbogen rechts zu tasten. Es besteht eine Pseudoobstipation. Diagnostik. Die diagnostische Sicherung gelingt mit der Sonographie. Es kommt ein verlängerter und stark hypertrophierter Pylorusmuskel zur Darstellung (Abb. 41-35). Eventuell Übersichtsaufnahme des Abdomens im Hängen zum Ausschluß einer Hiatushernie (fehlende Magenblase). Eine Kontrastmitteluntersuchung ist nicht erforderlich. • Wichtig ist die sorgfältige Überwachung des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes und der Blutgase (erniedrigtes PC0 2 , metabolische Alkalose), besonders der Hypochlorämie, die präoperativ durch Gabe von Lysinhydrochlorid ausgeglichen werden muß. Differentialdiagnostisch sind eine Hiatushernie (kraftloses Erbrechen, bereits in den ersten Lebenstagen, hämatinhaltig, Nachlassen bei aufrechter Position), das Erbrechen bei Infektionen, Überfütterung und Fehlernährung mit Laktobezoaren abzugrenzen. Sehr wichtig ist der Ausschluß eines Pirie-Syndroms (AGS mit Salzverlust). Bei diesem besteht das Erbrechen ebenfalls bereits seit dem ersten Lebenstag. Es liegt eine Hyperkaliämie, Hyponatriämie, Chlorurie und eine vermehrte Ausscheidung von 17-Ketosteroiden vor. Dabei können Durchfälle und eine abnorme Pigmentierung bestehen. Das E K G ist auffällig. Der funktionelle Pylorospasmus bei einem Roviralta-Syndrom ist unbedingt abzugrenzen, da hier eine Operation nicht erforderlich ist.
Abb. 41-35: Kongenitale hypertrophische Pylorusstenose bei einem 4 Wochen alten Säugling, a. Das Sonogramm zeigt den Finkelstein-Tumor des Pylorus, b. Auf dem Röntgenbild ist der verlängerte und verengte Pyloruskanal zu erkennen. Durch die sich in den Bulbus vorwölbende hypertrophierte Muskulatur hat der Bulbus duodeni eine pilzförmige Konfiguration („Pilz-" bzw. „Regenschirmzeichen" ->)
Leber, Gallenwege, Peritoneum Therapie. Nach Ausschluß eines funktionellen Pylorospasmus durch einen medikamentösen Behandlungsversuch und sorgfältiger Vorbereitung mit Ausgleich der metabolischen Alkalose ist zur frühzeitigen Operation zu raten. Bei dem Eingriff wird die hypertrophierte Antrummuskulatur in Längsrichtung gespreizt. Gute Prognose, schon nach 4 Stunden Beginn mit oraler Nahrungsgabe.
815 Therapie frühzeitige Operation Spreizung der hypertrophierten Antrummuskulatur in Längsrichtung
4. Leber, Gallenwege, Peritoneum 4.1 Erkrankungen der Leber und Gallenwege
Erkrankungen der Leber und Gailenwege
4.1.1 Gallengangsatresie
Gallengangsatresie
Definition. Cholestase bei Fehlen der intra- oder extrahepatischen Gallenwege. Inzidenz 1:10000 bis 1:15000. Die Ursache ist unbekannt. Man unterscheidet zwischen der intra- und extrahepatischen Gallengangatresie (Abb. 4136). Symptome: zweigipfeliger Ikterus. Die Neugeborenen entwickeln sich zunächst unauffällig, entleeren Mekonium und regelrecht gefärbten Stuhl. Nur selten besteht ein prolongierter Ikterus. Erst im Alter von 2-3 Wochen werden die Fäzes zunehmend heller, schließlich acholisch. Dabei entwickelt sich ein Verdinikterus. Schon bald kommt es zu Spontanblutungen infolge einer Gerinnungsstörung bei Vitamin-K-Defizit, welches bei Acholie nicht resorbiert wird. Die hämorrhagische Diathese ist u.U. das erste Symptom und Anlaß zur Klinikeinweisung der Säuglinge. Nach dem 3. Monat setzt der irreversible Umbau der Leber ein. Es folgen die typischen Spätkomplikationen der biliären Leberzirrhose: Aszites, portale Hypertension, splenomegale Markhemmung und schließlich das Coma hepaticum, verbunden mit Störungen der Fettresorption, Vitaminm-A-, D-, E- und K-Mangel, Hypalbuminämie und Osteoporose. Differentialdiagnostisch sind die entzündlichen Lebererkrankungen (Hepatitis B, Lues, Zytomegalie, Coxsackie-Virus, Herpes, Röteln, Varizellen), eine Riesenzellhepatitis, das Syndrom der eingedickten Galle (s. u.) auszuschließen. Auch Bilirubinexkretionsstörungen (Dubin-Johnson- und Rotor-Syndrom) und Stoffwechsel- sowie Speicherkrankheiten (Galaktosämie, a r Antitrypsinmangel, Mukoviszidose, Hypothyreose, Trisomie E) sind zu erwägen.
Cholestase bei Fehlen der intra- oder extrahepatischen Gallenwege (Abb. 41-36)
Diagnose. Spätestens in der 6. Woche hat die Laparoskopie und Leberpunktion zu erfolgen. Beim Vorhandensein extrahepatischer Gallenwege kann die Gallenblase perkutan punktiert und ein Cholangiogramm angefertigt werden. Einige Tage danach wird die Laparotomie angeschlossen.
Diagnose - Laparoskopie mit Leberpunktion - perkutane Punktion der Gallenblase Cholangiogramm
Therapie. Bei weniger als V5 der Kinder liegt ein korrigierbarer Befund vor. Bei einem distal atretischen Choledochus kann eine mikrochirurgische
Therapie < V5 sind korrigierbar
Abb.41-36: Formen der Gallengangsatresie. Nur selten ist die Atresie auf kurze Strecken des Ductus choledochus beschränkt (a-c). Weitaus am häufigsten sind die intra- und extrahepatischen Gallenwege nicht angelegt (d)
Krankheitsbild • zweigipfliger Ikterus • nach 2-3 Wochen heller werdende Fäzes und Spontanblutung • hämorrhagische Diathese Spätkomplikationen durch die nach 8 Wochen beginnende Leberzirrhose: • Aszites • portale Hypertension • splenomegale Markhemmung • Coma hepaticum Differentialdiagnose beachten!
Freipräparation des Leberhilus Hepatojejunostomie mit Roux-Anast o m o s e und Lymphdrainage (Abb. 41-37) Schlechte Behandlungsergebnisse
Anastomosierung mit dem Duodenum bzw. mit einer ausgeschalteten Jejunumschlinge vorgenommen werden. Beim Fehlen aller extrahepatischen Gallenwege ist der Leberhilus freizupräparieren und eine Hepato-Jejunostomie mit einer Roux-Anastomose, evtl. eine Lymphdrainage durch die Omento-Porto-Duodenopexie anzulegen (Abb. 41-37).
S y n d r o m der eingedickten Gaiie
4.1.2 S y n d r o m der eingedickten Galle, Choledochuszyste
Cholestase durch Abflußbehinderung der Galle bei Gallenpfropfbildung
Syndrom der eingedickten Galle. Cholestase durch Abflußbehinderung der Galle bei Gallenpfropfbildung (inspissated bile Syndrome). Es tritt beim vermehrten Anfall von Erythrozytenabbauprodukten auf, insbesondere durch akute Hämolyse bei Blutgruppeninkompatibilitäten.
Die Behandlungsergebnisse sind immer noch unbefriedigend. Durch die H e p a t o Porto-Enterostomie u n d Omento-Porto-Duodenopexie kann bei 2 / 3 der Kinder die Progredienz des Leberschadens aber so beeinflußt werden, daß das Schul- und A d o leszentenalter erreicht wird. Bei Ausbleiben des Galleflusses und bei verschleppter Diagnostik bleibt die orthotope Lebertransplantation die einzige Alternative.
Abzugrenzen sind die bei der Differentialdiagnose der Gallengangsatresie erwähnten Ursachen der Cholestase und ein cholestatischer Ikterus bei Muttermilchernährung. Therapie - zunächst konservativ - evtl. Spülung der Gallenwege bei Laparoskopie Choledochuszyste seltene angeborene zystische Erweiter u n g der abführenden Gallenwege
Klinischer Verlauf Manifestation durch cholestatischen Ikterus
Die Behandlung ist zunächst konservativ. Eine Spülung der Gallenwege ist nur selten erforderlich. Sie wird im Rahmen einer Laparoskopie transkutan durch Gallenblasenpunktion vorgenommen. Choledochuszyste. Seltene angeborene zystische Erweiterung der abführenden Gallenwege. 4 Formen: Bei der Caroli-Erkrankung (segmental, angeborene Erweiterung der intrahepatischen Gallenwege) und beim Typ II liegen wahrscheinlich persistierende, embryonale Divertikel vor, beim Typ I und III wird die Ursache in einem pankreatocholedochalen Reflux bei Fusionsanomalie von Pankreas- und Gallengang im Sinne eines „common Channel" gesehen. Der klinische Verlauf ist demgemäß unterschiedlich. Die Choledochuszysten können sich bereits im Neugeborenenalter durch einen cholestatischen Ikterus manifestieren und werden dann in Kombination mit einer Gallengangsatresie angetroffen.
Leber, Gallenwege, Peritoneum
817
Beim älteren Säugling und Kleinkind gilt eine charakteristische Trias: Ikterusschübe, Schmerzen im rechten Unterbauch, tastbarer Tumor im rechten oberen Bauchquadranten. Verlauf und Prognose sind sehr unterschiedlich. Bei einer gleichzeitigen obliterierenden Cholangiopathie bestehen die gleichen ungünstigen Heilungsaussichten wie bei der Atresie der Gallenwege. Liegt eine solitäre Zyste vor, dann kann durch die Zystenexstirpation und biliodigestive Anastomose Heilung erzielt werden. Die Zyste ist radikal zu exstirpieren, um einer karzinomatösen Entartung vorzubeugen. Beschränkt man sich auf eine Zystoenterostomie, dann ist der suprapapilläre Choledochusabschnitt zu ligieren, damit der pankreatiko-choledochale Reflux unterbunden wird.
Bei älterem Säugling und Kleinkind gilt die charakteristische Trias: • Ikterusschübe • Schmerzen im rechten Unterbauch • tastbarer Tumor im rechten oberen Bauchquadranten Therapie: bei solitärer Zyste: Zystenexstirpation und biliodigestive Anastomose Wenn nurZystoenterostomie, dann Ligatur des suprapapillären Choledochusabschnittes —> Verhinderung des pankreatiko-choledochalen Refluxes
4.1.3 Gallensteinleiden, -geschwülste, Askaridiasis
Cholelithiasis
Gallensteine: Im Kindesalter selten, doch muß grundsätzlich auch im Neugeborenen- und Säuglingsalter damit gerechnet werden. Prädisponiert sind Kinder mit hämolytischen Anämien: Sphärozytose, Sichelzellanämie, Zytostatikatherapie, nach ausgedehnten Darmresektionen, vor allem des distalen Ileums, beim M. Crohn und anderen chronischen Ileitiden. Auch im Kindesalter ist mit den Komplikationen einer Steinwanderung (Gallenblasenhydrops, Gallenblasentorsion, Choledochusverschluß, Papillenverschluß, Pankreatitis) und der Gallenwegsinfektion (Cholezystitis, Gallenblasenempyem, Cholangitis, Cholangiolitis) zu rechnen. Symptome: Uncharakteristische Beschwerden, nur selten sind Gallensteinkoliken mit Ausstrahlung in die rechte Schulter. Schmerzbeginn wie bei der Appendizitis im Epigastrium. Die Schmerzwanderung erfolgt charakteristischerweise dann in den rechten Oberbauch. Ikterus, intermittierendes Fieber oder Kontinua, Schüttelfrost, Schock usw. weisen auf eine der genannten Komplikationen hin. Therapie: Beim Neugeborenen und Säugling lösen sich die Steine sehr häufig spontan auf, daher wird zunächst abgewartet. Bei Symptomen drohen aber Komplikationen. Es muß cholezystektomiert werden: laparoskopisch, auch beim Kleinkind und Säugling.
Selten im Kindesalter. Mit Steinwanderung und Gallenwegsinfektionen ist zu rechnen. Beim Säugling oft spontane Steinauflösung
Symptome • Schmerzbeginn wie bei Appendizitis, dann Schmerzwanderung in den rechten Oberbauch • Ikterus • intermittierendes Fieber • Schüttelfrost, Schock Therapie - Cholezystektomie
Praxishinweis. Wegen des Symptombeginns im Epigastrium ist die Verwechslung mit einer akuten Appendizitis zu beachten.
Verwechslung mit akuter Appendizitis beachten
Hepatobiliäre Askaridiasis: Askariden sind im Kindesalter sehr häufig. Sie halten sich im allgemeinen im Dünndarm auf und können durch Knäuelbildung einen Obturationsileus verursachen. Seltener ist die Aszension der Askariden in den Ductus choledochus mit einem Verschlußikterus und chronischer Cholangitis. Auch Pankreatitiden können vorkommen. Schließlich muß in seltenen Fällen mit Abszessen im Leberparenchym gerechnet werden. Doch sind diese in der Regel Folge der aszendierenden, bakteriellen Cholangitis und Cholangiolitis.
Hepatobiliäre Askaridiasis Selten, meist nur Aufenthalt der Askariden im Dünndarm -> Ursache eines Obturationsileus In seltenen Fällen Abszesse im Leberparenchym
Gallenwegsgeschwülste: Auch im Kindesalter ist bei Vorliegen einer Cholestase mit einem Gallenwegsverschluß durch Geschwülste zu rechnen. Teratome in der Leberpforte, Mesotheliome, Pankreaskopfsarkome, gelegentlich auch ein Pankreaskarziom können die ableitenden Gallenwege komprimieren und mit einem sog. schleichenden Verschlußikterus einhergehen. Schmerzen fehlen. Im Vordergrund stehen der Biliverdinikterus, starker Juckreiz, Acholie der Stühle und eine schmerzlose Resistenz im rechten Oberbauch (Courvoisier-Zeichen). Diagnose: Unentbehrlich sind die bildgebenden Verfahren, insbesondere die Sonographie. Bereits mit dieser können Gallensteine nachgewiesen werden. Sie erlaubt die Differenzierung zwischen Zysten und Tümoren. Bei Aufstau der intrahepatischen Gallenwege kann die Diagnostik durch eine PTC, in den anderen Fällen durch eine E R C ergänzt werden. Bei Vorliegen von Geschwülsten stellen das CT oder MRT und die Zöliakographie eine wertvolle Ergänzung dar. Operationsindikation und -verfahren unterscheiden sich nicht von denen bei Erwachsenen (s. dort).
Geschwülste im Bereich der ableitenden Gallenwege Bei Vorliegen einer Cholestase -> Gallenwegsverschluß durch Geschwülste möglich Durch Tumoren Kompression der Gallenwege schleichender Verschlußikterus Symptome • Biliverdinikterus • starker Juckreiz • acholische Stühle • schmerzlose Resistenz im Oberbauch Diagnose - Sonographie - CT, Zöliakographie, evtl. MRT
41. Kinderchirurgie
818 Peritonitis im Kindesatter
4.2 Peritonitis im Kindesalter
Lebensbedrohendes Krankheitsgeschehen
Die Peritonitis ist ein sehr ernstes, das Leben unmittelbar bedrohendes Krankheitsgeschehen. Es zeichnet sich durch zahlreiche Besonderheiten aus.
2 Formen: - abakterielle Peritonitis - bakteriell-eitrige Peritonitis Abakterielle Peritonitis Durch Perforation des Gastrointestinaltraktes am ersten Lebenstag oder vor der Geburt. Andere Ursachen: Cholaskos, Chylaskos, Urinaskos, Mukokolpos
4.2.1 Peritonitis des Neugeborenen und Säuglings In diesem Alter tritt die Peritonitis in 2 Formen in Erscheinung, als • abakterielle und bakteriell-eitrige Peritonitis. Zur abakteriellen Peritonitis sind neben dem Cholaskos vor allem die Perforation des Gastrointestinaltraktes am ersten Lebenstag, bei dem noch keine Keimbesiedelung des Magen-Darm-Kanals vorliegt, und die Mekoniumperitonitis zu rechnen, ferner Cholaskos, Chylaskos, Urinaskos und die fibroplastische Peritonitis beim Mukokolpos.
Cholaskos • Ansammlung von Gallenflüssigkeit in der Bauchhöhle durch Perforation • extreme Auftreibung des Abdomens • hypovolämischer Schock • zunehmender Ikterus Für Cholaskos charakteristische Trias: • Hypovolämie • Ikterus • freie Flüssigkeit im Abdomen
Cholaskos: Ansammlung von Galle in der Bauchhöhle durch Perforation mit Austritt von steriler Galle aus den Gallenwegen und der Trias: extreme Auftreibung des Abdomens, hypovolämischer Schock und zunehmender Ikterus.
Therapie immer operativ mit Verschluß der Perforationsöffnung. Ersatz großer Volumenverluste
Therapie: Die Behandlung ist immer operativ, um einer bakteriellen Superinfektion mit galliger Peritonitis vorzubeugen. Ziel ist der Verschluß der Perforationsöffnung und die Säuberung der Bauchhöhle von Gallebestandteilen. Die großen Volumenverluste müssen adäquat ersetzt werden.
1. Perforationsperitonitis der Neugeborenen Klinische Zeichen: extremer Zwerchfellhochstand -> Atembehinderung besonders gefürchtet: Spannungspneumoperitoneum bei Perforation des Magens Höchste Lebensgefahr durch extremen Zwerchfell hochstand (Abb. 41-38)
4.2.1.1 Perforationsperitonitis der Neugeborenen
Ursache der Perforationen sind kongenitale Wanddefekte an der Gallenblase oder im Bereich der ableitenden Gallenwege, seltener auch bei aberrierenden Gallengängen oder bei einem Aufstau der Galle infolge von Gallensteinen, Choledochuszysten oder Gallepfröpfen im Rahmen eines „inspissated bile Syndrome". Bei diesem erfolgt die Perforation aber meist erst jenseits der ersten Lebenswoche.
Symptome. Im Vordergrund steht das Pneumoperitoneum mit einem extremen Zwerchfellhochstand und der dadurch verursachten Atembehinderung (Abb.41-38). Die Atemnot kann so im Vordergrund stehen, daß die abdominelle Symptomatik übersehen oder nicht richtig gedeutet wird. Besonders gefürchtet ist das Spannungspneumoperitoneum bei den Perforationen des Magens, weil die in den Magen eintretende Luft sofort über einen Ventilmechanismus in die Peritonealhöhle übertritt und durch den dadurch folgenden Circulus vitiosus innerhalb kürzester Zeit zum Tode führt.
Abb. 41-38: Neugeborenes mit Spannungspneumoperitoneum bei Perforation des Magens, extremer Zwerchfellhochstand
819
Leber, Gallenwege, Peritoneum Weniger stark ausgeprägt ist das Pneumoperitoneum bei Darmperforationen. Durch Abdeckung der Perforationsöffnung mit Omentum majus oder durch eine angrenzende Darmschlinge ist der Verlauf oft schleichend, so daß die Diagnose erschwert wird. Beim Spannungspneumoperitoneum findet sich eine extreme Auftreibung des Leibes mit glänzenden, ödemisierten Bauchdecken und ausgeprägter Tympanie. Mit einer starken, gut fokussierten Lampe (Lichtquelle eines Fiberendoskopes) kann die Bauchhöhle transilluminiert werden. Bei einem Pneumoperitoneum zeichnen sich die Nabelgefäße mit dem Lig. falciforme hepatis und den Plicae umbilicales laterales sowie die Chorda urachi bogenförmig an der Bauchdecke ab, da sie weniger stark lichtdurchlässig sind. Sicherung der Diagnose: Röntgenübersichtsaufnahme, welche die starke Luftansammlung („Satteltaschenphänomen") und den extremen Zwerchfellhochstand zeigt. Bei sehr foudroyantem Verlauf muß auf die Anfertigung des Röntgenbildes zugunsten der schnellstmöglichen Entlastungspunktion verzichtet werden. Für die Entlastung genügt die Punktion der Bauchhöhle im linken unteren Quadranten mit einer Punktionskanüle. Die fortlaufend aus dem Magen entweichende Luft kann nunmehr ausströmen. Für die weiteren diagnostischen Maßnahmen (Röntgenaufnahme, Kontrastmitteldarstellung, zytologische und bakteriologische Untersuchung des austretenden Sekrets, Peritoneallavage) ist Zeit gewonnen. Beim Nachweis einer gastrointestinalen Perforation ist unverzüglich zu laparotomieren, damit einer bakteriellen Kontamination vorgebeugt wird.
Symptome - extreme Auftreibung des Leibes - glänzende ödemisierte Bauchdecke - ausgeprägte Tympanie
Sicherung der Diagnose • Röntgenaufnahme zeigt - freie Luftansammlung und - Zwerchfellhochstand Therapie - schnelle Entlastungspunktion der Bauchhöhle - Laparotomie zum Verschluß der gastrointestinalen Perforation
4.2.1.2 Mekoniumperitonitis (MP)
2. Mekoniumperitonitis
Definition: intrauterine Perforation des Darms in der zweiten Hälfte der Fetalperiode, wobei Mekonium in die Bauchhöhle austritt.
Intrauterine Perforation des Darmes. Austritt von Mekonium in die Bauchhöhle
Die Perforationsstelle kann im weiteren Verlauf spontan abheilen und vernarben, so daß sie bei der späteren Laparotomie nicht mehr aufgefunden wird. Es kommt teilweise zur Resorption, teils zur Fibrosierung und zur Verkalkung des Mekoniums mit sekundären Veränderungen am Darm: Stenosen, Atresien, Strangbildungen.
Folge: - Resorption des Mekoniums - Fibrosierung und Verkalkung des Mekoniums Dadurch bedingte Veränderungen am Darm: - Stenosen - Atresien - Strangbildungen 3 Erscheinungsformen • fibroadhäsive Mekoniumperitonitis • pseudozystische Mekoniumperitonitis • diffuse Mekoniumperitonitis
Abhängig vom zeitlichen Abstand der Perforation zum Entbindungstermin werden 3 Erscheinungsformen beobachtet: • fibroadhäsiver Typ: Verschluß der Perforationsöffnung durch Vernarbung, Strangbildung, Obstruktionsileus, Konglomerattumor; • pseudozystischer Typ: Perforationsöffnung erhalten, Ausbildung einer großen Pseudozyste mit Kompressionsileus • diffuser „Erwachsenen"-Typ: Perforationsöffnung erhalten, diffuse Mekoniumperitonitis mit Verkalkungen, Adhäsionsileus. Symptome. Kennzeichen der Mekoniumperitonitis ist die sehr starke abdominelle Distension bereits unmittelbar nach der Geburt. Die abdominelle Distension kann schon pränatal durch Sonographie nachgewiesen werden und so ausgeprägt sein, daß sie ein Geburtshindernis darstellt. Eine Schnittentbindung (Kaiserschnitt) ist dann erforderlich. Die extreme Auftreibung des Bauchraumes wird bei der fibroadhäsiven MP durch den Obstruktionsileus, durch Adhäsionen, Atresie, Stenosen verursacht. Bei der pseudozystischen MP besteht dagegen die große, tastbare Zyste und bei der diffusen MP die ausgeprägte Flüssigkeitsansammlung (sog. Mekoniumaszites). Bei der fibroadhäsiven MP ist die Perforationsöffnung bereits abgeheilt, die Gefahr der sekundären, bakteriellen Besiedelung der Peritonealhöhle daher gering. Bei der pseudozystischen MP ist die Perforationsöffnung jedoch erhalten, das austretende Mekonium durch eine fibröse Kapsel abgegrenzt. Gefährlichste Komplikation ist die sekundäre Keimbesiedelung. Auch bei der diffusen Form ist die Perforationsöffnung noch vorhanden und eine gleiche Gefährdung gegeben. Diagnostik: Röntgenologisch werden unterschiedliche Befunde erhoben. Bei der fibroadhäsiven MP besteht ein Obstruktionsileus, in der Regel verursacht durch eine tiefe Darmatresie.
Symptome starke abdominelle Distension unmittelbar nach der Geburt
• fibroadhäsive Form: Perforationsöffnung bereits abgeheilt. Gefahr der bakteriellen Besiedelung der Peritonealhöhle gering • pseudozystische Form: Perforationsöffnung noch erhalten. Gefährlichste Komplikation: sekundäre Keimbesiedelung • diffuse Form: noch vorhandene Perforationsöffnung Diagnose • Röntgen: - bei fibroadhäsiver MP Obstruktionsileus
820
41. Kinderchirurgie
- bei pseudozystischer MP schattengebender Pseudotumor mit kalzifizierter Membran - bei diffuser MP Zeichen der Perforationsperitonitis Gemeinsames Kennzeichen der Mekoniumperitonitis: Verkalkungen Therapie - grundsätzlich Laparotomie - Beseitigung des Ileus - Verhinderung der sekundären Keimbesiedelung
Bei der pseudozystischen MP steht dagegen der große schattengebende Pseudotumor mit der kalzifizierten Membran im Vordergrund. Bei der diffusen MP finden sich die Zeichen der Perforationsperitonitis: freie Flüssigkeit im Abdomen, subphrenisch eine sichelförmige Luftansammlung. Gemeinsames Kennzeichen der MP sind Verkalkungen, die nicht nur in allen Bereichen der Bauchhöhle und eventueller Zystenwände, sondern auch durch einen offenen Processus vaginalis im Skrotum (sog. Mekoniumperiorchitis) nachzuweisen sind. Durch intrauterine Aspiration von Mekonium können auch intrapulmonal Verkalkungen auftreten. Behandlung: Grundsätzlich Laparotomie mit Beseitigung des Ileus und Verhinderung einer sekundären Keimbesiedelung.
Bakterielle Peritonitis
4.2.3 Bakterielle Peritonitis
schwerer entzündlicher Befund in der Bauchhöhle mit: • Fieber • Zeichen des septischen Schocks • Erbrechen galliger Flüssigkeit
Im Gegensatz zur abakteriellen, chemischen Peritonitis bieten die bakteriellen, eitrigen Peritonitiden auch beim Neugeborenen und Säugling Bilder, welche denen bei älteren Kindern und Erwachsenen gleichen. Im Vordergrund steht der schwere entzündliche Befund in der Bauchhöhle, verbunden mit Fieber und den Zeichen des septischen Schocks. Es wird gallige Flüssigkeit erbrochen. Die Kotentleerungen sistieren zunächst noch nicht ganz. In der Regel wird dünnflüssiger Stuhl mit Beimengung von Blut und Schleim in kurzen Abständen abgesetzt (sog. Peritonitisstuhl). Je älter die Kinder sind, desto seltener liegen abakteriell chemische und desto häufiger bakterielle Peritonitiden vor. Es ist zwischen den primären und den sekundären bakteriellen Peritonitiden zu differenzieren.
1. Primäre Peritonitis i m Säuglingsalter
4.2.3.1 Primäre Peritonitis des Neugeborenen und Säuglings
Keimbesiedelung der Bauchhöhle (hämatogen, lymphogen, Migration) Ursache: - Sepsis - Durchwanderung bei schweren Enterokolitiden - bakterielle Kolitiden - Darmgangrän Höchste Letalität bei NEC der Frühgeborenen. Fortschreiten der Erkrankung innerhalb von Stunden. Schlechte Prognose wie bei Volvulus und Mesenterialinfarkt
Definition, hämatogene, lymphogene oder durch Migration verursachte Keimbesiedelung der Bauchhöhle. Beim Neugeborenen und Säugling handelt es sich in der Regel um eitrige Peritonitiden im Rahmen einer Sepsis oder einer Durchwanderung bei schweren Enterokolitiden (NEC), bakteriellen Kolitiden oder bei einer Darmgangrän infolge Strangulation, Volvulus, Invagination oder Entzündungen in Divertikeln und Duplikaturen. Verlauf und Prognose richten sich nach dem Alter, dem Gewicht und dem Immunstatus der Kinder, der Schwere der bakteriellen Kontamination und der Dauer der diagnostischen Maßnahmen mit der entsprechenden Verzögerung der Therapie. Die Letalität ist am höchsten bei der NEC der Frühgeborenen. Innerhalb weniger Stunden schreitet die NEC vom Stadium I über IIa und IIb zum Stadium III fort. Bei einem Geburtsgewicht von 1500 g und weniger liegt die Letalität auch heute noch bei über 50%. Eine gleich düstere Prognose besteht beim Volvulus und beim Mesenterialinfarkt. Die Behandlungsergebnisse bei NEC, intestinalem Volvulus und Mesenterialinfarkt sind bei Frühoperation wesentlich besser. Wichtig ist die Frühdiagnose und unverzügliche Operation.
Wichtig: Frühdiagnose und sofortige Operation
2. Hämatogene Peritonitis i m späten Kindesaiter Kein foudroyanter Verlauf
Klinische Zeichen: • Bauchschmerzen • abdominelle Distension • hohes Fieber Sicherung der Diagnose: - sonographischer Nachweis freier Flüssigkeit im Abdomen - Bauchhöhlenpunktion zum Erregernachweis
4.2.3.2 Hämatogene Peritonitis im späten Kindesalter Die primäre Peritonitis beim Kleinkind und Schulkind unterscheidet sich wesentlich von der hämatogenen Peritonitis der Neugeborenen. Sie verläuft im allgemeinen nicht so foudroyant. • Es bestehen Bauchschmerzen, abdominelle Distension und hohes Fieber. Bevorzugt erkranken Mädchen zwischen dem 4. und 7. Lebensjahr. Die diagnostische Sicherung gelingt durch den sonographischen Nachweis von freier Flüssigkeit im Abdomen und durch die Bauchhöhlenpunktion zum Nachweis der Erreger. Meist handelt es sich um Pneumokokken, Streptokokken, aber auch Staphylokokken und um gramnegative Keime. Gefährdet sind insbesondere Kinder mit Abwehrschwäche, z.B. mit Nephrose, Leberzirrhose, immunsuppressiver Therapie und schweren konsu-
Leber, Gallenwege, Peritoneum
821
mierenden Erkrankungen. Die primäre Peritonitis muß von der sekundären und von der häufig vorgetäuschten Appendizitis abgegrenzt werden. Bei der primären Peritonitis der älteren Kinder ist auf die Laparotomie zu verzichten. Behandlung: Antibiotika, Infusionstherapie und Dekompression des Magen-Darm-Traktes mit einer Magenablaufsonde.
4.2.3.3 Sekundäre bakterielle Peritonitis des Klein- und Schulkindes Häufigste Ursache sind perforierende
Appendizitiden.
Symptome. Je jünger die Kinder, desto stürmischer ist der Krankheitsverlauf einer Appendizitis. Im Säuglings- und Kleinkindesalter wird die Diagnose in der Regel sogar erst zum Zeitpunkt der bereits eingetretenen Perforation gestellt. M. Grob gibt die Rate der Perforation für das 1. Lebensjahr mit mehr als 80 % an. Das Zeitintervall zwischen dem Beginn der Symptomatik bis zur Perforation ist dabei um so kürzer je jünger die Patienten sind. Begünstigt wird die frühzeitige Perforation durch die Kürze des Omentum majus, durch die große Zahl atypischer Lagen bei dem langen und gut beweglichen Zökum der Kleinkinder und durch die Immunitätslage der Patienten. Dies wird besonders deutlich beim Vorliegen von Zweitinfektionen, wie Masern, Scharlach, Windpocken usw. In solchen Fällen wird die Appendizitis nicht nur sehr lange Zeit fehlgedeutet oder gar übersehen, sondern fälschlicherweise auch antibiotisch behandelt. Deswegen sind die sog. Masernappendizitiden und Varizellenappendizitiden mit der hohen Zahl von Komplikationen besonders gefürchtet. Andere Ursachen einer sekundären, eitrigen Peritonitis beim Klein- und Schulkind sind seltener. Grundsätzlich sind aber die gleichen Möglichkeiten wie beim Erwachsenen differentialdiagnostisch zu bedenken: Ulkus, Divertikelperforationen (Meckel-Divertikel), Fremdkörperperforationen und die im Kindesalter häufiger als bei Erwachsenen anzutreffenden Darmperforationen bei Typhus, bei Immunvaskulitiden (Purpura Schönlein-Henoch, Panarteriitis nodosa, hämolytischurämisches Syndrom) und bei einem toxischen Megakolon im Rahmen einer Colitis ulcerosa oder anderen schweren, bakteriellen Enteritiden und Kolitiden. Die Perforationsperitonitis geht immer mit einer Darmparalyse und akuten Schocksymptomen einher, bei gramnegativen Bakterien mit- dem Endotoxinschock und bei der Staphylokokkenkontamination mit dem foudroyant ablaufenden toxischen Schocksyndrom, dem die Kinder erliegen. Die Perforationsperitonitis ist gekennzeichnet durch: heftiges Erbrechen, brettharte Spannung der Bauchdecken, Berührungs- und Erschütterungsschmerz, sistierende Peristaltik und bei den Perforationen des oberen Digestionstraktes durch die kahnförmige Einziehung der Bauchdecke. Austrocknen der Zunge, Zentralisation mit marmorierter blaßgrauer Haut, weicher frequenter Puls, starker Durst, zunehmende Unruhe werden bei fortschreitender Entzündung von Somnolenz, Anurie, Ikterus und allgemeinem rapiden Verfall gefolgt. Wichtigste diagnostische Maßnahme ist die Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens in 2 Ebenen zum Nachweis freier Luft und Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Therapie: Laparatomie und Spülung der Bauchhöhle, Infusionstherapie und Antibiotika.
Therapie Antibiotika Infusionstherapie Dekompression des Magen-Darm-Traktes mit Magenablaufsonde 3. Sekundäre bakterielle Peritonitis des Klein- und Schulkindes häufigste Ursache: perforierende Appendizitis Diagnose der Appendizitis oft erst nach eingetretener Perforation. Zeitintervall zwischen Beginn der Symptomatik und Perforation um so kürzer je jünger das Kind
Bei Zweitinfektion besteht Gefahr der Fehldeutung
Andere Ursachen der sekundären Peritonitis seltener: - Ulkusperforation - Divertikelperforation - Fremdkörperperforation - Darmperforation bei Typhus und Immunvaskulitiden
Perforationsperitonitis geht immer einher mit: - Darmparalyse - akuten Schocksymptomen - Endotoxinschock oder - toxischem Schocksyndrom Klinische Zeichen
4=
Diagnostik Rö.-Abdomen - > freie Luft? Therapie - Laparotomie und Spülung der Bauchhöhle - Infusionstherapie - Antibiotika
822 Angeborene Gefäßerkrankungen
41. Kinderchirurgie
5. Angeborene Gefäßerkrankungen Die angeborenen Gefäßerkrankungen der Haut und der inneren Organe zählen zu den häufigsten Fehlbildungen. Die Inzidenz beträgt 2 bis 3 %. Sie treten klinisch in 3 Formen in Erscheinung: • kutane Hämangiome (>80%), vaskuläre Malformation, Angiomatose (mit und ohne AV-Shunts).
Hämangiome • Kapilläre Hämangiome (Blutschwämme) - bei Geburt meist noch nicht vorhanden - im 3.-4. Lebensmonat auftretend und schnell wachsend, ab 6. Monat Wachstumsstillstand. 90% bilden sich bis zum 10. Lebensjahr völlig zurück • Kavernöse Hämangiome - bilden sich nicht zurück, nehmen an Größe zu Vaskuläre Malformationen Beim Neugeborenen bereits in voller Größe vorhanden, wachsen aber nicht weiter Können an inneren Organen auftreten Häufig kombiniert mit anderen Fehlbildungen: • Hippel-Lindau-Syndrom • Sturge-Weber-Syndrom • Klippel-Trenaunay-Syndrom • Frederick-Parkes-Weber-Syndrom Auch Anomalien an Stammgefäßen: • Aplasie der tiefen Beinvenen • multiple AV-Shunts Angiomatosen durchsetzen sämtliche Gewebestrukturen einer Extremität (z.T. außer der Haut) und bestehen aus Kapillaren, Arterien, Venen und AV-Shunts Komplikationen der angeborenen Gefäßerkrankungen • Exulzeration • Blutung • Superinfektion
Hämangiome. Wir grenzen die kapillären (sog. Blutschwämme) von den kavernösen (venösen) Hämangiomen ab. Charakteristisch ist, daß sie bei der Geburt meist noch nicht vorhanden sind oder nur als kleine punktförmige Hautveränderungen bestehen. Sie weisen dann aber ein rasches Wachstum auf, welches im 3. und 4. Lebensmonat am schnellsten ist und erst nach dem 6. Monat zum Stillstand kommt. Bei den kapillären Hämangiomen kommt es danach zu einer langsamen spontanen Involution. 90 % der kapillären Hämangiome bilden sich bis zum 10. Lebensjahr vollständig zurück. Bei den kavernösen Hämangiomen bleibt die Involution dagegen aus, man muß sogar mit einer langsamen, aber stetigen Größenzunahme rechnen. Die Hämangiome wachsen plan (flach) oder tuberös bzw. nodös (erhaben, knollig-tumorös). Vaskuläre Malformationen sind bedeutend seltener und bereits beim Neugeborenen in voller Größe vorhanden. Sie wachsen nicht, bilden sich aber auch nicht spontan zurück. Oft sind sie kombiniert mit assoziierten Fehlbildungen in Form des Hippel-Lindau-Syndroms, des Sturge-Weber-Syndroms, des Klippel-Trenaunay-Syndroms und des Frederick-Parkes-Weber-Syndroms. Bei diesen Syndromen treten in unterschiedlichem Maße Angiome auch der inneren Organe auf (intrakraniell, -thorakal, -abdominal). Häufig liegt eine Hyperplasie des Fettgewebes, der Lymphgefäße und der Knochen mit einem Riesenwuchs der betroffenen Extremität vor. Nicht selten sind Anomalien der begleitenden Stammgefäße, wie z.B. eine Aplasie der tiefen Beinvenen und multiple arteriovenöse Shunts. Angiomatosen bestehen aus allen Gefäßkomponenten (Kapillaren, Arterien, Venen, AV-Shunts) und durchsetzen sämtliche Strukturen der betroffenen Extremität, gelegentlich aber ohne Beteiligung der Haut. Mit Komplikationen ist vor allem bei einer raschen Größenzunahme der Hämangiome zu rechnen. Die Hämangiome exulzerieren. Es kommt zu Blutungen und zur Superinfektion. Anliegende Strukturen werden zerstört oder durch Kompression geschädigt.-Gefürchtet sind vor allem die Obstruktion der Atemwege mit der Gefahr des Erstickens, die Exulzeration an den
Abb.41-39: Tuberonodöses kapilläres Hämangiom bei einem Mädchen vor (a) und nach Laser-Behandlung (b)
Angeborene Gefäßerkrankungen
823
Lippen und im Mund sowie die Schädigung des Auges bei Lokalisation in der Orbita bzw. an den Augenlidern (Abb. 41-39 a, b). Besondere Gefahren drohen vom Kasabach-Merritt-Syndrom (Thrombozytopenie, Verbrauchskoagulopathie) und von den AV-Shunts, die bei schneller Größenzunahme mit einer schweren kardialen Belastung einhergehen und zum Herzversagen führen.
Bei Hämangiomen im Mundbereich -» Erstickungsgefahr, in der Orbita und an den Lidern -» evtl. Schädigung des Auges
Therapie. Bei den kapillären Hämangiomen kann bei langsamen Wachstum die spontane Regression abgewartet werden. Bei schnellem Wachstum und bei drohenden bzw. eingetretenen Komplikationen muß aber behandelt werden. Bei kleinen Hämangiomen kommt die Kryosonde zur Anwendung, bei den größeren die Lasertherapie.
Therapie Bei kleineren Hämangiomen -> Kryosonde, bei größeren -»Lasertherapie Bei vaskulären Malformationen und Angiomatosen —> Operation + Laserbehandlung
Die besten Wirkungen erzielt man mit dem Nd-YAG-Laser, bei den planen Angiomen und Malformationen mit dem ARGON-Laser und mit dem gepulsten Farbstofflaser.
Bei den vaskulären Malformationen und bei den Angiomatosen ist die Laserbehandlung mit der chirurgischen Exzision zu kombinieren, und bei den arteriovenösen Shunts kann die zusätzliche perkutane Embolisationsbehandlung notwendig werden. Eine konservative Therapie mit Kortikosteroiden und Interferon kann bei schnellem Wachstum die Progredienz stoppen und gelegentlich die spontane Regression anregen. Lymphangiome sind eine Sonderform der vaskulären Malformation. Sie kommen gelegentlich in Kombination mit den Hämangiomen vor und bilden dann Mischgeschwülste. Klinisch treten sie als expansiv wachsende und unilokuläre oder multilokulare zystische Tumoren oder als vorwiegend infiltrierend und destruierend wachsende kleinzystische („solide"), proliferierende, aber gutartige Geschwülste in Erscheinung. Sie nehmen unaufhaltsam an Größe zu, eine spontane Rückbildung erfolgt nicht. Oft sind sie bereits beim Neugeborenen so groß, daß eine spontane Geburt unmöglich ist und andere Komplikationen eintreten. So droht bei Lokalisation am Hals oder im Mediastinum bereits beim Neugeborenen der Erstickungstod. Die Behandlung richtet sich nach Größe, Ausdehnung und Wachstumsform des Lymphangioms. Am effektivsten ist wie bei den Hämangiomen die Kombination der Laser-Therapie mit der chirurgischen Exstirpation.
Lymphangiome Vorkommen bisweilen kombiniert mit Hämangiomen (Mischgeschwülste) Klinisch uni- oder multilokulär, expansiv wachsend, keine spontane Rückbildung Am Hals oder im Mediastinum bei Neugeborenen -> Erstickungsgefahr! Oft schon beim Feten so groß, daß keine spontane Geburt möglich ist (Sectio caesarea) Therapie Kombinationstherapie: Operation + Laser
42. Urologie D. Jonas, W. Kramer, R. Bickeböller
1. P a t h o m e c h a n i s m e n , a l l g e m e i n e Symptomatologie und Therapie Niereninsuffizienz
1.1 N i e r e n i n s u f f i z i e n z
= Störung bis völliger Ausfall der Nieren' funktion 2 Verlaufsformen:
Definition. Nierenversagen bedeutet Störung bis völligen Ausfall der Nierenfunktion. Ursache ist ein irreversibler Untergang oder ein reversibler Funktionsausfall von Nephren. Dabei gibt es eine akute oder chronische Verlaufsform.
Ätiologie und Pathogenese
1.1.1 Ätiopathogenese
1. Akutes Nierenversagen (ANV) —> plötzlicher reversibler Ausfall der Nierenfunktion Formen • prärenales ] • renales f A N V (Abb. 42-1) • postrenales J
Das akute Nierenversagen (ANV) ist ein plötzlicher, reversibler Ausfall der Nierenfunktion. Man unterscheidet 3 Formen (Abb. 42-1): • prärenal: Zirkulationsstörungen (Hypovolämie, Schock) • renal: toxisch, Glomerulonephritis • postrenal: Harntransportstörungen (Ureterverschluß, Tumor, Blasenhaisobstruktion, Prostatahypertrophie usw. Urologisch wichtig ist vor allem das postrenale ANV:
Pathophysiologie Fokale oder diffuse Nekrose der Nierenrinde mit multifaktorieller Ursache
Pathophysiologies Ischämische, hypovolämische, urodestruktive oder toxische Läsionen führen zu einer fokalen oder diffusen Nekrose der Nierenrinde, insbesondere der 0 2 -empfindlichen Zellen des proximalen Tubulus. Die aktive Natriumrück-
Ursachen Schock Exsikkose Nierenarterienembolie
Häufigkeit Prärenal
Prärenal
70%
Erkrankungen des Nierenparenchyms Entzündlich: - Glomerulonephritis, - Pyelonephritis - interstitielle Nephritis
Renal 20%
Toxisch-allergisch Gefäßerkrankungen Parenchymuntergang bei Druckerhöhung im Hohlsystem, Ablagerung von Stoffwechselprodukten Supravesikal - Bilateraler Ureterverschluß (Stein,Tumor, Striktur, periureterale Kompression
Post renal
10%
Vesikal - Harnblasenentleerungsstörungen mit/ohne Reflux Infravesikal - Blasenhalsdestruktion (Prostatahyperplasie, -karzinom.Sphinktersklerose) - Hamröhrenengen (Strikturen, Klappen, Fehlbildungen, hochgradige Phimosen
Abb.42-1: Ursachen und Häufigkeit des akuten Nierenversagens
(ANV)
Pathomechanismen, allgemeine Symptomatologie und Therapie
825
resorption sistiert und ein unselektiver Flüssigkeitstransport mit Verlust des osmotischen Gradienten und einer Volumenüberlastung des Tubulusapparates ist die Folge. Folglich erhöht sich der Filtrationsdruck, was die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) senkt. Über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ( R A A S ) kommt es aufgrund der erhöhten intratubulären Natriumkonzentration zur Konstriktion des Vas afferens und einer weiteren Abnahme der GFR, was den Circulus vitiosus schließt.
Folgen: Natriumrückresorption sistiert, unselektiver Flüssigkeitstransport, GFR reduziert, Konstriktion des Vas afferens
Zum chronischen Nierenversagen können primäre Nierenparenchymerkrankungen wie Glomerulo- und Pyelonephritis, Zystennieren sowie indirekte metabolische Läsionen (diabetische Nephropathie, Gichtnephropathie) aber auch Vaskulopathien (Nephrosklerose, Eklampsie, Lupus erythematodes), medikamentöse Noxen (Analgetika), angeborene Fehlbildungen und längerdauernde Harnabflußstörungen führen.
2. Chronisches Nierenversagen • Ursachen - G l o m e r u l o - o d e r Pyelonephritis - Zystennieren - metabolische Läsionen (Diabetes, Gicht) - Vaskulopathien (Nephrosklerose, Eklampsie etc.) - medikamentös (Analgetika) - Fehlbildungen Chronisches Nierenversagen • folgende Partialfunktionen sind betroffen: - exkretorische Funktion - SBH, Wasser-, Elektrolythaushalt - endokrine Funktion - Urämie, A z o t ä m i e
Hierbei sind 4 Partialfunktionen der Niere betroffen: • Beeinträchtigung der exkretorischen Funktion: Durch Anpassung intakter Nephrone kompensierte Retention —> GFR?, osmotische Diurese, Polyurie. • Störungen im Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt: Bei GFR > 5 ml/ min noch Wasser-Elektrolyt-Gleichgewicht durch Zwangspolyurie. Bei terminaler Niereninsuffizienz —> Hypovolämie, hyperkaliämische Azidose, Lungenödem. • Störungen der endokrinen Nierenfunktion: Erythropoetin 4 , Hämolyse T führen zur renalen Anämie, Vitamin D-Stoffwechselstörung, sekundärer Hyperparathyreoidismus zur renalen Osteopathie. • Azotämie, Urämiesyndrom.
1.1.2 S y m p t o m e u n d Diagnostik
S y m p t o m e u n d Diagnostik
Beim akuten Nierenversagen sind die Oligurie (< 500 ml/die) oder Anurie (< 100 ml/die) pathognomonisch. Häufig wird die Urinausscheidung nicht beachtet, so daß die Diagnose erst anhand der späteren urämischen Symptome gestellt wird: • Lungenödem, periphere Ödeme, Hirnödem mit Eintrübung und einer erhöhten neuromuskulären Erregbarkeit, Gastroenteritis mit Diarrhoen. Stauungsschmerzen in der Flanke oder Rückenschmerzen sind häufig. Der rasche Anstieg der Retentionswerte (Serumkreatinin, -harnstoff), HyperkaIiämie (EKG!), Abnahme der Osmolalität des Urins und eine metabolische Azidose sind weitere typische Hinweise. Die Sonographie gestattet die differentialdiagnostische Abgrenzung eines postrenalen ANV (gestauter oberer Harntrakt, leere Blase). Hier ist die retrograde endoskopische Diagnostik mittels Urethrozystoskopie und retrograder Pyelographie indiziert.
Pathognomonisch sind: • Oligurie (< 500 ml/d) • Anurie ( zusätzlicher Nierenparenchymschaden, keine diagnostische Aussagekraft bei fehlender Kontrastmittelausscheidung!
Sonographie
i.v. Urographie kontraindiziert!
1,2 mg/dl Harnstoff i. S. > 40 mg/dl
Müdigkeit, Abgeschlagenheit
Kompensierte Retention
Kreatinin i. S. 1,3-8 mg/dl Harnstoff i. S. > 40 mg/dl
eingeschränkte Leistung, Hypertonie, Pruritus, Nausea, Diarrhoe
Dekompensierte Retention
Kreatinin i. S. 8-12 mg/dl Harnstoff i. S. in Abhängigkeit von Proteinzufuhr
urämisches Syndrom (Ödeme, Anämie, Nausea Hypertonie, Polyneuritis, Serositis, Gastroenteritis, Osteomalazie, Herzinsuff. Rhythmusstör., Impotenz
Terminale Niereninsuffizienz
Kreatinin i. S. > 12 mg/dl Harnstoff i. S. in Abhängigkeit von Proteinzufuhr
urämisches Syndrom
Therapie
1.1.3 Therapie
Dialyse Indikation: Ausschluß einer postrenalen Abflußstörung
Vor jeder akuten Dialysebehandlung (Hämofilter, Hämodialyse, Peritonealdialyse) muß eine postrenale Harnabflußstörung ausgeschlossen werden. Sie ist durch spezielle urologische Maßnahmen fast immer zu beheben. Indikationen zur chronischen Dialysebehandlung sind alle Nierenerkrankungen, die primär (Erkrankungen des Nierenparenchyms selbst) oder sekundär (Harnabflußstörungen) zum terminalen Nierenversagen führen. Die Nierentransplantation rehabilitiert und resozialisiert den auf die Dialyse angewiesenen Patienten im terminalen Nierenversagen. Indikationen und operatives Vorgehen: (s. Kap. 26, S. 238).
• alle Nierenerkrankungen, die zum terminalen Nierenversagen führen Nierentransplantation bei allen terminal chronischen Nierenversagen (außer: Infektion, Tumor- und Systemerkrankung) Störungen des Harntransportes
1.2 Störungen des Harntransportes
Ätiopathogenese • Harnrückstauung führt zur Druckerhö hung in der Niere Ursachen und Folgen der Harnabflußstörungen (Tab. 42-2)
Ätiopathogenese der obstruktiven Uropathie: Gleichgültig, an welcher Stelle im harnableitenden System die Ursache der Harnrückstauung zu suchen ist, pathophysiologisches Endorgan ist immer die Niere, die es zu
Tab.42-2: Ursachen und Folgen der
Harnabflußstörungen
Organ
Ursachen
Folgen
Nierenbecken
Harnleiterabgangsstenose Stein, Tumor
Hydronephrose
Harnleiter
Stein, Harnleitertumor Retroperitonealer Tumor Kongenitale Mißbildungen intramurale Harnleiterobstruktion
Hydroureter Hydronephrose Megaureter
Harnblase Blasenhals prostatische Harnröhre
Blasenstein Blasentumor Prostataadenom (Benigne Prostatahyperplasie [BPH]), Prostatakarzinom, Sphinktersklerose, erworbene neurogene Harnblasenentleerungsstörung
Restharn, Balkenblase Pseudodivertikel Harnverhaltung Bei Reflux: Hydroureter, -nephrose
Harnröhre
Harnröhrenklappe, -stenose, -striktur, -stein, -tumor; Meatusstenose hochgradige Phimose
Prästenotische Dilatation der Harnröhre. Im fortgeschrittenen Stadium: Rückstauung in das darüber gelegene harnableitende System (s. Blasenentleerungsstörung)
Pathomechanismen, allgemeine Symptomatologie und Therapie schützen gilt. Denn Harnrückstauung führt zur Druckerhöhung im harnableitenden System und in der Niere. Ein kurzfristiger Harnrückstau wird einen vorübergehenden, ein langfristiger einen endgültigen Funktionsausfall zur Folge haben. Reversible funktonelle Erweiterungen der Harnwege werden als Ektasie, nicht mehr rückbildungsfähige Erweiterungen des Harnleiters als Hydrometer oder Megaureter, der Niere als Hydronephrose bezeichnet. Der Anstieg des Binnendruckes im Nierenbecken führt außerdem zur Abplattung und Einbuchtung der Markpapillen, Druckatrophie der Sammelrohre und der Tubuli, Verminderung der Durchblutung, Druckatrophie der Nephrone, Verschmälerung des Nierenparenchyms. Als Endzustand resultiert die hydronephrotische Wassersackniere. Ursachen und Folgen der Harnabflußstörungen (Abb. 42-2) im Bereich des Nierenbeckens, des Harnleiters, der Blase und der Harnröhre sind in Tabelle 42-2 zusammengestellt.
]
Hydronephrose
827 Folge: Funktionsausfall
Erweiterung der Harnwege; wenn rückbildungsfähig Ektasie, wenn nicht rückbildungsfähig: Hydroureter, Megaureter Niere —> Hydronephrose
Ursachen und Folgen von Harnabflußstörungen (Tab. 42-2)
Stein
Tumor Knickbildung
Hydroureter Tumor
Stein
I aberrierendes Gefäß !
Narbengewebe—— Entzündung
Abb.42-2: Ursachen von
Harnabflußstörungen
Obstruktive Uropathie
i.V. Urogramm {verzögerte Kontrastmittelexkretion Abflußbehinderung d. Stein o. Tumor)
Retentionswerte, Urinstatus retrograde Pyelographie Urethrozystoskopie (im Notfall innere Schiene o. perkutane Nephrostomie)
Seitengetrennte Funktionsszintigraphie mit MAG3 bei Indikation zur organerhaltenden Therapie
Abb.42-3: Diagnostische Strategie bei obstruktiver Uropathie
828
42. Urologie
Symptome, Diagnose (Abb. 42-3) • renale Obstruktion • vesikale Obstruktion
Symptome und Diagnose. Renale Obstruktion: Flankenschmerzen, Koliken, Hämaturie, Fieber. Vesikale Obstruktion: Pollakisurie, Dysurie, Harnstrahlabschwächung, Überlaufinkontinenz, evtl. Rückenschmerzen bds., Hämaturie. Diagnostische Strategie (Abb.42-3).
Blasenfunktionsstörungen
1.3 Blasenfunktionsstörungen
Füllungs- und Entleerungsfunktion Man unterscheidet • Füllungsphase • Entleerungsphase
Die Harnblase hat Füllungs- und Entleerungsfunktion.
Innervation der Harnblase
Funktionelle Anatomie. Der M. detrusor vesicae besteht aus glatter Muskulatur, die sich zum Blasenhals hin in eine innere und äußere Längsschicht und in eine mittlere Ringschicht ordnet. Innere und äußere Längsschicht setzen sich in der Harnröhre als innere Longitüdinal- und äußere Ringmuskulatur fort. Beim Mann distal des Colliculus seminalis, bei der Frau im mittleren Harnröhrendrittel durchmischen sich außenliegende zirkuläre Muskelfasern aus der quergestreiften Beckenbodenmuskulatur mit der innen liegenden glatten Muskulatur der Harnröhre (M. sphincter externus). Die Blasenmotorik wird gesteuert vom (1) sympathischen N. hypogastricus (Th 10-L2) (2) parasympathischen N. pelvicus (S 2-4) (3) somatischen N. pudendus (S 2-4). Die Füllungsphase wird willkürlich nicht wahrgenommen. Erst nach Überschreiten des Schwellenwertes vermitteln Dehnungsrezeptoren das Gefühl der vollen Blase. Der Gesunde vermag diese Empfindung zu unterdrücken; eine unwillkürliche Blasenentleerung tritt nicht ein. Entleerungsphase: Der M. detrusor kontrahiert sich. Durch die periurethrale Muskulatur wird der Blasenhals nach distal gezogen und trichterförmig geöffnet (Basisplattentheorie nach Hutch). Die Miktion kommt in Gang.
Bei Störungen der Blasenfunktion liegen vor: • Störung der Reservoirfunktion 1. Streßinkontinenz: unwillkürlicher Urinabgang bei Verschlußunfähigkeit der Harnblase unter Belastung Ursachen: Nachlassen der Elastizität und Stabilität des Beckenbodens, herabgesetzter Harnröhrentonus 2. Dranginkontinenz unwillkürlicher Urinabgang bei intaktem Verschlußmechanismus der Harnblase. Ursachen: Zystitis, Blasentumoren, Blasensteine, Fremdkörper, Obstruktionen 3. Reflexinkontinenz unwillkürlicher Urinabgang bei unkontrollierten Detrusorkontraktionen ohne Harndrang Ursachen: Läsionen des ZNS, Multiple Sklerose, M.Parkinson 4. Überlaufinkontinenz unwillkürlicher Urinabgang mit großen Restharnmengen Gestörte Blasenmotorik Ursachen: neuro-motorische Läsionen, muskuläre Dekompensation • Störung der Entleerungsfunktion 1. Mechanische infravesikale Obstruktion Ursachen: BPH, Prostatakarzinom, Sphinktersklerose, Harnröhrenklappe etc. 2. Detrusorschwäche Ursachen: Erkrankungen des peripheren Nervensystems, iatrogene Nervenläsion nach Operation 3. Funktionelle infravesikale Obstruktion Ursachen: Erkrankungen des ZNS, neurogene Blase
Pathophysiologie. Entweder ist die Reservoir- oder die Entleerungsfunktion der Harnblase gestört. Störung der Reservoirfunktion: • Streßinkontinenz. Unwillkürlicher Urinabgang bei Verschlußunfähigkeit der Harnblase unter Belastung bei normaler Blasensensibilität und -motorik. Ursachen der Streßinkontinenz (typische Harninkontinenz der Frau) sind nachlassende Elastizität und Stabilität des Beckenbodens und herabgesetzter Harnröhrentonus (nach Entbindungen, bei Zystozele oder Deszensus). • Dranginkontinenz. Unwillkürlicher Urinabgang bei imperativem Harndrang und nicht hemmbarer Blasenmotorik bei intaktem Verschlußmechanismus der Harnblase. Ursachen sind Blasenentzündungen, Blasentumoren, Blasensteine, Fremdkörper der Blase oder infravesikale Obstruktion. In 20 % mit der Streßinkontinenz assoziiert. • Reflexinkontinenz: Unwillkürlicher Urinabgang bei unkontrollierbaren Detrusorkontraktionen ohne Harndrang. Ursachen: Sind angeborene (Myelomeningozele) oder erworbene Läsionen des zentralen Nervensystems (Querschnitt, Multiple Sklerose, M.Parkinson). • Überlaufinkontinenz: Unwillkürlicher Urinabgang mit großen Restharnmengen bei infravesikaler Druckerhöhung und gestörter Blasenmotorik. Ursachen sind untere neuro-motorische Läsionen (neurogen) oder muskuläre Dekompensation des M. detrusor infolge infravesikaler Obstruktion (mechanisch). Störung der Entleerungsfunktion: • Mechanische infravesikale Obstruktion, häufigste Störung. Ursachen: Prostataadenom, -karzinom, Sphinktersklerose, Harnröhrenklappe, -striktur, Meatusstenose. • Detrusorschwäche. Ursachen: Erkrankungen des peripheren Nervensystems, periphere Neuropathie, iatrogene Nervenläsion nach Operationen im kleinen Becken, z.B. Rektumexstirpation. • Funktionelle infravesikale Obstruktion. Ursachen: Erkrankungen des ZNS, mitigierte neurogene Blase. Rückwirkungen auf die ableitenden oberen Harnwege und die Nierenfunktion: Die beginnende Entleerungsstörung kompensiert die Harnblase zu-
Urologische Leitsymptome
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nächst mit einer Hypertrophie der Detrusormuskulatur (Trabekel- oder Balkenblase). Bei weiterer Zunahme des Auslaßwiderstandes dekompensiert die Harnblasenmuskulatur (Pseudodivertikel, Restharn). Mit weiterer Dekompensation verlieren die Harnleiterostien ihre Verschlußfunktion und werden refluxiv. Die unvollständige Blasenentleerung und der vesikorenale Reflux führen zu einer Ektasie von Harnleiter und Nierenbeckenkelchsystem. Besteht dieser Zustand längere Zeit, so resultiert eine Hydronephrose. Am Ende steht die Niereninsuffizienz. Jederzeit kann dabei eine akute Harnverhaltung auftreten (Sphinktersklerose, BPH, Prostatakarzinom, Harnröhrenstriktur, Meatusstenose).
Folgen einer Störung der Blasenfunktion • kompensatorische Hypertrophie der Detrusormuskulatur • Dekompensation der Harnblasenmuskulatur • Harnleiterostien verlieren Verschlußfunktion -> Reflux -> Ektasie von Harnleiter und Nierenbeckenkelchsystem -> Hydronephrose -» Niereninsuffizienz
Diagnostik. Die Stufendiagnostik sekundärer Blasenfunktionsstörungen richtet sich nach der Grunderkrankung (Entzündung, Tumor, mechanische Obstruktion durch benigne Prostatahypertrophie (BPH), Striktur usw.). Bei primären und neurogenen Blasenfunktionsstörungen kommt der urodynamischen Untersuchung entscheidende Bedeutung zu. Sie gibt Auskunft über die Viszeromotorik (qualitatives und quantitatives Detrusorverhalten), die Somatomotorik (Beckenboden und äußere Schließmuskel) sowie Störungen der Sensorik.
Diagnostik • nach Grunderkrankung • urodynamische Untersuchungen
2. Urologische Leitsymptome
Urologische Leitsymptome
(1) Veränderte Harnausscheidung:
bei Funktionsstörung der Niere ist Verdünnungs- und Konzentrationsvermögen eingeschränkt
Die tägliche Harnproduktion liegt bei 1000-1500 ml. Harnvolumen, Farbe und Osmolalität sind abhängig von Flüssigkeitszufuhr, körperlicher Anstrengung, Schwitzen, Fieber und Konzentrationsfähigkeit der Niere. Davon abhängig ist das spezifische Gewicht des Harns (normal: 1015-1025), das zwischen 1001 und 1040 schwanken kann. Nach Nonnenbruch „kann eine Niere, die konzentriert, auch verdünnen". Bei Funktionsstörungen der Niere ist deshalb das Verdünnungs- und Konzentrationsvermögen eingeschränkt:
Man unterscheidet: 1, Veränderte Harnausscheidung
Hyposthenurie: Niedrig gestellter, schwach konzentrierter Harn (Spez. Gew. 1010-1012); nach Durstversuch bis 1025. Isosthenurie: Ständig gleichbleibendes spezifisches Gewicht von etwa 1010. (Nach Durstversuch bis max. 1015) (Funktionsstarre der Niere). Polyurie: Urinausscheidung von über 21 pro Tag (Spez. Gew. < 1018). Proteinurie: Weist auf eine Parenchymerkrankung der Niere hin, tritt auch bei der Leukozyturie auf. Pyurie: Eiterharn, durch Leukozytenkonglomerate ist der Harn milchig trüb.
Hyposthenurie: schwach konzentrierter Harn Isosthenurie: gleichbleibendes spezifisches Gewicht (Funktionsstarre der Niere) Polyurie: übermäßige Harnausscheidung Proteinurie: Ausscheidung niedermolekularer Proteine —> Hinweis auf Parenchymerkrankung oder Leukozyturie Pyurie: Eiterharn
(2) Veränderte Miktion: Pollakisurie: Häufiger Harndrang bei Entzündung der Harnblase und Harnabflußstörungen des Blasenhalses oder der Harnröhre. Diurie: Die Pollakisurie besteht nur bei Tage. Nykturie: Die Pollakisurie hält auch bei Nacht an. Dysurie: Erschwerte Harnblasenentleerung bei Abflußstörungen der unteren harnableitenden Wege (BPH, Prostatakarzinom, Sphinktersklerose, Harnröhrenstriktur, kongenitale Mißbildungen der Harnröhre). Algurie: Schmerzhafte Blasenentleerung bei Entzündungen der Harnblase oder Harnröhre. Harnverhaltung: Unvermögen, die Harnblase zu entleeren (Prostataadenom und -karzinom, hochgradige Harnröhrenstriktur). Restharn: Die Harnmenge, die nach der Miktion in der Harnblase zurückbleibt. Strangurie: Bei geringem Füllungszustand der Harnblase auftretende krampfartige, mit heftigen Schmerzen einhergehende, nicht einhaltbare Blasenentleerung (= imperativer Harndrang). Unterbrechung des Harnstrahls: „Stotternde" Miktion bei Stein oder Tumor im Harnblasen-Harnröhrenbereich. Überlaufblase: S. Überlaufinkontinenz, S. 828. Harninkontinenz: S. 828. Pneumaturie: Abgang von Luft aus der Harnröhre bei Blasen-Darmfisteln.
2. Veränderte Miktion Pollakisurie: häufiger Harndrang Diurie: nur bei Tage andauernde Pollakisurie Nykturie: Pollakisurie auch bei Nacht Dysurie: erschwerte Harnblasenentleerung Algurie: schmerzhafte, krampfartige Blasenentleerung Harnverhaltung: Unvermögen, die Harnblase zu entleeren Restharn: Harnmenge, die nach der Miktion in der Harnblase zurückbleibt Strangurie: krampfartige schmerzhafte Blasenentleerung Unterbrechung des Harnstrahls: stotternde Miktion (Stein, Tumor) Pneumaturie: Abgang von Luft aus der Harnröhre (Blasen-Darmfistel)
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42. Urologie
Hämaturie • schmerzlose Hämaturie: Tumor • schmerzhafte Hämaturie Steinerkrankung, Entzündung
Schmerz in der Urologie 4 Schmerzformen
0 1. Nierenschmerz: lang anhaltender dumpfer Flankenschmerz Ursache: Dehnungsschmerz der Capsula fibrosa. 2. Nieren-Harnleiterkolik: an- und abschwellender unerträglicher Schmerz Ursache: eingeklemmter Stein
3. Blasenschmerz: wehenartiger Kolikschmerz Ursache: akute Harnverhaltung, Zystitis, Urethritis 4. Harnröhrenschmerz: Brennen in der Harnröhre Ursache: Urethritis 5. Prostataschmerz: dumpfer oder stechender lokalisierter Organschmerz. Ausstrahlend —> Becken, Damm Ursachen: Prostataabszeß, Prostatitis 6. Hoden-, Nebenhodenschmerz: bis zur Berührungsunerträglichkeit sich steigernder Schmerz Ursache: Hodentorsion, Hodenverletzung 7. Schmerzhafte Hämaturie: Steinerkrankung, Entzündung
(3) Hämaturie, Schmerz Hämaturie: Mikroskopisch oder makroskopisch sichtbare Blutbeimengungen im Urin. Die schmerzlose Hämaturie ist Leitsymptom des Tumors, die schmerzhafte Hämaturie findet sich bei Steinerkrankungen oder Entzündungen. Die Hämaturie kann total (Blutungsquelle im oberen Harntrakt oder in der Blase), initial (Blutungsquelle in der Harnröhre) oder terminal (Blutungsquelle im Blasenhals) sein. Diagnose der Blutungsursache durch Urinsediment, Urinkultur, quantitatives Urinsediment, 3-Gläser-Probe, i. v.-Urogramm, Urethrozystoskopie, Urinseparation, retrograde Harnleitersondierung, Ultraschall, digitale Subtraktionsangiographie, Computertomographie, ggf. MRT. Schmerz: Man kann 4 Schmerzformen unterscheiden: • den lokalisierten Organschmerz, • den auf Nachbarorgane ausstrahlenden Schmerz, • den durch Palpation auslösbaren Tast- oder Druckschmerz, • die wellenförmig verlaufende Kolik. Nierenschmerz: Lang anhaltender dumpfer Flankenschmerz, Schmerzzunahme bei bimanueller Untersuchung (Ballottement). Erhöhte Klopfempfindlichkeit des Nierenlagers. Ursachen: Dehnungsschmerz der Capsula fibrosa durch Ödem (Pyelonephritis) oder akute Nierenstauung (Steinverschluß). • Nieren-Harnleiterkolik: An- und abschwellender, sich bis zur Unerträglichkeit steigernder Schmerz, je nach Steinlokalisation und Harnrückstau in der Flankengegend, im Mittel- oder Unterbauch. Ursachen: Eingeklemmter Stein im Harnleiterabgangsbereich, Steinpassage im Harnleiter. Assoziiert mit Übelkeit, Brechreiz, Darmparalyse infolge gekoppelter nervöser Versorgung von Harn- und Darmtrakt. • Blasenschmerz: Rasch zunehmender wehenartiger Kolikschmerz oder terminale Algurie bis unerträglicher Blasenkrampf, quälender Harndrang. Ursachen: Akute Harnverhaltung (Klinischer Befund der hochstehenden Blase, Sonographie), Zystitis (Urinkultur), Urethritis. • Harnröhrenschmerz: Brennen in der Harnröhre. Ursache: Urethritis, z. B. nach instrumenteilen Eingriffen an der Harnröhre (Abstrich). • Prostataschmerz: Dumpfer oder stechender retrosymphysärer oder perineal lokalisierter Organschmerz in Hoden, Penis, in die Sakralregion ausstrahlend. Schmerzzunahme bei Palpation. Ursachen: Prostataabszeß, Prostatitis. • Hoden-, Nebenhodenschmerz: In den Samenstrang ausstrahlender, bei der Palpation sich bis zur Berührungsunerträglichkeit steigernder Schmerz von Hoden und Nebenhoden. Ursachen: Orchido-Epididymitis, Hodentorsion, -Verletzung.
Urologische Diagnostik
3. Urologische Untersuchungen
Bakteriologische und klinisch-chemische Untersuchungen 1. Harnuntersuchung:
3.1 Harn, Serum, Sekrete
wichtigste Basisuntersuchung bei urologischen Erkrankungen • beim Mann: Mittelstrahlurin • bei der Frau: Katheterurin
Harngewinnung: Die Harnuntersuchung ist eine der wichtigsten Basisuntersuchungen bei urologischen Erkrankungen. Der Harn wird beim Mann als Mittelstrahlurin (steril aufgefangener Urin während der Miktion nach Zurückstreifen der Vorhaut und Reinigung der äußeren Harnröhrenöffnung), bei der Frau als Katheterurin (mit einem transurethralen Blasenkatheter steril entnommener Urin) oder beim Säugling und Kleinkind im sterilen Plastikklebebeutel gewonnen. Blasenpunktionsurin zur Differenzierung zwischen Kontamination und primärer Urinveränderung. Dreigläserprobe (Abb. 42-4): Sie soll Hinweise auf die Lokalisation einer Blutung oder Entzündung im harnableitenden System des Mannes geben.
Dreigläserprobe (Abb. 42-4): Hinweis auf Lokalisation einer Blutung oder Entzündung beim Mann
3.1.1 Harnuntersuchungen
Urologische Untersuchungen
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m Pathologischer Befund im Bereich von Nieren, Harnleiter und Blase
Pathologischer Befund im Bereich von Harnröhre, Prostata und Samenblasen
Pathologischer Befund im Bereich der Harnröhre
Abb. 42-4: Dreigläserprobe
Der Patient kommt mit voller Blase, der Harn wird in 3 sterile Harngläser (je 15 ml) abgegeben (I = Initialstrahl; II = Mittelstrahl; Abbruch der Miktion, Prostatamassage und -exprimat für die mikroskopische Nativuntersuchung; III = erster Harnstrahl nach der Prostatamassage; der übrige Harn wird verworfen). Alle drei Urinproben getrennt zur mikroskopischen und bakteriologischen Untersuchung. Chemische Untersuchung: Semiquantitative Untersuchung von pH, Glukose, Eiweiß, Keton, Erythrozyten/Hämoglobin, Nitrit durch Schnelltestverfahren (Teststäbchen). N u r Screening-Test. Bei pathologischem B e f u n d Nachuntersuchung mit quantitativen Labormethoden. Mikroskopische Sedimentuntersuchung: Ein Tropfen Harnsediment auf dem Objektträger mit Deckplättchen als Nativpräparat (400fache Vergrößerung) zum Nachweis und zur Beurteilung von Leukozyten, Erythrozyten, Plattenepithelien, Zylindern, Harnkristallen, Hefen, Trichomonaden. Urinkultur: Ca. 3 ml steril aufgefangener Urin werden zur bakteriologischen Untersuchung eingesandt. Mit der Kultur werden Art u n d Zahl der Erreger bestimmt sowie die Resistenz der Erreger gegenüber Antibiotika getestet. Keimzahlen von über 100000 Keimen/ml sprechen für eine signifikante Harnwegsinfektion. D a r u n t e r liegende Keimzahlen können auf eine Kontamination mit apathogenen Keimen oder auf eine Verunreinigung hinweisen. Tuberkelbakterien werden mit diesem Verfahren nicht erfaßt; auf Tbc verdächtiger Urin muß gesondert zur Kultur und zum Tierversuch auf Tuberkelbakterien eingesandt werden.
chemische Untersuchung pH, Glukose, Eiweiß, Keton, Erythrozyten/Hämoglobin, Nitrit mikroskopische Sedimentuntersuchung: Nachweis v o n Leukozyten, Erythrozyten, Plattenepithelien, Zylindern, Harnkristallen, Hefen, Trichomonaden Urinkultur B e s t i m m u n g v o n Art, Zahl und Resistenz der Erreger > 100000 Keime/ml = signifikante Bakteriurie
Harnkonkremente s. S. 861 3.1.2 Sekretuntersuchungen
2. Sekretuntersuchungen
Sekretgewinnung: Als Abstrich beim Harnröhrenausfluß, durch Prostatamassage oder als Ejakulat durch Masturbation in der Sprechstunde des Arztes nach Stägiger sexueller Karenz gewonnen. Sekretuntersuchung: Harnröhrenausfluß findet sich als gelblich-grüner Fluor bei der Gonorrhoe (Gonokokken) und als gelblich-seröser Ausfluß bei der Mykoplasmen- oder Trichomonadenurethritis. Diagnostik durch mikroskopische Untersuchung (Gonokokken: Methylenblaufärbung des luftgetrockneten Abstrichpräparates und Befundung bei lOOOfacher Vergrößerung; Trichomonaden: Nativsediment aus 15 ml frisch gelassenen Morgenurins (Initialstrahl) und Befundung bei 400facher Vergrößerung oder spezielle Kulturen. Bei Erregernachweis immer Partnerschaftsdiagnostik. Prostataexprimat: Alleine oder - zweckmäßiger - im Rahmen der 3-GläserProbe mit Urinsediment- und Urinkulturuntersuchung. Wird mittels fächerförmiger Massage der Prostata von kranial nach kaudal gewonnen. Mehr als 25 Leukozyten pro Gesichtsfeld im Exprimatnativpräparat bei 400facher Vergrößerung weisen auf einen entzündlichen Prozeß der Prostata oder Bläschendrüsen hin. Normalbefund: Lipoide, Prostatakörperchen, wenig Leukozyten. Ein überwiegend seröses Exprimat ohne Vermehrung der Leukozyten gibt Hinweise auf eine Kongestion der Prostata (vegetatives Urogenitalsyndrom).
• Gewinnung durch Prostatamassage - bei Gonorrhoe: gelblich-grüner Fluor - bei Mykoplasmen/Trichomonadenurethritis: gelblich seröser A u s f l u ß - Diagnostik durch mikroskopische Untersuchung
Prostataexprimat entzündlicher Prozeß: > 25 Leukozyten pro Gesichtsfeld im Nativpräparat (400fache Vergrößerung) Kongestion der Prostata: seröses Exprimat ohne Vermehrung der Leukozyten
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42. Urologie
• Ejakulat - vermehrte Leukozyten -> Adnexitis des Mannes - vermehrte Erythrozyten Prostatavesikulitis
Ejakulat: Vermehrt Leukozyten (bis zur Pyospermie) finden sich bei der Adnexitis des Mannes. Ejakulatkulturen werden dann in vielen Fällen positiv, beim vegetativen Urogenitalsyndrom negativ ausfallen. Vermehrte Erythrozyten (Hämospermie) weisen auf eine meist harmlose, nur selten tuberkulös verursachte Prostatavesikulitis hin.
Funktionsdiagnostik
3.2 Funktions- und radiologische Diagnostik
Wichtigste Nierenfunktionsparameter: • Serumkreatinin • Serumkalium
Untersuchungen zur Beurteilung der Nierenfunktion (z.B. endogene KreatininClearance, seitengetrennte Isotopendiagnostik) werden hier nicht besprochen.
Spezielle Nierenfunktionsuntersuchung: • Kreatinin-Clearance • Säure-Basen-Haushalt: - Blut-pH - Bikarbonatspiegel • prostataspezifisches Antigen (PSA). —> Metastasierung des Prostatakarzinoms Urodynamische Verfahren • Uroflowmetrie: Flußmessung der Harnmenge während der Miktion Sphinktersklerose, Harnröhrenklappe, Sphinkterhypertrophie, Detrusorschwäche Zystometrie: Messung des intravesikalen Druckes der Blasenfüllung und -entleerung -» Enuresis, imperativer Harndrang, Pollakisurie, Harninkontinenz, neurogene Blasenentleerungsstörung Urethrometrie: Messung des intraurethralen Druckes -> Streßinkontinenz, neurogene Blasendysfunktion
Bildgebende Diagnostik - Sonographie - Infusionsurographie - Angiographie - Kavographie - CT - MRT Instrumentelle Röntgendiagnostik 1. Retrograde Pyelographie (Abb. 42-5). Sondierung eines Harnleiters mit Katheter Kontrastmitteldarstellung des harnableitenden Systems: Niere-Harnleiter
2. Retrograde Urethrographie Auffüllen der Harnröhre mit Kontrastmittel Erkennen von Strikturen, Klappenbildungen, Divertikeln
Wichtigste globale Nierenfunktionsparameter sind der Serumkreatinin- und Serumkaliumspiegel. Serum-Harnstoff- und Serumharnsäurewerte können durch extrarenale Faktoren beeinflußt werden. Spezielle Nierenfunktionsuntersuchungen sind die Kreatinin-Clearance und die seitengetrennte Isotopen-Clearance (Seitengetrennte Funktionsszintigraphie mit Tc 99m - MAG 3 ). Für den Säure-Basen-Haushalt spielen der durch die Niere mitregulierte Blut-/?// und der Bikarbonatspiegel eine zentrale Rolle. Der Anstieg des prostataspezifischen Antigens (PSA) kann Hinweis auf eine bestehende ossäre Metastasierung des Prostatakarzinoms sein; die weitere Beobachtung des PSA ist für die Verlaufskontrolle des metastasierten Prostata-Karzinoms unter Therapie wichtig. Urodynamische Verfahren: Uroflowmetrie (Harnflußmessung): Flußmessung der Harnmenge, die während der Miktion durch die Harnröhre ausgeschieden wird (ml/s). Sie ist als Screening-Test bei jeder Harnblasenentleerungsstörung angezeigt. Der abgeschwächte Harnfluß kann mechanisch (BPH, Sphinktersklerose, Harnröhrenklappe) oder neurogen (Sphinkterhypertonie, Detrusorschwäche) verursacht sein. Zystometrie (Blasendruckmessung): Messung des intravesikalen Druckes (cm WS) während der kontinuierlichen Blasenfüllung und der Blasenentleerung. Sie ist die wichtigste urodynamische Untersuchung bei allen Reservoir- und Entleerungsstörungen der Harnblase: Enuresis, imperativer Harndrang, Pollakisurie, Harninkontinenz, neurogene Blasenentleerungsstörung. Urethrometrie (Harnröhrendruckprofil): Messung des intraurethralen Druckes (cm WS) und der funktionellen Harnröhrenlänge (cm), d.h. des Harnröhrenabschnittes, in dem ein Harnröhrendruck nachweisbar ist. Wird gleichzeitig der intravesikale Druck gemessen, kann der Harnblasenverschlußdruck bestimmt werden. Diese Messung gibt zusätzliche Information bei der Streßinkontinenz, bei der infravesikalen Obstruktion und bei der neurogenen Blasendysfunktion. Radiologische Verfahren. Ultraschalluntersuchung, Infusionsurographie, Doppler-Sonographie (farbkodierte Duplexsonographie) digitale Subtraktionsangiographie, Angiographie, Kavographie, CT, MRT. Instrumentelle Röntgendiagnostik: (1) Retrograde Pyelographie (Abb. 42-5): Sondierung eines Harnleiters mit einem Harnleiterkatheter (meistens 5 Charriere) retrograd über ein zuvor in die Blase eingeführtes Zystoskop. Anschließend wird über den Harnleiterkatheter vorsichtig Kontrastmittel in das Nierenbecken instilliert. Durch langsames Zurückziehen des Harnleiterkatheters aus dem Nierenbekken in den Harnleiter und gleichzeitige weitere Instillation von Kontrastmittel läßt sich unter der Bildwandlerfernsehkette röntgenologisch das harnableitende System: Niere-Harnleiter, sehr kontrastreich darstellen. Diese Untersuchungsmethode sollte nur dann eingesetzt werden, wenn vorangehende, nicht invasive Röntgenuntersuchungsverfahren (i. v.-Urogramm, Infusionsurogramm) keine eindeutige Diagnose erbringen (Harnleiterabgangsstenose, schattennegative Harnleitersteine, Urotheltumoren im Nierenbeckenkelchsystem und Harnleiter). (2) Retrograde Urethrographie: Auffüllen der Harnröhre mit Kontrastmittel über einen in die Fossa navicularis eingelegten Gyon-Katheter. Die kontrastreiche Darstellung der Harnröhre (a. p. und Lauensteinlage) läßt Strikturen, Klappenbildungen und Divertikel erkennen.
Urologische Untersuchungen
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Streckung des Gliedes Lagerung des Patienten zum Katheterismus
\
Harnröhre^ Cave: Via falsa leer
Kontrastmittel
Abb. 42-5: Retrograde Pyelographie. Sondierung des rechten Harnleiters mit einem Harnleiterkatheter. Injektion von Kontrastmittel zur Röntgendarstellung
Tiemann Mercier Nelaton
O gefüllt Ballon
^ ^ ^
Abb. 42-6: Katheterismus s. Technik, Kathetertypen
(3) Refluxzystourethrogramm: In der ersten Phase wird die Harnblase über einen transurethral eingelegten Blasenkatheter mit Kontrastmittel bis zur Kapazitätsgrenze gefüllt. In der zweiten Untersuchungsphase wird der Katheter entfernt und der Patient zur Miktion aufgefordert. In der Füllungs- und in der Entleerungsphase werden Röntgenaufnahmen angefertigt. Übertritt des Kontrastmittels in Harnleiter und Nierenbecken während der Blasenfüllung und beim Blasenruhetonus (Niederdruckreflux, Low-Pressure-Reflux) oder bei Miktion und Pressen (Hochdruck-Reflux, High-Pressure-Reflux). Anschließend Miktionszystourethrogramm bei Verdacht auf Harnblasenentleerungsstörung (infravesikales Abflußhindernis).
3. Refluxzystourethrogramm Röntgenaufnahmen in Füllungsphase (über Blasenkatheter) und Entleerungsphase Anschließend Miktionszystourethrogramm bei Verdacht auf Harnblasenentleerungsstörung
3.3 Transurethrale Diagnostik, Punktionen
Transurethrale Diagnostik
Der Durchmesser urologischer Instrumente, wie Bougie, Katheter, Endoskop wird in Charriere (= V3 mm) angegeben. Mit dem Bougie (aus Edelstahl) kann eine Harnröhrenstriktur lokalisiert, kalibriert und aufgedehnt („bougiert") werden. Katheter werden transurethral zur Harnableitung in die Harnblase eingelegt (Abb. 42-6). Katheterismus: Einmal- (aus Kunststoff) und Dauerkatheter (aus Gummi, Silikon-Kautschuk). Bei jedem Katheterismus müssen Regeln eingehalten werden: strenge Asepsis, Instillation eines anästhesierenden Einmalgleitmittels in die Harnröhre, vorsichtiges Einführen des Katheters, Abbruch des Katheterismus bei Widerstand (keine Via falsa!); in diesem Fall retrograde Urethrographie oder Urethrozystoskopie. Die instrumentelle Untersuchung der ca. 6 cm langen weiblichen Harnröhre ist weniger problematisch. Endoskopie: Urethrozystoskopie: Kombinierte Untersuchung von Harnröhre und Blase in einem Arbeitsgang (Diagnostik). Urethrotomie: Inzision von Harnröhrenstrikturen oder Harnröhrenklappen mit (Sachse; Abb. 42-7) oder ohne Sicht (Otis) (Therapie). Resektoskopie: Transurethrale Resektion von Prostata, Blasenhals und Blasentumoren (s. Abb. 42-7) (Diagnostik und Therapie). Ureterorenoskopie (starr, flexibel): Endoskopie des Harnleiters vom Ostium bis zum Nierenbecken bzw. zu den -kelchen. Neben der Diagnostik sind auch endoskopische Operationen durchführbar: Biopsien, Strikturschlitzung, Steindesintegration, mechanische-, elektrohydraulische-, laserinduzierte Tumorzerstörung.
Katheterismus: Einlage in die Harnblase zur transurethralen Harnableitung (Abb. 42-6). Strenge Asepsis! Abbruch des Katheterismus bei Widerstand (Gefahr: Via falsa)
Punktionsverfahren. (Abb. 42-8): Punktion des gestauten Nierenbeckens unter Ultraschallkontrolle in Lokalanästhesie. Nach Aufbougieren des Punktionskanals Einlegen eines Nierenfistel-Katheters (Entlastung einer Stauungsniere).
Endoskopie • Urethrozystoskopie: Untersuchung der Harnröhre und Blase • Urethrotomie: Inzision von Harnröhrenstrikturen oder Harnröhrenklappen • Resektoskopie: Resektion von Prostata, Blasenhals, Blasentumor • Ureterorenoskopie: Inspektion des Harnleiters vom Ostium bis zum Nierenbecken. Gleichzeitig endoskopische Eingriffe möglich (Biopsie, Strikturschlitzung, Steindesintegration, Tumorzerstörung) Punktionsverfahren • Perkutane Nephrostomie (Abb. 42-8) Punktion des gestauten Nierenbeckens
42. Urologie
834 Messer
Instrumentenschaft
Harnröhrenstriktur Abb. 42-7: Urethrotomia
Interna
Abb. 42-9: Transkutane Punktion der vollen Harnblase mit einem Einmalpunktionsbesteck
Abb. 42-8: Transkutane transpapilläre Nierenbekkenpunktion und Drainage mit Pigtailkatheter
Suprapubische Blasenfistel (Abb.42-9): transkutane Punktion der vollen Blase und Einlegen eines Blasenfistel-Katheters Transrektale Feinnadelbiopsie der Prostata (Abb.42-1 Oa): Punktion der Prostata mit dünner Nadel zytologische Befunde Transrektale Stanzbiopsie der Prostata: bei Karzinomverdacht histologische Untersuchung
Perineale Stanzbiopsie der Prostata: (Abb.42-10b): Punktion eines karzinomverdächtigen Prostataknotens —» histologische Untersuchung
Suprapubische Blasenfistel (Abb. 42-9): Transkutane Punktion der vollen Harnblase mit einer Metallkanüle in Lokalanästhesie und Einlegen eines Blasenfistelkatheters (chronische komplette oder inkomplette Harnblasenentleerungsstörungen). Transrektale Feinnadelbiopsie der Prostata (Abb.42-10a): Punktion der Prostata mit einer dünnen Nadel (ohne Anästhesie) und Aspiration von Prostataepithelzellen. Ausstrichpräparat und Färbung nach Papanicolaou. Zytologische Befundung. Transrektale Stanzbiopsie der Prostata: Unter rektaler oder besser sonographischer Kontrolle mittels einer perforierten (Punktionskanal) transrektalen Ultraschallsonde. Punktion eines karzinomverdächtigen Prostataknotens und Entnahme eines Gewebezylinders zur histologischen Untersuchung. Sextantenbiopsie nach Stamey (Einschätzung des lokalen Tumorvolumens bei Karzinom). Perineale Stanzbiopsie der Prostata (Abb.42-10b): In Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose, unter rektaler Kontrolle vom Damm aus Punktion eines karzinomverdächtigen Prostataknotens. Entnahme eines Stanzzylinders zur histologischen Untersuchung. Indikation: Verdacht auf Prostatakarzinom. Komplikationen: Hämaturie, Fieber bis zur Sepsis. Die Biopsie sollte daher unter antibiotischer Abschirmung erfolgen.
neale Stanzbiopsie der Prostata
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Urologische Therapie
4. Urologische Therapie
Urologische Therapie
4.1 Nephrektomie, plastische Eingriffe
1. Nephrektomie:
Nephrektomie. Indikation: Nierenkarzinom, septische Niere (KarbunkelAbszeßniere), vollständig rupturierte Niere.
Indikation bei • Nierenkarzinom • septischer Niere • rupturierter Niere
Eingeschränkte Indikation (in Abhängigkeit der kontralateralen Nierenfunktion): hydronephrotische Sackniere, Pyonephrose, pyelonephritische Schrumpfniere, renaler Hochdruck, funktionslose Niere, vereiterte Zystenniere. Kontraindikation: eingeschränkte Funktion der kontralateralen Niere, Solitärniere, funktionelle Einzelniere, Doppelkarzinom der Niere, hypoplastische Niere. Operative Zugangswege: Flankenschnitt, Interkostalschnitt, Transrektalschnitt, thorako-abdominaler Zugang. In ausgewählten Fällen kann die Nephrektomie auch laparoskopisch erfolgen (symptomatische Schrumpfniere, benigne Nierenerkrankungen mit Funktionsverlust)
Nephroureterektomie: Entfernung von Niere und Harnleiter mit einer Blasenmanschette. Indikation: Nierentuberkulose, Urothelkarzinom, funktionslose Doppelniere. Nierenteilresektion (Abb. 42-11): organerhaltende Operation mit Resektion von tumor- oder entzündungstragenden Nierenanteilen nach vorheriger angiographischer oder nuklearmedizinischer Diagnose. Indikation: Doppelniere oder Hufeisenniere mit funktionslosem Nierenparenchymanteil oder Steinnest, Nierentumor in Solitärniere oder funktioneller Einzelniere; bei kleinen, insbesondere polständigen Tumoren, auch bei gesunder kontralateraler Niere (ausgewählte Fälle). Plastische Operationen. Bei Harntransportstörungen im harnableitenden System Beseitigung von Stenosen, Strikturen und angeborenen Mißbildungen. Nierenbeckenplastik: Resektion der Harnleiterabgangsstenose, Modellage des Nierenbeckens, End-zu-Seit-Anastomose des Nierenbeckens mit dem Harnleiter (Anderson-Hynes). Harnleiterplastik: Harnleiterresektion mit End-zu-End-Anastomose. Blasenlappenplastik (Boari) oder Hörnerblase (Dolff): Zur Überbrückung von langen prävesikalen Harnleiterdefekten.
Eingeschränkte Indikation und Kontraindikation
Operative Zugänge bei Nephrektomie • Flankenschnitt • Interkostalschnitt • Transrektalschnitt • thorako-abdominaler Zugang - laparoskopisch 2. Nephroureterektomie Entfernung von Niere und Harnleiter mit einer Blasenmanschette Indikation bei - Nierentuberkulose - Urothelkarzinom - Doppelniere 3. Nierenteilresektion (Abb.42-11): Resektion von Tumor oder entzündungstragenden Nierenanteilen Indikation bei: Doppelniere, Hufeisenniere, Nierentumor 2. Plastische Operation Beseitigung von Stenosen, Strikturen, Mißbildungen. Verfahren • Nierenbeckenplastik • Harnleiterplastik • Blasenlappenplastik • Antirefluxoperation
Abb. 42-11: a. Teilresektion des Nierenpoles, b. Heminephrektomie (evtl. Heminephroureterektomie)
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42. Urologie Antirefluxoperation: Submuköse Verlagerung des refluxiven Harnleiters durch transvesikale (Politano-Leadbetter) oder extravesikale Operationsverfahren (Lich-Gregoir). Plastische Operationen und kongenitale Fehlbildungen des Kindes: Blasenekstrophie, Hypospadie, Epispadie (s. Abb. 42-13), Leistenhoden (s. Abb. 42-29), Phimose (s. Abb.42-14).
3. Harnableitung
4.2 Harnableitung
= Ab- oder Umleitung des Harns bei Abflußhindernis proximal
Bei vorübergehender oder endgültiger Harntransportstörung durch tumoröse, entzündliche oder neurologische Veränderungen im Bereich der harnableitenden Wege, muß der Harn proximal des Abflußhindernisses ab- oder umgeleitet werden. Temporäre Harnableitung (unter Verwendung von Kathetern oder Schienen): Nierenfistelkatheter, endoureteraler Splint, Ureterkatheter, Blasenkatheter, Blasenfistelkatheter. Definitive Harnableitung (unter Verwendung von körpereigenem Gewebe (Abb.42-12a-f): Ureterokutaneostomie: Endständige Implantation eines oder beider Harnleiter in die Haut. Versorgungstechnisch besser ist die: Transuretero-ureterokutaneostomie: In einem Ostium werden beide Harnleiter im linken Unterbauch implantiert.
a) temporäre Ableitung
b) definitive Harnableitungen: (Abb. 4212a-f) sind: 1. Ureterokutaneostomie Endständige Implantation eines oder beider Harnleiter in die Haut 2.Transuretero-ureterokutaneostomie Implantation beider Harnleiter in die Haut
Abb.42-12: Harnableitung nach Zystektomie durch a. Transuretero-Ureterokutaneostomie, b. Uretero-Ureterotransversostomie, einseitige Durchzugsnephrostomie, c. Ureterosigmoideostomie, d. Ileum-Conduit, e. Kock-Pouch, trockenes Stoma im Nabel, f. Ileumneoblase
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Urologische Therapie Sind nur kurze Harnleiter verfügbar, empfiehlt sich die: Uretero-Ureterotransversostomie: Beide kurze Harnleiterstümpfe werden retroperitoneal anastomosiert. Der Urin wird durch eine Durchzugsnephrostomie aus dem Nierenbecken abgeleitet. An Bedeutung verloren hat heute die Ureterosigmoideostomie (Coffey-Goodwin) mit antirefluxiver Implantation beider Harnleiter in das Sigma. Keimaszension, Harnleitermündungsstenosen und hyperchlorämische Azidose verhindern gute Dauerresultate. Harnableitungen unter Verwendung von Kolonabschnitten bergen das Risiko maligner Entartung. Definitive Harnableitung der Wahl ist die Implantation eines oder beider Harnleiter in den • Ileum-Conduit (Bricker), eine ausgeschaltete Dünndarmschlinge oder • Kolon-Conduit, eine ausgeschaltete Dickdarmschlinge. • Kock-Pouch mit kontinentem Stoma im Bauchnabel. • Ileumblase: orthotoper Harnblasenersatz aus Dünndarm beim Mann und zunehmend auch bei der Frau. Vorraussetzung ist: Harnröhre muß belassen werden. Bei Verwendung längerer Dünndarmsegmente (bis 80 cm) kann sich ein Kurzdarmsyndrom entwickeln mit typischen Resorptionsstörungen (Vit.B12-Mangel, chologene Diarrhoe, Mangel an (fettlöslichen) Vitaminen A, D, E, K und Hyperoxalurie mit Steinbildung).
3. Uretero-Ureterotransversostomie Retroperitoneale Anastomosierung der kurzen Harnleiterstümpfe. Ableitung des Urins aus dem Nierenbecken durch Durchzugsnephrostomie 4. Ureterosigmoideostomie Implantation beider Harnleiter in das Sigma. Schlechte Dauerresultate. Definitive Harnableitung der Wahl: Implantation der Harnleiter in den 5. Ileum-Conduit (ausgeschaltete Dünndarmschlinge) oder 6. Kolon-Conduit (ausgeschaltete Dickdarmschlinge) 7. Harnblasenersatz aus Dünndarm (KockPouch) 8. Ileumneoblase
4.3 Endoskopische Eingriffe
4. Endoskopische Eingriffe
Diagnostische Endoskopie: • Chromozystoskopie: 3-5 min nach intravenöser Injektion von 5 ml Indigokarmin oder Methylenblau wird bei intakter Nierenfunktion und freien Harnabflußwegen im blauen Strahl Urin aus beiden Harnleiterostien ausgeschieden. Die Blauausscheidung ist bei supravesikaler Harnabflußstörung aufgehoben oder verzögert, z. B. bei einem Harnleiterstein mit komplettem oder inkomplettem Abflußstopp. Die Methode ist vor allem nützlich bei der Suche nach den Ureterostien (z.B. nach ausgedehnten Resektionen unübersichtliche endovesikale Verhältnisse). • Harnleiterkatheterismus (s. Abb. 42-6, S.833): Über das transurethral in die Blase eingeführte Zystoskop können Harnleiterkatheter zur Sondierung und retrograden röntgenologischen Darstellung von Harnleiter und Nierenbecken eingelegt werden. • Ureteropyeloskopie: Transurethral wird, evtl. nach vorheriger Bougierung des Harnleiterostiums, ein 49 cm langes 8-12 Charrière Pyeloskop in den betreffenden Harnleiter eingeführt. Unter ständiger Irrigation Endoskopie des Harnleiters und des Nierenbeckens, z.B. bei Verdacht auf Harnleiteroder Nierenbeckentumor. Möglichkeit zur Probeexzision.
a) diagnostische Endoskopie 1. Chromozystoskopie: Feststellung der supravesikalen Harnabflußstörung,z.B. - Harnleiterstein - Ostiensuche
2. Harnleiterkatheterismus (s. Abb. 42-6): Diagnostischer Eingriff zur Sondierung und röntgenologischen Darstellung von Harnleiter und Nierenbecken 3. Ureteropyeloskopie Wird transurethral durchgeführt. Endoskopische Diagnostik von Nierenbecken oder Harnleitertumoren
Therapeutische Endoskopie:
b) therapeutische Endoskopie:
• Entfernung von Harnleitersteinen mit der Zeiss-Schlinge (s. Abb. 42-26, S. 862) Technik s. Harnleiterkatheterismus. Die Schlinge wird zur Entfernung von prävesikalen Harnleitersteinen eingelegt. Angesichts der Möglichkeit, Harnsteine jeder Lokalisation mit Hilfe der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) nicht invasiv erfolgreich zu behandeln, ist die Schiingenextraktion nur noch selten indiziert.
4. Entfernung von Harnleitersteinen mit der Zeiss-Schlinge
• Entfernung von Harnleitersteinen mit dem Ureteropyeloskop: Technik s. Ureteropyeloskopie. Über einen Arbeitskanal Einführen einer dünnkalibrigen Ultraschallsonde und Zertrümmerung (elektrohydraulisch, mit Ultraschall oder Laser) des zuvor mit einem Dormia-Katheter fixierten Steines im Harnleiter. Abgang der Steinfragmente spontan. • Transurethrale Resektion: Unter Sicht wird mit einer elektrischen Schlinge (Hochfrequenzstrom) Span für Span von der Prostata oder dem Blasentumor (s. Abb. 42-27, S.863) abgetragen und über den Instrumentenschaft aus der Blase gespült.
5. Entfernung von Harnleitersteinen mit dem Ureteropyeloskop: Der mit einer Dormia-Schlinge fixierte Stein wird mit einer Ultraschallsonde zertrümmert. Abgang der Steinfragmente spontan 6.Transurethrale Resektion: Abtragung Span für Span von der Prostata oder einem Blasentumor
838 7. Instrumentelle Lithotripsie: Zertrümmerung von Blasensteinen und deren Ausspülung über das Instrument
42. Urologie
10. Laparoskopie: Intraabdominelle Operation nach Anlage eines Pneumoperitoneums
• Instrumentelle Lithotripsie (s. Abb. 42-26, S.862) Blasensteine können transurethral mit Ultraschallsonden, elektrohydraulischen Stoßwellen oder Steinzangen zertrümmert, die Steintrümmer über den Instrumentenschaft ausgespült werden. • Urethrotomia interna: Strikturen, Ringe oder Klappen der Harnröhre können transurethral mit einem scharfen Messer unter Sicht (s. Abb. 42-7) (Sachse-Urethrotom) oder ohne Sicht (Otis-Urethrotom) gespalten werden. • Litholapaxie: Transkutane Punktion des Nierenbeckens unter Ultraschall- und Röntgenkontrolle, Bougierung des Punktionskanals bis 27 Charriere. Dann werden kleinere Nierensteine unter Sicht extrahiert, größere Nierensteine unter Sicht zertrümmert (Ultraschall, elektrohydraulische Stoßwellen) und anschließend abgesaugt oder extrahiert. Methode auch für subpelvine Steine geeignet. • Laparoskopie: Pneumoperitoneum und intraperitoneale Operation; am häufigsten: pelvine Lymphadenektomie, Nephrektomie bei benigner Erkrankung, Varikozelenresektion.
Fehlbildungen
5. Fehlbildungen
Nierenanomalien
5.1 Nieren-, Harnleiteranomalien
1. Nierenaplasie Funktionsübernahme durch kompensatorische Hypertrophie der kontralateralen Niere 2. Nierenhypoplasie Kompensatorische Hypertrophie der kontralateralen Niere 3. Nephroptose Abnorme Beweglichkeit und Senkung der Niere und des Harnleiters Pyelonephritis
Nierenaplasie: Sehr selten. Funktionsübernahme durch kompensatorische Hypertrophie der kontralateralen Niere. Vor geplanter Nephrektomie bei Nierenruptur oder Nierentumor immer zuerst nach einer zweiten Niere fahnden. Nierenhypoplasie: Angeboren. Kompensatorische Hypertrophie der kontralateralen Niere. Keine Therapie.
8. Urethrotomia interna: Spaltung von Strikturen, Ringen oder Klappen transurethral mit einem Messer (Urethrotom) 9. Litholapaxie: Transkutane Entfernung von Nierensteinen nach Punktion des Nierenbeckens. Bei größeren Steinen nach vorheriger Zertrümmerung. Ausspülung über das Instrument
Symptome - Schweregefühl in der Lendengegend - Rückenschmerzen, nicht im Liegen Diagnose - bimanuelle Palpation abnorm bewegliche Niere - i.v. Urogramm - Isotopen-Nephrogramm Therapie Nephropexie bei - Harnabflußstörung - rezidivierenden Pyelonephritiden - Steinleiden, Hypertonie - lageabhängigen Schmerzen 4. Zystenniere Der Anschluß zahlreicher Tubuli an die Sammelrohre ist gestört -» Stauung im Tubulussystem. Ausweitung der Tubuli zur Zyste Druckatrophie von Nierenparenchym Symptome • Niereninsuffizienz • renale Anämie Diagnose • i.v. Urogramm: große Nierenkontur, Kelchdeformation, lang ausgezogene Kelchhälse
Nephroptose (Senkniere): Epidemiologie: 75% zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Davon 80-90 % bei Frauen. Ätiopathogenese: Kongenitale und erworbene Ursachen (Gewichtsverlust, allgemeine Enteroptose, Schwächung der Bauchmuskulatur z. B. nach mehreren Graviditäten), betrifft fast ausschließlich die rechte Niere. Abnorme Beweglichkeit und Senkung (Senk-Kippniere) der Niere und des Harnleiters. Pyelonephritis durch Harnabflußstörung aus dem Nierenbecken. Symptome: Schweregefühl in der Lendengegend und Rückenschmerzen ausschließlich in aufrechter Körperhaltung und bei Ermüdung, nicht beim Liegen. Diagnose: Bimanuelle Palpation der abnorm beweglichen Niere, Leukozyturie und Bakteriurie bei Harnweginfektionen, i.v. Urogramm (evtl. auch Zielpyelogramm) und Funktionsuntersuchung (Isotopen-Nephrogramm) im Liegen und Stehen (Sitzen). Differentialdiagnose: Dystope Niere, neuro-vegetative Beschwerden. Therapie: Nephropexie, zurückhaltende Indikation. Operation nur, wenn Harnabflußstörungen, rezidivierende Pyelonephritiden, Steinleiden, Hypertonie, lageabhängige Schmerzen bestehen. Prognose: Bei strenger Indikation Operationserfolge gut. Zystennieren: Epidemiologie: Dominant erblich, doppelseitig auftretende Fehlbildung kombiniert mit Leber-, Milz- und Pankreaszysten. Ätiopathogenese: Der Anschluß zahlreicher Tubuli an die Sammelrohre ist gestört. Bei Einsetzen der Nierenfunktion deshalb Harnstauung im Tubulussystem. Ausweitung der Tubuli zu Zysten. Druckatrophie von gesundem Nierenparenchym. Insgesamt progressiver Prozeß. Symptome: Manifestation im 30.-40. Lebensjahr durch „Tumorbildung" der Nieren. Zeichen der eingeschränkten Nierenfunktion. Renale Anämie. Bei Infektionen von Zysten Schüttelfrost und Fieber. Im Endstadium terminale Niereninsuffizienz. In ca. 70 % Hypertonie. Diagnose: Beiderseits bis kindskopfgroße Oberbauchtumoren. In ca. 30 % erhöhte Retentionswerte bei der Diagnosestellung. Im i. v. Urogramm große Nierenkontur, Kelchdeformationen und lang ausgezogene Kelchhälse. Im Ultraschall multiple echofreie Zonen. Angiographisch rarifizierte Ge-
Fehlbildungen fäßverzweigung mit kleinen erhaltenen Parenchyminseln. Häufig auch Leberzysten. Differentialdiagnose: Beiderseitige Hydronephrosen oder Nierentumoren, multiple Nierenzysten. Therapie: Keine Kausalbehandlung möglich. Bei eitriger Infektion oder massiver Blutung Nephrektomie meistens nicht zu umgehen. Prognose: Allmähliche Abnahme der Nierenfunktion bis zum terminalen Nierenversagen. Dann chronische Dialysebehandlung oder Nierentransplantation. Nierenzysten (solitär, multizystisch): Ätiopathogenese: In der Regel einseitig. Ansonsten s. Zystennieren. Symptome: Meistens Zufallsbefund. Bei großen Zysten Verdrängung des Nierenbeckenkelchsystems, Harnabflußstörungen. Diagnose: Im i. v. Urogramm raumfordernder Prozeß wie beim Nierenkarzinom. Durch Ultraschalldiagnostik (echofreier Raum) vom soliden Tumor abzugrenzen. Im Zweifelsfall Computertomographie oder NMR. Differentialdiagnose: Nierenkarzinom, Hydronephrose, Nierenkarbunkel. Therapie: Nur bei großen Zysten bzw. Abflußbehinderungen von Abschnitten des Hohlsystems indiziert. Dann Punktion in Lokalanästhesie und Verödung oder durch offene Resektion. Cave: Maligne Entartung der Zyste in ca. 3 °/o. Verschmelzungsnieren: Ätiopathogenese. Selten. Kongenitale Störungen der Aszension und Drehung beider Nierenanlagen. Klinische Symptomatologie: In vielen Fällen assoziiert mit Reflux, Harnleiterabgangsstenose, Harnwegsinfektion, Steinbildung. Diagnose: I. v. Urogramm, Sonographie, evtl. Nierenangiographie. Häufigste Formen: Hufeisenniere, gekreuzte Nierendystopie mit Verschmelzungsniere, Kuchen- oder Beckenniere. Therapie: In der Regel keine, da normale Nierenfunktion. Evtl. plastische Korrektur von Hydronephrose oder Reflux. Kongenitale Lageanomalien: Lumbale und iliakale Nierendystopie, Torsionsdystopie: Therapie s. Verschmelzungsniere. Blind endender Harnleiter: Der Harnleiter endet blind, ohne das Nierenparenchym erreicht zu haben. Betrifft einen Harnleiter alleine, auch bei Ureter duplex oder - triplex. Ureter duplex: Doppelniere, doppeltes Nierenbeckenkelchsystem, doppelte Harnleiteranlage in einer gemeinsamen Scheide, Einmündung mit je einem Ostium in die Harnblase. Ureter fissus: Doppelniere, doppeltes Nierenbeckenkelchsystem, nierenbis blasennahe y-förmige Konjugation beider Harnleiter, die dann in einem Ostium in der Blase einmünden. Ureterozele: Kongenitale Stenose des Ostiums. Erhöhter intramuraler Innendruck des Harnleiters. Zystische Vorwölbung des intravesikalen Harnleiteranteils in das Blasenlumen. Auch assoziiert mit Hydroureter, Hydronephrose. Ektope Harnleitermündungen: Häufig bei Doppelniere und bei Ureter duplex. Bei Männern supra-, bei Frauen supra- oder infrasphinktäre ektope Harnleitereinmündung; bei infrasphinktärer urethraler, vaginaler oder vestibulärer Ektopie, Harninkontinenz. Retrokavaler Ureter: Der proximale Harnleiter verläuft dorsal der V. cava. Komplikation: Hydronephrose. Kongenitale Harnleiterabgangsstenose: Bindegewebige Stenosen, Bridenbildung, hoher Ureterabgang und aberrierendes Gefäß führen zu einer Abflußstörung der Niere mit Ausbildung einer Hydronephrose.
839 • Ultraschall: multiple echofreie Zonen • angiographisch: rarifizierte Gefäßverzweigung, kleine Parenchyminseln Therapie • bei eitriger Infektion oder massiver Blutung: Nephrektomie chronische Dialysebehandlung oder Nierentransplantation 5. Nierenzysten Große Zysten mit Verdrängung des Nierenbeckenkelchsystems und Harnabflußstörungen Diagnose: • i. v. Urogramm: raumfordernder Prozeß • Ultraschalldiagnostik echofreier Raum Therapie nur bei großen Zysten oder Abflußbehinderung des Hohlsystems; mittels Punktion (transkutan in LA) und Verödung, laparoskopisch oder durch offene Resektion Cave: maligne Entartung der Zyste in 3% der Fälle 6. Verschmelzungsnieren Kongenitale Störung von Aszension und Drehung beider Nierenanlagen Symptome: oft mit Reflux, Harnleiterabgangsstenose, Harnwegsinfektion, Steinbildung Diagnose: i.v. Urogramm, Sonographie Therapie: meist keine. Evtl. plastische Korrektur der Hydronephrose 7. Kongenitale Lageanomalien Harnleiteranomalien 1. Blind endender Harnleiter: Harnleiter erreicht Nierenparenchym nicht 2. Ureter duplex: Doppelniere, doppeltes Nierenbeckenkelchsystem doppelte Harnleiteranlage 3. Ureter fissus: Doppelniere, doppeltes Nierenbeckenkelchsystem, Konjugation beider Harnleiter 4. Ureterozele: Kongenitale Stenose des Ostiums. Zystische Vorwölbung des Hanrleiteranteils in das Blasenlumen 5. Ektope Harnleitermündungen: häufig bei Doppelniere und Ureter duplex. Folge -> Harninkontinenz
6. Retrokavaler Ureter: proximaler Harnleiter verläuft dorsal der V.cava. Komplikation: Hydronephrose 7. Kongenitale Harnleiterabgangsstenose: Abflußstörung der Niere —> Hydronephrose Seltene Harnleiterfehlbildungen: Harnleiterklappe: Kongenitale HarnleitermünSeltene Harnleitermißbildungen dungsinsuffizienz s. Reflux, kongenitale Harnleiterstenose s. Megaureter. „ Ovarian- Harnleiterklappe vein-syndrome" Obstruktion des rechten Harnleiters durch die rechte variköse - kongenitale Harnleiterstenose V. ovarica. M. Ormond: s. S. 724 u. 844. Aktinische oder iatrogene Harnleiterstrikturen: - Ovarian-vein-Syndrom Spätfolge nach Bestrahlungsbehandlung gynäkologischer Tumoren, nach Harnleiter- Morbus Ormond steinoperationen, nach Harnleiterligaturen (S.872). - Aktinische oder iatrogene Harnleiterstrikturen
840
42. Urologie
Kongenitale Mißbildungen der Harnblase und Harnröhre
5.2 Kongenitale Fehlbildungen der Harnblase und Harnröhre, Zwitterbildungen
1. Blasenekstrophie schwerste urologische Mißbildung. Spaltbildung der Blase und der unteren Bauchwand. Klaffende Symphyse, Epispadie
Blasenekstrophie. Schwerste urologische Fehlbildung. Epidemiologie: Einmal unter 40000 Neugeborenen. Achtmal häufiger Knaben als Mädchen betroffen.
Therapie: Primärverschluß der Blasenplatte unter Rekonstruktion des Blasenhalses. Ohne Behandlung versterben 98% der Kinder
2. Epispadie Geringerer Grad der Spaltbildung Die Blase ist geschlossen Gesamte Harnröhre ist gespalten Harnröhrenöffnung liegt auf Penisrücken bzw. Klitoris Therapie: plastischer Verschluß der Harnröhre. Wiederherstellung des Sphinkters 3. Hypospadie (Abb. 42-13). Hemmung der Verschmelzung der Urethrafalten zur Urethrairinne (vordere Harnröhre) Penis nach ventral gekrümmt Therapie: Resektion der Chorda —> Aufrichtung des Penis. Plastische Rekonstruktion der Harnröhre 4. Phimose (Abb. 42-14) Enge des äußeren Vorhautringes Therapie: keine Behandlung im Säuglingsalter. Später: plastische Erweiterung des engen Vorhautringes oder Resektion (Zirkumzision)
Epispadia
Ätiopathogenese: Die fehlende Mesenchymeinsprossung zwischen Endo- und Ektoderm während der Embryogenese verhindert die Entwicklung einer Bauchdecke. Beim späteren Einbruch der Kloakenmembran kommt es zur Spaltbildung der Blase und unteren Bauchwand. Die Symphyse klafft, der Penis zeigt eine Epispadie. Harnleiterostien vielfach refluxiv.
Diagnose: Lokalbefund eindeutig, Urinsediment und -kultur, i.v. Urogramm, Kappenzystogramm. Therapie: Primärverschluß der Blasenplatte unter Rekonstruktion des Blasenhalses. Falls unmöglich, bei Stuhlkontinenz Harnleiter-Dickdarmimplantation; ansonsten alle anderen Formen der supravesikalen Harnableitung. Prognose und Ergebnis: Unbehandelt versterben 98 % der Kinder bis zum 20. Lebensjahr. Postoperative Komplikationen sind aszendierende Pyelonephritis, persistierender Reflux, Harnleitermündungsstenosen, Stomaprobleme. Epispadie. Geringerer Grad der Spaltbildung, die Blase ist aber geschlossen. Die gesamte Harnröhre (meistens auch der Sphinkter) ist gespalten, die Harnröhrenöffnung liegt auf dem Penisrücken bzw. der Klitoris. Therapie: Plastischer Verschluß der Harnröhre und Wiederherstellung des Sphinkters, u. U. supravesikale Harnableitung. Hypospadie (Abb. 42-13): Einmal unter 300-600 neugeborenen Knaben. Hemmungsfelbildung. Die Verschmelzung der paarigen Urethralfalten zur Urethralrinne und damit zur vorderen Harnröhre ist gehemmt. Je nach Lage der ventralen Harnröhrenmündung unterscheidet man eine Hypospadia glandis, -penis, -penoscrotalis und -perinealis. Der kleine Penis ist durch einen derben Bindegewebestrang (Chorda) nach ventral gekrümmt. Die Vorhaut ist dorsal schützenförmig angelegt.
Therapie: Aufrichtung des Penis durch Resektion der Chorda und plastische Rekonstruktion der Harnröhre in 2 Sitzungen (Edmunds, Denis Browne) oder in einer Sitzung (Duckett). Operation zwischen dem 1. und 4. Lebensjahr. Phimose (Abb. 42-14): Angeborene oder erworbene (Balanitis, Posthitis) Enge des äußeren Vorhautringes. Therapie: Im Säuglingsalter meist nicht behandlungsbedürftig. Auch keine instrumenteile Dehnung der Vorhaut bis zum 3. Lebensjahr, da Vorhautverklebungen in diesem Alter noch physiologisch. Ansonsten plastische Erweiterung des engen Vorhautringes oder Resektion (Zirkumzision). Paraphimose: s.S.869, 873
sek. Blasenhaishypertrophie Harnröhrenklappen (Young) äußerer Blasenschließmuskel angeborene Stenose der bulbären Harnröhre
perinealis
Harnröhrenstriktur Hypospadia scrotalis
: glandis
Hypospadia penis Abb.42-13: Hypospadie, Epispadie
Meatusstenose Phimose
Abb. 42-14: Infravesikale Harnabflußstörungen
Entzündungen Meatusstenose (Abb. 42-14). Angeborene oder erworbene (nach Balanitis, instrumenteil, traumatisch) Verengung des Meatus urethrae externus. Symptome: Dünner Harnstrahl, Dysurie. Therapie: Meatotomie. Prognose: Bei schweren Formen unbehandelt Gefahr des Harnrückstaus bis zur Urämie. Penoskrotale Stenose (Abb. 42-14): Kongenitale Harnröhrenstenose am Übergang der Pars bulbosa zur Pars libera der Harnröhre. Ebenso häufig wie Meatusstenosen. Symptome: Dysurie, Infektion. Therapie: Urethrotomia interna. Harnröhrenklappen (Abb. 42-14): Kongenital, meist ventral, zweiseitig symmetrisch oder zirkuläre Falten der prostatischen Harnröhre. Symptome: Dysurie, Harnweginfektion. Diagnose: Harnröhrensondierung und -kalibrierung, Urethrographie, Urethrozystoskopie. Therapie: Urethrotomia interna. Distale Stenose der weiblichen Harnröhre: Angeborene oder erworbene Enge der Harnröhrenöffnung. Symptome: Dysurie, Harnwegsinfektion, Reflux. Diagnose: Harnröhrenkalibrierung, Miktionszystourethrogramm. Therapie: Meatotomie: Inzision des engen Harnröhrenringes bei 3 h. Persistierender Urachus: Offene Verbindung zwischen Nabelstrang und Harnblase. Symptome: Tropfenweise Entleerung von Harn aus der Nabelschnur und Zunahme bei Druck auf die Harnblase. Diagnose: Methylenblaufärbung des Blasenurins. Röntgenologische Fisteldarstellung. Therapie: Fistelexstirpation. Zwitterbildung: Hermaphroditismus verus. Gleichzeitiges Vorkommen von Eierstock und Hoden. Gonaden getrennt oder in einem Organ vereint. Die Morphologie des Genitale ist rein männlich bis rein weiblich. Pseudohermaphroditismus masculirtus. Chromosomal männlich. Hoden fast immer intraabdominal. Weibliche Form des Genitale dominierend. Sonderform: Testikuläre Feminisierung. Störungen der Testosteronsynthese. Pseudohermaphroditismus femininus. Chromosomal und gonadal weiblich. Alle Formen eines intersexuellen Genitales. Ursache: Autosomal rezessive Erbkrankheit. Sonderformen: AGS-Syndrom s. S.783.
6. Entzündungen Erreger sind in erster Linie gramnegative Bakterien der Darmflora. Der Infektionsweg ist aszendierend, kanalikulär, hämatogen oder lymphogen. Sie verursachen eine unspezifische Entzündung, d. h. eine für den Erreger untypische histopathologische Veränderung. Bei regelrechten anatomischen Verhältnissen und normalem Harnabfluß ist die Entzündung primär. Sie ist sekundär bei Harnabflußstörungen. Akute Verlaufsformen haben eine gute, chronische eine schlechte Heilungstendenz• Die antibiotische Behandlung richtet sich nach Kultur- und Resistenzbestimmung des Erregers aus Urin und Serum.
841 5. Meatusstenose (Abb. 42-14) Verengung des Meatus urethrae Symptome: dünner Harnstrahl, Dysurie Therapie: Meatotomie 6. Penoskrotale Stenose (Abb. 42-14) Harnröhrenstenose Therapie: Urethrotomia interna 7. Harnröhrenklappen (Abb. 42-14) Zirkuläre Falten der prostatischen Harnröhre. Symptome: Dysurie, Harnwegsinfektion Therapie: Urethrotomia interna 8. Distale Stenose der weiblichen Harnröhre: Enge der Harnröhrenöffnung. Symptome: Dysurie, Infektion und Reflux Therapie: Meatotomie 9. Persistierender Urachus: offene Verbindung zwischen Nabelstrang und Harnblase Symptome: tropfenweise Harnentleerung aus der Nabelschnur bzw. Nabel Therapie Fistelexstirpation Zwitterbildung Hermaphroditismus verus: gleichzeitiges Vorkommen von Eierstock und Hoden Pseudohermaphroditismus masculinus: Hoden fast immer intraabdominal. Weibliche Form des Genitale dominiert Pseudohermaphroditismus femininus: alle Formen des intersexuellen Genitales Entzündungen Häufigste Erreger gramnegative Bakterien der Darmflora - primäre und sekundäre Form
6.1 Niere und Nierenhüllen Pyelonephritis (PN). Häufigste Nierenerkrankung, auch häufigste Ursache tödlich verlaufender Urämien. Bei Obduktion in 4,6-20 % pyelonephritische Veränderungen. Männer und Frauen gleichermaßen betroffen. Männer vorwiegend nach dem 5. Lebensdezennium (sekundäre PN s. unten). Ätiopathogenese: Erreger meistens aus der Darmflora. Infektionswege kanalikulär aszendierend, hämatogen, lymphogen. Begünstigend die topographische Grenzlage Nierenbecken - Nierenparenchym. Manifestiert sich als interstitiell bakteriell destruktive Nephritis und Pyelitis. Als primäre PN bei normalen Harnabflußverhältnissen, als sekundäre PN bei Harnabflußstörungen.
Pyelonephritis (PN):
4=
Erreger kommen aus der Darmflora Primäre PN bei normalem Harnabfluß Sekundäre PN bei Harnabflußstörungen
42. Urologie
842 1. Akute Pyelonephritis
6.1.1 Akute Pyelonephritis
• plötzlicher Krankheitsbeginn • Schüttelfrost, Fieber • Flankenschmerz, Blasenbeschwerden • Obstipation Diagnose - Druck- und Klopfempfindlichkeit - Pollakisurie - Leukozyturie, Bakteriurie, Blutkultur • Labor - evtl. Eiweiß und Zylinder im Urin - bakteriologische Urinuntersuchung positiv - bakteriologische Blutuntersuchung u. U. positiv - Leukozytose, BSG
Symptome: plötzlicher Krankheitsbeginn, Schüttelfrost, hohes remittierendes Fieber. Ein- oder doppelseitiger Flankenschmerz, auch Blasenbeschwerden (Zystopyelonephritis), Obstipation.
Therapie - hoch dosierte Aminoglykoside - ß-Laktam-Antibiotika, Chinolone, Cephalosporine - reichlich Flüssigkeit - Bettruhe, Wadenwickel - Spasmoanalgetika Therapie bei akuter sekundärer PN - sofortige Entlastung der gestauten Niere (Harnleitersondierung) - transkutane Nierenfistel - operative Nierenfreilegung - evtl. Notnephrektomie Oft Übergang in chronische Pyelonephritis
Diagnose: Druck- und Klopfempfindlichkeit des erkrankten Nierenlagers, Pollakisurie, Leukozyturie, Bakteriurie; bei Beteiligung des Nierenparenchyms Eiweiß und granulierte Zylinder im Urin, bakteriologische Urinuntersuchung positiv (signifikant, wenn Keimzahlen über 100000/ml), evtl. Blutkultur. Leukozytose, Erhöhung der BSG. Bei der akuten primären PN zunächst keine Beeinträchtigung der Nierenfunktion. Im i. v. Urogramm evtl. Engstellung der Kelche und der Kelchhälse, meistens aber unauffällig oder Verzögerung der Kontrastmittelausscheidung der erkrankten Seite. Bei der akuten sekundären PN nach der Ursache der ein- oder doppelseitigen Harnabflußstörung suchen (Ultraschall, i.v. Urogramm, evtl. Zielpyeloskopie). Cave: Einzelniere, Lebensgefahr! Differentialdiagnose: Perinephritis, paranephritischer Abszeß, Cholezystitis, retrozökale Appendizitis, Pankreatitis, basale Pneumonie oder Pleuritis, Herpes Zoster-Neuritis (Th 12/L 1). Therapie: Hochdosierte Antibiotika (Aminoglykoside, ß-Laktam-Antibiotika, Cephalosporine der 3. Generation, Chinolone), reichlich Flüssigkeit, Bettruhe, Wadenwickel, Spasmo-Analgetika. Bei der akuten sekundären PN sofortige Entlastung der gestauten Niere durch Harnleitersondierung, transkutane Nierenfistel oder operative Nierenfreilegung (Nierendekapsulation, Nierenfistel), evtl. auch Notnephrektomie. Prognose: Übergang in die chronische Pyelonephritis möglich, auch als Schub einer bereits chronischen PN verkannt. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen (Urinsediment, -kultur). Gewisse Spontanheilungsrate oder Abheilung unter Behandlung. In seltenen Fällen lebensgefährlicher foudroyanter Verlauf mit Ausbildung einer diffusen eitrigen Nephritis oder von Nierenkarbunkeln. Sonderformen sind Schwangerschaftspyelonephritis, nekrotisierende Papillitis.
2. Chronische Pyelonephritis
6.1.2 Chronische Pyelonephritis
Symptome: - zeitweise Schmerzen, Blasenbeschwerden - Ermüdbarkeit - subfebrile Temperaturen Diagnose • Proteinurie, Leukozyturie, -zytenzylinder • Urinkultur fakultativ positiv Ferner: • Kreatinin-Clearance erniedrigt • Isotopen-Clearance ein- oder beidseitig eingeschränkt Röntgen: evtl. Steinschatten i.v. Urogramm: Nierenbeckenkelchsystem verplumpt, Parenchym verschmälert Therapie: Langzeittherapie mit Antibiotika - operative Sanierung von Harnabflußstörungen - selten Nephrektomie 3. Sonderform der Pyelonephritis • Papillitis necroticans • Xanthomatose Pyelonephritis • emphysematöse Pyelonephritis
Symptome: symptomarm; zeitweise Schmerzen in einem oder beiden Nierenlagern. Ermüdbarkeit, subfebrile Temperaturen, intermittierende Bakteriurie; Blasenbeschwerden. Bei progredienter Schrumpfnierenbildung Hypertonie, wenn beidseitig zunehmende Niereninsuffizienz. Diagnose: Proteinurie, Leukozyturie, Leukozytenzylinder, Urinkultur fakultativ positiv. BSG erhöht, Retentionswerte normal (im Spätstadium erhöht). Endogene Kreatinin-Clearance erniedrigt. Seitengetrennte Isotopen-Clearance ein- oder beiderseits eingeschränkt. Röntgen-Nierenleeraufnahme: Kleine Nieren, evtl. Steinschatten. I.v. Urogramm: Nierenbeckenkelchsystem verplumpt. Nierenparenchymsaum verschmälert. Evtl. auch vesikorenaler Reflux nachweisbar. Differentialdiagnose: Urogenitaltuberkulose, Zystitis, Urethritis. Therapie: Antibiotische Langzeittherapie, evtl. operative Sanierung von Harnabflußstörungen. Nephrektomie selten (Hypertonie, rezidivierende therapieresistente Schübe). Sonderformen: Papillitis necroticans: Nekrose und Abstoßung von Papillen bei Diabetes mellitus, Schmerzmittelabusus, eitriger Harnstauungsniere. Häufiger bei Frauen. Xanthomatose Pyelonephritis: Pseudotumoröse Pyelonephritis mit Granulationsgewebe aus Schaumzellen, das sich von parapelvin in die Niere fortsetzt. Erreger: Staphylokokken, Proteus. Emphysematöse Pyelonephritis: Akut nekrotisierende Entzündung mit glukosespaltenden Kolibakterien, beim Diabetes mellitus.
Entzündungen
843
6.1.3 Eitrige Nierenentzündungen
4. Eitrige Nierenentzündungen
Hämatogen-metastatische, eitrige Nephritis: Bei septischer Endokarditis, puerperaler Infektion, Hauteiterungen. Erst kleinere Kokkenembolie in der Nierenrinde, dann glomeruläre Abszesse. Diese können zu Nierenkarbunkeln konfluieren. Manchmal septische Infarkte. Auch streifige Markeiterungen direkt hämatogen oder als Ausscheidungsherde. Fortgeleitete, aszendierende, eitrige Nephritis: Ein- oder doppelseitig durch Harnstauung (sekundäre Pyelonephritis beim Nierenbecken- oder Harnleiterstein), aber auch hämatogen (im Anschluß an eine Angina tonsillaris), lymphogen (vom Darm bei chronischer Obstipation) und traumatisch. Bei der Bakterienaszension longitudinale Abszesse der Markrindengrenze. Schließlich grobhöckrige, pyelonephritische Schrumpfniere mit Rindennarben. Symptome: Flankenschmerz, Schüttelfrost, septische Temperaturen, Blutdruckabfall. Diagnose: Starke Druckempfindlichkeit des Nierenlagers, Leukozytose, BSG-Erhöhung, Thrombozytopenie, Proteinurie, Leukozyturie, Bakteriurie, Blutkultur. Sonographisch mitunter homogene Areale mit dichter reflektierenden Zonen. Raumfordernder Prozeß im i. v. Urogramm, Sonographie, CT. Differentialdiagnose: Pyonephrose, paranephritischer Abszeß, subphrenischer Abszeß. Therapie: Dringliche Behandlungsindikation! Hohe Antibiotika-Dosen, Kreislaufregulation, evtl. Nierendekapsulation, Nierenfistel und ausgiebige Drainage oder Nephrektomie. Prognose: Bei verspätet einsetzender Therapie Gefahr der Sepsis; bei chemotherapeutischer Unterdosierung Progredienz der Niereneiterung mit paranephritischem Abszeß. Sonderform: Pyonephrose. Eitrige Nierenbeckenentzündung mit Einschmelzung der Papillen und Reduktion des Nierenparenchyms (auch bei Harnabflußstörungen, infizierte Hydronephrose).
Hämatogen-metastatische eitrige Nephritis: • bei septischer Endokarditis • bei puerperaler Infektion • bei Hauteiterungen
6.1.4 Paranephritischer Abszeß, Urosepsis
5. Paranephritischer Abszeß
Paranephritischer Abszeß. Hämatogene Metastasierung von nierenfernen Staphylokokkenherden (Panaritium, Furunkel, Angina). Rasche Infektionsausbreitung und Abszedierung in der Nierenfettkapsel. Symptome: Hohes Fieber, Schüttelfrost, Flankenschmerz, Schonhaltung der Muskulatur. Unbehandelt: fluktuierende Vorwölbung im Kostovertebralwinkel. Diagnose: Patient liegt mit angezogenem Bein im Bett. Klopfempfindlichkeit des betroffenen Nierenlagers. Blähbauch mit ileusartigen Erscheinungen. Reflektorisches Erbrechen. Kein pathologischer Urinbefund. Nierenfunktion nicht eingeschränkt. Im Veratmungspyelogramm Verschieblichkeit der betroffenen Niere eingeschränkt. Differentialdiagnose: Subphrenischer Abszeß, septische Niere, eitrige Cholangitis. Therapie: Hochdosierte Cephalosporine in Kombination mit Metronidazol, breite Flankeninzision, Drainage.
Hämatogene Metastasierung von nierenfernen Staphylokokkenherden Symptome • hohes Fieber, Schüttelfrost • Flankenschmerz • Schonhaltung der Muskulatur Diagnose • Blähbauch mit lleuserscheinungen • reflektorisches Erbrechen • Klopfempfindlichkeit • kein pathologischer Urinbefund Patient liegt mit angezogenem Bein im Bett Therapie Cephalosporine, Metronidazol, breite Flankeninzision, Drainage
Urosepsis. Hauptsächlich endotoxinbildende gramnegative Erreger aus dem Urogenitaltrakt gelangen direkt oder indirekt über das lymphatische System in das Blutgefäßsystem. Bei septischer sekundärer Pyelonephritis, nach diagnostischen oder operativen transurethralen Eingriffen, bei reduziertem Allgemeinzustand, Diabetes mellitus, immunsuppressiver Therapie, Schwangerschaft. Klinische Symptomatologie: Septisches Fieber, wiederholt Schüttelfröste, Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Blutdruckabfall. Diagnose und Differentialdiagnose: Blutkultur im Fieberanstieg, Urinkultur, Leukozytose, Thrombozytopenie, Gerinnungsstörungen, gastro-intestinale Blutung, Schocklunge, Lungenödem, Ikterus.
6. Urosepsis gramnegative Erreger aus dem Urogenitaltrakt gelangen in das Blutgefäßsystem
Fortgeleitete, aszendierende, eitrige Nephritis bei • Harnstauung oder • hämatogen, lymphogen, traumatisch
Symptome • Flankenschmerz, Schüttelfrost • septische Temperaturen, Blutdruckabfall Diagnose • starke Druckempfindlichkeit • Leukozytose, BSG T • Thrombozytopenie • Proteinurie, Leukozyturie • Bakteriurie, Blutkultur Therapie: dringliche Behandlung! - Antibiotika, Kreislaufregulation operativ: Nierendekapsulation, -fistel, Drainage, evtl. Nephrektomie
Sonderform: Pyonephrose
Symptome • septisches Fieber, Schüttelfröste • Blutdruckabfall Diagnose • Blut- und Urinkultur • Leukozytose, Thrombozytopenie • Gerinnungsstörung • Schocklunge, Ikterus
844 Therapie: hoch dosiert Antibiotika operativ: Nierenfreilegung, Dekapsulation, Nierenfistel, Drainage, evtl. Nephrektomie
42. Urologie Differentialdiagnose: Septische Cholezystitis. Therapie: Hoch dosierte Antibiotika-Gaben mit breitem Wirkungsspektrum (Kombination Aminoglykoside und Cephalosporinderivate). Nierenfreilegung, Dekapsulation, Nierenfistel, Drainage; evtl. Nephrektomie. Intensivmaßnahmen: Stabilisierung des Kreislaufs, Kompensation der Azidose, Glykosidtherapie, Heparinisierung (Verbrauchskoagulopathie).
Harnleiter
6.2 Harnleiter
Ureteritis Ursache: entzündliche Infiltration - bei Pyelonephritis - nach Steinpassage und instrumenteilen Eingriffen Keine Symptome! Diagnose: weitgestellter Harnleiter im i.v. Urogramm, strähniges Urothelprofil
Ureteritis. Fortgeleitete paraureterale Prozesse (Urinphlegmone), entzündliche Infiltration bei Pyelonephritis, nach Steinpassage oder instrumenteilen Eingriffen. Asymptomatisch. Diagnose: Im i.v. Urogramm meistens Zufallsbefund eines weitgestellten Harnleiters (Atonie). Strähniges Urothelprofil. Selten: Darstellung von kleineren Ureterwandzysten (Ureteritis cystica). Dann mitunter auch Entleerungsstörungen und Kolik. Therapie: Symptomatisch. Behandlung der Grunderkrankung (Pyelonephritis, Zystitis).
Therapie: Behandlung der Grunderkrankung Retroperitoneale Fibrose (M.Ormond) = Abakterielle, chronisch-sklerosierende Entzündung des retroperitonealen Fettgewebes
Symptome - unklare Flankenschmerzen - beginnende Urämie Diagnose • i.v. Urogramm • Probeexzision bei operativer Freilegung • Hydroureter, Hydronephrose beiderseits Differentialdiagnose beachten! Therapie Ureterolyse -> Intraperitonealverlagerung beider Harnleiter Keine günstige Prognose
Blase 1. Zystitis = bakterielle Entzündung • latrogene Infektion nach instrumenteilen Eingriffen • Parasiten • bei Zytostatikabehandlung • Häufig Kälte-Nässe-Trauma • Infektionsmodus: aszendierend, deszendierend hämatogen oder lymphogen Begünstigende Faktoren - infravesikale Hindernisse - neurogene Blasenentleerungsstörungen - Sphinktersklerose, Meatusstenose - hormonelle Veränderung von Harnröhren- und Vaginalepithel Symptome: Schmerzen beim Wasserlassen • Pollakisurie, Harndrang • terminale Algurie, Hämaturie
Retroperitoneale Fibrose (M. Ormond, s. auch S.724). Vorwiegend Männer im 5. und 6. Lebensjahrzehnt. Ätiopathogenese: Chronisch sklerosierende abakterielle Entzündung des retroperitonealen Fettgewebes unbekannter Ätiologie. Einmauerung beider Harnleiter in breite, derbe Narbenplatten, vom 3. LWK bis ins kleine Becken reichend. Meist symmetrisch ablaufender Prozeß mit Stauung beider Harnleiter und Nierenbecken. Auslösende Faktoren: Abusus von Ergotaminpräparaten oder unspezifische Entzündungsprozesse der Nachbarorgane (retroperitoneales Hämatom, Pankreatitis, Divertikulitis). Klinische Symptomatologie: Unklare abdominelle und wechselnde Flankenschmerzen, beginnende Urämie. Diagnose: i. v. Urogramm mit Verziehung beider Harnleiter in Höhe LWK 3 5 nach medial. Proximal Hydroureter und Hydronephrose beiderseits. Probeexzision zur histologischen Untersuchung bei der operativen Freilegung. Differentialdiagnose: Diffuse retroperitoneale Tumorzellinfiltration beim Sarkom, Magen- oder Pankreaskarzinom, Metastasierung beim Genitalkarzinom der Frau. Therapie: Beiderseitige Ureterolyse und Intraperitonealverlagerung beider Harnleiter. Evtl. vorübergehende Nierenfistelung oder terminal-supravesikale Harnableitung. Prognose: Nicht immer günstig, da Niereninsuffizienz und Harntransportstörung oftmals persistieren.
6.3 Blase 6.3.1 Zystitis Epidemiologie: Bei Frauen erstes Lebensdezennium, bei Männern eher im Alter (Harnblasenentleerungsstörungen). Ätiopathogenese: Bakterielle Entzündung (E.coli, Enterokokken, Proteus, Pseudomonas aeruginosa); iatrogene Infektion nach instrumentellen Eingriffen; Parasiten (Trichomonaden, Amöben, Hefen, Schistosomen); bei Zytostatikabehandlung (Endoxan); nach Bestrahlungsbehandlungen. Häufig Kälte-Nässe-Trauma. Infektionsmodus aszendierend (kurze Harnröhre der Frau, männliche Adnexe des urogenitalen Grenzgebietes), deszendierend (Pyelonephritis) hämatogen oder lymphogen. Infravesikale Hindernisse (BPH), Harnröhrenstriktur des Mannes; neurogene Blasenentleerungsstörung, Sphinktersklerose, Meatusstenose (des Mannes und der Frau), hormonelle Veränderungen des Harnröhren- und Vaginalepithels oder gehäufte Kohabitationen der Frau sind infektionsfördernd, Kontamination von Harnröhre und Blase bei der weiblichen Adnexitis, Vulvitis oder aus der Analregion.
Symptome: Schmerzen beim Wasserlassen, Pollakisurie, imperativer Harndrang, terminale Algurie, auch terminale Hämaturie.
Entzündungen Diagnose: Im Harnsediment massenhaft Leukozyten, reichlich Erythrozyten, Plattenepithelien, Bakterien. Urinkultur positiv. Zystoskopie: Entzündliche Schleimhautveränderungen. Differentialdiagnose: Urethritis, Trigonitis, Fremdkörper, Blasensteine, Prostatitis, Adnexitis, Blasentumor. Therapie: Reichlich Flüssigkeitszufuhr (Blasentee), Chemotherapeutika, Spasmoanalgetika, evtl. Bettruhe. Prognose: Nach 7-14tägiger Chemotherapie ausgeheilt. Eine Sonderform ist die Reizblase: Ätiopathogenese: Unklare Reizzustände der Blase. Psychogene Momente, gestörte Sexualfunktion, Östrogenmangel. Symptome: Pollakisurie, imperativer Harndrang, Algurie. Diagnose: Urinsediment, Urinkultur und zystoskopische Untersuchung ohne pathologischen Befund. Therapie: Vagolytika, Sedativa, lokal Östrogene, auch Bougierung der Harnröhre.
6.3.2 Interstitielle und chronische Zystitis Interstitielle Zystitis (Ulcus simplex): Frauen im 3.-4-, Lebensdezennium. Ursache unklar. Zystoskopisch häufig isolierte strahlenförmige Ulzera der Blasenhinterwand. Differentialdiagnose: Urogenital-Tbc. Therapie: Transurethrale Resektion des Ulkus. Blasendehnung in Narkose. Antiphlogistika, Kortikoide. Prognose: Schlecht, da keine kausale Therapie. Hohe Rezidivneigung, Endstadium: Schrumpfblase. Dann meist Blasenaugmentation oder supravesikale Harnableitung.
845 Diagnose: im Harnsediment • Leukozyten (reichlich), Erythrozyten • Plattenepithelien, Bakterien Zystoskopie: entzündliche Schleimhautveränderungen Therapie: Chemotherapeutika, Spasmoanalgetika, reichlich Flüssigkeitszufuhr, Bettruhe Gute Ausheilung nach Chemotherapie Sonderformen 2. Reizblase: Unklare Reizzustände. Psychogene Ursachen Symptome • Pollakisurie, imperativer Harndrang • Algurie Diagnose • Urinsediment, Urinkultur • zystoskopische Untersuchung Therapie: Vagolytika, Sedativa, lokal Östrogene, evtl. Bougierung der Harnröhre 3. interstitielle Zystitis Zystoskopisch isolierte Ulzera der Blasenhinterwand Therapie: transurethrale Ulkusresektion • Blasendehnung in Narkose • Antiphlogistika, Kortikoide Schlechte Prognose: Schrumpfblase -* supravesikale Harnableitung
Chronische Zystitis (Cystitis follicularis, Cystitis cystica). Leicht erhabene Knötchen am Blasenboden (Lymphfollikel) bzw. kleine Blasenwandzysten (wie Pyelitis und Ureteritis cystica) bei Cystitis cystica.
4. Chronische Zystitis
6.4 Prostata, Samenblasen, Harnröhre, Nebenhoden, Hoden
Prostata, Samenbiasen, Harnröhre, Nebenhoden, Hoden
Akute Prostatitis. Urokanalikulär (Zystopyelonephritis, Urethritis), hämatogen, lymphogen. Erreger: Staphylokokken, Enterokokken, E. coli. Pathologisch-anatomisch: Katarrhalische Form, entzündliche Infiltrate, Mikroabszesse bis größere Abszedierung. Symptome: Pollakisurie, Dysurie, Spannungsgefühl am Damm und Druckgefühl am After. Schmerzen bei der Defäkation. Septische Temperaturen, Schüttelfrost. Quälende Blasen- und Darmtenesmen, Urethralfluor. Diagnose: Rektal: Prostata vergrößert, prall-elastisch, sehr druckschmerzhaft. Kein Exprimat, da Gefahr der hämatogenen Aussaat. Therapie: Chinolone, Tetrazykline, ß-Laktam-Antibiotika kombiniert mit Aminoglykosiden. Bettruhe, Sitzbäder. Bei Fluktuation perineale Abszeßpunktion oder Spaltung, transurethrale Abszeßeröffnung. Prognose: Katarrhalische Form: Restitutio ad integrum. Eitrige Prostatitis führt unbehandelt zur Gefahr der Beckenbodenphlegmone.
1. Akute Prostatitis • Erreger: Staphylokokken, Enterokokken, E.coli Symptome • Pollakisurie, Dysurie • Spannungsgefühl am Damm, Druckgefühl am After, Schmerzen bei der Defäkation • septische Temperaturen, Schüttelfrost • Blasen- und Darmtenesmen • Urethralfluor Diagnose: Prostate vergrößert, prall-elastisch, druckschmerzhaft. Kein Exprimat abnehmen, Gefahr hämatogener Streuung Therapie: Chinolone, Tetrazykline, ß-Laktam-Antibiotika + Aminoglykoside. Unbehandelt: Gefahr der Beckenbodenphlegmone 2. Chronische Prostatitis Symptome: Spannungs- und Druckgefühl in der Dammgegend -»in Leiste und Hoden ausstrahlend, Kreuzschmerzen, Libido- und Potenzstörungen Diagnose • Prostata normal groß oder wenig vergrößert, ödematös, druckschmerzhaft
Chronische Prostatitis. Blande, afebril verlaufende chronische Entzündung. Häufig Restzustand einer akuten Prostatitis; aber auch kanalikulär aszendierend oder hämatogen. Symptome: Spannungs- und Druckgefühl in der Dammgegend, in Hoden und Leiste ausstrahlend, Kreuzschmerzen, Libido- und Potenzstörungen. Diagnose: Rektal: Prostata normal groß oder wenig vergrößert, ödematös (Kongestion), Prostata und Umgebung druckschmerzhaft. 3-Gläser-Probe vor und nach Prostatamassage (Untersuchung auf Bakterien, Trichomonaden), seröses Exprimat (Retention) mit wenig Leukozyten, Plattenepithelien, Lipoiden. Exprimatuntersuchungen nicht ganz zuverlässig, da bei
846 • 3-Gläser-Probe vor und nach Prostatamassage Therapie: gezielt Antibiotika und Sulfonamide • keine Kälteexposition und kalte Getränke, kein Alkohol, heiße Duschen auf den Damm, durchblutungsfördernde Suppositorien 3. Prostatopathie Symptomatologie: Wie bei chronischer Prostatitis Diagnose: keine organischen Veränderungen der Prostata • weitschweifige Schilderung leichter subjektiver Beschwerden Therapie: Aufklärung des Patienten • keine Sulfonamide oder Antibiotika • evtl. weitere Therapie wie bei der chronischen Prostatitis 4. Vesikulös: Schwellung der Samenblase. Blutiges Sperma Diagnose: Ejakulatuntersuchung Therapie: wie chronische Prostatitis 5. Urethritis posterior: Schleimhautschwellung der hinteren Harnröhre, terminale Hämaturie und Algurie Diagnose: 3-Gläser-Probe, Zystoskopie Therapie: wie chronische Prostatitis 3. Akute Urethritis nach instrumenteilen Eingriffen und Geschlechtsverkehr Symptome: Ausfluß, Jucken, Brennen der Harnröhre und beim Wasserlassen Diagnose: Harnröhrenabstrich = >
42. Urologie 30 % aller gesunden Männer über 50 Leukozyten pro Gesichtsfeld nachweisbar. Differentialdiagnose: Vesikulitis, Urethritis posterior. Therapie: Gezielt Antibiotika oder Sulfonamide. Heiße Duschen auf den Damm (20 min), durchblutungsfördernde Suppositorien (Pelvichthol®). Keine Kälteexposition, kein konzentrierter Alkohol, keine kalten Getränke. Prostatopathie. Keine vorangehenden Entzündungen. Gehört zum neurovegetativen Formenkreis. Symptome: Wie bei der chronischen Prostatitis. Diagnose: Keine organische Veränderung der Prostata. Weitschweifige Schilderung der relativ leichten subjektiven Beschwerden. Differentialdiagnose: Prostatitis, Urethritis posterior. Therapie: Aufklärung des Patienten: Nur funktionelle Beschwerden. Keine Sulfonamide oder Antibiotika! Ansonsten Therapie wie bei der chronischen Prostatitis. Vesikulitis. Wulstförmige Schwellung der Samenblasen. Sperma blutig. Diagnose: Ejakulatuntersuchung. Therapie: Wie bei chronischer Prostatitis. Urethritis posterior. Rötung und Schleimhautschwellung der hinteren Harnröhre. Terminale Hämaturie, auch terminale Algurie. Diagnose: Durch 3-Gläser-Probe, Zystoskopie. Therapie: Wie bei chronischer Prostatitis. Akute (unspezifische) Urethritis. Erreger: grampositive und gramnegative Bakterien, Mykoplasmen, Trichomonaden, Pilze. Häufig nach instrumenteilen Eingriffen und nach Geschlechtsverkehr. Klinische Symptomatologie: Ausfluß, Jucken, Brennen der Harnröhre; Brennen beim Wasserlassen. Diagnose: Harnröhrenabstrich. Praxishinweis: Nativpräparat auf Trichomonaden, Ausstrichpräparat (Methylenblaufärbung) auf Gonokokken.
• Labor: Ausstrichpräparat Spezialnährböden für Hefen, Mykoplasmen, Chlamydien, Gonokokken • mikroskopische und bakteriologische Untersuchung des Morgenurins Therapie: antibakteriell, Flüssigkeitszufuhr, keine ¡nstrumentellen Eingriffe. Prognose: Günstig bei langfristiger Behandlung
Labor: Ausstrichpräparat (Gramfärbung), Beimpfung von Spezialnährböden für Hefen, Mykoplasmen, Chlamydien, Gonokokken. Mikroskopische und bakteriologische Untersuchung des Morgenurins (Initialstrahlurin). Differentialdiagnose: Gonorrhoe, Morbus Reiter, Urethritis herpetica. Therapie: Antibakteriell entsprechend dem Erregernachweis. Reichlich Flüssigkeitszufuhr, keine instrumentellen Eingriffe. Prognose: Unbehandelt Gefahr des Paraurethralabszesses, der Kavernitis, der Epididymitis; später der Harnröhrenstriktur oder Meatusstenose. Bei gezielter langfristiger Behandlung Prognose günstig.
7. Chronische Urethritis Entstehung durch unzureichend behandelte akute Urethritis Symptome • leicht gelblicher Ausfluß aus der Harnröhre (Bonjour-Tropfen) • ziehende, stechende Harnröhrenbeschwerden (miktionsunabhängig)
Chronische Urethritis. Unzureichend behandelte akute Urethritis. Als Begleiturethritis bei akuter oder chronischer Adnexitis. Erreger wie bei akuter Urethritis. Symptome: Lange Zeit immer wiederkehrender seröser oder leicht gelblicher Ausfluß aus der Harnröhre, vor allem morgens (Bonjour-Tropfen). Auch Neigung (zum völlig überflüssigen) ständigen Ausstreifen der Harnröhre. Leicht stechende oder ziehende Harnröhrenbeschwerden unabhängig von der Miktion. Diagnose: Untersuchung von Harnröhrenabstrich, 3-Gläser-Probe vor und nach Prostataexprimat meist ohne pathologischen Befund. Routinemäßig i.v. Urogramm, Refluxzystogramm, Urethrographie, Urethrozystoskopie. Differentialdiagnose: Zystitis, chronische Pyelonephritis, Harnröhrenstriktur, Harnröhrendivertikel. Therapie: Langzeit-Antibiotika-Behandlung bei Erregernachweis. Harnröhreninstillation mit Argentum nitricum. Operative Korrektur von evtl. Harnröhrenstrikturen, -divertikeln, -fisteln, -steinen. Prognose: Komplikationen wie Zystitis, Zystopyelonephritis, Adnexitis selten. Übergang in chronische Prostatitis.
Diagnose • Harnröhrenabstrich • 3-Gläser-Probe (meist ohne pathologischen Befund) • Urethrographie, -zystoskopie Therapie: Langzeit-Antibiotika-Behandlung, Harnröhreninstillation. Evtl. operative Korrektur von: • Harnröhrenstrikturen, -divertikeln, -fisteln, -stein. evtl. Übergang in chronische Prostatitis
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Entzündungen
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Akute Epididymitis. Fast ausschließlich aszendierende, kanalikuläre Keiminvasion über Ductus deferens oder perivasale Lymphgefäße, auch hämatogene Streuung möglich. Nach eitriger Prostatitis, Urethritis, Operationen an der Prostata. Symptome: Akuter Beginn, hochgradige Schwellung und Rötung einer Skrotalhälfte. Schmerzzunahme bei Berührung und Bewegung. Ausstrahlende Schmerzen in den Samenstrang. Diagnose: Nebenhoden stark vergrößert und sehr druckschmerzhaft, vom Hoden nicht immer abgrenzbar (infolge übergreifender Nebenhodenentzündung auf den Hoden: Orchidoepididymitis) oder entzündlicher (symptomatischer) Hydrozelenbildung. Auch schmerzhafte Schwellung des Samenstranges. Fieber bis 40 °C, BSG-Erhöhung, Leukozytose. Ausschluß einer Gonorrhoe! Ultraschalluntersuchung. Differentialdiagnose: Hodentorsion, Hodentumor, stielgedrehte Hydatide, Hydrocele testis, Spermatozele, Varikozele (s. Abb. 42-21, S.857). Therapie: Infiltration des Samenstranges mit 10 ml l%iger Novocain-Lösung im akuten Stadium. Antibiotische Behandlung mit Chinolonen, Tetrazyklinen oder ß-Laktam-Antibiotika. Bettruhe, Hochlagerung des Hodens, feuchtkalte Umschläge, Antiphlogistika. Prognose: Verschleppte Behandlung häufigste Ursache der männlichen Sterilität, bei eitriger Einschmelzung Inzision und Drainage, evtl. auch Ablatio testis; bei chronischer Verlaufsform an Tuberkulose oder Hodentumor denken!
8. Akute Epididymitis = Keiminvasion nach eitriger Prostatitis, Urethritis, Operationen an der Prostata
Orchitis. Primär selten, meist fortgeleitet bei Epididymitis oder hämatogen. Bei Parotitis epidemica (Mumps). Symptome: Plötzlich stark druckschmerzhafte Hodenvergrößerung. Fieber. Diagnose, Differentialdiagnose und Therapie: s. Epididymitis. Prognose: Bei doppelseitiger Orchitis Gefahr der Azoospermie.
Orchitis —> Mumpsorchitis
Symptome • hochgradige Schwellung und Rötung einer Skrotalhälfte • Schmerz bei Berührung und Bewegung • Schmerzausstrahlung in den Samenstrang Diagnose • Nebenhoden vergrößert, druckschmerzhaft, ebenso Samenstrang • hohes Fieber, BSG t , Leukozytose • skrotale Sonographie Therapie • akutes Stadium - Infiltration des Samenstranges mit 10 ml Novocain-Lösung 1%ig - Antibiotika - Hochlagerung des Hodens - feucht-kalte Umschläge, Antiphlogistika Bei Verschleppung -> Sterilität möglich
Symptome: druckschmerzhafte Hodenvergrößerung, Fieber
6.5 Tbc und Bilharziose Urogenitaltuberkulose (UGT). Während die Gesamtzahl der TuberkuloseErkrankungen zurückgegangen ist, hat die U G T zugenommen und steht mit einem Anteil von ca. 30 % an der Spitze der extrapulmonalen Tuberkuloseformen.
Urogenitattuberkulose (UGT) Entstehung durch Streuung eines pulmonalen Herdes
Ätiopathogenese: Die UGT entsteht hämatogen, meistens durch Streuung von einem pulmonalen Herd aus. Der tuberkulöse Primärherd liegt immer in der Niere. Er besteht aus einem parenchymatösen Infiltrat der Nierenrinde ohne Beteiligung des Nierenbeckenkelchsystems (I Parenchymatöses Stadium). In diesem Stadium kann es zur Spontanheilung kommen oder die spezifische Entzündung schreitet von dem initialen Rindenherd aus markwärts fort und bricht durch multiple einschmelzende Tuberkulome in das Nierenbeckenkelchsystem ein (II ulzerokavernöses Stadium). Von diesem Augenblick an ist die Tüberkulose offen, die Infektion kann deszendierend zur Nierenbecken-, Harnleiter-, Blasen-, Samenblasen-, Prostata-, Nebenhoden- und Hodentuberkulose führen. Der ulzeröse Zerstörungsprozeß und die narbige Strikturbildung im harnableitenden System (Kelchhals, physiologische Harnleiterengen) führen zu Harnabflußstörungen und Rückstau. Dadurch geht die Infektion weiter und kann bis zur tuberkulösen Pyonephrose (KittNiere) führen (III destruierendes Stadium). Die primäre hämatogene tuberkulöse Infektion des Genitalapparates in Prostata oder Nebenhoden ist von geringerer Bedeutung.
Folge: ulzeröser Zerstörungsprozeß, narbige Strikturbildung im harnableitenden System —> Harnabflußstörungen, Rückstau -»Fortschreiten bis zur tuberkulösen Pyonephrose
Symptome: Stadium I: symptomarm, subfebrile Temperaturen, Abgeschlagenheit. Stadium II-III: Zystitische Beschwerden, Nierenschmerzen, Makrohämaturie. Diagnose. Stadium I: selten Flankenschmerzen, Bakteriennachweis im Urin meist zufällig. Rektale Untersuchung, gynäkologische Untersuchung, Röntgen-Thorax und i. v. Urogramm meistens unauffällig. Stadium II: abakterielle Leukozyturie, Ziehl-Neelsen-Test. Die 3malige Untersuchung des Morgenurins kulturell und im Tierversuch mindestens l x positiv. Röntgenologisch: Kalkablagerungen der Niere. Im i.v. Uro-
Stadieneinteilung
Symptome • Stadium I - symptomarm: subfebrile Temperaturen, Abgeschlagenheit • Stadium II, III - zystitische Beschwerden - Nierenschmerzen, Makrohämaturie Diagnose • Stadium I: unauffällige Röntgen-, Urogramm-, Rektaluntersuchungen • Stadium II: bei dreimaliger Untersuchung des Morgenurins: mindestens einmal positiv
848 - Röntgen: Kalkablagerung in der Niere - I.v. Urogramm: Kelchhals-, Harnleiterstenose, Papillendestruktion - Refluxzystogramm Reflux bei Harnleitermündungsstenose, Schrumpfblase, Prostatakavernen - retrograde Harnleitersondierung Strikturen, Ulzerationen, Kavernen, Entzündungsgeschwulst des Nebenhodens • Stadium III: Zielpyeloskopie Therapie
42. Urologie gramm Kelchhalsstenosen, Harnleiterstenosen, Papillendestruktionen, Kavernen an 1-2 Kelchgruppen. Refluxzystogramm: Reflux bei Harnleitermündungsstenose, Schrumpfblase, Prostatakavernen (auch rektal zu tasten). Retrograde Harnleitersondierung: Strikturen, Ulzerationen, Kavernen, Entzündungsgeschwulst des Nebenhodens. Stadium III: Zielpyeloskopie der funktionslosen tuberkulösen Kittniere. Differentialdiagnose: Alle unspezifischen Entzündungen des Urogenitalsystems. • Langzeittherapie: triple-long-Therapie 6 Monate, double-long-Therapie 6 Monate, Monotherapie 12 Monate. • Kurzzeittherapie (9-12 Monate) bei Erstbehandlung, Tuberkelbakterien gegenüber INH, RMP, SM und EMB empfindlich, Verträglichkeit von INH + RMP + SM oder EMB, Medikamenteneinnahme regelmäßig, keine Resistenzmindernde Begleiterkrankung, keine Zytostatika oder Kortikoide. • Empfohlene Therapie: INH + RMP + EMB über 9 Monate oder INH + RMP + EBM bis 3 negative Kulturen im Abstand von 4 Wochen oder INH + RMP über 12 Monate. (INH = Isoniacid, R M P = Rifampicin, E M B = Ethambutol, SM = Streptomycin)
Operative Behandlung • Herdsanierung mit organerhaltender Tendenz • Nephroureterektomie bei funktionsloser Niere oder tuberkulöser Kittniere
Kombinierte chemotherapeutische und operative Behandlung: Operative Herdsanierung mit organerhaltender Tendenz (Polresektion, Heminephrektomie), falls Abheilung unter chemotherapeutischer Behandlung ausbleibt. Evtl. Versuch der plastischen Korrektur von strikturbedingten Harnabflußhindernissen nach vollständiger Sanierung (Harnleiterabgangsstenose, Harnleitermündungsstenose in die Harnblase). Nephroureterektomie bei funktionsloser Niere oder tuberkulöser Kittniere. Frühester Zeitpunkt operativer Therapie mindestens 3 Monate nach Beginn der Dreiertherapie, sonst Gefahr der hämatogenen Streuung (Miliartuberkulose). Behandlung abgeschlossen, wenn 1 Jahr nach Übergang in die Stabilisierungsphase die dreimalige Untersuchung des Morgenurins (Kultur und Tierversuch) negativ ist.
Prognose - Exazerbation der Tuberkulose noch nach vielen Jahren möglich jährliche Kontrolluntersuchung
Prognose: Bis zu 10 Jahre nach Abschluß der Behandlung Exazerbation der Tuberkulose möglich. Deshalb anfangs 2, später eine Kontrolluntersuchung jährlich (je eine dreimalige Untersuchung des Morgenurins kulturell und im Tierversuch, Röntgenuntersuchung des Thorax, i.v. Urogramm). In den meisten Fällen aber chemotherapeutisch oder organerhaltend chirurgisch ausheilbar. Prognose infaust bei fortgeschrittener U G T in beiden Nieren oder in einer Einzelniere mit Urämie. Frühdiagnose daher entscheidend.
Bilharziose
Bilharziose. Endemisch in Afrika, (Ägypten, Madagaskar), Südportugal, Griechenland, Naher und Mittlerer Osten. Ätiopathogenese: Parasitäre Erkrankung. Erreger: Schistosoma haematobium: Wasserschnecken als Zwischenwirte stoßen erste Larvenstadien (Zerkarien) aus. Diese gelangen über Haut und Blutkreislauf an ihr Zielorgan, die Venengeflechte im Bekkenbodenbereich (nach 10 Tagen) und reifen dort zu 1 - 2 cm langen Würmern aus (Nematoden). Nach 6-10 Wochen Ablage von Parasiteneiern in den Blutkapillaren der Harnblase. Die in den Eiern heranreifenden zweiten Larvenstadien (Mirazidien) bilden geschwürerzeugende Substanzen, die durch die Eischale ins umliegende Gewebe drängen. Dann fallen die embryonierten Eier in das Lumen der harnableitenden Wege. Andere Eier werden mit dem Blutstrom in andere Organe verschleppt.
= Schistosomiasis: chronisch rezidivierende Schleimhautläsion mit beginnender Infektion wenn unbehandelt • Harnabflußstörungen • Urothelkarzinom
Symptome: anfangs Hautjucken, später Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost Diagnose: Leukozytose, Eosinophilie Urinsediment: Leukozyturie, Bilharzioseeier Zytoskopie Bilharziose-Tuberkel der Schleimhaut I.v. Urogramm: Hydroureter, -nephrose Zystogramm: Schrumpfblase, evtl. Reflux Zystoskopie: Ulzeration, papilläre Tumoren, Karzinome, Blasensteine, Blasen-PE
Symptome: Anfangs Hautjucken, 1 - 3 Monate später Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost. Bei Befall der harnableitenden Wege chronisch rezidivierende Schleimhautläsionen mit beginnender Infektion. Wenn unbehandelt, Harnabflußstörungen durch Narbenbildungen und Stenosen im Harnleiter, schließlich Urothelkarzinom. Diagnose: Leukozytose, Eosinophilie, Urinsediment: Leukozyturie, Bilharzioseeier. Frühstadium: Keine röntgenologischen Veränderungen. Zystoskopie: Bilharziose-Tuberkel der Schleimhaut. Unbehandeltes Spätstadium: Röntgen-Nierenleeraufnahme: Verkalkung der Harnblase. I. v. Urogramm: Hydroureter, Hydronephrose. Zystogramm: Schrumpfblase, evtl. Reflux. Zystoskopie: Ulzeration bis papilläre Tumoren, Karzinome, Blasensteine. Blasen-PE.
Tumoren des Urogenitalsystems Differentialdiagnose: Unspezifische Zystitis, Tuberkulose, Blasentumor. Therapie: Im Frühstadium chemotherapeutisch (Biltricide®). Im Spätstadium (Schrumpfblase, Urothel-Karzinom) radikale Zystektomie und supravesikale Harnableitung. Prognose: Im Frühstadium Abheilung durch Chemotherapeutika günstig. Prognose im Spätstadium abhängig von der Sekundärpathologie (Urothelkarzinom, Nierenfunktionseinschränkung durch Harnstauung).
7. Tumoren des Urogenitalsystems Gutartige Urogenitaltumoren sind selten. Die Differenzierung von bösartigen Nierentumoren durch Ultraschall, CT, i. v. Urogramm, M R T oder A n giographie ist unmöglich; daher ist in solchen Fällen immer eine operative Freilegung zu fordern. Prädilektionsstellen gut- und bösartiger urogenitaler Tumoren gehen aus Abb. 42-15, die TNM-Klassifizierung maligner Tumoren aus Tab. 42-3 hervor.
849 Differentialdiagnose beachten! Therapie: Frühstadium Chemotherapie, günstig Spätstadium: radikale Zystektomie, supravesikale Harnableitung
Tumoren des Urogenitalsystems (s.Abb. 42-15, Tab. 42-3) Selten gutartig Diagnose immer durch operative Nierenfreilegung
Abb. 42-15: Benigne und maligne Tumoren des Urogenitalsystems. 1,2 Nierenkarzinom, 3 Nierenbeckenkarzinom, 4 Harnleiterkarzinom, 5 Blasenkarzinom, 6 Prostatakarzinom, 7 Hodenkarzinom, 8 Peniskarzinom a. Nierenbeckenpapillom, b. Harnleiterpapillom, c. Blasenpapillom, d. Prostataadenom
7.1 Nierenkarzinom
Nierenkarzinom
Epidemiologie: D e r Altersgipfel liegt um das 60. Lebensjahr. Mit > 90 % der häufigste Nierentumor. Etwa 2 % aller bösartigen Tumoren bei Männern, 1 % bei Frauen.
Altersgipfel um 60 Jahre
Ätiopathogenese: Zur Ätiologie ist nichts sicheres bekannt. Eventuell besitzen Genverluste oder Veränderungen am Chromosom 3 Bedeutung für die Pathogenese. Das Karzinom entwickelt sich aus den Tubuluszellen. Überwiegend in einem Nierenpol lokalisiert. Raumfordernder Tumor, verdrängt das benachbarte Nierengewebe, Kelche, Blutgefäße und Nierenbecken. Einbruch in die Nierenvenen (29-54%), in die V.cava (9,5%) in den fortgeschrittenen Stadien. Dann auch Ausbildung eines Kollateralkreislaufes über perirenale Venen. Infiltration der benachbarten Organe (Kolon, Leber, Milz, Pankreas, Zwerchfell). Metastasierung (43-75 %) hämatogen und lymphogen. Fernmetastasen am häufigsten in der Lunge, abnehmend häufig in Leber, Knochen, Nebenniere und kontralaterale Niere. Der Malignitätsgrad hängt vom histologischen Differenzierungsgrad und dem Ploidimuster ab. Tumorklassifikation Tabelle 42-3.
Ätiologie unklar - Entstehung aus Tubuluszelle - Infiltration benachbarter Organe - Verdrängung von Nierengewebe • Metastasierung - hämatogen - lymphogen
Symptome: Ca. 70 % werden zufällig entdeckt bei einer Sonographie oder CT. Unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Gewichtsverlust, Fieber. Schmerzlose Mikrohämaturie (Erstsymptom, kein Frühsymptom!, da erst
Symptome; im Frühstadium symptomlos • häufig sonographischer Zufallsbefund • Mikro- oder Makrohämaturie
850
42. Urologie
Tab.42-3: Klassifizierung der malignen urogenitalen Tumoren nach dem TNM-System (UICC 1987) Organ Niere
TIS
T, T0 primär kein Tumor < 2,5 cm Tumor nachweisbar
Harnblase Präinvasives Kein Primär- Tumor reicht Karzinom tumor nach- nur bis zur (Carcinoma weisbar Lamina propria in situ)
T2 Tumor > 2,5 cm
T3 a) Tumor infiltriert Nebenniere oder perirenales Fett b) Tumor infiltriert makroskopisch Nierenoder V. cava-Vene(n)
T4 Tumor infiltriert über die GerotaFaszie hinaus
Tumor dringt in die oberflächliche Muskulatur ein
a) Befall der tiefen Muskulatur b) Ausdehnung durch die Blasenwand
Tumor infiltriert Prostata oder Uterus oder Vagina oder Becken- oder Bauchwand
Prostata
Kein Primär- Zufälliger histolo- Tumor auf die Drüse beschränkt tumor nach- gischer Befund weisbar a) < 3 mikrosko- a) < 1,5 cm mit norpische Karzinom- malem Gewebe an herde zumindest 3 Seiten b) > 3 mikroskob) > 1,5 cm oder in pische Karzinom- mehr als einem herde Lappen
Tumor infiltriert in Tumor fixiert oder Apex der Prostata oder infiltriert benachin die bzw. jenseits der barte Strukturen, Prostatakapsel oder in die nicht bei T 3 geden Blasenhals oder nannt sind Samenblasen
Hoden
Kein NachTumor auf den Tumor infiltriert weis für Hoden beschränkt jenseits derT.albuPrimärtumor (einschließlich ginea oder in den Rete testis) Nebenhoden
Tumor infiltriert Samenstrang
Penis
Präinvasives Kein Primär- Tumor infiltriert Karzinom tumor nach- subepitheliales (Carcinoma weisbar Bindegewebe in situ)
Tumor infiltriert Tumor infiltriert UreCorpus spongiosum thra oder Prostata sive cavernosum
N Regionäre Lymphknoten l\l0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen knoten Nierenschmerzen, Fieber Gewichtsverlust, Schwäche Knochenschmerzen pathologische Frakturen symptomatische Varikozele paraneoplastisch-endokrine Symptome, Oberbauchtumor Diagnose
Hämaturie, Polyzythämie Anämie, Hyperkalziämie BSG t Phosphatase, alkalische Sonographie Raumforderung CT, MRT: Differentialdiagnose Zyste versus solide Raumforderung, Tumorausdehnung, Lymphknoten- u. Lebermetastasen Kavographie: Tumorthrombus in V.cava Nierenarteriographie: zur Planung bei Teilresektion Nierenleeraufnahme: Vergrößerter Nierenschatten i.v. Urogramm: Füllungsdefekte, Kelchverdrängung
Tumor infiltriert Skrotum Tumor infiltriert andere Nachbarstrukturen
IM,, N2, N3 Zunehmender Befall regionärer Lymph-
nach Einbruch des Tumors in das Nebenbeckenkelchsystem auffällig). Nierenschmerzen durch Blutung im Nierengewebe oder Harnstauung. Koliken durch Blutkoagel- oder Tumorbröckelabgang. Ca. 5-10 % Arztkonsultation wegen Metastasenbeschwerden wie Knochenschmerzen. Manchmal symptomatische Varikozele (vor allem links). Paraneoplastisch-endokrine Symptome wie Hypertonie (Renin), Polyglobulie (Erythropoetin), Hyperkalziämie (Parathormon) oder Hyperkaliämie (ACTH). Klassische Trias von Makrohämaturie, Flankenschmerz und tastbarem Oberbauchtumor selten. Diagnose: Allgemeinuntersuchung, dabei Oberbauchtumor (?), Caput medusae (?), symptomatische Varikocele (?), Ödeme der Beine (?), Knochenmetastasen erkennbar an Druckschmerz (?), tastbarer Geschwulst (?), Spontanfraktur (?), Lebervergrößerung bei Metastasen (?). Laboruntersuchungen: dabei Hämaturie mit bereits nur wenigen Erythrozyten (?), Polyzythämie (?), Anämie (?), Hyperkalziämie (?), BSG-Erhöhung (?), alkalische Serumphosphatase (?) bei Knochenmetastasen. Die Symptome und die körperliche Untersuchung veranlassen die bildgebende Diagnostik. Sonographie (Abb.42-16a): mit der Diagnose „Raumforderung" und der differentialdiagnostischen Klärung Zyste versus solider Tumor. CT (Abb.42-16b) und MRT: informiert über Zyste versus solider Tumor, Tumorgröße und -ausdehnung, Invasion in Nachbarorgane, regionäre Lymphknoten- oder Lebermetastasierung. Manchmal Klärung ob Nierenvenen- oder V. cava-Infiltration. Arteriographie (Abb.42-16c), Kavographie und Phlebographie: klärt im Verdachtsfall den V.cava- oder Nierenvenenbefall. Selektive Nierenarteriographie: bei der Planung von Nierenteilresektionen, Darstellung pathologischer Gefäßformationen. Röntgen-Nierenleeraufnahme: Vergrößerter Nierenschatten. I.v. Urogramm: Füllungsdefekte, Kelchdeformierungen.
Tumoren des Urogenitalsystems
851
Abb.42-16: Nieremeilkarzinom rechts: a. Sonographie: über die Konvexität der Niere hinausreichende hyporeflexive, inhomogene, rundliche, solide Raumforderung (Pfeil), b. CT: exzentrisch gelegene Raumforderung, die nur wenig Kontrastmittel aufnimmt, jedoch gegenüber dem Nierenparenchym hypodens erscheint, c. DSA: pathologische Gefäße, der im Mittelgeschoß liegenden Raumforderung, keine (sonst typische) HyperVaskularisation Zystoskopie: bei jeder Makrohämaturie zur Seitenlokalisation der Blutung. Differentialdiagnose: Hydronephrose, Solitärzyste der Niere, polyzystische und multizystische Nierendegeneration, Angiomyolipom, xanthogranulomatöse Pyelonephritis, Nierentuberkulose, Neuroblastom, Nebennierentumor (z.B. Phäochromozytom).
• bei Blutung Zystoskopie
Therapie: Radikale, transabdominale oder thorakoabdominale Tumornephrektomie en bloc mit perirenaler Fettkapsel, Nebenniere, Harnleiter, Vasa spermatica (ovarica). Ausräumung der regionalen parakavalen oder -aortalen Lymphknoten und evtl. Tumorzapfen der Nierenvene oder der V. cava. Bei multiplen Fernmetastasen lumbale Nephrektomie, falls operationstechnisch möglich, zur Planung einer Immuntherapie und zur Verhütung von Blutungen, Koliken oder von tumorbedingten Komplikationen der Nachbarorgane.
Therapie • Tumornephrektomie en bloc mit Ausräumung der regionären Lymphknoten • Palliativnephrektomie zur Verhütung einer lokalen Tumorsekundärpathologie und zur Vorbereitung einer Immuntherapie
Differentialdiagnose beachten!
Bei inoperablen blutenden Nierentumoren kann transarteriell eine Embolisation durchgeführt werden, jedoch mit starken Nebenwirkungen wegen der großen Gewebenekrose. Die Chemotherapie ist erfolglos wegen des Vorliegens eines multidrugresistence Gens. Immuntherapie mit Interferon, Interleukin 2, tumorinfiltrierenden Lymphozyten mit Ansprechraten von ca. 20%.
• Chemotherapie ist erfolglos
Prognose: Im Stadium T, 5-Jahres-Überlebensraten von fast 100 %. Im fortgeschritteneren Stadium rasch schlechter werdend, im Stadium T 3 nur noch ca. 2 0 % . Bei Lymphknotenbefall überleben wenige Patienten länger als zwei Jahre. Spätmetastasen können auch noch nach 10-15 Jahren auftreten.
Prognose - gut in Frühstadien nach radikaler Operation - sehr schlecht in Spätstadien
7.2 Nierenbecken-, Harnleitertumoren
Nierenbecker»-, Harnieitertumoren
Epidemiologie. D a s Durchschnittsalter bei Erstmanifestation beträgt bei Männern 72 und bei Frauen 70 Jahre. Das Geschlechtsverhältnis Männer zu Frauen beträgt 2,8:1. Ca. 7 % aller Raumforderungen der Niere sind Nierenbeckentumoren. 4 % entwickeln im Verlauf Tumoren kontralateral, bis 50 % Harnblasentumoren.
Durchschnittliches Erstmanifestationsalter ca. 70 Jahre. Im Verlauf häufig auch Harnblasentumoren
Die Ätiologie ist unbekannt. Evt. faktoriell mitverantwortlich sind aromatische Amine, insbesondere Stoffe der Tryptophanreihe, Nitratgehalt des Trinkwassers, Phenacetin und dessen Metaboliten, Rauchen, Kaffeekonsum, Bilharziose, Saccharin und Cyclamat im Tierexperiment. Histologisch findet man meist mesenchymale Tumoren, zu 80-90 % Urothelkarzinome, zu 5-20 % Plattenepithelkarzinome, Adenokarzinome < 1 %. Urotheliale Tumoren treten in Nierenbecken, Harnleiter und Blase auf.
Ätiologie: unbekannt
Symptome: Schmerzlose Mikro- oder Makrohämaturie. Koliken bei Koagelabgang oder Tumorverschluß des Harnleiters.
• Immuntherapie Interferon, Interleukin
• Histologie: meist Urothelkarzinome Symptome • Mikro- und Makrohämaturie • Koliken bei Koagelabgang • Tumorverschluß des Harnleiters
852
42. Urologie
Abb. 42-17: Urothelkarzinom der oberen Kelchgruppe bei einem 52jährigen Mann: a. Retrograde Pyelographie links mit unregelmäßig begrenzter Kontrastmittelaussparung, b. CT: ventral gelegene hypodense Raumforderung mit Einengung des kontrastmittelgefüllten Kelchsystems
Diagnose • Urinsediment, -Zytologie, evtl. seitengetrennt • i.v. Urogramm: Füllungsdefekte zur weiteren Klärung • retrograde Pyelographie • Sonographie, CT und MRT nur begrenzte Aussagekraft. Bei Blutung sofortige • Zystoskopie
Differentialdiagnose beachten!
Therapie • Nephroureterektomie unter Mitnahme einer Blasenmanschette • evtl. Resektion des tumortragenden An teils • Polychemotherapie
Prognose • 5-Jahres-Überlebensrate 75% bei niedrigem Malignitätsgrad, sonst Tod in 1-2 Jahren
Diagnose: Druckempfindlichkeit der Niere nur bei Harnabflußstörung. Erythrozyturie, Leukozyturie und Bakteriurie bei Harnwegsinfekten. Bei Blutung sofortige Zystoskopie! Röntgen-Nierenleeraufriahme: unauffällig. I. v. Urogramm: Füllungsdefekte im Nierenbeckenkelchsystem (Abb. 4217a). Bei Unklarheiten und zur Diagnosesicherung Durchführung einer retrograden Pyelographie. Die Sonographie bietet eine nur geringe Treffsicherheit, kann aber Informationen über den Lymphknotenstatus oder Lebermetastasen geben. Große Tumoren können eventuell sonographisch entdeckt werden. CT (Abb. 42-17b) und MRT: Bei größeren Tumoren lassen sich Raumforderungen im Hohlsystem feststellen, haben jedoch geringere Treffsicherheit als i.v. Urogramm oder retrogrades Pyelogramm. Zytologie des Blasenurins, eventuell durch Katheterisierung der Harnleiter und Nierenbecken bei der retrograden Pyelographie zytologische Untersuchung des Nativurins mit hoher Aussagekraft. Differentialdiagnose: Nierenparenchymtumoren, Konkremente, Nierentuberkulose, xanthogranulomatöse Pyelonephritis, Ureteritis cystica, Blutkoagel, Papillennekrosen, retroperitoneale Fibrose, Strahlenschäden, Kompression durch extraureterale Ursache (Lymphknotenvergrößerung, gynäkologische Tumoren, gastrointestinale Tumoren). Therapie: En-bloc-Nephroureterektomie unter Mitnahme der periureteralen Blasenwand. Regionale Lymphadenektomie. Bei kleinen Tumoren oder bei Einzelniere eventuell Resektion des tumortragenden Anteils des Nierenbeckenkelchsystems oder des Harnleiters. Bei Carcinoma in situ kann eine BCG-Therapie indiziert sein. In ausgewählten Fällen ist auch die Laserkoagulation möglich. In fortgeschrittenen Stadien kann eine Polychemotherapie (z. B. MVAC: Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin, Cisplatin) Remissionen in 30 % erreichen. Prognose: Bei geringem Malignitätsgrad 5-Jahres-Überlebensraten 75%, beim Plattenepithelkarzinom infolge frühzeitiger Metastasierung Tod innerhalb von 1-2 Jahren.
Harnblasentumoren
7.3 Harnblasentumoren
2% aller bösartigen Tumoren überwiegend bei Männern Altersgipfel 6. Dezennium
Epidemiologie: Zweithäufigster Tumor aller urologischen Neoplasien, nur Prostatakarzinom häufiger. 2 % aller Tumoren, davon 4,5 % aller Tumoren beim Mann und 1,5 % bei der Frau. Altersgipfel 6. Lebensjahrzehnt, Anteil an der Krebsletalität 3,8 %.
Ursache: unbekannt
Ätiopathogenese: Ursache unbekannt. Als kanzerogene Noxen immer wieder diskutiert: aromatische Amine, Nikotinabusus, chronische Entzündungen (Bilharziose, Dauerkatherismus). Übrige Ursachen s. Kap. 7.2.
Tumoren des Urogenitalsystems 90 % sind Übergangszellkarzinome, 5 % Plattenepithelkarzinome und 2 % Adenokarzinome. Selten auch benigne Tumoren, die in ca. 15 % in 5 Jahren maligne entarten. Bevorzugte Lokalisation am Blasenboden (80%). Bei Progredienz: Infiltration des Blasenbodens (incl. der Harnleitermündungen und des Blasenhalses). Dadurch bedingte Harnblasenentleerungsstörungen und Harnstauungsnieren (Abb. 42-16). Blasentumoren treten solitär und multilokular auf. Der Malignitätsgrad variiert vom hoch- bis zum niedrigdifferenzierten Karzinom.
Die Metastasierung erfolgt in die hypogastrischen, iliakalen und paraaortalen Lymphknoten (12-85%). Hämatogene Metastasen in Leber, Lunge, Knochen, Peritoneum.
853 Überwiegend Urothelkarzinome Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome Solitäres und multilokulares Auftreten Harnstauungsnieren, Blasenentleerungsstörungen Lymphogene und hämatogene Metastasierung
TNM-Klassifizierung des Harnblasenkarzinoms: Tis In situ („flat tumour"), Ta Papillär nichtinvasiv, T1 Subepitheliales Bindegewebe, T2 Oberflächliche Muskulatur (innere Hälfte), T3 Tiefe Muskulatur oder perivesikales Fettgewebe, T3a Tiefe Muskulatur (äußere Hälfte), T3b Perivesikales Fettgewebe, T4 Prostata, Uterus, Vagina, Beckenwand, Bauchwand, N1 Solitär < 2 cm, N2 Solitär > 2 cm bis 5 cm, multipel < 5 cm, N3 > 5 cm
TNM-Klassifizierung
Symptome: Anfangs Mikro- oder Makrohämaturie, bei Harnwegsinfektionen zystische Beschwerden, im forgeschrittenen Stadium Massenblutung, Blasentenesmen, Pollakisurie. Bei Harnrückstau Schmerzen in beiden Nieren, Anämie, Tumorkachexie, Fieber. Diagnose: Erythrozyturie; bei Harnwegsinfektion Leukozyturie, Bakteriurie. Anämie. Übersichtszystoskopie mit Biopsie und histologischer Untersuchung, Sonographie (Harnabflußstörung?), i.v. Urogramm (Abb. 42-18) (Urotheltumoren im oberen Harntrakt?), Röntgen-Thorax und Knochenszintigramm (Metastasen?). Positive Urinzytologie. Unter stationären Bedingungen in Narkose transurethrale Resektion (mit bimanueller, abdominorektaler bzw. -vaginaler Untersuchung) von Tumoroberfläche, -grund, -randarealen, Quadrantenbiopsie und erneute histologische Untersuchung. Erst dann und nach Computertomographie operatives Procedere festlegen. Differentialdiagnose: Urotheltumor des Nierenbeckens oder des Harnleiters. Unspezifische Entzündungen der Blase, Urogenitaltuberkulose, Prostataadenom, Prostatakarzinom, Blasenstein, auf die Blase übergreifende Ileitis terminalis, Rektumkarzinom oder gynäkologische Tumoren. Therapie: Zunächst operativ mit einer transurethralen Resektion (bis T 2 , G ^ . Bei darüber hinaus gehendem Tumorstadium und Grad II und höherem Tumorgrad, radikale Zystoprostatovesikulektomie mit pelviner Lymphadenektomie und orthotopem Blasenersatz (falls möglich) oder supravesikaler Harnableitung, falls operativ möglich. Keine partielle Zystektomie, da keine ausreichende Radikalität durch multilokulares Tumorwachstum. Die Strahlentherapie hat sich ohne wesentliche Wirkung gezeigt.
Symptome • Mikro-Makrohämaturie • zystitische Beschwerden • Später: Massenblutung Blasentenesmen, Pollakisurie. Bei Harnrückstau Nierenschmerzen Diagnose • Erythrozyturie, Urinzytologie Untersuchungsverfahren - Übersichtszystoskopie - i.v. Urogramm, Sonographie - Rö-Thorax, Knochenszintigramm
Abb. 42-18: Papillärer Blasentumor re. mit Abflußbehinderung der re. Niere (i.v. Urogramm, Pfeile)
Differentialdiagnose beachten!
Therapie • transurethrale Resektion, im fortgeschrittenen Stadium • Zystoprostatovesikulektomie mit orthotoper oder supravesikaler Harnableitung • Strahlentherapie ohne Wirkung
854
42. Urologie Rezidivprophylaxe mit lokaler Zytostatikainstillation. Bei Rezidiv oder bei Carcinoma in situ BCG-Instillation Polychemotherapie bei fortgeschrittenen Stadien
Prognose bei oberflächlichen Tumoren gut (5-J ÜL 90%) bei Metastasen mittlere Uberlebenszeit 6 Monate Sonderformen • Carcinoma in situ hochmaligner Tumor ohne Blasenschleimhautveränderung Diagnose durch PE und Zytologie Therapie: mit BCG-Instillation oderZystektomie • Leukoplakie: Urothelmetaplasie. Fakultative Präkanzerose, engmaschige Kontrolle
Zytostatikatherapie: Bei oberflächlichen Tumoren (bis T 2 , G,) zur Rezidivprophylaxe nur als lokale Instillation in die Harnblase mit Adriamycin, Mitomycin, Epirubicin. Bei Rezidiv unter lokaler Chemotherapie oder bei Carcinoma in situ lokale Instillation von BCG. Engmaschige Verlaufskontrollen unumgänglich. Bei fortgeschrittenen Stadien mit Metastasen Polychemotherapie mit Remissionen bis 30 % (MVAC, vgl. 7.2). Prognose: Bei oberflächlichen Tumoren gut mit 5-Jahres-Überlebensraten bis 90 %. Es muß jedoch in über 50 % mit dem Auftreten von Rezidivtumoren gerechnet werden. Bei fortgeschrittenen Tumoren (T3, NQ, M 0 nur 21 % 5-Jahres-Überlebensrate. Bei Fernmetastasen mittlere Uberlebenszeit 6 Monate. Sonderformen: Das Carcinoma in situ ist ein nicht infiltrierender intraepithelialer Blasentumor von hohem Malignitätsgrad (G 3 ). Er fällt endoskopisch kaum auf, deshalb Biopsie und Urinzytologie. Das Carcinoma in situ hat eine hohe maligne Potenz mit hoher Rezidiv- und Progressionsneigung. Die Therapie besteht in BCG-Instillationen, beim Rezidiv Indikation zur radikalen Zystoprostatovesikulektomie. Die Leukoplakie ist eine Metaplasie des Übergangsepithels in Pflasterepithel bei chronischer Blasenentzündung. Endoskopisch weiße, schollige Auflagerungen. Engmaschige Kontrollen sind angezeigt, da sie eine fakultative Präkanzerose ist.
Peniskarzinom
7.4 Peniskarzinom
durch chronische Entzündung bei mangelhafter Genitalhygiene: meist Plattenepithelkarzinome
Epidemiologie: 80 % jenseits des 55. Lebensjahres. Ca. 1 % aller Karzinome in Europa und den USA. Dagegen 15-33 % in Afrika, Südostasien, Indien. In Bevölkerungsgruppen nach Beschneidung praktisch nicht existent. Ätiopathogenese: Chronische Entzündung des Penis (mangelhafte Hygiene). Die wirksamen Karzinogene sind unbekannt. Präkanzerosen sind Leukoplakie, Keratosen, Erythroplasie (Queyrat), Morbus Bowen. Neigung zur Ulceration. Schrankenloses infiltratives Tiefenwachstum. Metastasierung lymphogen in oberflächliche und tiefe Leistenlymphknoten, später iliakale und paraaortale Lymphknoten. Hämatogene Metastasierung selten. Zu 95 % Plattenepithelkarzinome. Primärer Tumorsitz zu 50 % die Glans penis.
Symptome • Phimose, wäßrig-eitrige Sekretion • Schwellung und Induration. Später Ulzeration Diagnose
Prognose: 5 J Ü 90%, mit Lymphknotenmetastasen 2030%
Symptome: Phimose, wäßrig-eitriges Sekret wie bei einer Balanitis. Schwellung und Induration von Eichel und Vorhaut. Später Ulzerationen des Tumors. Diagnose: Rein inspektorische Diagnostik unsicher, deshalb Sicherung durch Probeexzision. Palpation der Leistenlymphknoten. Bei bestätigtem Karzinomverdacht Röntgen-Thorax, Sonographie und Computertomographie zum Ausschluß von Fernmetastasen. Differentialdiagnose: Syphilitisches Ulcus durum, Ulcus molle, tuberkulöses Ulkus, ulzeröse Balanitis, Lymphogranuloma inguinale, Herpes progenitalis, Condylomata acuminata. Therapie: Bei kleineren Tumoren ohne Metastasierung Lokalexzision. Bei größeren Tumoren, d.h. Penisschaftinfiltration mit und ohne Metastasen, Penis(teil)amputation mit Ausräumung der inguinalen und iliakalen Lymphknoten. Strahlentherapie ist ohne Erfolg. Polychemotherapie in Einzelfällen erfolgversprechend. Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate oberflächlicher Tumoren ohne Metastasen nach Teilamputation 90 %, mit Befall der regionären Lymphknoten und kombinierter Behandlung ca. 20-30 %.
Hodentumoren
7.5 Hodentumoren
Fast immer bösartig. Häufigstes Auftreten im 20. bis 40. Lebensjahr
Epidemiologie: 1 % aller Malignóme des Mannes. Inzidenz ca. 6,5 pro 100000 männliche Einwohner pro Jahr. 70% treten im 2.^t.Lebensjahrzehnt auf. In der Altersgruppe der 20-30j ährigen sind Hodentumoren die häufigste maligne Erkrankung.
• histologische Sicherung durch PE Differentialdiagnose beachten! Therapie • Lokalexzision, bei größeren Tumoren Penis(teil)amputation mit Ausräumung der inguinalen und iliakalen Lymphknoten • evtl. Polychemotherapie
Tumoren des Urogenitalsystems
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Ätiopathogenese: Entstehungsursache ist unbekannt. Auftreten in der Lebensphase erhöhter hormoneller Aktivität. Risikofaktoren sind Deszensustörungen des Hodens (Bauchhoden, Leistenhoden). Es überwiegen die malignen, germinativen Hodentumoren (Seminom, embryonales Karzinom, Teratokarzinom, Chorionkarzinom). Nichtgerminale Hodentumoren sind selten und meist gutartig (Leydig-Sertoli-Zelltumoren). Tumorklassifikation s. Tab. 42-3 (S.850).
• Risikofaktor M a l d e s c e n s u s testis • Häufigste Formen • S e m i n o m , e m b r y o n a l e s K a r z i n o m , Teratokarzinom, C h o r i o n k a r z i n o m
Alle bösartigen Hodentumoren metastasieren lymphogen mit Ausnahme des hämatogen metastasierenden Chorionkarzinoms. Die erste Lymphknotenstation liegt im Einmündungsbereich der V. spermatica (nicht in die inguinalen Lymphknoten!), links in die V. renalis, rechts in die V.cava. Hier kontralaterale und deszendierende Querverbindungen der Lymphbahnen. Aszendierend über den Ductus thoracicus zum Angulus venosus. Symptome: Meist schmerzlose Hodenvergrößerung, Schweregefühl des Hodens, gelegentlich vergrößerte Lymphknotenmetastasen in der linken Supraklavikulargrube. Gynäkomastie bei Chorionkarzinom, auch bei Leydig- und Sertolizelltumoren. Wichtig: Hodentumoren können durch eine Epididymitis oder Hydrozele maskiert werden. Diagnose: Lokalbefund mit Vergrößerung, knotiger und verhärteter Hodenoberfläche. Geringer Druckschmerz. Oft Begleithydrocele, diaphanoskopisch negativ bei hämorrhagischer Begleithydrozele. Die Sonographie des Skrotums weist fast alle Tumoren nach, auch kleine, nicht palpable. Der retroperitoneale Lymphknotenstatus und Lebermetastasen sind nachweisbar.
Metastasierung lymphogen, Chorionkarzinom hämatogen. Erste L y m p h k n o t e n s t a t i o n an d e n Nierengefäßen
Praxishinweis: Im Zweifelsfall muß jeder Hoden mit Verdacht auf Tumor operativ freigelegt werden (Abb. 42-19).
Hydrozele
Epididymitis
Hodentumor
Varikozele
Spermatozele
Abb. 42-19: Differentialdiagno-
se des akuten Skrotums
Symptome • schmerzlose Hodenvergrößerung • S c h w e r e g e f ü h l des H o d e n s • Maskierung durch Epididymitis oder Hydrozele Diagnose • Hodenvergrößerung • knotige oder glatte Verhärtung, oft Begleithydrozele • S o n o g r a p h i e des S k r o t u m s u n d d e s Retroperitoneums
4=
856 • Tumormarker: AFP oder ß-HCG bei nichtseminomatösen Tumoren zu 90% erhöht. AFP-Halbwertszeit 5 Tage, ß-HCG 1 Tag. Wichtig zur Verlaufsbeobachtung
• Metastasendiagnostik durch Sonographie, Röntgen-Thorax, CT und (MRT) Zur differentialdiagnostischen Abklärung im Zweifelsfall Hodenfreilegung Therapie Hohe Ablatio testis mit Hodenbiopsie der Gegenseite zum Ausschluß TIN. Bei Nicht-Seminomen retroperitoneale Lymphadenektomie, modifiziert und nervenschonend zum Ejakulationserhalt (Abb. 42-20) Bei Seminomen perkutane Strahlentherapie • bei Metastasen Polychemotherapie • in fortgeschrittenen Stadien erst Polychemotherapie, dann Resektion des Residualtumors • bei testikulärer intraepithelialer Neoplasie des kontralateralen Hodens lokale Bestrahlung
Prognose • in Frühstadien und bei mäßiger Metastasenlast 5 J Ü > 90% • bei hoher Metastasenlast sinkend auf 40-60%
42. Urologie Tumormarker: AFP oder ß-HCG sind bei 90 % aller Patienten mit Nichtseminomen erhöht. Die Halbwertszeit des AFP beträgt 5-7 Tage, die des ß-HCG 24 Stunden. Der Markerabfall zeigt den Therapieerfolg an, Anstieg oder Wiederauftreten den Progress. Plazentare alkalische Phosphatase bei 96% der malignen Hodentumoren immunhistochemisch nachweisbar. Östrogene beim Leydig- und Sertolizelltumor erhöht, auch Androgene. Wichtig: Tumormarkerbestimmung immer vor Hodenfreilegung, um Therapieverlauf beobachten zu können. Röntgen-Thorax: Lungenmetastasen? CT und MRT: Retroperitoneale Lymphknotenmetastasen? Differentialdiagnose: Epididymitis, Orchidoepididymitis, granulomatöse Orchitis, Hodengumma, Mumps-Orchitis, Hodentorsion, Hydrocele, Hämatozele, Lymphome des Hodens, Tumormetastasen (Abb.42-19). Therapie: Operativ. 1. Sitzung: Hohe Ablatio testis einschließlich des Funiculus spermaticus bis zum inneren Leistenring. Kontralaterale Hodenbiopsie, da bei 3-5 % der Hodentumorpatienten testikuläre intraepitheliale Neoplasien (TIN) vorliegen, aus denen sich invasive Karzinome entwickeln. 2. Sitzung: Beim Nicht-Seminom retroperitoneale Lymphadenektomie vom Zwerchfell bis zu den Iliakalgefäßen. Modifizierte, nervenschonende Operationstechnik zum Erhalt der antegraden Ejakulation (Abb.42-20). Strahlentherapie: Da das Seminom strahlensensibel ist, nur perkutane Bestrahlungstherapie ipsilateral, iliakal, paraaortal, evtl. Mediastinum, Supraklavikulargrube. Chemotherapie: Finden sich retroperitoneale Lymphknotenmetastasen in der Lymphadenektomie, so folgt eine Polychemotherapie, finden sich keine, engmaschige Tumornachsorge. In fortgeschrittenen Stadien mit großer Metastasenmasse bei Seminomen und Nichtseminomen nach Ablatio testis erst Polychemotherapie (modifiziertes Einhorn-Schema: Cisplatin, Etoposid, Bleomycin), dann bei Residualtumoren operative Entfernung des Resttumors, bei vitalem Tumorgewebe erneute Polychemotherapie. Bei Auftreten einer testikulären intraepithelialen Neoplasie im kontralateralen Hoden lokale Bestrahlung mit 20 Gy. Prognose: Überlebenszeit von Tumorhistologie und -Stadium abhängig. In Frühstadien beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 98%. Rezidive treten nach Therapie in ca. 10 % auf, die jedoch auch gut therapierbar sind. Im fortgeschrittenem Stadium 5-Jahresüberlebensraten von 60 bis 80%, bei großer Tumorlast bis auf 40 % sinkend. Nach retroperitonealer Lymphadenektomie in 75 % retrograde Ejakulation, jedoch unter Verwendung einer modifizierten, nervenschonenden Technik nur noch bis 10 %.
Abb.42-20: Modifizierte retroperitoneale Lymphadenektomie beim links- (a) und rechtsseitigen (b) Hodenkarzinom ohne Lymphknotenmetastasen
Tumoren des Urogenitalsystems
857 Prostatatumoren
7.6 Prostatatumoren 7.6.1 Benigne Prostatahyperplasie (BPH) Epidemiologie: Die B P H ist ein mit der Alterung des Mannes zusammenhängendes Geschehen. BPH-Träger sind fast alle 60-70jährigen M ä n n e r (Autopsiestudien), jedoch nur ca. 50 % dieser G r u p p e sind B P H - K r a n k e . Jeder 4. M a n n wird im Laufe seines Lebens wegen einer B P H behandelt. Synonyma sind Prostataadenom oder -hyperplasie. Ätiopathogenese: Die Entstehungsursache ist unbekannt. Als Risikofaktoren sind Alter und intakte endokrine Funktionen zu nennen. Möglicherweise durch Einwirken von Androgenen und aus diesen vermehrt gebildeten Östrogenen Wucherung der periurethralen Drüsen. Durch deren zentrales Wachstum wird das eigentliche Prostatagewebe schalenförmig abgeflacht und umgibt schließlich, ähnlich wie eine Apfelsinenschale das Fruchtfleisch, das A d e n o m (Gewicht 15-250 g). Das A d e n o m behindert die Blasenentleerung. Man unterscheidet 3 Stadien:
Benigne Prostatahyperplasie (BPH) S y n o n y m a . Prostataadenom, Prostatahyperplasie
Entstehungsursache unbekannt Risikofaktoren - Alter und - intakte endokrine Funktion
1. Stadium: Pollakisurie, Nykturie, verzögerter Miktionsbeginn, abgeschwächter Harnstrahl, Nachträufeln, allmähliche Entwicklung zur Balkenblase, kein Restharn. 2. Stadium: Beginnende Dekompensation der Blase, erhöhte Pollakisurie, Nykturie, Restharn. 3. Stadium: Harnblase dekompensiert völlig; chronisch komplette Verhaftung und Überlaufblase mit ständigem Harnträufeln. Harnrückstauschäden können sich jetzt unbemerkt vom Patienten entwickeln: beiderseitige Ureterektasie, Pyelektasie und Hydronephrose. Unbehandelt Abnahme der Nierenfunktion, Urämie.
Behinderung der Blasenentleerung durch B P H am Blasenhals. M a n unterscheidet 3 Stadien:
Symptome: Pollakisurie, Nykturie, abgeschwächter Harnstrahl, Harnträufeln. Zystische Beschwerden durch Harnwegsinfektion, Hämaturie durch Ruptur gestauter submuköser Blasenhaisvenen. Bei Dekompensation des Detrusors Überlaufblase und ständiges Harnträufeln. Bei Rückstau und beginnender Urämie Exikkose, Somnolenz. Diagnose: Palpation der suprapubischen Region (volle Blase?). Bei Harnrückstau Druckempfindlichkeit beider Nierenlager. Rektaler Tastbefund (Größe; Oberfläche glatt, Konsistenz derb, Ausdehnung des Adenoms, Abb. 42-21). Erythrozyturie; Leukozyturie und Bakterien bei Harnwegsinfektion; Retentionswerte (Serum-Harnstoff und Kreatinin) bei Harnrückstau erhöht. Zur Objektivierung des Harnstrahles sollte eine Uroflowmetrie durchgeführt werden. Laborchemisch kann das prostataspezifische Antigen (PSA) erhöht sein, da PSA-Konzentration mit Adenomgewicht korreliert. Cave: Graubereich 4 10 ng/ml!
Symptome • Pollakisurie, Nykturie, abgeschwächter Harnstrahl • Harnträufeln, Beschwerden durch Harnwegsinfektionen • Hämaturie, Erythrozyturie Bei Dekompensation des Detrusors Überlaufblase, ständiges Harnträufeln Bei Rückstau und Urämie Exsikkose, Somnolenz Diagnose • rektale Palpation, Unterbauchtumor durch volle Blase • PSA • Uroflow
normal
gering
mittelmäBig
stark vergrößert
Abb.42-21: Rektale Untersuchungsbefunde des noms
Prostataade-
Abb.42-22: Benigne Prostatahyperplasie (Prostataadenom) mit Blasenbodenelevation und prävesikal korbhenkelförmig verlaufenden Ureteren (i.v. U r o g r a m m )
42. Urologie
858 Sonographie: Prostata, Restharn, Nieren Röntgen: großer Blasenschatten i.v. Urogramm: Blasenboden angehoben, Korbhenkelphänomen, Harnrückstau Urethrozystoskopie: G rößenbesti mmung, Wahl des Therapieverfahrens Differentialdiagnosen Therapie • Stadium I. konservative Maßnahmen - Phytotherapeutika - a-Rezeptorenbtocker - a-Reduktasehemmer
• Stadium II Operative Behandlung: - transurethrale Resektion - retropubische Resektion n. Miliin - transvesikale Resektion n. Freyer
Röntgen-Nierenleeraufnahme: Großer Blasenschatten. Sonographie: Restharn, Prostatagröße, fokale intraprostatische Läsionen (Karzinom?), Abflußstörungen der oberen Harnwege. I. v. Urogramm: Blasenboden durch Adenomvergrößerung angehoben, „Korbhenkelphänomen" beider prävesikaler Harnleiter (Abb. 42-22), Harnrückstau der oberen Harnwege. Restharnbestimmung (röntgenologisch, durch Ultraschall, mit Katheter). Urethrozystoskopie: Größenbestimmung des Adenoms und Entscheidungshilfe zur Wahl des Therapieverfahrens. Differentialdiagnose: Prostatakarzinom, Sphinktersklerose, Prostatitis, Prostataabszeß, Blasenstein, Harnröhrenstriktur, neurogene Blasenentleerungsstörung. Therapie: Konservative Maßnahmen (Stadium I): Dekongestionierende Maßnahmen (natürliche Lebensweise, regelmäßige Darmtätigkeit, reizlose Kost; langes Sitzen, hochprozentigen Alkohol, kalte, kohlensäurehaltige Getränke meiden); den Miktionsreiz nicht unterdrücken, um eine Überdehnung der Blase zu vermeiden. Medikamente: Medikamente auf pflanzlicher Basis (z.B. Harzol®, Bazoton®), Herabsetzung des Blasenauslaßwiderstandes durch a-Rezeptorenblocker (z. B. Urion®, Flotrin®), durch Veränderung der intraprostatischen Testosteronumwandlung mit a-Reduktasehemmern (z.B. Proscar®), experimentell mit Aromatasehemmern (Aminoglutethimid: Orimeten®). Bei akutem Harnverhalt Dauerkatheter oder suprapubische Blasenstichfistel, falls Harnblasenentleerung längerfristig nicht möglich. In diesem Fall operative Maßnahmen vorbereiten. Operative Behandlung: Ab Stadium II indiziert. Abhängig von subjektiven Miktionsbeschwerden und Restharn (über 50 ml). Folgende Operationsmethoden: • transurethrale Resektion des Prostataadenoms kleiner bis mittlerer Adenome. • offene retropubische (Miliin) oder suprapubisch-transvesikale (Freyer) Adenomektomie, bei mittleren und großen Adenomen (s. Abb. 42-24).
- „alternative" Therapieformen noch in Erprobung
• Alternative instrumentelle Behandlungen: Thermotherapie, Blasenhalsinzision, transurethrale oder interstitielle Lasertherapie, prostatische Metallgitterrohre (Stents), transurethrale Vaporisation. All diese Methoden stehen in der klinischen Prüfung und haben den Standard der oben aufgeführten Eingriffe nicht erreicht.
Gute Prognose, bisweilen Potenzverschlechterung
Prognose: 10 % der Operierten berichten von einer Potenzminderung. Nach Operation günstig, jedoch Harninkontinenz (< 1 %), Harnröhrenstrikturen (< 5 %) möglich, retrograde Ejakulation fast obligat.
Prostatakarzinom
7.6.2 Prostatakarzinom
Epidemiologie
Epidemiologie: Häufigste maligne Tumorneuerkrankung beim Mann. „Latente" Karzinome finden sich bei 50 % der Männer über 80 Jahre (Sektionsgut). Krebsvorsorge ab dem 5. Lebensjahrzehnt daher dringend nötig.
Ursache unbekannt • lokale Tumorausbreitung in Richtung Harnröhre, Samenblasen, Blasenboden. Metastasen der Lymphknoten im kleinen Becken und retroperitoneal, dann inoperabel • hämatogene Metastasierung in das Skelett, später Leber, Lunge • 95% Adenokarzinome • Stadieneinteilung nach TNM-Klassifikation (s.Tab. 42-3)
Entstehungsursache unbekannt. Tumor in 80 % androgenabhängig. Lokalisation in 80 % die dorsalen und seitlichen Partien der Prostata, rektal daher meist tastbar. Lokale Tumorausbreitung in Richtung Harnröhre (dann Miktionsstörungen), Samenblasen, Blasenboden (Harnrückstau durch Infiltration und Kompression der Harnleiter) selten Rektum (Abschirmung durch Denonvillier-Faszie). Metastasen in die Lymphknoten des kleinen Beckens und aszendierend des Retroperitoneums. Tumor dann inoperabel. Hämatogene, osteoplastische und osteoklastische Metastasen in Becken, Femur, Lendenwirbelsäule. Später auch in Leber, Lunge, Rippen, Schädeldach. Zu 95 % Adenokarzinome. Man unterscheidet uniforme und pluriforme Karzinome. Stadieneinteilung nach T N M (s. Tab. 42-3, S.850). Grading ( G l - 3 ) nach Dhom, Gleason-Score.
Symptome • anfänglich symptomlos
Symptome: Am Anfang und selbst bei fortgeschrittenem Befund völlig symptomlos. Erste Diagnose im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung leider viel zu selten, meist bei subjektiven Beschwerden (wie beim Prostataadenom).
859
Tumoren des Urogenitalsystems In 95 % der Fälle erst Beschwerden im Spätstadium, in 5 % als erstes Zeichen Schmerzen durch Knochenmetastasen. Diagnose: Rektale Palpation: Jede Verhärtung der Prostata ist karzinomverdächtig. Im frühen Stadium ein holzharter Knoten in einem Lappen, im späteren Stadium Prostata unregelmäßig, höckrig, hart, nicht abgrenzbar (Abb. 42-23), Restharn als Zeichen der Blasenentleerungsstörung. Transrektale Sonographie: Die Darstellung von Prostatagröße, -form und -binnenstruktur ist möglich. Das Karzinomechomuster ist unspezifisch. Die lokale Tumorausdehnung ist gut erfaßbar. Biopsie: Zytologische Diagnose- und Verlaufskontrolle durch transrektale Feinnadelbiopsie (auch Screening) und histologisch durch transrektale oder perineale - Ultraschall gesteuerte - Stanzbiopsie (Zuverlässigkeit beider Methoden bei ca. 96%). Bei unklaren Palpations-, Sonographie oder PSA-Befunden randomisierte sechsfach-Stanzbiopsie. Labor: Das prostataspezifische Antigen (PSA) ist der einzige organspezifische Tumormarker. Er kann bei Prostataadenomen, -karzinomen oder sonstigen Prostataprozessen erhöht sein. Der Normwert liegt < 4 ng/ml. Bei Werten von 4-10 ng/ml bereits 20 % für Karzinom positive Biopsieergebnisse! Über 10 ng/ml muß ein Prostatakarzinom vermutet werden. Schwieriger „Graubereich" 4-10 ng/ml, deshalb engmaschige Kontrolle und bei Anstieg randomisierte Biopsie.
• Beschwerden erst im Spätstadium Schmerzen durch Knochenmetastasen Diagnose • rektale Palpation
transrektale Sonographie Prostatagröße, -form, -binnenstruktur, lokale Tumorausdehnung Biopsie: Feinnadelbiopsie, transrektale oder perineale Stanzbiopsie Randomisierte, sechsfach-Stanzbiopsie
Labor: PSA 4~10 ng/ml „Graubereich" -> engmaschig beobachten, > 10 ng/ml Karzinomverdacht Biopsie
Alkalische Phosphatase und saure Prostataphosphatase erst bei Knochenmetastasen erhöht, nur noch sehr untergeordente Relevanz. I. v. Urogramm: Harnabflußstörungen im fortgeschrittenen Stadium. Röntgenübersichtsaufnahme: Eventuell Knochenmetastasen sichtbar. Skelettszintigraphie: zur Darstellung von Knochenmetastasen.
i.v. Urogramm: Harnabflußstörungen im fortgeschrittenen Stadium
CT, MRT: nur geringe Relevanz wegen geringer Aussagekraft über lokale Tumorausbreitung oder Lymphknotenmetastasen.
• CT, MRT mit nur geringer Aussagekraft, keine Standardmethode
Urethrozystoskopie: Übergreifen des Tumors auf die prostatische Harnröhre und den Blasenboden. Sekundärveränderungen der Blase durch Harnabflußstörung. Differentialdiagnose: Prostataadenom, granulomatöse Prostatitis, Fibrose nach chronischer Prostatitis, Prostatasteine, -tuberkulöse, -abszeß, -sarkom. Differentialdiagnose von Knochenmetastasen: Beim Prostatakarzinom osteoplastische (nicht zu verwechseln mit Morbus Paget!), bei allen anderen urologischen bösartigen Tumoren osteoklastische Metastasen.
• Urethrozystoskopie Übergreifen auf Urethra u. Blasenboden erkennbar
Prostataadenom
Abb.42-23: Prinzip der digitalen rektalen Untersuchung: Versuch der Abgrenzung Prostataadenom - Prostatakarzinom
( Prostatakarzinom
Differentialdiagnose
Adenom! ektomie
W / Radikale ProstataI ektomie
Abb. 42-24: Gegenüberstellung Adenomektomie - radikale Prostatektomie: a. Adenomektomie. Enukleation des gutartigen Adenoms mit Erhalt der Prostata„kapsel", b. Radikale Prostatektomie: Entfernung der Prostata mit „Kapsel" und Samenblasen
42. Urologìe
860 Therapie • „lncidental"-Karzinom: keine Therapie, engmaschige Beobachtung • organbeschränktes Karzinom: Radikale Prostatovesikulektomie. In Ausnahmefällen lokale Bestrahlung • bei Metastasen: Hormontherapie durch chirurgische oder pharmakologische Kastration • bei Knochenschmerzen: Schmerztherapie mit Analgetika, Chemotherapie, Bestrahlung • bei Blasenentleerungsstörung: Erst suprapubischer Katheter und Hormontherapieeffekt abwarten, falls ohne Erfolg TUR
• bei Harnstauung: Versuch der inneren Schienung, transcutane Fistel der funktionellen Restniere Prognose: nach radikaler Prostatovesikulektomie 10-Jahresüberlebensraten von 70%
Therapie: Stadium 0 oder „incidental"-Karzinom (Zufallsbefund bei der Adenomektomie, rektal nicht tastbar, bis 10 % der Prostata hochdifferenziertes Karzinom): Keine Therapie, engmaschige Beobachtung. Die Therapie ist bei lokal auf die Prostata begrenztem Karzinom mit kurativer Zielsetzung. Zur Kenntnis über den pelvinen Lymphknotenstatus vor radikaler Prostatovesikulektomie muß eine pelvine Lymphadenektomie offenchirurgisch oder laparaskopisch durchgeführt werden. Falls keine Lymphknotenmetastasen vorhanden radikale Prostatovesikulektomie (Abb. 42-24). Falls positive Lymphknoten oder andere Metastasen Hormontherapie: durch chirurgische Kastration oder pharmakologische Kastration (z.B. mit Antiandrogenen, GnRH-Analoga), auch Kombination zur kompletten Androgenblockade. Trotz lokaler Operabilität des Karzinoms kann bei sehr alten oder Patienten in schlechtem Allgemeinzustand die Strahlentherapie der Prostata indiziert sein. Bei Hormonresistenz Chemotherapie (z.B. Estracyt®). Bei Knochenschmerzen Schmerztherapie mit Analgetika, Chemotherapie mit 4-Epirubicin, Bestrahlung, Radionukleide (Yttrium), Rhenium-Therapie, Biphosphanate (z.B. Ostac®). Bei Blasenentleerungsstörungen: erst suprapubische Stichfistel und Hormontherapieerfolg abwarten, falls kein Erfolg TUR. Bei Harnstauung: Versuch der inneren Schienung (Double-J-Stent) oder evtl. transkutane Fistel der funktionellen Restniere. Prognose: T 2 -Karzinome nach radikaler Prostatovesikulektomie 10-JahresÜberelebensraten von 70 %. Bei Fernmetastasen liegt die 5-Jahres-Überlebensrate
Man unterscheidet 1. Formalgenese der Steinbildung Mukopolysaccharide
•1' Mikrolithen
i
Makrolithen 2. Kausalgenese: prärenal, renal, postrenal
• Anorganische, kalziumhaltige, im Röntgenbild schattengebende Steine (90%): Calciumoxalatmonohydrat (Whewelitt), Calciumoxalatdihydrat (Weddelitt), Calciumphosphat (Apatit), Calcium-Hydrogen-Phosphat (Brushit), Magnesiumammoniumphosphat (Struvit), Calciumcarbonat (Carbonat-Apatit). • Organische, im Röntgenbild schattennegative Steine (aus niedermolekularen Verbindungen): Harnsäure, Urat (Natrium- und Ammoniumurat), Zystin, Xanthin. Ätiopathogenese: Entstehungsursache unbekannt. Multifaktorielles Geschehen. Formalgenese der Steinbildung: Vom Tubulusepithel werden organische Substanzen, meist Mukopolysaccharide ausgeschieden. Sie fallen aus und bilden primär die organische Matrix. U m diesen Kern werden sekundär schalenartig Kristallschichten angelagert (Mikrolith). Er wächst durch Apposition (Makrolith) oder wird, subjektiv unbemerkt, mit dem Urin ausgeschieden. Es kann allerdings nur dann zu einer Kristallisation kommen, wenn eine übersättigte Lösung vorliegt. Diese labile Lösung fällt an Kristallisationskeimen (organische Matrix) aus. Kausalgenese der Steinbildung: Es gibt prärenale, renale und postrenale Faktoren.
1. Prärenale Faktoren a) exogene Ursachen Ernährung (kajziumhaltige Milchprodukte, Vitamin-D-Überdosierung), Immobilisation, Harnwegsinfektionen, Dauerkatheter
Prärenale Faktoren: Exogene Ursachen: Ernährung (übermäßige Zufuhr von kalziumhaltigen Milch- und Molkereiprodukten. Vitamin-D-Überdosierung). Immobilisation (Störung des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels durch Knochenum- und -abbau mit vermehrter Harnausscheidung bei bettlägerigen Patienten). Immobilisationssteine auch durch Harnwegsinfektionen und Dauerkatheter bei verletzten Patienten mit Harnblasenentleerungsstörungen.
Urolithiasis Endogene Ursachen: • Hyperparathyreoidismus: Verursacht etwa 5 - 6 % aller kalziumhaltigen Steine, vor allem Rezidiv-Kalzium-Oxalat- und Kalzium-Phosphat-Steine in jedem Alter. Durch Adenom oder Hyperplasie der Epithelkörperchen vermehrte Parathormonausscheidung mit Steigerung der Kalzium-Phosphatausscheidung im Urin und damit Nierensteinbildung bzw. Nephrokalzinose. Die Diagnose wird gestellt bei Hyperkalziämie, Hypophosphatämie, Hyperkalziurie, Hyperphosphaturie bei erhöhter Serumparathormonkonzentration. Die Therapie besteht in der Parathyreoidektomie, Sanierung des Steinleidens. • Harnsäuresteindiathese: Übergewichtige Patienten. Stoffwechselstörung mit Bildung von Harnsäuresteinen. • Idiopathische Harnsäuresteindiathese: Säurestarre des Urins (pH 4,8-5,4). Harnsäuresalze fallen im sauren Milieu aus, Harnsäurespiegel im Blut und Harnsäureausscheidung im Urin nicht erhöht. • Gicht und familiäre Hyperurikämie: Harnsäure im Serum erhöht, vermehrte Säuerung des Urins. Übersättigung des Urins mit Harnsäurekristallen. • Sekundäre Hyperurikämie: Vermehrte Harnsäureausscheidung im Urin. Renale Faktoren: Renale tubuläre Azidose (0,2-0,5%, führt meist zur Nephrokalzinose). Idiopathische Hyperkalzurie (isoliert vermehrte renale Kalziumausscheidung), Zystinurie (Rückresorptionsstörung für Zystin im Tubulusgebiet), Xanthinurie. Postrenale Faktoren: Harnabflußstörungen (Kelchhalsstenose, Ureterstenose, Gravidität), Harnwegsinfektionen (Zelldetritus und Bakterien als Kristallisationszentrum des Harnsteins, vor allem Blasenstein).
861 b) endogene Ursachen • Hyperparathyreoidismus vermehrte Parathormonausscheidung erhöhte Kalziumphosphatausscheidung im Urin —> Nierensteinbildung. Therapie durch Parathyreoidektomie, Steinsanierung
• Harnsäuresteindiathese durch Stoffwechselstörung mit Bildung von Harnsäuresteinen. - Idiopathische Harnsäuresteindiathese mit Säurestarre des Urins bei pH 4,8-5,4 • Gicht und familiäre Hyperurikämie mit erhöhter Harnsäure im Serum, Übersättigung des Urins mit Harnsäurekristallen • Sekundäre Hyperurikämie mit vermehrter Harnsäureausscheidung im Urin 2. Renale Faktoren renale tubuläre Azidose, idiopathische Hyperkalziurie, Zystinurie, Xanthinurie 3. Postrenale Faktoren Harnabflußstörungen, Harnwegsinfektio-
8.1 Nierensteine
Nierensteine
Symptome: Steine innerhalb des Parenchyms (Parenchymsteine) oder im Markgebiet (Markzystensteine) sind symptomlos, da außerhalb des Hohlsystems liegend. Auch ruhender oder stummer Stein in Kelchnischen symptomlos. Bei der Wanderung durch den Kelchhals (erste physiologische Enge) in das Nierenbecken oder aus dem Nierenbecken in den Harnleiter (zweite physiologische Enge) erste Nierenkolik möglich. Fällt der Stein in den Kelch oder in das Nierenbecken zurück, bleibt er so lange stumm, bis ein neuer Passageversuch erfolgt. Bei Steineinklemmung im Harnleiterabgang zunehmend Harnstauung im Nierenbecken mit dumpfen bis kolikartigen Schmerzen (Abb. 42-25), Übelkeit, Erbrechen, Brechreiz, subileusartigen Erscheinungen. Gefahr der Harnwegsinfektion. Diagnose: Druck- und Klopfschmerz des Nierenlagers. Meist schmerzhafte Erythrozyturie, kein Fieber. Sonographie: Steine im Nierenbeckenkelchsystem, adrenalen und prävesikalen Harnleiter, Harnstauung. Röntgen-Nierenleeraufnahme: schattengebende Konkremente in Projektion auf die Niere oder Harnleiterverlauf. I. v. Urogramm: Darstellung der Harnstauung und exakte Lokalisation des Steins. Retrograde Harnleitersondierung: bei schattennegativen Steinen oder unsicherer Diagnose zur Steinlokalisation, dann auch bei stummer Niere oder Kreatininerhöhung. Bei Infektion: Heftige Klopfschmerzen im Nierenlager, Fieber, Leukozyturie, Bakteriurie, Erhöhung der BSG. Rasch bedrohliches Krankheitsbild (Urosepsis), vor allem bei Einzelniere! Differentialdiagnose: Nierenbeckentumor, Gallenkolik, Appendizitis, stielgedrehte Ovarialzyste, Tubargravidität (Abb. 42-26). Therapie. In der Kolik Bettruhe, Analgetika, Spasmolytika (Suppositorien, parenterale Applikation), Infektprophylaxe. Kleiner spontan abgangsfähiger Stein (über 80 % aller Steine): Bei Kolik s. oben - viel Bewegung, reichlich Flüssigkeit, Medikamente auf pflanzlicher Basis zur Steinaustreibung (z.B. Urol®).
Symptome • Steine im Parenchym und in Kelchnischen symptomlos • bei Wanderung Nierenkolik möglich. Bei Steineinklemmung Harnstauung im Nierenbecken dumpfe bis kolikartige Schmerzen (Abb.42-26). Ferner: Übelkeit, Erbrechen, Brechreiz, Subileus
Diagnose • Druck- und Klopfschmerz des Nierenlagers, schmerzhafte Erythrozyturie, kein Fieber • Sonographie: Harnstauung, Steine im Nierenbeckenkelchsystem, adrenalen und prävesikalen Harnleiter • Röntgen: schattengebendes Konkrement l.v. Urogramm, retrograde Sondierung • bei Infektionen: heftige Klopfschmerzen im Nierenlager, Fieber, Leukozyturie, Bakteriurie, Erhöhung BSG. Bedrohliches Krankheitsbild Differentialdiagnose - Nierenbeckentumor - Gallenkolik, Appendizitis - stielgedrehte Ovarialzyste - Tubargravidität Therapie • Infektionsprophylaxe, Analgetika, Spasmolytika, Bettruhe 1. Kleiner spontan abgangsfähiger Stein: Bewegung Flüssigkeit
42. Urologie
862 ruhender Kelchsteiri
Ausguß-oder Korallenstein \ \
Abb. 42-25: Uro ithiasis in unterschied ichen Regionen
Abb. 42-26: Differentialdiagnose Nieren-Harnleiterkolik-Gallenkolik
2. Nicht abgangsfähiger Stein: ESWL, Litholapaxie 3. Ruhender Kelchstein: Kontrollen, evtl. ESWL 4. Anurie bei Verschlußstein: Sicherstellung des Harnflusses mit retrograder Entlastung oder perkutaner Nephrostomie 5. Steinauflösung: Versuch mit Uralyt-U® (Harnsäurestein)
Nichtabgangsfähige Steine: ESWL, perkutane Litholapaxie. Bei Verdacht auf steinbedingte Pyonephrose oder Urosepsis retrograde Entlastung durch Ureterschienung oder perkutane Nephrostomie und Therapie des Steins erst im infektfreien Intervall durch ESWL. Der Harnfluß muß immer sichergestellt sein. Ruhender Kelch- oder Markzystenstein: Sonographische und röntgenologische Kontrolle; ggf. ESWL. Anurie bei Verschlußstein (Einzelniere): retrograde Schienung des Ureters oder perkutane Nephrostomie. Steintherapie im infektfreien Intervall durch ESWL. Steinauflösung: Versuch beim Harnsäurestein durch -alkalisierung (z.B. Uralyt U®) gerechtfertigt, falls keine Infektion oder schwerwiegende Harnabflußstörung vorliegt.
Harnleitersteine
8.2 Harnleiter-, Blasensteine, Metaphylaxe
Symptome • bei Harnleiterpassage dumpfe, kolikartige Schmerzen in Niere, Harnleiter bis Hoden oder Labien ausstrahlend • Übelkeit, Brechreiz subileusartige Beschwerden • bei Stein in Blasennähe: Pollakisurie, Dysurie, Erythrozyturie
Harnleitersteine. Bei Passage des Steins durch den Harnleiter (besonders schwierig an der dritten und vierten physiologischen Enge, Harnleiterkreuzung mit den Iliakalgefäßen und dem Harnleiterostium), dumpfe oder kolikartige Schmerzen der Niere, Harnleiterverlauf bis Hoden oder Labien (Schmerzausbreitung entsprechend der augenblicklichen Lokalisation des wandernden Steins, Abb. 42-26). Übelkeit, Brechreiz, subileusartige Beschwerden. Wenn Stein in Blasennähe: Pollakisurie, Dysurie, Erythrozyturie. Diagnose: s. Nierenstein, Differentialdiagnose: Harnleitertumor, Harnleiterobstruktion. Therapie (Abb. 42-27): Zunächst ESWL in situ oder nach Retromanipulation des Steines in die Niere mittels Ureterkatheter oder Ureterschiene. Falls ESWL erfolglos, Versuch der Steinentfernung durch Ureteroskop und lokale Zertrümmerung unter Sicht.
Diagnose wie Nierenstein Therapie: ESWL, Ureteroskopie mit Steinzertrümmerung
Blasenstein Symptome: Pollakisurie, stotternder Harnstrahl, Blasenschmerz Diagnose: Mikro- oder Makrohämaturie. Sonographie, Röntgen-Beckenübersichtsaufnahme, Urethrozystoskopie
Blasensteine: bei Blasenhalsenge (Sphinktersklerose, Prostataadenom, -karzinom), fakultativ Harnwegsinfektion. Appositionelles Wachstum eines in die Blase abgegangenen Harnleitersteines bis Gänseeigröße. Symptome: Pollakisurie, „stotternder" Harnstrahl, Blasenschmerzen. Diagnose: Schmerzlose Mikro- oder Makrohämaturie. Bei Harnwegsinfektionen Leukozyturie, Bakteriurie. Sonographie bei gefüllter Blase. Röntgen-Beckenübersichtsaufnahme. Urethrozystoskopie. Differentialdiagnose: Blasentumor, Zystitis.
Urolithiasis
863
Abb.42-27: Operative Behandlung der Harnsteine. 1 extrakorporale Stoßwellenlithotripsie, 2 Litholapaxie, 3 Nephrolithotomie, 4 Pyelolithotomie, 5 Ureterolithotomie, 6 Schlingenextraktion eines Harnleitersteines, 7 Entfernung von Blasensteinen mit Fremdkörperzange, Schlagwelle oder Ultraschall, 8 Entfernung von Harnröhrensteinen mit der Fremdkörperzange, 9 Ureteroendoskopie zur Steinentfernung
Therapie: Transurethrale Lithotripsie, am besten in Verbindung mit transurethraler Resektion des Blasenhalshindernisses. Beim großen Prostataadenom Sectio alta mit transvesikaler Prostatektomie (Freyer) oder auch Miliin.
Therapie: transurethrale Lithotripsie, in Verbindung mit transurethraler Resektion des Blasenhalshindernisses
Harnröhrenstein: Der Stein bleibt in der Harnröhre stecken. Plötzlich einsetzender, dann typischer Schmerz wie bei Harnröhrenentzündung. Diagnose durch Urethrozystoskopie. Entfernung des Steines mit der Fremdkörperzange.
Harnröhrenstein Steckenbleiben des Steines in der Harnröhre. Schmerzen w i e bei Harnröhrenentzündung, Entfernung mit der Fremdkörperzange
Metaphylaxe oder Rezidivprophylaxe sind die Maßnahmen, die eine weitere Steinbildung vermeiden helfen. Allgemeine Grundsätze: Senkung der Konzentration lithogener Nahrungssubstanzen. Flüssigkeitszufuhr von mindestens 3 Litern pro Tag. Verbesserung der Löslichkeit (pH-Werteinstellung: Harnsäuresteine orale Alkaligabe mit Urin-pH auf 6-6,5; Zystinsteine eiweißarme Kost, Ascorbinsäure, Urinalkalisierung auf pH 8; Kalziumsteine Diagnostik auf Hyperparathyreoidismus, ev. Thiazide, bei azidotischer Stoffwechsellage Alkaligabe; Infektsteine Infektsanierung, Ansäuern des Urins mit pH unter 6,2. Anheben der Zitratausscheidung als Hemmer der Steinbildung: vermehrt vegetabile Kost. Normalgewicht.
8.3 Prostatasteine
Prostatasteine
Ätiopathogenese: Primäre Steine: In Azini und Ausführungsgängen der Prostata aus Drüsensekret und ohne Beziehung zum Harnsystem. Sekundäre Steine: In Abszeßhöhlen bei der akuten und chronischen, spezifischen und unspezifischen Prostatitis durch Verkalkung nekrotischen Gewebes.
• primäre Steine: in Azini und Ausführungsgängen der Prostata • sekundäre Steine: in Abzeßhöhlen bei Prostatitis durch Verkalkung nekrotischen Gewebes
864
42. Urologie
Symptome: meist keine, evtl. wie chronische Prostatitis Therapie: nur bei stärkeren Beschwerden, transurethrale Resektion der Prostata, offene Adenomektomie
Symptome: Meistens keine, evtl. Beschwerdebild wie bei chronischer Prostatitis. Therapie: Nur bei stärkeren Beschwerden transurethrale Resektion der Prostata oder offene Adenomektomie (Abb. 42-24).
Verletzungen der Urogenitalorgane
9. Verletzungen der Urogenitalorgane
Selten offene Verletzung, meist geschlossenes Trauma
Epidemiologie: Verletzungen des Urogenitaltraktes allein (etwa 35 %) oder im Rahmen von Mehrfachverletzungen (etwa 65 %) sind beim Erwachsenen sowie beim Kind in 2 % aller Verletzungen anzutreffen. Ganz eindeutig überwiegt das geschlossene Trauma mit direkter oder indirekter Verletzungsfolge. Offene Verletzungen sind selten (ca. 5 %); es gilt für sie das gleiche diagnostische und therapeutische Konzept mit erhöhter Dringlichkeit der operativen Versorgung wie für die geschlossenen Verletzungen, die im folgenden abgehandelt werden.
1. Verletzungen der Niere Ursache - Berstungsruptur - Contrecoup
Niere. Anteil an den Gesamtverletzungen 2 %; Mitbeteiligung bei Abdominalverletzungen 30-35%, bei Kindern 51%. Männer bis 4x häufiger als Frauen betroffen. Erwachsene 90 %, Kinder 10 %. Ätiopathogenese: Direkte Gewalteinwirkung in die Flanke (Berstungsruptur) oder indirekt bei Sturz aus großer Höhe (Contrecoup). Bei jedem stumpfen Bauchtrauma daran denken. Es gibt leichte (60%), schwere (30%) und kritische (10%) Nierenverletzungen. Symptome: Hämaturie (Ausnahme Nierenstiel- oder Harnleiterabriß), Flankentumor, einseitig dorso-laterale Abwehrspannung der Bauchmuskulatur, Zunahme des Bauchumfanges. Diagnose: Instabiler Kreislauf: Schweres Bauch- oder Polytrauma. Schockbekämpfung. Sofortige diagnostische Probelaparotomie. Versorgung der intraabdominalen Blutung und der Nierenverletzung. Stabiler Kreislauf: Isoliertes Nierentrauma. Zeit für präoperative Diagnostik: Ultraschalluntersuchung (perirenales Hämatom oder Urinom, Parenchymläsion), Röntgen-Nierenleeraufnahme (Rippenserienfraktur, Querfortsatzabbrüche), i.v. Urogramm (vollständige Darstellung des Nierenbeckenkelchsystems, Kontrastmittelextravasation, Beurteilung von Form und Funktion der gegenseitigen Niere), CT (Ausmaß der Verletzung). Im Zweifelsfall selektive Nierenarteriographie (hervorragende Darstellung von Gefäßläsionen und noch vitaler Parenchymfragmente). Zystoskopie meist entbehrlich. Therapie: Leichte Nierenverletzungen konservativ: Bettruhe, Kreislauf-, Hämoglobin-, Urinkontrollen. Schwere und kritische Nierenverletzungen operativ behandeln. Operations ziel: Organerhaltung! Verschluß des Hohlsystems, Naht von Parenchym und größeren Gefäßläsionen, Hämatomausräumung. Bei der Nierenzertrümmerung ist die Indikation zur Nephrektomie abhängig vom Durchblutungszustand der Niere. Immer nach der kontralateralen Niere fahnden. Prognose: Bei leichten Nierenverletzungen komplette Ausheilung ohne Restschäden. - Frühoperation besser als verzögerte Operation, da bei konservativer Therapie von operationsbedürftigen Nierenverletzungen in 20 % später doch die Nephrektomie notwendig wird. Gründe: sub- oder peripelvine Fibrose mit Sekundärhydronephrose (evtl. Steinbildung), Schrumpfnierenbildung, Hypertonie. Frühkomplikationen nach operativer Versorgung: Urinom, Urinphlegmone, perirenales Hämatom, perinephritischer Abszeß.
Symptome • Hämaturie • Flankentumor • einseitige Abwehrspannung der Bauchmuskulatur • Zunahme des Bauchumfanges Diagnose bei instabilem Kreislauf: schweres Bauch- oder Polytrauma. Stabiler Kreislauf • Ultraschalluntersuchung • Röntgen-Nierenleeraufnahme • i.v. Urogramm, CT
Im Zweifelsfall: selektive Nierenarteriographie Therapie • leichte Nierenverletzung: konservativ • schwere Nierenverletzung: operativ Ziel: Organerhaltung - Verschluß des Hohlsystems —> Naht von Parenchym und größeren Gefäßläsionen - bei Nierenzertrümmerung: Nephrektomie abhängig vom Durchblutungszustand der Niere Prognose - bei leichten Nierenverletzungen: komplette Ausheilung Frühoperation anstreben Frühkomplikationen nach Operation • Urinom, Urinphlegmone • perirenales Hämatom • perinephritischer Abszeß 2. Verletzungen des Harnleiters
Harnleiter. Seltene und fast immer iatrogene Verletzung.
Verletzung nur bei Kindern anzutreffen. Ein- oder Abriß des Harnleiters möglich
Ätiopathogenese: Wegen des geringeren Körpervolumens und des schwächer ausgebildeten Stützapparates praktisch nur bei Kindern. Ein- oder Abriß des Harnleiters möglich.
Symptome retroperitoneale Symptomatik einer Seite
Symptome: Symptomatik des retroperitonealen Hämatoms oder des Urinoms, also die diffuse retroperitoneale Symptomatik einer Seite unterschiedlicher Stärke.
Verletzungen der Urogenitalorgane
865
Diagnose: I.v. Urogramm (Harnleiterkontrastmittelextravasat), Sonographie (Hämatom, Urinom). A m besten retrograde Harnleitersondierung und Pyelographie. Therapie: Operativ. Primär transversale Harnleiternaht über einem Harnleiterkatheter oder einem intraoperativ eingelegten Double-J-Stent. Größere Harnleiterdefekte des proximalen Harnleiters durch Mobilisation und Kaudalverlagerung der Niere, des distalen Harnleiters durch Hörnerblase zu überbrücken. D e f e k t e des mittleren Abschnittes durch End-zu-End-Anastomose zu überbrücken ist sehr schwierig. Prognose: Bis zu 3 0 % Harnleiterstrikturen nach End-zu-End-Anastomosen.
Diagnose i.v. Urogramm, Sonographie. Am besten: retrograde Harnleitersondierung und Pyelographie Therapie: operativ • transversale Harnleiternaht über Harnleiterkatheter oder Double-J-Stent • größere Harnleiterdefekte durch Hörnerblase überbrücken • Defekte des mittleren Abschnittes durch End-zu-End-Anastomose
Harnblase. 0,21 % der Gesamtverletzungen betreffen Blase und Harnröhre. Mitbeteiligung der Blase beim stumpfen Bauchtrauma 5 %, beim Beckentrauma bis zu 25 %.
3. Verletzungen der Harnblase • intraperitoneale Blasenruptur (stumpfe Gewalteinwirkung) • extraperitoneale Blasenruptur (Knochenfragmente bei Beckenfraktur, gefährlich) Volle Blase ist leichter verletzbar als leere Blase Symptome • schmerzhafter Harndrang • fakultativ blutige Anurie • Blase nicht tastbar, Bauchdeckenspannung Bei intraperitonealer Ruptur Peritonismus Bei extraperitonealer Ruptur Beckenfrakturzeichen, Blasenregion druckschmerzhaft. Infiltration von Blut und Urin in das Skrotum Diagnose • rektale Untersuchung • Röntgen-Beckenübersicht • i.v. Urogramm, Zystographie (Abb.42-28) Therapie • Laparotomie -> zweischichtiger Verschluß der Ruptur —> perivesikale Wunddrainage -> Urinableitung über Dauerkatheter • ohne operative Versorgung Anstieg der Letalität durch Urinphlegmone, Beckenosteomyelitis, Peritonitis, Senkungsabszesse 4. Verletzungen der Harnröhre Ursache • stumpfes Trauma auf den Damm, Scherkräfte beim Beckentrauma Symptome • direkte Harnröhrenruptur - Blutung aus der Harnröhre, Harnverhaltung - Hämatom in Damm und Skrotum
Ursache: Stumpfe Gewalteinwirkung der Harnblase (direkte Verletzung) mit intraperitonealer Blasenruptur, spießende oder zerreißende Knochenfragmente bei der Beckenfraktur (indirekte Verletzung) mit extraperitonealer Blasenruptur. Für alle Blasenverletzungen gilt: Eine volle Blase ist leichter verletzbar als eine leere Blase. Symptome: Für alle Blasenverletzungen: schmerzhafter Harndrang, fakultativ „blutige A n u r i e " (anstatt Urin entleert sich Blut oder blutiges Sekret aus der Harnröhre). Blase nicht zu tasten, Bauchdecken gespannt. Intraperitoneale Ruptur: Peritonismus durch Übertritt von Blut und Urin in die freie Bauchhöhle. Extraperitoneale Ruptur: Beckenfrakturzeichen, Blasenregion druckschmerzhaft. Perivesikale Infiltration von Blut und Urin bis in das Skrotum. Bei rascher Therapie keine Gefahr der Urinphlegmone. Diagnose: Rektale Untersuchung (Dislokation der Prostata, intraperitoneale Blut- oder Urinextravasation im Douglas-Raum), Röntgen-Beckenübersicht (Nachweis von Frakturen), i.v. Urogramm und Zystographie bis zur Prallfüllung der Harnblase (Urinextravasat (Abb. 42-28)). Zystoskopie überflüssig. Differentialdiagnose: Harnröhrenruptur. Therapie: Laparotomie, zweischichtiger Verschluß der Ruptur, perivesikale Wunddrainage, Urinableitung über Dauerkatheter. Prognose: Frühzeitige operative Versorgung, sonst sprunghafter Anstieg der primären Letalität von primär 10-15 %. Ursachen sind dann Urinphlegmone, Beckenosteomyelitis, Peritonitis, Senkungsabszesse. Harnröhre. Häufig Verletzung bei Unfalltraumen der Beckenregion. Ätiologie: Stumpfes Trauma auf den Damm (direkte oder infradiaphragmale Ruptur der Harnröhre) oder Scherkräfte beim Beckentrauma (indirekte Harnröhrenruptur mit supra- oder infradiaphragmalem Ein- oder Abriß). Symptome: Direkte Harnröhrenruptur: Blutung aus der Harnröhre (Hämorrhagie, nicht Hämaturie!), fakultativ Harnverhaltung, Hämatom im D a m m und Skrotum.
Abb.42-28: Extraperitoneale Harnblasenruptur (Zystogramm mit streifiger extraperitonealer Kontrastmittelextravasation a-c)
866 • indirekte Harnröhrenruptur - Blutung in den retropubischen Raum • bei Harnröhrenabriß - Harnblase faustgroß über der Symphyse Diagnose: wichtiger Hinweis auf Lokalisation und Ausdehnung: retrograde Urethrographie. Kein KatheterungsversuchI Beckenübersichtsaufnahme Therapie: Primärversorgung • bei Abriß: End-zu-End-Anastomose über Katheter • bei Einriß: transversale Naht, Urinableitung über suprapubische Blasenfistel, Drainage des Wundgebietes. Gefahr der Vernarbung mit Strikturbildung 5. Penisfraktur Zerreißung des Schwellkörpergewebes durch stumpfes Trauma Diagnose: Hämatom, Abknickung des Gliedes. Therapie: Naht der Tunica albuginea Masturbationsverletzung: Behandlung durch Wiederherstellung des zerrissenen Schwellkörpers und der Harnröhre Penisluxation: Behandlung durch Reposition und Naht
Sterilisierung des Mannes Operationstechnik Resektion beider Samenstränge am Skrotalansatz, Unterbindung und Durchtrennung Vasovasostomie möglich. Erfolg von zeitlichem Abstand zu Resektion abhängig Komplikationen • Spermagranulome • Stauungszustände • psychische Störungen Induratio penis plastica Bindegewebeverdickung der Túnica albuginea penis Folge: partielle Schlaffheit des Gliedes bei der Erektion, Immission oft unmöglich Schmerzen bei der Erektion
Diagnose harte, abgrenzbare Bindegewebeinfiltrate der Tunica albuginea am Penisrücken Differentialdiagnose beachten
Therapie evtl. lokale Isoptin-Injektionen; operative Entfernung der Plaques möglich aber ris-
42. Urologie Indirekte Harnröhrenruptur: s.o. Blutung in den retropubischen Raum. Beim Harnröhrenabriß steht die Harnblase faustgroß über der Symphyse. Diagnose: Bei der Miktion nach dem Unfall Urin in der Wunde (Urinphlegmone!). Rektal nach kranial dislozierte Prostata (supradiaphragmale Harnröhrenruptur). Entscheidender Hinweis auf Lokalisation und Ausdehnung der Ruptur durch retrograde Urethrographie unter Durchleuchtungskontrolle. Röntgen-Beckenübersichtsaufnahme: (Hinweis auf Frakturen), kein Katheterungsversuch! Differentialdiagnose: Blasenruptur. Therapie: Primärversorgung im frischen Verletzungsstadium. Beim Einriß transversale Naht, beim Abriß End-zu-End-Anastomose über einen transurethral eingelegten Katheter. Passagere Urinableitung über eine suprapubische Blasenfistel, ausgiebige Drainage des Wundgebietes. Prognose: Falls keine Primärversorgung: Gefahr der Vernarbung mit Strikturbildung. Penis. Penisfraktur: Zerreißung der Túnica albuginea und des spongiösen Schwellkörpergewebes durch stumpfes Trauma bei erigiertem Penis. Diagnose: Hämatom im Penisschaft. Abknickung des Gliedes. Therapie: Naht der Túnica albuginea. Masturbationsverletzungen: Verstümmelung der vorderen Harnröhre oder der Penisspitze z.B. durch Staubsaugereinwirkung. Therapie: Wiederherstellung der zerrissenen Schwellkörper und der Harnröhre, ggf. Penisteilamputation. Penisluxation: Zirkulärer Vorhautabriß um die Glans penis. Das Glied gleitet aus dem Hautschlauch in die seitliche oder darunter liegende Haut. Therapie: Reposition und Naht.
10. Sterilisierung des Mannes, Induratio penis plastica Sterilisierung: Operationstechnik: Beide Samenstränge werden am Skrotalansatz reseziert (3 cm lang), unterbunden und durchtrennt. Indikationen: Zur Familienplanung: Nur verheiratete Männer über 35 Jahre mit 2-3 Kindern. Zustimmung der Ehefrau Voraussetzung. Schriftliches Einverständnis beider Ehepartner. Juristisch ohne Widerspruch. Prognose: Vasovasostomie möglich. Nach mikrochirurgischer Rekonstruktion Durchgängigkeit ca. 90%, je nach zeitlichem Abstand zur Vasoresektion Schwangerschaftsraten bis 60 %. Komplikationen: Spermagranulome, Stauungszustände im Nebenhodenkopf, Häufung von Autoimmunerkrankungen durch Auftreten von Spermaantikörpern fraglich. Psychische Störungen möglich. Induratio penis plastica: 5. und 6. Lebensdezenium. Familiäre Veranlagung. Ursache unbekannt. Umschriebene Bindegewebeverdickung der Hinica albuginea penis mit Ausdehnung in das Corpus cavernosum penis; auch Mitbeteiligung des Penisseptums. Histologisch: Fibrinoide Degeneration der Blutgefäßwand mit reaktiver Fibrose. Durch gestörte Blutversorgung partielle Schlaffheit des Gliedes bei der Erektion. In 60 % mit Dupuytren-Kontraktur der Palmarfaszie vergesellschaftet.
Symptome: Abknickung des Gliedes bei der Erektion, Immission oft unmöglich, Schmerzen bei der (meist unvollständigen) Erektion in 60%. Diagnose: Harte, glatte, gut abgrenzbare, sträng-, platten- oder spangenförmige Bindegewebeinfiltrate der Túnica albuginea am Penisrücken. Die darüberliegende Haut gut verschieblich. Differentialdiagnose: Kongenitale Schnürringe, bindegewebig organisierte Blutergüsse nach Traumen, Narben nach entzündlichen Prozessen, Gichtknoten, leukämische Infiltrate, Metastasen. Therapie: Spontanremission selten und nur in Einzelfällen. Versuch mit lokalen Isoptin®-Injektionen, operative Entfernung der Plaques möglich aber riskant, bei hochgradiger Verkrümmung auch Implantation einer Pe-
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Urologische Erkrankungen des Kindes nisprothese, evtl. Penisaufrichtungsoperation. Prognose: Völlige Heilung selten. In vielen Fällen Besserung oder bleibender Zustand.
kant, evtl. Implantation einer Penisprothese, evtl. Penisaufrichtungsoperation Völlige Heilung selten, jedoch Besserung
11. Urologische Erkrankungen des Kindes
Urologische Erkrankungen im Kindesalter
Harnabflußstörungen dominieren. Vielfach lange unentdeckt, da direkte Hinweise, Symptome und Schmerzempfindungen meistens fehlen. Hinzutretende Harnwegsinfektionen (unklare rezidivierende fieberhafte Episoden, gastrointestinale Störungen) führen unbehandelt dann zur Niereninsuffizienz. Dabei Nierenparenchymdestruktion mehr eine Folge der chronischen Harnwegsinfektion als der chronischen Harnstauung. Globale Nierenfunktion lange kompensiert. Frühestes Symptom der beginnenden Niereninsuffizienz ist eine Einschränkung der renalen Konzentrationsfähigkeit. Erhöhte Blutdruckwerte erst bei pyelonephritischer Schrumpfniere. Kongenitale Fehlbildungen von Niere, Harnleiter und Blase (s. Kap. 5.1,5.2, S. 838 u. 840)
Meist Harnabflußstörungen. Gefahr der Harnwegsinfektion und Niereninsuffizienz Symptome frühestens bei der beginnenden Niereninsuffizienz • Einschränkung der renalen Konzentrationsfähigkeit
Kongenitale Fehlbildungen
11.1 Harnabflußstörungen S. Tab. 42-2 (S.826). Kongenitale Harnleiterabgangsstenose mit Hydronephrose.
Krankheitsbilder
Megaureter. Ein- oder doppelseitig, häufiger bei Knaben als Mädchen.
1. Megaureter Primär obstruktiver Megaureter: kongenitale Harnleiterstenose. Hamrückstau in Harnleiter, Nierenbeckenkelchsystem. Kein Reflux Sekundärer Megaureter: Harnabflußstörungen bereits in der Fetalzeit vorhanden. Mit Reflux Symptome Harnwegsinfektion, Oberbauchtumoren, Nierenfunktions- und Gedeihstörungen Diagnose: bei Harnwegsinfektion Leukozyt-, Bakteriurie, Sonographie 1.v. Urogramm: Hinweis auf Harnleiterund Nierenbeckenkelcherweiterung Miktionszystourethrogramm: Hinweis auf Blasenentleerungsstörung, MAG III-Clearence: Nierenfunktion, Obstruktion, Reflux bei sek. Megaureter: Ref I uxzystog ra m m Therapie: Resektion der Stenose Beseitigung der infravesikalen Obstruktion. In 50% befriedigende Wiederherstellung 2. Ureterozele Erweiterung des intravesikalen Harnleiteranteils bei Ostiumstenose. Selten Harnabflußstörungen Diagnose bei Harnwegsinfektion Leukozyturie, Bakteriurie i.v. Urogramm Aufweitung der Ureterozelen Zystographle: Ureterozelen als Füllungsdefekt Therapie • kleinere Ureterozelen: transurethrale Inzision • größere Ureterozelen: transvesikale Abtragung Cave: kontralaterales Ostium
Primär obstruktiver Megaureter: kongenitale, intramurale oder prävesikale Harnleiterstenose. Harnrückstauung in den Harnleiter und in das Nierenbeckenkelchsystem. Kein Reflux, Harnröhre und Blase normal entwickelt.
Sekundärer Megaureter: Bereits in der Fetalzeit vorhandene Harnabflußstörungen im Bereich des Blasenhalses oder der Harnröhre mit Reflux. Symptome: Harnwegsinfektion, palpable ein- oder beidseitige Oberbauchtumoren, Nierenfunktions- und Gedeihstörungen. Diagnose: Leukozyturie, Bakteriurie bei Harnwegsinfektionen; Sonographie und i.v. Urogramm (Harnleiter- und Nierenbeckenkelcherweiterung). Refluxzystogramm: beim sekundären Megaureter. Miktionszystourethrogramm: Hinweise auf Blasenentleerungsstörungen. M A G III-Clearence: Nierenfunktion, Obstruktion, Reflux. Therapie: Resektion der Stenose, modellierende Längsresektion des erweiterten Harnleiters und Ureterozystoneostomie, bei großem Substanzverlust des Harnleiters evtl. auch Hörnerblase. Beim sekundären Megaureter zuerst infravesikale Obstruktion beseitigen. Prognose: In 50 % befriedigende Wiederherstellung von Harnleiterfunktion und Nierenabfluß. Ureterozele. Bohnen- bis apfelgroße zystische Erweiterung des intravesikalen Harnleiteranteils bei kongenitaler Ostiumstenose. Nur selten Harnabflußstörungen. Symptome: Meist Zufallsbefund, Harnweginfektion selten. Diagnose: Leukozyturie, Bakteriurie bei Harnweginfektion, i. v. Urogramm und Zystoskopie (kolbenförmige Aufweitung der Ureterozelen), Zystographie (Ureterozelen als Füllungsdefekte). Therapie: Kleine Ureterozelen: Kontrollen. Evtl. transurethrale Inzision. Größere Ureterozelen: transvesikale Abtragung, evtl. Antirefluxoperationen. Cave: kontralaterales Ostium! Retrokavaler Ureter, kongenitale Fehlbildungen (Hufeisenniere, Nierendystopie usw.), Harnblasenentleerungsstörungen s. 5.1 und 5.2, S.838 u. 840. Harnstauungsnieren durch Harnblasenentleerungsstörungen s. 5.2.
868 Harnblasen entleerungsstörungen Wenn unerkannt • Stauschäden im Nierenparenchym • Steinbildung, Niereninsuffizienz, Urämie 1. Funktionelle Obstruktion - Dyssynergie des Detrusors und des Blasensphinkters - Therapie durch Biofeedback-Training 2. Blasenhalshypertrophie: Muskuläre Hypertrophie des Blasenhalses mit entzündlichen und sklerotischen Herden 3. Harnröhrenklappen: Schleimhautfalten verschiedener Form oder zirkulär angelegte Membranen
4. Angeborene bulbäre Harnröhrenengen des Knaben 5. Distale Harnröhrenstenose des Mädchens 6. Meatusstenose: Punktförmige Stenose der äußeren Harnröhrenmündung des Knaben Symptome rezidivierende Harnwegsinfekte, Miktionsbeschwerden, Enuresis, Harnträufeln, Überlaufblase Diagnostik • Uroflowmetrie, Harnröhrenkalibrierung • Miktionszystourethrogramm • Urethrozystoskopie Therapie: transurethrale Spaltung, Meatotomie
42. Urologie
11.2 Harnblasenentleerungsstörungen (neurogene Blasenentleerungsstörungen s. S.871). Epidemiologie: Insgesamt selten, jedoch relativ häufig bei Kindern mit Harnwegsinfektionen. Führen unerkannt zu irreparablen Stauungsschäden der oberen harnableitenden Wege und des Nierenparenchyms. Gefahr der Steinbildung. Endstadium: Niereninsuffizienz, Urämie. Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie, = funktionelle Obstruktion: „Kneifen" des Sphinkters externus bei Blasenentleerung. Dadurch Anstoßwiderstandserhöhung. Meist erworben durch falsche Miktionsgewohnheit. Therapie: Biofeedback-Miktionstraining, Spasmolytika. Blasenhalshypertrophie: Ursache unbekannt. Muskuläre Hypertrophie des Blasenhalses mit entzündlichen und sklerotischen Herden. Harnröhrenklappen (Young): 3 Formen sind zu unterscheiden: • segeiförmige Schleimhautfalten, die von dem untersten Anteil des Colliculus seminalis zur seitlichen Harnröhrenwand proximal vom Sphincter vesicae externus verlaufen. • Schleimhautfalten, die vom obersten Pol des Colliculus seminalis in Richtung Blasenhals ziehen. • Zirkulär angelegte Membranen, die unterhalb und oberhalb vom Colliculus seminalis angetroffen werden.
Angeborene bulbäre Harnröhrenengen des Knaben: Häufig verspätetes oder unvollständiges Einreißen der Urogenitalmembran. Häufigste Harnröhrenstenose (75 %). Distale Harnröhrenstenose des Mädchens: Gleiche Ursache wie bei den bulbären Harnröhrenengen des Knaben. Meatusstenose: Punktförmige Stenose der äußeren Harnröhrenmündung des Knaben. Überwiegend assoziiert mit der Hypospadia penis. Symptome der Harnblasenentleerungsstörungen: Rezidivierende Harnwegsinfekte, Miktionsbeschwerden, Enuresis, Harnträufeln, Überlaufblase. Diagnostik der Harnblasenentleerungsstörung: Uroflowmetrie (abgeschwächter Harnstrahl), Harnröhrenkalibrierung mit dem Bougie ä bouleKatheter (Harnröhrenöffnung zu eng), Miktionszystourethrogramm, prograde Urethrozystoskopie. Therapie der Harnblasenentleerungsstörung: Transurethrale Spaltung besser als Bougierung (Blasenhalshypertrophie, Harnröhrenklappen, angeborene bulbäre Harnröhrenengen). Meatotomie besser als Bougierung (distale Harnröhrenstenose des Mädchens, Meatusstenose des Knaben).
Vesikoureteraler Reflux (VUR):
11.3 Vesikoureteraler Reflux (VUR)
Verlust des Ventilmechanismus durch • Verkürzung des submukösen Harnleiterabschnittes (einfacher Reflux) • Retraktion des submukösen Harnleiterabschnittes außerhalb der Blase (komplizierter Reflux) Folge: statt des intravesikalen ist der extravesikalisierte Harnleiterabschnitt der Endpunkt der Peristaltik —> funktionell obstruktive Wirkung, da kein kompletter Urinausstoß möglich Folge: Ureterrestharn, Ureterdilatation, Pendelurin -> Harnrückstau bis zum Nierenbecken —> Hydronephrose —> Parenchymuntergang Ständige Gefahr: Harnwegsinfektion
Epidemiologie: In etwa 30-50 % aller Kinder mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen anzutreffen. Ätiopathogenese: Normalerweise antirefluxiver Ventilmechanismus durch intakte Kontinuität der intramuralen, submukösen, längsverlaufenden Harnleitermuskelund Bindegewebefasern (Waldeyer-Scheide) über das Trigonum in den Blasenhals ausstrahlend. Verlust des Ventilmechanismus durch: • Verkürzung des submukösen Harnleiterabschnittes (angeborenes, erworbenes oder iatrogenes trigonales Muskeldefizit) (= einfacher Reflux), • Retraktion des submukösen - intramuralen Harnleiterabschnittes außerhalb der Blase (Extravesikalisation, meist bei Reflux mit assoziierter infravesikaler Obstruktion). Funktion: Nicht mehr der intravesikale, sondern der jetzt extravesikalisierte Harnleiterabschnitt ist der Endpunkt der Peristaltik. Dann funktionell obstruktiv, da durch ausschließliche Längsmuskelfaseranordnung eine Dehnung des Harnleiters und der komplette Urinausstoß nur begrenzt möglich ist. Deshalb Ureterrestharn und Ureterdilatation, Pendelurin. Bei Persistenz der Pathologie Harnrückstauung bis zum Nierenbecken; Nierenbeckenkelchektasie, Hydronephrose, Parenchymuntergang. Ständige Gefahr: Harnwegsinfektion.
Komplikationen - Pyelonephritiden - Steinbildung
Komplikationen: Chronisch rezidivierende Pyelonephritiden, dung.
Steinbil-
Urologische Erkrankungen des Kindes
869
Abb. 42-30: Lageanomalien des Hodens: 1 Hodenanlage, 2 Retentio testis abdominalis (Bauchhoden), 3 Retentio testis inguinalis (Leistenhoden), 4 Testis mobilis (Gleithoden), 5 Ektopia testis (verlagerter Hoden) L = Leistenband, LK= Leistenkanal Abb.42-29: Refluxklassifizierung
(l-V)
Definition: Ein- oder beidseitiger Harnrückfluß aus der Harnblase in den Harnleiter (vesikoureteraler Reflux) oder in das Nierenbecken (vesikorenaler Reflux). Klassifizierung: 5 Schweregrade nach Parkkulainen (Abb. 42-29). Symptome: Keine spezielle Symptomatik. Oft aber therapieresistenter Harnwegsinfekt. Enuresis. Bei Kindern selten, bei Erwachsenen häufig ein Druckschmerz im Nierenlager während der Miktion. Uncharakteristische Symptome: Gedeihstörungen, Bauchschmerzen, unklares Fieber. Diagnose: Bei Harnwegsinfektionen Leukozyturie, Bakteriurie. Sonographie: Nierenparenchymnarben, Harnstauung bei voller Blase, Restharn. I. v. Urogramm nur bedingt verwertbar, da auch höhergradiger Reflux anscheinend ohne Sekundärpathologie (Stauung). Wichtig Restharnbestimmung, Refluxzystogramm: s. S. 833 Miktionszystourethrogramm (Blasenentleerungsstörung?), Zystoskopie (zur Beurteilung von Lage und Form der Harnleiterostien). Therapie: Operative Behandlung heute in den meisten Fällen zweitrangig. Therapie der Wahl konservativ: Spontanrückbildung des Refluxes infolge Maturation der ureterovesikalen Verbindung. Falls Operation unvermeidbar: Submuköse Harnleiterverlagerung mit (Politano-Leadbetter, Glenn, Cohen) und ohne (Lich-Gregoir) Neuimplantation des Harnleiters in die Blase. Falls infravesikale Obstruktion, diese zuerst beseitigen. Bei Reflux und neurogener Harnblase medikamentöse Inaktivierung des Detrusors und Einmalkatheterismus; antibiotische und prophylaktische Langzeittherapie. Prognose: Abhängig von Refluxgrad, Erholungsfähigkeit des Nierenparenchyms, Infektsanierung zwischen 60 und 96 %.
Klassifizierung Abb. 42-29 Symptome • keine spezielle Symptomatik • oft Hamwegsinfekt • Enuresis Ferner: - Gedeihstörungen - Bauchschmerzen - unklares Fieber Diagnose bei Hamwegsinfektion • Leukozyturie, Bakteriurie Wichtig: Restharnbestimmung • Refluxzystogramm • Miktionszystourethrogramm • Zystoskopie Therapie • Zunächst Maturation abwarten, ansonsten • Submuköse Harnleiterverlagerung • Neuimplantation des Harnleiters in die Blase • antibiotische und prophylaktische Langzeittherapie
11.4 Phimose, Balanoposthitis, Hodendystopie
Phimose
Infektsanierung: 60-90%
Phimose: Angeborene Phimose selten (0,5 %o), erworbene Phimose häufiger. Verengung des äußeren Vorhautringes: Die Vorhaut kann nicht mehr über die Glans zurückgezogen werden. Ursachen: Kongenital oder erworben (nach unsachgemäßer Lösung der normalen Vorhaut). Nach Entzündungen.
Symptome: Entzündliche Reizung durch Urin- oder Sekretverhalt (Balanitis). Diagnose: Hypertrophische (langes, rüsselförmiges Präputium) und atrophische Form. Differentialdiagnose: Physiologische Verklebung des inneren Vorhautblattes mit der Eichel in den ersten 3 Lebensjahren. Therapie: Lösung der Vorhautverklebung nur bei Smegmaretention. Operation der Phimose durch Beschneidung (Zirkumzision) oder plastische Erweiterung in jedem Lebensalter.
Verengung des äußeren Vorhautringes. Kein Zurückziehen der Vorhaut über die Glans möglich.
Therapie • Lösung der Vorhautverklebung nur bei Smegmaretention • Operation: Beschneidung oder plastische Erweiterung
870
42. Urologie Prognose: Unbehandelt Balanitis, Präputialsteine, Paraphimose, auch Harnverhalt.
Balanitis, Posthitis Entzündung der Glans und der Vorhaut, Schleimhautläsion durch pyogene Erreger Symptome • Dysurie • evtl. ballonartige Auftreibung des Präputiums während der Miktion - eitrige Sekretion aus dem Vorhautsack Diagnose • Rötung und Schwellung der Vorhaut • Entzündung und Eiter im Präputialsack bei chronischem Verlauf • Verdickung, fibrinöse Verklebung - sekundäre Verengung der Vorhaut Therapie • bei geringfügiger Entzündung - Spülung des Vorhautsackes - Sitzbäder, Salbenbehandlung • bei Rezidivneigung, Phimose oder hypertrophischem Präputium - Zirkumzision
Balanitis und Posthitis: Entzündung der Glans penis (Balanitis) und der Vorhaut (Posthitis), meist zusammen als Balanoposthitis, am häufigsten im Säuglingsalter. Ätiopathogenese: Phimose. Bakterielle Zersetzung von Harnresten und Smegma. Entzündliche Schleimhautläsionen durch pyogene Erreger oder Candida albicans (Retraktionsversuche der Vorhaut, Masturbation, intertriginöse Dermatitis des Säuglingsalters). Selten Herpes simplex. Nach Abheilen Vernarbung des Präputialringes, dadurch weitere Begünstigung der Entzündung.
Symptome: Dysurie. Bei hochgradiger Phimose ballonartige Auftreibung des Präputiums während der Miktion. Auch eitrige Sekretion aus dem Vorhautsack. Diagnose: Rötung und Schwellung der Vorhaut. Bei Progredienz der Entzündung Eiter im Präputialsack. Bei chronischer Balanoposthitis Verdikkung, fibrinöse Verklebung und sekundäre Verengung der Vorhaut. Differentialdiagnose: S. Phimose. Im Erwachsenenalter Peniskarzinom. Therapie: Bei geringfügiger Entzündung und weitem Präputialring Spülung des Vorhautsackes und Sitzbäder (mit Kamillosan): Salbenbehandlung (Kamillosan, Bepanthen, Moronal-Salbe). Bei Rezidivneigung, Phimose oder bei hypertrophischem Präputium Zirkumzision nach Abklingen der akuten Entzündung. Prognose: Gut.
Hodendystopie (Abb. 42-30)
Lageanomalien des Hodens (Abb. 42-30): Normalerweise beide Hoden bei der Geburt (96 %), spätestens am Ende des 1.Lebensjahres (2 %) im Skrotum. 2 % deszendieren spontan bis zur Pubertät oder nie.
Ursache durch mechanische und hormonelle Störungen in der Embryonalzeit. Physiologische Entwicklung des Hodens nur bei intraskrotaler Lage möglich
Ursache der ein- oder beidseitigen Deszensusstörung unklar. Primär defekte Gonadenanlage, mechanische und hormonelle Störungen in der Embryonalzeit möglich. Voraussetzungen einer normalen spermiogenetischen Entwicklung sind normales Hodenwachstum und normale Reifung des Keimepithels. Eine physiologische Entwicklung des Hodens ist nur bei intraskrotaler Lage zu erwarten.
Diagnose Differenzierung durch operative Exploration • Bauchhoden • Leistenhoden • Gleithoden • ektoper Hoden
Diagnose: Die Differenzierung Bauchhoden, Hodenaplasie oder Hodenektopie durch operative Exploration. Bei doppelseitigem Bauchhoden oder bei Anorchie LHRH-Stimulationstest oder HCG-Belastungstest (Anstieg der Testosteronausscheidung im Harn). Chromosomale Geschlechtsbestimmung. Der Leistenhoden ist im Leistenkanal fixiert, nicht vollständig in das Skrotum zu verlagern. Der Gleithoden zeitweise im Skrotum oder im Leistenkanal (kräftige Retraktion durch den M. cremaster). Häufig mit einem offenen Processus vaginalis peritonei assoziiert. Der ektope Hoden: gestörter Deszensus, unphysiologische Lage (Ektopia cruralis, perinealis, scrotofemoralis usw.). Therapie: Behandlung vor dem zweiten Lebensjahr, sonst keine Einflußnahme auf die Spermiogenese mehr möglich. Prinzipielle Behandlung jeder Deszensusstörung zunächst mit 1-2 LHRH-Analoga-Kuren (Kryptocur®, Nasenspray über 4 Wochen). HCG-Therapie (Tab.42-4) wegen unerwünschter Virilisierung nur noch selten. Falls kein Deszensus, Orchidofunikulolyse, Orchidopexie. Prognose: Hinsichtlich Fertilität nach hormoneller oder operativer Behandlung nicht sehr günstig, hinsichtlich kosmetischem Ergebnis befriedigend. Die Tumorhäufigkeit dystoper Hoden (1 %) Ausdruck einer Fehlanlage der Keimdrüse, nicht durch abnormale Lage des Hodens bedingt. Hodenschwellung (s. S. 854)
Therapie: Behandlung vor dem 2. Lebensjahr, später keine Beeinflussung der Spermiogenese mehr möglich • 1-2 Kryptocur®-Kuren • falls kein Deszensus: Orchidotunikulolyse, Orchidopexie Fertilitätsstörung kann nicht befriedigend beeinflußt werden
Tab.42-4: HCG-Therapieempfehlung (humanes Choriongonadotropin) Alter
Dosis
Dauer
Säuglinge 1-6 Jahre 6 Jahre
2 x 250 I.E./Woche 2 x 500 I.E./Woche 2 x 1 0 0 0 I.E./Woche
5 Wochen 5 Wochen 5-6 Wochen
HCG-Präparate: Pregnesin®, Predalon®, Choragon® , Primogonyl®
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Neurogene Blasenentleerungsstörungen 11.5 Tumoren Gut- und bösartige Tumoren im Kindesalter sind selten. Die wichtigsten Tumoren sind Wilms-Tumor und Rhabdomyosarkom der Harnblase. Wilms-Tumor (Embryonales Adenosarkom). Zweithäufigste maligne Neubildung im Säuglings- und Kindesalter. Ein- und doppelseitig (10 %) vorkommend. In 6 % bereits zum Zeitpunkt der Geburt nachweisbar. Mädchen und Knaben gleichermaßen betroffen. Ätiologie: Kongenitale Neubildung aus embryonalen Zellverbänden des Nierenparenchyms. Chemotherapie- und strahlenempfindlich. Histologie: Anteile von Muskel-, Knorpel-, myxomatösem Gewebe. Metastasierung häufiger hämatogen als lymphogen (Lunge, Leber, Gehirn, regionale Lymphknoten).
Gut- und bösartige Tumoren
4= 1. Wilms-Tumor kongenitale Neubildung des Nierenparenchyms • Metastasierung, häufig hämatogen in Lunge, Leber, Gehirn, regionale Lymphknoten
Symptome: Symptomlose Ausbildung eines dann zufällig entdeckten Oberbauchtumors. Allgemeine Symptome, wie Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit. Diagnose: Bei jedem bis zum 6. Lebensjahr tastbaren Oberbauchtumor muß bis zum Beweis des Gegenteils an einen Wilms-Tumor gedacht werden. Manchmal Anämie. Urinbefund: Unauffällig. - Sonographie: Vergrößerte Niere. Röntgen-Nierenleeraufnahme: Großer Nierenweichteilschatten. I. v. Urogramm: Deformiertes Nierenbeckenkelchsystem mit ausgezogenen Kelchen. Computertomographie und Nierenarteriographie: Vor allem beim doppelseitigen Wilms-Tumor notwendig für die Entscheidung: Radikale Nephrektomie, partielle Nephrektomie der kontralateralen Niere? Differentialdiagnose: Hydronephrose, polyzystische Degeneration beider Nieren, Neuroblastom des Nebennierenmarks. Therapie: Präoperative Hochvoltbestrahlung (ca. 15 Gy/8-10 Tage) nur bei übergroßen Tumoren (20fache der normalen Nierengröße): dadurch Schrumpfung des Tumors zu erwarten. Radikale transabdominale En-bloc-Tumornephrektomie mit primärer Gefäßunterbindung und regionaler Lymphadenektomie. Prä- und/oder postoperative Chemotherapie je nach Stadium. Prognose: Je frühzeitiger die Diagnose, je jünger das Kind, um so besser die Ergebnisse. Heilung bis 90 % möglich.
Symptome • symptomlose Ausbildung eines Oberbauchtumors • Gewichtsabnahme • Appetitlosigkeit Diagnose • bei tastbarem Oberbauchtumor immer an Wilms-Tumor denken! • Sonographie - vergrößerte Nieren • Röntgen-Nierenleeraufnahme großer Weichteilschatten • i.v. Urogramm deformiertes Nierenbeckenkelchsystem • CT und Nierenarteriographie für Entscheidung des operativen Eingriffes Therapie • präoperative Hochvoltbestrahlung Schrumpfung des Tumors, dann • radikale Tumornephrektomie en bloc mit primärer Gefäßunterbindung und regionaler Lymphadenektomie • Heilung bis zu 90% möglich
Rhabdomyosarkom der Blase. Seltener Tumor, Knaben doppelt so häufig wie Mädchen betroffen. Ursache unbekannt. Histologisch ähnliches Bild wie beim Wilms-Tumor. Symptome: Miktionsstörungen, Hämaturie selten. Diagnose: Röntgen-Nierenleeraufnahme (Tumorschatten in der Blasenregion); i. v. Urogramm, Zystogramm, Sonographie kleines Becken, Zystoskopie (Tumornachweis, evtl. auch Abflußstörungen der oberen harnableitenden Wege). Transurethrale Probeexzision des Tumors (histologische Sicherung). Therapie: Je nach Stadium zunächst präoperative Strahlen- oder Chemotherapie oder beides, wenn primäre Radikaloperation nicht möglich. Prognose: Bei frühem Tumorstadium 5-Jahre-Überlebensrate 80%, höhergradige Tumorstadien 50-60%. Komplikationen: Pyelonephritis, Reflux, Strahlenfibrose.
2. Rhabdomyosarkom der Blase histologisches Bild wie beim Wilms-Tumor Symptome • Miktionsstörungen • Hämaturie (selten) Diagnose • Röntgen-Nierenleeraufnahme - Tumorschatten in der Blasenregion • i.v. Urogramm, Zystogramm, Sonographie, Zystoskopie Tumornachweis und Abflußstörungen • Transurethrale Probeexzision: histologische Sicherung Therapie: Strahlen, Chemotherapie, Radikaloperation mit supravesikaler Harnableitung
12. Neurogene Blasenentleerungsstörungen
Neurogen» Blasenentleerungsstörungen
Man unterscheidet angeborene (Myelomeningozele, Spina bifida) und erworbene Ursachen (zwei Drittel der oberen neuromotorischen Läsionen durch Unfälle; Diskusprolaps, Myelitis, Neuritis, Encephalitis disseminata, Multiple Sklerose, Diabetes mellitus, Tumoren des Rückenmarkes, M. Parkinson, Zerebralsklerose). Pathophysiologischer Orientierungspunkt ist das Miktionszentrum (S 2-4) in Höhe der Wirbelkörper T12-L1.
Angeborene und erworbene Ursachen • Diskusprolaps, Myelitis, Neuritis, Enzephalitis, MS • Diabetes mellitus, Tumoren des Rükkenmarks, M.Parkinson
Obere neuromotorische Läsion (Reflexblase). Spastische Blasenlähmung. Lokalisation der Läsion oberhalb des sakralen Miktionszentrums. Bei kompletter Läsion oberhalb des Segmentes T10 mit Abtrennung auch der sympathischen Innervation aus dem unteren thorakalen Grenzstrang.
Krankheitsbilder 1. obere neuromotorische Läsion (Reflexblase) = spastische Blasenlähmung
872 Symptome • Reflexinkontinenz, Restharn • sekundäre Pyelonephritis bei Reflux oder Harnstauung Diagnose • neurologische Untersuchung • Urinsediment, Urinkultur • i.v. Urogramm • Refluxzystogramm • Miktionszystourethrogramm • Zystourethroskopie • urodynamisches Befundmuster
42. Urologie Symptome: Reflexinkontinenz, Restharn bei funktioneller infravesikaler Obstruktion. Auch sekundäre Pyelonephritis bei Reflux oder Harnstauung. Basisdiagnostik: neurologische Untersuchung; urologische Untersuchung: Urinsediment, Urinkultur (Harnwegsinfektion?), i.v. Urogramm (Harnabflußstörung?), Refluxzystogramm (Reflux?), Miktionszystourethrogramm (infravesikale Obstruktion? Christbaumblase?), Zystourethroskopie (Trabekelblase? Blasenpseudodivertikel?). Urodynamisches Befundmuster: • Zystometrie: Detrusorhyperreflexie, teilweise Reflexinkontinenz; Blasenkapazität reduziert, bei Dekompensation des Detrusors normal oder erhöht. Blasenruhetonus erhöht, Compliance erniedrigt. Mit und ohne Restharn, funktionelle Blasenkapazität gering. • Uroflowmetrie: Durch die infravesikale Obstruktion (M. sphincter urethrae externus) erhöhter Miktionsdruck bei reduziertem Harnstrahl. • Urethrometrie: Bis auf funktionelle Urethralänge ohne weitere diagnostische Informationen.
2. Untere neuromotorische Läsion (schlaffe Blase) Läsion im Kerngebiet des sakralen Miktionszentrums oder am peripheren Nervenpunkt Symptome • Blasenentleerungsstörungen • Überlauf- und neurogene Streßinkonti nenz Diagnose • Zystogramm, -skopie: große, glatt begrenzte Harnblase • urodynamisches Befundmuster
Untere neuromotorische Läsion (schlaffe Blase). Lokalisation der Läsion im Kerngebiet des sakralen Miktionszentrums oder am peripheren Nervenpunkt. Symptome: Blasenentleerungsstörung, Überlaufinkontinenz oder neurogene Streßinkontinenz bei schlaffer Lähmung des Sphinktermechanismus. Diagnose: Basisdiagnostik s. obere neuromotorische Läsion. Im Gegensatz dazu Zystogramm und zystoskopischer Befund: große, glattbegrenzte Harnblase.
Therapie der neurogenen Blasenentleerungsstörung Kausale Behandlung meist nicht möglich Ziel -» Erhaltung und Protektion der Nierenfunktion durch • Senkung des intravesikalen Druckes • Verbesserung der Blasenentleerung
Therapie. Kausale Behandlung meist nicht möglich. Oberstes Ziel daher Erhaltung und Protektion der Nierenfunktion vor Harnstauung, Reflux und Pyelonephritis durch Maßnahmen zur Senkung des intravesikalen Druckes und Verbesserung der Blasenentleerung (Restharn unter 15-20 % der Blasenkapazität). Senkung des infravesikalen Widerstandes: Medikamentös (Dibenzyran®, Urion®, Dantamacrin®), operativ (Sphinkterotomie des M.sphincter urethrae externus). Senkung des Detrusortonus: Medikamentös (Dridase®, Spasuret®, Vagantin®, Uro-Ripirin®, Spasmex forte®). Reduktion der Restharnmenge: s. oben. Intermittierender Selbstkatheterismus, in Ausnahmefällen: suprapubische Harnableitung in ein Niederdrucksystem (Ureterhaut-Fistel, Bricker-Blase). Evtl. Deafferenzierung und Blasenschrittmacher.
Urologische Notfallsituationen Harnverhaltung Ursachen: Prostataadenom, -karzinom, Sphinktersklerose, Harnröhrenstriktur, -ruptur, Blasenabriß Symptome: imperativer Harndrang, quälende Blasentenesmen • Unvermögen der Blasenentleerung • Blasenhochstand
Urodynamisches Befundmuster: • Zystometrie: Große Blasenkapazität bei niedrigem intravesikalem Druck und hoher Compliance. Keine Detrusorkontraktionen. Rest,harn. • Uroflowmetrie: Mit Bauchpresse und Crede-Handgriff möglich, jedoch abhängig vom infravesikalen Widerstand. • Urethrometrie: Hypotones Urethraruheprofil.
13. Urologische Notfallsituationen Harnverhaltung, verursacht durch: Prostataadenom, -karzinom, Sphinktersklerose, Harnröhrenstriktur, -ruptur, Blasenhalsabriß. Klinische Symptomatologie: Imperativer Harndrang, quälende Blasentenesmen bei Unvermögen der Blasenentleerung. Blasenhochstand (oft bis in Nabelhöhe). Diagnose: Abdominale Palpation und Perkussion der hochstehenden Blase. Rektale Untersuchung (Prostataadenom, Prostatakarzinom), Harnröhrensondierung (Harnröhrenstriktur, Blasenhalsabriß).
Urologische Notfallsituationen Therapie: Transurethraler Blasenkatheterismus. Bei Unmöglichkeit (Harnröhrenstriktur, Via falsa der Harnröhre, Harnröhren- oder Blasenhalsabriß) suprapubische Stichfistel. Anurie: Prärenale, renale und postrenale (infra- und supravesikale) Form. Diagnose: Differenzierung der prärenalen und renalen Anurie von der postrenalen Anurie durch retrograde Harnleitersondierung. Therapie: Evtl. zunächst Entlastung der Nieren durch Harnleiterkatheter oder Nierenfistel. Ansonsten operative Behandlung der Harnabflußstörung. Steinkolik (s. S.830) Hodenvergrößerung. Immer die Frage vorlegen: Hodentumor oder -torsion? Ätiopathogenese: Hydrozele (Ansammlung seröser Flüssigkeit zwischen Epi- und Periorchium), Spermatozele (Retentionszyste am Nebenhoden mit spermahaltiger seröser Flüssigkeit), Varikozele (erweitertes Venengeflecht im Skrotum aufgrund insuffizienter Klappen der V.spermatica), Epididymitis und Orchitis, Hodentumor (s. Kap. 7.5, S.854), Hodentorsion. Therapie der Hydrocele testis: Nach Eröffnung Evertierung oder Resektion des Periorchiums mit fortlaufender Naht. Therapie der Spermatozele: Operative Freilegung und Entfernung. Therapie der Varikozele: Hohe Ligatur der V. spermatica.
873 Diagnose: Palpation und Perkussion der hochstehenden Blase, Harnröhrensondierung Therapie: transurethraler Katheterismus. Bei Unmöglichkeit: suprapubische Stichfistel Anurie Diagnose: retrograde Harnleitersondierung Therapie: Entlastung der Nieren durch Harnleiterkatheter oder Nierenfistel Hodenvergrößerung Ursachen Hydrozele, Spermato-, Varikozele, Epididymitis, Orchitis, Hodentumor, -torsion Therapie
Hodentorsion im Neugeborenen- bis zum Erwachsenenalter vorkommend.
Hodentorsion
Meist einseitige plötzliche Drehung des abnorm beweglichen Hodens um die Achse des Samenstranges. Drosselung erst des venösen Ab-, dann des arteriellen Zuflusses. Hämorrhagische Infarzierung des Hodens. Ödem der betroffenen Skrotalhälfte. Anlagebereitschaft zur Torsion immer beide Hoden betreffend.
= Drehung eines abnorm beweglichen Hodens um die Achse des Samenstranges —> Drosselung der venösen und arteriellen Gefäße hämorrhagische Infarzierung des Hodens -»Ödem der Skrotalhälfte Symptome heftige, ziehende Schmerzen, ausstrahlend bis in den Unterbauch Diagnose: Druckempfindlichkeit des betroffenen Hodens und Samenstranges. Hoden und Nebenhoden meist nicht abgrenzbar (s. Abb. 42-19). Therapie • skrotale Freilegung, Retorsion • beiderseitige Orchidopexie bei Nekrose des Hodens • Ablatio testis und Orchidopexie des kontralateralen Hodens Priapismus = schmerzhafte Dauererektion
Symptome: Plötzlich einsetzende heftige, ziehende Schmerzen im betreffenden Hoden, bis in den Unterbauch ausstrahlend. Diagnose: Im akuten Stadium starke Druckempfindlichkeit des torquierten Hodens und des Samenstranges. Hoden und Nebenhoden als ein druckschmerzhaftes Konglomerat meist nicht voneinander abgrenzbar. Differentialdiagnose: Epididymitis, Hodentumor (s. Abb.42-19, S.855). Therapie: Organerhaltung innerhalb der 6-Stunden-Frist meist möglich (skrotale Freilegung, Retorsion, beiderseitige Orchidopexie). Bei Nekrose des Hodens Ablatio testis und Orchidopexie des kontralateralen Hodens. Epididymitis s.847, Hodentumor s. Kap.7.5. Priapismus. Akut auftretende, sehr schmerzhafte Dauererektion. Betrifft nur Corpora cavernosa (Blutabfluß über die V. dorsalis penis in den Plexus prostaticus). Neurofunktionelle Ursache oder lokale Zirkulationsstörung. Artefiziell nach Selbstinjektion vasoaktiver Substanzen bei erektiler Dysfunktion. Therapie: Intrakavernöse Injektion eines a-Sympathomimetikums. V. saphena - Corpus cavernosum- oder Corpus spongiosum - Corpus cavernosum-Anastomose. Punktions-Kommunikation zwischen Glans und Corpus cavernosum (Operationen nur innerhalb von 24 h erfolgreich!), allgemeine und lokale thrombolytisch-antithrombotische Therapie. Prognose: Bei frühzeitiger Operation Wiederherstellung normaler Abflußverhältnisse. Gefahr der vorzeitigen Shunt-Verödung, Thrombosierung der Schwellkörper, Erektionsverlust, Impotentia coeundi. Paraphimose („Spanischer Kragen"). Ausbildung eines Schnürringes der über die Eichel zurückgestreiften zu engen Vorhaut. Durch Unterbrechung des venösen Abflusses schmerzhaftes Ödem der Eichel und des inneren Vorhautblattes. Therapie: Versuch der Reposition mit Kompression der Eichel und langsamem Vorziehen der Vorhaut. Unter Umständen nach dorsaler Inzision des äußeren Schnürringes eher möglich. Spätere Zirkumzision meist unvermeidlich (Rezidivprophylaxe). Hämaturie (s. S. 830), Urosepsis (s. S. 843)
Therapie: a-Sympathomimetika intrakavernös. Operation nur innerhalb von 24 h erfolgreich Operatives Vorgehen Anastomose: V. saphena - Corpus cavernosum, C. spongiosum - C. cavernosum, Punktionskommunikation zwischen Glans und C. cavernosum Bei früheitiger Operation: Wiederherstellung normaler Abflußverhältnisse Paraphimose (spanischer Kragen) = Schnürring, der über die Eichel zurückgestreiften zu engen Vorhaut -> schmerzhaftes Ödem, da kein venöser Abfluß Therapie: Reposition durch Kompression der Eichel und Vorziehen der Vorhaut. Meist spätere Zirkumzision
43. Plastische Chirurgie R. R. Olbrisch
Definition: Plastische Chirurgie = formende Chirurgie Korrigierende und wiederherstellende Chirurgie von Form und Funktion der Kör-
Plastische Chirurgie heißt formende Chirurgie, also: Chirurgie der KörperOberfläche mit den dazugehörigen Organen und Geweben wie Haut, Fettgewebe, Drüsen, Muskeln und peripheren Nerven. Sie soll deren Form und Funktion korrigieren oder rekonstruieren,
peroberfläche
1. Operationsindikationen, -techniken Op.-Indikationen - angeborene Fehlbildungen - Fehlentwicklungen - erworbene Deformierungen
Angeborene Fehlbildungen kraniofaziale Anomalien Makroglossie bei Down-Syndrom abstehende, deformierte Ohren Hämangiome Pigmentnaevi
Fehlentwicklungen allgemeine Adipositas umschriebene Adipositas Mammahypoplasie (Abb.43-1) Mammaasymmetrie Mammahyperplasie (Abb.43-2) Nasendeformierungen Transsexualität
1.1 Operationsindikationen Die Plastische Chirurgie kennt 4 Operationsindikationen: angeborene Fehlbildungen, Fehlentwicklungen, erworbenen Deformierungen, Ästhetische Chirurgie. Während in der allgemeinen Plastischen Chirurgie die nicht entwickelte oder durch Krankheit oder Trauma verloren gegangene Normalität erreicht bzw. wiederhergestellt werden soll, liegt das Ziel der Ästhetischen Chirurgie in der Überwindung des Normalen. • Angeborene Fehlbildungen: Kraniofaziale Anomalien werden in den ersten Lebensmonaten durch ausgedehnte Schädel-Osteotomien korrigiert zur Verhinderung der Erblindung und der Hirnkompression. Makroglossie beim Down-Syndrom wird zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr durch Teilresektion der Zunge korrigiert zur Erleichterung des Mundschlusses, des Kauens und des Sprechens. Abstehende und deformierte Ohren werden vor der Einschulung korrigiert zur Vermeidung seelischer Schäden durch Hänseleien. Kavernöse Hämangiome entwickeln sich in der Überzahl spontan zurück und müssen nur bei Funktionsstörungen, z. B. am Auge, exzidiert werden. Riesen-Pigmentnävi werden in der Kindheit und Jugend vor einer möglichen malignen Entartung schrittweise oder mit Hilfe der Gewebeexpansion exzidiert. • Fehlentwicklungen: Allgemeine Adipositas, die wegen Hautmazerationen zur Abtragung einer Fettschürze zwingt. Umschriebene Adipositas, die bei der Reithosenadipositas bei ausreichend straffer Haut durch Fettsaugung korrigiert werden kann. Weitere korrigierbare Fehlentwicklungen: - Mammahypoplasie, wird durch Augmentation mit Hilfe retromuskulär implantierter Silikon-Endothesen, entweder mit Silikon-Gel oder mit Ringerlösung gefüllt, ausgeglichen (Abb. 43-1). - Mammaasymmetrie, bei welcher die größere Brust der kleineren durch eine Reduktionsplastik angepaßt wird. - Mammahyperplasie, die ab dem 3. Jahr nach der Menarche durch Mammareduktionsplastik behandelt wird zur Vermeidung seelischer und orthopädischer Schäden, wenn mindestens 300 g Brustdrüsengewebe entfernt werden können. Dabei soll die Sensibilität der Brustwarze und die Stillfähigkeit erhalten bleiben (Abb. 43-2). - Höckernase bzw. Nasendeformierungen werden durch Rhinoplastiken mit Knorpelumformungen im Spitzenbereich und Osteotomien im knöchernen Bereich ab dem jugendlichen Alter korrigiert. - Transsexualität kann nach ¿jähriger psychiatrischer Begleitung zur Korrektur der sekundären Geschlechtsmerkmale zwingen mit Mastektomie
Operationsindikationen, -techniken
875
SHikonImplantat
Abb.43-1: Mammaaugmentation mit Silikonimplantat
(retromuskulär)
sowie Penis- und Skrotumaufbau bzw. Mammaaugmentation und Penisbzw. Skrotumabtragung und Aufbau einer Vagina. • Erworbene Deformierungen: Unfall-, Erkrankungs-, Tumorbehandlungsund Altersfolgen Unfallfolgen: entstellende Narben im Gesicht nach Schnittverletzungen werden durch Z- und W-Plastiken aufgelöst. Kontrakte, behindernde Narben an Gelenken nach Verbrennungen werden durch Z- und Y-V-Plastiken aufgelöst. Weichteildefekte z.B. am Unterschenkel werden durch Muskeltranspositionen aus der Nachbarschaft oder freie Lappentransplantationen z. B. mit Hilfe des M. latissimus dorsi gedeckt. Erkrankungsfolgen: Hauttumoren wie Basaliome oder Melanome. Ulcera crura werden nach Exzision durch Hauttransplantate oder Lappenplastiken aus der Nachbarschaft gedeckt. Dekubitalulzera müssen mit transponierten Hautmuskellappen aus der Nachbarschaft druckbelastungssicher versorgt werden. Tumorbehandlungsfolgen: Fazialisparese nach Parotistumor wird entweder durch Nervtransplantation im jugendlichen Alter oder später durch Muskeltransposition korrigiert. Einseitige Amastie nach Mammaamputation: Brustwiederaufbau durch Silikon-Endothesenimplantation, u. U. nach vorausgegangener Gewebedehnung mit Hilfe des Gewebeexpanders oder Transposition des Latissimus-Hautmuskellappens mit Augmentation durch Silikonendothese oder durch Transposition oder -plantation eines queren Unterbauchfettlappens, bei welchem die Endothesenimplantation vermieden werden kann. Altersfolgen (Abb. 43-3): Schlupflider und Tränensäcke: Blepharoplastik. Schlaffe Gesichtshaut: Straffung der Gesichts- und Halsmuskelfaszie und Resektion von Haut an Schläfen, vor und hinter den Ohren: sog. Facelift (s. Kapitel 29, S.330). Augenbrauenptosis: Stiraraffung mit Schnitt in behaarter Kopfhaut. Schmale Lippen: Lippenrotausstülpung. • Ästhetische Chirurgie („Schönheitschirurgie") umfaßt die operativen Korrekturen der genannten Altersfolgen mit Lidplastiken, Straffungen von Gesicht, Stirn, Hals, Brust, Bauch, Oberschenkeln etc., aber auch Haartransplantationen, Nasenformkorrekturen, Glättung der perioralen Falten, Mammaaugmentation, Körperkonturformungen z. B. bei Reithosenadipositas bzw. umschriebenen Fettpolstern. Die Indikationsstellung zur Operation geschieht (Ausnahme in der Medizin) durch den Patienten selbst, der oft weniger körperlich als seelisch unter den Veränderungen der Körperoberfläche leidet. Es wird zwischen medizinischer und ästhetischer Indikation unterschieden, wobei nicht selten die Grenzen fließend sind. Nur eine medizinische Indikation begründet die Kostenübernahme für die Behandlung
Abb.43-2: Mammareduktionsplastik mahyperplasie
bei Mam-
• Erworbene Deformierungen: - Unfallfolgen: entstellende und behindernde Narben, Weichteildefekte
Erkrankungfolgen: Hauttumoren, Ulcus cruris, Dekubitus -> transponierte Hautmuskellappen
Tumorbehandlungsfolgen: Fazialisparese, Z. n. Mammaamputation —» Brustwiederaufbau (Latissimuslappen, Silikonendothese etc.)
- Altersfolgen: Schlupflider Tränensäcke schlaffe Gesichtshaut • Ästhetische Chirurgie: - Korrektur bestimmter Fehlentwicklungen z.B. Höckemase, Mammahypoplasie - Korrektur der Altersfolgen z.B. Lid- und Gesichtshautstraffungen
Indikation zur Operation in der plastischen Chirurgie
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43. Plastische Chirurgie
Abb.43-3: Gesicht einer älteren Frau mit den im entspannten Zustand erkennbaren Hautlinien und -falten
Abb. 43-4: Darstellung der einzelnen Phasen bei der Z-Plastik
durch Versicherungsträger. Insbesondere beim Wunsch nach ästhetischen Korrekturen muß großes Gewicht auf den Gesundheitszustand und die Persönlichkeitsstruktur des Patienten gelegt werden, wobei dem Patienten-Arzt-Verhältnis eine besondere Bedeutung zukommt.
Operationstechniken
1.2 Operationstechniken
sind: i
Die Plastische Chirurgie erfordert angepaßte Behandlungstechniken: Schnittführung, Wundverschluß, Lappenplastiken, Mikrochirurgie, Transplantationen, Implantate, Biomaterialien, spezielle Techniken: Gewebeexpansion, Fettsaugung, Hautschleifung, chemical peel, Laser-Behandlung.
1. Besondere Schnittführungen, Wundverschluß Rücksicht auf natürliche Hautlinien bzw. -falten - Z-Plastiken - W-Plastiken - Y-V-Plastiken - V-Y-Plastiken zur Narbenunterbrechung bzw. -Auflösung
1.2.1 Schnittführung, Wundverschluß
Wundverschluß: - mehrschichtig - spannungsfrei - atraumatisch
Inzisionen in der Haut werden in natürliche Hautfalten gelegt. Hautfalten bilden sich quer zu den darunter wirksamen Muskeln. Außerdem werden natürliche Grenzlinien z. B. zwischen Lippenrot und Haut, an der Basis der Nasenflügel, zwischen Ohrmuschel und Wange, am Unterlid unterhalb der Wimpern ausgenutzt. In den natürlichen Hautfalten geplante Schnitte können bei Primärheilung zarte und unauffällige Narben hinterlassen, während ein ohne Rücksicht auf Hautlinien gelegter Schnitt, Spannung auf den Wundrändern, ein Hämatom oder eine Wundinfektion zu verzögerter Wundheilung und damit zu hypertrophen Narben, wenn nicht zu Keloiden, die über die Grenzen der Narben hinauswachsen, führt. Jugendlich straffe Hautspannung hat häufiger hypertrophe Narben und - bei Veranlagung - auch Keloide zur Folge, insbesondere auf der Schulter und im Decolleté. Altershaut ohne jegliche Spannung verheilt mit zarten, kaum erkennbaren Narben. Exzisionen werden wie Inzisionen parallel zu den Hautlinien ausgeführt. Runde Exzisionen wie bei kleinen Hauttumoren werden dazu in ovaläre oder besser fusiforme, d. h. wetzsteinförmige, erweitert. Wundverschluß muß heißen: atraumatische, spannungsfreie Wundrandadaption. Dazu werden die Wundränder mit sehr feinen Haken oder Pinzetten nicht quetschend gehalten. Ein mehrschichtiger Wundverschluß verhindert das Einsinken der Narbe. Vom Muskel wird nur die Faszie genäht, wie auch im subkutanen Fett nur die Scarpa-Faszie mit resorbierbarem Nahtmaterial adaptiert werden darf: Reine Muskel- oder Fettnähte hinterlassen Nekrosen. In der Haut fängt die Dermis die Spannung auf und wird deswe-
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Operationsindikationen, -techniken gen sorgfältig mit versenkten Knoten genäht. Die Epidermisnaht, als einzige mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial, gilt lediglich der spannungsfreien Feinadaptation.
1.2.2 Lappenplastiken
2. Lappenpiastiken
Lappen meint einen gestielten Gewebeblock, der über seinen Stiel mit dem umliegenden Gewebe in Verbindung bleibt zur Sicherung seiner Blutversorgung. Ein Lappen wird üblicherweise verschoben bzw. transponiert, ein freier Lappen mit mikrochirurgischem Gefäßanschluß transplantiert. Z-Plastiken werden benutzt, um Narben die nicht in den Hautlinien liegen, in ihrem Verlauf derart umzuformen, daß sich ihre Hauptachse in die Hautlinien hineinlegen kann. Bei der Z-Plastik liegt der gemeinsame mittlere Schenkel der beiden dreieckförmigen Lappen auf der kontrakten Narbe, nach deren Unterbrechung die Narbe in Längsrichtung auseinander weicht, wobei sich die beiden Lappen austauschen bzw. verlagern. Der Winkel zwischen den gleichlangen Z-Schenkeln soll 60° betragen (Abb. 43-4). Eine quer zu den Hautlinien verlaufende längere Narbe kann außerdem durch eine W-Plastik umgeformt werden, in der die Wundränder zick-zackförmig und damit W-artig aufgelöst, dann vorgeschoben und ineinander verzahnt werden (Abb. 43-5 a-d). Liegt der Narbenstrang blockierend über einem Gelenk, möglicherweise in einer Narbenplatte, wären die beiden Transpositionslappen einer Z-Plastik durchblutungsgefährdet, weswegen in diesen Fällen zur Verlängerung der Narbe die fortlaufende Y-V-Plastik ausgenutzt wird, bei welcher mehrere nebeneinander auf den Narbenstrang liegende Y-förmig geschnittene Lappen ohne Lösung von ihrem Wundgrund in die gegenüberliegenden geöffneten Y-Stiele hineingleiten und damit das V formen (Abb. 43-6). Kleinere Defekte an der Fingerkuppe oder dem Nasensteg werden durch eine V-Y-Plastik gedeckt, bei welcher ein dreieckiger, d.h. V-förmiger Lappen soweit in den Defekt vorgeschoben wird, bis sich ein Y bildet (Abb. 43-7). Vorschiebelappen können in günstigen Fällen einen Defekt unter Ausnutzung der Elastizität des umgebenden Gewebes verschließen. Fehlt diese, erleichtern Burow-Dreiecke das Verschieben des Lappens (Abb. 43-9). Seitlich des Defektes angelegte, rundgeschnittene Verschiebe-Schwenklappen können nur spannungsarm transponiert werden, wenn alle Wundränder ausreichend weit unterminiert werden dürfen (Abb. 43-8). Ist dieses wegen
Lappen beinhalten immer ein arteriovenöses Gefäßsystem im Stiel Gestielte Lappen werden transponiert, freie Lappen werden transplantiert
unterminiertes Areal
Z-Plastiken - Umformen von Narben, die nicht in den Hautlinien liegen
V-Y-Plastik - bei gelenküberschreitenden Narben
Vorschiebelappen: - Verschiebe-Schwenklappen - doppelter Verschiebe-Schwenklappen - Rotationslappen
©
ausgeschnittenes Areal
Abb.43-5: W-Plastik. a. Schräge eingesunkene Narbe auf der Stirn, b. Schnittführung bei der W-Plastik, c. Adaptation der W-Lappen (im Gesicht mit 6 x 0 Nylon), d. Flache aufgelöste Narbe
878
43. Plastische Chirurgie
Abb.43-6: Fortlaufende Y-V-Plastik: Mehrere i n e i n a n d e r g e s c h o b e n e L a p p e n bewirken die V e r l ä n g e r u n g der N a r b e auf Kosten d e s seitlich angrenzenden Gewebes
Abb.43-7: I / - Y - P l a s t i k : Der innere L a p p e n w e i c h t zurück, w ä h r e n d d i e seitlichen Hautpartien v o r g e s c h o b e n w e r d e n
Entnahmedefekt ¡Defekt!
Abb. 43-8:
Verschiebe-Schwenklappen
Burrow'sches Dreieck
m
m
Abb. 43-9: Rotationslappen mit eck zur Erleichterung der Rotation
Burrow-Drei-
Willkürlich gebildete Lappen w e r d e n o h n e Rücksicht auf G e f ä ß v e r l a u f geschnitten u n d h a b e n n u r begrenzte A n wendungsgebiete Achsial gestielte Lappen h a b e n ein eigenes bekanntes a r t e r i o v e n ö s e s S y s t e m und dementsprechend ausgedehnte Anw e n d u n g s b e r e i c h e , z. B. kombinierte Haut-Muskellappen
z.B. Tumor
Defekt
m
\
I
— J 1— — )— J— I— f— )H Ergebnis
weiterer Narben oder ungünstiger Position des Defektes nicht möglich, hilft der rechtwinklig zum ersten Lappen geschnittene zweite Schwenklappen bei der doppelten Verschiebelappenplastik. Rotationslappen sind um die verlängerte Basis des Defektes halbkreisförmig geschnittene Lappen, die in den Defekt rotiert werden bei ausreichender Elastizität des transponierten und des benachbarten Gewebes (Abb. 43-9). Lappenzusammensetzung: Willkürlich geschnittene Lappen beinhalten die Haut und das Unterhautfettgewebe. Der Gefäßverlauf ist unbekannt und bleibt unberücksichtigt. Das Verhältnis Lappenlänge zu -basisbreite soll 1:1 nicht überschreiten. Achsial gestielte Lappen besitzen ein arteriovenöses System, dessen Verlauf bekannt ist und berücksichtigt wird, so daß die Länge des Lappens ohne Rücksicht auf die Lappenbreite gewählt werden kann. Freie Lappen werden transplantiert, wobei ihr Gefäßstiel mit einer Arterie und mindestens einer Vene im Defekt in mikrochirurgischer Technik an Ar-
879
Operationsindikationen, -techniken terie und Vene in End-zu-Seit- oder End-zu-End-Technik angeschlossen wird. Kombinierte Haut-Muskellappen erhalten ihre Blutversorgung über den Muskel, der mit seinem Gefäßnervenbündel transponiert wird. Dabei darf die Haut als Insel, auf dem Muskel reitend, geschnitten werden, wodurch sie exakt dem Defekt angepaßt werden kann.
1.2.3 Mikrochirurgie
3. Mikrochirurgie:
Mikrochirurgie: Chirurgie mit Hilfe des 30 fach vergrößernden Operationsmikroskopes, extrem feiner -Instrumente und besonders feinen atraumatischen Nahtmaterials, bis zu 4 fach feiner als Frauenhaar. Indikationen: Replantationen bei Amputationen mehrerer Finger, scharfen Amputationen in Hand, Handgelenk oder Unterarm und Daumen, Ohren, Skalp oder Genitalien; Deckung komplizierter Defekte mit Haut-FaszienLappen, z.B. Leisten- oder radialem Unterarmlappen, oder Muskel- und Knochenlappen, z.B. Latissimus-, Gracilis- oder Fibula-Lappen; Zehentransplantation zum Daumenersatz; Nervennähte oder -Transplantationen z. B. bei Plexusausriß oder Fazialisparese.
Nerven- und Gefäßnähte mit Hilfe des Op.-Mikroskops z. B. bei Plexusverletzungen, Lappentransplantationen, Replantationen
1.2.4 Transplantationen
4.Transplantationen
Während Lappen in ihrer Nachbarschaft verschoben bzw. transponiert werden, müssen Transplantate von einer Körperregion zur anderen nach Ablösung von ihrer Spenderregion verpflanzt werden. Die freie Gewebeverpflanzung bzw. die Transplantation wird abhängig von der Herkunft des Gewebes vierfach unterschieden:
= freie Gewebeverpflanzungen
• Isotransplantate sind nur bei eineiigen Zwillingen möglich, • Autotransplantate werden am selben Individuum von einer Körperpartie zur anderen verpflanzt (z.B. Haut vom Oberschenkel zum Arm), • Homo- bzw. Allotransplantate werden von einem Individuum zum anderen der gleichen Spezies verpflanzt (z.B. Leichenknorpel für das Nasengerüst), • Xenotransplantate sind Transplantate zwischen Lebewesen unterschiedlicher Spezies (z. B. Schweinehauttransplantate bei Verbrennungsverletzungen).
1.2.4.1 Autotransplantat Haut Spalthaut, mit dem elektrischen Hautschneidemesser, dem Dermatom, entnommen bzw. abgespalten, umfaßt Epidermis und den angrenzenden oberflächlichen Teil der Dermis mit einer Dicke von ca. 0,3 mm. Vollhaut wird mit dem Skalpell exzidiert und setzt sich zusammen aus Epidermis und der gesamten Dermis einschließlich Talg- und Schweißdrüsen mit Haarfollikeln ohne Fettgewebe (Abb. 43-10). Die Qualität und das Erscheinungsbild der transplantierten Haut sind abhängig von ihrer Dicke: je dicker das Transplantat, desto unveränderter bleibt diese Haut in ihrer Farbe, Struktur und Funktion, desto unsicherer aber auch ihre Einheilungsmöglichkeit. Vollhaut ist widerstandsfähiger gegen Verletzungen und kontrahiert sich nicht. Spalthaut bleibt verletzungsgefährdet, neigt zu Verfärbung und Kontraktur. Spalthautentnahmedefekte heilen spontan und können nach kurzer Zeit zur erneuten Hautentnahme herangezogen werden. Vollhautdefekte müssen chirurgisch versorgt und ggf. durch Spalthauttransplantate gedeckt werden. Spalthaut wird zur Deckung auch größerer Wunden am Stamm, falls notwendig netzförmig geschnitten auf das zwei- bis dreifache vergrößert, und an den Extremitäten einschließlich der Hand und Fußrücken verwendet. Vollhaut dient zur Deckung von Defekten im Gesicht, an Hohlhand und Fußsohle.
Praxishinweis: Bei jeder Hauttransplantation muß berücksichtigt werden, daß die zu verpflanzende Haut den Charakter ihrer Entnahme-
Autotransplantate 1. Haut
z.B.: - Haut (Spalthaut: nur Epidermis, Vollhaut: Epidermis und Dermis) - Dermis - Knochen - Knorpel - Faszie - Muskel Das Erscheinungsbild transplantierter Haut ist abhängig von der Dicke!
43. Plastische Chirurgie
880
Dünne Spalthaut Dicke ( Spalthaut
Abb. 43-10: Dünne Spalthaut-, dicke Spalthautund Vollhaut-Transplantate: Beachte, daß mit Vollhaut-Transplantaten Schweißdrüsen und Haarfollikel übertragen werden, jedoch nicht mit Spalthaut-Transplantaten. Spenderbezirke von Spalthaut-Transplantaten können deshalb wieder epithelialisieren, während Spenderbezirke von Vollhaut-Transplantaten einen chirurgischen Verschluß benötigen, da ihnen die Anhangsgebilde zur Epithelialisierung fehlen
Vollhaut
stelle beibehält, weswegen z. B. Gesichtsdefekte nur durch retroaurikuläre oder Haut vom Hals bzw. von der Oberarminnenseite gedeckt werden dürfen.
1.2.4.2 Weitere Autotransplantate 2. Dermis Entepithelisierte Haut ohne Unterhautfettgewebe 3. Knochen Größere Transplantate mit anliegendem Muskel und Gefäßen 4. Knorpel Von Rippen, äußerem Ohr und Nasenseptum 5. Faszie Fascia lata oder vom M. temporalis 6. Muskel Transplantation nur mit Gefäßen u. Nerven
Dermis: Dermistransplantate werden durch Entepithelialisierung eines entsprechenden Hautareals gewonnen unter Abtragung des Unterhautfettgewebes. Mit ihnen werden tiefere Narbeneinziehungen oder subkutane Defekte ausgeglichen. Knochen: Größere Knochentransplantate werden resorbiert und durch Bindegewebe ersetzt. Sie werden deswegen in Kombination mit einem anliegenden Muskel und dessen Gefäßen in mikrochirurgischer Technik verpflanzt. Kleinere Knochentransplantate in der Nase, z.B. zur Korrektur einer Sattelnase, bilden eine Ausnahme. Knorpel: Knorpel ist gefäßfreies Gewebe, welches über Diffusion lebt. Entnahmestellen sind die Rippen, das äußere Ohr und das Nasenseptum. Anwendung in der Ohrrekonstruktion und Nasenformkorrektur. Wird ohne Abstoßungsgefahr auch als Allotransplantat benutzt. Faszie: Fasziengewebe wird aus der Fascia lata des Oberschenkels oder vom M. temporalis gewonnen. Damit können ein Brust- oder Bauchwanddefekt oder eine paretische Gesichtshälfte stabilisiert werden. Muskel: Muskelgewebe wird ausschließlich mit Hilfe mikrochirurgischer Gefäß- und Nervenanschlüsse transplantiert entweder zur Wiederherstellung einer durch Lähmung verlorenen Muskelfunktion, z.B. bei Armplexusparese, oder in Kombination mit Haut als muskulokutaner freier Lappen zur Defektplombierung, beispielsweise im Rahmen einer Osteomyelitisbehandlung am Unterschenkel.
Homo- bzw. Allotranspiantate
1.2.4.3 Homo- und Heterotransplantate
- Knorpel - Faszie - Dura mater
Homo-, Allotranspiantate. Nur Knorpel, Faszie und Dura mater haben sich als Fremdtransplantate bewährt. Knorpel als gefäßfreies Gewebe bleibt immunologisch inert und ruft keine Abstoßungsreaktionen hervor. Fasziengewebe und Dura mater können nur gefriergetrocknet erfolgreich transplantiert werden, z.B. zur Stabilisierung von Defekten der knöchernen Thoraxwand unter kombinierten Hautmuskellappen bei Strahlenschäden.
Hetero- bzw. Xenotransplantate - Schweinehaut zur temporären Deckung von Verbrennungswunden
Hetero- bzw. Xenotransplantate unterliegen der Abstoßungsreaktion des Körpers und dienen nur einer Defektdeckung auf Zeit. So wird Schweinehaut zur temporären Abdeckung ausgedehnter Verbrennungswunden benutzt bis ausreichend eigene, eventuell gezüchtete, Spenderhaut vorhanden ist.
Operationsindikationen, -techniken
881
1.2.5 Implantate, Biomaterialien
Impiantate
Alloplastische Materialien werden zur Volumenauffüllung benutzt oder um Gewebslücken zu überbrücken. Sie verursachen als Fremdkörper abhängig von der Art ihrer Oberfläche und ihrer Reinheit unterschiedliche entzündliche Reaktionen im umgebenden Gewebe. Ihre Haltbarkeit hängt davon ab, wie inert sie sind und wie schnell sie durch mechanische oder biologische Einflüsse zerstört werden. Zu den alloplastischen Materialien zählen die Kalziumphosphat-Keramiken wie Hidroxidapatit, Trikalziumphosphat und Proplast als Knochenersatz und Silikonpolymere in ihren verschiedenen Aggregatzuständen. Die unterschiedliche Viskosität von Silikon (flüssig, gelartig, solide) erlaubt seine vielseitige Anwendung von der Augmentation verschiedener Gewebearten bis hin zum Gelenkersatz. Mammaprothesen zur Brustrekonstruktion oder -Vergrößerung, Gewebeexpander zum Gewinn von Haut oder Gelenkersatzimplantate bei rheumatischen Veränderungen sind Beispiele dafür. Injizierbare Biomaterialien werden vorwiegend in der Ästhetischen Chirurgie benutzt, um Altersfalten oder Konturdeformitäten wie z.B. eingesunkene Aknenarben auszugleichen. Dazu zählen Rinder-Kollagen und autologes Fett. Rinderkollagen wird in die Dermis implantiert und meist nach 4-9 Monaten abgebaut. Vom injizierten autologen Fett wird ein bleibender Augmentationseffekt durch bindegewebigen Umbau und die wenigen überlebenden Adipozyten erreicht.
Zur Formkorrektur - autologes Gewebe, günstig! z.B. Knorpel, Dermis, autologes Fett starkem Abbau unterworfen - synthetisches Fremdmaterial, problematisch! z.B. Silikon gelförmig in elastischer Hülle als Endothese bzw. Prothesen der Mammachirurgie
Biomaterialien - Rinder-Kollagen zur ästhetischen Korrektur von Altersfalten
1.2.6 Spezielle Techniken Zu den besonderen Behandlungstechniken gehören die Fettsaugung, die Gewebeexpansion, die Hautschleifung, chemical peels und Laser-Anwendungen. Mit Hilfe der Fettsaugung werden umschriebene, von Diät und Training nicht beeinflußbare Fettpolster reduziert. Voraussetzungen sind eine gute Hautelastizität, spezielle lange Kanülen von 1,5-6 mm Durchmesser und ein durch große Spritzen oder eine Pumpe erzeugtes Vakuum. Die Gewebeexpansion wird benutzt bei nicht primär verschließbaren Hautdefekten zur schrittweisen Beseitigung von Verbrennungsnarbenflächen, Alopezien, großen Tierfellnaevie und zur Brustrekonstruktion nach Amputation. Dazu werden Silikonballons unterschiedlicher Form subkutan oder retromuskulär implantiert und schrittweise über deren subkutan liegende und tastbaren integrierten oder Distanzventile mit Kochsalzlösung gefüllt, bis ein ausreichender Gewebsüberschuß zur Ausbreitung gewonnen wurde. Die Dermabrasion ist angezeigt bei feinen Hautfalten z.B. perioral, Akneund Unfallnarben und oberflächlichen Tätowierungen. Der über Druckluft oder Motor angetriebene Schleifkopf soll wenigstens mit 12000 Umdrehungen/min rotieren. Chemical peels mit Phenol oder Trichloressigsäure haben ihre Indikation in der Behandlung der feinen Gesichtsfalten und irregulären Hauthyperpigmentierungen wie z.B. beim Chloasma. Laser-Licht, monochromatisch, cohärent und in seiner Wellenlänge abhängig von der Laserquelle, macht u. a. die Behandlung von Pigmentnaevi wie dem Naevus flammeus, Telangiektasien, kapillären Hämangiomen oder Tätowierungen möglich. Dazu werden vorwiegend Argon- oder C 0 2 Laser benutzt, mit denen auch virus-, pilz- oder bakterieninfizierte Wunden sterilisiert werden können.
Fettsaugung: häufigst angewandte Methode in der ästhetischen Chirurgie zur Korrektur der Körperkonturen Gewebeexpansion zur Beseitigung flächiger Narben oder größerer Naevi und Brustrekonstruktion nach Amputation
Dermabrasio elektrische Hautschleifung zur Behandlung erhabener Narben und feiner Hautfalten Chemical peels zur ästhetischen Korrektur feiner Gesichtsfalten Laser zur Behandlung von Pigmentnaevi, intrakutaner Gefäßveränderungen und Tätowierungen
44. Unfallchirurgie
Thoraxverletzungen
1. Thoraxverletzungen J. Boese-Landgraf, L. C. Tung
Häufige Verletzung bei Polytraumen
Verletzungsarten - stumpfe Thoraxtraumen - offene Thoraxtraumen
Allgemeine Symptome, Diagnostik, Erstmaßnahmen
Epidemiologie, Einteilung: Etwa 10 % aller Unfallverletzungen sind Thoraxtraumen. Mehr als 70% der Thoraxverletzten sind polytraumatisiert: bei rund V3 aller an Unfallfolgen gestorbenen Patienten ist die Thoraxverletzung direkte Todesursache. Thoraxverletzungen werden unterteilt in: • stumpfe Thoraxtraumen (Verletzung des Thoraxgerüstes bzw. der -organe ohne Eröffnung der umhüllenden Brustwand), • offene Thoraxtraumen (penetrierende bzw. perforierende Verletzungen). Leitsymptome sind: Thoraxschmerzen, Dyspnoe, obere Einflußstauung. Diagnostik und Akutversorgung s. Abb. 44.1-1.
Volumenmangel,
Stumpfes Thoraxtrauma
1.1 Stumpfes Thoraxtrauma
Ursachen - Impression - Kompression Dezeleration
Ätiologie. Die häufigste Ursache stumpfer Thoraxverletzungen sind Verkehrsunfälle, gefolgt von Betriebs- und häuslichen Unfällen. Dabei spielen Impressions- (z.B. Lenkradaufprall) und Kompressions- (z.B. Einklemmung) sowie Dezelerationsmechanismen (z.B. Absturz) die Hauptrolle. Die stumpfen Thoraxverletzungen werden organbezogen abgehandelt.
Sofortmaßnahmen (Abb.44.1-1)
Thoraxtrauma
Rö-Thorax Zusatzuntersuchungen CT-Thorax Angiographie Sonographie Bronchoskopie MDP/Kolonkontrasteinlauf Endoskopie Szintigraphie Konservative Behandlung Thoraxdrainage Abb.44.1-1: S o f o r t m a ß n a h m e n beim
Operation Thoraxtrauma
Thoraxverletzungen
883
1.1.1 Prellung, Quetschung Brustkorbprellung (Commotio thoracis): akute Atemnot, evtl. Herzrhythmusstörungen. Therapie: nur symptomatisch, Analgetika, evtl. Sauerstoffsonde und stationäre Beobachtung. Leichte Brustkorbquetschung (Contusio thoracis). Die stärkere Gewalteinwirkung hat neben Verletzungen der Brustwand in stärkerem Maße auch intrathorakal Organzerstörungen zur Folge (z.B. Parenchymzerreißung der Lunge, Myokardkontusion). Die Symptome sowie die Therapie ähneln denen der Brustkorbprellung. Stationäre Beobachtung erforderlich. Schwere Brustkorbquetschung (Perthes-Syndrom, Compressio thoracis). Bei einer starken Thoraxkompression führt ein reflektorischer Glottisverschluß (wie beim Valsava-Manöver) zu einer zusätzlichen massiven Erhöhung des intrathorakalen Drucks mit der Folge, daß das venöse Blut in die klappenlosen Venen von Kopf und Hals zurückgepreßt wird und dort petechiale Blutungen hervorruft. Symptome: blaurote Verfärbung des Kopfes und des Halses, neben petechialen Hautblutungen charakteristische subkonjunktivale Blutungen, Einblutungen in Retina, Glaskörper und Sehnerv mit evtl. Erblindung. Therapie: Behandlung bestehender Begleitverletzungen (Rippenserienfraktur, Hämatopneumothorax, Herzkontusion, Wirbelkörperfraktur).
1. Brustkorbprellung Akute Atemnot, evtl. Herzrhyhtmusstörungen Therapie: symptomatisch. Analgetika Evtl. Sauerstoffsonde Leichte Brustkorbquetschung Stationäre Beobachtung erforderlich Therapie: symptomatisch Schwere Brustkorbquetschung Folge: Erhöhung des intrathorakalen Druckes —> Zurückpressen des venösen Blutes in die klappenlosen Venen von Kopf und Hals —> petechiale Blutungen (Perthes-Syndrom) Symptome - blaurote Verfärbung von Kopf und Hals - petechiale Hautblutungen - subkonjunktivale Blutungen - Einblutung in: Retina, Glaskörper und Sehnerv möglich —»evtl. Erblindung Therapie Behandlung der Begleitverietzung, wie Pneumothorax, Herzkontusion etc.
1.1.2 Rippen-und Sternumfrakturen
2. Bippenfrakturen
Rippenfrakturen. Die häufigsten Frakturen finden sich an den Rippen VIX. Die ersten 3 Rippen sind durch den Schultergürtel weitgehend geschützt und frakturieren nur bei starker Gewalteinwirkung (z. B. Dezelerationstrauma), so daß sehr häufig eine Mitverletzung der supraaortalen Äste, der Aorta, des Bronchus, evtl. des Herzens sowie des Plexus brachialis in Betracht gezogen werden muß. Differentialdiagnose. Bei Fraktur der kaudalen Rippen stets auch an Verletzung von Milz, Leber und Zwerchfell denken! Bei einer Rippenserienfraktur sind mindestens 3 Rippen auf einer Thoraxseite gebrochen. Ein instabiler Thorax mit paradoxer Atmung ist häufig die Folge von Rippenserien-Stückfrakturen bzw. parasternalen Rippenserienfrakturen (Abb.44.1-2). Die gestörte Atemmechanik führt zur respiratorischen Insuffizienz.
stets auch an Verletzung von Milz, Leber und Zwerchfell denken
Abb. 44.1-2: a. Hauptformen des instabilen Thorax: vorderer Typ, lateralerTyp und Lokalisation der Sternumfrakturen, b. Instabiler Thorax mit paradoxer Atmung: Einziehung des Thoraxwanddefektes bei Inspiration, Verschiebung des Mediastinums zur gesunden Seite (oben), c. Entgegengesetztes Verhalten bei Exspiration (unten)
Folge der Rippenserienfraktur instabiler Thorax mit paradoxer Atmung respiratorische Insuffizienz -» Pneumonie
884
Symptome - Schmerz, Schonatmung - lokaler Druckschmerz - Thoraxkompressionsschmerz - Hautemphysem Diagnose - Röntgenthorax in 2 Ebenen - knöcherner Hemithorax - klinische Diagnose Therapie einfache Rippenfraktur: symptomatische Behandlung, Analgetika Bei respiratorischer Insuffizienz: - innerpneumatische Schienung durch PEEP-Beatmung - evtl. Bülau-Drainage In seltenen Fällen: - mechanische Thoraxwandstabilisierung 3. Sternumfraktur Seltene Fraktur, häufig mit Begleitverletzungen (Gefäße, Herz, Lunge etc.)
44. Unfallchirurgie Grundsätzlich müssen bei Rippenverletzungen immer Begleitverletzungen, wie Pneumothorax, Hämatothorax sowie Lungen- und Herzkontusion (EKG, Enzyme) ausgeschlossen werden. Symptome: Bei unkomplizierter Rippenfraktur steht der Schmerz im Vordergrund, ferner Schonatmung, lokaler Druckschmerz, Thoraxkompressionsschmerz sowie Hautemphysem. Diagnose: In erster Linie wird sie durch klinische Untersuchung gestellt. Eine Röntgenthoraxaufnahme (sog. knöcherner Hemithorax) in 2 E b e n e n m u ß jedoch stets durchgeführt werden. Therapie: Die einfache Rippenfraktur erfordert nur eine symptomatische Behandlung und kann ambulant erfolgen (Analgetika, interkostale Leitungsanästhesie). Knöcherne Konsolidierung in 4-6 Wochen. Atemabhängige Schmerzen führen zu Schonhaltung, mangelnder Blähung der Lungenalveolen, Sekretanschoppung und Pneumonie. Die Rippenserienfraktur sowie der instabile Thorax stellen keine prinzipielle Beatmungsindikation dar. Erst bei respiratorischer Insuffizienz kommt eine sog. innerpneumatische Schienung durch PEEP-Beatmung zur Anwendung, ggf. mit einer BülauDrainage (Gefahr eines Spannungspneumothorax durch Beatmung). In seltenen Fällen ist die operative Thoraxwandstabilisierung (Plattenosteosynthese) erforderlich. Sternumfrakturen sind seltener als Rippenfrakturen, jedoch häufiger mit inneren Thoraxverletzungen vergesellschaftet. Keine spezifischen Behandlungsmaßnahmen nötig, wenn die Fraktur nicht disloziert ist; sonst Stabilisierung mit Drahtnähten. Diagnostik und Therapie s. unter Rippenfraktur (Abb. 44.1-2).
1.1.3 Traumatischer Pneumo- und Hämatothorax 4. Traumatischer Pneumothorax
1.1.3.1 Traumatischer Pneumothorax
Folge von Thoraxverletzungen: Rippenfrakturen, Bronchusabriß, Brustwandverletzungen
Als Folge stumpfer und scharfer Thoraxverletzungen (Rippenfrakturen, Lungenriß, Bronchusabriß, Ösophagusverletzung, Brustwandverletzung) entsteht ein Pneumothorax, der zu lebensbedrohlichen respiratorischen und kardiozirkulatorischen Störungen führen kann.
Pathophysiologie • Luftansammlung in der Pleurahöhle, die bei Exspiration nicht ausreichend entweichen kann • Eindringen von Luft in die Gewebeschichten der Thoraxwand -» Haut- und Mediastinalemphysem
Pathophysiologie. Bei Verletzung der Lunge sinkt der intrapleurale Druck während der Inspiration unter den der Luftwege ab. Infolgedessen kommt es zu einer Luftansammlung in der Pleurahöhle, die bei der Exspiration nicht ausreichend entweichen kann. D e r intrapleurale Druck steigt an, die Lunge kollabiert. Ein Teil der Luft entweicht u.U. durch die zerrissene Pleura parietalis in die Gewebeschichten der Thoraxwand oder ins Mediastinum. Man findet dann ein Hautemphysem (Knistern der Subkutis bei der Palpation) oder ein Mediastinalemphysem, wobei die subkutane Luftansammlung das Gesicht, den Stamm und die Leistenregion erreichen kann. Man unterscheidet den geschlossenen, offenen und Ventil- oder Spannungspneumothorax.
Einteilung des Pneumothorax • geschlossener • offener und • Ventil- oder Spannungspneumothorax
Symptome und Diagnostik beim geschlossenen Pneumothorax s. Kap. 32, S. 360. a) Offener Pneumothorax Symptome und Diagnose • beim offenen Pneumothorax (Brustwandverletzung) —> Verbindung zwischen Pleuraraum und Außenwelt -» Mediastinalflattern: Mediastinalverschiebung zur gesunden Seite und zurück • Gefährdung - durch ungenügenden venösen Rückstrom (V.cavasuperior-Abknickung) und - durch „Pendelluft"
Offener Pneumothorax Symptome, Diagnose (Abb.44.1-3 a, b). Beim offenen Pneumothorax besteht als Folge einer Brustwandverletzung eine Verbindung zwischen Pleuraraum und der Außenwelt. Typisch ist Mediastinalflattern. Bei Inspiration wird das Mediastinum (negativer Druck im Pleuraspalt der unverletzten Thoraxhälfte) zur gesunden Seite verschoben. Bei Exspiration gleitet es wieder zur Gegenseite. Dieses Phänomen ist beim instabilen Thorax besonders ausgeprägt. D e r Patient ist durch die Behinderung des venösen Blutrückstroms zum Herzen hin (V. cava superior-Abknickung) und durch Pendelluft (sauerstoffarme Luft, die zwischen beiden Lungenhälften hin- und her pendelt) gefährdet (s. Abb. 44.1-4).
Thoraxverletzungen Therapie. Notfallmäßig muß die Thoraxwunde mit einem sterilen Verband abgedichtet oder (bei großer Wunde) operativ verschlossen werden. Ein Spannungspneumothorax wird durch Einlage einer Bülau-Drainage in die verletzte Pleurahöhle vermieden (Abb. 44.1-5).
Abb.44.1-3: Traumatischer Pneumothorax rechts (a), Hämatothorax bei Rippenserienfraktur rechts (b)
Abb.44.1-4: Offener Pneumothorax, a. Inspiration, b. Exspiration 1 Lungenkollaps, 2 Mediastinalflattern, 3 paradoxe Atmung der gesunden Thoraxseite
885 Therapie • Notverband oder operativer Wundverschluß Spannungspneumothorax durch Einlegen einer Bülau-Drainage vermeiden!
44. Unfallchirurgie
886 b) Venti!- oder Spannungspneumothorax
Ventil- oder Spannungspneumothorax
Lebensbedrohlicher Zustand
Er kann sowohl spontan als auch traumatisch auftreten. Es handelt sich um einen lebensbedrohlichen Zustand, dessen Erkennung und notfallmäßige Behandlung von jedem Arzt beherrscht werden muß.
Pathophysiologie Inspiration —» Luft dringt in Pleuraraum ein u. kann nicht entweichen Folge: Drucksteigerung in der Pleurahöhle mit V. cava-Kompression, Behinderung des venösen Rückstroms, Totalkollaps der verletzten Lunge, Mediastinalverdrängung Symptome: • Atemnot und Zyanose • Halsvenenstauung • Tachykardie • hypersonorer Klopfschall, kein Atemgeräusch Röntgenbefund • Pneumothorax mit Lungenkollaps • Zwerchfelltiefstand • Verdrängung des Mediastinums • verbreiterte Interkostalräume Therapie
Pathophysiologie. Bei Inspiration dringt über ein Leck in der Lunge mehr Luft in den Pleuraraum ein als entweichen kann. Dies führt mehr oder weniger rasch zu einer Drucksteigerung in der Pleurahöhle: Totalkollaps der Lunge, Kompression der V. cava superior und Mediastinalverdrängung zur gesunden Seite hin. Der venöse Blutrückstrom zum rechten Herzen wird erheblich behindert, was wiederum Auswirkungen auf die Hämodynamik hat. Symptome und Diagnose: Atemnot und Zyanose, Halsvenenstauung, Tachykardie, hypersonorer Klopfschall und Fehlen des Atemgeräusches. Röntgenologisch sind der Pneumothorax mit Lungenkollaps, Zwerchfelltiefstand, Verdrängung des Mediastinums und verbreiterte Interkostalräume zu erkennen und beweisend (Abb. 44.1-3 a). Therapie. Sofortige Entlastungspunktion im 3.^4. Interkostalraum der lateralen Thoraxlinie mit einer weitlumigen- oder einer Tiegel-Kanüle (s. Abb. 32-9, S. 363)! Damit kann Luft aus der Thoraxhöhle entweichen, der Überdruck wird beseitigt.
• Druckentlastung durch Bülau-Drainage • DD: dehnt sich die Lunge nicht aus —> an Bronchusabriß denken! Versorgung durch Op.
Die definitive Druckentlastung erfolgt durch eine Thoraxdrainage (s. Abb. 44.1-5). Dehnt sich die Lunge auch danach nicht aus oder verschlechtert sich sogar die Respiration (Bronchusabriß, ausgedehnte Parenchymoder auch Ösophagusverletzung) ist eine Notthorakotomie erforderlich.
5. Hämatothorax
1.1.3.2 Hämatothorax
Entstehung meist durch Rippenfraktur mit: - Zerreißung der Pleura - Läsion der Brustwandgefäße - Verletzung intrathorakaler Organe und Gefäße, des Zwerchfells Symptome: - Hypovolämie - abgeschwächtes Atemgeräusch - Klopfschallverkürzung Diagnose: Röntgenthorax: Verschattung der verletzten Seite, Mediastinalverschiebung - Sonographie: Flüssigkeitsnachweis Therapie: Schockbekämpfung, Thoraxdrainage Bei anhaltender Blutung: operative Blutstillung, Koagelausräumung
Entsteht durch Rippenfrakturen mit Zerreißung der Pleura parietalis, Läsion der Brustwandgefäße (Aa. intercostales, A.mammaria), BWK-Frakturen (Th 4—6), Verletzung intrathorakaler Organe (Herz, Lunge) und Gefäße (Aorta, V. cava, A. subclavia) sowie des Zwerchfells. Symptome: Klinische Zeichen der Hypovolämie, abgeschwächtes Atemgeräusch, Klopfschallverkürzung. Diagnose: Im Röntgenthorax Trübung bis Verschattung der verletzten Seite, Mediastinalverschiebung (Abb. 44.1-3 b). Sonographisch Nachweis auch von kleineren oder gekammerten Flüssigkeitsansammlungen. Differentialdiagnose: Lungenatelektase, Zwerchfellruptur.
6. Lungenverletzungen Kontusion häufigste Begleitverletzung beim stumpfen Thoraxtrauma. Hämorrhagische Durchsetzung des Lungenparenchyms Einfache Lungenkontusion vereinzelte Lungeneinblutung, keine respiratorische Insuffizienz. Keine spezielle Behandlung Schwere Lungenkontusion Ausgedehnte Hämorrhagien, interstitielles oder alveoläres Ödem durch Permeabilitätsstörung Diagnose: arterielle Blutgasanalyse Globalinsuffizienz. CT-Thorax Ausmaß der Lungenkontusion
Therapie: Schockbekämpfung, Thoraxdrainage in der mittleren oder hinteren Axillarlinie im 5. ICR (auch als diagnostische Maßnahme bei Verdacht auf Hämatothorax). Bei anhaltender Blutung sowie massivem Hämatom Thorakotomie zur Blutstillung und Ausräumung der Koagel (Gefahr der Infektion, Pleuraempyem, Fibrothorax mit Pleuraschwarte).
1.1.4 Verletzungen von Lunge, Trachea, Bronchien Lungenkontusion (Abb. 44.1-6): Häufigste Begleitverletzung des stumpfen Thoraxtraumas, gekennzeichnet durch hämorrhagische Durchsetzung des Lungenparenchyms. Man unterscheidet 2 Formen: • Einfache Lungenkontusion: Auftreten von lokalisierten hämorrhagischen Lungenbezirken ohne respiratorische Insuffizienz. Spezielle Behandlung nicht erforderlich. • Schwere Lungenkontusion: Neben der hämorrhagischen Durchsetzung des Lungenparenchyms kommt es durch eine Permeabilitätsänderung der Kapillarwand zu einem interstitiellen, teilweise auch alveolären Ödem (Vorsicht: Verschlechterung durch Infusion großer Mengen kristalloider Lösung!). Diagnose: Auf der Röntgenthoraxaufnahme (Abb. 44.1-6) ist initial häufig das Ausmaß der Kontusionierung nicht erkennbar; arterielle Blutgasanalyse
Thoraxverletzungen
887
(Globalinsuffizienz!). Im CT-Thorax ist der Schweregrad der Kontusion mit Verlaufskontrollen gut abschätzbar, ebenso mit der Bronchoskopie. Therapie: Intubation und PEEP-Beatmung, Aufrechterhaltung eines hohen intravasalen onkotischen Drucks (Humanalbumin) bei gleichzeitiger Flüssigkeitsrestriktion, Kortison in hohen Dosen, alle 6-8 Stunden dorsoventrale Wechsellagerung. Keine operative Therapie. Lungenparenchymzerreißung: Lungenlazeration oder -ruptur werden meist durch direkte Gewalteinwirkung oder perforierende Verletzungen verursacht. Eine Sonderform stellt die zentrale Ruptur dar, die sich in Form eines intrapulmonalen Hämatoms manifestiert. Symptome: Hämato- bzw. Pneumothorax, Hämoptoe bei zentraler Ruptur. Diagnose: Thorax-CT: Darstellung der Parenchymzerstörung. Therapie: Stets zuerst Thoraxdrainage, größere Lungeneinrisse mit anhaltendem Blut- und Gasverlust erfordern die operative Versorgung (Lungennaht, Segmentresektion oder Lobektomie). Verletzungen des Tracheobronchialsystems. Penetrierende Brustkorbverletzungen weisen in ca. 2% Verletzungen des Tracheobronchialsystems auf, häufig ist die Trachea betroffen. Stumpfe Thoraxtraumen führen nur in ca. 0,3-1,5% zu Rupturen der großen Luftwege, wobei bevorzugt die Hauptbronchien im Bereich der Bifurkation verletzt werden. Symptome: symptomlos bis lebensbedrohlich. Die klassische Trias Mediastinalemphysem, Pneumothorax und Atelektase fehlt häufig. Schwere Dyspnoe, Zyanose und Hämoptyse finden sich vor allem bei ausgedehnter Verletzung. Ein Hautemphysem im Bereich des Jugulums kann sich als Initialsymptom zeigen. Diagnose: Stets Verdacht bei Mediastinalemphysem, Atelektase und persistierendem Pneumothorax trotz Drainage (Abb. 44.1-7). Diagnose wird durch Bronchoskopie gesichert.
Bronchoskopie -> Festlegung des Schweregrades Therapie: Intubation und PEEP-Beatmung - Humanalbumin: Aufrechterhaltung eines hohen intravasalen Drucks, gleichzeitig: Flüssigkeitsrestriktion - hohe Dosen Kortison - dorso-ventrale Wechsellagerung - keine operative Therapie Lungenparenchymzerreißung Sonderform: zentrale Ruptur -> intrapulmonales Hämatom Symptome: Hämato- u. Pneumothorax Hämoptoe bei zentraler Ruptur Diagnostik: CT-Thorax Therapie: zuerst Thoraxdrainage, bei anhaltender Blutung: operative Versorgung (Lungennaht, Segmentresektion, Lobektomie) 7, Verletzungen des Tracheobronchialsystems Bei penetrierenden Traumen in 2% Verletzungen des Tracheobronchialbaumes, bei stumpfen nur in 0,3-1,5% Symptome: oft symptomlos, aber auch lebensbedrohliche Symptomatik (Abb. 44.1-7): - Dyspnoe, Zyanose, Hämoptyse Evtl. Initialsymptom: Hautemphysem Diagnose: Sicherung durch Bronchoskopie
B
Abb.44.1-6: Schwere Lungenkontusion mit zahlreichen, z.T. zusammenfließenden Herden
TracheaabriB | Pneumo-, Hämato-l Serothorax ? V Restriktion Pleura-^ I schwarte' Empyem
Ji.
Abb. 44.1-7: Trias bei Tracheobronchialverletzungen: 1 Mediastinalemphysem, 2 persistierender Pneumothorax trotz Drainage, 3 Atelektase
Trachea 'einriß [ Bronchusruptur j-^j-Br. -stenose Ätelektasen Pneumo Bronchiektasen , / Hämatothorax Br.-obstruktion Parenchymschrurnpfung Kont.Lungenkontusion pneuLungenruptur monie Hämafothorax
Abb.44.1-8: Prädilektionsstellen und Folgen von Thoraxtraumen
44. Unfallchirurgie
888 Therapie: Thoraxsaugdrainage, Mediastinotomie zur Entlastung Notoperation: Übernähung kleinerer Lungenrisse. Bei Bronchusabriß -> Bronchusnaht Komplikationen: - Narbenstenosen, Atelektasen - Bronchiektasen - abszedierende Pneumonien (Abb.44.1-8)
8. Verletzungen des Ösophagus
Therapie: Intubation, Thoraxsaugdrainage; bei ausgeprägtem Mediastinalemphysem Mediastinotomie zur Entlastung. Als verzögerte Notoperation sollte bei kleineren Lungenrissen die Übernähung erfolgen. Bronchusabriß: absolute Op.-Indikation mit Bronchusnaht. Komplikationen: Übersehene Bronchusläsionen bzw. -abrisse haben Narbenstenosen, Atelektasen, Bronchiektasen und abszedierende Pneumonien zur Folge (Abb. 44.1-8). Stets operative Korrektur indiziert (Bronchusresektion mit End-zu-End-Anastomose, Lobektomie oder Pneumonektomie bei chronischen Infektzeichen).
1.1.5 Verletzungen des Ösophagus
Symptomatik, Diagnostik und Therapie wie bei Ösophagusperforation anderer Genese (s. S.497)
Läsionen des Ösophagus beim Thoraxtrauma sind sehr selten. Während bei Schußund Stichverletzungen bevorzugt der zervikale Anteil in Mitleidenschaft gezogen wird, liegt die Rupturstelle beim stumpfen Trauma kardianahe. Die Symptomatik, Diagnostik und Therapie entspricht dem Vorgehen bei Ösophagusperforationen anderer Genese (s. S.497).
Ösophagotracheale Fistel Verletzung beim stumpfem Thoraxtrauma. Luft- und Speiseröhre werden gegen die Wirbelsäule gepreßt -> Drucksteigerung in der Trachea —> Einriß der Luftröhre Quetschung der Ösophaguswand —> Folge: Wandnekrose, ösophago-tracheale Fistel Symptome: starker Hustenreiz, Hautemphysem - Hämoptyse Aspirationspneumonie Diagnose: Fistelnachweis durch Bronchoskopie, Ösophagoskopie, Ösophagog r a m m (Gastrografin) Therapie: operativer Defektverschluß
Ösophagotracheale Fistel: seltene Verletzungsfolge nach schwerem, stumpfen Thoraxtrauma. Luft- und Speiseröhre werden durch Schleuderkräfte gegen die Wirbelsäule gepreßt. Infolge der Drucksteigerung in der Trachea bei geschlossener Glottis reißt die Luftröhre an der Pars membranacea etwa 1 2 cm ein. Dabei wird gleichzeitig die Ösophaguswand zwischen Trachea und Wirbelsäule gequetscht. Nach etwa 3-7 Tagen entsteht auf dem Boden einer Wandnekrose eine ösophagotracheale Fistel. Symptome: starker Hustenreiz vor allem beim Essen, Hautemphysem oder Hämoptyse. Folge ist eine Aspirationspneumonie. Diagnose: Fistelnachweis durch Bronchoskopie, Ösophagoskopie oder Ösophagogramm (wasserlösliches Kontrastmittel!). Therapie: Frühzeitige operative Beseitigung des Defekts an Ösophagus und Trachea. Verletzungen des Herzens und der großen Gefäße (s. Kap. 33, S. 424,428) Traumatische Zwerchfellrupturen (s. S. 358)
Offenes Thoraxtrauma in Friedenszeiten selten: Stich-, Schuß-, Pfählungs-, Explosionsverletzungen Diagnose: äußere Wunde Verletzung intrathorakaler Organe —> Pneumothorax, Blutung Therapie: nach Richtlinien der chirurgischen Wundbehandlung evtl. Thorakotomie
Zweihöhlenverietzungen stumpfes Thoraxtrauma kombiniert mit Abdominaltrauma -» 20%. Erhöhte Letalität-40%
Therapie: Bülau-Drainage; Thorakotomie, evtl. mit Eröffnung des Zwerchfells zur Inspektion des Abdomens, evtl. Milzexstirpation/ Lebernaht. Bei gleichzeitiger operativer Behandlung von Abdomen und Thorax: 2 getrennte Inzisionen
1.2 O f f e n e s T h o r a x t r a u m a , Z w e i h ö h l e n v e r l e t z u n g e n Offene Thoraxverletzungen (Stich-, Schuß-, Hieb- und Pfählungsverletzungen) sind in Friedenszeiten zehnmal seltener als stumpfe. „Blast injuries" (sog. Explosionsverletzungen) trifft man fast nur in Kriegszeiten oder bei Terroranschlägen an. Die penetrierenden Verletzungen haben als gemeinsames Merkmal die äußerlich erkennbare Wunde, deren Form abhängig ist vom eingedrungenen Fremdkörper (Geschoßkugel, Messerklinge usw.). Ihre klinische Relevanz ist in erster Linie bedingt durch die begleitenden intrathorakalen Organverletzungen (s.o.). Die offenen Weichteilverletzungen der Thoraxwand werden nach den allgemeinen Richtlinien der chirurgischen Wundbehandlung versorgt. Zweihöhlenverletzungen (s. Kap. 44/2, S. 898). Stumpfe Thoraxtraumen sind in ca. 2 0 % mit Abdominaltraumen vergesellschaftet. Diese Kombination erhöht die Letalität auf ca. 40 %. Operativ anzugehende Zweihöhlenverietzungen liegen bei 10 % aller Thoraxtraumen vor. Da die Schwere der Verletzung nach Einlage einer Bülau-Drainage in der Regel gut kontrollierbar ist, sollte bei positiver Abdominallavage zuerst der Bauchraum revidiert werden. Erfordert jedoch die Thoraxverletzung eine sofortige Intervention, so kann über eine Eröffnung des Zwerchfells das Abdomen inspiziert werden, ggf. eine Milzexstirpation oder Lebernaht durchgeführt werden. Müssen Abdomen und Thorax gleichzeitig operativ angegangen werden, so sollte es über 2 getrennte Inzisionen erfolgen (andernfalls Gefahr der Infektverschleppung vom Bauchraum in den Thorax).
Abdominalverletzungen
2. Abdominalverletzungen
889 AbdominalveHetzungen
K. Hager Abdominalverletzungen finden sich nur in 2-4% aller stationär behandelten Unfallverletzten. Trotzdem sind sie wegen ihrer diagnostischen und therapeutischen Probleme für den Chirurgen von großer Bedeutung. Sie können entweder durch stumpfe oder perforierende Gewalteinwirkung entstehen, gelegentlich auch durch Kombination beider Verletzungsarten.
Häufigkeit: 2-4% der stationär behandelten Unfallverletzten
Gesellschaftliche Aspekte wie z.B. Verkehrsdichte, Urbanisierung, Regelung des Schußwaffenbesitzes und psychosoziale Strukturen (Suizidrate, Alkoholismus, Arbeitsabläufe) spielen in der Häufigkeit und Verteilung der Verletzungsmuster eine wesentliche Rolle. Die unterschiedlichen Formen der einwirkenden Gewalt bedingen auch unterschiedliche Verletzungen am direkten Ort des Kontakts mit der Bauchwand. Beim stumpfen Trauma ist häufig keine Verletzung der Bauchdecke sichtbar. Man sieht eventuell nur Prellmarken. Bei spitzer und scharfer Gewalteinwirkung dagegen sind die Bauchdecken deutlich sichtbar verletzt, wenn auch in unterschiedlicher Tiefe.
Entstehung durch stumpfe oder perforierende Gewalteinwirkung Verteilung der Verletzungsmuster sind abhängig von Verkehrsdichte, Urbanisierung, Schußwaffenbesitz, Arbeitsabläufe, psychosozialen Strukturen
Im Gegensatz zur USA (~ 80 % penetrierende Abdominalverletzungen!) überwiegen in europäischen Ländern die stumpfen Abdominaltraumen durch Verkehrsunfälle. Bei diesen Patienten handelt es sich häufig um Mehrfachverletzte (25-30%, s. auch Kap.44.6, S.1005).
in Europa überwiegen stumpfe Abdominaltraumen durch Verkehrsunfälle in 25-30% Polytraumen
Besonderheiten für die Versorgung. In der Klinik muß die Versorgung des Verletzten synchron erfolgen: Anästhesie, Chirurgie und Unfallchirurgie sowie Spezialdisziplinen (Neurochirurgie, Kiefer-Gesichtschirurgie, Urologie etc.). Verantwortlich für die Koordination der Abläufe - Diagnostik, primäre Versorgung und operative Planung - sollte ein Chirurg sein. Er muß sich einen raschen Überblick über Ausmaß und Schwere der Verletzungen verschaffen, um die richtigen Weichen stellen zu können. Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob der Patient primär beatmet oder nicht beatmet ist. Beim intubierten Patienten ist die klinische Symptomatik nicht zu erfragen. Damit erhalten apparative diagnostische Maßnahmen eine stärkere Wertigkeit.
Versorgungsstrategie in der Klinik: • parallel durch unterschiedliche Disziplinen: Anästhesie, Chirurgie, Neurochirurgie, Kiefer-Gesichtschirurgie, Urologie etc. • Koordination der Maßnahmen durch einen Chirurgen
2.1 S t u m p f e s Bauchtrauma
1. Stumpfes Bauchtrauma
Pathogenese. Aus genauen Angaben zum Unfallhergang lassen sich typische Verletzungsmuster ableiten, z. B.: War der Patient am Unfallort primär ansprechbar oder bewußtlos? Gab es Unfalltote? Verdacht auf eine Kohlenmonoxidvergiftung bei Bränden? War der Patient eingeklemmt?, u. a.
Angaben zum Unfallhergang sind wichtig -»Hinweis auf häufigste Verletzungsmuster
Häufigste Ursachen sind direkte Anpralltraumen (Verkehrsunfall, Scherkraft des Sicherheitsgurtes, Sturz auf Fahrradlenker besonders bei Kindern, Rückschlagtrauma an Maschinen etc.), die zu einer Druckerhöhung im Bauchraum führen. Infolgedessen kommt es hauptsächlich zu Kapsel- und Gewebeeinrissen parenchymatöser Organe, seltener zur Berstung von Hohlorganen (Magen, Darm, Blase) oder der Abdominalhöhle selbst mit Zwerchfellruptur. Die Gewalt auf das Abdomen kann auch als Dezelerationstrauma einwirken (z.B. Sturz aus großer Höhe oder Hochgeschwindigkeitsunfälle. Hierbei sind die Abdominalorgane besonders im Bereich ihrer Aufhängung und ihres Gefäßstiels gefährdet. Selten sind Verletzungen durch Explosionsdruckwellen in der Luft oder unter Wasser, die Thorax und Abdomen gleichermaßen kontusionieren können. Abdominalorgane werden mit abnehmender Häufigkeit verletzt: Milz (25%) -» Leber (15%) —> Mesenterium und Retroperitoneum (13%) -» Nieren (12%) —> Dünndarm, Harnblase, Pankreas, Gallenwege, Duodenum, Dickdarm, Gefäße, Zwerchfell, selten Magen. Bei tödlichen Bauchtraumen findet sich in Sektionsstatistiken die Leberverletzung an erster Stelle. Die häufigsten Begleitverletzungen sind Schädelhirn- sowie Thoraxtraumen.
Häufigste Ursachen sind direkte Anpralltraumen —> Verkehrsunfälle, Sturz auf Fahrradlenker, Rückschlag an Maschinen, Sicherheitsgurteffekt
Verletzungshäufigkeit: • Milz-25% • Leber-15% • Mesenterium ~ 13% • Nieren-12%
890 Häufigste Begleitverletzungen sind Schädelhirn- und Thoraxverletzungen
44. Unfallchirurgie Bei Bewußtlosen mit Schädelhirntrauma und hypovolämischem Schock ist eine intraabdominelle und intrathorakale Verletzung auszuschließen. Bei Abdominalverletzung darf ein schweres Thoraxtrauma, das oftmals einer dringenden Intervention (Bülau-Drainage, Operation) bedarf, nicht übersehen werden.
2.1.1 Symptome und Diagnose Symptomatik Zu klären sind folgende Fragen: 1. Muß sofort laparotomiert werden? 2. Hämorrhagischer Schock: Ursache? 3. Begleitverletzungen?
Symptome. Folgende Fragen müssen sofort geklärt werden: • Liegt eine vitale Gefährdung vor, die sofort zur Laparotomie zwingt? • Liegt ein hämorrhagischer Schock vor, dessen Ursachen geklärt werden müssen? • Liegt ein isoliertes Abdominal- oder ein Polytrauma vor?
Sicherung der Vitalfunktionen hat oberste Priorität! Bei Schädelhirntrauma Abdominal- und Thoraxverletzung ausschließen!
Die Sicherung der Vitalfunktionen hat oberste Priorität (Kapitel 44.6, S. 1007): • Beim Verletzten müssen dokumentiert werden: Herzkreislauf- und Atmungsfunktion, Bewußtseinslage, neurologischer Status (Pupillenweite und Reaktion). Der hämorrhagische Schock (s. a. Kap. 21, S. 193) ist gekennzeichnet durch: • Tachykardie, Hypotension (Schockindex T), feucht-kalte, blasse bis marmorierte Haut, motorische Unruhe, Bewußtseinstrübung.
Zeichen des hämorrhagischen Schocks: • Herzfrequenz?, Blutdrucki • Blässe • Bewußtsein 4-, Unruhe Beim Hämoperitoneum kann durch Vagusreiz die Pulsfrequenz niedrig sein! Symptome eines Akuten Abdomens beim ansprechbaren Patienten: • Spontanschmerz • Druck- und Loslaßschmerz, Abwehrspannung, fehlende Peristaltik • Übelkeit und Erbrechen Weitere wegweisende klinische Symptome • Schulterschmerz, Instabilität • Prellmarken • Hämaturie, Blutungen nach außen Verlaufskontrolle der Vitalparameter unerläßlich! Patient nüchtern lassen!
Praxishinweis: Beim Hämoperitoneum kann infolge vagaler Reize die Pulsfrequenz niedrig sein! Beim wachen Patienten sind Symptome eines Akuten Abdomens zu erwarten, die beim beatmeten Patienten fehlen: Spontan-, Druck- und Loslaßschmerz sowie Abwehrspannung des Abdomens, verminderte bis fehlende Darmperistaltik, Übelkeit, Erbrechen. Weitere klinische Symptome können wegweisend sein: • Schulterschmerz (Kehr-Zeichen, Reizung des N.phrenicus), • Prellmarken des Abdomens, • Instabilität von Thorax, Becken oder Extremitäten, • Hämaturie, insbesondere bei Beckenfrakturen (Dauerkatheter legen!), • Blutungen aus Körperöffnungen sind richtungsweisend für die weitere Diagnostik. Der Patient sollte während der Verlaufsbeobachtung auf einer Wach- oder Intensivstation nüchtern bleiben, um notwendige Interventionen (Intubation, Operation) nicht zu komplizieren.
Diagnostik J e schwerer die Verletzung, umso kürzer die Diagnostik • Inspektion und Untersuchung richtungsweisend • Röntgen-Thorax, Abdomenleeraufnahme im Stehen oder in linker Seitenlage, freie Luft?
Diagnostik (Abb. 44.2-1). Je schwerer die Verletzung, desto rascher sollte die Diagnostik ablaufen. • Inspektion und klinische Untersuchung (Auskultation, Perkussion und Palpation des Thorax und Abdomens) des komplett entkleideten Verletzten sind die Basis. • Eine Röntgen-Thoraxaufnahme dient der Beurteilung von Thoraxverletzungen - Pneumo- oder Hämatothorax - , der Struktur des Lungenparenchyms (Kontusion, intrapulmonale Blutung), eines Haut- oder Weichteilemphysems, der Herzkonturen und zentralen Gefäße sowie des Skeletts. • Die Abdomenleeraufnahme vermag Hinweise auf eine Hohlorganperforation zu geben. Das Fehlen „freier Luft" schließt diese aber nicht sicher aus!
• Sonographie: - freie Flüssigkeit im Abdomen nachweisbar? - gezielte Punktion von Flüssigkeiten im Herzbeutel, Thorax - Nachteil: unzuverlässig bei Hohlorganperforation
• Die Sonographie ist die zentrale diagnostisch wegweisende Untersuchungsmethode und auch zur Verlaufsbeobachtung geeignet. Flüssigkeitsmengen ab ca. 100 ml werden erkannt. Am liegenden Patienten entspricht 1 cm Flüssigkeitssaum je Winkel einer Menge von ~ 200 ml. Verletzung parenchymatöser Organe und intraabdominelle Blutungen werden zuverlässig erfaßt. Außerdem können Herzbeutel- und Thoraxergüsse sicher diagnostiziert und die Flüssigkeitsansammlung, sonographisch gesteuert punktiert
Abdominalverletzungen
Abb.44.2-1: Diagnostik beim stumpfen
891
Bauchtrauma
werden. Problematisch ist die Erfassung von Hohlorganrupturen; sie entgehen meist dem sonographischen Nachweis.
Die Notfallsonographie ist mit wenigen „Standardschnitten" in 2-5 Minuten durchzuführen. Die Grenzen der Sonographie liegen in der Erfahrung des Untersuchers und in den klinischen Untersuchungsbedingungen. Geringe Flüssigkeitsmengen im Abdomen oder ein Hämatom in einem parenchymatösen Organ erfordern die Überwachung auf einer Intensivstation unter wiederholter sonographischer Kontrolle. • Laparotomie. Bei aktiver Blutung, kreislaufinstabilem Patienten oder sonographisch nachweisbarer massiver Flüssigkeitsansammlung im Abdomen ist zu laparotomieren! • Die Peritoneallavage zur Akutdiagnostik wurde in den letzten Jahren durch die Sonographie nahezu verdrängt. Ihr Vorteil liegt in der besseren Diagnostik bei Verletzungen des Magen-Darm-Traktes (Trübung der Spüllösung) und des Pankreas (Amylase) sowie im Nachweis von Gallenflüssigkeit (Bilirubin) in der Spüllösung. Technik: Nach Harnblasenentleerung wird das Abdomen in der Mittellinie, etwa 3 cm unterhalb des Nabels, mit einem Trokar punktiert und ein Peritonealdialysekatheter eingeführt. Über diesen kann intraabdominale Flüssigkeit ablaufen und die Spülung des Abdomens mit Ringer-Lösung vorgenommen werden. Die Nachteile der Lavage gegenüber der Sonographie sind: Organzuordnung nicht möglich, eingeschränkte Verlaufskontrolle, kontraindiziert bei Schwangerschaft und vorausgegangenen Laparotomien (Verwachsungen!), invasives Verfahren mit Komplikationsmöglichkeiten.
• Die diagnostische videoassistierte Laparoskopie (s. S.265) ist zulässig, wenn eine massive intraabdominelle Blutung ausgeschlossen und der Patient kreislaufstabil ist. Verletzungen von Organen können gut zugeordnet und selbst das Pankreas nach Eröffnung der Bursa omentalis beurteilt werden. Kleinere Verletzungen lassen sich auch laparoskopisch versorgen (s. M I C S.265). Noch ist aber der Stellenwert der Laparoskopie bei der Abdominalverletzung nicht endgültig gesichert.
- Notfallsonographie rasch durchzuführen! Bei aktiver Blutung und kreislaufinstabilem Patienten Laparotomie Bei Hämatomen in parenchymatösen Organen und stabilem Kreislauf ist abwartendes Verhalten unter Verlaufskontrollen möglich
• Peritoneallavage durch Sonographie weitgehend verdrängt Vorteil: bessere Aussage bei Verletzung von Hohlorganen. (Qualität des Spülwassers ->Trübung)
Nachteile: Organzuordnung nicht möglich, Verlaufskontrolle eingeschränkt, kontraindiziert bei Schwangerschaft und nach früheren Laparotomien, invasiv und nicht ohne Komplikationen • Diagnostische videoassistierte Laparoskopie - Voraussetzung: keine massive Blutung, Kreislauf ist stabil - Vorteile: Verletzungen sind den einzelnen Organen gut zuzuordnen!
892
44. Unfallchirurgie Laboruntersuchungen Blutbild wichtig für die Verlaufskontrolle bei einer Blutung Leukozytose typisch bei Milzverletzung bei Pankreasverletzungen sind Lipase und a-Amylase erhöht Transaminasen unspezifisch Laktat bei Darmischämie erhöht CT: nur bei kreislaufstabilem Patienten durchführen! Vorteile: sichere Organzuordnung, Abklärung anderer Organe (Schädel, Skelett, Becken, Thorax) gleichzeitig möglich Nachteil: lange Untersuchungsdauer
• Angiographie - Diagnostik bei retroperitonealen Blutungen (z. B. Niere) - Zur Blutstillung —> Embolisation von Blutgefäßen • Weitere spezielle Diagnostik: - Urogramm, Röntgen-Skelett - (MRT) Differentialdiagnose • Bauchwandhämatom • retroperitoneale Hämatome bei Wirbelsäulen- oder Beckenfrakturen • Schmerzfortleitung bei Rippenbrüchen Symptome können bei Darm- oder Pankreasverletzungen erst nach 1-2 Tagen auftreten
• Labor. Das Blutbild ist ein wichtiger Indikator f ü r die Verlaufsbeobachtung und Aktivitätsbeurteilung einer intraabdominalen Blutung. Bei der Milzverletzung ist eine Leukozytose typisch, die aber auch bei Mehrfachverletzten ohne Milzbeteiligung vorhanden sein kann. Bei einer Pankreasverletzung ist ein Anstieg der Amylase bzw. Lipase nachweisbar, allerdings ohne Korrelation zur Schwere der Verletzung. Ein Anstieg der Transaminasen ist oft unspezifisch und weist nicht unbedingt auf eine Leberverletzung hin. Der Laktatspiegel ist bei mesenterialen Durchblutungsstörungen erhöht und ein wichtiger Indikator für die Verlaufsbeobachtung. • Die C T kann bei kreislaufstabilen Patienten für eine weiterführende Diagnostik eingesetzt werden. Sie gestattet eine sichere Organzuordnung der Verletzungen, läßt Hämatome, Blutungen und nach Kontrastmittelapplikation auch Durchblutungsstörungen an Organen (z.B. Verletzung des Nierengefäßstiels) erkennen. Bei entsprechendem Verdacht können im gleichen Untersuchungsgang Verletzungen anderer Bereiche abgeklärt werden (Schädel, ZNS, Skelett, Becken und Thorax). D e r Zeitaufwand durch Transport und Dauer der Untersuchung kann jedoch nachteilig sein. • Eine selektive Angiographie ist nur selten indiziert. Sie kann evtl. zur Stillung (Embolisation) retroperitonealer Blutungen eingesetzt werden, zumal solche Blutungen chirurgisch schwer beherrschbar sein können. Je nach Verletzungssituation können • Weitere Techniken erforderlich werden: i. v.-Urogramm, Skelett-Spezialaufnahmen, M R T (günstig bei Verletzungen im Becken- und Retroperitonealbereich und des Pankreas). Differentialdiagnose. Das A k u t e A b d o m e n kann vorgetäuscht sein durch: Bauchwand-, retroperitoneale H ä m a t o m e bei Wirbelsäulen- oder Beckenfrakturen oder fortgeleitete Schmerzen bei Rippenbrüchen. Praxishinweis. Oft fehlt initial eine abdominelle Symptomatik bei Verletzungen des Darmes oder des Pankreas. Bisweilen treten Beschwerden erst nach einer Latenz von 1 - 3 Tagen auf. Werden die Verletzungen zu spät versorgt, steigt die Letalität. Beim stumpfen Bauchtrauma ist auch mit sekundären Gewebeschäden oder Blutungen zu rechnen (z.B. zweizeitige Milzruptur, mesenteriale Durchblutungsstörungen).
Therapie beim stumpfen Bauchtrauma
2.1.2 Therapie, Prognose
Absolute Operationsindikationen
Therapie. Bei der Bauch Verletzung bestehen folgende absolute Operationsindikationen: • aktive und ausgedehnte intraabdominelle Blutung, Berstung eines Hohlorgans und Peritonitis • über Tage bestehender posttraumatischer paralytischer Ileus (z.B. Mesenterialeinriß, okkulte Darmverletzung) und • perforierende Bauchverletzung. Eine Probelaparotomie gefährdet den Verletzten weniger als das Übersehen einer Verletzung und ist bei unklarer Situation eine Alternative. Prognose und Letalität abdomineller Verletzungen sind abhängig von:
Prognose Für die Beurteilung sind wichtig
• Ausmaß und Dauer des hämorrhagischen Schocks sowie der Zeit bis zur definitiven Versorgung • den Begleiterkrankungen (Diabetes, Adipositas, K H K etc.) Letalität beim Bauchtrauma • beim isolierten Bauchtrauma - 10% • beim Polytrauma ~ 3 0 % • bei Kombination mit einem Thoraxoder Schädelhirntrauma ~ 30-40% Die Frühletalität ist abhängig von Ausmaß und Dauereines Blutungsschocks. Die Spätletalität wird beeinflußt durch Multiorganversagen und Sepsis
Die Letalität liegt beim isolierten Abdominaltrauma um 10%, beim Polytrauma um 30 % oder bei der Kombination mit einem Thorax- oder Schädelhirntrauma bei 30-40 %. Die Frühletalität wird durch Blutverlust, D a u e r und Ausmaß eines hämorrhagischen Schocks und Intervall zwischen Unfall und definitiver medizinischer Versorgung vital bedrohlicher Verletzungen bestimmt. Die Spätletalität wird durch die Folgen eines hämorrhagischen Schocks, d. h. Multiorganversagen oder Sepsis beeinflußt.
Abdominalverletzungen
893
Abb. 44.2-3: Klinische und röntgenologische Zeichen der Milzruptur. 1. Phrenikusreizung (Schulterschmerz), 2. Zwerchfellhochstand, 3. Druckschmerz, 4. Flankendämpfung, 5. kaudale Verdrängung der linken Kolonflexur, 6. mediale Verdrängung des Magens, 7. Dämpfung im linken Oberbauch (n. Th. Karavias 1982)
Abb. 44.2-2: Verletzungsmechanismus bei Milzruptur. Die Einrisse verlaufen quer zur Längsachse des Organs
2.1.3 Verletzungen von Abdominalorganen 2.1.3.1 Zwerchfellverletzung (s. Kap.32, S.358) 2.1.3.2 M i l z v e r l e t z u n g (s. auch Kap.36, S.719)
Milzverletzung
Trotz der relativ geschützten Lage der Milz hinter dem Rippenbogen ( 9 11. Rippe) wird sie bei stumpfen Abdominaltraumen am häufigsten verletzt. Aufgrund ihrer Form und ihrer ligamentären Verbindungen zu Zwerchfell und Kolon kommt es bei Gewalteinwirkung auf das Abdomen zu einer Verformung der Milz mit Annäherung ihres oberen und unteren Pols. Infolgedessen verläuft die Milzruptur quer zur Längsachse des Organs (Abb. 44.2-2). Die 3 häufigsten Verletzungskombinationen sind: Milzverletzung plus linksseitige Rippenfrakturen, plus Leberverletzung, plus Zwerchfellruptur links (schwer zu diagnostizieren!). Verletzungsformen: einzeitige Ruptur (partiell oder komplett), subkapsuläres Hämatom, zweizeitige Milzruptur (Klassifikation der Milzverletzungen). Symptome: hämorrhagischer Schock, linksseitiger Oberbauch- bzw. Flankenschmerz, Schulterschmerz (Kehr-Zeichen), Zwerchfellhochstand links. Diagnostik (Abb. 44.2-3): Palpation: Druckschmerz und Peritonismus (nicht spezifisch), Sonographie: Zeichen: freie Flüssigkeit, Ruptur, Kapselriß oder subkapsuläres Hämatom, Laboruntersuchungen: Hb-Abfall, Leukozytose >20000.
Trotz ihrer geschützten Lage wird die Milz beim Bauchtrauma am häufigsten verletzt Milzruptur verläuft meist quer zur Längsachse des Organs
Therapie. Bei einer Ruptur sofortige Laparotomie: Die ist die sicherste und häufigste Versorgungsart.
Splenektomie
Milzerhaltende Verfahren:
• Vorgehen bei partieller Ruptur: Polresektion, Kapselnaht, Fibrinklebung, Hämostyptika, Vicrylnetz, Infrarot- oder Laserkoagulation • Bei Kindern möglichst Erhaltung der Milz anstreben (OPSI-Syndrom!) • Subkapsuläre Hämatome und kleinere Kapseleinrisse erlauben bei Hb- und RRstabilem Patienten eine Verlaufsbeobachtung mit klinischer und sonographischer Kontrolle. Da bis zum 7. Tag die meisten Sekundär-Rupturen auftreten, ist eine Beobachtung mindestens für 10 Tage notwendig. Komplikationen nach Verletzung oder postoperativ sind: • Nachblutung und Postsplenektomiesepsis, OPSI-Syndrom (vor allem bei Kindern foudroyant verlaufende Pneumokokkensepsis) • linksseitiger Pleuraerguß, basale Pneumonie, subphrenischer Abszeß • erhöhte Thromboseneigung durch Thrombozytose • selten Pankreasfistel bei Verletzung des Pankreasschwanzes und posttraumatische Milzzyste.
3 Verletzungskombinationen: - Rippenfrakturen - Leberverletzung - Zwerchfellruptur 3 Verletzungsformen: • einzeitige Ruptur, partiell oder komplett • subkapsuläres Hämatom • zweizeitige Ruptur Symptomatik: - Volumenmangelschock - Schmerzen - Zwerchfellhochstand Diagnostik: • Palpation, Sonographie, Labor Therapie • Splenektomie • milzerhaltende Techniken Wegen zweizeitiger Milzruptur, die nach einer Woche eintreten kann, ist sicherheitshalber eine Verlaufskontrolle für mindestens 10Tage notwendig!
Komplikationen: • Blutung, OPSI-Syndrom • Pleuraerguß, Pneumonie, Abszeß • Thrombose
894
44. Unfallchirurgie
Prognose: bei der isolierten Milzverletzung ist gut; Letalität - 5 %
Prognose. Die isolierte Milzverletzung hat eine gute Prognose. Letalität - 5 %, allerdings abhängig vom Alter des Patienten und dem Ausmaß des Blutverlustes.
Leberverletzungen
2.1.3.3 Leberverletzungen (s. auch Kap.35/10, S.664)
A m zweithäufigsten nach der Milzverletzung. Der rechte Leberlappen ist mit 70% betroffen. Typische Begieitverletzungen sind Rippenfrakturen Verletzungsmöglichkeiten: - Contusio hepatis - komplette subkapsuläre und intrahepatische Ruptur - Abscherung der Leberkapsel Einteilung der Leberverletzungen in l-VI Schweregrade n. Moore
Bei stumpfer Gewalteinwirkung auf das Abdomen ist nach der Milz die Leber und ihr rechter Lappen mit 70 % am häufigsten betroffen. Als Begleitverletzung finden sich häufig rechtsseitige Rippenfrakturen. Starker Druck im Abdomen durch Anprall- oder Dezelerationstraumen kann zu schweren Verletzungen der Leber führen. Wir unterscheiden die: Contusio hepatis (ohne größeres Hämatom), die komplette, subkapsuläre und intrahepatische Ruptur und die Abscherung der Leberkapsel. Moore hat das Ausmaß der Leberverletzungen in I-VI Schweregrade eingeteilt, die die Prognose beeinflussen (s.Abb. 35.10-4, S. 665)! Bei isolierten Leberverletzungen beträgt die Letalität 5 - 1 0 % , beim polytraumatisierten Patienten jedoch 40-50 %. Symptome: hämorrhagischer Schock, Oberbauch- und rechtsseitiger Schulterschmerz, Peritonismus, Zwerchfellhochstand rechts. Diagnose: Kreislaufparameter, Hb-Ab fall, Leukozytose, Palpation: gespanntes Abdomen, Peritonismus, Sonographie: Hämaskos, Parenchymriß, subkapsuläres oder intrahepatisches Hämatom, CT zur Diagnosesicherung beim kreislaufstabilen Patienten. Therapie: Vorrangiges Ziel ist die Blutstillung und Infektionsprophylaxe! Bei geringer Blutung und stabilen Kreislaufverhältnissen kann abgewartet werden. Die Operation ist bei kreislaufwirksamer Blutung und Hb-Abfall angezeigt.
Symptome: - Voiumenmangelschock - Schmerzen, Peritonismus - Zwerchfellhochstand re. Diagnostik: - RR, Puls, Hb, Leukozyten - Palpation, Sonographie, CT Therapie Wichtige Ziele sind Blutstillung und Infektionsprophylaxe! • operative Verfahrenswahl: - Pringle-Manöver -> Drosselung des Lig hepatoduodenale zur temporären Unterbrechung der Blutzufuhr zur Leber (max. 30 min)
• -
Verletzungen des Schweregrades l-lll: Übernähung, Gefäßumstechung Fibrinklebung oder Verschorfung Tamponade mit Omentum majus oder Kollagenvlies - Leberresektion nur im Ausnahmefall • Schweregrade IV-VI: - „Packing" Kompression der Leber mit Bauchtüchern - Einrisse der Lebervenen oder suprahepatischen V.cava inf. haben meist infauste Prognose Komplikationen • Nachblutungen • Gerinnungsstörungen • Gallefistel, Leberabszeß • Hämobilie: Traumatisch bedingte Fistel zwischen Leberarterien und intrahepatischen Gallengängen und Blutung in die Gallenwege mit Melaena, Kolikschmerz, intermittierender Ikterus infolge Blutgerinnsel
• Bilhämie: traumatische Fistel zwischen einer intrahepatischen Lebervene und
Operative Verfahrenswahl: Zu beachten ist, daß durch Narkoseeinleitung die intraabdominelle Blutung verstärkt werden kann. Dies erklärt sich aus der Abnahme der Bauchdeckenspannung durch Muskelrelaxanzien und dem Anstieg des intrathorakalen und zentralen Venendruckes durch die Beatmung. Mit Hilfe des Pringle-Manövers (Anzügeln und Drosselung des Lig. hepatoduodenale) wird die Durchblutung der Leber reduziert (max. für 30 Minuten möglich). Jetzt kann die Versorgung der Leberverletzung blutungsärmer und übersichtlicher erfolgen. Verletzungen des Schweregrades I—III: • Übernähung und Gefäßumstechung, Fibrinklebung der Parenchymwunde oder Verschorfung mittels Infrarot- oder Laserkoagulation • Einbringen von Kollagenvlies oder biologische Tamponade mit Omentum majus • Leberresektion nur im Ausnahmefall (große Belastung für den Schwerverletzten). • Läsionen des Schweregrades IV-VI: Die temporäre Tamponade mit Kompressen bzw. Bauchtüchern (sog. Packing) wird bevorzugt (Abb. 44.2-4). Die Bauchtücher werden nach 3-5 Tagen entfernt. • Einrisse der Lebervenen oder der suprahepatischen V. cava inferior lassen sich wegen der Schwere der Blutung und des ungünstigen Zugangs meist nicht mehr beherrschen. Folgende Komplikationen können nach Leberverletzungen auftreten: • Nachblutungen, insbesondere infolge von Gerinnungsstörungen nach Massentransfusion oder Leberfunktionsstörungen, Gallefistel, Infektion von Leberparenchymnekrosen, -abszeß • Hämobilie: Sie entsteht durch Fistelbildung zwischen einer verletzten Leberarterie mit intrahepatischen Gallengängen. Klinisch findet man die Trias: Melaena, Koliken (Gerinnsel im Gallengang) und intermittierender Ikterus: Diagnosestellung durch E R C und Angiographie. Therapie: Gefäßumstechung oder Ligatur des entsprechenden Leberarterienastes, -resektion oder interventionelle radiologische Embolisation des kommunizierenden Arterienastes. • Bilhämie: Sehr seltene verletzungsbedingte Fistelverbindung zwischen einer Lebervene und intrahepatischen Gallengängen. Ein Teil der Galle fließt in das Nieder-
Abdominalverletzungen
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Abb. 44.2-4: Perihepatische Tamponade (packing): Bei schwerer Leberverletzung wird das Organ ringsherum mit Tamponaden oder Bauchtüchern komprimiert, die bei Blutungsstillstand nach 2-4 Tagen entfernt werden, 1 Leber, 2 Rupturstelle, 3 Bauchtücher, 4 Zwerchfell
drucksystem der Vene. Klinisch ist dies gekennzeichnet durch hohe Temperaturen und einen raschen, exzessiven Ikterus (Bilirubinwerte > 80 vmol/1). Diagnosesicherung durch ERC, Angiographie oder hepatobiliäre Sequenzszintigraphie. Therapie: Kehr-T-Drainage in den D. choledochus, die mit einem Sog von - 20 cm H 2 0 abgeleitet wird. Der direkte Fistelverschluß ist extrem schwierig, evtl. Leberresektion.
einem Gallengang. Abfluß von Galle in das venöse Niederdruckgebiet —> Ikterus
2 . 1 . 3 . 4 P a n k r e a s v e r l e t z u n g e n (s. auch Kap.25/12, S.701)
Pankreasverletzungen
Das Pankreas, retroperitoneal gelegen, ist vor der Wirbelsäule fixiert und kann stumpfer Gewalt auf das Abdomen nicht ausweichen. Typische Unfallmechanismen: Sturz auf den Fahrradlenker, Anprall an das Lenkrad oder den Sicherheitsgurt („submarining effect"). Bei einem Frontalzusammenstoß wird die Vorwärtsbewegung des Körpers durch den Gurt gebremst, während das Becken weniger fixiert nach vorne gleitet und der Körper des Betroffenen unter dem Gurt hinweg „taucht". Es wirken dabei erhebliche Scherkräfte auf das Abdomen ein.
Typische Unfallmechanismen: • Sturz auf Fahrradlenker • Lenkradaufprall • „Submarining-Effekt" durch Sicherheitsgurt
Typische Verletzungsmuster sind: Kontusion mit Blutung oder Hämatom, partielle Parenchymruptur mit oder ohne Gangläsion, komplette Organruptur: Querdurchtrennung des Pankreas links der Mesenterialgefäße, isoliert oder zusammen mit einer Milzruptur, oder Durchtrennung rechts der mesenterialen Gefäßachse mit begleitender Verletzung des Duodenums, des Gallengangs, evtl. auch der Leber oder der rechten Kolonflexur.
Typische Verletzungsmuster: • Kontusion mit Blutung oder Hämatom • partielle Parenchymruptur mit oder ohne Gangläsion • komplette Organruptur links oder rechts der Mesenterialachse (evtl. kombiniert mit Duodenal- und Gallengangsverletzung) Symptome: • schleichende Symptomatik bei isolierter Verletzung • gürtelförmige Oberbauchschmerzen • Zeichen einer Pankreatitis oder Peritonitis Diagnostik: • Palpation • Sonographie, CT, ERCP • Labor
Symptome: Oft schleichend bei isolierter Pankreasverletzung, Zeichen einer Pankreatitis oder Peritonitis, Oberbauchschmerzen mit gürtelförmiger Ausstrahlung. Diagnostik. Die diagnostische Strategie hängt von Begleitverletzungen ab: Palpation (Druckschmerz, Abwehrspannung, Meteorismus), Labor (Anstieg der Lipase und a-Amylase), Sonographie: Hämatom, Kontinuitätsunterbrechung des Organs, freie Flüssigkeit, CT zur Bestimmung des Ausmaßes der Verletzung, ERCP zur Klärung einer Pankreasgangverletzung (Peritoneallavage): Spülflüssigkeit kann auf a-Amylase und Lipase untersucht werden, Probelaparotomie. Therapie. Nur bei der Kontusion ist eine konservative Behandlung wie bei Pankreatitis angezeigt (parenterale Ernährung, Antibiotika, Magensonde), anderenfalls muß operiert werden. Operative Strategien: • Blutstillung, Debridement, wenn möglich Rekonstruktion sonst Resektion, sichere Drainierung des Pankreassekrets intern oder extern. Die entscheidende Frage ist, ob eine Gangläsion vorliegt oder nicht!
Therapie
Dezelerationstrauma führt zur Massenbeschleunigung der Darmkonvolute. Dabei kann das Mesenterium einreißen und bluten oder auch eine Darmischämie auftreten Ursachen für retroperitoneale Hämatome: • Nierenverletzungen, Beckenfrakturen, Mesenterialeinrisse • selten Verletzungen der Aorta oder großen Beckengefäße Symptome: • Zeichen eines hämorrhagischen Schocks • Abdominalschmerzen, Peritonismus, Meteorismus Diagnostik: • Untersuchung, Sonographie • CT, i.v. Pyelographie • Angiographie, Laparoskopie Therapie, Operationsverfahren: • Blutstillung und Übernähung am Mesenterium • Darmresektion bei Durchblutungsstörungen des Darmes • Gefäßrekonstruktion bei Verletzung der Stammgefäße Therapie beim retroperitonealen Hämatom richtet sich nach den Ursachen der Blutung Postoperative Komplikationen: Darmnekrose und Peritonitis, Nachblutung, Abszeß und Sepsis, paralytischer Ileus
• bei Kontusion, Blutung oder Kapseleinriß —> Kapselnaht und externe Drainage • bei Parenchymeinriß ohne Gangsbeteiligung —»Debridement, Naht, ausgiebige externe Drainierung • Pankreasruptur mit Gangläsion im Korpus-Schwanz-Bereich —> Linksresektion des Pankreas mit Splenektomie • Pankreasruptur im proximalen Abschnitt mit Gangläsion —> Pankreatojejunostomie (häufigstes Verfahren) oder partielle Duodenopankreatektomie (sehr großer Eingriff) oder sog. Ausschaltungsoperation der duodenopankreatischen Einheit, vor allem bei begleitender Duodenalverletzung. Komplikationen: nekrotisierende Pankreatitis, Abszeß, retroperitoneale Phlegmone, Sepsis, Pfortader- und Milzvenenthrombose, Pankreasfistel und -Pseudozysten.
2.1.3.5 Mesenterialwurzeleinriß, retroperitoneale Blutungen Ursachen. Bei Dezelerationstraumen kommt es zu einer Massenbeschleunigung der Darmkonvolute. Vor allem bei gefülltem Darm kann das Mesenterium einreißen und intra- sowie retroperitoneale Blutungen verursachen. Gleichzeitig muß infolge der Gefäßläsion mit einer Mangeldurchblutung des entsprechenden Darmsegments gerechnet werden. Die häufigsten Ursachen für ausgedehnte retroperitoneale Hämatome (s. Kap. 37, S. 726) sind Nierenverletzungen (s. S. 864) und Beckenfrakturen, selten Einrisse der Aorta und der Beckenarterien. Symptome: hämorrhagischer Schock, Bauchschmerzen, Peritonismus sowie Darmatonie und Meteorismus. Diagnostik: Status praesens, Sonographie, CT, i. v. Urographie bei Verdacht auf Nierenverletzung, Angiographie bei schwerer Blutung, Peritoneallavage mit Darminhalt in der trüben Spülflüssigkeit, Laparoskopie, diagnostisch, evtl. auch therapeutisch. Therapie des Mesenterialeinrisses. Folgende Operationsverfahren kommen in Frage: Übernähung am Mesenterium und Blutstillung, Darmresektion bei Durchblutungsstörungen, Gefäßrekonstruktion bei Verletzung der A. oder V. mesenterica superior im Stammbereich. Therapie beim ausgedehnten retroperitonealen Hämatom, ursachenbezogen: Schockbehandlung, operative Intervention bei Nierenverletzungen mit Schock, Abriß des Nierenstiels, Urinom, bei Beckenbrüchen ist die Fraktur zu stabilisieren, evtl. Angiographie und selektive Embolisation blutender Gefäßäste im Becken, Gefäßnaht bei Verletzung der iliakalen Arterien oder Venen, Antibiotika (Infektionsgefahr); Therapie der Darmparalyse: parenterale Ernährung, Magensonde, Peristaltikanregung. Postoperative Komplikationen: Darmnekrose und Peritonitis, Nachblutung, Abszeß und Sepsis, paralytischer Ileus.
Dünndarmverletzungen
2.1.3.6 Dünndarmverletzungen
Häufigkeit 3-18% Unfallmechanismus: Sturz auf Fahrradlenker, Lenkradaufprall, Sicherheitsgurt-» „submarining effect", Dezelerationstrauma, Patienten mit großen Hernien sind besonders gefährdet Verletzungsmuster: Quetschungen, Berstungen oder Abrisse, Durchblutungsstörungen mit Nekrose und Perforation
Die Häufigkeit der Dünndarmverletzung beträgt 3-18%. Unfallmechanismen wie Sturz auf den Fahrradlenker, Aufprall auf das Lenkrad, Einschnürung durch den Sicherheitsgurt („submarining effect") oder Sturz aus großer Höhe können Verletzungen des Dünndarmes verursachen. Gefüllter Darm und Patienten mit Hernien sind besonders gefährdet. In Abhängigkeit von Art und Ausmaß der Gewalteinwirkung entstehen Quetschungen, Berstungen oder Abrisse des Darmes (Abb.44.2-5). Bisweilen entwickeln sich auf dem Boden von Wandhämatomen Durchblutungsstörungen mit Nekrosen, Perforation und konsekutiver Peritonitis. Symptome: anfangs diskret, oft erst nach 2-4 Tagen akutes Abdomen.
Symptome: anfangs diskret, oft erst nach 1-2 Tagen akutes Abdomen Diagnostik: • Untersuchung • Labor, Röntgen
Diagnostik. Status praesens (Peritonismus, fehlende Peristaltik, dann zunehmend Druckschmerz und Abwehrspannung), Labor: Anstieg der Leukozyten und des Laktats, Röntgen (Abdomen) im Stehen oder in linker Sei-
Abdominalverletzungen
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Abb. 44.2-5: Verletzungsarten am Dünndarm: 1. Quetschung durch den Sicherheitsgurt, 2. Berstung infolge Überdehnung durch plötzliche Druckeinwirkung, 3. Abriß bei Dezelerationstrauma (Modifiziert n. Stevens u. Maull)
tenlage: freie Luft nur in - 40 % nachweisbar, Sonographie meist unauffällig, allenfalls Nachweis geringer freier Flüssigkeitsmengen. Peritoneallavage: Spülflüssigkeit trübe infolge ausgetretenen Darminhalts. Laparoskopie, bei kleineren Verletzungen gleichzeitig operative Versorgung möglich. Therapie: Übernähung bei umschriebenem Defekt oder Resektion bei ausgedehnteren Zerreißungen bzw. Mangeldurchblutung, parenterale Ernährung und Antibiotikatherapie. Bei zweifelhafter Durchblutung des Darmes zweistündige Verlaufskontrolle des Laktats. Nach 8-24 Stunden ist eine Second look operation zur Überprüfung der Darmdurchblutung angezeigt. Postoperative Komplikationen: Nahtinsuffizienz und Peritonitis. Nach ausgedehnten Resektionen mit < 20 cm terminales Ileum Gallensäurenverlustsyndrom und bei einer Resektion von > 50 % Dünndarm das Kurzdarmsyndrom.
Laparoskopie
Therapie: • Übernähung oder Resektion • Second-Iook-Operation (Laktat!)
Komplikationen:
2.1.3.7 Dickdarmverletzungen
Oickdarmverletzungen
Berstungsrupturen des Kolons sind seltener als am Dünndarm, häufiger jedoch bei perforierenden Verletzungen. Eine umschriebene Wandkontusion oder ein Hämatom kann auch hier infolge einer Mangeldurchblutung sekundär zur Perforation führen. Die Kolonperforation ist jedoch ungünstiger: Sie verursacht eine kotige Peritonitis mit Akutem Abdomen.
häufiger Pfählungsverletzungen als beim Dünndarm, sekundäre Perforationen bei Darmwandnekrose Symptome: Akutes Abdomen
Diagnostik. Status praesens: Druck- und Loslaßschmerz, Abwehrspannung, Meteorismus, evtl. Blut am Finger bei der (obligaten) rektalen Austastung, Labor: zunehmende Leukozytose, Röntgen (Abdomen) im Stehen oder in linker Seitenlage: freie Luft kann auch fehlen, Sonographie: unspezifisch, Laparotomie evtl. mit Lavage.
Diagnostik: • Untersuchung, Labor, Röntgen • diagnostische Laparotomie
Therapie. Die Laparotomie ist zwingend. Die operative Strategie richtet sich danach, ob eine lokale oder breits eine diffuse Peritonitis vorliegt. • Für die frische Perforation ohne oder mit umschriebener Peritonitis gelten die bekannten Operationsverfahren: Übernähung und Drainage oder bei größerem Defekt Resektion mit primärer Anastomose nach vorausgegangener intraoperativer Darmspülung. • Bei älterer Perforation mit diffuser Peritonitis ist die Heilung der Darmnaht gefährdet. Vorgehen: Resektion und Anastomose mit gleichzeitigem protektivem Ileo- oder Kolostoma. Evtl. Etappenlavage (programierte Relaparotomien mit Spülung des Abdomens). Ein sicheres Verfahren ist die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann, vor allem bei Läsionen im Bereich des Rektosigmoids. Später kann die Darmkontinuität wiederhergestellt werden.
Therapie: Laparotomie • Operationsstrategie: nach dem Ausmaß der Peritonitis
898
44. Unfallchirurgie
Magen- und Duodenalverietzung
2.1.3.8 Magen- und Duodenalverletzungen
Duodenum rupturiert häufiger als Magen, besonders im retroperitonealen Abschnitt (Sicherheitsgurt-Effekt)
Die Verletzung des Magens beim stumpfen Bauchtrauma ist sehr selten, während das Duodenum häufiger betroffen ist und vorwiegend in seinem retroperitonealen Anteil rupturiert. Auch hier erfolgt in der Regel die Perforation bei gefülltem Duodenum. Duodenalverletzungen können vor allem durch Strangulationswirkung des Sicherheitsgurtes entstehen. Symptome: bei freier Ruptur Akutes Abdomen. Liegt die Verletzung im retroperitonealen Duodenalabschnitt, sind die Symptome zunächst unspezifisch: unklare Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen. Bisweilen zeigt sich, je nach Lokalisation der Verletzung, eine Hämatemesis oder Teerstuhl. Diagnostik: Röntgen (Abdomen) im Stehen oder in linker Seitenlage: freie Luft? Bei Verdacht auf eine retroperitoneale Verletzung nach Gasbläschen auf dem Psoas oder nach einer Aerobilie fahnden, Röntgendarstellung des Magens und Duodenums mit wasserlöslichem Kontrastmittel (Kontrastmittelaustritt?), CT: periduodenale Flüssigkeitsansammlung, im Zweifel: Laparoskopie oder Laparotomie. Therapeutisches Vorgehen: • Duodenum: dringliche Laparotomie. Dabei muß nach einer Mitverletzung des Gallengangs oder des Pankreas gesucht werden. Übernähung des Duodenaleinrisses oder Anastomosierung des offenen Wandbezirks mit einer nach Roux ausgeschalteten Jejunumschlinge.
Symptome: • freie Ruptur: Zeichen: Akutes Abdomen • retroperitoneale Duodenalverietzung: anfangs uncharakteristisch mit Übelkeit, Erbrechen, Hämatemesis, Teerstuhl Diagnostik: • Röntgen: Abdomenübersicht, MagenDarm-Passage (wasserlösliches KM!) • CT, Laparoskopie, -tomie Therapie • Laparotomie: auf Gallengangs- und Pankreasverletzungen achten! • Übernähung des Duodenaleinrisses oder Anastomosierung
Wegen des hohen Risikos kommt eine Duodenopankreatektomie nur selten in Frage (s. auch Pankreasverletzungen).
• Magenverletzung: Übernähung oder Resektion • bei diffuser Peritonitis Etappenlavage, parenterale Ernährung, Magensonde, Antibiotika Postoperative Komplikationen: Gallenfistel, Pankreatitis, Nahtinsuffizienz, retroperitoneale Phlegmone, Abszeß
• Magen: eine Berstungsverletzung ist meist unproblematisch zu versorgen: Übernähung oder Magenteilresektion, bei diffuser Peritonitis evtl. Etappenlavage. Parenterale Ernährung, Magensonde und Antibiotika sind obligat. Nach einer Woche Überprüfung der Naht durch Röntgenuntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel. An postoperativen Komplikationen sind zu erwähnen: Gallefistel, Pankreatitis, Nahtinsuffizienz, retroperitoneale Phlegmone, Abszeß.
2. Perforierende Abdominalverletzungen
2.2 P e r f o r i e r e n d e A b d o m i n a l v e r l e t z u n g e n
in Europa seltener als in USA Ursachen: kriminelle Handlungen, Arbeitsunfälle (Messerstich, Bolzenschußverletzung, Waffenreinigen)
Sie sind in Europa selten, überwiegend handelt es sich um Stich- und Schußverletzungen, selten um Pfählungsverletzungen. Sie treten bei kriminellen Handlungen aber auch bei Arbeitsunfällen auf (Verletzungen durch Messerstich oder Bolzenschußapparat, beim Waffenreinigen). Meist ist nur das Abdomen betroffen, seltener sind Zweihöhlenverletzungen (Abdomen und Thorax). Stichverletzungen sind im Vergleich zu den anderen Verletzungen prognostisch am günstigsten. Nicht immer sind innere Organe verletzt. Der Darm kann z. B. einer Messerspitze ausweichen. Das Ausmaß der Verletzung ist abhängig von der Richtung und der Tiefe des Stiches und der Art der Klinge.
a) Stichverletzungen: Ausmaß abhängig von Richtung und Tiefe des Stiches
• Stichinstrument bis zur operativen Versorgung stecken lassen! b) Schußverletzungen: selten. Oft erhebliche Gewebezerreißungen im Inneren des Körpers. Abhängig von Art des Geschosses (Dumdumgeschosse, Jagdmunition) • Laparotomie obligat!
Praxishinweis. Noch in der Wunde steckende Stichinstrumente sollten bis zur operativen Versorgung nicht entfernt werden, da sie bisweilen die verletzten Organe tamponieren. Schußverletzungen sind in Deutschland relativ selten. Ihre Schwere wird nicht allein von der Eindringtiefe und der Schußrichtung bestimmt, sondern entscheidend durch die Mündungsgeschwindigkeit und Masse des Geschosses und die dadurch freiwerdende kinetische Energie, ferner durch die Form des Projektils und die Schußdistanz. Es können erhebliche Gewebezerreißungen im Inneren des Körpers auftreten („Aufpilzen" des Geschosses), die nicht unbedingt mit der Größe der Einschußöffnung korrelieren (z.B. Jagdmunition, Dumdumgeschosse). Das reale Ausmaß der Schußverletzung ist primär häufig nicht zu erkennen (z. B. bei parenchymatösen Organen).
Abdominalverletzungen Die Laparotomie ist obligat. Die Versorgung richtet sich nach Art, Schwere und Anzahl der verletzten Organe. Das Projektil sollte möglichst entfernt werden. Eine Tetanusimmunisierung ist erforderlich. Pfahlungsverletzungen (s. Kap. 35/6, S.620) entstehen durch Aufspießen auf einen vorstehenden pfahlartigen, mehr oder weniger spitzen Gegenstand (Zaunpfahl, Eisenstab) bei einem Sturz aus großer Höhe. Der Schweregrad dieser Verletzung hängt von der Form des Pfählungsgegenstandes und seiner Eindringtiefe in den Körper ab. Bei einem Sturz aus der Höhe kann gleichzeitig ein Dezelerationstrauma vorliegen. Meist handelt es sich um abdominopelvine Verletzungen, die hauptsächlich das Kontinenzorgan, das Rektum und urogenitale Organe beschädigen. Bei Durchspießung des Bekkenbodens können Dünn- und Dickdarm mitverletzt werden. Bei Verdacht auf Mitverletzung intraabdominaler Organe muß laparotomiert werden, um das Ausmaß des Schadens zu erkennen und entsprechend operativ zu versorgen. Die Operationstaktik richtet sich nach den verletzten Organen und Strukturen (s. Kap.42, S.864 und Kap.35/6 S.620). Symptome: hängen von den Organverletzungen ab. Im Vordergrund stehen ein Schock bei schwerer Blutung oder das akute Abdomen bei Hohlorganverletzung. Diagnostik: Status praesens (Kreislaufparameter), rektale Untersuchung bei perinealer Pfählungsverletzung, Röntgen (Abdomen) in 2 Ebenen zur Lagebestimmung evtl. Fremdkörper (Projektile, Holz- oder Metallsplitter) oder zum Nachweis freier Luft, Sonographie: Nachweis freier Flüssigkeit, Verletzung mit Konturunterbrechung von parenchymatösen Organen, Magen-Darm-Passage oder Kolonkontrasteinlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel, i.v. Urogramm zum Ausschluß einer Blasen- oder Harnleiterverletzung, Labor: Hb, Lipase und a-Amylase, Urinsediment (Erythrozyten?). Praxishinweis: Eine Röntgendarstellung von Stich- oder Schußkanälen ist keine Entscheidungshilfe! Therapie: Bei Schußverletzungen ist zu laparotomieren. Die Ein- und Ausschußöffnungen werden offen gelassen. Bei Stichverletzungen hat sich ein differenziertes Vorgehen bewährt, das sich an der Klinik und dem Verlauf orientiert. Bei Verdacht auf eine Blutung ist die Laparotomie jedoch nach wie vor dringlich. Zumindest muß der Stichkanal revidiert, drainiert und evtl. mit Situationsnähten adaptiert werden. Bei kleineren Wunden bleibt diese unter Verlaufsbeobachtung offen. Wird eine Verletzung intraabdominaler Strukturen vermutet, so hilft die Laparoskopie weiter, evtl. mit therapeutischer Intervention (MIC). Bei laparoskopisch unsicherer und unzureichender Übersicht und Beurteilungsmöglichkeit ist die Laparotomie Methode der Wahl. Die operative Strategie richtet sich nach dem verletzten Organ bzw. nach dem Ausmaß der Verletzung. Praxishinweis. Verletzungen im Bereich des abdominothorakalen Übergangs (Zweihöhlenverletzung) zwingen zur operativen Revision des Abdomens und des Thorax! Bei Pfählungsverletzungen des Perineums muß eine Läsion des Mastdarms endoskopisch oder radiologisch (wasserlösliches Kontrastmittel!) ausgeschlossen werden. Zur operativen Versorgung gehört ein sorgfältiges Wunddebridement und Drainierung nach außen. Bei Analsphinkter- und Rektumverletzung wird unter Anus praeter-Schutz rekonstruiert. Auch bei alleiniger perinealer Verletzung ohne Darmeröffnung ist ein temporärer Anus praeter sinnvoll.
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c) Pfählungsverletzungen: Aufspießen des Abdomens oder Perineums durch einen vorstehenden pfahlartigen Gegenstand bei Sturz aus der Höhe • Abdominopelvine Pfählungen sind am häufigsten: Kontinenzorgan, Rektum, Urogenitalorgane, Beckenboden, Dünnund Dickdarm können betroffen sein: Laparotomie dringlich bei Mitbeteiligung intraperitonealer Organe
Symptome: Schock bei massiver Blutung oder akutes Abdomen bei Hohlorganverletzung Diagnostik Untersuchung Röntgen: Abdomen, Magen-Darm-Passage Labor
Therapie • Jede Schußverletzung ist eine Indikation zur Laparotomie! Ein- und Ausschußöffnung werden nicht vernäht. Tetanusprophylaxe! • Stichverletzungen: Operationsindikation richtet sich nach dem klinischen Bild und Verlauf: Bei Blutung und Peritonitiszeichen Laparotomie Ist die Situation unklar - » diagnostische Laparoskopie
Zweihöhlenverletzungen
• Pfählungsverletzungen: Läsion des Mastdarms endoskopisch oder radiologisch ausschließen • Operative Versorgung: - Wunddebridement, Drainierung - Bei Analsphinkter- und Rektumverletzung Rekonstruktion unter Anus praeter-Schutz - bei perinealer Verletzung ohne Darmbeteiligung Anus praeter wegen besserer Wundheilung
900 Gefäßverletzungen
44. Unfallchirurgie
3. Gefäßverletzungen U. Kania, R. Häring
Schädigungen durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung, latrogene Verletzungen bei diagnostischen und therapeutischen Eingriffen möglich
Einteilung, Häufigkeit: Wir unterscheiden zwischen Arterien- und Venenverletzungen. Arterien sind häufiger betroffen, nicht selten aber handelt es sich um kombinierte arteriell-venöse Traumen. Die Schädigung kann durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung erfolgen. Schlagaderverletzungen gehen überwiegend mit Begleitschäden einher (Muskeln, Nerven, Skelett). Aufgeteilt nach dem Unfallmodus entstehen Gefäßverletzungen zu 33 % bei Arbeits- und 23 % bei häuslichen Unfällen, 23 % bei Suizid, 14 % entfallen auf Verkehrsunfälle und 7 % auf iatrogene Verletzungen (Vollmar). Die iatrogenen Verletzungen haben mit Entwicklung der Herz- und Gefäßchirurgie zugenommen. Sie entstehen bei diagnostischen (Punktionen, Herzkatheter, Angiographie) und therapeutischen Eingriffen (Angioplastie, extrakorporaler Kreislauf, Tumorchirurgie, Gefäß- und Bandscheibenoperationen, Bestrahlungsschäden, Chiropraxis).
Arterienverletzung
3.1 Arterien
Direkte, scharfe Arterienverletzung
3.1.1 Direkte scharfe Arterienverletzung
Blutverluste bis zur tödlichen Blutung. Blutung geht nach außen, in eine Körperhöhle oder in das umgebende Gewebe
Hierbei wird die Arterienwand immer von außen nach innen beschädigt, d.h. von der Adventitia zur Intima (Abb.44.3-1). Dies kann zu erheblichen Blutverlusten bis zur tödlichen Blutung führen. Die Blutung kann nach außen oder in eine Körperhöhle (Thorax, Abdomen) bzw. in das umgebende Gewebe ( H ä m a t o m ) erfolgen.
Einteilung der Verletzungen • direkte Verletzungen • indirekte Verletzungen • chronische Folgezustände
Klassifikation der Arterienverletzungen (mod. nach F. Linder, J. Vollmar 1965): 1. Direkte Verletzungen: 1. scharfes Trauma: a) Schnitt, Stich, Schuß, b) iatrogen bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen 2.stumpfes Trauma: a) Kontusion (Thrombose), b) Kompression (Hämatom, Frakturen) II. Indirekte Verletzungen: 1. Arteriospasmus, 2. Überdehnungsriß, 3. Dezeleration (Aorta thoracica) III. Chronische Folgezustände: 1. Arterienthrombose, 2. Arterielles Aneurysma, 3. arteriovenöse Fistel, 4. Embolie
Man unterscheidet 3 Schweregrade (Abb. 44.3-1): Grad I: partielle Wanddurchtrennung ohne Eröffnung des Lumens. Spätfolge: Aneurysma Grad II: Verletzung der gesamten Arterienwand mit Eröffnung des Gefäßes. Kontinuität nicht unterbrochen —» starke arterielle Blutung -» Blutungsstillstand durch Selbsttamponade (Hämatom) möglich Grad III: vollständige Durchtrennung des Gefäßes -» starke äußere oder innere Blutung —» Blutungsstillstand durch Einrollen der Intima möglich, periphere Ischämie
Man unterscheidet 3 Schweregrade (Abb. 44.3-1): Gradl: partielle Wanddurchtrennung ohne Eröffnung des Lumens. Als Spätfolge kann ein traumatisches Aneurysma entstehen. Grad II: Verletzung der gesamten Arterienwand mit Eröffnung des Gefäßes, bei der jedoch die Kontinuität der Arterie nicht komplett unterbrochen ist. Es resultiert eine starke arterielle Blutung, die aber durch Selbsttamponade zum Stehen k o m m e n kann. Grad III: vollständige Durchtrennung des Gefäßes mit starker äußerer oder innerer Blutung. Durch Einrollen der Intima kann diese Blutung spontan zumindest vorübergehend - zum Stillstand kommen. Darüber hinaus besteht eine periphere Ischämie.
Symptome
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Symptomatik. Typisch f ü r scharfe Arterienverletzungen sind: • eine äußere Wunde, die von der Lokalisation her in Beziehung zur Arterie steht; • Zeichen der arteriellen Blutung; meist begrenzter Gefäßschaden.
Ursache - Stich-, Schuß-, Pfählungsverletzungen - iatrogene Verletzungen
Ursache der scharfen, direkten Traumen sind Stich-, Schuß-, Pfählungsverletzungen, auch iatrogene Gefäßschäden.
Direkte stumpfe Arterienverletzung
3.1.2 Direkte stumpfe Arterienverletzung
Verletzung von innen nach außen (Abb. 44.3-2) 3 Schweregrade:
Stumpfe Arterienverletzungen sind seltener als scharfe. Die Gefäßwand wird von innen nach außen verletzt (Abb. 44.3-2). 3 Schweregrade sind abzugrenzen:
Gefäßverletzungen
Abb.44.3-1: Direkte scharfe Arterienverletzung: a. Grad I: partielle Wanddurchtrennung ohne Eröffnung des Lumens, b. Grad II: Eröffnung des Gefäßes ohne komplette Kontinuitätsunterbrechung, c. Grad III: vollständige Durchtrennung des Gefäßes
901
Abb.44.3-2: Direkte stumpfe Arterienverletzung, a. Grad I: lokalisierter Einriß der Intima, b. Grad II: Verletzung von Intima und Media, c. Grad III: vollständige Zerquetschung der Arterienwand
Grad I: lokalisierte Quetschung oder Einriß der Intima. Keine äußere Blutung. Zunächst keine primäre Strombahnverlegung, später ist eine Thrombosierung mit peripherer Ischämie möglich. Grad II: Intima und Media sind verletzt. Auch hier keine arterielle Blutung, aber Thrombose an großkalibrigen Arterien und als Spätfolge posttraumatische Aneurysmen. Grad III: vollständige Zerquetschung der Arterienwand in allen Schichten mehr oder weniger ausgedehnt. Intima- und Mediastümpfe können sich einrollen und zum akuten Gefäßverschluß führen. Entsprechend ist das klinische Bild mit appositioneller Thrombose bis in die terminale Strombahn und komplettem oder inkompletten Ischämiesyndrom. Blutungen in die Gefäßwand (Adventitia) führen zur spindelförmigen Vorwölbung, die später rupturieren kann.
Grad I: Quetschung oder Einriß der Intima. Keine äußere Blutung, keine Strombahnverlegung Später: Thrombosierung mit peripherer Ischämie Grad II: Verletzung von Intima und Media. Keine arteriele Blutung, Thrombose an großkalibrigen Arterien. Spätfolge: traumatische Aneurysmen Grad III: völlige Zerquetschung der Arterienwand. Gefäßverschluß durch Einrollen von Intima- und Mediastümpfen. Folge: appositionelle Thrombose und Ischämiesyndrom
Symptomatik. Typisch für stumpfe Arterienverletzungen sind:
Symptome
• keine äußere, kommunizierende Wunde. • klinisches Bild wird durch periphere Ischämie beherrscht. • oft schwere Begleitverletzungen, die die Diagnose erschweren (z. B. Frakturen, Muskelzerreißungen). • meist langstreckige Wandschäden: direkte Naht nicht möglich, Gefäßtransplantat erforderlich. Ursache sind meist Knochenbrüche, Lüxationen großer Gelenke, schnürende Verbände.
3.1.3 Indirekte Arterienverletzung Zu ihnen gehören traumatische Arteriospasmen (sehr selten), Überdehnungsrisse der Gefäße und Dezeleration der thorakalen Aorta. Traumatischer Arteriospasmus, umschriebener Gefäßkrampf an einer sonst intakten Arterie. Überwiegend sind die Extremitätenarterien betroffen. Es imponieren Kälte, Blässe, Pulsverlust. Der Spasmus löst sich in der Regel nach 24 Stunden spontan. Die Diagnose Arteriospasmus muß mit Vorsicht gestellt werden, um nicht eine wirkliche Gefäßverletzung zu übersehen.
Überdehnungsverletzung, selten und wird bei Luxation großer Gelenke (Schulter-, Hüft- und Kniegelenk) oder bei erheblich dislozierten Knochenbrüchen beobachtet (Abb.44.3-3). Von einem Dezelerationstrauma wird fast ausschließlich die thorakale Aorta betroffen. Der Einriß findet sich überwiegend hinter dem Aortenbogen (58 %) oder im Bereich der Aorta ascendens (24%), an der Aorta descendens (13%) und am Aortenbogen (5%). Verletzungen der abdominalen Aorta entstehen fast nur bei Luxationsfrakturen der LWS. Durch eine plötzliche Geschwindigkeits- und Beschleunigungsänderung des Körpers kommt es zu einer abrupten Verschiebung der intrathorakalen Organe in sagittaler (Verkehrsunfall) oder vertikaler (z.B. Liftsturz) Rich-
Ursache - Knochenbrüche - Luxationen, schnürende Verbände indirekte Arterienverletzungen hierzu zählt man: - Traumatische Arteriospasmen - Überdehnungsrisse - Dezeleration der thorakalen Aorta 1. Traumatischer Arteriospasmus Gefäßkrampf an einer sonst intakten Arterie mit: • Kälte • Blässe • Pulsverlust Vorsicht - echte Gefäßverletzung nicht übersehen! Lösung des Spasmus nach 24 h 2. Überdehnungsverletzung Selten. Auftreten bei Luxation großer Gelenke oder Knochenbrüchen (Abb. 44.3-3) 3. Dezelerationstrauma Fast ausschließlich thorakale Aorta betroffen Bei Luxationsfrakturen der LWS: abdominale Aorta betroffen. Erscheinungsbild: quere Einrisse an der Aorta Verblu-
902
44. Unfallchirurgie
Abb. 44.3-4: Angiographischer Nachweis eines Abrisses derA. tibialis posterior durch eine Unterschenkelfraktur. Man erkennt die Verletzung am großen Extravasat. Therapie: Ligatur der Arterie proximal und distal, Ausräumung des Hämatoms
Abb.44.3-3: Indirekte Arterienverletzung, Überdehnungsriß der A. axillaris bei Schulterluxation tungstod oder ausgedehntes Hämatom (falsches Aneurysma) Diagnostik der Arterienverletzungen
tung. Es entstehen quere Einrisse an der Aorta, die zum Verblutungstod oder zu einem ausgedehnten Hämatom (falsches Aneurysma) führen.
3.1.4 Diagnostik der Arterienverletzungen Wichtig für die Diagnose sind:
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Wichtigster diagostischer Hinweis schwere periphere Ischämie mit: - fehlendem Arterienpuls - fehlender Venenfüllung - kalter zyanotischer Haut - evtl. Sensibilitätsstörungen Im Zweifelsfall: Arteriographie
Bei Arterienverletzungen in der Brust- und Bauchhöhle: hämorrhagischer Schock Diagnosesicherung durch Thoraxübersichtsbild, CT, Sonographie und Peritoneallavage
• Unfallhergang; Zeichen der lokalen oder allgemeinen Blutung • Ischämiezeichen; wie Hautfarbe, Temperatur, Venenfüllung, Arterienpulse • Doppler-Sonographie; Arteriographie und Probefreilegung. Die Diagnose einer offenen, penetrierenden Verletzung ist meist nicht schwierig. Bei jeder Gliedmaßenverletzung muß die periphere Durchblutung geprüft werden. Stumpfe Arterienverletzungen des Schweregrades II und III werden leicht übersehen oder zu spät erkannt, weil schwere Begleitverletzungen sie überdecken. Wichtigster diagnostischer Hinweis ist die schwere periphere Ischämie: fehlender Arterienpuls, fehlende Venenfüllung, kalte, zyanotische Haut, evtl. Sensibilitätsstörung. Im Zweifelsfall muß eine Arteriographie durchgeführt werden. Bei Arterienverletzungen im Bereich der Brust- und Bauchhöhle (Organläsionen) imponiert das Bild des hämorrhagischen Schocks als Folge des massiven Blutverlustes. Das Thoraxübersichtsbild (Hämathothorax), CT und Sonographie oder Peritoneallavage (Hämaskos) sichern die Diagnose. Die Kontrastdarstellung der Aorta oder das CT zeigen die Aortenverletzung.
Allgemeine Behandlungsprinzipien
3.1.5 Therapie der Arterienverletzungen 3.1.5.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien
- Verhinderung der akuten Verblutung - Rekonstruktion des verletzten Gefäßabschnittes
Im Vordergrund stehen 2 Ziele: Verhinderung der akuten Verblutung und Rekonstruktion des verletzten Gefäßabschnittes zur Erhaltung eines Organs oder einer Gliedmaße.
Therapie der Arterienverletzungen
Sofortmaßnahmen:
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Die Sofortmaßnahmen sind auf die provisorische Blutstillung ausgerichtet. Dies gilt vor allem für Verletzungen der Gliedmaßenarterien. Die Blutstillung ist möglich durch: • Kompression der Arterie oberhalb der Verletzungsstelle • einen Druckverband am Blutungsort.
Gefäßverletzungen a)
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Eine Esmarch-Blutleere sollte wegen möglicher Nervenschäden vermieden werden. Eine vorübergehende Blutstillung kann mit Hilfe eines Blutdruckapparates erreicht werden. Klemmen oder grobe Ligaturen sind zu vermeiden. Die chirurgische Blutstillung muß so schnell wie möglich erfolgen. • Die Extremität nicht hochlagern, damit sich die periphere Durchblutung nicht verschlechtert, keine Wattepackungen zur Erwärmung und keine Eisblasen zur Kühlung! • Kreislaufauffüllung und ein rascher Transport in die Klinik sind entscheidend (Zeitfaktor!). Die definitive Versorgung von Arterienverletzungen richtet sich nach folgenden Kriterien: (1) Bei großen Hauptarterien und Viszeralarterien ist grundsätzlich die Rekonstruktion anzustreben. Gefäßunterbindungen sind nur bei peripheren und kleineren Arterien erlaubt, die durch einen Kollateralkreislauf kompensiert werden können (Abb. 44.3-4). (2) Eine verspätete Revaskularisation ist nur aussichtsreich, wenn kein irreversibler Gewebeschaden vorliegt. Beim voll ausgebildeten Kompartmentsyndrom (motorische und sensible Ausfälle, Muskelschwellung, starke Schmerzen) ist eine erfolgreiche Gefäßrekonstruktion meist nicht mehr möglich. Dann kann nur noch die Amputation weitere Schäden (Niereninsuffizienz usw.) verhüten. Beim Kompartmentsyndrom hilft bisweilen die Fasziendurchtrennung zur lokalen Druckentlastung. (3) Für die Gefäßrekonstruktion kommen folgende Methoden infrage (Abb. 44.3-5): Gefäßnaht, meist end-zu-end, auch mit Patch-Plastik, oder Gefäßtransplantat (autologe Venen, Kunststoffprothese). Bei offenen Verletzungen ist die Infektionsgefahr hoch. Deshalb sind sorgfältige Wundausschneidungen und Antibiotika erforderlich. Eine Antikoagulanzienbehandlung ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Kombinierte Verletzungen an Gliedmaßen sollten nach bestimmter Reihenfolge versorgt werden: 1. Osteosynthese, 2. Naht der Hauptvene, 3. Arteriennaht, 4. Nervennaht. Dies gilt auch für die mikrochirurgische Replantation traumatisch amputierter Gliedmaßen.
Abb. 44.3-5: Methoden zur Versorgung von Gefäßverletzungen: a. Direkte Naht, b. Schräge End-zu-End-Naht bei kleinlumigem Gefäß, c. Defektverschluß durch Patch-Plastik, d. Interposition von autologer Vene oder Kunststoffprothese
Notbehelf: - Blutstillung durch Blutdruckmeßgerät - Kreislaufauffüllung - rascher Transport in die Klinik Achtung: • Extremität nicht hochlagern • keine Wattepackungen • keine Eisblasen zur Kühlung!
Definitive chirurgische Blutstillung: bei großen Hauptarterien und Viszeralarterien: • Rekonstruktion (Abb. 44.3-5) Bei peripheren und bei kleinen Arterien: • Gefäßunterbindung (Kompensation durch Kollateralkreislauf) Gefäßrekonstruktion oft nicht mehr möglich bei: - vollausgebildetem Kompartment-Syndrom (motorische und sensible A u s fälle, Muskelschwellung, starke Schmerzen) Dann: Amputation Methoden der Gefäßrekonstruktion: s. Abb. 44.3-6: - Gefäßnaht, meist End-zu-End - Patch-Plastik - Gefäßtransplantat - Sorgfältige Wundausschneidung - Antibiotika Kombinierte Verletzungen: Versorgung in folgender Reihenfolge: • Osteosynthese Naht der Hauptvene -»Arteriennaht Nervennaht • gilt auch für mikrochirurgische Replantation
3.1.5.2 Spezielle Situationen: Aorten-, Karotisverletzung
Spezielle Situationen
Aortenverletzung. Ursache ist überwiegend ein Dezelerationstrauma, wobei der Einriß an typischen Stellen erfolgt (s. S.424). Iatrogene Verletzungen entstehen bisweilen bei lumbalen Bandscheibenoperationen. Aortenverletzungen haben eine hohe Letalität; oft erreichen die Patienten die Klinik nicht mehr lebend. Rasches und zielgerichtetes Handeln ist unerläßlich. Überwiegend ist die thorakale Aorta verletzt, so daß sofort thorakotomiert werden muß (mediane Sternotomie oder linksseitige Thorakotomie). Bei isoliertem Wandeinriß kann die Blutung mit einem Ballonkatheter vorübergehend beherrscht werden, währenddessen die Naht erfolgt. Bei Verletzung der Aorta ascendens und des Aortenbogens ist je nach Situation der Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine (HLM) erforderlich. Ist die direkte Naht nicht möglich - starke Retraktionsneigung der elastischen Aorta - muß ein Kunststofftransplantat interponiert werden.
1. Aortenverietzung Meist durch Dezelerationstraumen mit Einriß an typischen Stellen (s. S.424) Iatrogene Verletzungen der Aorta bei lumbalen Bandscheibenoperationen Hohe Letalität Bei isoliertem Wandeinriß: vorübergehende Blutstillung mit Ballonkatheter, Naht oder Kunststofftransplantat • Verletzung des Aortenbogens und der Aorta ascendens erfordert Einatz der HLM
904 2. Verletzung der A. carotis Dissektion der A. carotis nicht selten durch Sicherheitsgurt- und Sturzhelmverletzungen bei Verkehrsunfällen Die Diagnose wird bisweilen erst nach Jahren gestellt. Der Verdacht ergibt sich aus rezidivierenden Mikroembolien. Gefäßunterbindung mit hohem Risiko belastet (ischämischer Hirninfarkt) Daher: Gefäßrekonstruktion unter Schutz eines intraluminalen Shunts anstreben Gefürchtete Komplikationen: - falsche Aneurysmen, Dissektionen - Thrombose der A.carotis interna
Folgezustände nach Gefäßverietzungen
44. Unfallchirurgie Verletzung der A. carotis: Sie kommt bei scharfer und stumpfer Gewalteinwirkung zustande, meist mit Verletzung der V. jugularis interna. Die Gefäßunterbindung der A. carotis communis oder interna hat, besonders beim älteren Patienten, ein erhebliches Risiko (ischämischer Hirninfarkt). Deshalb möglichst die Gefäßrekonstruktion unter Schutz eines intraluminalen Shunts anstreben. Ursache von Dissektionen und dissezierenden Aneurysmen sind insbesondere Sicherheitsgurt- und Sturzhelmverletzungen bei Verkehrsunfällen, daneben Stürze und direkte Schläge gegen den Hals. Die neurologische Symptomatik kann bei Dissektionen anfangs sehr diskret sein (z.B. Horner-Syndrom). Mitunter wird die Diagnose erst nach Jahren gestellt. Zwischen symptomarmem Unfallzeitpunkt und Zeitpunkt der Diagnosestellung weisen insbesondere rezidivierende Mikroembolien auf die Schädigung der A. carotis hin. Dann ist die FKDS oder DSA (digitale Subtraktionsangiographie) erforderlich. Auch bei verzögerter Diagnose kommt in erster Linie die Rekonstruktion der Strombahn in Frage. 3.1.6 Folgezustände nach Arterienverletzungen Schwerwiegende Folgezustände sind: • chronischer Arterienverschluß durch Thrombose, Aneurysma; • traumatische arteriovenöse Fistel und arterielle Embolie.
Bei arterieller Thrombose eines zentralen Gefäßes: Indikation zur sekundären Gefäßrekonstruktion
1. Posttraumatische Aneurysmen Gefahr der Embolisation von thrombotischem Material und Ruptur des Aneurysmas. Folge (Abb. 44.3-7): baldige Resektion und Rekonstruktion
Bei der arteriellen Thrombose eines zentralen Gefäßes ergibt sich bei arterieller Durchblutungsinsuffizienz die Indikation zur sekundären Gefäßrekonstruktion. Die Mangeldurchblutung zeigt sich meist bei Belastungen, als Ruheschmerz oder durch Nekrosen. Für die Rekonstruktion kommt ein Überbrückungs- oder Umgehungstransplantat infrage. Posttraumatische Aneurysmen entwickeln sich Tage bis Monate nach der Verletzung (partielle Wandläsion). Thrombotisches Material im Aneurysma kann embolisieren, oder das Aneurysma kann ruptieren. Deshalb sollte man es möglichst bald resezieren und die Gefäßbahn rekonstruieren (Abb. 44.3-6).
Methoden der Gefäßrekonstruktion (Abb. 44.3-6)
Abb.44.3-6: 31 jähriger Patient nach Bauchschußverletzung. Großes posttraumatisches Aneurysma mit Verschluß der A. iliaca communis rechts und Stenosierung der A. iliaca communis links (präoperative Artériographie). Therapie: Resektion des Aneurysmas und Interposition einer aortoiliakalen Kunststoffprothese
Abb.44.3-7: Angiographischer Nachweis einer AV-Fistel zwischen A. carotis communis (A) und V.jugularis interna (V) nach Schußverletzung am Hals. Der Katheter liegt im Aortenbogen, nach Einspritzen färbt sich die V.jugularis interna unmittelbar mit dem aus der A.carotis communis durch die Fistel strömenden Blut. Therapie: Auflösung der Fistel und Patch-Plastik
Gefäßverletzungen
905
Arteriovenöse Fisteln sind meist durch eine perforierende Verletzung (Schuß, Messerstich) verursacht, die die nebeneinanderliegende Arterie und Vene perforiert. Die AV-Fistel bildet sich nach längerem Zeitintervall und führt bei entsprechend großem Shunt-Volumen zur Rechtsherzinsuffizienz. Die Diagnose ist durch das palpatorisch und auskultatorisch wahrnehmbare „Gefäßschwirren" möglich. AV-Fisteln müssen frühzeitig operativ beseitigt werden (Abb.44.3-7).
2. AV-Fisteln Durch Perforation nebeneinanderliegender Arterien und Venen Ausbildung längere Zeit nach Verletzung Folge: -> Rechtsherzinsuffizienz Diagnose: „Gefäßschwirren" bei Auskultation und Palpation Therapie: operative Beseitigung
Posttraumatische Embolie. Wandständige Blutgerinnsel an der Verletzungsstelle der Arterie können mit dem Blutstrom in die Peripherie verschleppt werden. Selten embolisieren Fremdkörper (Geschosse, Granatsplitter usw.). Klinisch zeigt sich das Bild des akuten Gefäßverschlusses mit komplettem bzw. inkomplettem Ischämiesyndrom. Je früher die Embolektomie erfolgt, desto günstiger sind die Ergebnisse.
3. Posttraumatische Embolie (Abb. 44.3-7} Wandständiges Blutgerinnsel an der Verletzungsstelle -»Gefahr der Verschleppung in die Peripherie Klinisches Bild: akuter Gefäßverschluß mit Ischämiesyndrom Therapie: Embolektomie
3.2 Venen und Lymphgefäße Venenverletzungen verlaufen weniger dramatisch als Arterienverletzungen und werden wegen ihrer blanden Symptomatik häufig übersehen. Man sollte sie aber nicht unterschätzen; z.B. an der V.cava haben sie eine Letalität von etwa 50%. Bei Eröffnung großer Venen besteht die Gefahr der tödlichen Luftembolie. Diagnose: Aus der Vene blutet es nicht pulsierend, das Blut ist dunkelrot. Bei stumpfen Traumen entsteht ein Hämatom, bei Thrombose eine livide Verfärbung der Extremität und Schwellung. Im Zweifelsfall ist eine Phlebographie bzw. FKDS (farbkodierte Duplexsonographie) erforderlich. Therapie: Die Sofortmaßnahmen (provisorische Blutstillung) erfolgen nach den gleichen Richtlinien wie bei arteriellen Verletzungen. Subkutane Venen dürfen ligiert werden, ebenso tiefe Venen distal des Knie- und Ellenbogengelenks. Für tiefe Venen am Oberschenkel, Oberarm und noch weiter zentralwärts sollte eine Rekonstruktion angestrebt werden. Dabei ist eine periphere arteriovenöse Fistel (Korbhenkel-Shunt) vorteilhaft, die die Fließgeschwindigkeit des Blutes im Transplantat erhöht und eine Thrombose verhindert. Die künstliche Fistel kann nach 3-6 Monaten ligiert werden. Schwerwiegender Folgezustand nach Venenverletzungen ist das postthrombotische Syndrom. Lymphgefäße. Eröffnete größere Lymphgefäße sind durch einen massiven Lymphfluß aus der Wunde erkennbar. Die Therapie besteht in der Ligatur des Lymphgefäßes. Eine Rekonstruktion ist selbst bei Verletzungen des Ductus thoracicus nicht möglich. Wenn die Verletzung des Ductus thoracicus (meist im Rahmen von Lymphknotenexstirpationen links supraklavikulär) dargestellt werden kann, erfolgt die Umstechung des Ductus. Bei Verletzung größerer Lymphgefäßstationen kann ein Lymphödem der abhängigen Körperpartie auftreten. Lymphfisteln können über längere Zeit bestehen, bis sie meist spontan versiegen. Bei Zerreißungen (Schuß-, Stichverletzungen, Wirbelfrakturen) des Ductus thoracicus entsteht ein Chylothorax (s.S. 392).
Venen Verletzungen Achtung: bei Eröffnung großer Venen entsteht Gefahr der tödlichen Luftembolie
Diagnose:
Diagnosesicherung: Phlebographie, FKDS Therapie: Sofortmaßnahmen wie bei arteriellen Verletzungen - Subkutane Venen, tiefe Venen distal des Knie- und Ellenbogengelenkes ligieren - Tiefe Venen am Oberschenkel und Oberarm rekonstruieren Folgezustand nach Venenverletzungen: postthrombotisches Syndrom Lymphgefäßverletzungen Massiver Lymphfluß aus der Wunde Therapie: - Ligatur des Lymphgefäßes - Rekonstruktion nicht möglich Spätfolge: Lymphödem, -fistel Zerreißung des D.thoracicus durch Schuß- und Stichverletzungen oder bei Wirbelfrakturen (s. S.392)
906 Allgemeine Frakturen- und Luxationsiehre
44. Unfallchirurgie
4. Allgemeine Frakturen- und Luxationsiehre H.Zilch
Rettungs- und Erste-Hilfe-Maßnahmen, Diagnostik der Knochenbrüche
4.1 Erste Hilfe u n d D i a g n o s t i k
1. Rettungsmaßnahmen
4.1.1 Erste Hilfe, Diagnostik der Knochenbrüche
• Bergung des Verletzten aus der Gefahrenzone • Wiederherstellung und Aufrechterhalt u n g lebenswichtiger Körperfunktionen nach ABCD-Regel: A = Atemwege freimachen B = Beatmen C = Circulation wiederherstellen D = Drogen parenteral • Abtransport ins nächste Krankenhaus nach Beseitigung der akuten Schocksymptomatik
Zu Rettungsmaßnahmen eines in Not geratenen Menschen ist durch Gesetz (§ 330c StGB) jeder Bürger unseres Staates verpflichtet. Diese Maßnahmen beinhalten: • Bergung aus der akuten Gefahrenzone nach Absichern der Unfallstelle (z.B. mit Hilfe des Rautek-Griffes Bergung von der Autobahn/Straße, Abb. 21-1, S. 187). • Schnellstmögliche Wiederherstellung und Aufrechterhaltung lebenswichtiger Körperfunktionen. Diese lebensrettenden Sofortmaßnahmen folgen der ABCD-Regel (s. Kap. 21, S. 189). Entscheiden, ob Behandlung vor Bergung notwendig wird (z.B. eingeklemmter Verletzter im Pkw)! • Abtransport ins nächste Krankenhaus, u.U. in Schwerpunktklinik nach Beseitigung der akuten Schocksymptomatik. Durch zentrale Leitstellen können die Krankentransportfahrzeuge über Funk und Fernruf schnell eingesetzt werden. Die Leitstelle hält jederzeit Kontakt mit dem Notarzt, so daß auch über Abtransport mit einem NAW (Notarztwagen) oder gar Rettungshubschrauber und über das anzusteuernde Krankenhaus entschieden werden kann. Dieses wird vorab informiert, so daß hier schnell Vorbereitungen getroffen werden können. Beim Transport laufende Kontrolle der Vitalfunktionen. Dies ist in einem NAW gut gewährleistet. Der im NAW mitfahrende Arzt hat eine besondere Ausbildung zum Notarzt erfahren. Die Erste Hilfe erfolgt vor dem Abtransport. Sie umfassen Lagerung, Verbände, Schienung, Stillung arterieller Blutungen. Die Lagerung muß der Notfallsituation angepaßt sein: Bei Bewußtlosen stabile Seitenlage zum Freihalten der Atemwege und zur Aspirationsprophylaxe; bei Verletzten im Schock: Hochlagerung der unteren Extremität (Autotransfusion); bei Thoraxverletzungen mit Atemnot: halbsitzende Stellung; bei Wirbelsäulenverletzungen: streng horizontale Lagerung; bei Abdominalverletzungen: Lagerung mit angehockten Beinen. Verbände (s. Kap. 8, S.50): Auf Wunden, auch offene Frakturen, sterilen Verband, u.U. Druckverband. Spezielle Verbände: Mitra bei Kopfverletzungen; Desault-, Gilchristverband, Mitella bei Schulterverletzungen; Kornährenverband an der unteren Extremität. Schienung: Ruhigstellung der verletzten Extremität nach Stabilisierung der Vitalfunktionen. Fehlstellungen, auch bei offenen Frakturen, werden unter dosiertem Zug beseitigt, um weitere Schäden an Haut, Gefäßen und Nerven zu verhindern. Bei Verrenkungen gilt nur die sofortige Reposition des oberen Sprunggelenkes als indiziert. Fremdkörper in Wunden werden nicht entfernt. Zur Stabilisierung haben sich aufblasbare Kammerschienen bewährt. Arterielle oder venöse Blutungen lassen sich meist durch einen Druckverband stillen. Nur bei größeren arteriellen Blutungen muß bei Versagen des doppelt angelegten Druckverbandes eine pneumatische Blutsperre angelegt werden. Zeitpunkt der Blutsperre exakt dokumentieren!
2. Erste-MUfe-Maßnahmen - Lagerung - Verbände - Schienung - Stillung arterieller und venöser Blutungen
Diagnostik der Knochenbrüche
Diagnostik der Knochenbrüche: • Sichere Zeichen: Fehlstellung, abnorme Beweglichkeit, Krepitation (Knochenreiben), bei offenen Brüchen sichtbare Fragmente. • Unsichere Zeichen sind häufiger: gestörte oder aufgehobene Gebrauchsfähigkeit, Schwellung, Hämatom, Schmerz. Die Diagnose muß in diesen Fällen erst durch Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen erhärtet oder ausgeschlossen werden.
907
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre 4.1.2 Allgemeine Untersuchungstechniken
Allgemeine Untersuchungstechniken
Die Untersuchung erfolgt am entkleideten Patienten, bei Extremitäten ist der Seitenvergleich unerläßlich. Untersuchungsgang: Anamnese: Persönliche Anamnese, Unfallanamnese. Letztere nach Angaben Dritter (Unfallzeugen) und nach Aussage des Verletzten. Amnesie? Orientierung? (s.Schädel-Hirn-Verletzungen), Unfallumstand (z.B. Fallhöhe, Ort, Zeitpunkt, Geschwindigkeit des Pkw, Körperhaltung zum Zeitpunkt des Unfalles), Schmerzangaben. Beachte hierzu: Häufig nur Angaben der dominierenden Schmerzlokalisation, somit Gefahr, weitere Verletzungen zu übersehen! Inspektion: Formveränderung, Wunden, Fisteln, Narben, Weichteil-Gelenkschwellung, Hautverfärbung (Durchblutung!) und Temperatur, Muskelatrophien, Längenunterschiede. An der Hand: Beschwielung, Hautfältelung, Schweißabsonderung, Behaarung, Nagelwuchs. Bei Unfallfolgen und orthopädischen Erkrankungen: Inspektion zunächst am stehenden Patienten. Der entkleidete Patient wird von vorne beurteilt; zunächst bei paralleler Fußstellung Beurteilung der Beinachsen (Genua vara bzw. valga, Crura vara bzw. valga, Rotationsfehlstellung - Beurteilung der Ausrichtung der Patella). Leichtes Spreizen der Füße sowie deren Ent- und Belastung läßt die Form erkennen: Senkfuß, Spreizfuß, Hohlfuß. Seitliche Betrachtung: Hier sind Form der Wirbelsäule (Rundrücken, Flachrücken, Hohlkreuz), eine eventuelle Beckenkippung sowie im Zusammenhang mit der Untersuchung von vorne die Form des Brustkorbes (Trichterbrust, Kielbrust) zu beurteilen. Betrachtung von hinten: Hier ist zunächst der Schulterstand (Schultertiefstand) und durch Abfahren der Dornfortsätze die Form der Wirbelsäule (Seitausbiegung?) zu beurteilen. Unterschiedlich geformte Taillendreiecke können Hinweise für eine Skoliose sein. Durch Tasten der Spina iliaca anterior superior beiderseits lassen sich Beckengerad- bzw. -tiefstand beurteilen. Beurteilung des Gangbildes: Flüssiger Gang, Schmerzhinken (—» abgekürzte Standphase, evtl. unter Schmerzäußerungen), Verkürzungshinken {—¥ Auf- und Abbewegung des Körpers, Beckenschiefstand, Skoliose), Trendelenburg-Hinken (—» Watschelgang, ein- oder beidseitig, in der Standphase fällt Becken zur Gegenseite ab), Duchenne-Hinken (—> bei Insuffizienz der pelvitrochanteren Muskulatur: Schwerpunkt des Körpers wird über das erkrankte Hüftgelenk geschoben und Becken in der Standphase durch Neigung des Oberkörpers zur ipsilateralen Seite hin gerade gehalten). Palpation: Beginne nie an der schmerzhaften Region! Druckpunkte an Gelenkspalten, Sehnen und Seitenbandansätzen, im Verlauf der Sehnen und Muskeln selbst (Riß?), an Knochenvorsprüngen und Nervenverläufen prüfen. Krepitation beim Knochenbruch nicht erzwingen. Gelenkreiben? Gelenkerguß? Periphere Pulse! Kapillarpuls. Venenverlauf verhärtet, druckschmerzhaft? Sensibilität: Oberflächen- und Tiefensensibilität. Bei Wirbelsäulenerkrankungen Dermatome erforschen. Funktionsprüfung: Aktives und passives Bewegungsausmaß erfassen. Dieses wird heute nach der Neutral-Null-Methode einheitlich dokumentiert, ausgehend von einer definierten Neutral- oder Nullstellung: aufrechter Stand, hängende Arme, Daumen nach vorn gerichtet, parallel gestellte Füße, Blick nach vorn. Das Bewegungsausmaß wird mit 3 Zahlen angegeben. Die erste gibt die Bewegung vom Körper weg an (Extension, Abduktion, Außenrotation, Pronation), die zweite ist in der Regel der O-Durchgang (Normalstellung), die letzte gibt die Bewegung zum Körper hin an (Abb. 44.4-1).
Untersuchungsgang am entkleideten Patienten: Anamnese - persönliche Anamnese - Unfallanamnese - Unfallumstand - Schmerzangaben - Amnesie - Orientierung
Beispiel Handgelenk: Extension, Flexion: 60/0/50 Bei Einsteifung in 30 ° Streckstellung: 30/30/0°, bei einem Bewegungsausmaß von 40° nur in Beugestellung: 0/0/40°.
Weiterhin ist auf Lähmungen, (schlaff, spastisch) und Teillähmungen (Paresen), auf Gelenksperren und federnde Fixation zu achten.
Inspektion Hautmerkmale: - Formveränderungen - Schwellungen - Verfärbungen - Temperatur - Wunden Untersuchung im Stehen Von vorn: Beurteilung der Beinachsen, Spreizen der Füße mit Ent- und Belastung läßt erkennen: Senkfuß, Spreizfuß, Hohlfuß Seitliche Betrachtung: - Form der Wirbelsäule - evtl. Beckenkippung - Form des Brustkorbes (zusammen mit Frontbetrachtung) Von hinten: - Schulterstand - Form der Wirbelsäule (Abtasten der Dornfortsätze) - Form der Taillendreiecke (Skoliose) Tasten der Spina iliaca läßt erkennen: Beckengerad-, Beckentiefstand 1. Beurteilung des Gangbildes - flüssiger Gang - Schmerzhinken - Verkürzungshinken - Trendelenburg-Hinken - Duchenne-Hinken Palpation Nie an der schmerzhaften Stelle beginnen! Hauptgesichtspunkte: - Druckpunkte - Druckschmerzhaftigkeit - Krepitationen (nicht erzwingen) - Sensibilität, Pulse Funktionsprüfung (Abb. 44.4-1): • Bewegungsausmaß, nach Neutral-NullMethode, • Lähmungen, • Teillähmungen, • Gelenksperren, • Fixationen.
44. Unfallchirurgie
908
Abb.44.4-1: Bewegungsumfang am Kniegelenk (a), oberes Sprunggelenk (b) und Ellenbogengelenk (c, d) nach der Neutral-Null-Methode
3. Summarische Funktionsprüfung • Nackengriff, • Schürzengriff, • Beckenkippung beim Einbeinstand (Trendelenburg-Zeichen), • Prüfung der Wirbelsäulenbeweglichkeit: Lendenwulst, Rippenbuckel: Skoliose, • Ausweichbewegungen: Bandscheibenirritation. Längen- und Umfangsmessungen: Seitenvergleich an knöchernen Bezugspunkten: - Armlänge - Beinlänge - Umfangsmessungen Neurologischer Status. Dokumentation aller Befunde! Untersuchung von Gelenken, Gelenkkette
Auswärtsdrehung
Einwärtsdrehung Pronation
80-90°
80-90° ®
Summarische Funktionsprüfung: Untersucht werden Nackengriff, Schürzengriff, die Beckenkippung beim Einbeinstand (Trendelenburg-Zeichen: bei Insuffizienz der Glutealmuskulatur sinkt beim Stand auf dem erkrankten Bein das Becken zur gesunden Seite ab). Bei der folgenden Prüfung der Wirbelsäulenbeweglichkeit ist auf den Finger-Boden-Abstand bei Inklination sowie die Entfaltung der Lendenwirbelsäule (Veränderung des Abstandes der Dornfortsätze L W K I - L W K V, Schober-Index) zu achten. Eine Rotationsfehlstellung der Wirbelsäule führt bei Inklination zu einer vermehrten Lendenwulst bzw. einem Rippenbuckel, beides typische Zeichen für eine Seitausbiegung bzw. Skoliose. Bei Bandscheibenirritationen sind Ausweichbewegungen typisch. Längen- und Umfangsmessungen werden im Seitenvergleich an definierten, meist knöchernen Bezugspunkten durchgeführt. Armlänge: Akromionspitze - Processus styloideus radii; Beinlänge: Spina iliaca anterior superior Außenknöchelspitze. Umfangsmessungen: Oberschenkel 20 und 10 cm oberhalb des inneren Kniegelenkspaltes (IKS), Kniegelenk am Gelenkspalt, Unterschenkel 15 cm unterhalb des IKS, Fessel, Knöchel, Mittelfuß über Rist und Vorfuß über Mittelfußköpfchen. Ein neurologischer Status gehört ebenfalls zur Untersuchung (Sensibilitätsstörungen, Paresen, Ischiadikusdruckpunkte, Lasegue-Zeichen, - d.h. Ischiadikusdehnungschmerz Reflexverhalten). Eine exakte Dokumentation der erhobenen Befunde ist unerläßlich.
4.1.3 Untersuchung der Gelenke bzw. Gelenkketten Ft. Wolff An dieser Stelle werden die Standardtechniken der Untersuchung erläutert. Im Verletzungfall sind oft spezielle körperliche Untersuchungstechniken notwendig, die in den einzelnen Kapiteln vorgestellt werden.
Wirbelsäule - Prüfung von Inklination - Reklination, Rotation - Seitwärtsbewegung - Druckschmerz, Klopfschmerz - Finger-Boden-Abstand - Schober- u. Ott-Zeichen
Wirbelsäule: Prüfung von Inklination, Reklination, Seitwärtsbewegung, Rotation, Prüfung auf Druckschmerz und Klopfschmerz (Dornfortsätze, Iliosakralgelenke), Finger-Boden-Abstand, Schober-Zeichen, Ott-Zeichen. Seitverbiegung? Schultergelenke: Prüfung von Retroversion und Anteversion (40/0/160°), Abduktion/Adduktion (170/0/40°),
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
909
Außenrotation/Innenrotation (80/0/60°) (bei anliegendem und 90°-abduziertem Arm). Die Rotatorenmanschette wird auf Druckschmerzhaftigkeit geprüft; ebenso, ob sich bei isometrischer Kontraktion des entsprechenden Muskels der Schmerz verstärkt. Klinische Relevanz: „painful arc", bei passiver Abduktion des Armes klagt der Patient im Winkelbereich von etwa 50-100 Grad über Schmerzen. Der Druck auf die degenerativ veränderte Spuraspinatussehne in der Enge zwischen Acromion und Tuberculum majus ist hier die Ursache. Bei Insertionstendopathien ist jeweils der Fingerdruck auf den Ansatz der Außenbzw. Innenrotatoren schmerzhaft. Die Schmerzangabe wird verstärkt, wenn der Patient den Arm gegen Widerstand nach auswärts bzw. einwärts dreht.
Schuftergelenke Prüfung von: - Anteversion, Retroversion - Abduktion, Adduktion - Innenrotation, Außenrotation - Druckschmerzhaftigkeit der Rotatorenmanschette. Klinisch relevant ist der sog. „Painful arc".
Ellenbogengelenk: Geprüft wird Extension und Flexion (5/0/140°). Supination und Pronation (90/0/90°). Anschließend werden die Ursprünge der Extensoren und Flexoren palpiert. Klinische Relevanz: Schmerzen beim Druck auf den Ursprung der Extensoren für Hand und Finger (Epicondylus radialis) bzw. der Flexoren (Epicondylus ulnaris) weisen auf eine Insertionstendopathie hin („Tennisellenbogen", Epicondylitis humeri radialis). Die Schmerzen im Bereich des Epicondylus radialis verstärken sich, wenn der Patient die Hand gegen Widerstand extendieren soll (Thomsen-Zeichen). Differentialdiagnose: Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Einengung von Nervenwurzeln, Engpaßsyndrome von Ästen des N. radialis (Supinator-Schlitz-Syndrom).
Ellenbogengelenk Geprüft wird: - Flexion und Extension - Pro- und Supination - Palpation der Ursprünge an Extensoren und Flexoren Klinische Relevanz: Insertionstendopathie: Schmerz bei Druck auf Extensoren und Flexoren für Hand und Finger. Schmerzverstärkung bei Extension der Hand gegen Widerstand (Thomsen-Zeichen). Differentialdiagnose beachten.
Handgelenk, Fingergelenke: Geprüft werden aktive und passive Beweglichkeit der Gelenke (Handgelenk 60/0/60°). Beschwielung der Hand, trophische Störungen und Muskelatrophien werden beschrieben. Anschließend Prüfung von Spitzgriff, Schlüsselgriff, Hakengriff sowie Fingerkuppen-Abstand zur queren Hohlhandbeugefalte beim Faustschluß. Klinische Relevanz: Patienten mit PcP zeigen im fortgeschrittenen Stadium eine Ulnardeviation der Finger in den Grundgelenken. Knotenbildungen im Bereich der Fingergelenke können Zeichen einer Heberden- bzw. Bouchard-Arthrose sein. Wucherungen der Palmarfaszie mit Kontrakturen der Fingergelenke sind Zeichen eines Morbus Dupuytren. Die Beschwielung gibt Auskunft, ob mit der Hand gearbeitet wird, evtl. auch über Nervenstörungen. Muskelatrophien im Bereich des Daumenballens können Zeichen einer Schädigung des N. medianus (motorischer Ast) sein (Prüfung des Spitzgriffes). Können die Finger nicht gespreizt werden, ist insbesondere die Anspreizung des kleinen Fingers nicht möglich, spricht dies für eine Schädigung des N. ulnaris (Ausfall der Mm. interossei). Hüftgelenk: Geprüft werden in Rückenlage Extension/Flexion (10/0/130 °), Abduktion/Adduktion (40/0/30°) und Außenrotation/Innenrotation (40/0/ 30°) (Knie und Hüfte rechtwinklig gebeugt). Ein Streckdefizit im Hüftgelenk kann durch eine vermehrte Lordosierung der Lendenwirbelsäule ausgeglichen werden. Durch Anwinkeln des Gegenbeines (Knie auf die Brust) wird dieser Ausgleich vermieden (Thomas-Handgriff). Klinische Relevanz: Bei arthrotischen Veränderungen ist die Beweglichkeit im Hüftgelenk schmerzhaft eingeschränkt, beginnend mit der Rotation. Bei Säuglingen mit Hüft(sub-)luxation ist die Abspreizung behindert (ferner besteht eine Faltenasymmetrie im Bereich der Glutealregion). Bei der Epiphyseolysis capitis femoris ist die Innenrotationsbeweglichkeit vermindert (Drehmann-Zeichen). Ein veränderter CCD- oder Antetorsionswinkel beeinflußt ebenfalls die Rotationsbeweglichkeit. Bei der Coxa saltans springt der Tractus iliotibialis über den Trochanter major. Kniegelenk: Neben Prüfung der Beweglichkeit (5/0/130°) ist hier auf die Bandstabilität, Ergußbildung, retropatellaren Knorpelschaden und Meniskussymptomatik sowie das Relief der Oberschenkelmuskulatur zu achten. Es wird jeweils versucht, durch mechanische Beanspruchung der verletzten
- aktive und passive Beweglichkeit der Gelenke - Beschwielung der Hand - Muskelatrophien - Spitzgriff - Schlüsselgriff, Hakengriff - Fingerkuppenabstand zu Hohlhandbeugefalte bei Faustschluß Klinische Relevanz: - PcP: Ulnardeviation der Finger in den Grundgelenken, - Heberdenarthrose: Knotenbildung im Bereich der Fingergelenke, - Morbus Dupuytren: Wucherungen der Palmarfaszie, Kontrakturen der Fingergelenke, Beschwielung, - Nervenstörungen: - Schädigung des N. medianus: Muskelatrophien im Daumenballenbereich. - Schädigung des N. ulnaris: Finger können nicht gespreizt werden (besonders kleiner Finger). Hüftgelenk Prüfung von: - Extension, Flexion, - Abduktion/Adduktion, - Außenrotation/Innenrotation. Klinische Relevanz: - arthrotische Veränderung: schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit im Hüftgelenk, - Epiphyseolysis: Innenrotationsbeweglichkeit vermindert. - Coxa saltans: Springen des Tractus über den Trochanter. Kniegelenk Prüfung von: - Beweglichkeit - Bandstabilität
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44. Unfallchirurgie
- Ergußbildung - Knorpelschaden - Meniskussymptomatik - Relief der Oberschenkelmuskulatur Klinische Relevanz: Ruptur des Innenbandes: Aufklappbarkeit des Knies im Valgussinne. Ruptur des vorderen Kreuzbandes: Nachvorneziehen des Tibiakopfes beim leicht (30°) gebeugten Knie (oder LachmannTest) Ergüsse im Kniegelenk: Ansammlung von Flüssigkeit im oberen Gelenkrezessus (jeder blutige Erguß wird punktiert).
Struktur deren Funktionsverlust nachzuweisen bzw. einen Schmerzreiz zu provozieren. Klinische Relevanz: Läßt sich das (leicht gebeugte) Knie im Valgussinne aufklappen, ist das Innenband rupturiert (ist das gestreckte Knie aufklappbar, muß auch die hintere Gelenkkapsel eingerissen sein). Läßt sich der Tibiakopf gegen die Femurkondylen beim gebeugten Knie nach vorne ziehen (vordere Schublade), ist das vordere Kreuzband rupturiert. (Eine isolierte vordere Kreuzbandruptur läßt sich besser durch den Lachmann-Test nachweisen: der nur leicht gebeugte Unterschenkel wird gegen den Oberschenkel verschoben. Die muskuläre Stabilisierung läßt sich hierbei überspielen). Weitere Untersuchungen s. 5.4.3, S. 982. Bei Ergüssen im Kniegelenk sammelt sich die Flüssigkeit im oberen Gelenkrezessus. Wird er mit einer Hand ausgedrückt, schwimmt die Patella auf, sie läßt sich federnd auf die Kondylen drücken („tanzende Patella"). Ein längere Zeit bestehender blutiger Erguß führt zur enzymatischen Knorpelandauung, er muß daher abpunktiert werden.
Fuß Prüfung von: - Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk, - Beweglichkeit in den Zehengelenken, - Stabilität des oberen Sprunggelenkes durch Aufklappversuche und Schubladenbewegung.
Fuß: Hier ist die Beweglichkeit im oberen (20/0/40°) und unteren Sprunggelenk sowie in den Zehengelenken zu prüfen. Die Beschwielung gibt Auskunft über die Druckverteilung beim Belasten. Die Stabilität des oberen Sprunggelenkes wird - wie beim Kniegelenk - durch Aufklappversuche (Ruptur des Lig. fibulocalcaneare) und Schubladenbewegung (Lig. fibulotalare anterius) überprüft.
Spezielle Untersuchungstechniken
4.1.4 Spezielle Untersuchungstechniken G. Federmann,
H. Zilch
Röntgenaufnahmen: immer in 2 Ebenen, Ferner: - Spezialaufnahmen - Funktionsaufnahmen - gehaltene Aufnahmen (Bandverletzungen) - Tomographien - CT - Angiographie, Arthrographie - Beurteilung der Veränderung der Knochenstruktur (Aufhellungen, Verdichtungen) - Weite des Gelenkspaltes und Kontur - Randwulstbildungen - Knochenausziehungen
Röntgenaufnahmen bei Verdacht auf Verletzungen oder deren Folgen immer in 2 Ebenen erforderlich, u. U. weitere Spezialaufnahmen (z. B. Schrägaufnahmen der Wirbelsäule zur Beurteilung der Foramina intervertebralia und Interartikularportion oder sog. Kahnbeinserie an der Hand mit 4 Aufnahmen zum Ausschluß einer Skaphoidfraktur), Funktionsaufnahmen (HWS), gehaltene Aufnahmen bei Bandverletzungen (ulnares Seitenband Daumengrundgelenk, oberes Sprunggelenk, Kniegelenk). Gehaltene Aufnahmen nur im Seitenvergleich auswertbar (Ausschluß einer physiologischen Bandlaxität). Tomographien, CT, Angiographien, Arthrographien, Myelographien. Bei der Beurteilung der Röntgenbilder ist neben der Suche nach Fissuren und Frakturen auf Veränderungen der Knochenstruktur (z.B. zystische Aufhellungen bzw. Verdichtungen) zu achten. Bei Gelenken ist die Weite des Gelenkspaltes (Verschmälerung bei Arthrose, Erweiterung bei Erguß) sowie die begrenzende Kontur (glatt, wellig, formschlüssig) zu beurteilen. Randwulstbildungen bzw. exophytäre Knochenausziehungen sind Zeichen degenerativer Veränderung.
Arthrographie Darstellung des Gelenkbinnenraumes, Knorpel, Bänder, Sehnen, Menisken
Arthrographie: Darstellung des Gelenkbinnenraumes durch intraartikuläres Einspritzen eines Kontrastmittels zur Darstellung der im Röntgenbild nicht erkennbaren Strukturen wie Knorpel, Bänder oder Sehnenverläufe. Durch gleichzeitige Injektion von Luft entsteht ein Doppelkontrastarthrogramm. Hauptindikationen sind das Schultergelenk: Riß der Supraspinatussehne (s.Abb. 46-4, S.1036) oder der Rotatorenmanschette? Oberes Sprunggelenk: Riß der Syndesmose, der äußeren Seitenbänder, Knorpelflakes? Handgelenk: Bandverletzungen der Handwurzel, des distalen Radio-ulnarGelenkes oder Verletzungen des Discus triangularis. Die Bedeutung der Arthrographie am Kniegelenk ist durch die Arthroskopie erheblich zurückgegangen.
Hauptindikation: - Schultergelenk - oberes Sprunggelenk - Handgelenk
Sonographie der Weichteile
Sonographie der Weichteile: Neben der direkten Befunderkennung oder Diagnose kann sie durch die dynamische Untersuchung ergänzt werden:
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
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Abb. 44.4-2: Sonographie: Peritendinose der Achillessehne mit spindelförmiger Verdickung
Bewegungsabläufe können beobachtet werden, z.B. das Gleiten der Beugesehnen an den Fingern oder das Verhalten des Außenbandapparates am Sprunggelenk. In dieser Situation kann die Sonographie zum Teil alternativ zur Röntgenfunktionsuntersuchung eingesetzt werden. Punktion, Drainageplazierung. Raumforderungen lassen sich sonographisch gesteuert punktieren und das gewonnene Punktat weiter analysieren: solide oder flüssig, Serom, Hämatom oder Eiter, zusätzlich laborchemisch (z.B. Harnsäure), bakteriologisch oder zytologisch. Therapeutisch kann die Sonographie zur gezielten Drainageplazierung genutzt werden.
• ergänzt die klinische und radiologische Diagnostik • direkte Befunderkennung • Funktionsuntersuchungen Ultraschallgesteuerte Punktionen möglich!
Indikationen: • Verletzungen: Hämatome, Muskel- und Sehnenrisse (Achillessehne, Abb. 44.4-2), Bandrupturen (oberes Sprunggelenk, vorderes Kreuzband), selten Frakturen • Gelenkläsionen: Ergüsse, Hämatome (Punktion möglich!), Synovialitis, Bandzerreissungen, freie Gelenkkörper. Schulter: Rotatorenmanschetten- und Bizepssehnenverletzungen, Beurteilung der Hill-Sachs-Delle nach Luxation (Funktionsuntersuchung). Hüfte: Screeninguntersuchung beim Säugling zum Nachweis der angeborenen Hüft(sub)luxation, Erguß bei Koxitis. Knie: Erguß, Hämarthros, freier Gelenkkörper, Meniskusrisse, Ruptur des vorderen Kreuzbandes, Baker-Zyste, Bursitis praepatellaris • Weichteilentzündungen: Abszesse, Fisteln, diffuse Entzündungen, Myositis, Tendovaginitis, Bursitis • Knochen: Frakturen, Tumoren, Osteitis (Abszesse, Fisteln), Osteosyntheseinfekte • Weichteilgeschwülste: Zysten, Ganglien, Hygrome (s.Abb.46-6, S. 1037), Tumoren, Lymphknoten • Körperhöhlen: Rippenfrakturen mit Pleuraerguß, Milz- und Leberverletzungen, freie Flüssigkeit bei Bauchtraumen • Verlaufskontrollen postoperativ: jederzeit einsetzbar, Differenzierung von Weichteilschwellungen, auch durch Punktion (Hämatome, Abszesse usw.), ggf. mit Drainierung.
Indikationen für die Sonographie • Verletzungen • Gelenkläsionen • Weichteilentzündungen • Knochenerkrankungen • Weichteiltumoren • Pleuraergüsse, innere Verletzungen (Leber, Milz) • Verlaufskontrollen postoperativ
Therapie mit Ultraschall: Ultraschall wird zur Behandlung von Pseudarthrosen, Epikondylitiden, Insertionstendinosen, Achillodynien u.v. a. eingesetzt. Dabei kann die Zieleinstellung radiologisch oder sonographisch erfolgen. Die Behandlung führt in den meisten Fällen zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden.
Therapie mit Ultraschall Behandlung von Pseudarthrosen, Epikondylitiden, Insertionsdendinosen, Achillodynien. Danach meist Besserung der Beschwerden.
Die Arthroskopie (Abb. 44.4-3 a) ist ein invasives Untersuchungsverfahren. Sie wird bei größeren - vor allem am Kniegelenk - , zunehmend auch bei kleineren Gelenken eingesetzt. Die kleindimensionierte Optik wird in das betreffende Gelenk eingeführt. Mit Hilfe einer angeschlossenen Videokamera läßt sich der Gelenkbinnenraum betrachten. Neben der diagnostischen Indikation, erlaubt sie auch operative Eingriffe zur Versorgung von Gelenkläsionen (minimal-invasive Chirurgie).
Arthroskopie Invasives Untersuchungsverfahren! Erlaubt die Inspektion des Gelenkbinnenraumes mit Hilfe einer kleindimensionierten Optik und Video-Kamera.
Technik: Die Arthroskopie erfolgt unter hochsterilen Bedingungen im Operationssaal. Sie kann in örtlicher, regionaler oder in Allgemeinanästhesie durchgeführt werden. An den peripheren Gelenken ist eine temporäre Blutsperre sinnvoll. Über eine Stichinzision mit Hilfe der Bildwandlerkontrolle oder nach vorheriger Auffüllung
Technik Voraussetzungen: hochsteril und im Operationssaal. In Lokal-, Regional- oder Allgemeinanästhesie durchführbar.
Operationen im Gelenk ebenfalls möglich!
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44. Unfallchirurgie
a Abb.44.4-3: Arthroskopie:
Untersuchungstechnik (a) und Befund: Meniskusquerriß
M i t „Tasthaken" lassen sich die Strukturen indirekt „ b e f ü h l e n " und mit Probeexzisionszangen gezielt Untersuchungsmaterial entnehmen.
Indikationen Die Arthroskopie ist indiziert: 1. w e n n durch nicht invasive Untersuchungsverfahren, akute oder chronische Gelenkbeschwerden nicht abzuklären sind. 2. w e n n eine arthroskopische Operation geplant ist. Spezielle Indikationen für verschiedene Gelenke: • Kniegelenk • Schultergelenk
• Ellbogengelenk • Handgelenk • Sonstige Gelenke Kontraindikationen • Absolute: offene oder infizierte W u n d e n in der U m g e b u n g • Relative: Gelenksteife, da nur unvollständige Beurteilung möglich. Gelenkinfektion keine Kontraindikation: • Diagnosesicherung möglich • Therapeutische M a ß n a h m e n möglich: Spülung, Synovektomie, Spül-SaugDrainage Komplikationen u n d Häufigkeit • Diagnostische Arthroskopie 0,6% • Arthroskopische Eingriffe 1-2,4% • Thromboembolien 34% • Durch Instrumente bedingte -> 18% • Infekte (besonders gravierend) -> 13% • Bandverletzungen - > 7 %
b (b)
des Gelenkraumes mit physiologischer NaCI-Lösung, läßt sich der Arthroskopieschaft einführen durch den man das Gelenk klarspült und dann die Optik durchschiebt. O f t sind mehrere Zugänge zur Gesamtbeurteilung des Gelenkinnenraumes erforderlich (Abb. 44.4-3). Beispiel Kniegelenk: Beurteilt werden die gesamte Gelenkfläche, die -innenhaut, die Menisci, Plicae, intraartikuläre Bänder und (am Beispiel des Schultergelenks) der Limbus. Mit Tasthaken lassen sich die Strukturen indirekt „befühlen", mit Probeexzisionszangen gezielt Proben entnehmen. In gleicher Sitzung können therapeutischoperative M a ß n a h m e n vorgenommen werden. Man beendet die Arthroskopie mit einer ausgiebigen Spülung und einer Drainage.
Indikationen: Die Arthroskopie ist dann indiziert, wenn durch nicht invasive diagnostische Verfahren, akute oder chronische Gelenkbeschwerden nicht abgeklärt werden können oder von vorneherein eine arthroskopische Operation geplant ist. Für die Gelenke gibt es spezielle Indikationen: • Kniegelenk (Abb. 44.4-3 b): jeder Hämarthros nach einem Trauma, Verdacht auf Läsionen am Gelenkknorpel, Kreuzbandriß, osteochondrale Frakturen, freie Gelenkkörper, Meniskusverletzungen oder -Schäden, Patellaluxation, anhaltende Gelenkbeschwerden unklarer Genese, gichtbedingte-, rheumatische- oder gonorrhoische Kniegelenksbeschwerden • Schultergelenk: Zusatzverletzungen nach Schulterluxation (Bankart-Läsion, Hill-Sachs-Delle), Instabilität der Schulter, Läsion der Rotatorenmanschette, freie Gelenkkörper • Ellbogengelenk: Knorpelschäden, Osteochondrosis dissecans, freie Gelenkkörper • Handgelenk: Diskus- oder Bandverletzungen • sonstige Gelenke: Knorpelschäden, Osteochondrosis dissecans, freie Gelenkkörper, Diskus- oder Bandverletzungen. Kontraindikationen. Absolute: offene oder infizierte Wunden in unmittelbarer Nähe des Gelenks, relative: weitgehende Gelenksteife, da eine vollständige Beurteilung nicht möglich sein wird. Eine Gelenkinfektion ist an sich keine Kontraindikation, da bei der Arthroskopie die Diagnose gesichert und zugleich therapeutische M a ß n a h m e n möglich sind: Gelenkspülung, Synovektomie, Spül-Saug-Drainage.
Die Komplikationsrate bei der diagnostischen Arthroskopie (z.B. Kniegelenk) beträgt 0,6%, bei arthroskopischen Operationen 1-2,4%; sie ist an anderen Gelenken etwas höher. Mit folgender Komplikationshäufigkeit ist zu rechnen: Thromboembolien 34 %, durch Instrumente bedingte 18 %, Infekte (am gravierendsten!) 13 %, Bandverletzungen 7 %, andere (Anästhesie, Frakturen, Gefäßverletzungen, „Dystrophien").
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Beispiele für Befunde am Kniegelenk: Membrana synovialis: Synovialitis, Gichtarthropathie, Plica-Syndrome, Einblutungen (z.B. am Hoffa-Gelenkkörper) Knorpel: Flake-fracture, osteochondrale Frakturen, Osteochondrosis dissecans, degenerative Schäden (I-VI°), Gicht, Chondrokalzinose, Arthrophyten Menisci: Risse (Lappen-, Quer-, Längs-, Korbhenkelrisse), chronische Meniskusschäden, Meniskusganglien Bänder: frischer oder älterer Kreuzbandriß oder -teilruptur, Verletzungen der Seitenbänder Funktionsuntersuchung: Bewegungsablauf im femoro-patellaren Gelenkanteil (Patella(sub)luxation), Bewegungsablauf im medialen oder lateralen Gelenkkompartment Sonstige: freie Gelenkkörper, Lage von Implantaten, Baker-Zyste (durch Füllung bei der Arthroskopie).
Beispiele für Befunde an den Strukturen des Kniegelenks: Membrana synovialis Knorpel
Arthroskopische Operationen: A m Beispiel des Kniegelenks sind f o l g e n d e a r t h r o s k o p i s c h e O p e r a t i o n e n , inzwischen a u c h f ü r d a s Schultergelenk u n d andere Gelenke, möglich:
Arthroskopische Operationen
Menisci Bänder Funktionsuntersuchungen
Sonstige
4 =
• Meniskus(teil)resektion, -refixierung und Refixierung osteochondraler Frakturen • Naht- bzw. Plastik des vorderen Kreuzbandes und Entfernung freier Gelenkkörper, Fremdkörper und Implantate • Synovektomie, Plicaresektionen und „lateral release" sowie mediale Kapselraffung bei Patella(sub)luxation • Gelenktoilette bei Arthrose (Arthrophytenabtragung, Synovektomie) und Knorpelglättung, Pridie-Bohrung) Vorteile a r t h r o s k o p i s c h e r O p e r a t i o n e n g e g e n ü b e r d e n h e r k ö m m l i c h e n E i n g r i f f e n sind: g e r i n g e r e O p e r a t i o n s b e l a s t u n g u n d S c h m e r z e n , f r ü h e M o b i l i sierung (Gelenk und Patient), verkürzter Krankenhausaufenthalt, geringere Behandlungsdauer und Arbeitsunfähigkeit. D i e M R T h a t f ü r d i e W e i c h t e i l d i a g n o s t i k Vorteile, d a sie d e n W e i c h t e i l k o n t r a s t i m Vergleich z u r C T deutlich b e s s e r darstellt. D i e Vitalität v o n Knorpel o d e r d e r I n h a l t zystischer Tumoren ist s e h r gut zu b e u r t e i l e n , z . B . ist d i e a n e u r y s m a t i s c h e K n o c h e n z y s t e flüssigkeitsgefüllt, d e r R i e s e n z e l l t u m o r d e s K n o c h e n s a b e r solide. E b e n s o lassen sich d i v e r s e Flüssigkeiten f ü r die Differentialdiagnose unterscheiden. Kontraindikation. D i e U n t e r s u c h u n g s m e t h o d e ist b e i P a t i e n t e n m i t M e t a l l implantaten (Osteosynthesematerial, Endoprothesen, Herzschrittmacher) absolut k o n t r a i n d i z i e r t . D i e s s c h r ä n k t d i e I n d i k a t i o n e n g e r a d e im u n f a l l c h i r u r g i s c h e n B e r e i c h e r h e b l i c h ein.
Vorteile arthroskopischer Operationen • Geringere Operationsbelastung und Schmerzen • Frühe Mobilisierung des Gelenks • Kürzerer Klinikaufenthalt, kürzere Behandlungsdauer und Arbeitsunfähigkeit Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) Zur Weichteildarstellung sehr geeignet. Konturen besser abgrenzbar im Vergleich zum CT. • Merke: Die Methode ist kontraindiziert bei Patienten mit Metallimplantaten (Osteosynthesematerial, Herzschrittmacher usw.).
4.2 Einteilung der Brüche
Einteilung der Brüche
4.2.1 Traumatische Frakturen
1. Bei traumatischen Frakturen:
Ä u ß e r e Gewalteinwirkung führt zur Kontinuitätsdurchtrennung des Knoc h e n s direkt a m O r t d e r G e w a l t e i n w i r k u n g ( U n t e r s c h e n k e l b r u c h d u r c h S t o ß s t a n g e ) o d e r indirekt d u r c h H e b e l w i r k u n g e n ( s u b k a p i t a l e H u m e r u s f r a k t u r bei S t u r z auf d e n g e s t r e c k t e n A r m ) . H i e r z u g e h ö r e n auch d i e Abrißfrakturen d u r c h Z u g k r ä f t e an A n s ä t z e n v o n S e h n e n o d e r S e i t e n b ä n d e r n ( A b b . 44.4-4). D i e D u r c h t r e n n u n g d e s K n o c h e n s k a n n u n v o l l s t ä n d i g sein ( u n v o l l s t ä n d i g e B r ü c k e , Fissuren ( H a a r r i s s e ) o d e r I n f r a k t i o n e n ) .
Kontinuitätsdurchtrennung des Knochens direkt: am Ort der Gewalteinwirkung, indirekt: durch Hebelwirkung (hierzu auch Abrißfraktur).
Sonderformen stellen die Grünholzbrüche der Kinder dar, bei denen die gebrochenen Kortikales durch das beim Kind verdickte Periost geschient werden, so daß bis auf eine eventuelle Knickbildung keine gröberen Verschiebungen möglich sind. Auch der Wulstbruch des Kindes (z.B. Radiusbasis) mit kurzer wulstartiger Verdikkung der Kortikalis durch Einstauchung gehört in diese Kategorie. Die traumatisch bedingten Brüche können nach Entstehungsmechanismen bzw. G e w a l t e i n w i r k u n g w e i t e r u n t e r t e i l t w e r d e n . K r ä f t e ( D r u c k , Z u g , Schub) und M o m e n t e bewirken F r a k t u r f o r m e n , die wiederum Rückschlüss e auf d i e A r t d e r G e w a l t e i n w i r k u n g z u l a s s e n ( g e r i c h t s m e d i z i n i s c h e R e l e vanz!).
Vollständige Durchtrennung des Knochens möglich: • Fissuren (Haarrisse), • Infraktionen. Sonderformen: • Grünholzbrüche bei Kindern: gebrochene Kortikales werden durch verdicktes Periost geschient. Folge: keine gröberen Verschiebungen. Hierzu gehört auch der Wulstbruch des Kindes. Einteilung der Brüche nach Entstehungsmechanismen (Abb. 44.4-4):
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44. Unfallchirurgie
Iii
I e
Abb.44.4-4: Einteilung von Knochenbrüchen nach dem Verlauf der Bruchlinien, a. Querbruch, b. Biegungsbruch, c. Schrägbruch, d. Spiralbruch, e. Stückbruch, f. Trümmerbruch, g. Wulstbruch, h. Grünholzbruch, i. Abrißfraktur am Kalkaneus, j. Kompressionsbruch am Wirbelkörper
(IS Biegungsbruch: bei Druck auf Röhrenknochen Einriß der Kortikalis. Im Bereich der Druckspannung bleibt Biegungskeil ausgespart.
Biegungsbruch: Bei umschriebener Krafteinleitung (Druck) auf einen Röhrenknochen biegt sich dieser proximal und distal infolge des Trägheitsmomentes, so daß auf der Gegenseite Zugspannungen entstehen. Hier reißt die Kortikalis ein, während im Bereich der Druckspannungen ein Biegungskeil ausgespart wird.
(2) Abscher-, Schubfraktur: bei hoher kinetischer Energie - > , .glatte" quere Fraktur.
Abscher-, Schubfraktur: Bei hoher kinetischer Energie verbleibt dem Knochen keine Zeit zur Verformung. Es kommt zur „glatten" queren Fraktur. Hierzu gehören auch die Meißelfrakturen, z.B. am Tibiakopf und Radiusköpfchen.
(3) Torsionsfraktur: spiraliger Frakturverlauf. A m Unterschenkel: Fibula ist immer proximal der Tibia frakturiert (Skifahrer). {4} Abrißfrakturen: Entstehung durch Zugkräfte an Sehnen oder Seitenbandansätzen. Frakturlinie nahezu senkrecht zur einleitenden Kraft. Abrißfrakturen zeigen immer Diastase Indikation zur operativen Behandlung.
Torsionsfrakturen: Bei Einwirkung eines Momentes zeigt sich ein spiraliger Frakturverlauf. Am Unterschenkel ist die Fibula typischerweise immer proximal der Tibia frakturiert (z.B. Schuhrandbrüche der Skifahrer).
(5) Kompressionsfrakturen: Entstehung a m spongiösen Knochen bei axialer Druckkraft. (6) Sonderformen: - Stück- oder Etagenbrüche - Trümmerbrüche - Defektbrüche - Kettenfrakturen - Luxationsfrakturen
Kompressionsfrakturen entstehen am spongiösen Knochen bei axialer Druckkraft (Tibiakopf, Wirbelkörper, Kalkaneus).
Abrißfrakturen: entstehen durch Zugkräfte an Sehnen- oder Seitenbandansätzen. Die Frakturlinie verläuft mehr oder weniger senkrecht zur einleitenden Kraft. Beispiel: Patella (Quadrizepssehne), Tuber calcanei (Achillessehne), Olekranon (Trizepssehne), Fingerendglied (Streckaponeurose), knöcherner Ausriß des ulnaren Seitenbandes am Daumengrundgelenk. Die Abrißfrakturen zeigen infolge des Muskelzuges immer eine Diastase; sie stellen daher eine Indikation zur operativen Behandlung dar.
Sonderformen: Stück- oder Etagenbrüche entstehen bei breitflächig einwirkender Kraft. Trümmerbrüche bestehen aus mehr als 6 Fragmenten. Defektbrüche haben Knochengewebe verloren, z.B. als Schußbruch oder z.B. bei schweren Motorradunfällen. Von Kettenfrakturen spricht man, wenn an einer Extremität verschiedene Knochen gebrochen sind z.B. durch Sturz aus größerer Höhe oder als Knieanpralltrauma an das Amaturenbrett bei Auffahrunfällen mit Patellaund Oberschenkelbruch. Bei gleichzeitiger Verrenkung in einem Gelenk liegt eine Luxationsfraktur vor.
2. Spontanfrakturen
4.2.2 Spontan- und Ermüdungsbrüche
• Entstehung am vorgeschädigten Knochen bei: - Osteoporose - Osteomyelitis - Knochenzysten
Spontanfrakturen entstehen durch eine inadäquate Einwirkung bei vorgeschädigtem Knochen, am häufigsten bei Osteoporose (fischwirbelartige Verformung der Wirbelkörper) und bei anderen endokrinen und Mineralstoffwechselstörungen. Auch kann eine Osteomyelitis (Osteitis) eine Spontanfraktur erzeugen. Juvenile Knochenzysten (am häufigsten an der proxi-
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
malen Humerusmetaphyse) werden häufig erst durch die Spontanfraktur diagnostiziert, desgleichen Enchondrome am Fingerskelett. Neben diesen gutartigen Knochenerkrankungen gibt es auch bösartige, die zwangsläufig zu einer Schwächung des Knochens führen: primäre, häufiger noch sekundäre Knochengeschwülste (Metastasen). Diese pathologischen Frakturen treten nach metastasierenden Karzinomen folgender Organe auf: Mamma, Prostata, Niere (Hypernephrom), Bronchialsystem, Schilddrüse, Magen und Dickdarm (Abb.44.4-5, s. 47-20, S. 1049). Ermüdungsbriiche sind gekennzeichnet durch eine schleichende Kontinuitätsdurchtrennung durch sich wiederholende Mikrotraumen bei gleichzeitigen Reparationsvorgängen, so daß es nicht zu einer vollständigen Fraktur kommt. Der Knochen ist an bestimmte Streßsituationen noch nicht adaptiert. Am bekanntesten sind diese Brüche an den Metatarsalia II-V und an der Fibula bei Soldaten (Marschfrakturen) oder Langstreckenläufern, an den Wirbeldornfortsätzen (Schipperkrankheit) und am Schenkelhals. Die Abb. 44.4-6 zeigt eine Ermüdungsfraktur am Schienbein proximal. Dislokationen: Maßgeblich für die Benennung der Verschiebung ist die Verlagerung des peripheren Fragmentes (Abb. 44.4-7). Dislocado ad axim: Abknickung in sagittaler oder vertikaler Ebene. Dislocatio ad latus: Seitliche Verschiebung. Dislocado ad longitudinem: Verschiebung in der Längsachse mit Verkürzung (cum contractione) oder Verlängerung (cum distractione). Dislocatio ad peripheriam: Drehung um die Längsachse (Drehfehlstellung).
Abb. 44.4-7: 1 Dislocatio ad axim, 2 Dislocatio ad latus, 3 Dislocatio ad longitudinem cum contractione, 4 Dislocatio ad peripheriam
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Enchondrome • Nach metastasierenden Karzinomen folgender Organe: Mamma, Prostata, Niere, Bronchialsystem, Schilddrüse, Magen, Dickdarm (Pathologische Frakturen Abb.44.4-10) 3. Ermüdungsbrüche Schleichende Kontinuitätsdurchtrennung durch Mikrotraumen bei gleichzeitigen Reparationsvorgängen. Folge: keine vollständige Fraktur
Dislokationen (Abb. 44.4-7)
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44. Unfallchirurgie
Abb.44.4-8: AO-Klassifikation: Fortlaufende Numerierung der Knochen. Bei langen Röhrenknochen zusätzlich: proximal 1, diaphysär2, distal 3. Beispiel: Knochensegment 32 = Diaphyse des Femur
4.2.3 AO-Einteilung Einteilung der Frakturen nach dem AOSystem
Das grundlegende Prinzip der AO-Einteilung ist die Unterteilung aller Frakturen eines Knochensegmentes in 3 Typen, die ihrerseits in 3 Gruppen und diese wiederum in 3 Untergruppen unterteilt werden. Entsprechend ihrer morphologischen Komplexität und dem Schwierigkeitsgrad ihrer Behandlung und ihrer Prognose sind sie nach Schweregrad geordnet.
1
Dabei werden die langen Röhrenknochen fortlaufend numeriert (Humerus Nr. 1), der Knochen in 3 Segmente unterteilt: 1 proximal, 2 diaphysär, 3 distal (z.B. 11 = proximaler Humerus) (Abb. 44.4-8). Jedes Knochensegment wird unterteilt in 3 Typen (A, B, C), diese wiederum in je 3 Gruppen (z.B. AI, A2, A3) und jede Gruppe in je 3 Untergruppen, so daß jedes Knochensegment in 27 Untergruppen unterteilt werden kann (Abb. 44.4-9). Die Frakturtypen des diaphysären Segmentes sind entweder „einfach" (Typ A) oder „mehrfragmentär". Bei den mehrfragmentären Frakturen werden „Keilfrakturen" (Typ B) und „komplexe Frakturen" (Typ C) unterschieden. Die Frakturen des proximalen und distalen Segmentes sind entweder „extraartikulär" (Typ A) oder „artikular". Bei den artikularen Frakturen werden „partiell artikulare Frakturen" (Typ B) und „vollständig artikulare Frakturen" (Typ C) unterschieden (Abb. 44.4-10). Die Untergruppen entsprechen den 3 charakteristischen Frakturvarianten jeder Gruppe. Der zunehmende Schweregrad der Fraktur wird durch den Farbwechsel von grün über orange zu rot sowie durch die dunkel werdende Schattierung der Pfeile gekennzeichnet. AI ist daher die einfachste Fraktur mit der besten Prognose und C3 die schwierigste Fraktur mit der schlechtesten Prognose. Daher ergibt die AOKlassifikation Hinweise für deren beste Behandlung, ausgehend von dem Schwere-
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
917
Skala des Schweregrades
••
••
B
/.'
••
Knochen Segment
Abb.44.4-9: Darstellung des
y
c AB
AO-Klassifikationsprinzips
Abb.44.4-10: Frakturtypen der diaphysären und der Mehrzahl der proximalen sowie distalen Segmente der langen Röhrenknochen
42- Tibia/Fibula Diaphyse
= 30*
42-A
a
Einfache Fraktur, spiralförmig .1 Fibula intakt .2 Fibula auf anderer Höhe frakturiert .3 Fibula auf gleicher Höhe frakturiert
1
Kellfraktur, Drehkell .1 Fibula intakt .2 Fibula auf anderer Höhe frakturiert .3 Fibula auf gleicher Höhe frakturiert
C1 1.1 :.2 .3
Einfache Fraktur, schrfig ( i 30°) .1 Fibula Intakt 1.2 Fibula auf anderer Höhe frakturiert 1.3 Fibula auf gleicher Höhe frakturiert
2
Kellfraktur, Blegungskell .1 Fibula intakt .2 Fibula auf anderer Höhe frakturiert .3 Fibula auf gleicher Höhe frakturiert
CZ
Einfache Fraktur, quer (< 30°) .1 Fibula intakt .2 Fibula auf anderer Höhe frakturiert .3 Fibula auf gleicher Höhe frakturiert
3
Keilfraktur, Keil fragmentiert .1 Fibula intakt .2 Fibula auf anderer Höhe frakturiert .3 Fibula auf gleicher Höhe frakturiert
>
Komplexe Fraktur, spiralförmig mit zwei Zwischenfragmenten mit drei Zwischenfragmenten mit mehr als drei Zwischenfragmenten
Komplexe Fraktur, etagenförmig 1 mit einem segmentalen Zwischenfragment 1.2 mit einem segmentalen Zwischenfragment und zusätzllchem(n) Keilfragment(en) 8.3 mit zwei segmentalen Zwischenfragmenten
C3
Komplexe Fraktur, Irregulär .1 mit zwei oder drei Zwischenfragmenten .2 mit geringer Triimmerzone (< 4 cm) .' .3 mit ausgedehnter Trümmerzone (£ 4 cm)
Abb.44.4-11: Zunehmende Komplexität der Verletzung v o m AO-Typ A1.1 bis Typ C3.3am Beispiel des Segments 42
grad der Verletzung. Ein Beispiel am proximalen Humerus möge dies erläutern: Die Codenummer 11A1.1 bezeichnet einen unverschobenen Bruch des Tuberculum majus, die Nr. 11C3.3 eine dislozierte Mehrfragmenteluxationsfraktur. Am Beispiel des Unterschenkelbruches im Diaphysenbereich (Segment 42) wird anhand der Abb. 44.4-11 beispielhaft die zunehmende Komplexität der Verletzung von 42A1.1 bis 42C3.3 deutlich.
4.3 A l l g e m e i n e s zu Gelenkverletzungen
Aiigemeines zu Gelenkverletzungen
Kontusion (Prellung): D i r e k t e stumpfe Gewalteinwirkung bewirkt eine Schwellung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung, u.U. auch ein Hämarthros bei Teileinrissen der G e l e n k i n n e n h a u t . D a n n ist eine G e l e n k -
1. Kontusion (Prellung) Direkte stumpfe Gewalteinwirkung -> Schwellung, schmerzhafte Bewegungseinschränkung, evtl. Hämarthros.
918
44. Unfallchirurgie
Gelenkpunktion zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken erforderlich.
Hämarthros des Kniegelenkes skopie!
Arthro-
punktion aus therapeutischen und aus diagnostischen Gründen erforderlich. Das Punktat zeigt das Alter der Verletzung an: blutig, fleischwasserfärben, serös. Fettaugen weisen auf Eröffnung des subchondralen Raumes (osteochondrale Fraktur) hin. Die Punktion ist gleichzeitig Therapie, da die Zellen des Blutergusses durch lysosomale Enzyme, die auch den Knorpel schädigen, abgebaut werden müssen. • Hämarthros am Kniegelenk heißt arthroskopieren!
2. Distorsion (Zerrung) Entstehung durch indirekte Gewalt Druck- und Dehnungschmerz durch Teileinriß Behandlung: Ruhigsteliung Komplikationen: traumatische Synovitis mit rezidivierendem Gelenkerguß
Distorsion entsteht meist durch indirekte Gewalt. Bei der Zerrung sind nur die - wenigen - elastischen Fasern des Bandes an ihre Elastizitätsgrenze gekommen, beim Teileinriß sind einige kollagene Fasern gerissen. Dies entspricht dem klinischen Befund der Überdehnung. Während die Zerrung keine Einbuße der Stabilität bedeutet, ist diese bei der Überdehnung nur bedingt erhalten. Diese Verletzungen verursachen einen umschriebenen Druck- und Dehnungsschmerz, die, wie der Spontanschmerz, häufig heftiger als bei vollständiger Ruptur sind. Bei deutlichem Befund ist eine Ruhigstellung von 2-4 Wochen Dauer erforderlich. Eine traumatische Synovitis mit rezidivierendem Gelenkerguß kann entstehen. Der Heilungsverlauf kann durch eine Vorerkrankung (Arthrose, rheumatische Arthritis, sog. Periarthrosis humeroscapularis) stärkt verzögert werden. Die Diagnose Distorsion z.B. des Kniegelenkes ist jedoch sehr ungenau. Eine genauere Beschreibung der Verletzung und der Lokalisation am Gelenk ist wünschenswert, z.B. Zerrung (oder Teilriß) des medialen Seitenbandes.
3. Bandruptur Bedingt Instabilität des Gelenkes. Nur diffuse Schwellung, da minimaler Gelenkerguß. Gelenk ist instabil. Behandlung: Bandnaht
Eine Bandruptur, gelegentlich mit knöchernem Ausriß, bedingt eine Instabilität des Gelenkes, welches bei klinischer und röntgenologischer Prüfung aufklappbar ist. Der Gelenkerguß ist meist minimal, da das Blut durch die zerrissenen Kapselbandstrukturen in die Weichteile abfließen kann. Daher ist die Schwellung und Hämatomverfärbung mehr flächenhaft diffus. Am häufigsten sind oberes Sprunggelenk, Knie- und Daumengrundgelenk betroffen. Therapie: Bandnaht. Bei einem interligamentären Riß ist die Prognose weniger günstig.
4. Luxation völlige Diskontinuität der Gelenkpartner. Luxationsrichtung wird nach dem peripheren Anteil benannt.
Luxation stellt eine völlige Diskontinuität der Gelenkpartner dar (unvollständig = Subluxation). Sie hinterläßt einen völlig unstabilen Bandapparat. Man unterscheidet je nach Hautsituation eine geschlossene und offene Luxation. Unterteilung in traumatische und habituelle Luxationen. Bezeichnung der Luxationsrichtung richtet sich nach dem peripheren Fragment! Z.B. ventrale oder dorsale Ellenbogenluxation (Abb.44.4-12). Bei gleichzeitigem Bruch der das Gelenk bildenden Knochen liegt eine Luxationsfraktur vor. Alle vorgenannten Verletzungen können auch den Knorpel mitbetreffen. Stauchungen führen zu subchondralen Hämatomen, zu Fissuren, Quetschungen und Impressionen, Abscherungen zu tangentialen Einrissen. Nur Frakturen auf der subchondralen Grenzlamelle, besser noch als osteochondrale Fragmente, können refixiert werden. Hierzu haben sich bewährt: Schraubenosteosynthese bei größeren Fragmenten mit Versenkung des Schraubenkopfes, Kirschner-Drähte, Fixation mit körpereigenen kortikalen Spänen oder resorbierbaren synthetischen Stiften oder die Fibrinklebung.
Bei gleichzeitigem Bruch: 5. Luxationsfraktur Bei allen genannten Verletzungen kann auch der Knorpel mitbetroffen sein: Stauchungen -> Hämatome, subchondrale - Fissuren - Quetschungen, Impressionen. Abscherungen tangentiale Einrisse. Nur bei osteochondralen Fragmenten: Refixation möglich durch: - Schraubenosteosynthese - Kirschner-Drähte - Fixation mit körpereigenen kortikalen Spänen - Fibrinklebung - synthetische resorbierbare Stifte
Abb. 44.4-12: Bezeichnung der Luxationsrichtung folgt dem peripheren Fragment: Luxatio antebrachii dorsalis
919
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre Sonst ist nur eine Knorpelglättung mit Entfernung der erweichten Herde möglich. Eine gleichzeitige Durchbrechung der subchondralen Knochenschicht durch mehrere Bohrungen (Pridie-Bohrung) läßt die Bildung eines faserknorpeligen Ersatzgewebes erhoffen, da mehr umwandlungsfähige Zellen an die Oberfläche gelangen können.
In anderen Fällen nur Knorpelglättung.
4.4 Örtliche und allgemeine Auswirkungen
örtliche und allgemeine Auswirkungen
Die Versorgung einer Fraktur richtet sich weitgehend nach den bestehenden Begleitverletzungen und den örtlichen Auswirkungen der Fraktur. Deshalb ist der Behandlungsplan nicht allein vom Röntgenbild her festzulegen.
hierzu gehören:
Hämatom: Das mitverletzte Gefäßnetz des Periostes, des Havers-Systems und insbesondere des gefäßreichen Endostes bewirkt das Frakturhämatom, dessen wahres Ausmaß erst nach 3^1 Tagen erreicht wird. Mit folgenden Blutverlusten bei geschlossenen Frakturen muß gerechnet werden:
1. Hämatom durch Mitverletzung des Gefäßnetzes. Größte Ausdehnung erst nach 3-4 Tagen Auch großer Volumenverlust möglich
• Unterarm: 100-500 ml • Humerus: 200-900 ml • Unterschenkel: 200-1000 ml
• Femur: 300-3000 ml • Becken: 400-4000 ml
Durch große Blutmengen auch Kompressionen mit erhöhtem Innendruck möglich. Folge: Kompartment-Syndrom. -> Ermittlung seines Ausmaßes durch Tastung des peripheren Pulses.
Muskulatur: Auch die unverletzte Muskulatur kontrahiert sich durch die Fehlstellung, nicht nur der mitverletzte und daher zwangsläufig nur narbig ausheilende Muskel. Schmerzen fördern die Muskelkontraktion und damit die Fehlstellung. Deshalb muß eine sofortige Reposition gefordert werden, auch wenn später eine operative Stabilisierung geplant ist. KompartmentSyndrom einschließlich Volkmann-Kontraktur s. 4.8.3, S. 934.
3. Muskulatur Kontraktion der unverletzten Muskulatur durch Fehlstellung Daher: sofortige Reposition
Nerven können primär durch die einwirkende Kraft oder sekundär durch das Frakturhämatom, Behandlungs- oder Lagerungsfehler geschädigt werden. Typische Lokalisationen sind Orte, an denen der Nerv einem Skelettanteil dicht anliegt: N. radialis - Oberarmschaftbruch, N. fibularis - Fraktur des Caput fibulae oder Lagerungsfehler auf Braun-Schiene, N. ulnaris Fraktur des Epi- und Condylus ulnaris humeri, N. axillaris - Schulterluxation, N. ischiadicus - hinterer Pfannenrandabbruch mit und ohne Hüftluxation. Daher bei jeder Fraktur Überprüfung der Nervenfunktionen!
4. Nerven Gefährdete Lokalisationen für Nervenschädigung: Nähe des Nerven zu einem Skelettanteil Darum: bei jeder Fraktur Überprüfung der Nervenfunktion!
Haut: Im Gegensatz zur geschlossenen Fraktur ist bei der offenen die Haut in unterschiedlichem Ausmaß mitverletzt worden. Es werden 4 Schweregrade unterteilt (Abb. 44.4-13).
5. Haut Vier Schweregrade der Hautverletzung: Bei offenen Brüchen
Grad 1: Durchspießung der Weichteilgewebe von innen nach außen durch ein Knochenfragment. Geringfügiger Weichteilschaden, geringe Kontamination. Grad 2: Zerreißung der Haut von außen nach innen, größere Hautwunde, mäßige Kontusion der Haut. Grad 3: Breitflächige Zerstörung der Haut mit Defekten, Mitbeteiligung der Muskulatur, oft auch der Nerven und Gefäße, ausgedehnte Kontamination. Grad 4: Totale und subtotale Amputation, verbreitete Kontamination.
920
44. Unfallchirurgie
Abb. 44.4-13:
4 Schweregrade
einer offe-
nen Fraktur: a. Grad 1 am Unterschenkel, b. Grad 2 am Unterarm, c. Grad 3 am Unterschenkel, d. Grad 4 subtotale Amputation im Handbereich Gefahr der Infektion macht bei offenen Frakturen 2. und 3. Grades besondere Therapie erforderlich.
Weichteilschaden bei geschlossener Fraktur, Gradeinteilung
Décollement: Ablösung der Subkutis von der Faszie (lat. Oberschenkel, os sacrum)
Heilungsmodi Voraussetzung für Knochenbruchheilung: • Ausreichende Vaskularität der Knochenfragmente und der Weichteile • mechanische Ruhe an der Frakturzone • keine Infektionen
Eine offene Fraktur gilt immer als mit Keimen kontaminiert. Wegen der erhöhten Infektionsgefahr, die u. U. abhängig ist von der Schwere des Weichteilschadens (Kontusion, Verschmutzung, Zirkulationsverhältnisse), ist bei offenen Frakturen 2. und 3. Grades eine besondere Therapie erforderlich (s. 4.6.2.2, S. 928). Auch bei der geschlossenen Fraktur werden verschiedene Schweregrade des Weichteilschadens unterschieden (Tscherne): • 0 unbedeutender Weichteilschaden, • 1 Schürfung oder Kontusion durch die Fragmente von innen, • 2 tiefe Schürfung, Haut- oder Muskelkontusion, drohendes Kompartment-Syndrom, • 3 ausgedehnte Hautkontusionen, subkutanes Décollement (s. u.), Muskelcrush (S. 935), Gefäßverletzungen, manifestes Kompartment-Syndrom. Bei Weichteilkontusionen kann sich die Haut - oft ohne zusätzliche Fraktur - zwischen Subcutis und Unterlage (meist Faszie) ablösen. Das Décollement kann zu hartnäckigen Seromen mit Ausbildung einer pseudosynovialen Membran führen. Lieblingslokalisation sind die Außenseite des Oberschenkels auf der Fascia lata und das Kreuzbein.
4.5 Heilungsmodi Voraussetzung zu einer ungestörten Knochenbruchheilung sind: (1) keine Denudierung, d.h. ausreichende Vaskularität der Knochenfragmente und der Weichteile, (2) mechanische Ruhe an der Frakturzone, insbesondere keine Scher-, Zug- und Wechselbiegebelastung und (3) keine Infektion.
Ablauf der Heilung nach 2 Modi (Abb. 44.4-14):
Die Heilung kann grundsätzlich nach 2 Modi ablaufen, die zum gleichen Ergebnis führen (Abb.44.4-14):
1. Primärheilung: Bei perfekter Adaptation der Fragmente:
Primärheilung: Bei perfekter Adaptation der Fragmente mit Ausschaltung störender Bewegungen durch stabile Druckosteosynthesen (Schrauben,
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
921
Abb. 44.4-14: Heilungsmodi des Knochens: 1 Kontaktheilung, a. Resorptionskanal, der den Frakturspalt direkt überbrückt, b. Mehrkernige Osteoklasten als „Bohrkopf", c. Tapetenartige Auskleidung durch Osteoblasten; 2 Spaltheilung: Der schmale Frakturspalt wird primär mit Geflechtknochen aufgefüllt, 3 Heilung über Kallus (sekundäre Heilung, Umwegsdifferenzierung über Bindegewebe)
Platten) läuft die Heilung wie beim normalen Knochenurabau ab. Bei jedem gesunden Knochen werden innerhalb von Monaten die organischen und anorganischen Bestandteile bei gleichbleibender äußerer Gestalt ausgetauscht (Remodeling). Nach einer Aktivierungsphase - beim Menschen ca. 3 Wochen - (= Latenzphase) überqueren Osteoklasten „-Bohrköpfe" direkt den Frakturspalt und bilden durch Tiesorption einen breiten Kanal. Dieser wird von den Osteoblasten tapetenartig mit Lamellenknochen aufgefüllt = Formation ( A R F - Regel nach Frost). Bei dieser Kontaktheilung erfolgt demnach keine zusätzliche Knochenneubildung. Verbleibt ein geringfügiger Spalt (bis 0,4 mm) - auch die perfekte Adaptation hinterläßt an umschriebenen Stellen Spalten - treten Gefäßsprossen mit Osteoblasten, meist vom Endost kommend, in den Spalt ein. Die Osteoblasten bilden bereits nach einigen Tagen Geflechtknochen. Dieser wird sekundär in Lamellenknochen umgebaut, so daß die ursprüngliche lamelläre Architektonik der Kompakta nach Monaten erreicht wird (Spaltheilung). Diese primäre angiogene Knochenneubildung entsteht ohne Kallus.
Ausheilung wie beim normalen Knochenumbau. Nach Aktivierungsphase (3 Wochen) bilden Osteoklastenbohrköpfe durch Resorption einen breiten Kanal, —> tapetenartige Auffüllung durch Osteoblasten mit Lamellenknochen -»Formation (ARF-Regel nach Frost). Kontaktheilung ohne zusätzliche Knochenneubildung. Hinterläßt die Adaptation Spalten: Eintreten von Gefäßsprossen mit Osteoblasten in den Spalt, -» Bildung von Geflechtknochen sekundärer Umbau in Lamellenknochen -> Erreichen der lamellären Architektonik der Kompakta nach Monaten, d.h. angiogene Knochenneubildung ohne Kallus.
Sekundärheilung: Verbleibt eine geringe Instabilität (konservative Behandlung, Stabilisierung mit intramedullären Kraftträgern, z. B. Nagelung) vergrößert sich zwangsläufig die Diastase durch Resorption an den Bruchenden. Diese werden durch Kallus stabilisiert: In dem Frakturhämatom verwandeln sich wahrscheinlich Monozyten, Retikulumzellen und Endothelzellen in Fibroblasten, die einen Bindegewebekallus bilden, der sekundär in Geflechtknochen umgewandelt wird (Fixationskallus). Im Gegensatz zur Primärheilung erfolgt hier eine Umwegsdifferenzierung mit desmaler Ossifikation. Von den drei Blastemen, die sich an der Formation beteiligen - Periost, Endost, Havers-System - beteiligt sich das Periost um so mehr, je größer die Diastase ist. Da die Reaktionen nicht in unmittelbarer Frakturnähe beginnen, entsteht eine manschettenartige Erweiterung. Diese bewirkt eine breitere „Auflagefläche" und damit frühere Stabilität gegen Biegebeanspruchung. Erst unter der täglichen Belastung wird dieser Kallus in den lamellären Aufbau integriert, was Monate in Anspruch nimmt. Die Ausbildung des Kallus ergibt im Röntgenbild einen guten Parameter für die Beurteilung der Belastbarkeit.
2. Sekundärheilung: Bei verbleibender Instabilität: Vergrößerung der Diastase durch Resorption. Stabilisierung durch Kallus, d. h. Umwegsdifferenzierung mit desmaler Ossifikation: Zunächst Bindegewebekallus, dann Fixationskallus (Geflechtknochen). Dieser zeigt eine manschettenartige Erweiterung. Folge: breite Auflagefläche und frühere Stabilität gegen Biegebeanspruchung. Integration des Kallus in den lamellären Aufbau erst nach Monaten.
Heilungszeiten: Ausschlaggebend für die Dauer der Ruhigstellung bzw. Entlastung. Die Kenntnis der normalen Heilungszeiten ist besonders bei primärer Knochenheilung wichtig, da die sichtbare Kallusbildung fehlt. Sie gibt dem erfahrenen Chirurgen wichtige Hinweise auf die Belastbarkeit einer ausheilenden Fraktur. Fingerskelett: 3 Wochen, Mittelhandknochen: 4—6 Wochen, Radiusbasis: 4-6 Wochen, Unterarm: 8-10 Wochen, Humerus: 6-8 Wochen, Rippenfrakturen: 3 Wochen, Mediale Schenkelhalsfraktur: 12 Wochen, Femur: 12 Wochen, Tibia: 8-10 Wochen.
Heilungszeiten
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44. Unfallchirurgie
Prinzipien der Knochenbruchbehandlung
4.6 Prinzipien der Knochenbruchbehandlung
Ziel: - Ausheilung der Fraktur - Ausheilung des begleitenden Weichteilschadens Allgemeines Prinzip: • Reposition • Retention • Ruhigstellung • Rehabilitation t. Reposition: Manuell durch Zug und Gegenzug Rasch nach dem Unfall Notfall: Gefäß- und Nerveneinklemmung Voraussetzung der Reposition: Anästhesie und Muskelrelaxation
Ziel jeder Behandlung ist nicht nur die Ausheilung der Fraktur in funktionsgerechter Stellung, sondern auch gleichzeitig die Ausheilung des immer begleitenden Weichteilschadens. Nur dann kann ein Dauerschaden vermieden werden. Daher kann sich die Art der einzuschlagenden Therapie niemals aus der alleinigen Betrachtung des Röntgenbildes ergeben! Das allgemeine Prinzip einer jeden Knochenbruchbehandlung lautet: Reposition, Retention, ununterbrochene Ruhigstellung und Rehabilitation.
Repositionshindernisse: - interponierte Weichteile - organisiertes Hämatom
Reposition erfolgt meist manuell durch Zug und Gegenzug, u.U. auch durch seitlichen Druck, möglichst rasch nach dem Unfall. Als dringlicher Notfall gilt eine Gefäß- und Nerveneinklemmung! Eingerichtet wird immer das periphere auf das zentrale Fragment. Voraussetzung ist eine adäquate Anästhesie und Muskelrelaxation: Am Ober- und Unterschenkel meist Vollnarkose, an der oberen Extremität auch Plexusanästhesie, an der Radiusbasis und im Handbereich auch Bruchspaltanästhesie. Hilfsmittel: Sog. Mädchenfänger für die Radiusbasisfraktur (s.dort), Böhler-Extensionsgerät für den Unterschenkelbruch, K-Drahtextension (s. Dauerzug bei Retention). Repositionshindernisse stellen interponierte Weichteile, insbesondere Muskulatur und ein organisiertes Hämatom bei veralteter Fraktur dar. Keiner Reposition bedürfen bestimmte eingekeilte Frakturen, z.B. mediale Schenkelhalsfraktur (Abduktionsfraktur) und subkapitale Humerusfrakturen.
2. Retention: Ununterbrochenes Aufeinanderstellen der eingerichteten Fraktur bis zur knöchernen Konsolidierung. 3. Ruhigstellung: durch konservative oder operative Methoden (Osteosynthese). 4. Konservative Methoden der Knochenbruchbehandlung Indikation: - kindliche Frakturen, (Ausnahme: Gelenkbrüche) - alle Brüche ohne funktionelle Verbesserung nach Operation
Retention bedeutet ununterbrochenes Aufeinanderstellen der eingerichteten (reponierten) Fraktur bis zur knöchernen Konsolidierung. Hiermit einher geht die Forderung nach entsprechender Ruhigstellung der Fragmente. Dieses Ziel kann durch konservative und operative Methoden (Osteosynthesen) erreicht werden.
Verschiebung der Fragmente hat zulässige Grenzen, die ausgeglichen werden können, Rotationsfehler jedoch nicht.
Bei der konservativen Behandlung sind in bezug auf Verschiebungen gewisse Toleranzen akzeptabel, deren Grenzen in Gelenknähe abnehmen. Verschiebungen zur Seite (etwa halbe Schaftbreite im mittleren Drittel langer Röhrenknochen) werden ausgeglichen, eine dislocatio ad axim nur begrenzt (unter 5 ° Varus oder Valgus), da die Gelenkflächen senkrecht belastet werden müssen. Rotationsfehler werden nicht ausgeglichen. Nachteile: Der gewichtigste ist der Immobilisationsschaden, der in ausgeprägter Form als sog. Frakturkrankheit auftritt: Alle ruhiggestellten Strukturen unterliegen einer Atrophie, nicht nur die Muskulatur, sondern auch der Knorpel, der Knochen (Abbau des Kalziums und der Knochenbälkchen) und die Sehnen. Sehnengleitlager, Muskelverschiebespalten und der Kapselbandapparat schrumpfen, so daß Gelenksteifen drohen. Eine intensive krankengymnastisch physikalische Nachbehandlung ist deshalb immer erforderlich. Diese Schäden sind nach kindlichen Frakturen jedoch nahezu unbekannt. - Weiterhin erreicht keine konservative Methode eine absolute Ruhigstellung der Fragmente, so daß die avitalen Frakturenden resorbiert werden. Dies geht meistens mit einer entsprechenden Verkürzung einher. - Nach konservativer Therapie können vermehrt Thromboembolien und arterielle Durchblutungsstörungen auftreten. Daher die Forderung, auch bei ambulanter Behandlung mit Gipsruhigstellung der unteren Extremität eine Thromboseprophylaxe durchzuführen. Vorteil: Bei geschlossenen Frakturen keine Infektion (Osteitis)!
Nachteile der konservativen Behandlung: - Immobilisationsschaden mit Atrophie von Muskulatur, Knorpel, Knochen, Sehnen, evtl. mit Folge der Gelenksteife
Krankengymnastik, physikalische Nachbehandlung. Weiterer Nachteil: - Verkürzung - Thromboembolie - arterielle Durchblutungsstörungen
Vorteil: keine Infektion.
4.6.1 Konservative Methoden Indikationen: Die meisten kindlichen Frakturen mit Ausnahme vieler Gelenkbrüche, die einer operativen Stellung und Fixation bedürfen (vergl. S. 1003). Im Erwachsenenalter all diejenigen Brüche, bei denen eine Operation funktionell kein besseres Resultat erbringt. Beispiele: unkomplizierte Klavikulafraktur, subkapitale Humerus- und -schaftfraktur, bestimmte Formen des Wirbelkörperbruches.
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
Abb.44.4-15: Extensionsartordnungbe\
Unterschenkelfraktur
923
Abb.44.4-16: a. Volkmann-Schiene, b. BraunSchiene
Methoden: Bei stabilen Brüchen, die nach einmaliger Reposition ihre Stellung halten können, ist die häufigste Art der Ruhigstellung der Gipsverband. Er wird in der Traumatologie in der Regel als ungepolsterter, aber gut anmodellierter zirkulärer Gips angelegt. Knochenvorsprünge werden gepolstert, z. B. Fibulaköpfchen (N. peronaeus: Druckschaden!), Fersenbein (Dekubitalgeschwür!). Wegen der Schwellneigung der verletzten oder operierten Extremität muß der Gips sofort bis zur letzten Faser gespalten werden. Der Gips umfaßt die benachbarten Gelenke (Ausnahme: Verletzungen des oberen Sprunggelenkes). Anschließend Hochlagerung der Extremität.
Methoden der konservativen Behandlung: - Gipsverband mit Einbeziehung der benachbarten Gelenke - Hochlagerung der Extremitäten
• Unabdingbare Forderung: Mehrfache tägliche Überprüfung der Durchblutung (livide Verfärbung), Sensibilität und Motorik!
Achtung: bei Gipsverband mehrmals täglich Durchblutung, Sensibilität und Motorik überprüfen! Bei Schmerzäußerung: Gipskorrektur Sonderformen des Gipsverbandes: - Tutor (Gipshülse) - Sarmiento-Gips - Kunststoffverbände.
Bei Schmerzäußerung des Patienten Gipskorrektur. Sonderformen sind z. B. der Tutor (Gipshülse bei Verletzungen des Kniegelenkes unter Aussparung des oberen Sprunggelenkes) oder der Sarmiento-Gips für Verletzungen des Unterschenkels (s. dort). An Stelle des Gipses können Kunststoffverbände, z.B. Baycast, Lightcast, Neofract, Delta lite zur Anwendung kommen. Die Extension als Dauerzug wird angelegt, wenn der Bruch nach Reposition wieder abzurutschen droht (z.B. Schrägbruch). Nach Einschlagen eines K-(Kirschner) Drahtes oder Steinmann-Nagels durch den Kalkaneus (bei Unterschenkelfrakturen) oder durch den Tibiakopf oder die Femurkondylen (bei Femurfrakturen) wird hieran ein Bügel befestigt, an dem über ein Rollensystem ein Gewicht zieht (Abb. 44.4-15). Die maximale Last und die Dauer des Zuges sind genau zu beachten. Beispiel am Unterschenkel: maximal 3 kg für 3 Wochen. Sonst droht die Gefahr der Distraktion und einer Pseudarthrose. Bei Kleinkindern reicht häufig ein Heftpflasterzugverband. Die Lagerung kann auf einer Braun-Schiene oder Volkmann-Schiene erfolgen (Abb. 44.4-16). Bei bestimmten Verletzungen der Halswirbelsäule wird die Crutchfield-Klammer am Schädel als Dauerextension angelegt (s. Abb. 44.5-38, S. 962). Bei allen konservativen Verfahren ist eine mehrfache Röntgenkontrolle zum rechtzeitigen Erkennen einer Fehlstellung (Abrutschen der gestellten Fraktur) erforderlich. Funktionelle Behandlung: Bei der funktionellen Therapie wird auf jede Ruhigstellung verzichtet und sofort mit der Funktion der benachbarten Gelenke begonnen. Dies ist bei bestimmten eingestauchten Brüchen, meist im spongiösen Bereich, möglich (Wirbelkörper, Kalkaneus, Schenkelhalsabduktionsfraktur). Am proximalen Humerus folgt sie den Richtlinien nach Poelchen. Die Muskelmanschette gibt eine zusätzliche Stabilisierung.
4.6.2 Operative Verfahren Diese wurden von der A O (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesen) perfektioniert und standardisiert (Abb. 44.4-17).
Extension als Dauerzug: bei Gefahr des Abrutschens nach Reposition (Abb. 44.4-17) Bei bestimmten Verletzungen der Halswirbelsäule: Crutchfield-Klammer
Bei Kleinkindern: Heftpflasterzugverband Bei allen konservativen Verfahren: mehrfache Röntgenkontrolle
Funktionelle Behandlung Verzicht auf jede Ruhigstellung und sofortiger Beginn mit Mobilisation benachbarter Gelenke Meist bei Brüchen im spongiösen Bereich möglich (n. Poelchen) Operative Verfahren standardisiert durch die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesen: AO (Abb. 44.417)
924
44. Unfallchirurgie
Abb. 44.4-17: Operationsmethoden, a. Zugschrauben (Abbruch des Epicondylus ulnaris), b. Gerade AO-Platte als Neutralisationsplatte (Tibiaspiralfraktur), c. 95° Kondylenplatte (subtrochanterer Oberschenkelbruch), d. Marknagel (Oberschenkelbruch im mittleren Drittel), e. Verriegelungsnagel (Stückbruch, statisch verriegelt) Vorteile: • keine externe Fixation -» funktionelle Übungsbehandlung möglich • Kein Immobilisationsschaden • perfekte Adaptation der Fragmente • Senkung der Thromboembolierate • Erleichterung der Pflege
Nachteile: • iatrogene Knocheninfektion • Denudierung (auf unmittelbare Darstellung der Fragmentenden beschränken) • Gefahr der Durchblutungsstörung des Knochens • Zweiteingriff zur Metallentfernung
Zeitpunkt der Operation: innerhalb der ersten 6-8 Stunden Später erhöhte Infektionsgefahr wegen geschwächter lokaler Abwehr
Indikation: Absolute Indikation für Brüche, die konservativ nicht zu behandeln sind - Abrißfrakturen am Olekranon - Patellaquerbrüche - Adduktionsbrüche des Schenkelhalses - intraartikuläre Frakturen - Femurfrakturen - Unterarmbrüche - Mehrfachverletzungen - bestimmte Brüche im hohen Alter
Relative Indikation:
Vorteile: Der entscheidende Vorteil ist der Verzicht auf externe Fixation mit z.B. Gipsverband, so daß eine frühfunktionelle Übungsbehandlung ermöglicht wird. Damit wird der Immobilisationsschaden, der größte Nachteil der konservativen Behandlung, vermieden. AO-Leitmotiv:
Leben ist Bewegung, Bewegung ist Leben.
Weiterhin gelingt hiermit eine perfekte Adaptation der Fragmente, eine Senkung der Thromboembolierate und eine Erleichterung der Pflege, insbesondere beim Polytraumatisierten. Nachteile: Die größte Gefahr droht durch eine iatrogene Knocheninfektion (s.Osteitis, S. 931); diese soll nicht über 1 - 2 % liegen. Die Denudierung darf sich nur auf die unmittelbare Darstellung der Fragmentenden beschränken. Großflächige Darstellung des Knochens bringt immer die Gefahr einer Durchblutungsstörung des Knochens mit sich. Der gute Knochenchirurg operiert vorsichtig, weichteilschonend und geht rücksichtsvoll mit dem Knochen um. Der Knochen ist ein lebendes Gewebe! Eine exakte Reposition, dokumentiert auf einem schönen postoperativen Röntgenbild sagt nichts über den Umgang mit dem Gewebe aus und damit über mögliche Durchblutungsstörungen. - Ein Zweiteingriff zur Metallentfernung ist erforderlich. Zeitpunkt der Operation: Am besten innerhalb der ersten 6-8 Stunden, da dann das posttraumatische Ödem noch nicht ausgeprägt und der Verletzte noch nicht mit Spitalkeimen in Berührung gekommen ist. Sonst ist der 3.-6. posttraumatische Tag geeignet, nachdem das Ödem im Abklingen begriffen ist. Vor dieser Zeit besteht eine erhöhte Infektionsgefahr durch Anhäufung saurer Metaboliten mit geschwächter lokaler Abwehr. Indikationen: Absolute Indikationen stellen Brüche dar, die auf konservativem Wege nicht zu stellen oder zu retinieren sind und daher mit einem Funktionsverlust einhergehen würden. Abrißfrakturen am Olekranon und Patellaquerbrüche wurden bereits vor der AO-Ära operiert, da der Zug der Trizeps- bzw. Quadrizepssehne immer eine Diastase bewirkt. Adduktionsbrüche des Schenkelhalses haben bei langer Liegezeit eine hohe Rate an Pseudarthrosen, sie werden daher heute operativ angegangen. Intraartikuläre Frakturen können nur operativ exakt gestellt werden, was insbesondere an der belasteten unteren Extremität entscheidend ist. Femurfrakturen und Unterarmbrüche heilen nach Osteosynthesen wesentlich sicherer. Bei Mehrfachverletzungen und bei bestimmten Brüchen im hohen Alter erlaubt die Osteosynthese die frühzeitige Mobilisation. Ist abzusehen, daß eine einmal begonnene konservative Behandlung nicht zum Ziel führt, muß sie rechtzeitig zugunsten einer Operation abgebrochen werden, noch bevor irreversible Schäden an den Weichteilen eingetreten sind. Relative Indikationen ergeben sich bei Brüchen, die sowohl konservativ als auch operativ angegangen werden können, bei denen aber äußere Umstän-
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
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de für eine Operation sprechen, z.B. Begleitverletzungen, kürzerer Krankenhausaufenthalt, aktiver Sportler u. a. m. Kontraindikationen stellen pyogene Infekte dar.
Kontraindikationen: pyogene Infekte
4.6.2.1 Osteosynthesen
Osteosynthesen
Sie werden nach ihrer Belastbarkeit eingeteilt in belastungsstabil, übungsstabil und adaptions- oder lagerungsstabil. Bei letzterer werden K-Drähte (Spickdrahtosteosynthese) oder Drahtcerclagen verwendet, so daß zusätzlich eine Gipsruhigstellung erfolgen muß. Damit kommen zu den Nachteilen der operativen Therapie die der konservativen hinzu. Indikationen: Kindliche Frakturen und bestimmte intraartikuläre Verletzungen. Bei den beiden anderen Osteosyntheseformen, die man auch als funktionsstabil bezeichnet, werden die Kräfte und Momente neutralisiert. Hiermit wird die Stabilität erhöht und damit die Chance einer zeitgerechten Knochenheilung. Je mehr Kräfte und Momente durch die Osteosynthese neutralisiert werden, desto stabiler ist sie.
Einteilung in: 1. belastungsstabil 2. übungsstabil 3. adaptions-/lagerungsstabil —> Verwendung v o n K-Drähten oder Drahtcerclagen Gipsruhigstellung konservative und operative Nachteile Indikationen zur Adaptationsosteosynthese - kindliche Frakturen - intraartikuläre Verletzungen
Bei den funktionsstabilen Osteosynthesen lassen sich aus den verschiedenen biomechanischen Prinzipien 3 wesentliche G r u p p e n unterscheiden: A interfragmentäre Kompression, B Schienung durch Kraftträger, C Kombination beider Prinzipien. A interfragmentäre Kompression: Es handelt sich hierbei um Druckkräfte, die auf einen Frakturspalt einwirken. Diese Kompression kann statisch oder dynamisch wirken. Bei der statischen Kompression wird der Druck einmal auf beide Fragmente gesetzt, er fällt nach Wochen kontinuierlich ab. Die verbreiteste A n w e n d u n g stellt die Zugschrauben-Osteosynthese (Abb. 44.4-17) und die Kompressionsplatte dar. Bei der dynamischen Kompression wird der Druck durch Muskelkräfte ständig erneuert. Dieses Zuggurtungsprinzip wird in der Technik schon früher angewandt (s. Abb. 44.4-18). B Schienung durch Kraftträger: Nach der Lokalisation des ausreichend tragfähigen Kraftträgers wird die Schienung unterteilt in intramedulläre Kraftträger (verschiedene Formen der Marknägel), extramedulläre Kraftträger (Neutralisations- und Abstützplatten). Außerhalb der Extremität: Fixateur externe (s. Abb. 44.4-20) in seinen verschiedenen Montagen. C Bei bestimmten Osteosynthesen können auch beide biomechanische Prinzipien miteinander kombiniert werden. Hiermit kann die Stabilität erhöht werden. Beispiel: Zugschrauben-Osteosynthese mit zusätzlicher Neutralisationsplatte (s. Abb. 44.4-17 a, b). Diese Osteosyntheseformen sollen n u n m e h r im einzelnen vorgestellt werden.
Biomechanische Prinzipien:
Belastungsstabil sind Osteosynthesen mittels intramedullärer Kraftträger. Der Marknagel, von Küntscher 1940 eingeführt, füllt die Markhöhle weitgehend aus. Er wird fernab der Fraktur (am Unterschenkel am Tibiakopf, am Oberschenkel durch den Trochanter major) eingeschlagen (gedeckte Nagelung), die Markhöhle wird aufgebohrt, damit der Nagel auf einer breiten
A interfragmentäre K o m p r e s s i o n - statisch: Zugschraube, Kompressionsplatte - dynamisch: Zuggurtungsosteosynthese
B Schienung durch Kraftträger - intramedulläre Kraftträger (Marknagel) - extramedulläre Kraftträger (Neutralisations- und Abstützplatten) - außerhalb der Extremität: Fixateur externe C Kombination beider Prinzipien Zugschrauben-Osteosynthese und zusätzliche Neutralisationsplatte
Ziel der Osteosynthese: möglichst viele Kräfte neutralisieren durch Erhöhung des interfragmentären und des axialen Druckes Belastungsstabilität der Osteosynthese durch intramedulläre Fixation: - Marknagel
926 -
44. Unfallchirurgie Rundnägel nach Ender V-Nagel, dynamisch, statisch UTN (unaufgebohrterTibianagel) Gamma-Nagel
Kontaktfläche schlüssig sitzt. Repositionshindernisse (s.S.922) erfordern eine offene Nagelung. Die besten Indikationen stellen Brüche im mittleren Drittel der Tibia und des Femur dar im Bereich der Markhöhlenenge mit querem oder kurzem schrägen Bruchverlauf und Pseudarthosen (Abb. 44.4-17 d). Bei Mehrfragmenten - oder Stückbrüchen kann der Marknagel in Form des Verriegelungsnagels (V-Nagels) angewandt werden, in dem Schrauben proximal und distal durch Knochen und Nagel ziehend, die Länge gewährleisten und ein sekundäres Zusammenrutschen verhindern (Abb. 44.4-17e), (statische Verriegelung). Bei Verschraubung nur proximal oder distal: dynamische Verriegelung. Die gleiche Indikation hat am Unterschenkel der unaufgebohrte Tibianagel (UTN), der auch bei offenen Frakturen zur Anwendung kommen kann. Auch elastische Rundnägel nach Ender und Simon-Weidner zur Stabilisierung pertrochanterer Femurfrakturen sind belastungsstabil. 3-4 gebogene Nägel am Femurkondylus medial eingeschlagen, verlaufen durch die Markhöhle und den Schenkelhals und fassen die Spongiosa des Hüftkopfes (s. Abb. 44.5-63 a, S.979). Der Gamma-Nagel stellt für bestimmte Brüche im proximalen Femurbereich eine belastungsstabile Osteosynthese dar (s. Abb.44.5-63c, S.979).
Verburs dosteosynthesen: Kombination von Knochenzement und Osteosynthese bei: - Osteoporose - pathologischen Frakturen
Verbundosteosynthesen: Bei Osteoporosen oder pathologischen Frakturen muß eine sofortige postoperative Belastung angestrebt werden. Daher kann hier die Kombination von Knochenzement und Osteosynthese (meist in Form der Plattenosteosynthese) Anwendung finden. Bei Metastasen werden diese ausgeräumt und der Defekt mit Zement aufgefüllt (s. Kap. 47.3). Übungsstabil sind Osteosynthesen, die den bereits vorgenannten biomechanischen Prinzipien, der interfragmentären Kompression und der Schienung, folgen:
Übungsstabilität der Osteosynthese durch Zugschrauben
Prinzip der Zugschraube (Abb.44.4-19a):
0
Plattenosteosynthesen: Anwendung im metaphysären Bereich Gerade Platten werden verwendet als: - Neutralisationsplatte - Kompressionsplatte - Zuggurtungsplatte - Abstützplatte - Winkelplatte am proximalen und distalen Femur
Zugschrauben. Prinzip: Das Schraubengewinde faßt nur das gegenüberliegende Fragment (Gewindeloch), während sie in der schraubenkopfnahen Kortikalis gleitet (Gleitloch Abb. 44.4-19 a). Dadurch wird beim Anziehen ein hoher interfragmentärer Druck erzielt. Zwei verschiedene Knochenschrauben wurden wegen der unterschiedlichen Härte des Knochens im diaphysären und metaphysären Bereich entwickelt: Kortikalis- und Spongiosaschrauben stehen in verschiedenen Größen zur Verfügung. Lange Schräg-, besser noch Spiralbrüche, deren Bruchlänge doppelt so lang ist wie die Schaftbreite, können derart versorgt werden, auch Abrißfrakturen (Abb. 44.4-17 a, b). Plattenosteosynthesen haben im metaphysären Bereich ihr Hauptanwendungsgebiet. Die verschiedenen geraden Platten können, je nachdem welche mechanische Funktion sie ausüben, verwendet werden als: • Neutralisationsplatte, wenn allein die Zugschraube, die auch durch ein Plattenloch geführt werden kann, den interfragmentären Druck ausübt und die Platte nur zur Neutralisation schädlicher Kräfte und Momente dient (Abb. 44.4-17 b); • Kompressionsplatte: Bei einem kurzen Schräg- oder Querbruch kann der interfragmentäre Druck durch bestimmte Techniken mehr oder weniger axial eingeleitet werden durch eine - Druckplatte mit einem sog. Spanngerät (Abb. 44.4-19 b), - Halbrohrplatte mit ovalärem Schraubenloch, - sog. dynamische Kompressionsplatte mit Gleitloch und abgerundetem Schraubenkopf (Dynamische Compression = D C Platte, Abb. 44.4-19 c). • Zuggurtenplatte, wenn sie auf der Gegenseite großer Muskelgruppen zu liegen kommt. Das Implantat liegt auf der äußeren Konvexität des Knochens, um der Einwirkung und der Lokalisation der Zugkräfte gerecht zu werden. • Abstützplatte (gerade oder als T-Platte), wenn bei einem Tibiakopfbruch nach Anheben der Gelenkfläche und Spongiosatransplantation beides abgestützt werden soll.
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Abb.44.4-19: a. Prinzip der Zugschraube: Schraubengewinde nur im schraubenkopffernen Fragment (AO Manual), b. Druckplatte mit Spanngerät (AO Manual), c. Prinzip der dynamischen Compressionsplatte (DCP) mit Gleitloch
• Winkelplatten (95° und 130°) werden bei Frakturen am distalen und proximalen Femur verwendet (Abb. 44.4-17c). Zuggurtungsosteosynthese: Bei Brüchen des Olekranon oder der Patella wird der Zug der Trizeps- bzw. Quadrizepssehne so umgelagert, daß bei aktiver Beugung Druckkräfte auf den Frakturspalt ausgeübt werden: Um 2 parallele, in Längsrichtung eingeführte Kirschner-Drähte, die die Fraktur adaptieren, wird streckseitig eine Drahtschlinge in Achterform geführt (s. Abb. 44.4-18). Das Zuggurtungsprinzip als die dynamische Form der interfragmentären Kompression erfordert immer eine funktionelle Weiterbehandlung, also die Verordnung krankengymnastischer Übungsbehandlung. Fixateur externe: Fernab der Fraktur oder der Osteotomie werden Steinmann-Nägel in den Knochen eingeschlagen, die außen mit einem Rohrsystem verspannt werden. Wird kein Druck ausgeübt, fungiert das System nur als äußerer Festhalter. Die Rohrsysteme können als Klammer- (dann Schraubenfixation am Knochen) oder Rahmenfixateur (ein- und zweidimensional) oder als Zeltkonstruktion dreidimensional montiert werden (Abb. 44.4-20). Indikationen: schlechte Weichteilverhältnisse (offene oder infizierte Brüche), Arthrodesen. Beim Ringfixateur nach Ilizarov können Extremitätenverlängerungen mit Hilfe der Kallusdistraktion durchgeführt werden.
Zuggurtungsosteosynthese: Anwendung bei Brüchen des Olekranon oder der Patella Umlagerung des Zuges der Trizeps- bzw. Quadrizepssehne Folge: bei aktiver Beugung wirken Druckkräfte auf den Frakturspalt
Fixateur externe: Einschlagen von Steinmann-Nägeln fernab der Fraktur und äußere Verspannung mit Rohrsystem (Abb.44.4-20) Indikation: - schlechte Weichteilverhältnisse - Arthrodesen
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44. Unfallchirurgie
Abb.44.4-20: M o n t a g e f o r m e n eines Fixateur externe, a. Eindimensional (Klammerfixateur), b. Zweidimensional teur), c. Dreidimensional (Zeltkonstruktion), d. Ringfixateur nach llizarov mit Segmenttransport
Verriegelungsnägel: Fixation v o n Marknägeln proximal und distal mit Schrauben. Verhinderung einer Verkürzung Indikation: - Brüche i m metaphysären Bereich, Stückbrüche
(Rahmenfixa-
Verriegelungsnägel: Marknägel, die zur Verhinderung einer Verkürzung proximal und distal mit Schrauben fixiert werden. Indikationen: Stückund Mehrfachbrüche und Brüche im metaphysären Bereich (Abb. 44.417 e). Biodegradibles Osteosynthesematerial besteht aus ähnlichem synthetischen Material wie resorbierbare Fäden. In der Humanmedizin als Stifte oder kleine Schrauben in Erprobung. 4.6.2.2 Offene Fraktur, Spongiosatransplantation
Offene Fraktur hohe A n f o r d e r u n g an Asepsis. Stabilisierung bedeutet beste Infektionsprophylaxe. Erstgradig offen: Behandlung w i e geschlossene Fraktur. Z w e i t g r a d i g offen: Plattenosteosynthese, Fixateur externe, UTN Drittgradig offen: Fixateur externe Wichtig: 1. Döbridement, d . h . Ausschneiden des t o t e n Gewebes. 2. Anlegen v o n Redon-Drainagen 3. bei stark verschmutzten Knochen: Kürzung 4. keinen W u n d v e r s c h l u ß erzwingen 5; keine Spannung bei der W u n d n a h t ! Notfalls: Haut offen lassen Bedeckt sein müssen: • Knochen • Sehnen • Nerven • Gefäße • Osteosynthesematerial Evtl. Antibiotika-Gabe, wichtiger jedoch: gutes Debridement.
Die offene Fraktur stellt hohe Anforderungen an Asepsis und Sterilität (s. S. 929). Der Verband wird erst im Operationssaal vom Operateur selbst unter sterilen Bedingungen entfernt. Die Behandlung dieser Frakturen ist operativ, da eine Stabilisierung die beste Infektionsprophylaxe ist. Erstgradig offene Frakturen werden wie geschlossene behandelt. Bei der Tibia wird die Platte lateral angelegt, um eine zusätzliche Weichteilschädigung zu vermeiden. Die zweitgradig offene Fraktur wird in der Regel mit einer Plattenosteosynthese oder dem Fixateur externe versorgt, drittgradig mit dem Fixateur externe, seltener mit einer Platte. Der unaufgebohrte Tibianagel (UTN) findet auch hier seine Indikation. Wichtig ist das Debridement, das sorgfältige Ausschneiden allen toten Gewebes, insbesondere auch der Muskulatur, Vermeidung von Wundtaschen und Wundhöhlen mit Sekretstau, die zur Infektion neigen. Daher reichlich Redon-Drainagen einlegen. Bei stark verschmutzten Knochen muß dieser u. U. gekürzt werden. Den Wundverschluß nicht erzwingen, keine Spannung bei der Wundnaht! Notfalls kann die Haut offen gelassen werden oder mit Kunsthaut (Epigard®) abgedeckt und später mit Spalthaut gedeckt werden. Bedeckt sein müssen jedoch immer Knochen, Sehnen, Nerven und Gefäße und das Osteosynthesematerial. Bei Druckerhöhung Faszienspaltung, evtl. Entlastungsschnitte der Haut. Eine Antibiotika-Prophylaxe ist zu empfehlen, bei drittgradig offener Fraktur erforderlich. Dann hochdosierte kurzzeitige Gabe für einige Tage, vor der Operation bereits beginnend. Wichtiger als die Antibiotika-Gabe ist jedoch ein gutes Debridement und schonende Operationstechnik.
Spongiosatransplantation A n w e n d u n g , da Spongiosa höhere osteogene Potenz als Kortikalis. Verwendung bei:
Spongiosatransplantation. Übertragung autogener Spongiosa - meist vom Beckenkamm - in Knochendefekte. Primäre Defekte, z.B. bei offenen Frakturen mit Trümmerzonen, sekundäre im Gefolge einer Osteitisbehandlung. Spongiosa besitzt eine höhere osteogene Potenz als Kortikalis. Die
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Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre Einheilung verläuft als ein zweiphasiges Geschehen. Zunächst bilden die mitübertragenen Osteoblasten neuen Knochen, nach etwa 4 Wochen wird die osteoinduktive Wirkung der transplantierten organischen Grundsubstanz wirksam.
primären Defekten offenen Frakturen mit Trümmerzonen sekundären Defekten nach Osteitisbehandlung
4.7 H y g i e n i s c h e A n f o r d e r u n g e n bei Operationen a m Bewegungsapparat
Hygienische Anforderunger» bei Operationen am Bewegungsapparat
Der Knochen hat als bradytrophes Gewebe eine wesentlich geringere Abwehrkraft. Hinzu kommt, daß die eigentliche Knochenhartsubstanz als nicht durchbluteter Bestandteil ein günstiger „Schlupfwinkel" für Bakterien darstellt.
Knochen besitzt relativ geringe Abwehrkraft.
Die Anzahl Keime, die das Peritoneum bei einer Abdominaloperation vernichten kann, stellt für den Knochen eine nicht zu beherrschende Übermacht dar. Daher müssen bei derartigen Operationen besondere Anforderungen gestellt werden. Die Infektionsrate sollte unter 1 % liegen, sie darf 2 % nicht übersteigen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit zum Führen einer Infektionsstatistik! Räumliche Anforderungen: Der „Knochen"operationssaal ist der „aseptischste" Saal der gesamten Operationsabteilung. Dementsprechend liegt er von den anderen getrennt. Ein Schleusensystem (Personal-, Patienten- und Materialschleuse) ist unabdingbar. Die Klimaanlagen, insbesondere deren Filter, bedürfen ständiger Kontrollen, damit keine Bakterien in den Saal geblasen werden und der geforderte Luftwechsel aufrechterhalten wird. Die Keimzahl soll unter 100/m3 liegen. Das Optimum stellt zur Zeit die Reinraumtechnik mit z. B. „laminar air flow" dar, bei der die Luft mit erhöhter Strömung wirbelfrei vertikal eingeblasen und abgesaugt und der Operationsmannschaft über Kopfhelme Atemluft zu- und abgeführt wird. Organisatorische Anforderungen: Da sich die Keimzahl im Operationssaal im Laufe des Operationsprogrammes erhöht, müssen Gelenkoperationen und alloplastischer Gelenkersatz vor Osteosynthesen und vor Materialentfernung durchgeführt werden. Personelle Anforderungen: Wichtiger als die vorgenannten Anforderungen ist Disziplin des Operationspersonals. Die Kopfhaube bedeckt das gesamte Haar, der Mundschutz auch die Nase (gilt ebenso für das Anästhesie-Personal!); möglichst wenig Personal im Operationssaal, dieses geht langsam, läuft nicht, um Aufwirbeln von Partikeln zu verhindern. Operationstüren werden möglichst nicht während der Operation geöffnet. Spezielle Operationsverfahren: Das Operationsteam trägt 2 Paar Handschuhe; gut klebende Operationsfolie über dem Operationsbereich, die auch am Schnittrand klebt; laufende Spülung des Operationsgebietes mit Ringerlösung, um ein Austrocknen des Gewebes und damit Resistenzherabsetzung zu verhindern. Atraumatisches Operieren, um Nekrosen zu vermeiden; vor Wundschluß bluttrockenes Operationsgebiet; trotzdem Einlegen einer Redon-Saugdrainage (Blut ist ein gutes Kulturmedium für Keime).
4.8 Komplikationen nach Frakturen und Luxationen 4.8.1 Pyogene Knochen- und Gelenkinfektionen
1. Räumliche Anforderungen Knochenoperationssaal m u ß weitreichend aseptisch sein durch: - Trennung von anderen Operationsabteilungen - Schleusensystem - Klimaanlage - Keimzahl unter 100/m3 Optimale Reinraumtechnik: - Laminar air flow 2. Organisatorische Anforderungen: Gelenkoperationen und alloplastischer Gelenkersatz: vor Osteosynthese, und vor Materialentfernung durchführen! 3. Personelle Anforderungen: - Disziplin des OP-Personals - gesamtes Haar mit Kopfhaube bedecken - Mundschutz einschließlich Nase - Möglichst wenig Personal im OP - Langsame Gangart - Operationstüren während OP nicht öffnen 4. Spezielle Operationsverfahren: - Tragen von 2 Paar Handschuhen - Klebefolie über Operationsgebiet (Kleben auch am Schnittrand) - laufende Spülung des Operationsgebietes mit Ringerlösung - möglichst atraumatisches Operieren vor Wundschluß: - bluttrockenes Operationsgebiet - Einlegen einer Redon-Saugdrainage Komplikationen nach Frakturen und Luxationen
4.8.1.1 Hämatogene Osteomyelitis
Hämatogene Osteomyelitis (Abb. 44.4-21)
Ein seltenes Krankheitsbild, das zu 90% Jugendliche im Alter von 1015 Jahren befällt. Eitererreger, meist Staphylokokkus aureus haemolyticus, seltener Streptokokken, gelangen auf dem Blutweg aus banalen Eiterherden - Zähne, Tonsillen, Furunkel, Pyodermien - über die A. nutricia in das Knochenmark der Metaphyse (Femur- Tibia, Humerus in abnehmender Reihenfolge). Hier Vermehrung in Thromben und Übergreifen auf den Knochen bis zum Periost über das Havers-System. Ausbildung eines subperiostalen Abszesses (Abb. 44.4-21) - das kindliche Periost ist dicker und widerstandsfähiger als das des Erwachsenen. Wegen der Thrombosen in den Knochengefäßen und infolge der Periostabhebung werden Teile der Korti-
Selten, meist Jugendliche befallen. Erreger: meist Staphylokokkus. Deren Einschleppung oft aus banalen Eiterherden -» Einschleppung in das Knochenmark der Metaphyse Vermehrung in Thromben -»Übergreifen auf den Knochen bis zum Periost - > subperiostaler Abszeß - > Teile der Kortikalis nekrotisch und sequestrierend Einschluß des Sequester Perforation und Fistelbildung -» Gefahr der Exazerbation.
44. Unfallchirurgie
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Abb. 44.4-21: Ausbreitung der hämatogenen Osteomyelitis subperiostal und in das Knochenmark kalis nekrotisch und zum Sequester. Dieser kann im Sinne einer Spontanheilung von periostalen Knochenneubildungen eingeschlossen werden (Totenlade Abb. 44.4-22). Häufig Perforation des Abszesses durch Periost und Weichteile mit Ausbildung einer Fistel. Diese wird durch bakterienreiche Sequester unterhalten. Daher Gefahr der Exazerbation! Diagnose: - hohes septisches Fieber - Schmerzen am befallenen Knochen - Rötung - Schwellung - Druckschmerz Röntgenbild: - Osteolysen - periostale Knochenneubildung - Totenlade um Sequester Sonderform: Brodie-Abszeß Therapie: - anfänglich Ruhigstellung im Gipsverband - Antibiotika Bei Eiterherd: - Abszeßeröffnung mit Debridement - radikale Entfernung des nekrotischen Gewebes - Spülsaugdrainage oder - Refobacin-Pallacoskugelkette - Spongiosatransplantation
Diagnose: Beginn mit hohem, meist septischem Fieber, Schmerzen am befallenen Knochen. Hier Rötung, Schwellung und Druckschmerz. Positive Blutkulturen im Anfangsstadium. BSG-Erhöhung und Leukozytose. Das Röntgenbild ist in der 1. bis maximal 3. Woche negativ, dann Osteolysen, periostale Knochenneubildungen, Totenlade um Sequester. Der Brodie-Abszeß ist eine milde Verlaufsform, die röntgenologisch durch einen starken Sklerosesaum um die Abszeßhöhle charakterisiert ist und klinisch keine Fistelbildung zeigt. Therapie: Im Anfangsstadium Ruhigstellung im Gipsverband und Gabe eines Antibiotikums gegen Staphylokokken, später nach Antibiogramm. Bei Auftreten eines Eiterherdes zusätzliche Abszeßeröffnung, sorgfältiges Debridement mit radikaler Entfernung nekrotischen Gewebes (Knochen, Weichteile, Fistel). Anlegen einer Spülsaugdrainage oder Einlegen einer Refobacin-Pallacoskugelkette. Das Antibiotikum wird aus dem Knochenzement (PMMA = Polymethylmetacrylat) kontinuierlich abgegeben, Entfernung der Kette nach 2 Wochen. Bei Knochenhöhlen im sanierten Herd Spongiosaauffüllung.
Abb. 44.4-22: Totenlade um einen Knochensequester (1)
Abb.44.4-23: Osteolysen bei Osteitis im ehemaligen Bruchgebiet und entlang des Nagels, insbesondere an der Einschlagstelle (Röntgendarstellung)
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
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Bei der Säuglingsosteomyelitis droht ein Durchbruch subperiostal von der Metaphyse über die Epiphyse ins Gelenk, da noch keine Epiphysenfuge mit eigenem Gefäßnetz vorhanden ist. Eine bleibende Schädigung des Knochenwachstums ist dann die Folge.
Bei Säuglingsosteomyelitis: Gefahr eines Durchbruches ins Gelenk. Folge: bleibende Schädigung des Knochenwachstums
4.8.1.2 Posttraumatische Osteitis
Posttraumatische Osteitis
Diese exogene Form der Knochenentzündung hat im Gefolge der Osteosynthesen große klinische Bedeutung erlangt und die hämatogene Form an Häufigkeit bei weitem überflügelt. Die Infektionsrate nach Osteosynthesen bei geschlossenen Frakturen darf die 2-%-Grenze nicht überschreiten (sonst Fehler personeller, organisatorischer und baulicher Art), die bei offenen Frakturen liegt höher, um 10%, je nach Lokalisation der Fraktur. Begünstigt wird eine Infektion durch ein Hämatom (idealer Nährboden für Bakterien), durch Weichteilquetschungen (Haut und Muskulatur) mit verminderter zellulärer Abwehr, durch starke Denudierung des Knochens mit großen avaskulären Fragmentenden oder Knochenstücke, durch Fremdkörper, durch allgemeine Abwehrschwäche des Polytraumatisierten und durch allgemeine Faktoren, wie Durchblutungsstörungen, hohes Alter des Patienten, Diabetes mellitus. Die Erreger sind Staphylococcus aureus sive epidermidis, aber auch häufig Hospital- und gramnegative Keime: Proteus, Pseudomonas, Kolibakterien.
Klinisch von Bedeutung als Folge der Osteosynthesen. Begünstigung durch Hämatom, Weichteilquetschung, starke Denudierung des Knochens, Fremdkörper, allg. Abwehrschwäche, Durchblutungsstörungen, Diabetes etc. Erreger häufig Staphylokokken aber auch gramnegative Keime
Drohender Infekt: Die beste Prophylaxe der Osteitis ist das Erkennen und die akkurate Behandlung eines drohenden Infektes. Ausbildung eines Hämatoms, bleibende Schwellung und Schmerzen, nicht zur Norm zurückgehende Temperatur müssen an einen drohenden Infekt denken lassen. Das Hämatom erfordert eine notfallmäßige sterile Eröffnung der Wunde und Ausräumung des Hämatoms. Blutkulturanlage! Meist findet sich devitalisiertes Weichteilgewebe, das exzidiert werden muß. Einlegen mindestens einer Redon-Drainage. Hochlagerung der Extremität. Akute Form: Neben den bereits beim drohenden Infekt auftretenden Symptomen kommt die Rötung und Überwärmung hinzu, die BSG, Leukozytenzahl und CRP sind erhöht. Der Eiter sammelt sich im ehemaligen Frakturgebiet und droht aus den Wundnähten herauszuquellen. Dieses Bild entwickelt sich innerhalb der ersten 3 Wochen. Bei Marknagelungen bildet sich auch über der Einschlagstelle ein Abszeß, der infolge einer Markphlegmone mit dem Eiterherd im Frakturgebiet in Verbindung steht. Bei Plattenosteosynthesen breitet sich der Eiter entlang der Platte weiter aus, da hier an der Grenzschicht Gewebe-Metall eine reduzierte Abwehr besteht. Röntgenologisch sieht man innerhalb der ersten 3 Wochen kaum Veränderungen, später treten Osteolysen (Abb. 44.4-23) gelegentlich auch periostale Reaktionen (Knochenanbau) auf. Anfänglich avaskulärer, später avitaler, da nicht revaskularisierter Knochen, wird nicht osteoporotisch. Die chronische Form zeigt zunächst einen normalen postoperativen Verlauf, gelegentlich jedoch eine länger anhaltende postoperative Schwellung, die sich aber langsam zurückbildet. Häufig tritt die chronische Verlaufsform bei primärer Antibiotikagabe auf, so daß der akute Verlauf „kaschiert" wird und auch später nur ein symptomarmer Verlauf resultiert. Nach Monaten tritt eine geringe Rötung im Operationsgebiet auf, aus der eine Fistel aufbricht.
a) Drohender Infekt: erste Zeichen: • Hämatom • bleibende Schwellung • Schmerzen • erhöhte Temperaturen Folge: notfallmäßige sterile Eröffnung der Wunde -» Ausräumung des Hämatoms Einlegen einer Redon-Drainage. b) Akute Form: Außerdem: • Rötung • Erwärmung • BSG und Leukozytenzahl erhöht • Ansammlung von Eiter im Frakturgebiet -» Herauspressen aus den Wundnähten Röntgen: keine Veränderung in den ersten 3 Wochen, nach 3 Wochen: - Osteolyse (Abb. 44.4-23) - periostale Reaktionen (Knochenanbau)
Therapie: Bei der akuten Form ist eine sofortige chirurgische Intervention erforderlich. Die alleinige Gabe eines Antibiotikums ist ein Behandlungsfehler, da hiermit die Entzündung nicht zum Abklingen gebracht werden kann. 2 Behandlungsprinzipien sind wichtig (Abb. 44.4-24). 1. Debridement: Großzügige Entfernung allen abgestorbenen Gewebes (Haut, Muskulatur) einschließlich des Knochens, der, vom Periost entblößt, weiß ohne Blutpunkte schimmert. Dies ist meist mit einem größeren Substanzverlust am Knochen verbunden; der Anfänger entfernt meistens zu wenig Knochen!
Therapie: akute Form: sofortige chirurgische Intervention mit Debridement: Entfernung des abgestorbenen Gewebes einschließlich des Knochens (Abb. 44.4-24). • Debridement
c) Chronische Form: länger anhaltende postoperative Schwellung, langsames Zurückbilden. Später mäßige Rötung, Fistelbildung.
44. Unfallchirurgie
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Abb. 44.4-24: Prinzip der Osteitisbehandlung, a. Gründliches Debridement, b. Stabilisierung (hierdreimensionaier Fixateur externe) und Einlegen einer P M M A Refobacin-Kugelkette (Septopal®), c. Spongiosatransplantation
Stabilität: deren Erhaltung, da sonst keine Ausheilung der Infektion. Daher: Belassen der Osteosynthese, wenn diese stabil ist. S o n s t Anlegen eines Fixateur externe.
Prognose: Aufleben des Prozesses selbst noch nach Jahren. Ausheilung fragwürdig.
2. Stabilität: Ohne Stabilität heilt die Infektion nicht aus. Daher kann die Osteosynthese, wenn sie stabil ist, belassen werden, obwohl das Osteosynthesematerial als Fremdkörper eine Entzündung unterhalten kann. Aber in Verbindung mit dem Debridement und der gewonnenen oder verbliebenen Stabilität ist dies die bestmögliche Therapie. Im Zweifelsfall wird eine Platte jedoch entfernt und die Stabilität durch eine Fixateur-externe-Montage erreicht. Bei Instabilität der Osteosynthese - meist Plattenosteosynthesen - wird diese entfernt und durch einen Fixateur externe ersetzt. Die Steinmann-Nägel werden fernab der Entzündung eingebracht. Dies gilt in der Regel auch für eine Markphlegmone nach Marknagelung. Die anschließende Spülsaugdrainage vermindert die Keimzahl und das Ansammeln von Sekret. Ersteres kann auch durch das Einlegen einer Refobacin-Pallacoskugelkette erreicht werden (s.Therapie der Osteomyelitis). Erst nach Sanierung des Herdes erfolgt Wochen bis Monate später die Auffüllung des Knochendefektes mit autogener Spongiosa. Die systematische Gabe eines ausgetesteten Antibiotikums ist nur eine flankierende Maßnahme. Selbstverständlich muß im akuten Stadium die Extremität mit einer zusätzlichen Gipsschale ruhiggestellt und hochgelagert werden. Dies Behandlungsschema gilt auch für die chronische Verlaufsform. Hier kann mit einer Fistelfüllung das Ausmaß des Schadens festgehalten werden. Prognose: Diese ist durch gehäufte Exazerbationen getrübt. Selbst nach Jahren und Jahrzehnten kann der Prozeß wieder aufflackern. Daher ist eine echte Ausheilung fragwürdig.
Gelenkinfektionen
4.8.1.3 Gelenkinfektion
Erreger dringen direkt in das Gelenk durch: - offene Gelenkverletzung - infizierte Osteosynthese in Gelenknähe - intraartikuläre Injektionen Erscheinungsformen: - Reiz-oder serofibrinöser Erguß - Empyem, Kapselphlegmone - Panarthritis.
Pathogenese: Eitererreger gelangen beim Erwachsenen fast ausschließlich direkt in den Gelenkraum und nicht über den Umweg über die Blutbahn. Sie brechen aus unmittelbarer Umgebung in das Gelenk ein: Durch offene Gelenkverletzungen und mißlungene, weil infizierte Osteosynthesen in Gelenknähe, weniger häufig durch intraartikuläre Injektionen. Es imponiert ein Reizerguß als Folge der geschwollenen Membrana synovialis. Fließende Übergänge vom serofibrinösen Erguß bis zum Empyem. Beim Übergreifen auf die Kapsel und das paraartikuläre Gewebe entsteht die Kapsel- und die paraartikuläre Phlegmone, u. U. mit Senkungs- und Röhrenabszessen. Sind alle Strukturen betroffen, sprechen wir von einer Panarthritis. Diagnose: Klinisch Schwellung, Schmerzen, auch in Ruhe; Rötung, Überwärmung, Functio laesa. Schonhaltung des Gelenkes (leichte Beugung), Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens mit u. U. septischen Temperaturen.
• Spül-Saugdrainage oder • Refobacin-Pallacoskugelkette • Antibiotikum als flankierende M a ß nahme Später: • Auffüllung des Knochendefektes mit Spongiosa.
Diagnose: • Schwellung • Schmerzen auch in Ruhe • Rötung, Erwärmung, Functio laesa • Schonhaltung des Gelenkes.
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Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre Laborchemisch: Erhöhte BSG, Leukozytose, cRP u. Fibrinogen Erhöhung. Punktion des Gelenkes erforderlich. Punktat eiweiß- und zellreich. Bakteriennachweis! Röntgenologisch: Anfänglich Gelenkspalterweiterung durch Erguß, dann Destruktionen. Therapie: Punktion, Immobilisation im Gipsverband oder im gelenküberbrückenden Fixateur externe. Zunächst Gabe eines Breitbandantibiotikum, nach Austestung gezielt. Bleiben 1 bis 2 Punktionen erfolglos, muß eine Synovektomie erfolgen, da die M. synovialis Ort der primären Bakterienansammlung ist. Nur die Frühsynovektomie kann die Prognose entscheidend verbessern und eine Restitutio ad integrum erbringen. Daher mit dieser Operation nicht zu lange warten! Bei Phlegmonen radikale Ausräumung allen nekrotischen Gewebes. Spülsaugdrainage. Prognose: Bei chronischer Verlaufsform mit Fistelbildung Ausheilung nur mit Zerstörung des Gelenkknorpels möglich, die eine Arthrodese rechtfertigt.
Labor: BSG erhöht, Leukozytose, Punktat zell- und eiweißreich. Röntgen: anfänglich Gelenkspalterweiterung, später Destruktion. Therapie: - Punktion - Immobilisation im Gipsverband oder Fixateur externe - Breitbandantibiotika gezielte Gabe - Synovektomie, Frühsynovektomie - bei Phlegmonen: radikale Ausräumung des nekrotischen Gewebes, Spülsaugdrainage. Prognose: bei chronischer Form: Ausheilung nur mit Zerstörung des Gelenkknorpels -»Arthrodese.
4.8.2 Sudeck-Dystrophie
Sudeck-Dystrophie
Diese stellt kein selbständiges Krankheitsbild dar, sondern ist die massivste Ausprägung der Frakturkrankheit. Ätiologie und Pathogenese sind unbekannt, wenn auch eine vegetativ nervale angiopathische Reaktionslage vorliegt. Diese führt zu einer Durchblutungs- und Stoffwechselstörung des Knochens und aller Weichteile, die in einer Dystrophie und Atrophie aller Strukturen endet. Sie tritt häufig nach Frakturen (z. B. Radiusbasisfraktur) oder Weichteil Verletzungen der Akren auf, aber auch ohne diese, z.B. als kontralateraler Sudeck auf der nicht verletzten Seite. Dies weist auf eine besondere Disposition hin; gehäuft werden Frauen über 40 Jahre mit einer veränderten Reaktionsbereitschaft des Sympathikus betroffen. Begünstigend wirken brüske, u. U. mehrfache Repositionen, traumatisierende Operationstechniken und unsachgemäße Ruhigstellung mit z.B. schnürenden Verbänden. Klinischer Verlauf: Dieser wird in drei Stadien mit fließenden Übergängen eingeteilt. Wegen der unterschiedlichen Therapie hat sich die Einteilung aber bewährt. Stadium I: Ödematöse Weichteilschwellung mit anfänglicher Rötung, dann übergehend in blau-livide Verfärbung und Überwärmung („pathologisch gesteigerte Heilentzündung"), vermehrte Schweißabsonderung. Neben der Schwellung ist ein starker Dauerschmerz charakteristisch, der besonders nachts und bei passiver Bewegung verstärkt auftritt. Der Schmerz ist das Leitsymptom, ihm kommt im Initialstadium der Erkrankung größte Bedeutung zu. Stadium II ist charakterisiert durch die Abnahme der Schmerzen und Zunahme der trophischen Störungen, etwa 1 - 3 Monate nach dem schädigenden Ereignis: Dystrophie bis Atrophie aller beteiligten Strukturen mit Verlust des subkutanen Fettgewebes, damit Verschmächtigung der Extremitätenteile mit Glanzhaut, kühler zyanotischer trockener Haut mit fehlender Hautfältelung und u. U. vermehrter Behaarung. Durch Kapsel- und Bandschrumpfungen treten bisweilen erhebliche Bewegungseinschränkungen
d. h. massivste Ausprägung der Frakturkrankheit. Folge: Durchblutungs- und Stoffwechselstörung des Knochens und aller Weichteile -> Dystrophie, Atrophie aller Strukturen.
Alle Symptome in den ersten beiden Stadien sind noch rückbildungsfähig. Röntgenologisch zeigt sich eine feinfleckige Entkalkung (im Gegensatz zur diffusen bei Inaktivitätsatrophie und Osteoporose) und später eine scharfe Konturierung (Verdünnung) der Kortikalis - wie mit dem Bleistift nachgezogen (Abb. 44.4-25). Stadium III ist gekennzeichnet durch die Endatrophie aller Strukturen ohne Schmerzen mit erheblichen Gelenksteifungen. Keine Rückbildungsfähigkeit. Therapie in der akuten Phase: begrenzte Immobilisation in Funktionsstellung. Medikamentös: Calcitonin: Täglich 1001. E. für 3 Wochen i. m. oder s.c., für weitere 3 Wochen die gleiche Dosis jeden 2. Tag. Calcitonin soll
Begünstigende Frakturen: - mehrfache Reposition - traumatisierende Operationstechniken - unsachgemäße Ruhigstellung
Klinischer Verlauf in 3 Stadien: Stadium I: ödematöse Weichteilschweliung • starker Dauerschmerz, besonders nachts und bei passiver Bewegung • Rötung, Übererwärmung • Hyperhydrosis Stadium II: Abnahme der Schmerzen, Zunahme der trophischen Störungen -» Dystrophie bis Atrophie aller beteiligten Strukturen, erhebliche Bewegungseinschränkung. Symptome sind noch rückbildungsfähig, kühle Zyanose Glanzhaut Hypertrichosis Röntgenbild: Fleckförmige Entkalkung (Abb. 44.4-25)
Stadium III: Endatrophie aller Strukturen ohne Schmerzen, Gelenkeinsteifung, keine Rückbildungsfähigkeit. Therapie: - akute Phase: Immobilisation
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44. Unfallchirurgie
Abb. 44.4-25: Fleckförmige Demineralisierung beim SudeckSyndrom der Hand
Medikamentös: Calcitonin, antiphlogistisch-antiödematös-analgetische Kombination, Psychopharmaka Verboten: Massagen, Heißluft, passive Bewegungsübung!
Prophylaxe: beste Therapie ist die Prophylaxe
Kompartmentsyndrom (KS)
der Déminéralisation des Knochens entgegenwirken, zudem hat es einen analgetischen Effekt. Weiterhin wird ein entzündungshemmendes Präparat, z.B. Diclofenac 100mg/die gegeben. Der Einsatz von Psychopharmaka (z.B. Lexotanil®) dämpft die überschießende vegetative Reaktion. Verboten sind Massagen, Heißluft und passive Bewegungsübungen. Im Stadium der Dystrophie: aktive krankengymnastische Bewegungsübungen bis zur Schmerzgrenze, Eisbehandlung, Sympathikusblockaden. Im Atrophiestadium können lediglich begrenzte Operationstechniken eine gewisse Verbesserung erbringen. Der Arzt muß auf die psychologische Situation des Patienten allergrößte Rücksicht nehmen. Die geduldige psychologische Führung ist daher wichtige und therapeutisch notwendige Begleitung. Die beste Therapie ist die Prophylaxe: Schonende Reposition mit korrekter Stellung der Fragmente, keine zirkulären Gipsverbände oder schnürenden Verbände, Vermeidung jeglicher Schmerzen, aktive Bewegungsübungen der nicht verletzten und nicht ruhiggestellten Gelenke. 4.8.3 Kompartmentsyndrom (KS), akute Phase
Entstehung durch 4 Faktoren: 1.Geschlossener Raum (d.h. Kompartment) 2. erhöhter Gewebedruck 3. Minderdurchblutung des Gewebes 4. Störung der neuromuskulären Funktion
Häufigkeit: Nach der Thrombose die häufigste Komplikation bei Knochenbrüchen. Beim Unterschenkelbruch muß mit einer Häufigkeit von 10-17 % gerechnet werden. Definition: Ein KS tritt ein, wenn folgende 4 Faktoren zusammentreffen: Innerhalb eines geschlossenen Raumes (des Kompartments) tritt infolge eines erhöhten Gewebedruckes eine Minderdurchblutung ein, welche zu Störungen der neuromuskulären Funktion führt (Tscherne).
Ätiologie: Erhöhter Gewebedruck entsteht durch: I.Verkleinerung des Kompartmentraums
Ätiologie: Die Erhöhung des Gewebedruckes entsteht: • durch Verkleinerung des Kompartmentraumes: Verschluß von Faszienlükken, zu enger Gipsverband, lokaler äußerer Druck. Geschlossene Gipsverbände an Extremitäten schränken die Ausdehnungsmöglichkeit der Weichteile um 85 % ein, ein gespaltener Gips noch um 30-60 %; • durch Zunahme des Kompartmentinhaltes: infolge Blutung bei Gefäßverletzung Gefäßen und Blutgerinnungsstörungen; durch vermehrte Kapillarpermeabilität bei postischämischer Schwellung (Operation in Blutleere nicht länger als 2 Stunden, nach 3 Stunden 30-60% Weichteilschwellung!), bei direkten Gewebetraumen (Frakturen), der häufigsten Ursache des KS (70 % aller KS sind traumatisch bedingt, davon 50 % durch meist stark dislozierte Frakturen und Luxationen), bei Verbrennungen und bei intraarteriellen Injektionen; infolge erhöhten Kapillardrucks bei venöser Stauung; durch intramuskuläre Infusion oder Injektion; • durch Hochlagerung verletzter Extremitäten bei arterieller Hypotonie (z. B. schockierter Patient, primäre arterielle Minderdurchblutung). Hochlagerung des Unterschenkels um 50 cm bewirkt einen Blutdruckabfall im Sprunggelenkbereich um 45 mm Hg. Eine Hochlagerung erfolgt maximal 10 cm über Vorhofniveau.
2. Zunahme des Kompartmentinhaltes
3. Hochlagerung verletzter Extremitäten bei arterieller Hypotonie (z. B. im Schock)
Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre
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Somit kann sowohl der Anstieg des extravasalen Gewebedrucks als auch ein Absinken des Druckes in den Arteriolen eine Störung der lokalen arterio-venösen Druckdifferenz bewirken. Meistens sind ursächlich mehrere Faktoren beteiligt. Pathophysiologie: Der transkapilläre Flüssigkeitstransport ist gestört. Normalerweise bewirkt der hydrostatische Kapillardruck eine Filtration von Wasser und Elektrolyten. Entgegengesetzt wirkt der osmotische Druck innerhalb der Kapillaren durch zurückgehaltene Plasmakolloide. Beide Kräfte stehen im Gleichgewicht, da am kapillaren Gefäßanfang durch Überwiegen des hydrostatischen Druckes ein Flüssigkeitsaustritt und am venösen Ende der Kapillare eine Rückresorption durch Überwiegen des onkotischen Druckes stattfindet. Beim KS kommt es infolge der Erhöhung des hydrostatischen Kapillardruckes zum vermehrten Flüssigkeitsaustritt. Permeabilitätsstörungen der Kapillarwand verursachen den Austritt von Plasmaproteinen, so daß im Interstitium der osmotische Druck steigt, was zur Verringerung der Rückresorption führt. Durch diese vermehrte Flüssigkeitsansammlung mit erhöhtem Druck im Interstitium wird zunächst der Flüssigkeitstransport am venösen Kapillarende behindert. D a zunächst das arterielle Ende der Kapillare offen bleibt, wird durch jede weitere Blutzufuhr das Flüssigkeitsvolumen im Gewebe ansteigen und den Druck dort erhöhen. Bei Dekompensation des geschilderten Systems kommt es zur Ischämie, die ihrerseits Azidose und Gewebeschwellung verursacht und ein vorhandenes Ödem verstärkt. Es baut sich ein Cirulus vitiosus auf, der den Druck im Gewebe weiter ansteigen läßt. Es treten dann Muskelnekrosen und in deren Gefolge eine Volkmann-Kontraktur auf. Somit ist die lokale gestörte arterio-venöse Druckdifferenz - der AV-Gradient - der für den Blutfluß im kapillären Bereich und für die transmurale Sauerstoffversorgung des Gewebes verantwortlich ist, Kernstück der Pathophysiologie. Beim Befall mehrerer Kompartments kann durch ausgedehnte Muskelnekrosen der Gesamtorganismus in Form des Crush-Syndroms mitergriffen werden: Hypovolämie durch Verlagerung größerer Flüssigkeitsmengen in den extravasalen Raum mit Schocksymptomatik, Myoglobinablagerungen in den Nierentubuli und Kaliumfreisetzung durch Zerfall der Muskelzellen, metabolische Azidose, Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen sowie Störung des Wasser- und Elektrolythaushaltes.
Lokalisation: Häufiges Vorkommen am Unterschenkel, jedoch in jeder Faszienloge möglich: häufig sind mehrere Kompartments befallen. Der Unterschenkel besitzt 4 Kompartments (Abb. 44.4-26): Tibialis-anterior-Syndrom: Loge für die Mm. extensor hallucis longus, tibialis anterior und extensor digitorum communis. Tiefes hinteres Logensyndrom: Faszienloge für Mm. tibialis posterior, flexor digitorum longus und flexor hallucis longus. • Laterales KS: Loge für die Mm. peronaeus longus et brevis. • Oberflächliches dorsales KS: Mm. gastroenemius und soleus. • Obere Extremität: Im Ellenbogenbereich (Unterarmbeuger) bei kindlichen suprakondylären Oberarmbrüchen, dem bekanntesten KS das häufig mit der Volkmannschen ischämischen Muskelkontraktur gleichgestellt wird; Kontraktur der Handbinnenmuskeln. Diagnose: Leitsymptom ist der akut einsetzende brennende, bohrende, häufig krampfartige Schmerz mit zunehmender Intensität, der auch durch starke Analgetika kaum zu beeinflussen ist. Hochlagerung oder Immobilisation der Extremität verstärkt den Schmerz. Er wird in die betroffene Muskelloge oder peripher in das Ausbreitungsgebiet sensibler Nerven des Kompartments lokalisiert. Danach treten bereits nach 30 min Mißempfindungen (Parästhesien, Hyper- und Hypästhesien) und rasche Anästhesie und motorische Muskelschwäche auf. Ein passiver Dehnungsschmerz der betroffenen Muskeln ist charakteristisch. Nach 12- bis 24stündiger Ischämie sind Nervenlähmungen irreversibel. Lokal treten Hautrötung und Spannungsblasen, starke Schwellungen, später livide Hautverfärbungen auf. Die Muskulatur ist hart und sehr druckdolent. Periphere Arterienpulse und Hautkapillarzirkulation sind intakt. Gesichert wird die Diagnose durch Messung des subfaszialen Gewebedruckes in den einzelnen Kompartments nach dem Prinzip der zentralen Venendruckmessung oder mit industriell angebotenen Systemen. Die Mikrozirkulation in der Muskulatur sistiert, wenn die Druckdifferenz zwischen Subfaszialdruck und diastolischem Blutdruck 30 mm H G unterschreitet
Pathophysiologie: Störung des transkapillären Flüssigkeitstransportes: - Erhöhung des hydrostatischen Druckes -»vermehrter Flüssigkeitsaustritt. - Permeabilitätsstörung der Kapillarwand > Austritt von Plasmaproteinen Verringerung der Rückresorption. Erhöhter Druck zunächst am venösen Kapillarende -» Muskelnekrosen —»VolkmannKontraktur Kernstück: Störung der lokalen atriovenösen Druckdifferenz, des AV-Gradienten
Bei Befall mehrerer Kompartments Wirkung auf den Gesamtorganismus in Form des Crush-Syndroms: • Hypovolämie • Myoglobinablagerung in Nierentubuli • metabolische Azidose • Nierenversagen • Herzrhythmusstörungen • Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes Lokalisation überwiegend am Unterschenkel (Abb. 44.4-26): Tibialis-anterior-Syndrom tiefes hinteres Logensyndrom In der Ellenbeuge: Unterarmbeuger = Volkmannsche ischämische Muskelkontraktur
Diagnose: Leitsymptom: akut einsetzende brennende, bohrende, krampfartige Schmerzen mit zunehmender Tendenz Später: Mißempfindungen, rasche Anästhesie, motorische Muskelschwäche, passiver Dehnungsschmerz Nach mehrstündiger Ischämie: irreversible Nervenlähmungen Lokal: • Hautrötung • Spannungsblasen • starke Schwellung • livide Hautverfärbung • harte Muskulatur • Druckdolenz Diagnosesicherung: Messung des subfaszialen Gewebedruckes
44. Unfallchirurgie
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posteromedialer
antero lateraler Zugang Abb. 44.4-26: Anterolateraler und posteromedialer Zugang zu den 4 Kompartimenten des Unterschenkels
Differentialdiagnose beachten
Therapie: einzig erfolgversprechende Therapie: Entlastung der Muskellogen durch Faszienspaltung (s.Abb. 44.4-26). Bei gleichzeitiger Fraktur: Fasziotomie und stabile Osteosynthese.
Abb. 44.4-27: Ischämische Kontraktur der Handbinnenmuskeln. Bei passiv gestrecktem Grundgelenk sind Mittel- und Endgelenk weder aktiv noch passiv zu beugen, wohl aber bei Beugung des Grundgelenkes
oder die Druckerhöhung auf 40 bis 50 mm Hg anhält. Entscheidend sind Verlaufskontrollen. Differentialdiagnose: Häufigste Fehldiagnose: Thrombose, Thrombophlebitis, traumatische Nervenschädigung, Muskelprellung, akute Infektionen oder Entzündungen (Erysipel, Phlegmone). Beim Sudeck-Syndrom fehlt die palpatorische Druckdolenz der Muskulatur. Therapie: Einzige erfolgversprechende Therapie: Rechtzeitige und vollständige Entlastung der betroffenen Muskellogen durch Faszienspaltung. Diese Dekompression ist ein Noteingriff, kein primärer Hautverschluß, Auflegen von synthetischem Hautersatz. Beim Vorliegen einer Fraktur erfolgt gleichzeitig mit der Fasziotomie eine stabile Osteosynthese. Am Unterschenkel sollten alle 4 Logen eröffnet werden (s. Abb. 44.4-26). Bei Osteosynthese am Unterarm und Unterschenkel wird zur Prophylaxe eines Kompartmentsyndroms die Faszie nicht genäht.
Folgezustände nach KS
4.8.3.1 Folgezustände nach Kompartmentsyndromen
Muskelnekrosen durch Ischämie im Kompartment - > Muskelschrumpfung Volkmannsche ischämische Kontraktur.
Setzt in der akuten Phase die Therapie unsachgemäß oder zu spät ein, entstehen ischämische Muskelnekrosen. Den Nekrosen folgt die Muskelschrumpfung, die Volkmannsche ischämische Kontraktur. Das ausgeprägte Bild zeigt außerdem schwere Schädigungen der zugeordneten Nerven.
KS der Unterarmbeuger
KS der Unterarmbeuger: Bevorzugt zerstört wird die tiefer gelegene Muskulatur, wie M. flexor pollicis longus und M. flexor digitorum profundus. Hier finden sich alle Übergänge von partiellen bis zu totalen gelblichen Nekrosen. Diagnose: Deutliche, häufig stufenförmige Muskelatrophie der Beuger. Fixierte Pronationsstellung des Unterarmes, Flexionskontraktur des Handgelenkes und der Finger durch narbige Schrumpfung der Muskulatur am Unterarm, d. h., die Fingergelenke sind in Entlastungsstellung - bei gebeugtem Handgelenk passiv frei zu strecken. Bei Streckung im Handgelenk verstärkt sich die Krallenstellung der Finger. Therapie: Nur operativ, konservativ, völlig sinnlos, da die Muskelnekrosen damit nicht beseitigt werden können. Bei Druckschäden der Nerven (N. medianus häufiger betroffen als N. ulnaris): Spaltung des verdickten Epineurium, häufig interfaszikuläre Neurolyse unter dem Operationsmikroskop notwendig, seltener Nerventransplantation nach Resektion bei völliger Destruktion. Ersatzoperationen zur Wiederherstellung der ausgefallenen Muskelfunktionen: Sehnenverlängerungen (z-förmig) am Unterarm; bei starker Schrumpfung: Desinsertion, d. h. Ablösung aller Beugemuskeln nach Scaglietti vom Ansatz am distalen Oberarm unter Darstellung der Nerven und Verlagerung nach distal; Sehnenumlagerungen, z. B. des M. extensor carpi radialis brevis als Motor, dessen Sehne auf die Beugesehnen der nekrotischen Muskeln umgelagert wird, nachdem die Nekrosen chirurgisch entfernt worden sind.
Diagnose: • häufig stufenförmige Muskelatrophie der Beuger • fixierte Pronationsstellung des Unterarmes • Flexionskontraktur des Handgelenkes und der Finger • Verstärkung der Krallenstellung der Finger bei Streckung im Handgelenk Therapie: nur operativ Spaltung des verdickten Epineurium Ersatzoperation: Sehnenverlängerung am Unterarm. Bei starker Schrumpfung: Desinsertion: Ablösung aller Beugemuskeln vom Ansatz am Oberarm unter Darstellung der Nerven -> Verlagerung nach distal. Sehnenumlagerungen.
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Allgemeine Frakturen- und Luxationslehre KS der Handbinnenmuskeln: Bei ischämischer Kontraktur der Mm. interossei tritt die „Intrinsic-plus-"Stellung ein: Fixierte Beugung in den Grundgelenken bei Streckung der Mittel- und Endgelenke (Funktion der Mm. interossei!). Häufig findet sich eine Adduktionskontraktur des Daumens durch Nekrosen der Daumenballenmuskulatur. Diagnose: Bei Streckstellung der Grundgelenke ist eine Beugung im Mittelund Endgelenk nicht möglich. Nach Freigabe des Grundgelenkes in Beugestellung können auch Mittel- und Endgelenke aktiv und passiv gebeugt werden („Intrinsic-plus"- oder Bunnell-Test) (Abb. 44.4-27). Therapie: Bei „Intrinsic-plus"-Stellung: Tenotomien der Interosseussehnen oder dreieckförmige Exzision der schrägen Fasern der Streckaponeurose im Bereich des Grundgliedes (Littler's Release Operation). Bei Adduktionskontraktur des Daumens: Exzision allen nekrotischen Gewebes, Fixierung des Daumens in Oppositionsstellung, Deckung des entstandenen Hautdefektes mit freien oder gestielten Leistenlappen.
KS der Handbinnenmuskeln
Diagnose: bei Streckstellung der Grundgelenke ist Beugung im Mittel- und Endgelenk nicht möglich (Abb. 44.4-27). Therapie: Bei Intrinsic-plus-Stellung: Tenotomien der Interosseussehnen, dreieckförmige Exzision der schrägen Fasern der Streckaponeurose. Bei Adduktionskontraktur des Daumens: Exzision des nekrotischen Gewebes, Fixierung des Daumens in Oppositionsstellung, Deckung des Hautdefektes.
KS des Unterschenkels. Diagnose: Die Nekrosen der Muskulatur in der Tibialis-anterior- und Peronaeusloge bedingen keine Kontraktur, sie imponieren als Lähmung des N. peronaeus. Bei KS der Tibialis-posterior-Loge entstehen Krallenzehen, bei gleichzeitigem Befall des Triceps surae ein kontrakter Spitzfuß. Therapie: Wiederherstellung der Funktion peripherer Nerven (s. KS Unterarmbeuger), Beseitigung von Gelenkkontrakturen (Exzision von Muskelnarben, Verlängerungstenotomien, Arthrolysen, Tenodesen, Arthrodesen), Sehnentransfer.
KS des Unterschenkels Diagnose: Nekrosen der Muskulatur imponieren häufig als Lähmung. Bei Befall derTibialis-posterior-Loge: Krallenzehen, evtl. kontrakter Spitzfuß. Therapie: - Wiederherstellung der peripheren Nerven - Beseitigung von Gelenkkontrakturen - Sehnentransfer.
4.8.4 Verzögerte Heilung - Pseudarthrosen
Verzögerte Heilung - Pseudoarthrosen
Tritt nach Ablauf einer angemessenen Heilungszeit (S.921) kein Durchbau auf, spricht man von einer verzögerten Heilung (delayed union), die auch zeitlich auf 20 Wochen begrenzt werden kann. Die mechanischen Störungen, die eine permanente Unruhe am Frakturgebiet, insbesondere durch Zug- und Scherkräfte, bedingen, sind bei konservativer Behandlung ungenügende Immobilisation oder wiederholte Repositionen, bei operativer Stabilisierung zu dünne Marknägel oder Diastasen bei Plattenosteosynthesen. Auch Medikamente (Kortison, Zytostatika, gerinnungshemmende Präparate) verzögern eine Heilung. Verbleibt nach etwa 6-8 Monaten weiterhin nur eine fibröse Verbindung, spricht man von Pseudarthrosen (PA) (Falschgelenk, non union, Abb. 44.4-28). Sie werden nach ihrer biologischen Reaktionsfähigkeit unterteilt. Vitale PA sind durch mangelnde Stabilität aber gute Vaskularität gekennzeichnet, die bei der hypertrophen geradezu ausgezeichnet ist. Beide Frakturenden haben durch Kallusanlage eine elefantenfußartige Verbreiterung erfahren. Diese Form tritt meist nach konservativer Behandlung oder bei zu dünnen Marknägeln auf. Bei der hypotrophen Form ist der Kallus nur pferdefußartig (meist im Gefolge instabiler
verzögerte Heilung, wenn nach normaler Heilungszeit kein Durchbau auftritt Gründe: - ungenügende Immobilisation - wiederholte Reposition - zu dünne Marknägel (bei operativer Stabilisierung) - Diastasen bei Plattenosteosynthesen. Ferner: - Medikamente, wie Kortison - Zytostatika - gerinnungshemmende Präparate. Wenn nach 6-8 Monaten nur fibröse Verbindung besteht: Pseudarthrose. Unterteilung der Pseudarthrosen (PA) nach biologischer Reaktionsfähigkeit (Abb. 44.4-28): • hypertrophe Pseudarthrose • hypotrophe Pseudarthrose
Abb. 44.4-28: Formen der Pseudarthrosen, 1 hypertroph, 2 hypotroph, 3 atrophisch, 4 Defektpseudarthrose
938 • oligotrophe Pseudarthrose • avitale, avaskuläre Pseudarthrose • Defektpseudarthrose.
Schwerwiegendste Form: infizierte Defektpseudarthrose. Diagnose: - Abnorme Beweglichkeit - Belastungsschmerz -> Tomogramme, Sr-Szintigramm. Therapie: Therapieziel: Erreichen einer Stabilität - durch Marknagelung nach Aufbohren der Markhöhle oder: - Plattenosteosynthese. Bei avitaler Form: zusätzlich Spongiosatransplantation. Therapie der infizierten Defektpseudarthrose: Stabilisierung, Debridement, Spülsaugdrainage, Refobacin-Pallacoskugelketten, Spongiosatransplantation.
44. Unfallchirurgie Plattenosteosynthesen), die oligotrophe Form - meist nach Drahtcerclagen und zu langer Extension - zeigt keinerlei Kallus. Die avitale, avaskuläre PA besitzt keine osteogene Potenz und damit keine Kallusformationen. Sie tritt nach Trümmerfrakturen bei avaskulären Fragmenten auf oder durch starke Denudierung während einer Osteosynthese. Die Defektpseudarthrose hat Knochenteile verloren, entweder primär durch den Unfall oder sekundär, z.B. nach Infektion. Die schwerwiegendste Form ist die infizierte Defektpseudarthrose. Diagnose: Klinisch abnorme Beweglichkeit, die bei einer straffen Pseudarthrose minimal sein kann; Belastungsschmerz. U. U. Tomogramme erforderlich. Ein Szintigramm mit 85 Sr gibt über die Reaktionslage Auskunft. Therapie: Sie richtet sich nach den biologischen und mechanischen Gegebenheiten. Oberstes Ziel bei der vitalen Pseudarthrose ist das Erreichen einer Stabilität, da die osteogene Potenz vorhanden ist, die permanente Unruhe aber ein Überwachsen der Gefäßsprossen verhindert. Sie wird bei der hyper- und hypotrophen Form durch Marknagelung nach Aufbohren der Markhöhle oder mittels Plattenosteosynthese erreicht. Bei der oligotrophen und avitalen Form muß zusätzlich eine Dekortikation und - entscheidend - eine Transplantation autogener Spongiosa nach Stabilisierung mit Platte oder Fixateur externe erfolgen. Die schwierigste Form, die infizierte Defektpseudarthrose, wird wie eine Osteitis (s. dort) angegangen: Stabilisierung, Débridement, Spülsaugdrainage oder Refobacinkugelketten, Spongiosatransplantation.
Fettemboiiesyndrom
4.8.5 Fettemboiiesyndrom
Kapillarverstopfung mit Lipidglobuli.
Ätiologie: Nach Frakturen (Femur, Becken, Polytrauma), insbesondere mit zusätzlichem direkten Lungentrauma, aber auch nach Weichteilkontusionen und Verbrennungen auftretende Kapillarverstopfung mit Lipidglobuli. Diese Substanzen, vor allem das Knochenmark, werden auch bei bestimmten operativen Versorgungen dieser Knochenbrüche freigesetzt, nämlich beim Eröffnen, Aufbohren und Einschlagen von Marknägeln. Die Ursache ist eine intramedulläre Druckerhöhung von physiologischerweise 3050 mm Hg auf Spitzenwerte bis 1000 mm Hg in langen Röhrenknochen. Gleiches gilt auch für die Implantation von Endoprothesen der Hüfte und Stielprothesen des Kniegelenkes. Die Knochenmarkausschüttung in die Blutstrombahn kann im rechten Vorhof und Ventrikel mit der transösophagealen Echokardiegraphie dargestellt werden.
Auslösender Faktor: - Schocksymptomatik mit Störung der Mikrozirkulation - Hypoxie - Verbrauchskoagulopathie - veränderter Fettstoffwechsel
Pathophysiologie: Das im Blut nicht emulgierte Neutralfett (Fettembolie) allein ist nicht die Ursache des Krankheitsbildes. Wichtigster Auslöser sind eine Schocksymptomatik mit Störung der Mikrozirkulation (Stase mit weißen und roten Sludgephänomenen), Hypoxie bis hin zur Schocklunge, Veränderungen der Gerinnungsfaktoren im Sinne einer Verbrauchskoagulopathie und ein veränderter Fettstoffwechsel. Damit wird aus der symptomlosen Fettembolie das klinische Bild des Fettemboliesyndroms als Epiphänomen des Schocks. Nach der Einschwemmungstheorie stammt das Fett aus zerrissenem Körpergewebe, z.B. Knochenmark. Wahrscheinlich ist aber nicht das eingeschwemmte Fett bzw. Knochenmark sondern gerinnungsaktive Substanzen und Produkte der Makrophagen ursächlich für die Schädigung des Lungenparenchyms verantwortlich. Nicht der Nachweis von Fett sondern das Auftreten des A R D S (adult respiratory distress Syndrome) kennzeichnet das Fettemboiiesyndrom (s. Kap. 21, S. 194). Denn die Lunge ist dessen pathophysiologisches Zielorgan. Die Lipaseentgleisungstheorie (überschießende Freisetzung und Aktivierung von Lipase führt zur Mobilisation von Lipiden aus den Depots) und die kolloidchemische Theorie (Änderungen in der Zusammensetzung der Lipide, der Bluteiweißkörper und des Säure-Basen-Haushaltes führen zur Entemulgisierung der Blutlipide) sind heute weitgehend widerlegt.
Symptome: - motorische Unruhe - Beklemmungsgefühl - zunehmende Dyspnoe - Zyanose
Klinische Symptomatologie: Perakute (fulminante) Formen, die in Stunden bis in 2-3 Tagen zum Tod führen, stehen akuten Formen mit hoher Letalität und solchen mit subklinischem Verlauf (Nachweis von freiem Fett im Blut, aber keine klinischen Symptome) gegenüber. Letztere Form ist die häufigste. Erste klinische Zeichen treten in der Regel nach etwa 24 Stunden auf:
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen motorische Unruhe, Beklemmungsgefühl, zunehmende Dyspnoe und Zyanose, Husten (primäre oder pulmonale Form oder Fettembolie des kleinen Kreislaufes). Verwirrtheit, Somnolenz, Bewußtlosigkeit (sekundäre oder systemische Form, Fettembolie des großen Kreislaufs) mit Befallensein des Hirnes. Diagnose: Klinisches Bild (s.o.). In 20% petechiale Blutungen an Haut (Hals, Schulter), Konjunktiven und Augenhintergrund. Tachykardie. Röntgenbild der Lunge: ungleichmäßige, kleinfleckige, diffuse Verschattungen („Schneesturmeffekt"). EKG: Rechtsüberlastung. ZVD erhöht, Serumkalzium, Hämatokrit und Thrombozyten erniedrigt. Blutgasanalyse: Hypoxiewerte. Steiler Anstieg der freien Fettsäuren, im Plasmaspiegel Erhöhung der Enzyme Lipase, GPT, GOT, GLDH, LDH. Therapie: Schlüsselrolle im Therapiekonzept: Erkennung von Risikopatienten (z.B. bei gleichzeitiger Lungenkontusion) und optimale Prophylaxe eines Schocks durch Beseitigung einer Hypovolämie (u. a. auch Dextran zur Verminderung der Plättchenaggregation) und einer Hypoxie durch künstliche Beatmung (PEEP) und durch Ausgleich des Säure-Basen- und Elektrolythaushaltes. Verhinderung einer Verbrauchskoagulopathie („low-dose-"Heparinisierung). Hohe Kalorienzufuhr, um Mobilisierung der Fettsäuren zu verringern. Stabilisieren der Frakturen großer Röhrenknochen nicht ohne vorherige genaueste Abklärung der Schocksymptomatik, und u.U. mit extramedullären Methoden (z.B. Fixateur externe). Medikamentöse Therapie mit Trasylol oder Lipostabil umstritten.
5. Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
939 - Husten - Verwirrtheit - Somnolenz - Bewußtlosigkeit Diagnose: - petechiale Blutungen an Haut, Konjunktiven, Augenhintergrund - Tachykardie Röntgenbild der Lunge: - diffuse Verschattungen („Schneesturmeffekt") EKG: Rechtsüberlastung. Erniedrigung von: Serumkalzium, Hämatokrit, Thrombozyten, ZDV erhöht. Blutgasanalyse: Hypoxiewerte. Therapie: wichtigstes Ziel: optimale Prophylaxe des Schocks durch: - Beseitigung einer Hypovolämie - Beseitigung einer Hypoxie - Ausgleich des Säure-Basen- und Elektrolythaushaltes. - Verhinderung einer Verbrauchskoagulopathie - hohe Kalorienzufuhr - Stabilisierung der Frakturen großer Röhrenknochen.
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
H. Zi Ich 5.1 Traumatologie der oberen Extremitäten
Traumatologie der oberen Extremitäten
5.1.1 Skapula- und Klavikulafraktur
1. Skapulafrakturen
Skapulafraktur. Seltene Verletzungen, häufiger in Kombination mit anderen.
- Seltene Verletzung - Stauchungsbruch des Halses - Pfannenbrüche durch Sturz auf die Schulter - Abrißfrakturen durch Muskelansätze
Pathogenese: Skapula durch Muskeln und freie Beweglichkeit auf Thoraxwand relativ geschützt. Bruch des Körpers durch massive direkte Gewalt, Stauchungsbruch des Halses und Pfannenbrüche durch Sturz auf die Schulter, Abrißfrakturen (Processus coracoideus) durch Muskelansätze (Abb. 4.45-1 a).
Diagnose: Lokaler Druck- und Stauchungsschmerz, schmerzhafte Bewegungseinschränkung, Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen evtl. CT bei Pfannen- und Halsfrakturen zur Operationsplanung. Therapie: Frakturen des Körpers und unverschobene Brüche des Halses: Ruhigstellung in Mitella, Desault- (s.Abb. 44.5-12) oder Gilchrist-Verband (Abb. 44.5-1 b) bis zum Abklingen der akuten Schmerzsymptomatik. Stauchungsbruch des Halses oder Pfannenbrüche: Thoraxarmabduktionsgips (Abb. 44.5-1 c) für 4 Wochen, bei grober Dislokation, besonders bei Abbruch des unteren Pfannenrandes nach Luxation, operative Fixation (Platten- oder Zugschraubenosteosynthese). Abrißfrakturen des Processes coracoideus und des Acromion: Operative Fixation mit Schrauben oder Zuggurtungsosteosynthese. Prognose: Im allgemeinen gut, da der gesamte Schultergürtel mit seinen verschiedenen Gelenken mäßige Ausfälle gut kompensiert. Bei komplexen Verletzungen langwieriger Verlauf.
Diagnose: - Lokaler Druck- und Stauchungsschmerz, - schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Therapie: Körper und Hals: - Ruhigstellung in Mitella oder Gilchristverband (Abb. 44.5-1). Stauchungsbruch oder Pfannenbrüche: - Thoraxarmabduktionsgipsfür6 Wochen. Bei grober Dislokation: - Operative Fixation. Abrißfrakturen: operative Fixation mit Schrauben- oder Zuggurtungsosteosynthese. Gute Prognose.
Klavikulafraktur. Eine der häufigsten Frakturen, besonders im Jugendalter. Pathogenese: Ein Sturz auf die Schulter oder die extendierte Hand führt zum Biegungsbruch im mittleren Drittel (indirekte Gewalt), Bruch im lateralen Drittel meist durch direkte Gewalt.
2. Klavikulafrakturen Eine der häufigsten Frakturen Biegungsbruch im mittleren Drittel durch Sturz
44. Unfallchirurgie
940
Abb.44.5-1: a. Typische Frakturen der Skapula 1 Körper, 2 Hals, 3 Pfanne, 4 Akromion, 5 Processus coracoideus, b. GilchristVerband, c. Thoraxarmabduktionsgips
Diagnose: - Tastbare Unterbrechung der Klavikula - Feststellung der Fragmente - schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Röntgenaufnahme in 2 Ebenen (Abb. 44.5-2). Therapie: - konservative Behandlung, evtl. Reposition, Retention im Rucksackverband für 3-4 Wochen (Abb. 44.5-3). Operationsindikation nur bei - Begleitverletzungen - offenen Frakturen - Hautperforation - lateral gelegenen Frakturen (Abb.44.5-4). Methode der Wahl: Plattenosteosynthese (s. Abb. 44.5-2 c) Sehr gute Heilungstendenz.
Diagnose: Tastbare Unterbrechung der Klavikula. Fehlstellung der Fragmente: Das mediale Fragment steht durch Zug des M. sternocleidomastoideus kranial, das laterale durch das Armgewicht nach kaudal, häufig mit Verkürzung (Abb. 44.5-2). Schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Röntgenaufnahme in 2 Ebenen. Überprüfung des Pulses, der Sensibilität und Motorik! Therapie: Domäne der konservativen Behandlung. U. U. Reposition in Lokalanästhesie, Retention im Rucksackverband (Abb. 44.5-3) durch Zug nach hinten unten für 3-4 Wochen. In der ersten Woche tägliches Nachspannen erforderlich. Operationsindikation nur bei bestehenden Begleitverletzungen der Nerven (Plexus) und Gefäße, bei offenen Frakturen, drohender Hautperforation eines Fragmentes und bei weit lateral gelegenen Frakturen mit Beteiligung des Akromioklavikulargelenkes (Abb. 44.5-4), bei Kettenfrakturen und beim Polytrauma. Methode der Wahl: Plattenosteosynthese, bei lateralen Frakturen Typ II: Zuggurtungsosteosynthese.
M. mastoideus
Abb.44.5-2: a. Klavikulafraktur mit Fehlstellung durch Muskelzüge und Gewicht des Armes, b, c. Röntgenbild mit starker Dislokation und Verkürzung (b), nach operativer Stabilisierung (c)
941
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen M. trapezius
Abb.44.5-3: Rucksackverband zur Versorgung einer Klavikulafraktur
Abb.44.5-4: 3 Frakturtypen des lateralen Klavikulaendes. NurTyp II mit Zerreißung der Ligg. coraco-clavicularia bedürfen einer operativen Therapie
Prognose: Sehr gute Heilungstendenz, Pseudarthrosen selten, häufiger bei operativer Stabilisierung! Selbst Verkürzungen bis 1,5 cm sind funktionell bedeutungslos. Überschießender Kugelkallus kann sekundär Gefäße und Nerven irritieren.
Bei Kugelkallus sekundäre Gefäß- und Nervenirritation
5.1.2 Luxatio sternoclavicularis et acromioclavicularis
3. Luxatio sternoclavicularis
Luxatio sternoclavicularis. Mit 1,5 % aller Luxationen eine seltene Verletzung.
Seltene Verletzung
Pathogenese: Dieses Gelenk ist die einzige gelenkige Verbindung des Schultergürtels mit d e m Rumpf. Gelenkflächen sind wenig kongruent, ein Diskus versucht die Inkongruenz auszugleichen. Direkte (Schlag) und indirekte (Sturz) Gewalteinwirkung, bei der die Klavikula über die erste R i p p e gehebelt wird, führen zur Verrenkung. Diese ist am häufigsten nach vorn unten, nach hinten in das Mediastinum selten. Bei letzterer Komplikation durch Verletzung retrosternaler Gefäße, Nerven, Ösophagus und Trachea.
Entstehung durch Schlag oder Sturz mit Hebelung der Klavikula über die erste Rippe
Diagnose: Tastbare Vorwölbung über dem Gelenk, federnd fixiert. Mäßige Schmerzen. Röntgen, u. U. Tomogramm oder CT. Therapie: Reposition durch Zug des Schultergürtels nach hinten und Druck auf das mediale Ende der Klavikula. Retention wesentlich schwieriger. Bei jüngeren Patienten, bis etwa zum 40. Lebensjahr, operativ mit Naht der Bänder und Zuggurtungsosteosynthese, bei älteren kurzzeitige Ruhigstellung oder funktionelle Behandlung, je nach Luxationsneigung. Auch bei letzterer häufig günstige Ergebnisse. Luxatio acromioclavicularis. Wesentlich häufiger als die vorgenannte, etwa 4-5 % aller Luxationen. Pathogenese: Die Stabilität des in 3 Ebenen beweglichen Gelenkes wird herabgesetzt durch Verletzung von Bändern (Ligg. acromioclavicularia, Lig. coracoclaviculare, Pars trapezoidea et Pars conoidea), die rein auf Zug beansprucht werden. Indirekte Gewalt schädigt diese Bänder in unterschiedlichem Ausmaß, daher Unterteilung in 3 Schweregrade nach Tossy (1963, Abb. 44.5-5).
Abb.44.5-5: Luxatio-acromio-clavicularis-Einteilung in 3 Schweregrade nach Tossy, a. Schweregrad Tossy I, b. Schwergrad Tossy II mit Höhertreten der lateralen Klavikula um halbe Schaftbreite, c. Schwergrad Tossy III
Diagnose: - tastbare Vorwölbung über dem Gelenk, federnd fixiert - Mäßige Schmerzen Therapie: Reposition durch Zug des Schultergürtels nach hinten, Druck auf das mediale Ende der Klavikula. Bis zum 40. Lebensjahr: operativ mit Naht der Bänder und Zuggurtungsosteosynthese. Bei älteren Patienten Ruhigstellung, funktionelle Behandlung Günstige Ergebnisse 4. Luxatio acromioclavicularis Herabgesetzte Stabilität des Gelenkes durch verletzte Bänder. Man unterscheidet 3 Schweregrade n. Tossy (Abb. 44.5-5)
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44. Unfallchirurgie
Abb.44.5-6: Typ Tossy III links, deutlicher Hochstand der Klavikula und Tiefertreten des Schultergürtels
»
Abb.44.5-7: Operative Versorgung des AC-Gelenkes: a. Zuggurtungsosteosynthese. b. K-Draht und Zugschraube Klavikula - Korakoid, c. K-Draht und Drahtschlinge Klavikula - Korakoid
Tossy I: Kontusion bzw. Zerrung der Ligg. acromioclavicularia. Tossy II: Zerreißung der Ligg. acromioclavicularia (Subluxation) Tossy III: Zerreißung der Ligg. acromioclavicularia und coracoclavicularia (Luxation des lateralen Klavikulaendes nach kranial).
Diagnose: • Hochstand der lateralen Klavikula mit „Klaviertastenphänomen" • Tiefertreten der Schulterwölbung • Schwellung, Druck- und Bewegungsschmerz Röntgenbild in 2 Ebenen
Diagnose: Klinisch: Hochstand der lateralen Klavikula, was besonders von hinten auffällt (Abb. 44.5-6), mit „Klaviertastenphänomen", Tiefertreten der Schulterwölbung. Tast- und sichtbare Stufe oder Schwellung, Druckund Bewegungsschmerz. Röntgenbild in 2 Ebenen (a. p.: Höhertreten der Klavikula, Verbreiterung des Abstandes Klavikula-Korakoid, in 2. Ebene: Verbreiterung des Gelenkspaltes). Bei klinisch unsicherem Befund Röntgenaufnahme im Stehen unter Belastung (10 kp) im Seitenvergleich.
Therapie: Tossy I: funktionelle Übungsbehandlung Tossy II: Ruhigstellung für 2 Wochen Tossy III: dauerhafte Ausheilung der zerrissenen Bänder nur auf operativem Wege: Naht der Bänder mit Absicherung der Naht durch: • K-Draht durch das A.C.-Gelenk und Schraube durch Klavikula in Proc. coracoideus, oder • Zuggurtungsosteosynthese (Abb. 44.5-7)
Therapie. Tossy I: Funktionelle Übungsbehandlung. Tossy II: Etwa 2wöchige Ruhigstellung im Desault- oder Gilchristverband. Tossy III: Reposition gelingt leicht, Rentention schwieriger. Für konservatives Vorgehen sind an die 60 Verbandsanordnungen angegeben worden, die die Klavikula nach kaudal halten sollen, womit deren unsicherer Erfolg bereits angedeutet wird. Eine dauernde Retention und Ausheilung der zerrissenen Bänder in anatomisch korrekter Länge läßt sich nur auf operativem Wege erzielen: Naht der zerrissenen Bänder. D a diese rein auf Zug beansprucht werden, m u ß die Naht durch weitere Maßnahmen abgesichert werden: Ein K-Draht durch das A. C.-Gelenk und eine Schraube durch die Klavikula bis ins Korakoid oder Zuggurtungsosteosynthese (2 K-Drähte und Cerclage, Abb. 44.57) Ruhigstellung für 3 Wochen im Thoraxarmabduktionsgips oder - einfacher - im Gilchristverband. Danach sind Bewegungen nur bis 90° Abduktion erlaubt. Nach 6 - 8 Wochen Metallentfernung, sonst G e f a h r des Metallermüdungsbruches. Nun Freigabe zur vollen Mobilisation. D a s operative Verfahren wird auf Patienten im arbeitsfähigen Alter beschränkt. Sonst konservatives Vorgehen mit kurzfristiger Ruhigstellung oder primär funktioneller Behandlung, je nach Alter. Prognose: Im allgemeinen gut, auch unbehandelte Patienten mit geringer körperlicher Aktivität haben in der Regel wenig Beschwerden. Gelegentlich schmerzhafte Sekundärarthrose bei Instabilität. D a n n bandplastischer Ersatz unter kurzer Resektion der lateralen Klavikula möglich.
Ruhigstellung für 3 Wochen Nach 6-8 Wochen: Metallentfernung
Gute Prognose
5. Schultergelenkverrenkung
5.1.3 Schultergelenkverrenkung
häufigste Verrenkung Entsteht durch indirekte Gewalteinwirkung bei Sturz auf den ausgestreckten Arm. Unterscheidung zwischen • Traumatischer Erstluxation • Rezidivierender Luxation • Habitueller Luxation
Häufigkeit: 5 0 % aller Verrenkungen, damit häufigste Verrenkung überhaupt, da das beweglichste menschliche Gelenk band- und muskelgeführt wird. Verhältnis der Gelenkflächen Cavitas glenoidalis scapulae/caput humeri wie 1:3,4. Unterscheidung zwischen einer traumatischen Erstluxation, einer rezidivierenden Luxation nach traumatischer Erstluxation infolge Traumaschäden und einer habituellen Luxation durch anlagebedingte anatomische Veränderungen.
943
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
Abb.44.5-8: Luxationsrichtungen an der Schulter a. Luxatio axillaris, b. Luxatio erecta, c. Luxatio subcoracoidea, d. Luxatio dorsalis
Pathogenese: Indirekte Gewalteinwirkung durch Sturz auf ausgestreckten Arm mit Humerus als langen Hebelarm. Luxationsrichtung in abnehmender Häufigkeit: Nach unten vorn (Luxatio axillaris) mit der seltenen Sonderform der Luxatio axillaris erecta (Patient erscheint mit erhobenem Arm), nach vorn (subkorakoidea) und, selten, nach hinten (Abb. 44.5-8). Diagnose: Zwangshaltung des Armes in luxierter Stellung, Oberarm meist leicht abduziert, Patient unterstützt den gebeugten Unterarm mit der gesunden Hand (Abb. 44.5-9 a). Federnde Fixation mit schmerzhafter starrer Bewegungseinschränkung. Fehlende Schulterwölbung seitlich, tastbare leere Pfanne. Röntgenbild immer in 2 Ebenen, a.p. (Abb. 44.5-9 b) und axial oder transthorakal; besonders die hintere Luxation wird auf der a. p.-Aufnahme leicht übersehen! Begleitverletzungen: Ein- und Abriß des knorpeligen Labrum glenoidale (Limbus) mit Ablösung des Lig. glenohumerale inferior mit Gelenkkapsel, als Bankart-Läsion bekannt. Knöcherner Abriß des vorderen unteren Pfannenrandes (sog. knöcherne Bankart-Läsion). Gruben- oder grabenförmige Impressionsfraktur am Humeruskopf hinten oben durch den knöchernen Pfannenrand (Hill-Sachs-Delle) Abb. 44.5-10. Nervenschädigungen, insbesondere am N. axillaris (motorischer Ausfall: M. deltoideus, sensibel: laterale Schulterpartie) und am Plexus brachialis; Kompression der A. und V. axillaris, Abriß des Tuberkulum majus. Einrisse der Rotatorenmanschette, besonders bei Patienten über 40 Jahre. Therapie: Schnelle Reposition in Kurznarkose, Versuch mit Valium i. v. erlaubt. Vorher Überprüfung der Nerven und Gefäße! Repositionsmanöver (Abb. 44.5-11) nach: • Hippokrates: Durch Druck mit der unbeschuhten Ferse des behandelnden Arztes in die Axilla des Patienten und Zug durch beide Hände am
Abb.44.5-9 a: Zwangshaltung Schulterluxation
bei
Abb.44.5-9 b: Schulterluxation nach vorn unten im a. p. Röntgenbild
Luxationsrichtung • Luxatio axillaris • Luxatio axillaris erecta • Luxatio subcoracoidea Diagnose: • Zwangshaltung des Armes in luxierter Stellung • Patient unterstützt den gebeugten Arm mit der gesunden Hand (Abb.44.5-9a) • Federnde Fixation mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung • Tastbare leere Pfanne Röntgenbild in 2 Ebenen Begleitverletzungen: - Ein- und Abriß des Labrum glenoidale - Impressionsfraktur am Humeruskopf - Knöchener Abriß des Pfannenrandes - Schädigung des N. axillaris - Kompression der A. und V. axillaris - Abriß des Tuberkulum majus - Risse in der Rotatorenmanschette Therapie: umgehende Reposition Achtung: vorher Nerven und Gefäße überprüfen Repositionsmanöver (Abb. 44.5-11). 1. nach Hippokrates: Druck mit der Ferse in die Axilla Zug durch beide Hände am verletzten A r m
Abb.44.5-10: Große
Hill-Sachs-Delle
944
44. Unfallchirurgie
Abb.44.5-11: Repositionsmanöver nach Hippokrates(a) und Arlt(b) -> Führung des Armes aus AbduktionAußenrotation - » i n Adduktion-Innenrotation Kopf springt wieder in die Pfanne. 2. Nach Arlt: verletzte Schulter über Stuhllehne hängen am rechtwinklig gebeugten Unterarm langsam ziehen. 3. Nach Kocher: geführte Bewegung der Schulter am gebeugten Unterarm Außenrotation-Abduktion -»InnenrotationAdduktion bis vor den Körper Nach Reposition: Ruhigstellung und krankengymnastische Übungsbehandlung. Röntgenkontrolle: in 2 Ebenen Operationsindikation: nur bei Abbruch des Tuberculum majus mit Verbleiben einer Diastase
verletzten A r m und Führung des Armes aus Abduktion-Außenrotation in Adduktion-Innenrotation springt der Kopf wieder in die Pfanne (Abb. 44.5-11). • Arlt: Verletzte Schulter über eine gepolsterte Stuhllehne hängen und am rechtwinklig gebeugten Unterarm langsam ziehen (Abb. 44.5-11). • Kocher (nur bei vorderer Luxation): Geführte Bewegung der Schulter am gebeugten Unterarm von Außenrotation-Abduktion zur InnenrotationAdduktion bis vor den Körper. Nach Reposition Ruhigstellung im Desault-Verband (Abb. 44.5-12) für 1 - 2 Wochen, je nach Alter, bei jüngeren Patienten längere Immobilisationszeit (3 Wochen). Danach krankengymnastische Übungsbehandlung. Röntgenkontrolle nach Reposition immer in 2 Ebenen, um eine Reluxation nicht zu übersehen. Eine sofortige Operationsindikation besteht nur bei Abbruch des Tuberculum majus, wenn auch nach Reposition eine Diastase verbleibt (Verschraubung).
Prävention der Rezidivluxation: Diagnose und Therapie der Begleitverletzung: • Abriß des Labrum glenoidale • Hill Sachs Delle • Rotatorenmanschettenriß
Prävention der Rezidivluxation: Nach Reposition hat sich in letzter Zeit das Management bei traumatischer Erstluxation bei jüngeren aktiven Patienten zum aktiveren Vorgehen hin verschoben, da die Rezidivhäufigkeit stark altersabhängig ist. So versucht man die Begleitverletzungen, die die Reluxation begünstigen, frühzeitig zu diagnostizieren und möglichst schnell zu behandeln.
Abb.44.5-12: Desault-Verband mit eingezeichneter Tourenrichtung. A (Achsel) Sch (Schulter) E (Ellenbogen) = A S C H E
945
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen Abriß des Labrum glenoidale: Diagnose durch Doppelkontrast-Arthro-CT oder Arthroskopie. Diese kann zur therapeutischen Arthroskopie erweitert werden, in dem das Labrum durch Titanschrauben refixiert wird. Knöcherner Abriß des Pfannenrandes: Diagnose durch spezielle Röntgentechniken, zum Beispiel Bernageau-Aufnahme oder durch CT. Therapie: Operative Refixation und Verschraubung. Hill-Sachs-Delle: (Abb. 44.5-10) Nachweis durch Röntgenaufnahmen in Innenrotation des Oberarmes. Therapie zur Beseitigung der Rezidivluxation: Rotationsosteotomie nach Weber. Rotatorenmanschettenruptur: Diagnose durch Sonographie, Arthrographie und/oder MRT. Therapie: Naht der Sehne bzw. Refixation am Tuberculum. Prognose: Die rezidivierende Schulterverrenkung nach konservativer Erstbehandlung ist stark altersabhängig. So wiederholt sich die Luxation bei Patienten unter 20 Jahren in 90 % der Fälle, bei über 40jährigen nur in 14 %.
Prognose: Rezidiv altersabhängig
5.1.4 Humerusfraktur
6. Humerusfraktur
5.1.4.1 Frakturen des proximalen Humerus
a) Humeruskopffrakturen:
Häufigkeit: 10 % aller Frakturen; die subkapitale Fraktur ist eine der häufigsten Frakturen des alten Menschen. Pathogenese: Meist indirekte Gewalteinwirkung durch Sturz auf die Hand oder Ellenbogengelenk (Biegungsmechanismus). Formen (Abb. 44.5-13): (1) Kalottenfraktur durch Collum anatomicum (selten), (2) Abrißfraktur des Tuberculum majus, (3) subkapitale Fraktur im chirurgischen Hals. Je nach Stellung des Armes zum Zeitpunkt des Sturzes tritt hierbei eine Ab- oder Adduktionsfraktur auf. Die häufigere Abduktionsfraktur bildet einen nach außen offenen Winkel, die Adduktionsfraktur einen nach innen offenen. Letztere gelegentlich mit Abriß des Tuberculum majus und gröberer Dislokation des distalen Fragmentes nach kranial hinten. Eingestauchte Brüche nicht selten. (4) Trümmerbrüche, (5) Luxationsfrakturen mit Bruchformen wie bei 1., 3. und 4., Luxationsrichtung des Kopfes meist nach dorsal, (6) kindliche Epiphysenlösungen, meist mit metaphysärem Keil (Typ Aitken II oder Salter III, S. 1004), (7) knöcherne Ausrisse der Rotatorenmanschette (s. Abb. 44.5-14) (häufiger degenerativ, s. Kap. 46, S. 1035). Die Neer- Klassifikation (Typ I-IV) berücksichtigt neben Fragmentart und Fragmentzahl auch den Dislokationsgrad und erlaubt damit eine Prognose
Entstehung durch direkte Gewalteinwirkung, durch Sturz auf die Hand oder Ellenbogengelenk
Fraktur im Collum anatomicum Abbruch des Tuberculum majus Subcapitale Fraktur
Abb. 44.5-13: Humerus
Brüche des
proximalen
Abb.44.5-14: Knöcherner Ausriß der Rotatorenmanschette mit Verlagerung unter das Schulterdach
Formen (Abb. 44.5-13): • Kalottenfraktur, Abrißfraktur • subkapitale Fraktur im chirurgischen Hals oft mit eingestauchten Brüchen
Trümmerbrüche Luxationsfrakturen kindliche Epiphysenlösung knöcherne Ausrisse der Rotatorenmanschette (Abb.44.5-14) Klassifikation nach Neer AO-Klassifikation
44. Unfallchirurgie
946
Diagnose: - Schwellung - schmerzhafte Bewegungseinschränkung - Hämatomverfärbung Röntgenbild a.p. und axial Therapie: grundsätzlich konservativ. Ausnahme: bei gröberer Dislokation: Reposition durch axialen Zug Anschließend: funktionelle Behandlung nach Poelchen
Bei eingestauchten Brüchen: sofortige Mobilisation ohne Zug Grundsätzlich: Schultergelenk in Adduktionsstellung nicht länger als 3 Wochen immobilisieren
Operationsindikation: - Dislozierte Abrißfrakturen desTuberculum majus
Frakturen mit Nerven- und Gefäßkomplikationen Luxationsfrakturen mit schwer reponierbarem luxierten Kopf Minimalosteosynthese primäre Kopfprothese
- knöcherne Ausrisse der Rotatorenmanschette
Besonderheiten: kindliche Epiphysenverletzung, die meist stärkere Dislokation zeigt: Reposition gelingt meist erst in Elevation und Außenrotation des Armes
Prognose: gut.
zur Vaskularität des Humeruskopfes (Kopfnekrose). Die AO-Klassifikation (s.S.916) unterteilt in 3 Hauptgruppen A/B/C mit je 3 Untergruppen. Typ A: 2 Fragmentbrüche extraartikulär; Typ B: 3 Fragmentbrüche extraartikulär; Typ C: 3 u. 4 Fragmentbrüche artikular. Begleitverletzungen: Schädigung des N. axillaris, selten des Plexus. Kompression oder Zerrung mit Intimaschädigung der A. und V. axillaris. Diagnose: Schwellung, schmerzbedingte Bewegungseinschränkung, Hämatomverfärbung (u.U. bis zum Unterarm und der lateralen Thoraxwand). Röntgenbild a. p. und axial. Therapie: Bis zu 85 % konservativ, insbesondere beim alten Menschen. Nur bei gröberer Dislokation (Verschiebung eines Fragmentes um mehr als 10 mm ad latus und/oder 45 ° Kippung; bei Frakturen im Collum chirurgicum über 30° Achsenknick) Reposition in Kurznarkose durch axialen Zug (nicht bei eingekeilten Brüchen!). Danach Immobilisation für wenige Tage im Desaultverband bis zum Abklingen der akuten Schmerzsymptomatik. Dann funktionelle Behandlung nach Poelchen: Oberarmgipsschale, Patient trägt ein Gewicht in der Hand (max. 1 kg) und kann damit bereits Pendelübungen ausführen. Durch das Gewicht wird die Retention gehalten, der angespannte Deltamuskel „schient" den Bruch. Nachts Lagerung auf schiefer Ebene, ebenfalls unter leichtem Zug an der Gipsschale. In der 2.-3. Woche geführte Abduktionsbewegungen, danach erst Rotationsübungen. Bei eingestauchten Brüchen sofortige Mobilisation ohne Zug. Praxishinweis: Grundsätzlich darf das Schultergelenk in Adduktionsstellung (z.B. im Desault-Verband) nicht länger als 2, maximal 3 Wochen immobilisiert werden, da sonst durch Schrumpfung der unteren Kapselfalte eine Adduktionskontraktur entsteht. Bei notwendiger Ruhigstellung über diesen Zeitraum hinaus ist der Thoraxarmabduktionsgips anzuwenden. Operationsindikationen: (1) Dislozierte Abrißfrakturen des Tuberculum majus, das durch Zug der Supraspinatussehne bis unter das Akromion gezogen werden kann. Dadurch mechanisches Abduktionshindernis und Insuffizienz des M. supraspinatus. Übungsstabile Osteosyntheseformen: Zugschraube oder Zuggurtung. (2) Frakturen mit Nerven- und Gefäßkomplikationen. (3) Luxationsfrakturen, bei denen sich der luxierte Kopf meist nur schwer reponieren läßt. Gelegentlich stellt die interponierte lange Bizepssehne ein Repositionshindernis dar. Nach offener Reposition ergibt eine Minimalosteosynthese (K-Drähte, Zuggurtung, Zugschrauben) bessere Resultate als eine T-Plattenosteosynthese. Bei Typ IV Frakturen nach Neer oder den C-Frakturen der AO ist die Kopfnekroserate sehr hoch (über 50%). Daher wird hier zunehmend primär eine Kopfprothese implantiert. (4) Knöcherne Ausrisse der Rotatorenmanschette sind immer eine Operationsindikation mit übungsstabilen Osteosyntheseverfahren, da nach konservativer Behandlung mit Ruhigstellung die Gleitschichten verlötet sind und sich zwangsläufig eine schmerzhafte Schultersteife entwickelt. Besonderheiten. Kindliche Epiphysenverletzungen: Diese zeigen häufig eine stärkere Dislokation. Die exakte Reposition in Narkose gelingt meist erst in Elevation und Außenrotation des Armes. Immobilisation entweder in dieser Stellung im Thoraxarmabduktionsgips (sog. Fechterstellung) oder nach perkutaner Fixation der Fragmente mit 2-3 Kirschnerdrähten im gleichen Gipsverband in Normalstellung: 30°Abduktion und 30° Elevation des Oberarmes, Ellenbogengelenk in 90° Beugung, Unterarm in mittlerer Drehstellung. Letzteres ist erreicht, wenn die Innenhand zur Bauchwand parallel steht. Nicht in maximaler Supination eingipsen (Stellung „zum in die Hohlhand spucken"!). Prognose: Im allgemeinen gut. Pseudarthrosen extrem selten, da Brüche im spongiösen Knochen mit guter Heilungstendenz. Das funktionelle Ender-
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Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen gebnis ist unabhängig vom Röntgenbild, daher keine „Röntgenkosmetik" erzwingen. Fehlstellungen (s. vor) werden durch das Gelenk kompensiert. Bei Mehrfragmentbrüchen mit stärkerer Dislokation droht die Kopfnekrose mit posttraumatischer Omarthrose, die zu erheblicher schmerzhafter Bewegungseinschränkung führen kann.
Bei Mehrfragmentbrüchen: Kopfnekrose Omarthrose
5.1.4.2 Humerusschaftfrakturen
b) Humerusschaftfrakturen:
Pathogenese: Meist indirekte Gewalt durch Sturz, gelegentlich durch maximale Muskelkontaktion (Speerwerfen, Ringen), selten durch direkte Gewalt (Schlag usw.). Formen: Von Schräg- über Biegungs- und Torsionsbruch bis zu Trümmerbrüchen. Prinzip der AO-Einteilung s. S. 916. Diagnose: Durch die klassischen Frakturzeichen leicht zu stellen (s.S.906). Die typische Dislokation entsteht durch Muskelzug: Das proximale Fragment wird durch den Deltamuskel nach lateral disloziert, das distale durch den M. coracobrachialis und den langen Kopf des Trizepsmuskels nach medial und kranial. Bei jedem Verdacht auf Bruch des Humerusschaftes muß die Funktion des N. radialis (Fallhand) überprüft werden, da dieser dem Knochen im mittleren Drittel direkt anliegt und dorsal von proximal medial nach distal lateral zieht. Die primäre Radialisparese durch Trauma ist in etwa 8 % aller Fälle zu erwarten.
Entstehen meist durch indirekte Gewalt oder maximale Muskelkontraktion (Sport). Formen: Schräg-, Biegungs-, Torsions-, Trümmerbruch Diagnose: klassische Frakturzeichen Bei Verdacht immer Funktion des N. radialis überprüfen
Therapie: Die Humerusfraktur ist die gutartigste Schaftfraktur, daher konservative Behandlung. Reposition in Narkose, Ruhigstellung im gipsverstärkten Desault-Verband oder Gilchrist-Verband für 3 Wochen mit nachfolgender Ruhigstellung im Oberarmbrace für nochmals 3 Wochen oder im Thoraxarmabduktionsgips für 6 Wochen. Achsenabweichungen von 1015 ° können toleriert werden. Die Behandlung mit dem „Hanging cast" birgt die Gefahr der Distraktion und damit der verzögerten Heilung bis zur Pseudarthrose. Operationsindikation: Offene Frakturen, Radialisschädigung, breite Diastase durch Muskelinterposition, drohende Pseudarthrose. Stabile Osteosynthese mit breiter AO-Platte, Zugang von lateral oder hinten unter Darstellung des N. radialis. Dieser wird häufig iatrogen geschädigt, häufiger noch bei der Materialentfernung. Daher bei älteren Menschen Verzicht
Therapie: konservative Behandlung -> - Reposition - Ruhigstellung bis 6 Wochen
Abb. 44.5-15: 5 dicke KirschnerDrähte in der Markhöhle stabilisieren einen kurzen Schrägbruch
Abb.44.5-16: Typischer Sturzmechanismus beim Kind mit Extensionsfraktur
Operationsindikation: • offene Frakturen • Radialisschädigung • breite Diastase • drohende Pseudarthrose Verfahren: stabile Osteosynthese mit breiter AOPlatte. Bündelnagelung
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44. Unfallchirurgie auf diese Zweitoperation. Deshalb wird heute auch wieder eine Bündelnagelung bei Quer- und kurzen Schrägbrüchen mit gutem Erfolg verwendet (Abb. 44.5-15).
c) Distale Humerusfrakturen:
5.1.4.3 Distale Humerusfrakturen
Entstehung durch indirekte Gewalt, wie: Sturz auf die Hand durch direkte Gewalt, wie: Schlag, Stoß, Sturz auf den Ellenbogen
Häufigkeit: Suprakondyläre Humerusfraktur, Fraktur des Condylus radialis humeri und Abriß des Epicondylus ulnaris häufigste kindliche Frakturen. Pathogenese: Meist indirekte Gewalt durch Sturz auf die Hand (Abb. 44.516), direkte durch Schlag, Stoß, Sturz auf den Ellenbogen. Bruchformen (Abb. 44.5-17) nach der AO-Klassifikation: A Extraartikuläre Frakturen (1) Suprakondyläre Quer- oder Schrägfraktur (überwiegend Kinder), häufiger in Form der Extensionsfraktur (95 %) als der Flexionsfraktur. Bei ersterer gleitet das distale Fragment durch Zug der Trizepssehne nach kranial, das proximale ellenbogenwärts. Gefahr der Interposition der A. cubitalis (Abb.44.5-18). Die Bruchlinie zieht von vorn unten nach hinten oben. Bei der Flexionsfraktur verläuft diese von vorn oben nach hinten unten. (2) Abbruch bzw. Abrißfraktur der Epikondylen, besonders des Epicondylus ulnaris humeri im Kindesalter. Die Epikondylen sind Apophysen und nicht am Längenwachstum beteiligt. Häufig in Kombination mit einer Luxation, die spontan beseitigt sein kann. (3) metaphysär mehrfragmentär B Intraartikuläre monokondyläre Frakturen Abbruch der Kondylen, radial (1) wesentlich häufiger als ulnar (2), besonders im Kindesalter. Zweithäufigste Fraktur des Ellenbogengelenkes bei Kindern. Der Bruch verläuft dann in die Epiphysenfuge! Fraktur des Capitulum humeri oder der Trochlea. B 3 markiert die artikulare frontale Fraktur (Capitulum, Trochlea). C Bikondyläre Frakturen Vollständige artikuläre Fraktur, mehrfragmentär, von einfachen T- oder YBrüchen bis zu Trümmerbrüchen (s. Abb. 44.5-17 c). Diagnose: Schmerzen, Schwellung, Fehlstellung, abnorme Beweglichkeit. Der Epicondylus ulnaris wird durch Zug der Beuger nach distal gezogen und läßt sich frei hin- und herschieben. Seitliche Aufklappbarkeit des Gelenkes (Instabilität). Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen, im Kindesalter Vergleichsaufnahmen der gesunden Seite. Sofortige Überprüfung der
Bruchformen (AO-Klassifikation) A extraartikulär: suprakondylär (Abb. 44.5-17), häufig als Extensionsfraktur, Abbruch der Epikondylen bes. ulnar im Kindesalter
B intraartikular monokondylär: Abbruch des Condylus radialis humeri im Kindesalter als Epiphysenfraktur, Fraktur des Capitulum humeri
C bikondylär: T- oder Y-förmig, meist Erwachsene Diagnose: - Schmerzen - Schwellung - freies Hin- und Herschieben des Eptcondylus ulnaris
Abb. 44.5-17: Bruch formen des distalen Humerus (AO-Klassifikation): A. Extraartikulär: 1 Abbruch des Epicondylus ulnaris humeri, 2 Queroder Schrägfraktur suprakondylär, 3 s u p r a kondylärer Trümmerbruch, B. Intraartikulare monokondyläre Brüche: 1 Abbruch lateral sagittal, 2 Fraktur medial sagittal, 3 Fraktur frontal, Sonderform: kindlicher Abbruch des Condylus ulnaris (Epiphysenfraktur). C. Bikondyläre mehrfragmentäre Brüche: 1 artikular einfach, metaphysär einfach (T Brüche), 2 artikulär einfach, metaphysär mehrfragmentär, 3 artikular und metaphysär mehrfragmentär
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen Durchblutung und der Nervenfunktion. N. ulnaris, N. medianus und N. radialis in abnehmender Häufigkeit betroffen. Cave: Kompartment-Syndrom (s.44.4.8.3, S. 934)! Therapie: Überwiegend operativ. Nur unverschobene per- und suprakondyläre Frakturen werden für 4-6 Wochen im zirkulären Oberarmgips ruhiggestellt. Brüche der Epikondylen, Kondylen und des Capitulum humeri: Offene Reposition, Fixation mit K-Drähten oder Zugschrauben (s. Abb. 44.4-19). Kindliche suprakondyläre Frakturen: Offene Reposition, Fixation mit 2 gekreuzten Kirschnerdrähten Abb. 44.5-19. Immobilisation im zirkulären Oberarmgips für 4-6 Wochen, je nach Alter. Konservativ: Reposition in Narkose. Zunächst Längszug am gestreckten Ellenbogen, um die Verkürzung auszugleichen. Dann Beugung im Ellenbogengelenk durch Druck des Daumens auf das Olekranon und Korrektur der seitlichen Fehlstellung und der Rotation. Retention in Vertikalextension durch K-Drähte oder Schraube durch das Olekranon mit gleichzeitigem horizontalen Zug und Gegenzug durch Schrauben am Oberarm und Hand nach Baumann (Abb. 44.5-20). Extension für 3 Wochen, dann für weitere 3 Wochen zirkulären Oberarmgips. Wegen des längeren stationären Aufenthaltes und des Diskomfort für den Patienten wird diese klassische Methode nicht mehr oft verwendet.
949 - seitliche Aufklappbarkeit des Gelenkes - Röntgen: in 2 Ebenen - Überprüfung der Durchblutung und Nervenfunktion Cave: Kompartment-Syndrom Therapie: überwiegend operativ
Kindliche suprakondyläre Frakturen: offene Reposition, Fixation mit 2 gekreuzten Kirschnerdrähten (Abb.44.5-19) Immobilisation für 4-6 Wochen Konservativ: Reposition in Narkose
Extension für 3 Wochen (Abb. 44.5-20), anschließend 3 Wochen Oberarmgips
Praxishinweis: Rotationsfehler, im seitlichen Röntgenbild vorspringende Spitze des medialen und proximalen Epikondylus. Anstelle der Baumann-Extension ist eine Retention im „Cuff and Collar" nach Blount möglich: Spitzwinklig gebeugtes Ellenbogengelenk mit Fixierung des Handgelenkes über eine Schlaufe am Hals. Suprakondyläre und transkondyläre Frakturen beim Erwachsenen: Offene Reposition, Stabilisierung mit Schrauben und Platten (Y-Platte, Halbrohrplatte Abb. 44.5-21).
Abb.44.5-18: Suprakondyläre Extensionsfraktur, Kompression der A. brachialisdurch das proximale Fragment
Abb. 44.5-19: Suprakondyläre Humerusfraktur beim Kind. Spickung mit 2 K-Drähten (Kreuzung proximal der Fraktur)
Suprakondyläre Frakturen beim Erwachsenen (Abb. 44.5-21): • offene Reposition • Stabilisierung mit Schrauben und Platten
Abb.44.5-20: Baumann-Vertikalextension horizontalem Zug und Gegenzug
mit
Abb. 44.5-21: Transkondyläre Mehrfragmentenfraktur beim Erwachsenen vor (a) und nach Osteosynthese (b)
44. Unfallchirurgie
950 Prognose: häufig Bewegungseinschränkung. Schwerwiegende Komplikation: ischämische Muskelkontraktur
Prognose: Transkonyläre Mehrfachbrüche hinterlassen als intraartikuläre Frakturen häufig eine Bewegungseinschränkung. Beachte: Beugung ist wichtiger als freie Streckung, um die Hand zum Mund zu führen. Nervenschäden haben eine gute Rückbildungstendenz. Bei kindlichen Brüchen kann Fehlwachstum zum Cubitus varus oder valgus führen, letzterer mit Spätschäden (Dehnungsschaden) am N. ulnaris. Schwerwiegende Komplikation: Ischämische Muskelkontraktur (Volkmann) (s. 44.4.8.3.1, S.936).
7. Ellenbogen Verrenkung
5.1.5 Ellenbogenverrenkung
zweithäufigste Verrenkung. Häufig mit knöchernen Begleitverletzungen Entstehung durch Sturz auf die Hand. Folge: Heraushebelung beider Unterarmknochen aus der Fossa olecrani (Abb. 44.5-22)
Häufigkeit: Nach der Schulter die zweithäufigste Verrenkung, etwa 2025 % aller Luxationen; jedoch häufig mit knöchernen Begleitverletzungen kombiniert. Reine Luxationen sind seltener. Pathogenese: Das dreiteilige Gelenk wird durch 2 Seitenbänder als Verstärkung der sonst schwach ausgebildeten Kapsel und durch einen starken Muskelmantel geführt. Luxationen entstehen indirekt durch Sturz auf die Hand, u. U. mit Einleitung eines Momentes (Verdrehung), so daß beide Unterarmknochen aus der Fossa olecrani über den Processus coronoideus herausgehebelt werden. Das Olekranon steht dorsal der Trochlea: Luxatio antebrachii posterior. Bei Einwirken eines größeren Momentes verschiebt sich der Unterarm zusätzlich nach radial: posteroradiale Luxation (Abb. 44.5-22). Selten: Luxatio antebrachii anterior, nur möglich mit zusätzlicher Olekranonfraktur. Begleitverletzungen: Seitenbandausriß, u. U. knöchern, am Epikondylus, radial häufiger als ulnar, Abbruch des Processus coronoideus. Gefäß- und Nervenverletzungen (N. ulnaris am häufigsten betroffen). Osteochondrale Abscherfragmente am Radiusköpfchen oder am Capitulum humeri. Diagnose: Schwellung und Deformierung durch dorsal verschobenes Olekranon (Luxatio posterior = häufigste Form). Stellung des Armes in leichter Beugung, Patient unterstützt diesen mit seiner gesunden Hand. Aufhebung des sog. Hueter-Dreiecks: Beide Epikondylen bilden mit dem Olekranon bei Beugung ein Dreieck, in Streckung eine querverlaufende Linie. Vor Röntgenaufnahmen (immer in 2 Ebenen) Überprüfung der peripheren Zirkulation, Motorik und Sensibilität!
Begleitverletzung: - Seitenbandausriß - Abbruch des Processus coronoideus - Gefäß- und Nervenverletzungen - osteochondrale Abscherfragmente am Radiusköpfchen Diagnose: • Schwellung und Deformierung • Stellung des Armes in leichter Beugung • Unterstützung des kranken Armes mit der gesunden Hand • Aufhebung des Hueter-Dreiecks • Röntgenaufnahme in 2 Ebenen Therapie: konservativ Geschlossene Reposition in Narkose durch Zug am Unterarm und Druck am Olekranon mit langsamer Beugung des Gelenkes bis die Trochlea einrastet. - Kontrolle der Gefäß- und Nervenfunktion - Überprüfung der Seitenbandstabilität - Röntgenkontrolle in 2 Ebenen - Immobilisation für 3 Wochen
Therapie: Konservativ. Geschlossene Reposition in Narkose durch Zug am Unterarm und Druck am Olekranon von dorsal nach ventral mit langsamer Beugung des Gelenkes, bis die Trochlea einrastet. Nach erfolgter Reposition zwei weitere Überprüfungen unbedingt erforderlich: 1. Erneute Kontrolle der Gefäß- und Nervenfunktion, 2. Überprüfung der Seitenbandstabilität. Bei deutlicher seitlicher Aufklappbarkeit Bandnaht, bei knöchernem Ausriß Zugschraubenosteosynthese indiziert. Nach Reposition: Erneute Röntgenkontrolle in 2 Ebenen. Immobilisation für maximal 3 Wochen im Oberarmgipsverband, bei erhaltener Stabilität nur für wenige Tage. Danach aktive krankengymnastische und physikalische Therapie.
Abb.44.5-22: Ellenbogenluxation, a. Nach dorsal (Luxatio posterior), b. Nach dorsal-radial (Luxatio postero-radialis)
951
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen Bei Abbruch des Processus coronoideus (meist in Kombination mit einer Luxation, als alleinige Unfallfolge selten): Zugschraubenosteosynthese. Prognose: Im allgemeinen gut. Selten Ausbildung einer Myositis ossificans. Bei Quetschung des M. brachialis paraartikuläre Verknöcherungen besonders bei zu früher und zu brüsker passiver Mobilisation und nach Massagen. Seltene Unfallfolge: habituelle Ellenbogenluxation. Diese wird nach der von Osborne und Cotteril angegebenen Methode operiert: Knöcherne Reinsertion des radialen Seitenbandes und Beseitigung der dorsoradialen Kapseltasche.
Im allgemeinen gute Prognose
5.1.6 Olekranonfrakturen
8. Olekranonfrakturen
Häufigkeit: Sehr häufige Gelenkverletzung. Pathogenese: Direkte Gewalt durch Fall auf den Ellenhaken. Bei massiver Überstreckung über die Trochlea humeri und bei unkoordiniertem Zug der Trizepssehne entsteht eine Abrißfraktur. Die Olekranonfraktur ist immer eine intraartikuläre Fraktur! Diagnose: Trotz Schwellung tastbare Delle, da der Trizepsmuskel eine breite Diastase bewirkt. Schmerzbedingte Bewegungseinschränkung, insbesondere für Streckung (Trizepssehne). Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen zeigt meist Querbrüche oder Schrägbrüche, seltener Trümmerbrüche. Therapie: Bei den seltenen unverschobenen Brüchen genügt ein Oberarmgipsverband für 4—6 Wochen. Sonst absolute Operationsindikation gegeben, da a) intraartikuläre Fraktur und b) der Trizepszug keine Retention erlaubt. Operations verfahren der Wahl Zuggurtungsosteosynthese: 2 Kirschnerdrähte halten zunächst das stufenlose Repositionsergebnis, eine Drahtschlinge in Achtertour (s. Abb. 44.4-18, S.925) wandelt die Zugkräfte des Trizepsmuskels in Druckkräfte auf den Frakturspalt um. Bei Trümmerbrüchen: AO-Plattenosteosynthese. Frühzeitige aktive Mobilisation, um dem biomechanischen Prinzip - dynamische Form der interfragmentären Kompression - gerecht zu werden (s. S. 925). Prognose: Gut. Gelegentlich Streckdefizit, was funktionell im allgemeinen unbedeutend ist. Bei Trümmerbrüchen: Inkongruenzarthrose.
Häufige Gelenkverletzung Entstehen durch Fall auf den Ellenhaken oder als Abrißfraktur. Immer intraartikuläre Fraktur
5.1.7 Verletzungen des proximalen Radius 5.1.7.1 Fraktur von Radiusköpfchen und-hals Pathogenese: Sturz nach vorn auf die Hand in Pronation bei mehr oder weniger gestrecktem Ellenbogengelenk. Der Rand des Capitulum humeri schert den vorderen lateralen Teil des Köpfchens ab (Meißelfraktur). Formen (Abb. 44.5-23) Intraartikulär: Randfraktur, Meißelfraktur, Trümmerbrüche. Extraartikulär: Halsbrüche als Querbruch oder Schrägbruch zwischen Capitulum radii und Tuberositas radii mit und ohne subkapitaler Einstauchung. Halsbrüche treten gehäuft bei Kindern auf. Diagnose: Schmerzen. Lokaler Druckschmerz über Radiusköpfchen. Bewegungseinschränkung für Pro- und Supination, weniger für Beugung und Streckung. Röntgenbild in 2 Ebenen.
Abb.44.5-23: Radiusfrakturen, a-c: Köpfchenfrakturen, d—f: Halsfrakturen
Diagnose: - tastbare Delle - schmerzbedingte Bewegungseinschränkung Röntgen in 2 Ebenen Therapie: bei unverschobenen Brüchen: Oberarmgipsverband für 4-6 Wochen In anderen Fällen: Operationsverfahren der Wahl: Zuggurtungsosteosynthese (s. Abb. 44.4-18) Bei Trümmerbrüchen: AO-Plattenosteosynthese
Prognose: gut
9. Verletzungen des proximalen Radius a) Fraktur des Radiusköpfchens und des -halses Entstehen bei Sturz auf gestrecktes Ellenbogengelenk in Pronation der Hand Formen: (Abb. 44.5-23) Meißelfraktur, Trümmerbrüche, Halsbrüche, intra- u. extraartikuläre Formen Diagnose: lokaler Druckschmerz über Radiusköpfchen, Bewegungseinschränkung, Röntgenbild in 2 Ebenen
952 Begleitverletzungen: Schädigung des Ramus profundus nervi radialis. Meist iatrogen bei operativer Intervention Therapie: Bei Meißelfrakturen ohne Dislokation: Immobilisätion für 2-3 Wochen Bei Fissuren: sofortige Mobilisation erlaubt Dislozierte Frakturen: Osteosynthese mit Zugschraube bei Trümmerbrüchen: Rekonstruktionsversuch Bei Mißlingen: Köpfchenresektion —> Silastikprothese. Nicht bei Kindern! Bei Radiushalsfrakturen mit Dislokation: offene Reposition Prognose: bei größeren Stufenbildungen eingeschränkte Unterarmdrehung
44. Unfallchirurgie Begleitverletzungen: Schädigung des R. profundus nervi radialis (rein motorisch). Da der Ast für den M. extensor carpi radialis longus kranial des Köpfchens vom Stamm abgeht, bleibt die Funktion allein dieses Muskels häufig erhalten. Die Nervenschädigung ist häufiger iatrogen (Druck eines Hakens intraoperativ) als durch Verletzung bedingt. Therapie: Bei Meißelfrakturen: Ohne Dislokation lediglich Immobilisätion im zirkulären Oberarmgips für 2-3 Wochen; Fissuren: Sofortige Mobilisation, da das Ringband schient. Dislozierte Frakturen: Osteosynthese mit einer Zugschraube. Bei Trümmerbrüchen: Operativ mit Versuch der Rekonstruktion; mißlingt dies: Köpfchenresektion, ersatzlose Entfernung oder Einsetzen einer Silastikprothese. Eine Resektion des Köpfchens ist jedoch bei Kindern unter keinen Umständen indiziert. Durch ungestörtes Wachstum der Ulna kommt es zu schweren Fehlstellungen am Ellenbogengelenk und insbesondere am Handgelenk: Manus radioflexa (erworbene Klumphand). Bei Radiushalsfrakturen: Bei Dislokation offene Reposition, Fixation mit Kirschnerdraht, u.U. transartikulär durch Capitulum humeri (nach Witt). Rechtzeitige Entfernung nach 3 Wochen, da sonst Materialermüdungsbruch! Prognose: Bei größeren Stufenbildungen oder Trümmerbrüchen eingeschränkte Unterarmdrehung. Bei starker Behinderung ist die Köpfchenresektion auch als Sekundäreingriff möglich. Selten periartikuläre Verknöcherungen.
b) Badiusköpfchenluxationen
5.1.7.2 Radiusköpfchenluxationen
meist in Kombination mit Ulnafraktur (Monteggia-Luxationsfraktur) -> durch Sturz auf ausgestreckten Arm Verletzung wird häufig, besonders bei Kindern, übersehen
Häufigkeit: Als isolierte Verletzung selten, meist in Kombination mit einer Ulnafraktur: Monteggia-Luxationsfraktur (s. Abb. 44.5-31 b, S. 956). Pathogenese: Verrenkung im proximalen Radioulnargelenk durch Sturz auf ausgestreckten Arm in forcierter Abduktion und Pronation. Verrenkungsrichtung fast ausschließlich nach vorn seitlich. Bei der Verrenkung reißt das Lig. anulare radii oder das Lig. quadratum, mit dem das erstere Band an der Ulna fixiert ist. Häufig übersehene Verletzung, insbesondere bei Kindern. Diagnose: Federnde Fixation, aufgehobene Drehbewegung. Röntgenbild in 2 Ebenen.
Diagnose: • federnde Fixation • aufgehobene Drehbewegung • Röntgenbild in 2 Ebenen Therapie: Reposition durch Zug am Unterarm und Druck auf das Köpfchen. 3 Wochen Oberarmgips Sonderform: Subluxatio radii perianularis
Therapie: Reposition durch Streckung und Supination des Unterarmes (hörbares Knacken) -»sofortige Beschwerdefreiheit
Therapie: Reposition durch Zug am Unterarm und Druck auf das Köpfchen. 3 Wochen zirkulären Oberarmgips. Sonderform: Subluxatio radii perianularis (Chassaignac, Pronatio dolorosa). Durch plötzlichen Zug am Arm bei gleichzeitiger Pronation (Hochreißen des Kindes an der geführten Hand, um es vor einem Sturz oder einer Gefahr zu bewahren) rutscht das Köpfchen z. T. unter das Lig. anulare. Bevorzugtes Lebensalter 2-6 Jahre. Diagnose: Die Kinder halten den Arm, als sei dieser gelähmt. Das Röntgenbild ist unauffällig! Therapie: Durch Streckung und Supination des Unterarmes gelingt leicht die Reposition unter hörbarem Knacken. Danach sofortige Beschwerdefreiheit. Prognose: Gut, nur gelegentlich Rezidive.
10. Unterarmbrüche Entstehung durch indirekte Gewalt: Bruch beider Unterarmknochen an der schwächsten Stelle Bei direkter Gewalt: am Ort der größten Gewalteinwirkung. Fehlstellung durch Muskelzug
5.1.8 Unterarmbrüche Pathogenese: Bei indirekter Gewalt (seltener) durch Sturz brechen die beiden Unterarmknochen an der schwächsten Stelle („Sollbruchstelle"): Der Radius im mittleren Drittel, die Ulna am Übergang vom mittleren zum distalen Drittel, während bei direkter Gewalt (häufiger) durch z.B. Schlag der Bruch am Ort der größten Gewalteinwirkung auftritt (Abb. 44.5-24 a). So als „Parierfraktur" der Ulna bei Schlag auf den zur Abwehr erhobenen Arm. Die Dislokation - bisweilen sehr erheblich - richtet sich nach dem Muskelzug: Beim Radiusbruch im proximalen Drittel Hauptdislokation zur Beugeseite durch Bizepszug, beim Bruch im mittleren bis distalen Drittel zieht der M. pronator quadratus den Radius zur Ulna hin.
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
Abb.44.5-24: Bruch beider Unterarmknochen Gewalt vor (a) und nach Osteosynthese (b)
953
in gleicher Höhe durch direkte
Diagnose: Bei isolierter Fraktur nur eines Knochens u.U. schwieriger: Lokale Schwellung und Druckschmerz, schmerzbedingte Bewegungseinschränkung für Pronations- und Supinationsbewegungen. Bei Fraktur beider Knochen (= Unterarmfraktur) finden sich alle sicheren Zeichen eines Bruches. Trotzdem immer Röntgenbild in 2 Ebenen. Bei Bruch nur eines Knochens immer nach einer Luxation im proximalen oder distalen Radioulnargelenk fahnden (s. Monteggia- und Galeazzi-Verletzung), daher Röntgenaufnahmen mit benachbarten Gelenken anfertigen.
Diagnose: • lokale Schwellung und Druckschmerz • schmerzbedingte Bewegungseinschränkung Bei Fraktur beider Knochen: alle sicheren Zeichen eines Bruches • Röntgenbild in 2 Ebenen (Abb.44.5-24a)
Therapie: Konservatives Vorgehen nur bei undislozierten und bei kindlichen Brüchen. Letztere treten häufig als Grünholzfrakturen auf, die sich korrekt stellen und retinieren lassen. Bei dislozierten kindlichen Frakturen Reposition in Narkose durch Zug und Gegenzug, u.U. Drehung, bis sich die Brüche verhaken. Ruhigstellung im zirkulären Oberarmgips für 4— 8 Wochen, je nach Alter. Alle verschobenen Brüche des Erwachsenen, insbesondere offene, werden operativ reponiert und mit AO-Platten (Halbrohrplatte oder DC-Platte) stabilisiert (Abb. 44.5-24b). Nach Abklingen des Wundschmerzes kann nach einigen Tagen bereits mit der aktiven krankengymnastischen Übungsbehandlung begonnen werden. Vorteil: Die durch die sonst notwendige lange Ruhigstellung bedingte Schrumpfung der Membrana interossea unterbleibt, wodurch die freie Umwendbewegung des Unterarmes gewährleistet bleibt. Auch der isolierte Bruch nur eines Knochens stellt eine Indikation zur Osteosynthese dar, da der intakte Partnerknochen durch Sperrwirkung die Heilung verzögern kann. Nebenverletzungen: Nerven- und Gefäßverletzungen, insbesondere des Ramus profundus nervi radialis (rein motorisch) bei proximalen Radiusfrakturen. Kompartment-Syndrome, z. B. in Form des Pronator-teres-Syndrom für den N. medianus.
Therapie: konservativ bei undislozierten und kindlichen Brüchen In anderen Fällen: - Reposition in Narkose durch Zug und Gegenzug bis sich die Brüche verhaken - Ruhigstellung im Oberarmgips für 8-10 Wochen Alle verschobenen Brüche: - operative Reposition - Stabilisierung mit AO-Platten (Abb. 44.5-24 b) Vorteil: keine Schrumpfung der Membrana interossea Indikation zur Osteosynthese auch bei isoliertem Bruch nur eines Knochens Nebenverletzungen: - Nerven- und Gefäßverletzungen - Kompartment-Syndrom
Prognose: Gelegentlich Einschränkung der Drehfähigkeit des Unterarmes, die in geringem Umfang häufiger auftritt. Völlig blockiert wird diese Bewegung durch den Brückenkallus, der beide Unterarmknochen miteinander knöchern verbindet. Bei einfacher Resektion hohe Rezidivneigung. Deshalb nach Resektion Interposition einer Silastikmembran. Relativ häufig Pseudarthrosen, sowohl bei konservativer Therapie als auch bei nicht optimaler Osteosynthese. Notwendige Operation: Autogene Spongiosatransplantation und stabile Osteosynthese. Bei konservativer Behandlung durch
Prognose: - gelegentlich Einschränkung der Drehfähigkeit des Unterarmes - Völlige Blockade dieser Bewegung durch Brückenkallus - Relativ häufig Pseudarthrosen -> notwendige Operation: autogene Spongiosatransplantation und stabile Osteosynthese
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44. Unfallchirurgie
Bei konservativer Behandlung: posttraumatische Längendifferenz der Unterarmknochen möglich -> notwendige Operation: Korrekturosteotomie
Fehlstellung eines Knochens oder durch verstärkte Krtochenresorption posttraumatische Längendifferenz der Unterarmknochen. Daher wird das distale Radioulnargelenk u.U. erheblich beeinträchtigt (Drehfähigkeit). Notwendige Operation: Korrekturosteotomie, u. U. Verlängerung des einen oder Verkürzung des anderen Knochens mit anschließender übungsstabiler Osteosynthese.
11. Radiusbruch an typischer Steile
5.1.9 Radiusbruch an typischer Stelle
Häufigster Bruch. Entstehung durch Sturz auf ausgestreckte, dorsalflektierte Hand Abkippen der Gelenkfläche zur Streckseite Kompression der dorsalen Kortikalis und Sponglosa Gabelstellung, Bajonettstellung (Abb. 44.5-25)
Häufigkeit: Der distale Radiusbruch (spongiöse Radiusbasis) im Bereich der becherförmigen Verbreiterung ist mit 10-25 % aller Knochenbrüche der häufigste Bruch überhaupt. Der Häufigkeitsgipfel liegt beim älteren Menschen, das weibliche Geschlecht ist bevorzugt betroffen (Colles 1814). Pathogenese: Sturz auf ausgestreckte, meist dorsalflektierte Hand. Damit kippt die Gelenkfläche zur Streckseite ab, die dorsale Kortikalis und Spongiosa wird komprimiert (Extensionsfraktur). Hierdurch resultiert klinisch die „Gabelstellung". Häufig zusätzliche radiale Abwinklung, die in der Aufsicht die „Bajonettstellung" ergibt (Abb.44.5-25). In 50% gleichzeitig Abbruch des Processus styloideus ulnae; dies bedeutet häufig Mitverletzung des Discus triangularis. Unterscheidung zwischen intra- und extraartikulären Frakturen, erstere sind häufig Mehrfragmentbrüche (Abb.44.5-26). Die AO-Einteilung berücksichtigt wiederum extraartikuläre Frakturen (Typ A) von partiell artikulären (Typ B) und vollständig artikulären (Typ C) (s.S.916). Diagnose: Schwellung, Schmerz, Functio laesa, insbesondere o.g. Fehlstellung, Röntgenbild in 2 Ebenen (Abb. 44.5-27 a).
Oft gleichzeitiger Abbruch des Processus styloideus ulnae Intraartikuläre Brüche - oft Mehrfachfragmentbrüche (Abb. 44.5-26)
Diagnose: • Schwellung • Schmerz • Functio laesa • Fehlstellungen • Röntgenbild in 2 Ebenen Therapie (Abb. 44.5-28 u. -29) konservativ: Reposition mit Einstellung der normalen Gelenkneigungswinkel
Abb. 44.5-25: Distale Radius fraktur vom Extensionstyp
Abb.44.5-26: Einteilung der distalen Radiusfraktur nach Frykman: l/ll: extraartikuläre Fraktur; lll/IV: Beteiligung der radio-karpalen Gelenkfläche; V/VI: Beteiligung der radioulnaren Gelenkfläche; Vll/Vlll: Beteiligung beider Gelenkflächen
Therapie: Konservative Behandlung erbringt zwar immer eine Ausheilung der Fraktur, da Bruch im spongiösen Bereich mit bekannter guter Heilungstendenz. Aber selbst bei primär optimalem Repositionsergebnis gelingt es selten, diese Stellung zu halten, vor allem bei Brüchen mit Gelenkbeteiligung und primär impaktierten Mehrfragmentbrüchen. Daher werden immer mehr Brüche operativ gestellt und stabilisiert. Konservative Behandlung: Reposition zur Erzielung der normalen Gelenkneigungswinkel: Im a.p.-Bild 30° Steigung von ulnar nach radial und im seitlichen Bild 10° Neigung zur Beugeseite (Abb. 44.5-27b). Reposition in Bruchspaltanästhesie mit ca. 10 cm 3 2 % Scandicain oder Plexusanästhesie
955
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
Abb. 44.5-27 a: Typische Radiusbasisfraktur im Röntgenbild mit Fehlstellung
über einer Fingerextension durch sog. „Mädchenfänger": In Rückenlage des Patienten wird der Oberarm seitlich im rechten Winkel horizontal gelagert, der Unterarm steht senkrecht unter 90° Beugung im Ellenbogengelenk (Abb. 44.5-28). Der Hauptzug führt über die beiden ersten Finger. Gegenzug durch gepolsterte Schlaufe am Oberarm mit etwa 3-4 kg Gewicht. Nach etwa 15 min Dauerzug Stellungskontrolle im Bildwandler. U. U. Nachreposition durch manuellen Druck von dorsal im Sinne einer Palmarflexion. Ruhigstellung in Mittelstellung des Handgelenkes mit breiter Unterarmgipslonguette oder gespaltenem zirkulären Unterarmgips bis zu den Langfingergrundgelenken. Bei Trümmerbrüchen ist ein gespaltener zirkulärer Oberarmgips zur Ausschaltung der Drehbewegung ratsam, der nach 3 Wochen in einen Unterarmgips umgewandelt werden soll. Nach Abschwellen ist in der Regel ein Umgipsen erforderlich. Ruhigstellung für 4-6 Wochen, je nach Schwere der Fraktur. Röntgenkontrollen: Sofort nach Reposition im ersten Gipsverband, nach 3 und 8 Tagen und nach 4 oder 6 Wochen, je nach Dauer der Ruhigstellung. Diese Termine sind unbedingt einzuhalten, um ein nicht seltenes erneutes Abrutschen der Fragmente rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen: Nachreposition oder besser Operation.
Abb. 44.5-28: Einrichtung eines Radiusbruches loco typico mittels Mädchenfänger Extension
Abb.44.5-27b: Gelenkwinkel diusende
am distalen Ra-
Vorgehen: Reposition durch „Mädchenfänger". Rükkenlage des Patienten -» Lagerung des Oberarms seitlich i m rechten Winkel horizontal, Unterarm senkrecht unter 90° Beugung im Ellenbogengelenk (Abb. 44.5-28) Hauptzug über die beiden ersten Finger —> Gegenzug durch Schlaufe am Oberarm mit 3-4 kg Gewicht —> nach 15 min Dauerzug Röntgenkontrolle -» Ruhigstellung für 4-6 Wochen
Röntgenkontrolle: Sofort nach Reposition, nach 3 und 8 Tagen sowie 4 oder 6 Wochen, um erneutes Abrutschen der Fragmente zu erkennen
44. Unfallchirurgie operativ: Bei instabilen Brüchen mit Gelenkbeteiligung, Mehrfragmentbrüche Operation: K-Drähte, T-Platte (Abb. 44.5-29) Prognose: • oft Redislokation wegen Spongiosaimpressionen unbedingt Röntgenkontrolle beachten! • Gefahr der Sudeck-Dystrophie • Gefahr der Inkongruenzarthrose • pseudarthrotische Verheilung des Processus styloideus ulnae Folge: Druckschmerzen Seltene Spätkomplikation: Ruptur der Sehne des Extensor pollicis longus Häufigste Fehlstellung (Abb.44.5-30): Speichenverkürzung mit konsekutivem Ellenvorschub und nach dorsal abgewinkelter Speichelgelenkfläche Sonderformen (s.Abb.44.5-31,44.4-4g) • Flexionsbruch bei Sturz auf die gebeugte Hand
Operative Behandlung: Bei abrutschgefährdeten Frakturen - meist Mehrfragmentenbrüche - kann primär eine Spickdrahtosteosynthese das Spätergebnis deutlich verbessern (Abb. 44.5-29 a). Bei intraartikulären Frakturen und solchen mit dorsalen Spongiosadefekten nach Reposition: Indikation zur Osteosynthese mit einer kleinen T-Platte (Abstützplatte) (Abb. 44.529 b). Prognose: Nicht selten sind Redislokationen wegen Spongiosaimpressionen. Daher unbedingt Röntgenkontrollzeiten beachten! Gelegentlich treten primär Kompressions-Syndrome des N. medianus (Karpaltunnelsyndrom) auf, selten auch als Spätkomplikation. Bei zu häufiger und insbesondere zu brüsker Reposition und geschlossenen Gipsverbänden Gefahr der Sudeck-Dystrophie. Diese tritt am häufigsten nach distalen Radiusfrakturen auf! Intraartikuläre Frakturen können mit Stufenbildung ausheilen und damit einer Inkongruenzarthrose Vorschub leisten. Der häufig mitfrakturierte Processus styloideus ulnae verheilt gelegentlich pseudarthrotisch. Dann können lokalisierte Druckschmerzen die Folge sein, die auch durch eine Mitverletzung des Discus triangularis - der als knorplige Scheibe keine Heilungstendenz hat - verursacht werden können. Seltene Spätkomplikation: Ruptur der Sehne des Extensor pollicis longus. Häufigste Fehlstellung nach Ausheilung der Fraktur: Speichenverkürzung mit konsekutivem Ellenvorschub und einer nach dorsal abgewinkelten Speichengelenkfläche (Abb. 44.5-30). Therapie bei alten Leuten mit Beschwerden: Ellenköpfchenresektion; bei jüngeren Patienten: Korrekturosteotomie der Speichengelenkfläche, u.U. mit Ellenverkürzung oder Operation nach Kapandji. Sonderformen: Flexionsbruch bei Sturz auf die gebeugte Hand. Typ I: Extraartikulärer Radiusbasisbruch mit Einstauchung palmar. Typ II: Palmarer
Abb. 44.5-29: Operative Versorgung einer intraartikularen Radiusbasisfraktur mit K-Drähten (a) und mit T-Abstützplatte (b)
Abb. 44.5-30: In Fehlstellung verheilte distale Radiusfraktur mit Ellenvorschub im p. a.-Bild und Kippung der Gelenkfläche um 40° nach dorsal im seitlichen Bild
Abb. 44.5-31: Distale Radiusfraktur vom Flexionstyp (Smith) (seitliche Ansicht), Einteilung nach Thomas Typ l-lll (a). Monteggia(b) und Galeazzi-Luxationsfraktur (c)
957
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen Radiusrand abgebrochen. Typ III: Frakturlinie zieht von dorsal distal nach palmar proximal (bereits extraartikuläre Fraktur). Diese Frakturen werden unter dem Namen Smith Fractures zusammengefaßt. Typ II stellt eine Operationsindikation dar, da der Bruch konservativ nicht zu halten ist (Abb. 44.5-31 a). Bei Kindern kann infolge der spröden Kortikalis ein sog. Wulstbruch entstehen, der lediglich eine Verdickung durch Einstauchung der Kortikalis darstellt (s. Abb.44.4-4g, S.914). 5.1.10 Luxationen im distalen Radioulnargelenk Bei den typischen Radiusbasisbrüchen mit dorsoradialer Abwinklung entsteht zwangsläufig eine Subluxationsstellung in diesem Gelenk, die häufig mit einer Verletzung des Triangular fibrocartilage complex (TFCC) einhergeht. Diese kann anhaltende Beschwerden verursachen. Bei kindlichen Verletzungen der distalen Radiusepiphyse kann es zum verminderten Längenwachstum der Speiche kommen - u. U. nur partiell - welches zu einer sekundären Schädigung des distalen Radioulnargelenkes führt. Es entsteht die Fehlstellung einer Manus radioflexa (erworbene Klumphandstellung) oder die der Madelung-Deformität. Subluxationen im distalen Radioulnargelenk durch angeborene Bänderschwäche nennt man federnde Elle. Isolierte Verrenkungen dieses Gelenkes sind extrem seltene Verletzungen. Sie treten häufiger in Kombination mit einem Speichenbruch auf (Galeazzi-Verrenkungsbruch, s. unten).
• Wulstbruch bei Kindern, d.h. Einstauchung der Kortikalis
12. Luxationen im distalen Radioulnargelenk Subluxationsstellung bei typischen Radiusbasisbrüchen mit dorsoradialer Abwinkelung —> Verletzung des knorpeligen Discus triangularis Bei Kindern: vermindertes Längenwachstum der Speiche als Folge mit Schädigung des distalen Radioulnargelenkes
Federnde Elle: Subluxationen im Radioulnargelenk durch angeborene Bänderschwäche
5.1.11 Verrenkungsbrüche am Unterarm
13. Verrenkungsbrüche am Unterarm
Monteggia-Luxationsfraktur. Bruch der Ulna im proximalen, seltener im mittleren Drittel mit gleichzeitiger Luxation des Speichenköpfchens (Abb. 44.5-31 b). Pathogenese: Sturz auf gebeugten Unterarm oder direkt durch Schlag gegen den proximalen Unterarm von ulnar her. Die Luxation bedingt eine Zerreißung des Lig. annulare radii oder des Lig. quadratum, durch welches das erstere an die Ulna fixiert wird. Diagnose: Der Bruch der Ulna steht klinisch im Vordergrund, weshalb die Luxation im proximalen Radioulnargelenk häufiger übersehen wird. Daher gilt die Regel, bei jeder isolierten Schaftfraktur der Ulna nach einer Monteggia-Verletzung zu fahnden. Gelegentlich Schädigung des N. radialis durch Radiusköpfchenluxation (Fallhand).
a) Monteggia-Luxationsfraktur: Bruch der Ulna im proximalen Drittel, gleichzeitig Luxation des Speichenköpfchens (Abb. 44.5-31 a) Entstehung durch Sturz auf gebeugten Unterarm oder entsprechenden Schlag Zerreißung des Lig. annulare
Therapie: Operativ durch stabile Osteosynthese der Ulna. Hiermit wird durch Erhaltung der korrekten Länge der Elle eine Reluxation verhindert. Jede konservative Therapie geht mit einer Verkürzung des Knochens einher, wodurch die Luxationstendenz des EHenköpfchens vorgegeben ist. Daher ist die korrekte Osteosynthese der Ulna wichtiger als die Naht der Bänder. Auf diese kann verzichtet werden, wenn nach erfolgter stabiler Osteosynthese bei Drehbewegungen keine Luxation entsteht. 3 Wochen Oberarmgips zur Ausheilung der Bandstrukturen.
Therapie: - Operativ. Stabile Osteosynthese der Ulna Bei konservativer Therapie: Verkürzung des Knochens Osteosynthese der Ulna wichtiger als Naht der Bänder 3 Wochen Oberarmgips
Diagnose: Bruch der Ulna steht im Vordergrund. Daher Regel: bei jeder isolierten Schaftfraktur der Ulna nach Monteggia-Verletzung suchen!
Galeazzi-Luxationsfraktur. Bruch der Speiche im mittleren bis distalen Drittel und Luxation im distalen Radioulnargelenk (Abb. 44.5-31 c). Therapie: Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Monteggia-Fraktur: Stabilisierung des Speichenbruches mittels Plattenosteosynthese, Bandnaht, u. U. transartikulärer Kirschnerdraht für 3 Wochen. Für die gleiche Zeit zirkulären Oberarmgipsverband.
b) Galeazzi-Luxationsfraktur (Abb. 44.5-31b) Bruch der Speiche im mittleren bis distalen Drittel, Luxation im distalen Radioulnargelenk Therapie: Stabilisierung des Speichenbruches mit Plattenosteosynthese, Bandnaht. Oberarmgipsverband für 3 Wochen
5.2 Traumatologie der Wirbelsäule
Traumatologie der Wirbelsäule
5.2.1 Stabile und instabile Brüche, Häufigkeit
Stabile und instabile Brüche
Die Wirbelsäule hat als Stützorgan eine statische, als Teil des Bewegungsapparates eine dynamische und für das Rückenmark eine protektive Funktion. Druckkräfte werden von den Wirbelkörpern, den Bandscheiben und den kleinen Wirbelgelenken
Die Bewegung der Wirbelsäule spielt sich im Bewegungssegment ab mit folgenden Strukturen (Abb.44.5-32):
958 -
44. Unfallchirurgie vorderes Längsband Bandscheibe kleine Wirbelgelenke und deren Kapsel Ligg. flava und Ligg. interspinalia
Je nach Verletzung dieser Strukturen unterteilt man in: - stabile Frakturen - instabile Frakturen
aufgenommen, die Zugkräfte von den vorderen und hinteren Längsbändern und den Ligg.flavaet interspinalia. Die Bewegung spielt sich im Bewegungssegment (Junghanns) ab, das von ventral nach dorsal folgende Strukturen umfaßt (Abb. 44.5-32): • vorderes Längsband, Bandscheibe, kleine Wirbelgelenke und deren Kapsel und dorsal die Ligg. flava et interspinalia. In Abhängigkeit von dem Grad der Verletzung dieser Strukturen des Bewegungssegmentes unterteilt man in primär stabile und instabile Frakturen. Dabei spielt die Lokalisation der Verletzung eine erhebliche Rolle, ob vordere, mittlere oder hintere osteoligamentäre Anteile betroffen sind. Hierauf beruht die Dreisäulentheorie von Denis und McAfee, die die Wirbelsäule virtuell in einen vorderen, mittleren und hinteren Abschnitt unterteilt (Abb. 44.5-32). Der mittlere Abschnitt ist für die Stabilität wichtig. Ähnlich formuliert es Louis. Danach wird das Gleichgewicht der Stabilität der Wirbelsäule durch 3 Verbindungen aufrechterhalten: hintere Wirbelkörperund Diskuswand, Wirbelgelenke und Wirbelbogen, dorsaler Ligamentkomplex (insbesondere Lig. interspinosum). Ist eine der drei Strukturen ernsthaft verletzt, resultiert eine instabile Fraktur. Die Unterscheidung wird anhand röntgenologischer Kriterien getroffen:
Primär stabile Brüche: • isolierte Bandscheibenverletzung • isolierter Wirbelkörperbruch • isolierter einseitiger Wirbelbogen- oder Gelenkfortsatzbruch ohne Bandscheibenbeteiligung
Primär stabile Brüche sind: Isolierte Bandscheibenverletzungen (meist in Kombination mit einer Zerreißung des vorderen Längsbandes); isolierter Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung mit intakter Deckplatte und Hinterkante (solide impaktierte Spongiosa); isolierter einseitiger Wirbelbogen- oder Gelenkfortsatzbruch ohne Bandscheibenbeteiligung; ein Wirbelkörperbruch mit Beteiligung der Bandscheibe gilt auch dann noch als stabil, wenn die Keilform des Körpers unter 15 ° liegt, kein sagittaler Knick oder Seitverschiebung, keine Subluxationsstellung besteht und die Dornfortsätze nicht auseinanderweichen (intakter dorsaler Bandapparat). Außerdem dürfen keine neurologischen Ausfälle bestehen.
Primär instabile Brüche: Verletzung der dorsalen Strukturen: • Wirbelkörperhinterkante • Diskuswand • Wirbelbogen • Gelenkfortsätze • hinterer Bandkomplex Ossäre u. discoligamentäre Instabilität (Abb. 44.5-33)
Primär instabile Brüche: Die Stabilität entscheidet sich an den dorsalen Strukturen: Wirbelkörperhinterkante und Diskuswand, Wirbelbogen und Gelenkfortsätze, hinterer Bandkomplex (Lig. interspinosum). Instabile Brüche: Wirbelkörperbrüche mit Beteiligung der Hinterkante und Bandscheibenimpression durch verletzte Deckplatte, zudem Berstungsund Stückbrüche, Verlagerung von Wirbelkörperteilen nach seitlich, ventral oder dorsal; Verrenkungsbrüche mit Beteiligung der Bogen oder Gelenkfortsätze; Luxationen und Subluxationen; Verletzungen mit neurologischen Ausfällen. Unterteilung in ossäre und diskoligamentäre Instabilitäten sinnvoll, letztere insbesondere an der Halswirbelsäule und mit schlechter Prognose (Abb. 44.5-33).
Häufigste Lokalisation: an den beweglichsten Segmenten (D 12, L 1) und Maximum der Brustkyphose
Häufigkeit: 10 % HWS, 43 % BWS, 44 % LWS, 3 % Kreuzbein. Maximum an der Halswirbelsäule: C 2 (Densfraktur) und C 5-C 6. An der Brustwirbelsäule: D 5-D 9 (Gipfel der BWS-Kyphose: Bei axialer Stauchung und Überbiegung Maximum der Gewalteinwirkung), D 12 und L 1 mit jeweils 18% die häufigsten Wirbelkörperbrüche!
Abb. 44.5-32: Bewegungssegment nach Junghanns: Stabilitätswichtige Strukturen sind besonders hervorgehoben (rot). 3 Säulen nach Den/sund McAfee: 1 vordere, 2 mittlere, 3 hintere Säule
Abb.44.5-33: Instabilität der Wirbelsäule: ossär (a) und diskoligamentär (b)
959
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen D 12 wird funktionell zur LWS gehörig angesehen und entsprechend therapiert. Altersgipfel um das 40. Lebensjahr. 5.2.2 Ätiologie Selten direkte Einwirkung, meist indirekte, so auch bei Tetanus, Eklampsie, Epilepsie. Die Art der Schädigung ist von vielen Faktoren abhängig, in erster Linie aber von der Stellung des Körpers zum Zeitpunkt des Unfalles und vom Ort der Krafteinleitung. Diese sind jedoch meist unbekannt, ebenso wie Größe und Richtung der angreifenden Massen. Selten sind einfache Verletzungsmuster, wie axiale Stauchungsverletzungen (z.B. Jeffersonfraktur, Wirbclkörperbruch mit zentralem Einbruch der Bandscheibe in den Wirbelkörper) oder reine Überstreckungs- oder Überbiegungsverletzung. Die hierbei entstehenden Verletzungen sind aus Abbildung 44.534 ersichtlich. Häufig kommt ein Moment (Drehkomponente) hinzu, so daß eine Rotationsverletzung resultiert.
Entstehung durch meist indirekte Gewalteinwirkung, wie auch: - Tetanus - Eklampsie - Epilepsie Häufig resultiert eine Rotationsverletzung. Verletzungsarten s.Abb.44.5-34
Die häufigste Verletzungsursache ist eine Kombination aus Überbiegung und axialem Druck und Moment. Verletzungsmuster (Abb. 44.5-34): a) bei Überstreckung: (1) Riß des vorderen Längsbandes (2) einschl. Zerreißung des Annulus fibrosus der Bandscheibe (3) V o r d e r k a n t e n a ^ n / i fraktur (4) Brüche der Bögen und Gelenkfortsätze (5) Dornfortsatzbruch (Kneifzangenphänomen)
Verletzungsmuster (Abb. 44.5-34) b) bei Überbeugung: (1) Vorderkantenabbruch (2) Kompressionsbruch des Wirbelkörpers (3) reine Verrenkungen (4) Wirbelbogenbrüche (3,4 auch als Verrenkungsbrüche) (5) Abriß ixakXur des Dornfortsatzes (6) Zerreißung des dorsalen Bandapparates (Lig. interspinosum)
5.2.3 Formen der Wirbelsäulenverletzungen
Formen der Wirbelsäulenveiietzungen
Die Einteilung der Wirbelsäulenverletzungen allein nach vorgenannten ätiologischen Gesichtspunkten ist nicht sinnvoll, da die alleinige Überbiegung oder Überstreckung als Unfallmechanismus selten vorkommt, sondern eher als Kombination aus z.B. axialer Stauchung mit Überbiegung und Momenten. Trotzdem ist die Darstellung der Verletzungsmuster bei Überbiegung und Überstreckung aus didaktischen Gründen sinnvoll, da eine Reihe von Verletzungen hierdurch anschaulich erklärbar sind.
Abb. 44.5-34: Überstreckungs- (a) und Überbiegungsverletzung (b) mit typischen Verletzungsmustern (1-6 s.Text)
Abb. 44.5-35: Frakturen der Wirbelkörper. Vorderkantenbruch (a), Kompressionsbrüche ohne (b) und mit Beteiligung der Hinterkante (c)
960 Man unterteilt folgende Formen: 1. Bänder- und Bandscheibenverletzungen: erkennbar nur an indirekten Röntgenzeichen 2. Frakturen der Wirbelkörper (Abb. 44.5-35): • Vorderkantenabbruch • Kompressionsbrüche mit und ohne Beteiligung der Deckplatte und Bandscheibe • Kompressionsbrüche mit Beteiligung der Hinterkante Gefahr der RückenmarkverletzungI 3. Frakturen der Bögen und Gelenkfortsätze mit und ohne Luxation 4. Reine Wirbelverrenkungen. Seltene Verletzung. Praktisch nur an der Halswirbelsäule (s.Abb. 44.5-34b Nr. 3) 5. Frakturen der Quer- und Dornfortsätze (s.Abb.44.5-34a, b Nr.5) 6. Kombinationsverletzungen Luxationsfrakturen
44. Unfallchirurgie Bei der Einteilung der Wirbelsäulenverletzungen sind die röntgenologischen Befunde einbezogen: 1. Bänder- und Bandscheibenverletzungen (vorderes Längsband, Annulus fibrosus, Lig. interspinale). Diese reinen Weichteilverletzungen sind röntgennegativ. Daher besteht Gefahr, sie zu übersehen. Das MRT stellt sie dar. 2. Frakturen der Wirbelkörper unterschiedlicher Schweregrade und damit Behandlungsbedürftigkeit (Abb. 44.5-35): - Vorderkantenabbruch (frühfunktionelle Behandlung) - Kompressionsbrüche mit und ohne Beteiligung der Deckplatte und der Bandscheibe. Ausheilung in keilförmiger Deformierung des Wirbelkörpers (bis hin zum Gibbus), statisches Problem. - Kompressionsbrüche mit Beteiligung der Hinterkante (Gesamterniedrigung), Gefahr der Rückenmarkverletzung. 3. Frakturen der Bögen und Gelenkfortsätze mit und ohne Luxationen. 4. Reine Wirbelverrenkungen. Eine seltene Verletzung, die praktisch nur an der Halswirbelsäule vorkommt und als Ursache eine Überbeugung voraussetzt (s. Abb. 44.5-34 b Nr. 3). 5. Frakturen der Quer- und Dornfortsätze (s.Abb. 44.5-34 a, b Nr. 5) als Abrißverletzung häufiger als durch Kneifzangenphänomen. 6. Kombinationsverletzungen, Luxationsfrakturen. Diese Kombinationsverletzungen sind häufig. Daher haben zuletzt Magerl, Harms u. Mitarb. 1993 eine neue Klassifikation für Brust- und Lendenwirbelsäulen Verletzungen herausgegeben. Sie umfaßt 3 Kategorien, die ein typisches Grundmuster mit typischen Verletzungsentitäten repräsentieren, die durch Einwirkung bestimmter Kräfte und Momente zustande gekommen sind. Diese Einteilung ist auf die AOKlassifikation mit den Typen A/B/C mit steigendem Schweregrad abgestimmt
(s.S. 916): AO-Klassifikation:
Typ A: Kompression: A 1 Stauchungs(Impaktions)bruch, A 2 Spaltbruch, A 3 Berstungsbruch Typ B: Distrahierende Zugkräfte —> horizontale Zerreißung: B 1 dorsale Zerreißung durch die Intervertrebralgelenke, B 2 dorsale Zerreißung durch den Wirbelbogen, B 3 ventrale Zerreißung durch die Bandscheibe Typ C: Torsionsmechanismus, rotatorische Dislokation: C l Typ A-Verletzung mit Rotation, C2 Typ B-Verletzung mit Rotation, C 3 RotationsScherbruch (Abb. 44.5-36)
Allgemeine Diagnostik der Wirbelsäulenverletzungen Wirbelsäulenfrakturen werden häufig übersehen, da Patienten mit stabilen Wirbelkörperbrüchen gehfähig sind.
5.2.4 Allgemeine Diagnostik
Anamnese: Sturz, Auffahrunfall, Schlag gegen Schädel lokaler Spontanschmerz, der oft kaudaler empfunden wird Klinische Untersuchung: • Druck-, Klopf-, Rüttel-, Stauchungsschmerz • muskulärer Hartspann mit Fixierung der Wirbelsäule Bei HWS-Verletzung: • Nackenschmerzen oder Schiefhals • Gefühl der Instabilität • Patient hält den Kopf mit beiden Händen Neurologische Untersuchung: - Wurzelreizsymptome in Form von Parästhesien, Paresen, Plegien? - Funktion der Blase und des Mastdarms? - Querschnitt?
Anamnese: Sturz, Auffahrunfall, Schlag gegen Schädel. Lokaler Spontanschmerz unter Belastung und ohne solche. Häufig werden die Schmerzen subjektiv kaudaler empfunden als die Verletzung lokalisiert ist.
Nicht jede Fraktur verursacht starke Schmerzen, eine Reihe der Verletzungen ist symptomarm. Patienten mit stabilen Wirbelkörperbrüchen sind u. U. gehfähig: Die Wirbelsäulenfrakturen gehören zu den am häufigsten übersehenen Verletzungen.
Klinische Untersuchung: Druck-, Klopf-, Rüttel- oder Stauchungsschmerz. Muskulärer Hartspann mit Fixierung der Wirbelsäule (Steilstellung, Seitverbiegung = Skoliose). Bei Halswirbelsäulenverletzungen häufig Nackenschmerzen oder Schiefhals, Gefühl der Instabilität, so daß der Patient den Kopf mit beiden Händen unterstützt. Eingehende neurologische Untersuchung: Wurzelreizsymptome in einem Dermatom, sensibel in Form von Hyp-, Hyper- oder Parästhesien; Paresen, Plegien? Funktion der Blase und des Mastdarmes erfragen (CaudaequinaSymptomatik bei Lendenwirbelverletzungen). Unvollständige Querschnittssymptomatik oder bereits vollständig ausgebildeter Querschnitt? Sehr wichtig: exakte Dokumentation der Art und des Zeitpunktes des Auftretens der neurologischen Ausfälle. Waren diese bereits bei der Einlieferung vorhanden, traten sie später auf? Progredienz? Diese Untersuchungen
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen sind für die weitere Therapie, insbesondere, ob operatives oder konservatives Vorgehen angezeigt ist, von größter Bedeutung. Röntgenuntersuchung: Röntgenbilder immer in 2 Ebenen. Zunächst längere Aufnahmen anfertigen, damit Mehrfachverletzungen nicht übersehen werden. Danach Zielaufnahmen, u.U. Schrägaufnahmen für die Wirbelkörper und Gelenkfortsätze, an der Halswirbelsäule u.U. Funktionsaufnahmen. Bei zentralen Wirbelkörperdefekten mit Bandscheibenprotrusion zeigt erst ein Tomogramm oder ein CT das wahre Ausmaß der Zerstörung. Bei neurologischen Ausfällen ist u.U. eine Lumbalpunktion (blutiger Liquor?) und eine Myelographie erforderlich. Weichteilverletzungen sind durch MRT darstellbar. Bei Verdacht auf Wirbelsäulenverletzung ist eine spezielle Rettung, Lagerung und ein Transport auf Vakuummatratze erforderlich. 5.2.5 Allgemeine Therapie Neben klar abgesteckten Indikationen zur operativen Therapie - im wesentlichen bei neurologischen Komplikationen - waren und sind die Behandlungsmethoden im wesentlichen konservativer Art. Ein vermehrter Trend hin zur operativen Stabilisierung ist allerdings nicht zu verkennen.
961 Wichtig: Art und Zeitpunkt der neurologischen Ausfälle. Exakte Dokumentation Röntgenuntersuchung: • Röntgenbilder in 2 Ebenen • Zielaufnahmen der Wirbelkörper und Gelenkfortsätze A n der Halswirbelsäule: • Funktionsaufnahmen • Evtl. T o m o g r a m m oder CT Bei Weichteilverletzung M R T Bei neurologischen Ausfällen: • Lumbalpunktion • Myelographie Achtung bei Verdacht einer WS-Verletzung —> spezielle Lagerung und Rettung auf Vakuummatratze Atigemeine Therapie bei Wirbelsäulenverletzungen im wesentlichen konservativ
5.2.5.1 Konservative Therapie Die Methode der Wahl beim konservativen Vorgehen ist heute die funktionelle Behandlung, die auf Magnus und Bürkle de la Camp zurückgeht. Sie verzichtet auf anatomische Wiederherstellung des zerbrochenen Wirbelkörpers und legt das Hauptaugenmerk auf die Wiedererlangung der freien Funktion. Der Patient wird auf einer harten Unterlage gelagert (Brett unter die Matratze), die Lordose der Lendenwirbelsäule wird durch Kissen oder Säcke unterstützt. Beginn der Belastung nach 5-8 Wochen, je nach Schwere des Bruches. Beginn der krankengymnastischen Übungsbehandlung bereits nach wenigen Tagen, insbesondere Kräftigung der Rückenstreckmuskulatur. Nach Wochen können bereits Steh- und Gehübungen im Bewegungsbad durchgeführt werden. Die funktionelle Behandlungsmethode wurde durch experimentelle Untersuchungen von Plaue untermauert.
Abb.44.5-36: Rotationsschrägbruch Th 11 mit Translation und Querschnittslähmung, AO-Typ C3.2
Funktionelle Behandlung Methode der Wahl Krankengymnastische Übungen nach wenigen Tagen —> Kräftigung der Rückenmuskulatur • Nach 3-4 Wochen Steh- und Gehübungen im Bewegungsbad. Nach 5 - 8 Wochen volle Belastung
Anwendung der frühfunktionellen Behandlung verkürzt Liegezeit.
Abb.44.5-37: a. Thoraxhalskopfgips zur Immobilisation der H W S , b. Halo-Fixateur externe, Halo-Weste, c. Dreipunkt-Stützkorsett
962
44. Unfallchirurgie Gefahr des Zusammensinterns des Wirbelkörpers gering Anwendung im wesentlichen bei stabilen Frakturen Beginn der Belastung 1 Woche nach Abklingen der Schmerzsymptomatik u.U. mit Hilfe des Dreipunktabstützkorsetts
Mit zunehmender Kompression verliert der Wirbelkörper zunächst etwa '/ 4 seiner Belastbarkeit gegenüber axialer Belastung; der Wirbelkörper erreicht aber bei Kompression auf die Hälfte seiner ursprünglichen Höhe jedoch wieder die frühere Tragfähigkeit. Daher ist die Gefahr, durch Mobilisation ein weiteres Zusammensintern des Wirbelkörpers zu provozieren, als gering einzuschätzen.
Konservative Aufrichtung des Lendenwirbelkörpers im dorsalen Durchhang nur bei speziellen Indikationen • Gefahr des Zusammensinterns der aufgerichteten Wirbelkörper
Die konservative Aufrichtung des keilförmig deformierten Lendenwirbelkörpers im dorsalen Durchhang nach Böhler (seltener im ventralen Durchhang) ist heute nur noch speziellen Indikationen vorbehalten. Sie wird in Intubationsnarkose durchgeführt. Nach erfolgter Aufrichtung des Wirbelkörpers ist eine langdauernde Immobilisation von 3-5 Monaten im Gipsmieder mit den 3 bereits o.g. Abstützpunkten erforderlich. Die gute Aufrichtungsmöglichkeit des Lendenwirbelkörpers ist unbestritten. Aber trotz der langen Immobilisation kommt es später wieder zum Zusammensintern des aufgerichteten Wirbelkörpers. Bei der Aufrichtung der eingestauchten Spongiosa entsteht ein Defekt, der mehr oder weniger nur bindegewebig ausgefüllt wird und daher später unter Belastung wieder zusammenfallen kann (gleiches Problem wie beim Impressionsbruch des Tibiakopfes).
Extensionsbehandlung: Reposition und Retention durch Dauerzug am Schädel Klassisches Verfahren: Zug über Crutchfield-Klammer (Abb. 44.5-38). Nach Reposition Anlage eines Haloringes am Schädel —> Retention über Extensionsstangen (Halo-Fixateur externe) Patient kann aufstehen
Extensionsbehandlung: Bestimmte Verletzungen der Halswirbelsäule z. B. Luxationen oder Luxationsfrakturen - benötigen eine Extensionsbehandlung. Hierbei wird durch einen Dauerzug am Schädel reponiert und retiniert. Das klassische Verfahren ist der Zug über eine Crutchfield-Klammer (Abb. 44.5-38). Die stumpfen Dornen durchbrechen lediglich die Tabula externa durch justierbare Anschläge, der Zug über ein Rollensystem erfolgt als Dauerzug mit 3, höchstens 4 kg. Zur Reposition kann die Last kurzfristig auf 8-10 kg erhöht werden, jedoch unter strenger neurologischer Kontrolle. Die Halslordose wird durch ein Kissen oder eine Rolle unterstützt, womit durch Reklination die Reposition oder Retention erleichtert wird. Nach 6 wöchigem Zug weitere Ruhigstellung im Thoraxhalskopf-Gips (s.Abb. 44.5-37a) für weitere 4-6 Wochen, u.U. in einer einfachen Zervikal- oder Kopfstütze. Die 6 wöchige Retention im Bett kann durch eine sog. Halo-Extension (Halo-Weste, Halo-Fixateur externe) abgekürzt werden. Nach Reposition durch die Crutchfield-Extension wird ein Haloring am Schädel angelegt. Dieser wird mit 4 Schrauben in der Lamina externa befestigt. Die Retention wird über Extensionsstangen aufrechterhalten, die sowohl am Ring als auch an einer Plastikweste befestigt sind. Somit kann der Patient aufstehen (s.Abb.44.5-37b).
Diese Erkenntnis führte zur frühfunktionellen Behandlung, die die Liegezeit erheblich abkürzt, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen - im wesentlichen bei stabilen Frakturen - Anwendung finden kann. Die Belastung beginnt nach Abklingen der akuten Schmerzsymptomatik, in der Mehrzahl der Fälle nach etwa 1 Woche. Das vorzeitige Aufstehen kann mit einem Dreipunktabstützkorsett durchgeführt werden. Hierbei unterstützt je eine Pelotte am oberen Sternum, an der Symphyse und der LWS-Lordose die Ruhigstellung der Wirbelsäule und die Erhaltung der Lordose (Abb. 44.5-37 c).
Abb.44.5-38: Crutchfield-Klammer als Kalottenextension. Hypomochlion im Nacken
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen 5.2.5.2 Operative Therapie Zwingende Indikationen zum operativen Eingreifen sind gegeben, wenn sich eine neurologische Komplikation verschlechtert. Diese kann radikulär sein oder gar das Rückenmark insgesamt tangieren, wobei klinisch zwischen einem Querschnitts- und einem Kaudasyndrom unterschieden wird:
963 Operative Therapie: Indikation zwingend bei Verschlechterung der neurologischen Komplikationen unter folgenden Kriterien:
• das erstmalige Auftreten neurologischer Störungen nach einem freien Intervall, • die Progredienz einer anfänglich nur diskreten Störung, • unvollständiges Querschnitts- und Kaudasyndrom. Besteht bereits zum Zeitpunkt des Unfalles ein komplettes Querschnittssyndrom, sind die Erfolgschancen durch eine Operation äußerst gering, wenn nicht gar aussichtslos. Eine dennoch durchzuführende stabilisierende Operation hat jedoch den Vorteil einer frühzeitigen Mobilisierbarkeit und damit einer rascheren Rehabilitation des schwerverletzten Patienten. Der Zeitpunkt ist bei Schädigung des nervösen Gewebes für die Rückgewinnung der Funktion von entscheidender Bedeutung. Die Operation ist ein Notfalleingriff. Nur die frühestmögliche Entlastung des Nervengewebes ermöglicht eine Restitutio. Verstreichen mehr als 6 Stunden vom Auftreten der ersten Symptome bzw. vom Unfallereignis bis zur operativen Entlastung, kann mit einer vollständigen Rückbildung der Ausfälle nicht mehr gerechnet werden. Nach 24 Stunden ist die Prognose infaust. Ziel: Entlastung des Rückenmarks und der Wurzeln vom Druck durch verlagerte Knochenfragmente, durch Blutkoagula oder durch ein Ödem. Diese geschieht am sichersten durch Entfernung eines halben oder ganzen Wirbelbogens (Hemilaminektomie, Laminektomie), wobei die Entfernung der Fragmente und der Koagula den entscheidenden Schritt der Operation darstellt. Nach der Entlastungsoperation muß sich eine Stabilisierung der benachbarten Wirbelsegmente anschließen. Merke: Zuerst Entlastung, dann Stabilisierung (s. Operationstechniken). Erweiterte Indikation zur operativen Therapie stellen instabile Frakturen ohne neurologische Ausfälle dar. Die auch mögliche konservative Behandlung hat jedoch gewisse Nachteile, wie 1. eine lange Immobilisationszeit mit u. U. mehrwöchiger Extensionsbehandlung oder 2. es ist von vornherein abzusehen, daß eine Instabilität bestehenbleiben wird oder 3. daß durch anatomische Veränderungen (z.B. Achsenknick) statische Beschwerden auftreten werden. Derartige Überlegungen haben in diesen Fällen einen Trend zum frühzeitigen operativen Eingreifen bewirkt. Operative Techniken: Grundsätzlich kann eine Stabilisierung temporär oder für dauernd als Fusion (Spondylodese) erfolgen. Die temporäre Stabilisierung erfolgt von dorsal, die Fusion sowohl vom ventralen (Wirbelkörper-Bandscheibe) als auch vom dorsalen Zugang (Dornfortsätze, Wirbelgelenke; die Wirbelkörper und der Bandscheibenraum sind auch von dorsal über die Bogenwurzel (Pedikel) erreichbar). Bei Entlastungsoperationen zur Hemi- oder Laminektomie ist der dorsale Zugang erforderlich. Bei ventralen und dorsalen Fusionen sollen Knochenspäne und Implantate nur das verletzte Segment überbrücken. Bei längeren Uberbrückungsstrecken wird die Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule unnötig gehemmt. • Temporäre Stabilisierung: (von dorsal): 1. Durch Immobilisierung zweier Segmente mittels Drahtcerclagen um die Dornfortsätze oder 2. durch Harrington-Stäbe (meist Distraktionsstäbe) in die Wirbelbögen bei Kompression auf die Nervenwurzel oder dorsaler Instabilität. Nach knöcherner Ausheilung wird das Metall entfernt, da es sonst einen Ermüdungsbruch erleidet.
Operationszeitpunkt:
Operationsziel: Entlastung des Rückenmarks und der Wurzeln durch verlagerte Knochenfragmente, Blutkoagel oder Ödem - » Entfernung eines halben oder ganzen Wirbelbogens - > Stabilisierung der benachbarten Wirbelsegmente
Erweiterte Indikation zur operativen Therapie: instabile Frakturen ohne neurologische Ausfälle, da konservative Behandlung Nachteile hat: • lange Immobilisationszeit • bleibende Instabilität • statische Beschwerden
Operative Techniken: grundsätzlich temporäre oder dauernd anhaltende Stabilisierung als Fusion (Spondylodese).
a) Temporäre Stabilisierung: 1. Immobilisierung zweier Segmente mit Drahtcerclagen um die Dornfortsätze 2. Harrington-Stäbe in die Wirbelbögen Nach Ausheilung Metallentfernung
964
44. Unfallchirurgie
Abb. 44.5-39: Instabiler Kompressionsbruch des 2. Lendenwirbelkörpers vor (a) und nach operativer Aufrichtung und Spongiosaübertragung und Stabilisierung durch Fixateur interne (b) 3. Fixateur interne
b) Spondylodesen: Schrauben- oder Plattenosteosynthese mit Verschraubung durch die Pedikel bis in Wirbelkörper Nach Ausräumung der verletzten Bandscheibe: Fusionierung der benachbarten Wirbelkörper durch kortikosponginösen Span (Abb. 44.5-41)
3. mittels Fixateur interne mit Verschraubung durch die Pedikel (s. Abb. 44.5-41). Bei einem Kompressionsbruch wird nach Aufrichtung des Wirbelkörpers autogene Spongiosa durch die Bogenwurzel in den Wirbelkörper gepreßt (Abb. 44.5-39,40). • Spondylodesen: Von dorsal durch Schraubennosteosynthese durch die kleinen Wirbelgelenke, durch Plattenosteosynthese oder mittels des Fixateur interne mit Verschraubung durch die Pedikel bis in die Wirbelkörper (Abb. 44.5-41 c). Ventrale Spondylodesen sind technisch etwas schwieriger, da der Zugang aufwendiger ist. Nach Ausräumung der verletzten Bandscheibe werden die benachbarten Wirbelkörper durch autogenen kortikospongiösen Span fusioniert, u.U. erhöht eine kurze Platte die Stabilität (Abb. 44.5-41). Eine operative Aufrichtung eines Wirbelkörpers sollte bei einem Fehlwinkel von 30° erfolgen. • Ventrale Zugänge: C 1-2 transoral, C 3-7 und Th 1 anterolateral zervikal, D 2-D 10 transthorakal von links, D 11-D 12 Thorako-phreno-lumbotomie links, L 1 - L 4 retroperitoneal durch pararektalen Schnitt, L 5 transperitoneal.
Abb.44.5-40: Aufrichtung eines instabilen Wirbelbruches mittels eines Fixateur interne
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
Abb. 44.5-41: Kompressionsbruch mit Verlagerung der Bandscheibe (1). Ventrale interkorporale Fusion und zusätzliche Stabilisierung durch kleine Platte (2). Transpedikuläre Verschraubung von dorsal (3)
5.2.6 Spezieller Teil 5.2.6.1 Halswirbelsäulenverletzungen Schleudertrauma: Folgende Kriterien müssen zur Diagnosestellung erfüllt sein: (1) Auffahrunfall von hinten, (2) Überraschungsmoment, (3) reiner Weichteilschaden (röntgennegativer Befund), z.B. Einriß des vorderen Längsbandes mit und ohne Diskusverletzung, Kapselriß der kleinen Gelenke mit Unterblutungen. Pathophysiologie: Infolge eines Auffahrunfalles von hinten werden Körper und Hals ultraschnell nach vorn geschoben, der Kopf bleibt infolge des Trägheitsmomentes in dieser Bewegung zurück oder wird auch gering nach hinten bewegt. Hierduch entsteht in einem Bewegungssegment eine punktförmige Scherbewegung, die die o. g. Schädigungen der Weichteile bewirkt (Abb. 44.5-42). Das u. U. auftretende Vorwärtsbeugen des Kopfes ist lediglich ein passives Nachkippen und nicht für den Schaden ursächlich verantwortlich.
Diagnose: Anamnese. Schmerzen treten sehr oft erst nach Stunden oder Tagen auf (langsame Unterblutung der Gelenkkapsel und der Bänder). Muskelhartspann. Gelegentlich Schiefhals. Umschriebener Druckschmerz, Funktionseinschränkung der HWS mit umschriebener Blockierung eines Segmentes (Funktions-Röntgenaufnahmen in maximaler Vorwärts- und Rückwärtsneigung). Gelegentlich Schwindel, Ohrensausen, Übelkeit, Schluckschmerzen bei retropharyngealem Hämatom. Dann im seitlichen Röntgenbild umschriebene Verbreiterung des retropharyngealen Raumes. Röntgenologisch im akuten Stadium laut Definition keine knöcherne Verletzung, später u.U. Verknöcherungen der eingerissenen Bänder oder Nachweis einer verbliebenen Instabilität. Im MRT erkennt man Weichteilverletzungen und Einblutungen.
Abb.44.5-42: Schleudertrauma der HWS (nach Erdmann)
6. Spezieller Teil 1. Halswirbelsäulenverietzungen a) Schleudertrauma (Abb. 44.5-42)
Pathophysiologie: punktförmige Scherbewegung in einem Segment (Abb. 44.5-42) Diagnose: • Schmerzen oft erst nach Stunden oder Tagen • Muskelhartspann • manchmal Schiefhals • umschriebener Druckschmerz • Funktionseinschränkung der HWS • umschriebene Blockierung eines Segmentes • evtl. Schwindel, Ohrensausen, Übelkeit • Schluckschmerzen bei Hämatom Röntgen: keine knöcherne Verletzung Später evtl. Verknöcherung der eingerissenen Bänder MRT: Beurteilung von Weichteilverletzungen
966
44. Unfallchirurgie
ches Bild bei Densfraktur durch Hyperflexion. Transdentale Verschiebung nach dorsal
Therapie: - Schanz-Krawatte oder Zervikalstütze aus Schaumstoff für 3 - 6 Wochen - Wärme und krankenymnastische Übungen b) Jefferson-Fraktur: Berstungsbruch des Atlas Therapie: - Crutchfield-Extension - Thoraxhalskopfgips c) Densfrakturen des 2. Halswirbels: meist Überstreckung Man unterscheidet 3 Frakturhöhen mit unterschiedlicher Prognose: 1. mittleres Drittel: gute Heilungschancen 2. zwischen Dens und Axiskörper: hohe Pseudoarthorserate 3. im Denssockel: problemlose Heilung (Abb. 44.5-43) Diagnose: • breites Erscheinungsspektrum bis zum Querschnittssyndrom • Röntgenbild in 2 Ebenen: Unterbrechung oder Verschiebung der vorderen Wirbelkörperreihe in Denshöhe beachten! Therapie: Reposition mit Crutchfield-Extension für 4-6 Wochen dann Thoraxhalskopfgips bis zu 20 Wochen Prognose: bei starker Verschiebung lebensbedrohend. Pseudoarthroserate: 36% (mittlere Frakturhöhe) deren Behandlung: dorsale atlantoaxiale Fusion oder transorale Verschraubung
d) Hanged man's fracture (Abb. 44.5-44): doppelseitige Bogenwurzelbrüche des Epistropheus (häufigste Todesursache bei Erhängen) Therapie: Reposition durch Crutchfield-Extension e) Luxationen: Verrenkung in den kleinen Wirbelgelenken im HWS-Bereich
Therapie: Schanz-Krawatte oder Zervikalstütze aus Schaumstoff für 3, maximal 6 Wochen. Wärme, krankengymnastische Übungen zur Stärkung der dorsalen Muskeln. Jefferson-Fraktur: Berstungsbruch des Atlas (Massae laterales) durch axiale Gewalteinleitung, z. B. Kopfsprung in das zu flache Wasser. Therapie: U. U. Crutchfield-Extension, Thoraxhalskopfgips oder Halo-WeDensfrakturen des 2. Halswirbels sind mit 10 % der Halswirbelbrüche haul'j.gÄtiologie: Überstreckung häufiger als Überbeugung. Dabei kann sich der gebrochene Dens axis zusammen mit dem Atlas als sog. transdentale Atlasverschiebung nach hinten oder nach vorn verlagern. Es werden drei Frakturhöhen unterschieden, die unterschiedliche Prognosen haben: Densfrakturen im mittleren Drittel heilen gut, Frakturen im oberen Drittel haben die höchste Pseudarthroserate, Frakturen im sog. Denssockel (im Axiskörper) heilen problemlos, da im spongiösen Bereich liegend (Abb. 44.5-43). Diagnose: Von geringen Kopf-Genickschmerzen über das Gefühl der Instabilität - Patient unterstützt den Kopf mit beiden Händen - bis hin zum Querschnittssyndrom alle Variationsbreiten möglich. Daher kann eine unverschobene Densfraktur leicht übersehen werden. Röntgenbild in 2 Ebenen: a. p. transoral, seitliches Bild. Hier Unterbrechung oder Verschiebung der vorderen Wirbelkörperreihe in Denshöhe beachten. Therapie: Reposition mit Crutchfield-Extension (Abb. 44.5-38, S. 962) für 4-6 Wochen, dann weitere Immobilisation im Thoraxhalskopfgips oder Halo-Fixateur externe u.U. bis zu 20 Wochen. Bei der Reposition kann eine verbliebene Verschiebung von V4 Densbreite toleriert werden. Bei erheblicher Instabilität: Stabilisierung durch transorale Verschraubung. Prognose: Bei stärkerer Verschiebung akut lebensgefährdend, da die Medulla oblongata mit dem Atemzentrum hinter dem Dens liegt. Häufig wirkt ein gleichzeitiger Bruch des Atlasbogens lebensrettend, da der Spinalkanal dadurch erweitert wird. Die Pseudarthrosenrate ist mit 36 % in der mittleren Frakturhöhe am häufigsten. Diese lebensgefährliche Pseudarthrose wird durch eine dorsale atlantoaxiale Fusion oder mit einer transoralen Verschraubung behandelt. Hanged man's frakture (Hangman's fracture): Doppelseitige Bogenwurzelbrüche des Epistropheus. Durch Luxation nach vorn häufigste Todesursache nach Erhängen (Abb.44.5-44). Therapie: Reposition durch Crutchfield-Extension und anschließender Immobilisation im Thoraxhalskopfgips oder Halo-Fixateur externe oder Verschraubung von dorsal durch die Pedicel. Luxationen: Isolierte Luxationen treten praktisch nur im HWS-Bereich auf. Die Verrenkung in den kleinen Wirbelgelenken kann einseitig (Rotations-
967
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
Abb.44.5-44: Hanged man's fracture (doppelseitige Bogenwurzelfraktur C2 —
Abb. 44.5-45: Reitende Luxation C/Cs
luxation) oder doppelseitig, sie kann unvollständig oder vollständig sein. Unvollständig einseitig: Traumatische Rotationssubluxation (klinisch: Schiefhals). Reitende Luxation: Kontakt der beiden Gelenkflächen nur noch punktförmig im Spitzenbereich (Abb. 44.5-45). Therapie: Reposition, je nach Art der Luxation manuell oder im Dauerzug; Ruhigstellung je nach Schwere in Schanz-Krawatte, Zervikalstütze oder gar Thoraxhalskopfgips (bei doppelseitiger Luxation) oder Halo Fixateur externe. Oft verbleibt eine Instabilität vom disko-ligamentären Typ (Abb. 44.5-33, S.958). Diese Instabilität wird fast ausschließlich an der HWS angetroffen. Sie kann auch als primäre Verletzung ohne knöcherne Beteiligung vorkommen. Diagnosebestätigung durch MRT. Bei erwiesener Instabilität ist eine ventrale Fusion angezeigt.
Reitende Luxation: Kontrakt der beiden Gelenkflächen nur noch punktförmig im Spitzenbereich (Abb.44.5-45) Therapie: Reposition manuell oder im Dauerzug. Ruhigstellung in Schanz-Krawatte, Zervikalstütze durch Thoraxhalskopfgips.
Halswirbelkörperfrakturen: Thoraxkopfgips in leichter Reklination - die Gesichtsebene ist um 20-30° nach oben geneigt - für 2-3 Monate. Bei Kompressionsbrüchen und Instabilität zunächst Extension in Reklination für 4 bis 6 Wochen oder Anlegen einer Halo-Extension, danach Thoraxkopfgips oder Kopfstütze. Operationsindikation s. unten. Luxationsfrakturen: Reposition in Crutchfield-Extension (s.S.962). Bei Instabilität besser operative Stabilisierung von ventral unter Ausräumung der Bandscheibe und Stabilisierung der beiden Wirbelkörper durch einen eingepflanzten kortikospongiösen Span nach Robinson. U.U. Fixierung durch eine H-Platte (s.Abb. 44.5-41). Operationsindikationen an der HWS: Fortschreitende Wurzel- oder Rükkenmarkkompression, nicht zu beseitigende Luxation, deutliche Instabilität, auch bei Lähmung, um die Mobilisierung zu ermöglichen; bei Lähmung in Höhe C,-C 4 ist der N.phrenicus mitbetroffen und damit die Zwerchfellatmung ausgefallen. Stabilisierung durch ventrale Fusion.
f) Halswirbelkörperfrakturen: Therapie: Thoraxkopfgips für 2-3 Monate
Schipper-Krankheit: Ermüdungsbruch des Dornfortsatzes vom 6. oder 7. Halswirbel durch monotonen Arbeitsvorgang (schippen).
h) Schipperkrankheit: Ermüdungsbruch des Dornfortsatzes vom 6. oder 7. Halswirbel (schwere monotone Arbeit)
5.2.6.2 Brust- und Lendenwirbelverletzungen
2. Brust- und Lendenwirbelverletzungen
g) Luxationsfrakturen: Therapie: Reposition in Crutchfield-Extension Bei Instabilität: Ausräumung der Bandscheibe und Stabilisierung durch kortikospongiösen Span Operationsindikationen an der HWS: • fortschreitende Wurzel- oder Rückenmarkkompression, deutliche Instabilität • nicht zu beseitigende Luxationen
Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, vorher die Seiten 957-964 zu lesen!
Begleitverletzungen: Bei Frakturen im LWS-Bereich entsteht häufig ein größeres retroperitoneales Hämatom, das außer zu Schock auch zu Ileussym-
Begleitverletzungen: retroperitoneales Hämatom
44. U n f a l l c h i r u r g i e
968 -» Schocksymptome, lleussymptome Sternumfrakturen a) Vorderkantenabbrüche der Deckplatte: funktionelle Behandlung b) Quer- und Dornfortsatzbrüche: funktionelle Behandlung Bei Abbruch: Nierenverletzung suchen c) Wirbelkörperbrüche: meist stabile Frakturen mit funktioneller Behandlung: nach Abklingen der Schmerzen -> krankengymnastische Übungen, Kräftigung der Rückenstreckermuskulatur Nach 2-4 Wochen Aufstehen -> Dreipunktekorsett für 6-8 Wochen Bei keilförmiger Erniedrigung von 30-40° • im BWS-Bereich: Aufrichtung operativ • im LWS-Bereich: Aufrichtung operativ oder im dorsalen Durchhang Bei instabilen Frakturen der Wirbelkörperbrüche: konservativ oder operative Stabilisierung mit Aufrichtung d) Luxationsfrakturen: geschlossene oder offene Reposition
ptomen führen kann. Bei Brüchen des BWS nach Sternumfrakturen fahnden. Vorderkantenabbrüche der Deckplatte (s. Abb. 44.5-35, S. 959) werden frühfunktionell behandelt: Einige Tage Bettruhe bis zum Abklingen des akuten Schmerzes, Training der Rückenstreckmuskulatur, dann Belastung erlaubt. Quer- und Dornfortsatzbrüche: Rein funktionelle Behandlung. Bei Abbruchen der Querfortsätze nach Nierenverletzungen fahnden (Erythrozyten im Urin?). Wirbelkörperbrüche: Etwa 85 % der Wirbelkörperbrüche sind stabile Frakturen: Sie können funktionell behandelt werden: Bettruhe bis zum Abklingen der akuten Schmerzen, im LWS-Bereich mit Lordosierung (Rolle unter die Lendenwirbelsäule). Krankengymnastische Übungsbehandlung zur Kräftigung der Rückenstreckmuskulatur. Nach 2-4 Wochen Aufstehen, u. U. mit Dreipunktekorsett für 6-8 Wochen. Bei Brüchen von Th 12 und L 1 soll wegen der verstärkten Belastung bei größerer Mobilität etwa 6 Wochen Bettruhe eingehalten werden. Bei keilförmiger Erniedrigung von 3040° soll im BWS-Bereich operativ aufgerichtet werden, im LWS-Bereich entweder Aufrichtung im dorsalen Durchhang oder auch operativ. Bei operativer Aufrichtung Auffüllung des Defektes im Wirbelkörper mit autogener Spongiosa (s. Abb. 44.5-39, 40, 41). Instabile Frakturen: Entweder konservativ wie bei stabilen Frakturen, aber Bettruhe von 6-8 Wochen Dauer (BWS kürzere Immobilisationszeit als LWS) oder operative Stabilisierung, u.U. mit Aufrichtung. Bei Mitverletzung der Bandscheibe interkorporale Fusion von ventral oder dorsal (s. Kap. 5.2.5.2, S. 963). Luxationsfrakturen: Geschlossene oder offene Reposition. Bei konservativem Vorgehen 6-8 Wochen Bettruhe. Nach offener Reposition Spondylodese von vorn oder von hinten.
Traumatologie des Beckens
5.3 T r a u m a t o l o g i e d e s B e c k e n s
1. Beckenrandbrüche
5.3.1
Kontinuität des Beckenringes bleibt intakt Statik nicht beeinträchtigt Bruchbereiche (Abb. 44.5-46): • Darmbeinschaufel • freier Kreuzbeinanteil • Steißbein • Sitz- und Schambeinast (isoliert selten) Bei Diagnose: nach weiteren Brüchen suchen!
Bei diesen ist die Kontinuität des Beckenringes intakt, die Kräfte werden vom Azetabulum ungestört auf das Kreuzbein übertragen, die Statik ist nicht beeinträchtigt. Hierzu werden gerechnet (Abb. 44.5-46): Bereiche der Darmbeinschaufel, des freien Kreuzbeinanteiles, des Steißbeines, isolierte Brüche des Sitzoder Schambeinastes. Letztere sind selten. Ihre Diagnose muß Veranlassung geben, weitere Brüche zu suchen (s. Ringbrüche). Kreuz- und Steißbeinbrüche können durch Mitverletzung des Plexus lang anhaltende Be-
a
Beckenrandbrüche
b
Abb.44.5-46: a. Beckenrandbrüche: 1 Beckenschaufel, 2 Spina iliaca anterior superior, 3 Spina ilicaca anterior inferior, 4 Tuber ossis ischii, 5 Steißbeinfraktur b. Beckenringbrüche: 1 vorderer Ringbruch, 1 und 2 doppelter vorderer Ringbruch („Schmetterlingsbruch"), 1 und 3 doppelte Vertikalfraktur nach Malgaigne
Abb.44.5-47: Schmetterlingsbruch (doppelseitiger vorderer Ringbruch)
969
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen schwerden verursachen (Kokzygodynie). Diagnose durch rektale Untersuchung sichern. Therapie: Kurzzeitige Bettruhe bis die Schmerzen abgeklungen sind. Funktionelle Nachbehandlung durch Krankengymnastik. Abrißfrakturen gehören auch zu den Randbrüchen. Man unterscheidet solche durch Band- und Muskelzug. Letztere kommen bei jugendlichen Sportlern als Apophysenausrisse vor: - Spina iliaca anterior superior: M. sartorius und M. tensor fasciae latae. - Spina iliaca anterior inferior: M.rectus femoris „Sprinter's fracture". - Tuber ossis ischii: Ischiokrurale Gruppe, besonders M. biceps und semitendinosus, semimembranosus. Gelegentlich Ausheilung in pseudotumoröser Form. Therapie: Bei Diastase und Schmerzen kurzzeitige Entlastungslagerung im Bett. Die Schmerzen klingen nach einigen Tagen ab. Nur bei großer Diastase Schraubenosteosynthese sinnvoll. Sportfähigkeit frühestens nach 6 Wochen.
Diagnose der Kreuz- und Steißbeinbrüche durch rektale Untersuchung sichern Therapie: Bettruhe bis zum Abklingen der Schmerzen -¥ funktionelle Nachbehandlung mit Krankengymnastik Abrißfrakturen: gehören zu Randbrüchen auch Apophysenausrisse bei Jugendlichen
Therapie: bei großer Diastase Schraubenosteosynthese sinnvoll In anderen Fällen: kurzzeitige Entlastungslagerung im Bett
5.3.2 Beckenringbrüche
2. Beckenringbrüche
Ursache: Kompression von vorn, hinten seitlich, schräg durch Sturz, Einklemmung, Überfahrenwerden. Bruchformen: Vorderer Ringbruch (Bruch des Sitz- und Schambeinastes) (Abb. 44.5-46). Vorderer und hinterer Vertikalbruch (Malgaigne-Fraktur): Der hintere Längsbruch, der isoliert nicht vorkommt, verläuft neben der Iliosakralfruge am Darm- oder Kreuzbein (häufig in Höhe der Foramina sacralia pelvina). Auch Kombination von Brüchen und Fugenzerreißungen werden zu dieser Gruppe gerechnet, z.B. vorderer Ringruch mit Zerreißung der ipsolateralen Iliosakralfuge. Bei Zerreißung der Symphyse und der Iliosakralfuge spricht man von einer totalen Beckenluxation. Schmetterlingsbruch: Beidseitiger vorderer Ringbruch (Abb. 44.5-47). Sog. isolierte Symphysensprengung. Eine isolierte Zerreißung nur des vorderen Beckenringes in Form der Symphysenzerreißung ist aus biomechanischen Überlegungen kaum vorstellbar. Klafft die Symphyse über 1420 mm (sog. ,,open-book"-Verletzung), muß auch der hintere Ring mitbetroffen sein (Zerreißung der Bänder der Iliosakralfuge) (Abb. 44.5-48). Häufig sind Blase und Urethra mitverletzt (z.B. Urethraabriß, Blasenriß).
Ursache: - Kompression - Einklemmung - Sturz - Überfahrenwerden Bruchformen: - vorderer Ringbruch (Abb.44.5-46) - vorderer und hinterer Vertikalbruch - Schmetterlingsbruch (Abb.44.5-47) - „isolierte" S y m p h y s e n s p r e n g u n g (Abb. 44.5-48)
Die AO-Klassifikation (s.S.916) berücksichtigt wiederum die Schwere der Verletzung d e r Ring- und Randbrüche: Typ A: Stabiler Beckenring (alle Beckenrandbrüche, einfache Sitz- und Schambeinastbrüche) Typ B: Beckenzerreißung mit Rotationsinstabilität (z. B. Symphysensprengung) Typ C: Beckenzerreißung mit Rotations- und vertikaler Instabilität (z. B. MalgaigneVerletzung).
AO-Klassifikation nach Schweregrad TypA/B/C
Abb. 44.5-48: Symphysensprengung mit Blasenhochstand im i.v. Pyelog r a m m (a) und postoperativ (b), versorgt mit 6-Loch-Rekonstruktionsplatte und vorderer Knochenkrampe
970
44. Unfallchirurgie
Diagnose: • bimanueller Beckenkompressionsschmerz • lokaler Druckschmerz • starker Spontanschmerz • funktionelle Beinverkürzung • Bein kann aktiv nicht mehr gestreckt oder gehoben werden • Großes Frakturhämatom Schocksymptome • Röntgenaufnahme in 2 Ebenen und sog. Inlet- und Outlet-Aufnahmen
Diagnose: Bimanueller Beckenkompressionsschmerz, lokaler Druckschmerz an Symphyse und Iliosakralfuge. Bei Verschiebung in der Längsrichtung starker Spontanschmerz und funktionelle Beinverkürzung. Das Bein kann aktiv nicht mehr gestreckt gehoben werden. Großes Frakturhämatom, das sich in der Symphysenregion und dem Perineum bis zur Peniswurzel und zum Skrotum bzw. den Labien ausbreitet. Häufig wegen des großen Blutverlustes Schocksymptome. Auf Begleitverletzungen achten! Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen.
Therapie: Vorderer Ringbruch: konservativ, Bettruhe bis Abklingen des akuten Schmerzes Malgaigne-Frakturen: konservativ, 8-12 Wochen Bettruhe meist operative Therapie wegen zu langer Immobilisationszeit Bei Symphysensprengung: konservativ mit Reposition und Retention in Rauchfuß-Schwebe für 8-12 Wochen, besser operativ mit Plattenosteosynthese (Abb. 44.5-48 b) Begleitverletzungen: Rektum, Abdomen, Retroperitoneum, große Gefäße, Urogenitalsystem
Therapie: Vorderer Ringbruch: Konservativ mit Bettruhe für einige Tage bis zum Abklingen der akuten Schmerzen. Malgaigne-Frakturen: Konservativ mit 8-12 Wochen Bettruhe; bei Längsverschiebung Extension an Femurkondylen mit V7 des Körpergewichtes für 6 Wochen. Wegen der langen Immobilisationszeit werden letztere Verletzungen vorzugsweise operativ angegangen, z. B. durch spezielle Montagen des Fixateur externe und/oder Verplattung der Iliosakralfuge nach Reposition von dorsal. Bei Symphysensprengung konservativ mit Reposition und Retention in sog. Rauchfuß-Schwebe für 8-12 Wochen. Wegen der langen Liegezeit und des unsicheren Erfolges wird heute operativ vorgegangen mit Plattenosteosynthese über die Symphyse hinweg in die oberen Schambeinäste (Abb. 44.548 b). Begleitverletzungen: Mitverletzungen des Rektum, des Abdomens, des Retroperitoneums, der großen Gefäße und des Urogenitalsystems können die Symptome beherrschen.
3. Azetabulumfrakturen:
5.3.3 Azetabulumfrakturen
Kompression von lateral, Knieanprallverletzung -» Kettenfrakturen: Patellafraktur, Oberschenkelfraktur, Pfannenrandabbruch Man unterscheidet 4 Grundformen der Fraktur und kombinierte Frakturformen (Abb. 44.5-49)
Ätiologie: Kompression von lateral; Knieanprallverletzungen, z.B. am Armaturenbrett. Hierbei können Kettenfrakturen auftreten: Patellafraktur, Oberschenkelschaftfraktur, Pfannenrandabbruch auf einer Seite.
1. Fraktur des dorsokranialen Pfannenrandes: häufigste Frakturform. Oft kombiniert mit Luxation des Hüftkopfes. Entstehen durch Knieanpralltrauma 2. Fraktur des dorsalen Pfeilers: bei Dislokation immer Fraktur im Sitzbein Luxation des Hüftkopfes nach medial (Abb. 44.5-50). 3. Fraktur des ventralen Pfeilers: Frakturlinie zieht sich schräg durch die Pfanne
• Fraktur des dorsokranialen Pfannenrandes. Häufigste Frakturform, nicht selten mit dorsaler Luxation des Hüftkopfes kombiniert, entsteht durch ein Kniepralltrauma, durch das der Hüftkopf den hinteren Pfannenrand abschert. • Fraktur des dorsalen Pfeilers: Frakturlinie von der Incisura ischiadica major schräg durch die Pfanne bis zum Foramen obturatorium. Bei Dislokation findet sich immer eine Fraktur im Sitzbein, so daß der Hüftkopf nach medial luxieren kann (Abb. 44.5-50). • Fraktur des ventralen Pfeilers: Frakturlinie unterhalb der Spina iliaca anterior inferior beginnend, zieht sich schräg durch die Pfanne zum Foramen obturatorium. Auch zu dieser Verletzung gehört aus biomechanischen Überlegungen eine Fraktur des knöchernen Obturatorringes. Der Kopf kann medial ventral luxieren. • Die Querfraktur des Pfannenbodens verläuft mitten durch das Azetabulum und trennt das Becken in zwei Teile. Pfannendach und Obturatorring bleiben intakt. Der Hüftkopf luxiert nach medial. • Von den Kombinationsfrakturen ist die Querfraktur mit Bruch des dorsokranialen Pfannenrandes die häufigste.
4. Querfraktur des Pfannenbodens. Verlauf mitten durch das Azetabulum. Trennung des Beckens in 2 Teile. Luxation des Hüftkopfes nach medial 5. Querfraktur mit Bruch des Pfannenrandes. Häufigste Kombinationsfraktur
Inlet- (Zentralstrahl auf den Nabel gerichtet) und Outlet-Aufnahmen (Zentralstrahl auf Symphyse) verlaufen parallel und senkrecht zur Kreuzbeinachse. Sie dienen der Darstellung einer Rotations- (Inlet-Projektion) und Vertikaldislokation der Beckenhälfte (Outlet-Proj ektion).
Einteilung: In der Pfanne verschmelzen alle 3 Knochen des Hüftbeines. Damit ergeben sich drei Pfeiler vom Darmbein, Sitz- und Schambein, die zur Pfanne hinstreben. Die Einteilung von Judet und Letournel 1964 berücksichtigt diese funktionell-anatomischen Gesichtspunkte und gibt gleichzeitig Richtlinien zur Therapie. Man unterteilt 4 Grundformen und kombinierte Frakturformen (Abb. 44.5-49).
Alle Luxationen des Hüftkopfes nach medial bei den Verletzungen 2-5 wurden früher als „zentrale Hüftluxationen" bezeichnet.
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
971
Abb.44.5-49: Grundtypen der Azetabulumfrakturen: a. Hinterer Pfannenrandabbruch, b. Bruch des ventralen Pfeilers, c. Bruch des dorsalen Pfeilers, d. Pfannenquerbruch
Abb.44.5-50: Azetabulumfraktur(dorsa\er these (b)
Pfeiler), vor (a) und nach Osteosyn-
Diagnose: Klinisch durch Trochanterdruckschmerz, starker Bewegungsschmerz im Hüftgelenk. Röntgenologisch durch Aufnahmen in drei Ebenen: Beckenübersichtsaufnahme und die sog. Ala- und Obturatoraufnahme, bei der die Ala ossis ischii bzw. das Foramen obturatorium in wahrer Größe abgebildet wird. Die gesunde (Ala-Aufnahme) bzw. die verletzte Seite (Obturator-Aufnahme) wird um 45° angehoben, damit der vordere Pfannenrand oder die hintere Begrenzung der Pfanne besser zur Darstellung kommt.
Diagnose: • Trochanterdruckschmerz • starker Bewegungsschmerz im Hüftgelenk • Röntgen: Aufnahmen in 3 Ebenen
Therapie: Entsprechend ihrer biomechanischen Bedeutung sollen Frakturen des dorsalen und kranialen Pfeilers und hintere Pfannenrandabbrüche bei Diastasen operativ reponiert und mit Schrauben und/oder Platten fixiert werden (Abb.44.5-50). Der ventrale Pfeiler hat die geringste Belastung zu
Therapie: operative Reponierung und Fixierung mit Schrauben oder Platten
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44. Unfallchirurgie
Bei konservativem Vorgehen: Reposition in Extension, Entlastungszeit 3 Monate Prognose: schlecht bei Kombinationsfrakturen
tragen. Bei konservativem Vorgehen ist Reposition in Extension mit Kondylendraht notwendig und eine Entlastungszeit von 3 Monaten einzuhalten. Prognose: Kombinationsfrakturen haben in bezug auf posttraumatische Koxarthrose die schlechtesten Prognosen, da häufig auch der Knorpel durch das Trauma mitgeschädigt wurde. Bei der hinteren Luxation kann der N. ischiadicus, am häufigsten sein fibularer Anteil, geschädigt werden.
Traumatologie der unteren Extremitäten
5.4 Traumatologie der unteren Extremitäten
Hüftgelenkiuxation
5.4.1 Hüftgelenkluxationen
Selten Entstehung durch große Gewalteinwirkung, z. B. Knieanpralltrauma, Sturz aus großer Höhe
Häufigkeit: Selten, etwa 5 % aller Luxationen, da der Kopf zu 2/3 von der Pfanne umfaßt wird, kräftige Kapselbankverbindungen bestehen und kräftige Muskulatur einen zusätzlichen Schutz gewährleistet. Ätiologie: Große Gewalteinwirkung notwendig, am häufigsten durch indirektes, fortgeleitetes Knieanpralltrauma („Dash-bord"). Sonst durch Kombination von Stoß-Rotation und Hebelwirkungen, z.B. beim Sturz aus großer Höhe.
Formen (Abb. 44.5-51): - hintere Luxation - vordere Luxation - „zentrale Hüftluxation" = Azetabulumfraktur
Formen (Abb. 44.5-51): Hintere Luxationen (um 75%): Nach hinten oben als Luxatio iliaca am häufigsten; nach hinten unten als Luxatio ischiadica. Vordere Luxationen (selten, nur etwa 10 %): Nach vorn oben als Luxatio pubica; nach vorn unten als Luxatio obturatoria. Die sog. zentrale Hüftluxation ist eine Azetabulumfraktur (s. dort) mit nach medial verlagertem Hüftkopf. Eine „zentrale Hüftluxation" mit Perforation des Hüftkopfes durch den Beckenboden bei intakten Pfeilern gibt es nicht. Diagnose: Anamnese, Schmerzen, Gehunfähigkeit, Bein kann aktiv nicht gehoben werden, federnde Gelenkfixation in typischer Stellung je nach Luxationsart (s. Abb. 44.5-51). • Luxatio iliaca: Bein verkürzt, geringfügig im Hüft- und Kniegelenk gebeugt, adduziert und innenrotiert, so daß das Kniegelenk der verletzten Seite oberhalb des Kniegelenkes der gesunden Seite am Oberschenkel angelegt fixiert steht. • Luxatio ischiadica: Stärkere Beugung und Innenrotation, Adduktion, das Kniegelenk liegt dem gesunden Oberschenkel auf, nur relative Beinverkürzung.
Diagnose (Abb. 44.5-51): - Anamnese - Schmerzen, Gehunfähigkeit - Bein kann aktiv nicht gehoben werden - federnde Gelenkfixation Diagnose bei Luxatio iliaca: - Bein verkürzt - geringfügige Beugung in Hüft- und Kniegelenk - Bein adduziert und innenrotiert Diagnose bei Luxatio ischiadica: - stärkere Beugung und Innenrotation - Adduktion - relative Beinverkürzung
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Abb. 44.5-51: Einteilung der Hüftgelenkluxationen mit der jeweiligen Zwangsstellung des Beines: a. Luxatio iliaca, b. Luxatio ischiadica, c. Luxatio pubica, d. Luxatio obturatoria
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
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• Luxatio pubica: Bein in leichter Obduktion und Außenrotationsstellung mit leichter Beugung im Hüftgelenk. Beinverkürzung. • Luxatio obturatoria: Stärkere Abduktion, Außenrotation (90°) und Hüftbeugung. Röntgenaufnahmen immer in 2 Ebenen. Auf der Aufnahme im a. p. Strahlengang kann der Kopf, selbst wenn er sich in die Pfanne projiziert, in Natura vor oder hinter der Pfanne liegen! Vor und auch nach der Reposition Überprüfung der Gefäß- und Nervenfunktionen! Therapie: Notfallmäßige Reposition immer in Narkose und guter Relaxation innerhalb der 6-Stunden-Grenze. Die Gefahr der Kopfnekrose wächst mit jeder Stunde verzögerter Reposition! Repositionsmanöver nach Böhler (Abb.44.5-52): Patient liegt mit dem Rücken auf einem Brett, an dem er mittels eines breiten Gurtes am Becken fixiert wird. Ein Tuch oder Gurt umschlingt den Nacken des Chirurgen und das Knie des Verletzten. Durch Aufrichten wird durch einen kräftigen, aber gleichmäßigen Zug am rechtwinklig gebeugten Hüft- und Kniegelenk unter gleichzeitiger Rotation im Hüftgelenk reponiert. Das gleiche Manöver kann mit Hilfe eines Flaschenzuges durchgeführt werden. Nachbehandlung: Funktionell bis zur Ausheilung des Weichteilschadens unter Entlastung bis zu 3 Wochen. Eine Extensionsnachbehandlung oder eine längere Entlastung hat keinen Einfluß auf die Rate der Kopfnekrose! Zeigt sich nach Reposition eine Neigung zu Reluxation, liegt eine Instabilität vor. Die Stabilität wird bei der hinteren Luxation in 4 Grade unterteilt: Grad I: Azetabulum intakt, nach Reposition stabiles Gelenk. Grad II: Abbruch des hinteren Pfannenrandes. Nach Reposition stabile Verhältnisse. Grad III: Fraktur des Azetabulums. Reposition möglich, nicht jedoch die Retention. Grad IV: Luxation mit Kopfkalotten- oder Schenkelhalsfraktur. Grad III und IV sind klare Indikationen zur operativen Versorgung (Verschraubung, Verplattung). Prognose: Die bei der hinteren Luxation in 10-20 % auftretende Ischiadikusschädigung ist nicht immer reversibel. Am häufigsten ist der peroneale Anteil betroffen. In ca. 15 % tritt eine Kopfnekrose infolge Devitalisierung auf, bedingt durch Zerreißung der ernährenden Kapselgefäße durch das Trauma. Durch verzögerte Reposition können erhalten gebliebene Gefäße thrombosieren und damit die Prognose verschlechtern.
Abb.44.5-52: Reposition einerHüftluxation nach Böhler
Diagnose bei Luxatio pubica: - Bein in leichter Abduktion - Außenrotationsstellung - leichte Beugung im Hüftgelenk - Beinverkürzung Diagnose bei Luxatio obturatoria: - stärkere Abduktion - Außenrotation - Hüftbeugung Röntgenaufnahmen immer in 2 Ebenen Überprüfung von Gefäß- und Nervenfunktion! Therapie: notfallmäßige Reposition in Narkose innerhalb 6h. Gefahr der Kopfnekrose Verfahren: Repositionsmanöver nach Böhler Abb. 44.5-52
Nachbehandlung: funktionell Bei Neigung zu Reluxation liegt Instabilität vor. Einteilung der Stabilität bei der hinteren Luxation in 4 Grade:
70°. Prognostisch dubios, da keine Druckkräfte mehr auf den Frakturspalt einwirken. Schub- und Scherkräfte und Kippmoment verhindern Heilung ohne operative Stabilisierung (Abb. 44.5-54 b).
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
975
Abb.44.5-54: Einteilung der medialen Schenkelhalsfrakturen nach Pauwels nach der Neigung der Bruchlinie: a. Pauwels I bis 30° (Abduktionsfraktur), Pauwels II 30-70°, Pauwels III über 70° (Adduktionsfraktur), b. Mediale, subkapitale Schenkelhalsfraktur Typ Pauwels III (Adduktionsbruch) im Röntgenbild und Schema mit Eintragung der Zug- und Druckkräfte. AO-Typ: 31 B 3.2 (c)
Die medialen Frakturen werden auch unterteilt in (Abb. 44.5-54, 55): • Abduktionsbrüche (10%): Kopf ist in Valgusstellung in den Schenkelhals eingestaucht. Diese eingekeilten Schenkelhalsfrakturen sind stabil, da nur Druckkräfte, im Idealfall senkrecht, auf den Frakturspalt wirken. • Adduktionsbrüche (90%): Kopf steht in Varusstellung gekippt. Damit klafft der Frakturspalt an der lateralen Kortikalis, der Kopf kann nach kaudal abrutschen. Instabile Frakturen! Eine weitere Einteilung nach Garden unterscheidet 4 Brucharten unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Fragmentverschiebung mit möglicher Zerreißung der Kapselgefäße: Garden I bedeutet stabiler Abduktionsbruch (Abb. 44.5-55), Garden IV entspricht einem völlig dislozierten Bruch nach Pauwels III.
Garden-Einteilung (Abb.44.5-55 u. 54b)
AO-Klassifikation
AO-Klassifikation 31-B 1-3 mitzunehmendem Schweregrad
(s.S. 916): Segment 31, Typ B 1 - 3 mit je 3 Untergruppen:
• B 1: Subkapital, wenig disloziert: 1.1 eingestaucht in Valgus > 1 5 ° (Abb. 44.5-55) 1.2 eingestaucht in Valgus < 15°, 1.3 nicht eingestaucht • B 2: transzervikal, 2.1 basal (lateral), 2.2 medial durch Adduktion, 2.3 medial durch Abscherung • B 3: subkapital, nicht eingestaucht, disloziert: 3.1 leichte Dislokation in Varus und Außenrotation, 3.2 leichte Dislokation mit vertikaler Verkürzung und Außenrotation (Abb. 44.5-54) 3.3 deutliche Dislokation.
Diagnose: Spontan-, Druck-, Zug- und Stauchungsschmerz. Das Bein kann aktiv nicht mehr gehoben werden, es steht in Außenrotationsstellung und ist verkürzt (nicht bei eingekeilten Abduktionsbrüchen!). Röntgenuntersuchung: Beckenübersicht und verletzte Seite in der 2. Ebene (axial oder in Lauensteinposition). Therapie: Diese hat zum Ziel: • Eine biomechanisch günstige Stellung der Frakturebene zu erzielen und damit ungünstige Zugkräfte und Schermomente zu neutralisieren. • Die Wiederherstellung der Blutversorgung bei der medialen Fraktur. Der Hüftkopf wird zu 4/5 aus den Ästen der beiden Aa. circumflexae femoris ernährt, die durch die Kapsel den Hüftkopf erreichen. Bei dislozierten Frakturen ist die Kapsel zerrissen, bei länger bestehender Dislokation kommt es durch Thrombosierung zu venösen Abflußstörungen. Nur schnelle Reposition kann die Vaskularität verbessern! • Schnelle Mobilisation, was bei alten Menschen gleichbedeutend ist mit schneller Belastbarkeit der verletzten Extremität. Die konservative Therapie ist heute nur noch bei den eingekeilten Abduktionsbrüchen gerechtfertigt: 1 - 3 Wochen Bettruhe, keine Extension, da diese
Diagnose: • Spontan-, Druck- Zug-, Stauchungsschmerz • Bein kann nicht aktiv gehoben werden • Bein steht in Außenrotationsstellung und ist verkürzt Röntgen: Beckenübersicht, verletzte Seite in 2. Ebene Therapie: Ziel: • biomechanisch günstige Stellung der Frakturebene herstellen • Wiederherstellung der Blutversorgung bei medialer Fraktur • schnelle Mobilisation
Konservative Therapie:
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44. Unfallchirurgie
D DDD
Abb. 44.5-55: Mediale, subkapitale Schenkelhalsfraktur Typ Pauwels I (Abduktionsbruch) im Röntgenbild (a) und Schema (b). Nur Druckkräfte wirken auf den Frakturspalt. AO-Typ: 31 B 1.1 Reposition und Retention durch Extension an Oberschenkelkondylen, Lagerung auf Braun-Schiene. Angezeigt nur, wenn sofortige Operation nicht möglich. Bei allen eingekeilten Abduktionsbrüchen nicht extendieren! Operative Therapie: alle nicht verkeilten Schenkelhalsbrüche oft lebensrettend Operatives Vorgehen abhängig vom Alter des Patienten (Abb. 44.5-57)!
unter 65 Jahre: kopferhaltende Operation durch Osteosynthese: Stabilisierung mit Winkelplatte und kranial gelegter Zugschraube Bis 45 Jahre: Stabilisierung mit 3 Zugschrauben Kinder: bei lateralen Frakturen 2 Schrauben
die Einstauchung lösen würde; wöchentliche Röntgenkontrolle und bei Zunahme der Beschwerden. Nach dieser Zeit zunehmende Belastung erlaubt. Konservatives Vorgehen muß auch eingeschlagen werden, wenn wegen allgemeiner Kontraindikationen nicht sofort operiert werden kann: Reposition und Retention durch Extension an Oberschenkelkondylen, Belastung mit V7-V10 des Körpergewichtes, Lagerung der verletzten Extremität auf Braun-Schiene (Abb. 44.5-56), Röntgenkontrolle. Operative Therapie. Alle nicht verkeilten Schenkelhalsbrüche stellen eine absolute Indikation zur Operation dar. Konservatives Vorgehen bedeutet Immobilisation bis zu 12 Wochen mit Extensionsanordnung. Bei alten Patienten ist die allgemeine Komplikationsrate (kardiopulmonal - Thromboembolie, Pneumonie - Dekubitus, Harnwegsinfekt) so hoch, daß die Operation lebensrettend ist. Das operative Procedere ist abhängig vom Alter des Patienten. • Patienten unter 65 Jahre: Kopferhaltende Operation durch Osteosynthese. Stabilisierung mit 130° Winkelplatte und kranial gelegener Zugschraube, die die schädlichen Zugkräfte lateral auffängt (Abb. 44.5-57 a) oder mit einer dynamischen Hüftschraube (DHS, Abb.44.5-63b). Dabei ist es günstig, den Kopf in Valgusstellung analog einem Abduktionsbruch zu bringen (Kopf in Nacken-Stellung) (Abb. 44.5-55). Bei jüngeren Patienten bis etwa 45 Jahre Stabilisierung mit 3 Zugschrauben möglich (Abb. 44.5-57 b), bei kindlichen lateralen Frakturen genügen auch 2 Schrauben. Diese dürfen die Epiphysenfuge nicht kreuzen. Entlastung 12-16 Wochen, Gehen an Unterarmstützen erlaubt.
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des Körpergewichtes
Abb.44.5-56: Femurkondylen-Drahtextension Lagerung auf Braun-Schiene
beim Schenkelhalsbruch und
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
977
Abb. 44.5-57: Mediale Schenkelhalsfraktur: a. Versorgung mit 130° Winkelplatte sowie Spongiosazugschraube. Bei der Reposition soll der Schenkelkopf leicht valgisiert werden! b. Versorgung mit 3 AO-Zugschrauben. Das Gewinde liegt jenseits des Frakturspaltes
• Patienten über 65 (bis 70 Jahre) (biologisches, nicht kalendarisches Alter maßgebend): Hier steht die schnelle Mobilisation = Belastbarkeit der verletzten Extremität im Vordergrund. Deshalb wird nach Entfernung des Schenkelkopfes eine Totalendoprothese eingesetzt. Hiermit werden auch die gefürchteten Komplikationen, wie Kopfnekrose und Pseudarthrose umgangen, die einen Zweiteingriff erforderlich machen. • Patienten im hohen Alter (Lebenserwartung unter 5 Jahre) und bei bettlägerigen Patienten: Lediglich Einsetzen einer Kopfprothese. Bei längerer Belastung droht die Protrusion des Metallkopfes in die Pfanne (Abb. 44.558). Die damit verbundenen Schmerzen erzwingen bei Operabilität eine Reoperation mit Prothesenwechsel und Einsetzen einer künstlichen Pfanne. Daher setzt man heute eine sog. Vario- oder Duokopfprothese ein, bei der über dem künstlichen Kopf eine der individuellen Pfannengröße entsprechende Pfannenschale gesetzt wird (s. Abb. 44.5-59). Nunmehr erfolgt die Lastübertragung gedämpfter. Prognose: Bei der medialen Schenkelhalsfraktur drohen zwei lokale Komplikationen: • Kopfnekrose: Diese avaskuläre Nekrose droht in 20-30% (s. Abb. 44.560). Sie ist von den Osteosyntheseverfahren weitgehend unabhängig, da das Schicksal des Hüftkopfes zum Zeitpunkt des Unfalles durch Gefäßzerreißung und späterer Thrombosierung der Venen besiegelt ist. Nur eine schnelle Reposition hat einen günstigen Einfluß. Der Häufigkeitsgipfel der Kopfnekrose liegt um das 2. Unfalljahr; die Nekrose - partiell oder total tritt demnach auch nach erfolgter Frakturheilung auf. Eine sichere Methode zur rechtzeitigen Erkennung gibt es noch nicht. Artériographie, Venographie und Szintigraphie haben nur eine beschränkte Treffsicherheit. Das MRT kann die Diagnose dann sichern, wenn kein Metall mehr implantiert
Abb.44.5-58: Von a nach b zunehmende Protrusion des Metallkopfes in die ungeschützte Hüftpfanne bei einer einfachen Kopfprothese
65-70 Jahre: schnelle Mobilisation. Deshalb: Einsetzen einer Totalendoprothese
Hohes Alter: Einsetzen einer Kopfprothese (Abb. 44.558, 59), besser: Variokopfprothese
Komplikationen: a) Kopfnekrose in 20-30%. Entstehung durch Gefäßzerreißung während des Unfalls und spätere Thrombosierung (Abb. 44.5-60) Therapie: Umstellungsosteotomie, Totalendoprothese (ältere Patienten)
Abb. 44.5-59: Variokopfprothese kelhalsfraktur
nach Schen-
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44. Unfallchirurgie
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u Abb. 44.5-60: 2 Schweregrade (a, b) einer posttraumatischen nach Schenkelhalsfraktur
b) Pseudarthrose (Abb.44.5-61) in 1015%. Abhängig von Osteosyntheseform Behandlung: Umlagerungsosteotomie, Totalendoprothese (bei älteren Patienten)
c) Ungünstige Bruchform: mediale subkapitale Fraktur Typ Pauwels III: 50% Komplikationen
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Kopfnekrose
Abb. 44.5-61: Schenkelhalspseudarthrose nach osteosynthetisch versorgter medialer Fraktur mit Ermüdungsbruch der kranialen Schraube
ist. Therapie: Bei jüngeren Menschen Umstellungsosteotomie, bei älteren Totalendoprothese. • Pseudarthrose: In 10-15 % bleibt eine Konsolidierung aus (Abb. 44.5-61). Sie tritt bei Typ Pauwel II-III auf, wenn die Knochenheilung durch schädliche Schermomente behindert wird. Sie ist daher ein mechanisches Problem, daher weitgehend von der Osteosyntheseform abhängig und damit theoretisch lösbar. Die Osteosynthese ist die beste, die die Zugkräfte und Momente neutralisiert und in Druckkräfte umwandelt. Therapie: Valgisierende intertrochantere Umlagerungsosteotomie, die eine Pauwels III-Fraktur in einen Typ I umwandelt. Bei alten Menschen kann auch eine Totalendoprothese eingesetzt werden. Ungünstige Bruchform: Mediale subkapitale Fraktur vom Typ Pauwels III, mit ca. 50 % Komplikationen behaftet (Kopfnekrose, Pseudarthrose).
Petrochantere Frakturen
5.4.2.2 Petrochantere Frakturen
Entstehung durch Sturz auf die Hüfte oder durch indirekte Gewalt
Ursachen: Direkte Gewalt, Sturz auf die Hüfte oder indirekt mit Biegungsmechanismus mit Adduktion und stärkerer Außendrehstellung des Beines als bei der Schenkelhalsfraktur. Altersgipfel: 75-80 Jahre, demnach noch eine Dekade älter als Patienten mit medialem Schenkelhalsbruch. Formen: Einfacher Schrägbruch vom Trochanter major zum Trochanter minor: stabile Fraktur: Abrißfraktur des Trochanter major oder minor (letztere auch als Apophysenabriß junger Sportler). Mehrfach- bis Trümmerbrüche. Bei Trümmerzonen an der medialen Kortikalis ist der Bruch instabil, insbesondere bei Defekten, da die mechanisch wichtige mediale Abstützung fehlt. Hierbei hat der Bruch die Tendenz, in Varusposition abzurutschen. Das Osteosynthesematerial kann der Wechselbiegebeanspruchung nicht standhalten und bricht (Plattenbruch). Die AO-Klassifikation (s.S.916), Segment 31, kennzeichnet diesen Frakturtyp mit A 1 - 3 mit je 3 Untergruppen (Abb. 44.5-62): A I Pertrochanter einfach, A 2 pertrochanter multifragmentär, A 3 Intertrochanter. Diagnose: Wie bei Schenkelhalsfrakturen, die Stellung des Beines in Außenrotation ist gewöhnlich stärker.
Formen: Stabile und instabile (fehlende mediale Abstützung)
AO-Klassifikation: 31 A 1-3 mit zunehmendem Schweregrad (Abb. 44.5-62) Diagnose: wie bei Schenkelhalsfraktur, aber stärkere Außenrotation des Beines Therapie (Abb.44.5-63): grundsätzlich konservatives Vorgehen möglich. Extensionsbehandlung für 8-12 Wochen
Therapie: Grundsätzlich ist konservatives Vorgehen möglich. Dazu ist jedoch eine Extensionsbehandlung von 8-12 Wochen Dauer notwendig. Die allgemeine Komplikationsrate (s. Schenkelhalsfrakturen) ist bei den alten Patienten sehr hoch, so daß die operative Versorgung lebensrettend und da-
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
979
31- Femur proximal
A1
Fraktur der Trochanterregion, pertrochanter einfach W.1 entlang der Linea intertrochanterica ; durch den Trochanter major 1.3 nach distal des Trochanter minor
A2
Fraktur Trochanterregion, pertrochanter multifragmentär 5.1 mit einem Zwischenfragment #e2 mit mehreren Zwischenfragmenten 1.3 nach distal des Trochanter minor
A3
Fraktur Trochanterregion, Intertrochanter 1 einfach, schräg « • einfach, quer 3 mehrfragmentär
Abb. 44.5-62: AO-Klassifikation der Frakturen der Trochanterregion. Segment 31
mit absolut indiziert ist. Stabilisierung der Fraktur mit Winkelplatten der A O (130° oder 95° Kondylenplatte), mit elastischen Rundnägeln nach Enders (s. 1.6), die baldige Belastung erlauben, und mit Gleitlaschenschrauben (Abb. 44.5-63). Bei instabilen Frakturen ist die mediale Abstützung wiederherzustellen. Dies gelingt bei jüngeren Patienten durch primäre autogene Spongiosatransplantation, bei älteren durch eine Verbundosteosynthese. Selten ist eine Totalendoprothese indiziert. Die Versorgung mit einem Gamma-Nagel (Abb. 44.5-63 c) erlaubt jedoch auch ohne diese Maßnahmen eine baldige Mobilisation und Belastung. Prognose: Bei stabilen Brüchen günstige Heilung, da breite Spongiosaflächen aufeinanderliegen. Bei fehlender medialer Abstützung Gefahr des Materialermüdungsbruches und fehlender Heilung.
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(b)
Abb.44.5-63: a. Stabilisierung einer stabilen pertrochanteren Oberschenkelfraktur mit Rundnägeln nach Ender b. Mit einer dynamischen Hüftschraube (DHS) der AO als Gleitlaschenschraube c. Versorgung einer instabilen Fraktur mit einem Gamma-Nagel
Alte Patienten: operative Versorgung lebensrettend und absolut indiziert Stabilisierung der Fraktur mit: • Winkelplatten d e r A O • elastischen Rundnägeln nach Ender, die baldige Belastung erlauben • Gleitlaschenschrauben Bei instabilen Frakturen: Herstellung der medialen Abstützung durch Spongiosatransplantation oder Verbundosteosynthese Methode der Wahl: Gamma-Nagel Prognose: bei stabilen Brüchen günstig, bei fehlender medialer Abstützung: evtl. Materialermüdungsbruch, fehlende Heilung
44. Unfallchirurgie
980 Subtrochantere Frakturen
Diagnose (Abb. 44.5-64): • alle Frakturzeichen • Röntgenaufnahme in 2 Ebenen —> meistens mehrere Fragmente vorhanden • durch Muskelzug typische Fehlstellung der Fragmente Therapie: operative Stabilisierung mit Kondylenplatte -» sofortige Mobilisation, Belastung nach 12-16 Wochen (s. Abb.44.4-17c) Versorgung mit Gamma-Nagel (Abb. 44.563c): baldige Belastung
5.4.2.3 Subtrochantere Frakturen Ursache: Meist ist eine größere Gewalteinwirkung als bei den vorgenannten Femurfrakturen erforderlich mit Biegungs- und Rotationsmechanismen. Diagnose: Alle sicheren und unsicheren Frakturzeichen. Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen. Meistens sind mehrere Fragmente vorhanden. Durch Muskelzug entsteht eine typische Fehlstellung der Fragmente. Das kurze proximale Fragment wird durch den Zug der Glutäalmuskulatur und des M. iliopsoas in Außenrotation, Abduktion und Flexion gebracht, während die Adduktionsmuskeln das distale Fragment nach medial und kranial ziehen (Abb. 44.5-64). Therapie: Wegen der dominierenden Muskelzüge mit ihren Fehlstellungen der Fragmente lassen sich diese auch mittels einer Extension nur schwer reponieren bzw. retinieren. Daher ist eine operative Stabilisierung mit z.B. 95° Kondylenplatte indiziert. Danach sofortige Mobilisation erlaubt, Belastung erst nach 8-12 Wochen (s. Abb. 44.4-17 c, S. 924). Die Versorgung mit einem Gamma-Nagel (Abb. 44.5-63c) erlaubt jedoch baldige Belastung.
Abb. 44.5-64: Fehlstellung der subtrochanteren Femurfraktur durch Muskelzug
Frakturen des Femurschaftes
5.4.2.4 Frakturen des Femurschaftes
Entstehen durch stärkste Gewalteinwirkung, alle Bruchformen möglich
Ursache: Um den stärksten menschlichen Knochen zu brechen, bedarf es größerer, meist direkter Gewalteinwirkung durch Verkehrsunfall, Sturz aus großer Höhe usw. Formen: Alle Bruchformen vom einfachen Querbruch über Torsionsbruch bis zum Trümmerbruch können vorkommen. Diagnose: Alle sicheren und unsicheren Frakturzeichen. Die abnorme Beweglichkeit und Fehlstellung ist eindrucksvoll. Das Röntgenbild in 2 Ebenen klärt die Frakturform. Dislokation entsprechend der dominanten Muskelgruppen. Bei Femurfrakturen droht ein großer Blutverlust - bis 2000 ml, u. U. noch mehr. Daher immer auf Schocksymptome achten und mit sofortiger Infusionstherapie (Plasmaersatzmittel, Blutkonserven) beginnen. Dies ist auch die beste Prophylaxe der Fettembolie, die bei Femurfrakturen gehäuft auftritt. Sensibilität, Motorik und Durchblutung des Fußes überprüfen!
Diagnose: • alle Frakturzeichen • abnorme Beweglichkeit und Fehlstellung • Röntgenbild in 2 Ebenen • Bei Femurfrakturen: großer Blutverlust -> Schocksymptome Gefahr der Fettembolie -> Infusionstherapie Therapie: operative Behandlung indiziert durch:
0
Therapie: Operative Versorgung indiziert, da konservativ nur durch 8 12 wöchige Immobilisation mit Dauerzug eine Ausheilung - häufig dann in Fehlstellung - möglich ist. Zur Anwendung kommen: Marknagel: Bei Quer- oder Schrägbruch im mittleren Drittel (engste Markhöhle). Belastung bereits nach Abschluß der Wundheilung erlaubt (s. Abb. 44.4-17 d, S.924).
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
981
Verriegelungsnagel: Bei Brüchen im proximalen und distalen Bereich und bei Mehrfachbrüchen im mittleren Drittel, bei denen der einfache Marknagel keine Stabilität ergeben würde. Entlastungszeit 6-12 Wochen (s. Abb. 44.4-17 e, S.924). Breite AO-Platte: Bei Brüchen im proximalen und distalen Bereich in Gelenknähe und bei Mehrfachbrüchen. Hier ist die Gefahr einer zusätzlichen Denudierung der Fragmente groß. Entlastungszeit 1216 Wochen. Bei Femurfrakturen kann bei Mehrfachverletzungen und bei Patienten im Schock häufig nicht sofort operiert werden. Dann muß jedoch eine Extension im Tibiakopf angelegt und das Bein auf der Braun-Schiene gelagert werden. Nach 4 Wochen Umlagerung der Extension durch die Femurkondylen, um den Bandapparat des Kniegelenkes nicht zu schädigen. Kindliche Frakturen: Bei Kleinkindern Heftpflasterzugverband, bei älteren Lagerung im Weberbett mit Kondylenextension bei 90 Grad Beugung im Knie- und Hüftgelenk (Abb. 44.5-65). Sonst operativ mit Markschienung (Bündelnagelung) oder kleiner AO-Platte.
Bei Kindern: Heftpiasterzugverband oder Lagerung im Weberbett mit Kondylenextension (Abb. 44.5-65)
5.4.2.5 Frakturen am distalen Femur
Frakturen am distalen Femur
Ursache: Häufig direkte Gewalteinwirkung (Auffahrunfall). Deshalb nach Verletzungen am Becken und Hüftgelenk fahnden. Formen: Suprakondyläre Brüche (Typ 33 A 1-3 der AO-Klassifikation mit unterschiedlichem Schweregrad, d. h. Anzahl der Fragmente und deren Dis-
Entstehung durch direkte Gewalteinwirkung
982
44. Unfallchirurgie
Abb. 44.5-67: Suprakondylärer Mehrfragmentenbruch vor (a, b) und nach Osteosynthese mit einer DCS (AOTyp 33 A 3.3) (c, d)
Diagnose: • alle Frakturzeichen • starke Schwellung des Gelenkes • typische Fehlstellung mit dorsaler Abkippung (Abb. 44.5-66, 67) Überprüfung der arteriellen und nervösen Versorgung immer notwendig! Tastbarkeit des proximalen Fragmentes Therapie: Osteosynthese (Abb.44.5-67) Oberstes Gebot: stufenlose Wiederherstellung der Gelenkflächen! Frühzeitige Mobilisation
Prognose: Posttraumatische Arthrose, Strecksteifen können auftreten
Verletzungen des Kniegelenkes Bandverletzungen Stabilität des Kniegelenkes durch statische und dynamische Stabilisatoren:
lokation) und Kondylenfrakturen. Letztere liegen intraartikulär. Sie werden unterteilt in monokondyläre (Typ 33 B 1-3) und bikondyläre Formen, die einen Y- oder T-förmigen Verlauf zeigen bis hin zu Trümmerbrüchen (Typ 33 C 1-3). Diagnose: Alle sicheren und unsicheren Frakturzeichen. Starke Schwellung des Gelenkes. Durch Zug des M. gastrocnemius zeigt das distale Fragment eine typische Fehlstellung mit dorsaler Abkippung (Abb. 44.5-66, 67). Dadurch sind die Gefäße und Nerven der Kniegelenke gefährdet. Überprüfung der peripheren nervösen und arteriellen Versorgung immer notwendig! Durch die Fehlstellung des distalen Fragmentes nach dorsal liegt das proximale zwangsläufig ventral und wird durch die Addukutorenmuskeln nach medial gezogen. Dadurch kann dieses Fragment oberhalb der Patella getastet werden. Es verletzt häufig .die Streckmuskulatur und die oberen Kniegelenkrecessus. Therapie: Ziel ist eine übungsstabile Osteosynthese, um den sonst unvermeidbaren Immobilisationsschaden am Kniegelenk zu umgehen. Oberstes Gebot: Stufenlose Wiederherstellung der Gelenkflächen. Stabilisierung mit der 95° Kondylenplatte der AO, u.U. mit zusätzlichen Spongiosazugschrauben oder dynamischer Condylenschraube (DCS) (Abb. 44.5-67). Frühzeitige Mobilisation ernährt den Knorpel und hält die Arthrose zurück. Prognose: Zwei posttraumatische Schäden können auftreten: • posttraumatische Arthrose. Sie entsteht als Inkongruenzarthrose oder infolge eines primären Knorpelschadens durch Kontusion. • Strecksteifen durch Verlötung des Recessus suprapatellaris. Operative Behandlungmöglichkeit durch Arthrolyse, u.U. mit Verlängerung der Rectussehne.
5.4.3 Verletzungen des Kniegelenkes 5.4.3.1 Bandverletzungen Klinische Anatomie: Das stark belastete Kniegelenk erlangt seine Stabilität sowohl durch statische Stabilisatoren (kongruente Gelenkflächen, Bänder, Kapsel, insbesondere dorsale Anteile, Menisken) als auch durch dynamische, wie wenige Muskeln
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen hinteres Kreuzband
vorderes Kreuzband
Med. Seitenband
Lat. Seitenband
M. gracilis
Lat. )> Vierfachkomplex
M. biceps fem. M. semitendinosus
a
Tract, iliotib.
M. sartorius
Med. Vierfachkomplex
983
V
M. semimembranosus
M. popliteus
hintere Kapsel
und einige Sehnen. Wie gut z.B. der M.quadriceps, insbesondere der Vastus medialis, das Gelenk stabilisiert, läßt sich bei aktiven Fußballern erkennen, die trotz gewisser Instabilitäten durch intensives Muskeltraining ihren Sport ausüben können. Diese Stabilisatoren werden funktionell in verschiedene Gruppen unterteilt (Nicholas 1973, Abb. 44.5-68). • Medialer Viererkomplex: Mediales Seitenband, die 3 Sehnen des Pes anserinus, M. semimembranosus und hintere Kapsel. Teile des medialen Seitenbandes: oberflächliches Lig. collaterale tibiale, das darunter gelegene Lig. capsulare, das gegenüber dem ersten frei verschieblich ist und eine Dreierteilung erkennen läßt: einen ventralen Bereich aus Kapselfasern und Teilen des Retinaculum des Vastus medialis, einen mittleren meniscofemoralen und meniscotibialen und einen hinteren kapsulären Abschnitt (dorsomediale Kapselschale, Semimembranosus-Eck, Lig. obliquum posterius, Coque condylienne interne). Der mediale Viererkomplex verhindert eine Valgus- und Außenrotationsinstabilität. Er hat zum Innenmeniskus und zum vorderen Kreuzband eine enge funktionelle Verbindung. • Lateraler Viererkomplex: Fibulares Seitenband mit oberflächlichem und tiefem Teil, Tractus iliotibialis, M.biceps, M.popliteus (Popliteus-Eck). Der Komplex hemmt eine Varus- und Innenrotationsinstabilität. • Der dorsale Komplex, bestehend aus hinterer Kapsel, Lig. popliteum und Lig. arcuatum. Er hindert die Instabilität in sagitaller Richtung und die Überstrekkung. Die Überstreckung wird weiterhin vom hinteren Kreuzband gehemmt. Eine Bewegungsrichtung wird nie allein von einer Struktur gesichert, sondern sie wird immer von anderen unterstützt! • Zentraler Komplex: Beide Kreuzbänder zeigen in jeder Gelenkstellung eine Anspannung einzelner Fasern, bedingt durch ihren schrägen Verlauf und durch die Torsion des eher flachen Bandes. Sie bedingen die Stabilität in sagittaler Richtung. Die vordere positive Schublade zeigt einen Riß des vorderen Kreuzbandes an. Bei stärkerer Ausprägung müssen darüber hinaus Anteile der hinteren Kapsel und des Seitenbandes (dorsomediale Kapselschale) mitverletzt sein. Das vordere Kreuzband hemmt auch die Innenrotation und Abduktion. Häufigkeit: Knieverletzungen sind häufig. E t w a 7 % aller U n f ä l l e und 35 % aller Skiunfälle betreffen das Kniegelenk. D i e Verletzungen h a b e n durch d e n Breitensport rapide z u g e n o m m e n . 80 % der Verletzungen g e h e n ohne Stabilitätsverlust einher, bei 20 % ist die Stabilität verlorengegangen. D i e isolierte Ruptur des vorderen Kreuzbandes, früher als seltene Verletzung angesehen, wird arthroskopisch häufiger beobachtet. In Serienarthroskopien bei e i n e m Hämarthros o h n e klinischen N a c h w e i s einer Instabilität w e r d e n bis zu 70 % isolierte R u p t u r e n des vorderen Kreuzbandes diagnostiziert! N u r eine ordentliche Untersuchung unter Z u h i l f e n a h m e aller Hilfsmittel kann vor Fehlinterpretationen schützen und damit den Patienten vor chronischen Instabilitäten mit all ihren Folgen. Ursachen: Indirekte Gewalteinwirkung des belasteten B e i n e s in leichter Beugestellung des Kniegelenkes, dazu am häufigsten ein Abduktions- und Außenrotationsstreß, weniger häufig ein Adduktions- und Innenrotationsstreß. Direkte Gewalteinwirkung durch Schlag o d e r seitliche Stoßstangeneinwirkung. Hierbei kann die angefahrene Seite e i n e Tibiakopffraktur und die gegenüberliegende e i n e n Bänderriß auf der Außenseite erleiden.
Abb.44.5-68: a. Funktionelle Aufteilung des Halte- und Führungsapparates des Kniegelenkes im medialen, lateralen und zentralen Teil, b. Anteromediale Komplexinstabilität nach Nicholas
Medialer Viererkomplex: verhindert eine Valgus und Außen rotationsinstabilität
Lateraler Viererkomplex: hemmt eine Varus- und Innenrotationsinstabilität Dorsaler Komplex: hindert Instabilitäten in sagittaler Richtung und Überstreckung
Zentraler Komplex: Festigung der Stabilität in sagittaler Richtung, vorderes Kreuzband hemmt Innenrotation und Abduktion
Knieverletzungen sind häufig. Auch die isolierte Ruptur des vorderen Kreuzbandes w i r d wegen Anwendung der Arthroskopie heute häufiger beobachtet.
Ursachen: indirekte Gewalteinwirkung in leichter Beugestellung des Kniegelenkes, dazu häufig Abduktions- und Außenrotationsstreß. Auch direkte Gewalteinwirkung durch Schlag
984 Stabile und instabile Verletzungen möglich Zerrungen: kein Stabilitätsverlust. Am häufigsten: Innenband Diagnose: stechender Schmerz, nach deutlicher Besserung erneute Verstärkung Lokal: Druckschmerz am Bandansatz Therapie: funktionell mit Salbeneinreibung Überdehnungen: Teileinrisse der Bandstrukturen Diagnose: • Hämatom, ödematöse Schwellung im Bandverlauf • Ab- oder Adduktion ist schmerzhaft • häufig Hämarthros Therapie: bei Stabilität konservativ Hämarthros: Gelenkerguß, der abpunktiert werden muß Diagnose: sichtbare Vorwölbung der beiden oberen Recessus Palpation: Druck auf den Recessus und Patella (tanzende Patella) Farbe: blutig: frisch fleischwasserfarben: älter serös: alt (Reizerguß) Serologische Untersuchung des Punktates. J e ausgeprägter die Schädigung, um so geringer der intraartikuläre Erguß, da Abfluß in die Weichteile möglich. Bei blutigem Erguß ohne klinische Zeichen der Instabilität: Abklärung durch Arthroskopie meist Vorliegen einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes oft Übergang in chronische Instabilität Bänderrisse:
Einfache Instabilitäten: a) Valgus-Instabilität: isolierte Zerreißung des Innenbandes b) Varus-Instabilität: isolierte Zerreißung des Außenbandes Stabilitätsprüfung (Abb.44.5-69)
c) Sagittale Instabilität: isolierte Zerreißung des vorderen oder hinteren Kreuzbandes
44. Unfallchirurgie Formen: Man unterscheidet stabile und instabile Verletzungen: Zerrungen gehen ohne Stabilitätsverlust einher. Am häufigsten ist die Zerrung des Innenbandes. Beim Unfallhergang tritt ein akuter, stechender Schmerz an der Innenseite auf, der sich nach einer deutlichen Besserung wieder verstärkt. Lokal besteht ein Druckschmerz am Bandansatz, ein Erguß in der Regel nicht. Funktionelle Therapie und Salbeneinreibungen genügen. Überdehnungen sind pathologisch-anatomisch Teileinrisse der Bandstrukturen und sollten als solche bezeichnet werden. Gehaltene Röntgenaufnahmen mit einer Aufklappbarkeit über 3-5° im Vergleich zur gesunden Seite sprechen für Einrisse und beginnende Instabilität. Klinisch zeigt sich ein Hämatom oder eine ödematöse Schwellung im Bandverlauf. Die Ab- oder Adduktion (Innen- oder Außenband) ist schmerzhaft, der Bandverlauf muß daher zum röntgenologischen Nachweis einer Aufklappbarkeit lokal anästhesiert werden. Häufig besteht ein Hämarthros, der immer auf schwerere Verletzungen hinweist und daher abgeklärt werden muß. Bei eindeutiger Stabilität genügt konservative Behandlung. Hämarthros: Ein Gelenkerguß stellt immer eine schwerwiegende Störung für das Gelenk dar. Er muß aus therapeutischen und diagnostischen Gründen unter strengen sterilen Kautelen abpunktiert werden. Sein Nachweis gelingt durch Inspektion (sichtbare Vorwölbung der beiden oberen Recessus) und Palpation unter Druck der einen Hand auf den Recessus und mit der anderen auf die Patella („tanzende Patella"). Die Farbe gibt Auskunft über Alter der Verletzung: • Blutig —> frische Verletzung, • fleischwasserfarben —» ältere Verletzung, • serös —> alte Verletzung oder Reizerguß. • Fettaugen sprechen für knöcherne Bandläsionen oder osteochondrale Frakturen. Das Punktat soll serologisch und auf Erreger untersucht werden. Bei Zerreißung des Kapselbandapparates trifft man eher eine diffuse, mehr extraartikuläre Schwellung an, da der blutige Erguß in die Weichteile abfließen kann. Je ausgeprägter die Schädigung, um so geringer also der intraartikuläre Erguß! Ein nachgewiesener blutiger Erguß ohne klinische Zeichen einer Instabilität - diese stellt eine Indikation zur Operation dar - sollte durch eine Arthroskopie diagnostisch weiter abgeklärt werden. Hierbei hat sich gezeigt, daß bis zu 70 % eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes vorliegt. Diese geht später häufig in eine chronische Instabilität über, da die primär intakten Strukturen überfordert sind, die Funktion des vorderen Kreuzbandes auf längere Zeit mitzuübernehmen. Bänderrisse: Die Bänder reißen am häufigsten am femoralen oder tibialen Ansatz, gelegentlich mit einer knöchernen Lamelle (knöcherner Bandausriß). Die schlechteste Prognose haben die Risse im mittleren Anteil wegen der schlechten Vaskularität. (1) Einfache Instabilitäten: Instabilität in einer Ebene. • Valgus-Instabilität: Isolierte Zerreißung des Innenbandes durch Valgusstreß (häufiger), mediale Aufklappbarkeit. Nach Wochen kann der femorale Ansatz verknöchern (Stieda-Schatten). • Varus-Instabilität: Isolierte Zerreißung des Außenbandes durch Varusstreß (seltener), laterale Aufklappbarkeit. Stabilitätsprüfung (Abb. 44.5-69 a): Notwendige Prüfung in Streckstellung des Knieglenkes und in 30° Beugestellung. Instabilität bei Beugung weist auf alleinige Schädigung des Seitenbandapparates hin, da die hintere Kapsel entspannt ist und nicht mehr stabilisiert. Bei vermehrter Aufklappbarkeit in Streckstellung sind demnach immer auch die hinteren-seitlichen Kapselstrukturen zerrissen, bei starker Instabilität auch zusätzlich noch das Kreuzband (z.B. mediale Aufklappbarkeit —» vorderes Kreuzband) (Abb. 44.5-70). Damit liegt bereits eine Rotationsinstabilität vor. Untersuchung der Stabilität immer im Seitenvergleich. • Sagittale Instabilität: Isolierte Zerreißung des vorderen und hinteren Kreuzbandes. Damit kann der gebeugte Unterschenkel gegen die Femur-
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
985
Abb.44.5-69: Stabilitätsprüfung am Kniegelenk, a. Überprüfung der Seitenbänder in Streckstellung und in 30° Beugung, b. Rotationsschublade in Innen-, Neutral- und Außenrotation des Unterschenkels
kondylen verschoben werden. Riß des vorderen Kreuzbandes: positive vordere Schublade, die in mehreren Flexionsstellungen geprüft wird. Bei 30° Beugung werden auch isolierte vordere Kreuzbandrupturen erfaßt (Lachmann-Test), während ein positiver Test bei 90° Beugung auf schwerere Verletzungen hinweist. Riß des hinteren Kreuzbandes: positive hintere Schublade. Merke: Der Unterschenkel fällt der Schwere nach dorsal, so daß klinisch eine „vordere" Schublade entsteht. Aus der Mittelstellung heraus kann der Unterschenkel jedoch nach hinten geschoben werden. Bei Inspektion fällt jedoch bereits eine zurückgesunkene Tuberositas tibiae auf (Abb. 44.5-71). (2) Komplexinstabilitäten: Instabilität in mehreren Ebenen. Eine stärkere Schublade weist auf eine schwerere Schädigung hin. Eine verstärkte vordere Schublade ist nur durch gleichzeitige Verletzung des vorderen Kreuzbandes, der hinteren Kapsel und der dorsomedialen Kapselschale des medialen Viererkomplexes möglich. Seiten vergleich! Rotationsinstabilität (Sloccum 1968) oder Komplexinstabilität (Nicholas 1973) sind häufiger als isolierte Bandzerreißungen. Die häufigste Kombinationsverletzung: Riß des medialen Seitenbandes, des vorderen Kreuzbandes und des Innenmeniskus.
Riß des vorderen Kreuzbandes: positive vordere Schublade (LachmannTest) Riß des hinteren Kreuzbandes: positive hintere Schublade (Abb.44.5-71)
Eine stärkere Schublade weist auf eine schwerere Schädigung hin
d) Rotations- oder Komplexinstabilität: häufiger als isolierte Bandzerreißungen Häufigste Kombinationsverletzung: Riß des medialen Seitenbandes, des vorderen Kreuzbandes und des Innenmeniskus
Bei diesen Instabilitäten orientiert sich die Klassifizierung an der Rotationsdislokation des Tibiakopfes bei gebeugtem Kniegelenk. Normalerweise liegt die Drehachse im Zentrum in Höhe der Eminentia intercondylica.
Abb. 44.5-70: a. Starke seitliche Aufklappbarkeit weist auf ein komplexes Knietrauma hin, b. Röntgendarstellung
Abb. 44.5-71: Beim Riß des hinteren desfällt der Tibiakopf nach hinten
Kreuzban-
44. Unfallchirurgie
986 Man unterscheidet folgende Komplexinstabilitäten: 1. Anteromediale Rotationsinstabilität (s. Abb.44.5-68b, 69)
2. Anterolaterale Rotationsinstabilität
Pivot shift-Test
Jerk-Test Losee-Test
3. Posterolaterale Rotationsinstabilität
4. Posteromediale Rotationsinstabilität (selten) e) Kombinierte Instabilitäten
Instabilitätsgrade
vorzeitige Arthrose. Beseitigung durch bandplastische Operationen. Keine so guten Erfolge wie bei Erstversorgung
44. Unfallchirurgie
988
Bandersatz wird autogenes Material (dynamische oder statische Sehnenumlagerungen, Fascia lata), insbesondere die oben beschriebene Methode mit einem Bone-Tendon-Bone-Transplantat aus dem mittleren Drittel des Lig. patellae oder allogenes Material (z.B. lyophylisierte Dura) in Verlaufsrichtung des Bandes eingebracht. Xenogenes Material (z.B. C-Fasern, Kunststoffasern) hat sich nicht bewährt. Diese Operationen können aber nicht die guten Erfolge einer gekonnten Erstversorgung aufweisen. Daher ist eine exakte Diagnostik und gute chirurgische Erstversorgung die beste Gewähr für ein stabiles Kniegelenk, bevor primär gesunde Strukturen überlastet, d.h. überdehnt worden sind. Meniskusverletzungen
5.4.3.2 Meniskusverletzungen Klinische Anatomie: Der mediale Meniskus ist mehr C- oder halbmondförmig, der laterale mehr ringförmig angeordnet. Faserknorpel, bradytrophes Gewebe. Nur das äußere Fünftel wird durch Mikrozirkulation ernährt, der Hauptteil durch Diffusion.
Häufige Sportverletzung Ursachen: gewaltsame Drehung des fixierten belasteten Unterschenkels im gebeugten Kniegelenk, das plötzlich gestreckt wird (Fußball, Skisturz)
Diagnose: • Anamnese mit Unfallhergang, Einklemmungen • Spontanschmerz am inneren oder äußeren Gelenkspalt • Schonhaltung in leichter Beugung • intraartikulärer Erguß • Atrophie des M.vastus medialis Weitere diagnostische Meniskuszeichen:
0
Häufigkeit: Häufige Sportverletzung. Der mediale, stärker fixierte Meniskus wird 20mal häufiger verletzt als der laterale. Ursachen: Gewaltsame Drehung des fixierten, belasteten Unterschenkels im gebeugtem Kniegelenk, das plötzlich gestreckt wird. Typische Verletzung beim Fußballspielen und durch Skisturz (Drehsturz). Bei vorbestehender Degeneration reichen Gelegenheitsursachen aus (z.B. Aufstehen aus der Hocke). Wegen hieraus sich ergebender versicherungsrechtlicher Fragen (Arbeitsunfall?) ist eine histologische Untersuchung des entfernten Meniskus unerläßlich. Diagnose: Anamnese: Unfallhergang; Spontanschmerz am inneren oder äußeren Gelenkspalt, je nach verletztem Meniskus; Einklemmungen. Inspektion: Schonhaltung in leichter Beugung, intraartikulärer Erguß. Bei älterem Befund Atrophie des M. quadriceps, insbesondere des Vastus medialis. Palpation, Meniskus zeichen: Druckschmerz über innerem oder äußerem Gelenkspalt. Streckhemmung (DD: Osteochondrosis dissecans mit freier Gelenkmaus). Deutlicher Wippschmerz bei ruckartiger Überstreckung. Ab- oder Adduktionsschmerz bei Außen- bzw. Innenmeniskusschaden (Böhler-Zeichen). Steinmann I: Drehbewegung des Unterschenkels nach außen bei gebeugtem Kniegelenk verursacht Schmerzen am inneren Gelenkspalt bei Innenmeniskusläsion, Drehung nach innen am äußeren Gelenkspalt bei Schädigung des Außenmeniskus. Steinmann II: Wandern des Schmerzdruckpunktes von vorn über lateral nach hinten bei zunehmender Beugung aus der Streckstellung heraus. Beide Zeichen nach Steinmann beruhen auf der physiologischen Mitbewegung der Menisken bei der Rotation und Beugung. Payr-Zeichen: Beim Schneider-(Turken-)Sitz Schmerzen am Gelenkspalt oder in Bauchlage bei 90° gebeugtem Kniegelenk und Überkreuzen der Beine. McMurray-Zeichen: Tastbarer „Klick", knurpsende Geräusche oder Schnapphänomene am inneren Gelenkspalt bei Streckung aus voller Beugung mit Außenrotation des Unterschenkels (Innenmeniskus). Bei Innenrotation gleiches Phänomen am äußeren Spalt bei Außenmeniskusschaden. Sicher wird die Diagnose beim Vorliegen mehrerer positiver Zeichen, ein einziges hat nur eine begrenzte Aussagekraft.
Verletzungsformen (Abb. 44.5-74): Schrägrisse, Querrisse, Längsrisse (Korbhenkelriß) Therapie: Punktion des Ergusses. Beseitigung der Einklemmung durch manuellen Zug oder Manschettenextension am Knöchel
Verletzungsformen: Schräg- und Querrisse, die sich als Lefzen ins Gelenk einschlagen können; Längseinriß, der sich zur sog. Korbhenkelläsion erweitern kann, wenn der zentrale Anteil in das Gelenk luxiert (Abb. 44.5-74). Therapie: Punktion des Ergusses. Beseitigung der Einklemmung durch manuellen Zug oder durch Manschettenextension am Knöchel. Bei klinisch eindeutigem Befund ist die Operation indiziert.
989
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen
Abb. 44.5-74: Rißformen am Meniskus: 1 hinterer Längsriß, 3 Korbhenkelriß, 2-5 lefzenförmige Einrisse, 6 traumatischer Riß am Kapselansatz
Partielle Meniskektomie bei traumatischen Schäden unter Stehenlassen eines schmalen Kapselsaumes, aus dem sich ein Regenerat bildet. Reinsertion des Meniskus durch feine Nähte nur bei traumatischem Riß an der Kapsel im vaskularisierten Anteil. Bei klinisch unklaren Fällen hilft die Arthroskopie zur weiteren diagnostischen Abklärung (Abb. 44.4-3, S.912). Die Arthroskopie (Technik s. S. 911) erlaubt einen ausgezeichneten Einblick in das Kniegelenk. Auch arthroskopische Operationen sind über einige Stichinzisionen möglich. So lassen sich alle Meniskusverletzungen heute arthroskopisch operieren, in dem nur der zerrissene Anteil arthroskopisch reseziert wird. Prognose: Ein geschädigter Meniskus stellt eine Gefahr für den gesamten Knorpel dar. Uber einen chronischen Reizustand mit Synovitis entsteht ein Knorpelschaden, der zur Arthrose führt. Ein geschädigter Meniskus muß demnach entfernt werden. Im Zweifelsfall soll der Meniskus aber belassen werden, da er zur Gelenkführung wichtig ist.
Bei eindeutigem Befund: Operation indiziert Bei traumatischen Schäden: partielle Meniskektomie -> Stehenlassen eines schmalen Kapselsaumes Regeneratbildung Bei traumatischem Riß an der Kapsel: Reinsertion des Meniskus durch feine Nähte. Bei stärkerer Zerstörung oder Degeneration des Meniskus: Meniskektomie Methode der Wahl: Arthroskopische Resektion des zerrissenen Anteils Prognose: geschädigter Meniskus ist Gefahr für den gesamten Knorpel -» Knorpelschaden Arthrose
5.4.3.3 Kniegelenkluxation
Kniegelenkluxation
Ätiopathogenese: Zu dieser seltenen Verrenkung ist eine enorme Gewalteinwirkung notwendig. In 70 % verrenkt der Unterschenkel nach vorn außen oder nach hinten außen. Dabei zerreißt der Kapselbandapparat meist vollständig, regelmäßig werden beide Kreuzbänder und das mediale Seitenband betroffen. Auf die häufige Begleitverletzung der A. poplitea (u. U. nur Intimaverletzung, die zur Thrombosierung führt) und des N. peronaeus und tibialis ist zu achten! Diagnose: Wegen der deutlichen Deformierung klinisch leicht zu stellen. Röntgenbild in 2 Ebenen zum Ausschluß einer Fraktur. Durchblutung und Sensibilität überprüfen. Therapie: Sofortige Reposition, operative Wiederherstellung der zerrissenen Kapsel und Bänder, Immobilisation für 6-8 wochen im Oberschenkelliegegips in 20° Beugestellung des Kniegelenkes. Danach intensive krankengymnastische physikalische Nachbehandlung. Prognose: Restinstabilität und bleibende Peronaeusparese möglich.
Seltene Verrenkung unter größter Gewalteinwirkung. Verrenkung des Unterschenkels nach vorn außen oder hinten außen —> Zerreißen des Kapselbandapparates mit beiden Kreuzbändern und Seitenband
Diagnose: leicht erkennbar. Röntgenbild in 2 Ebenen Therapie: • sofortige Reposition, operative Wiederherstellung der Kapsel und Bänder, Immobilisation für 6-8 Wochen, krankengymnastische Nachbehandlung Prognose: Restinstabilität und bleibende Peronaeusparese möglich
5.4.3.4 Patellaluxation
Patellaluxation
Ätiopathogenese: Selten rein traumatisch bedingt, disponierende Gelenkfaktoren maßgebend: Patellahypoplasie mit Hochstand, Genu valgum, dysplastische laterale Femurkondyle (zu flach), schlaffer Kapselapparat. Betroffen sind meist Jugendliche, Mädchen häufiger als Jungen. Die Patella luxiert praktisch immer nach lateral. Begleitverletzung: Osteochondrale Abscherfrakturen am lateralen Femurkondylus und an der Patellarückfläche, Abrißfrakturen an der medialen Patella, Retinakulumeinrisse medial.
Luxation der Patella nach lateral. Selten rein traumatisch bedingt, sondern auch durch disponierende Gelenkfaktoren Begleitverletzung. Abscherfrakturen am Femurkondylus und Patellarückfläche Abrißfrakturen an der Patella, Retinakulumeinrisse
990 Diagnose: Patella steht senkrecht lateral der Femurkondyle. Röntgen in 2 Ebenen
44. Unfallchirurgie
Therapie: • sofortige Reposition • Punktion des Hämarthros Bei osteochondralen Fragmenten: operative Refixierung
Diagnose: Klinisch eindeutig, Patella steht senkrecht lateral der Femurkondyle. Röntgen in 3 Ebenen: Knie a. p. und seitlich, Patellatangenitalaufnahme. Therapie: Sofortige Reposition, Punktion des Hämarthros. Bei osteochondralen Fragmenten operative Refixierung. Bei habitueller Luxation s. Lehrbuch Orthopädie. Prognose: Habituelle Luxation, Chondropathia patellae mit Arthrose im femoro-patellaren Gleitlager.
Patellafraktur
5.4.3.5 Patellafraktur
Entstehen durch direkte Gewalteinwirkung, wie Sturz auf das gebeugte Kniegelenk. Seltener als Abrißfraktur am oberen oder unteren Pol - A m häufigsten Querbrüche Ferner: Sternbruch, Trümmerbruch, Polfraktur, Längsbrüche (selten). Häufig offene Frakturen Diagnose: • Schwellung • Hämarthros • Tastbare Delle im Querbruch • Bein kann nicht gestreckt gehoben werden • Röntgen in 2 Ebenen • Tangentialaufnahme bei Verdacht auf Längsbruch Therapie: konservativ bei Fissuren und Längsbrüchen ohne Dislokation mit funktioneller Behandlung nach Ruhigstellung. Bei Stufenbildung: absolute Operationsindikation Verfahren (Abb. 44.5-75): Zuggurtungsosteosynthese nach stufenloser Reposition. Naht der zerrissenen Retinacula funktionelle Nachbehandlung Prognose: Arthrose im Gleitlager bei verbliebener patellarer Stufe
Ätiopathogenese: Meistens direkte Gewalteinwirkung durch Sturz auf das gebeugte Kniegelenk, seltener als Abrißfraktur am oberen oder unteren Pol bei plötzlichem Anspannen des M. quadriceps und bei gebeugtem Kniegelenk, z.B. bei Abwehr eines Sturzes. Formen: Am häufigsten Querbrüche, Mehrfragmentbruch als Sternbruch, Trümmerbrüche, Polfrakturen, selten Längsbrüche. Häufig offene Frakturen. Diagnose: Schwellung, Hämarthros. Sichtbare oder tastbare Delle bei Querbruch. Aktiver Streckausfall, das Bein kann gestreckt nicht gehoben werden. In diesem Fall sind die Retinacula miteingerissen (Reservestreckapparat). Röntgen in 2 Ebenen, zusätzlich Tangentialaufnahmen zur sicheren Feststellung von Längsbrüchen. Differentialdiagnostisch ist eine Patella bipartita, die immer im oberen äußeren Quadranten liegt und meist doppelseitig auftritt, abzugrenzen.
Unterschenkelbrüche
5.4.4 Unterschenkelbrüche
bei Wahl des Behandlungsverfahrens sind folgende Besonderheiten zu beachten:
Der Unterschenkel hat Besonderheiten, die das Behandlungsverfahren konservatives oder operatives Vorgehen - beeinflussen:
Therapie: Konservativ nur bei Fissuren (subaponeurotische Frakturen) und Längsbrüchen ohne Dislokation, bei letzteren u.U. auch funktionelle Behandlung, sonst Ruhigstellung im Gipstutor für 4-6 Wochen. Vorher Punktion des Hämarthros. Bei Stufenbildung und beim Vorliegen einer Diastase ist absolute Operationsindikation gegeben (Gelenkfraktur). Das klassische Verfahren ist die Zuggurtungsosteosynthese (s.S.925) nach stufenloser Reposition (Abb. 44.5-75). Naht der zerrissenen Retinacula. Funktionelle Nachbehandlung. Bei Zerstörung u.U. Teilresektion der Patella (z.B. unterer Pol), nur bei völliger Zertrümmerung Patellektomie. Prognose: Bei verbliebener retropatellarer Stufe droht die Arthrose im femoropatellaren Gleitlager. Bei Knorpelkontusion Gefahr der posttraumatischen Arthrose.
Abb.44.5-75: a. Patellaquerfraktur, b. Zuggurtungsosteosynthese
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen • Der Weichteilmantel ist dünn, die gesamte mediale Ubiafläche ist lediglich durch die Haut geschützt. • Die Tibia wird im wesentlichen nur durch ein Hauptgefäß versorgt. Bedingt duch diese beiden Besonderheiten ist die Abwehrlage herabgesetzt und die Infektionsrate nach Osteosynthesen höher als an allen anderen Knochen. • Die 4 Muskelgruppen sind in 4 durch Bindegewebe fest begrenzten Logen (Kompartments) umhüllt. Erhöhter Binnendruck durch Blutung oder Ödem führt schnell zu einem Kompartment-Syndrom, z. B. Tibialis-anterior-Syndrom (s. S. 934). • Geringe Abweichungen der Achse verändern die Statik des Beines und damit die physiologische Belastung der benachbarten Gelenke. Die Tragachse des Beines verläuft vom Zentrum des Hüftkopfes durch die Kniemitte zur Mitte des oberen Sprunggelenkes.
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krankengymnastische Ubungsbehandlung Operativ bei Impressions- und Depressionsfrakturen: oberstes Ziel ist Wiederherstellung der Kongruenz der Gelenkflächen: stufenlose Reposition -> Unterfütterung des Spongiosadefektes durch autogene Spongiosa übungsstabile Osteosynthese durch Spongiosaschrauben oder mit Abstützplatte, bei Instabilität: Rekonstruktion der Bänder funktionelle Nachbehandlung Prognose: posttraumatische Arthrose Evtl. Restinstabilität Bei Achsenfehlsteilung Umstellungsosteotomie 2. Unterschenkelschaftbrüche Bruch beider Unterschenkelknochen Entstehung durch direkte Gewalt in Form von Quer-, Schräg-, oder Etagenbruch
44. Unfallchirurgie
Begleitverletzungen: Bandrupturen oder deren knöcherne Ausrisse, Meniskusrisse (meistens am Kapselrand), Knorpelläsionen (Kontusion oder Abscherfrakturen), N.-peronaeus-Schädigung hinter dem Fibulaköpfchen, Kompression der A.poplitea. Diese neurovaskulären Komplikationen treten besonders bei den Luxationsfrakturen auf. Diagnose: Schwellung, Hämarthros, häufig Hautkontusionsherde, Krepitation, u.U. Fehlstellung, Gelenkinstabilität (Differentialdiagnose: reine Bandverletzung), Functio laesa, Röntgen in 2 Ebenen (Abb. 44.5-77). Gelegentlich ist zur genauen Beurteilung der Impression ein Tomogramm erforderlich. Überprüfung der Durchblutung und der Funktion des N. peronaeus. Therapie: Konservativ bei fehlender Verschiebung oder bei im wesentlichen stufenlosen Gelenkflächen und bei den meisten Brüchen des alten Menschen. Nach anfänglicher Ruhigstellung für 2-3 Wochen im gespaltenen zirkulären Oberschenkelliegegips - nach Abpunktieren des Hämarthros Weiterbehandlung auf Bewegungsschiene oder unter Entlastung mit zwei Gehstützen mit krankengymnastischer Übungsbehandlung. Dauer der Entlastung 10-12 Wochen. Gelegentlich kann auch bei stabilen Frakturen sofort mit funktioneller Behandlung ohne Immobilisation begonnen werden. Operatives Vorgehen bei Depressions- und Impressionsfrakturen und bei den instabilen Luxationsfrakturen: Oberstes Ziel ist die Wiederherstellung der Kongruenz der Gelenkflächen und der Stabilität: stufenlose Reposition, Anheben des imprimierten Knorpels (was auch unter arthroskopischer Kontrolle möglich ist), Unterfütterung des Spongiosadefektes im ehemaligen Impressionsbezirk durch autogene Spongiosa aus dem Beckenkamm, übungstabile Osteosynthese durch Spongiosaschrauben als Zugschrauben oder mit einer Abstützplatte (T- oder L-Platte). Nach Rekonstruktion in Narkose Bandstabilität überprüfen. Bei Instabilität: Rekonstruktion der Bänder. Anschließend funktionelle Nachbehandlung. Belastung nach 1012 Wochen wie nach konservativer Behandlung. Prognose: Posttraumatische Arthrose entweder als Inkongruenzarthrose oder durch Knorpelschaden. U. U. Restinstabilität durch mitverletzte Bänder. Achsenfehlstellungen (Tragachse des Beines bestimmen) erfordern eine Umstellungsosteotomie.
5.4.4.2 Unterschenkelschaftbrüche Definition: Bruch beider Unterschenkelknochen. Sonst spricht man von einem isolierten Tibia- oder Fibulabruch.
993
Regionale Systematik der Frakturen und Luxationen Häufigkeit: Häufige Verletzung bei Jugendlichen und bei aktiven Erwachsenen. Isolierte Tibiafrakturen sind bei Kindern die häufigste Extremitätenverletzung. Ursachen: Direkte Gewalt durch Stoßstangenverletzung des Fußgängers, meist in Form eines Quer-, Schräg- oder Etagenbruches. Indirekte Gewalt bei feststehendem Unterschenkel, z.B. Skisport, Fußballspiel, dann häufig als Spiralbruch. Formen: Alle in Abschnitt 4.2 (S.913) genannten Formen. Rund 25% der Brüche sind offen mit den sich besonders am Unterschenkel ergebenen Weichteilproblemen (Klassifizierung des Weichteilschadens s.S.919). AOKlassifikation s. Abb. 44.4-11, S.917. Diagnose: Alle unsicheren und sicheren Knochenbruchzeichen. Röntgenbild in 2 Ebenen mit den benachbarten Gelenken. Die Fehlstellungen entstehen eher durch die Gewalteinwirkung und die Lagerung als durch Muskelzüge. Letztere bedingen jedoch die häufigsten Fehlstellungen, die Verkürzung, Valgusfehlstellung und häufig auch die Rekurvation. Therapie: Die von großer Verantwortung getragene Entscheidung über die einzuschlagende Behandlung wird auch von der praktischen Erfahrung des Arztes mitbestimmt. Bei keiner Fraktur liegen die Vor- und Nachteile der operativen Methode so nahe bei den Nach- und Vorteilen der konservativen (s. Kap. 4.6, S.922), so daß die Entscheidung gut überlegt und mit dem Verletzten abgesprochen sein muß. So steht den unbestrittenen Vorteilen der Operation ein im Vergleich zu anderen Frakturen ungleich höheres Infektionsrisiko bis hin zur Osteitis gegenüber. Wegen der schlechten Weichteildeckung und der Knochendurchblutung ist die Infektionsrate bei der Tibiaosteosynthese sehr hoch. Die erste Frage des Chirurgen lautet: Operative oder konservative Behandlung? Sie lautet nicht: Welche Osteosynthese ist die geeignetste? Diese Entscheidung kann auch nie allein vom Röntgenbild her entschieden werden, die Weichteilverhältnisse spielen dabei eine entscheidende Rolle! So werden in mehr operativ eingestellten Kliniken ca. 50% der Unterschenkelbrüche operiert, in Kliniken mit traditionell konservativem Vorgehen (z.B. in Osterreich, Schule um Lorenz Böhler) immerhin auch 20%. Konservativ: - Nicht dislozierte Brüche: Ruhigstellung im gespaltenen Oberschenkelliegegips in 20°-Beugung des Kniegelenkes und Rechtwinkelstellung des oberen Sprunggelenkes. Die Spaltung des Gipses hat „bis zur letzten Faser" zu erfolgen! Hochlagerung der Extremität zum besseren Abschwellen. Nach etwa 1 - 2 Wochen geschlossenen Oberschenkelliegegips oder -gehgips, je nach Stabilität des Bruches. - Schräg-, Spiral- und dislozierte Brüche: Abrutschgefährdete Brüche benötigen eine Extension, die über einen Kalkaneusdraht oder SteinmannNagel zu erfolgen hat (s. Abb.44.4.-15, S.923). Belastung mit 3 kg über 3 Wochen, Lagerung auf Braun-Schiene im gespaltenen Oberschenkelliegegips oder breiter Gipsschale. Röntgenkontrolle sofort nach Reposition, vor Ende der ersten Woche, dann wöchentlich bis zum Umgipsen nach der 3. Woche, dann alle 4 Wochen. Nach Ende der ersten Woche soll der Bruch „stehen". Wiederholte Repositionsmanöver begünstigen die verzögerte Heilung bis hin zur Pseudarthrose. Bei mäßiger Fehlstellung in einer Ebene kann die Korrektur durch Keilen des Gipses erfolgen: Bei Valgusfehlstellung wird der Gips auf der Außenseite semizirkulär durchsägt und mittels eines Holzkeiles bis zur korrekten Stellung aufgebogen (Bildwandlerkontrolle). Verschluß der Keilstelle durch Gipsbinden. Korrekturbedürftig sind folgende Fehlstellungen > als 5° bei Varus- und Drehfehlstellung, >10° bei Valgusfehlstellung, Seitenverschiebung um mehr als V4 Schaftbreite.
Indirekte Gewalt bei feststehenden Unterschenkeln. Oft offener Bruch Häufigste Extremitätenverletzung bei Kindern
Diagnose: • alle Knochenbruchzeichen • Röntgenbild in 2 Ebenen • Fehlstellungen
Therapie: Abwägung der Vor- und Nachteile einer konservativen oder operativen Therapie ist sehr schwierig. Bei Operation hohes Infektionsrisiko Weichteilverhältnisse spielen entscheidende Rolle
Konservative Therapie: • nicht dislozierte Brüche: Ruhigstellung im gespaltenen Oberschenkelliegegips in 20° Beugung des Kniegelenkes Rechtwinkelstellung des oberen Sprunggelenkes. Spaltung des Gipses „bis zur letzten Faser". Nach 1 - 2 Wochen geschlossener Oberschenkelliegegips • Bei Schräg-, Spiral-, und dislozierten Brüchen: • bei abrutschgefährdeten Brüchen Extension über Kalkaneusdraht oder Steinmann-Nagel Belastung mit 3 kg über 3 Wochen. Lagerung auf BraunSchiene im gespaltenen Oberschenkelliegegips Nach der ersten Woche soll der Bruch „stehen". Wiederholte Repositionsmanöver verzögern Heilung bis zur Pseudarthrose Bei mäßigen Fehlstellungen: Korrektur durch Keilen des Gipses Folgende Fehlstellungen sind korrekturbedürftig:
konvenQuotient tionelle Einheit
Aldosteron Aluminium Bilirubin Blutgase Cholesterin Cortisol (5-Aminolaevulinsäure Glucose Harnsäure Harnstoff
pmol/l umol/l [xmol/l kPa mmol/l nmol/l |j,mol/l mmol/l (imol/l mmol/l
5-Hydroxyindolessigsäure Kreatin Kreatinin Lactat Salicylsäure Testosteron Triglyceride Vanillinmandelsäure Xylose
|imol/l |imol/l Umol/I mmol/l mmol/l nmol/l mmol/l Umol/I mmol/l
0,361 27 0,585 7,5 38,7 0,362 0,131 18 0,168 6
ng/l ng/i mg/l m m Hg mg/dl ng/i mg/l mg/dl mg/l mg/dl
0,191 0,013 0,013 9,1 138,12 0,288 87,5 0,198 0,150
mg/l mg/l mg/l mg/dl mg/l ng/ml mg/dl mg/l g/i
3. Abkürzungsverzeichnis Ak d d ELISA enzym. f frgl. g h 3 H Hb HDL ig IMAC INR IRMA J. k
mikro-, 10" 6 Antikörper dezi-, 10" 1 Tag Enzyme Linked Immuno Sorbent Assay enzymatisch femto-, 10" 15 fraglich Gramm Stunde Tritium Hämoglobin High Density Lipoproteins Immunglobulin Immunaktivierungsverfahren International Normalized Ratio zur Standardisierung der Thromboplastinzeit unter Cumarintherapie Immunoradiometrischer Assay Jahre Kilo-, 103
k-Zeit I LDL Lit. m m m me MCH MCHC MCV MEIA min mol n NAC
Thrombusbildungszeit im Thrombelastogramm Liter Low Density Lipoproteins nach Literaturangabe männlich (Normbereiche) Meter milli-, 10" 3 maximale Thrombuselastizität im Thrombelastogramm mittleres corpusculäres Hämoglobin (der Erythrocyte^ mittlere corpusculäre Hämoglobinkonzentration (der Erythrocyten) mittleres corpusculäres Volumen (der Erythrocyten) Mikropartikel-Enzymimmunoassay Minute Stoffmenge; 6,023 x 1023 Moleküle nano-, 10" 9 N-Acetylcystein
Abkürzungsverzeichnis OH opt. optim. P Pa path. pC0 2 pH
Hydroxyoptisch optimiert pico-, 10" 12 Pascal pathologisch Partialdruck des Kohlendioxids negativer Logarithmus der WasserstoffionenKonzentration
1065 PNM p0 2 r-Zeit RID turbidimetr. U UV Verdachtsber. w
polymorphkernige neutrophile Makrophagen Partialdruck des Sauerstoffs Recalcifizierungszeit im Thrombelastogramm Radiale Immundiffusion turbidimetrisch Units ultraviolett Verdachtsbereich weiblich (Normbereiche)
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Sachregister Fett gedruckte Seitenzahlen verweisen auf die Hauptstichworte mit ausführlichem Text.
Abbruch des Processus coronoideus 950 - , Zugschraubenosteosynthese 951 ABCD-Regel 189,906 Abdeckung auf dem Operationstisch 87 Abdominale Erkrankungen ohne Erbrechen 628 Abdominalverletzungen 889 ff. - , Epidemiologie 889 - , synchrone interdisziplinäre Versorgung 889 - , Ursachen 889 Abdominopelvine Verletzungen 899 Abkürzungsverzeichnis für Laboreinheiten 1064f. ABO-Blutgruppensystem 151 f., 242 - , natürliche Antikörper 151 - , phänotypische Verteilung 151 Abriß des Labrum glenoidale 945 Abriß des Tuberculum majus 943, 945 Abrißfraktur 914 Abrißfraktur der Epikondylen am Humerus 948 Abscher-, Schubfraktur 914 ABSI-Verbrennungsscore 29 Absolute Arrhythmie 148 Abstehende, deformierte Ohren 874 Abstoßungsreaktionen - , akute zellvermittelte 243,244 - , chronische 243 - , organspezifische 243 - , hyperakute 243 Abstützplatte (T-Platte) 926 Abszeß 75 f. - , Definition 75 der Submandibularloge 316 - , intraabdominelle 645 ff. - , CT-/sonographiegesteuerte Pigtail-Drainage 647 - , Diagnostik 647 - , Komplikationen u. Prognose 647 - , Lokalisationen, typische 646 - , - , perityphlitischer 589 - , - , postoperativer 646 - , - , Symptomatik 646 - , - , Therapie 647 - , retroperitonealer 727 f. - , - , Beugeschonhaltung bei Psoasmitbeteiligung 728 - , - , gesteuerte Punktion und Pigtail-Drainage 728 - , - , lokalisatorische Einteilung 727
- , - , Symptome und Diagnostik 728 - , - , Typische Symptomtrias 728 - , - , Ursachen 728 - , subpektoraler 355 - , subskapulärer 355 - , Therapie 76 - , typische Lokalisationen 76 Abwehrspannung 627 Achalasie 485 ff. - , Definition 485 - , Diagnostik 486 - , Differentialdiagnose 487 - , Dilation mit Ballonsonde 487 - , Formen 486 - , Gottstein-Heller-Myotomie 487 - , Krebsrisiko 486 - , manometrische Untersuchungen 487 - , medikamentöse Therapie 487 - , Ösophagofundostomie 488 - , Operationsindikationen 487 - , Plexus myentericus (Auerbach) 485 pneumatische Dilatation 18 - , Reduzierung der Cholinesteraseaktivität 485 - , Symptomatik 486 - , typische Röntgen-Zeichen 487 - , - , zur Differentialdiagnose 503 - , Weinkelchform des Ösophagus 487 Achillessehnenruptur 1033 - , Diagnose 1033 f. - , Häufigkeit und Ursachen 1033 - , Operationsverfahren und Nachbehandlung 1034 - , Pathophysiologic 1033 - , Sonographie 13 Achillodynie 1036 18-FDG-PET (Fluorodeoxiglukose-Positronenemissionstomographie) 699 Actinomyces israeli 82 Adam-Stokes-Anfälle 137 Adam-Stokes-Syndrom 426 Addison-Krise 761 Adenokarzinome 224 Adenom, Definition 580 Adenomatosis coli 579 f. Adenome 224 Adenom-Karzinome-Sequenz 17, 579,580,581 - , genetische Grundlagen 580 Adenylcyclase 750 Adipositas 874 Adnexitis 590 Adoleszentenstruma 749 ADP-Freisetzungsdefekt 167
Adrenogenitales Syndrom ( AGS) 783f. - , angeborenes 783 f. - , Symptome 784 - T h e r a p i e 784 erworbenes 784 - , androgenproduzierender Nebennierentumor 784 Adson-Test 436, 464 AER-Test 435, 464 Aerobilie 607,682, 683 Aerogene Erregerübertragung 85 Aerosoltherapie 202 - , Teilchengröße 202 Ästhetische Chirurgie, -Indikationsstellung 875 f. Ästhetisch-plastische Gesichtschirurgie 329 ff. Afterloading-Bestrahlung 232 Ageusie 319 AIDS 99 ff. - , abdominelle Manifestationen 101 f. - , - , chirurgische Therapie 102 - , - , Diagnostik 102 - , - , Prognose 103 - , anorektale Manifestationen 102 - , AZT/DDC-Kombinationsprophylaxe 104 AIDS-definierte Erkrankungen
101
- , klinische Manifestationen 101 ff. - , pulmonale Manifestationen 103 Air-flow-Bett 68,71 Akalkuli 270 Akinetischer Mutismus 303 Aktinomykose 82 - , zervikofaziale 319 Akustikusneurinom 270,271 Akutes Abdomen 623 ff. - , akute abdominale Blutungsquellen 624 - , Änamneseerhebung 630 - , Angiographie 633 - , Auskultation 632 - , beim Kind 634 f. - , - , Untersuchung 635 - , - , Ursachen 635 - , bei Schwangeren 635 - , - , Diagnostische Prinzipien 635 - , - , Differentialdiagnose 635 f. - , Bruchlückenuntersuchung 631 - , Darmrohr, peranales 633 -Definition 623f. -Diagnostik 630ff. - , Differentialdiagnose 634
- , Erbrechen, reflektorisches 627 extraabdominale Erkrankungen 624 - , Häufigkeit 624 - , Häufigkeit operativer Eingriffe 626 - , intraabdominale Erkrankungen ohne operative Konsequenz 624 - , Klinische Untersuchung 630f. - , Kolonkontrasteinlauf 633 - , Konsiliaruntersuchung 634 - , Laboruntersuchungen 632 - , Laparoskopie 634 - , Magensondenplazierung 633 - , Mobilitätsstörungen 627 ff. - , Operationsvorbereitungen 636 - , Palpation 631 - , Peritoneallavage 634 - , präoperative Therapie 636 - , rektale, digitale Untersuchung 631 - , Röntgen-Abdomenübersicht -, -, -, -, -, -,
11
Röntgen-Untersuchung 632 Schmerzcharakteristik 626 f. Schwenkeinlauf 633 Sonographie 11,632 Symptomatik 626ff. topographische Differentialdiagnose 625 - , Urologische Diagnostik 633 - , Ursachen mit sofortiger operativer Konsequenz 624 Akutes HIV-Syndrom 100 Akute Tubulusnekrose nach Nierentransplantation 246 Ala-Röntgen-Aufnahme 971 Albright-Syndrom 1048 Alcusonium 181 Alfentanyl 181 Algorithmen 30 Algurie 829 Alkalose 130,131 - , Kompensationsmechanismen 131 Alkoholinjektion in Leberkarzinome 235 Allgemeinzustand, Definition 122 Allgöwer-Naht 110 Allotransplantate 880 Alpha-l-Äntitrypsin 165 Alpha-Fetoprotein (AFP) 230, 663,672,856 Alter, biologisches und numerisches 215 altersabgestufte mittlere Lebenserwartung 216 Altersappendizitis 218,590 Alterschirurgie 214ff.
1070 -, arterielle Durchblutungsstörungen 215 - , Bronchialkarzinom 217 - , Gallensteinleiden 218 -, Grundsätze 216 f. - Immobilität 215 Indikationsstellung 216 Leistenhernie 218 Leistungsreserven 215 -, Letalität bei Not- und Elektiveingriffen 217 -, Lungenfunktion 217 -, maligne Tumoren 215 -Noteingriffe 215 - , Ösophaguskarzinom 218 -Operabilität 216 - , postoperative Komplikationen bei Not- und Elektiveingriffen 217 - , Reaktionsfähigkeit und Schmerzempfindung 215 soziale Aspekte 216 -Strategien 215ff. -, Thoraxeingriffe 217f. - , Thoraxverletzungen 218 - Z i e l e 215 Alters-Definition der WHO 215 Altersfleckenentfernung 210 Altersfolgen 875 Altersprobleme, spezielle 215 - , Immunsystem 215 -Multimorbidität 215 Alterspyramiden 214 Amastie, einseitige 875 Amaurose 270 Amaurosis fugax 452 Ameloblastom 327 Amenorrhoe 784 Aminoglykoside 95 f. - , Dosierung 95 - , Indikationen 96 - , Nebenwirkungen 96 - , Wirkungsspektrum 95 Ammoniakintoxikation 657 Amöbiasis 83 Amputationen 114,481 f. - , Komplikationen 481 - , Operationsletalität 481 - , Rehabilitation 481 Amyloidose bei Bronchiektasen 377 Anämie 136 - , hämolytische 719 - , nach Magenresektion 550 f. Anaesthesia dolorosa 301 Anästhesie 175 ff. -, Aufgaben 175 - , Intubation 177 - , Nüchternheitsgebot, (mit Ausnahmen) 176 - , Patientenvorbereitung 175 f. -, -, körperliche Untersuchung 175 - , Prämedikation 176 Anästhesietiefe, Plana 178 Anästhesieverfahren 176 ff. Analabszesse 618 f. - , Endosonographie 618 - , operatives Vorgehen und Nachbehandlung 618f. -, topographische Einteilung nach Stelzner 618
Sachregister Analfissur - , Ätiologie und typische Lokalisation 617 - , Definition 616 f. - , konservative Therapie 617 - , operative Verfahren 617 - , Symptome und Diagnose 617 Analfisteln 619 - , Ätiologie und Einteilung nach Stelzner 618, 619 - , bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa 619 - , Exzision nach Girona 619 - , Operationsprinzipien 619 - , Symptome und Diagnose 619 Analkarzinom 621 - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 621 - , Lokalisation und Histologie 621 - , Metastasierung 621 - , multimodales Therapiekonzept 621 - , Prognose 621 - , Symptome, Diagnose, Differentialdignose 621 Analprolaps - , Definition 613 Analsphinkterdehnung, digitale 617 Analstriktur 613 - , V-Y-Plastik nach Dieffenbach 613 Anal- und Rektumatresie 812 f. -Definition 812 - , Formen der Fistelverbindungen 812 - , Operationsverfahren 812f. - , Symptome und Diagnostik 812 Anamneseerhebung lf., 2 Anastomosenulcera nach Magenresektion durch Gastrinom 788 Anatomie der Koronargefäße 415 Anatomie der seitlichen Halslymphknoten 339 Aneurysma - , Ätiologie 446,447 dissecans 446 - , - , Aortoduodenale Fistel 449 - , entry und reentry 450 - , - , Klassifikationen nach De Bakey 449 - , - , Leitsymptome 447,449 - , falsum 446,449 - , Formen 446 - , infiziertes 446 - , peripheres 448 - , - , Embolusstreuherd 448 - , posttraumatisches 904 spurium, s. falsa verum 447f. Aneurysmapalpation 434 Anfälle, psychomotorische 270 Angeborene bulbäre Harnröhrenenge, (Knaben) 868 Angina abdominalis 434 Angina pectoris 293 Angio-CT 10 Angiodysplasie 17,600 f., 661 Differentialdiagnose 468 - , Einteilung 601 - , kongenitale 468
- , Prädilektionsstellen 601 - , Symptome und Diagnostik 468, 601 -.Therapie 601 - , Typ Servelle-Martorell 468 Angiographie 10 - , Indikationen 437 - , spinale 288 - , zerebrale 8,272 Angiologische Basisuntersuchungen 434 Angiolopathien 433 Angiomatosen 822 „angiomuskulärer Dehnverschluß" d. Speiseröhre 483 Angioneuropathien 433 Angioplastie - , Komplikationen 440 Angioskopie 443 Anomalien im Aortenbogenbereich 405 f. - , Operationsverfahren 406 Anomalien proximale Aorta - , Operationsindikationen, Verfahren 405 - , pathophysiologische 405 - , Risiko 405 - T y p e n 405 Anophthalmie 304 Anorektale Verletzungen 620, 899 Anorexie 555 Anotie 304 Anpralltraumen, direkte 889 Anteropyloroduodenojejunostomie 700 Anurie 873 Anus 611 ff. - , klinische Anatomie 611 Anulusdilatation der Mitralis 423 Anus praeter naturalis 574f. - , doppelläufiger 575 - , Komplikationen 576f. - , Stomapositionen 575 Antazida 141 Anthrax 79 Anthropozoonose 82 Antibiotika - , Dosierung bei Niereninsuffizienz 97f. - , Dosierung und Nebenwirkungen 96 - , Wirkstoffgruppen 91ff. Antibiotikaketten, (Septopalketten) 1030 Antibiotikaprophylaxe 87,91 - , perioperative Kurzzeitprophylaxe 91 Antibiotikatherapie 89 ff. - , allergische Nebenwirkungen 90 f. - , Applikationsdauer 90 - l o k a l e 90 - , Präparateauswahl für Intensiv-/ Normalstation 91 - , Resistenzbestimmung 91 - , Voraussetzungen 89 Antigen-Antikörper-Komplexe 73 Antihämophiles Globulin 164 Antikoagulanzientherapie 169 Antikörper: pANCA bei Colitis ulcerosa 597
- , zytotoxische 242 Antiplasmin 165 Antirefluxoperation - , extravesikale Verfahren nach Lich-Gregoire 836 Politano-Leadbetter 836 Anti-Trendelenburg-Lagerung 476 Antrale G-Zell-Hyperplasie 788 Therapie 788 „antral mill" 513 Anthrax 79 AO = Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesen 916 AO-Einteilung 916f. - , nach Schweregraden 916f. AO-Klassifikation der Knochen 916 - , Leitmotiv 924 - , Verfahren 924f. - , -, Indikationen, absolute und relative 924 - , -, Metallentfernung 924 - , - , Operationszeitpunkt 924 Aortenaneurysma, abdominales 447f. - , aortoduodenale Fistel 448 - , aortokavale Fistel 447 - , Embolien, periphere 448 - , Inzidenz 447 - , konkommittierende Risikofaktoren 448 - , Operationsindikationen 448 - , Operationsletalität 448 - , Operationstechnik 448 - , Ruptur 447 - , Rupturhäufigkeit 447 - , Symptomatik 447 - , transfemoraler-, selbstexpandierender Stent 448 - , thorakale 426 - , -, mit Aortenklappeninsuffizienz 426 - , -, Operationsergebnisse 426 - , -, Operationsindikation und Verfahren 426 - , -, Paraplegie 426 - , -, Prädilektionsstellen 426 - , -, Symptome und Diagnostik 426 Aortenbogensyndrom 461 ff. Aortendissektion, akute 425 f. - , Intimaeinriß, Entry und Reentry 425 - , Lokalisationstypen 425 - , natürlicher Verlauf 425 - , Operationsergebnisse 426 - , Operationsindikationen und Operationsfaktoren 425 f. - , Pathophysiologie 425 - , Ursachen 425 Aorteninsuffizienz - , Ursachen 422 Aortenisthmusstenose 404f. - , Formen und Pathophysiologie 404,405 - , Komplikationen 404 - , Operationsverfahren 405 - , Symptome und Diagnostik 404 Aorten- und Mitralklappenerkrankungen 424
Sachregister Aortenruptur, traumatische 424, 901 - , Ergebnisse 424 - , ischämische Rückenmarkschädigung 424 - , Symptome und Diagnostik 424 - , Ursache und Verlauf 424 Aortenstenosen (AS) - , Ursachen 422 Aortenverletzungen 903 Aortenverschluß, hoher 456 Aortenvitien 422 - , Hämodynamik 422 - , kombinierte 422 - , Operationsindikationen, differenzierte 422 - , Operationsverfahren- und Letalität 422 - , Symptome und Diagnostik 422 Aortobifemoraler Bifurkationsbypass 456 Aortoiliakale T E A 456 Aortoiliakaler Abschnitt - , extraanatomischer Bypass bei Gefäßinfektion 456 - , Angioplastie, Stent 456 - . T h e r a p i e 455f. Aortokoronarer Bypass - , Frühverschluß 400 Aortokoronarer Venenbypass 417 - , Notfalleingriff 417 Aorto-mesenterialer Bypass 467 Aorto-portale Fisteln 468 Aorto-pulmonales Fenster 407 APACHE-II-Score, (akute physiology and chronic health évaluation) bei Peritonitis 29,645 Apallisches Syndrom 279,303 APC-Resistance 165,169 APGAR-Einteilung 29 Aplasie 342 Aplasie des Daumens 1032 Appendices epiploicae 565 Appendix - , Morbus Crohn 592 - , Adenokarzinom 592 - , karzinoid 592 - , mukozele 592 Appendizitis, akute 589 ff. - , Appendektomie - , - , konventionelle 591 - , - , laparoskopische 591 - , Differentialdiagnose 590 f. - , im Bruchsack 802 - , in der Schwangerschaft 591 - , Laborparameter 590 - , Lagevarianten 589 - , Operationsletalität 591 - , Pathogenese 589 - , Perforationsrate im Alter 218 - , Spätkomplikationen 591 - , subakute (chronische) 591 - , Symptomatik 589 - , typische Druckpunkte 590 - , Zökalphlegmone 591 „Apple-peel-Deformität" 806 Apraxie 270 Aprotinin 168 A P U D o m e 786, 788 - , Metastasierung 786 - , Typeneinteilung 778
1071 APUD-Zellen und Organe 775 APUD-Zell-Tumoren 767 Aquaeductus Sylvii 268 Aquaeduktstenose 271 A R D S 194 ARF-Regel nach Frost 921 Argininchlorid 131 Argon-Laser 207 Arm- und Beinwannen nach Kneipp 204 Arnold-Chiari-Fehlbildung 284, 285 A-Ring, (Ösophagus) 499 Aromatosehemmer, (Orimeten®) 858 Arrhythmie 630 A. basilaris-Verschluß 276 A. carotis - , Wandulzerationen 458 A. carotis-Stenosen 458 ff. - , apparative Diagnostik 459 - , Auskultation der Halsarterien 459 - , Eversionsendarteriektomie (EEA) 460 f. - , Hirnnervenläsionen, postoperativ 461 - , Hirnszintigraphie 459 - , Kontraindikationen für eine Operation 460 - , Operationsergebnisse 461 - , Operationsindikationen, stadiengerechte 459 - , Operationsverfahren 460 - , postoperative Schlaganfallrate 461 - , T E A und intraluminaler Shunt 460 - , VY-Plastik 460 A. carotis-Verschluß 276 A. iliaca-Aneurysma 448 A.lusoria 425 A. vertebralis-Stenosen 463 - , Operationsverfahren 463 - , Segmenteinteilung 463 - , Symptome und Diagnostik 463 Arterielle Embolie 450 ff. - , Amputationsrate 452 - , Differentialdiagnose 451 - , Embolusstreuherde 450 - , - , Ausschaltung des Streuherdes 451 - , Embolusstreubahnen 450 f. - , Epidemiologie 450 - , Extremitäten - , - , Prognose 451 f. - , Sofortmaßnahmen 451 Arterielle Mikroembolie 452 f. - , akrale Regionen 453 - D e f i n i t i o n 452 - , Symptome 452 - , Therapie 453 Arterielle Switch-Operation 411 Arterielle Thrombose 450 - , lokale Lyse 452 - , Pathogenese 451 - , Prädilektionsstellen 452 - , Sofortmaßnahmen 452 - , Symptomatik 452 AVK (Arterielle Verschlußkrankheit) 432 ff. - , apparative Untersuchungen 436 ff.
- , Ausschaltung der Risikofaktoren 438 - , Basistherapie 438 - , Epidemiologie 432 - , hämodynamische Auswirkungen 434 - , interventionelle endoluminale Therapie 439 - , Pathophysiologic 432 ff. Prädilektionsorte 432f. - , Prädilektionsstellen an den hirnversorgenden Arterien 458 - , Stents/Endoprothesen 440 - , Symptomatik 434 -.Therapie 438ff. - , - , stadiumabhängig 438 - , untere Extremität 453 ff. - , - , apparative Diagnostik 455 - , - , Diagnose nach der Schmerzlokalisation 455 - , - , Mehretagenbefall 453 - , - , Prädilektionsstellen, (Becken-, Ober- und Unterschenkeltyp) 453 - , - , Stadieneinteilung nach Fontaine 454 - , - , Therapie, stadienabhängige 455 ff. - , Therapie, konservative - , vasoaktive Substanzen 439 - , Zusatzuntersuchungen 436 Arterienauskultation 434,435 Arterienverletzungen - , Amputation 903 - , allgemeine Behandlungsprinzipien 902f. - , arterielle Thrombose 904 - , chirurgische Blutstillung 903 - , definitive Versorgungsmaßnahmen 903 - D i a g n o s t i k 902 - , direkte, scharfe 900 — , Ursachen und Symptomatik 900 - , direkte stumpfe 900f. - , - , Schweregrade 900 - , - , Symptomatik 901 - , - , Ursachen 901 - , Druckverband 902 - , Folgezustände 904f. - , Gefäßrekonstruktion 903 - , indirekte 901 f. - , - , Dezelerationstrauma 901 f. - , - , Überdehnungsverletzung 901 - , Unfallmechanismus 901 -.Klassifikation 900 - , kombinierte 903 - , Kompression, manuelle 902 - , Schweregrade 900 Arterienverschluß, akuter 450ff. - , Definition und Ursachen 450 - , Ursachen 450 Arteriopathie, dilatierende 446f. Arterioportale Fisteln 649,650 Arteriosklerose Ätiopathogenese 432 - , Diabetes mellitus 433 - , Formen 432 Arteriospasmus, traumatischer 901 Arteriovenöse Angiome 274
Arteriovenöse-Fisteln 468 f. - , Ätiologie 468 Embolisation 469 - , iatrogene 468 - , - , Therapie 468 - , - , Ursachen 468 - , konnatale 468 - , - , morphologische Formen 468 - , posttraumatische 903,904 spontane 468 - , Skelettierungsoperation 469 - , traumatische 468 - , 4-Punkte.Ligatur 469 Arteriovenöse Malformation 600 Arteriovenöses Aneurysma der Lunge 372f. - , Hirnembolie 373 - , Komplikationen 373 - Symptome und Diagnostik 373 AV-Blockierung 137 Arthritis 556 Arthrodese des Handgelenks 1018 Arthrolyse 937,1021 Arthrolysen nach Fingergelenkverletzungen 1026 Arthroskopie 14, 16, 911ff. - , Indikationen 912 - , Komplikationsrate 912f. - , Kontraindikationen 912 - , operative Eingriffe 912 - - V o r t e i l e 913 Technik 911 f. Arzneimittelulcera, (Ösophagus) 500 Arztbrief 5 ASA-Klassifikation 29 Asbestexposition und Gefahren 365 Ascaris lumbricoides 83 ASCHE-Verband 59 ASD, (Vorhofseptumdefekte) 407f. - , Formen ASD I und ASD II 407 - , Operationsrisiko und Prognose 408 - , Operationsverfahren und Indikationen 408 - , Symptome und Diagnostik 408 Aseptische Knochennekrose (M.Kienböck) 1017f. - , Definition und Ätiopathogenese 1017 - , Diagnose und Einteilung nach Röntgenstadien, nach Decoulx I - I V 1017 - , Operationsverfahren, stadiengemäße 1018 Askaridiasis 83,661 Aspergillus 379 Asphyxie 178 Assistierte Zirkulation 397 - , Indikationen 397 Astrozytom 266 - , pilozytisches 266 Asystolie 197 Aszendierende Bein-Press-Phlebographie 473 Aszites-Ventile 658 - F a b r i k a t e 658 AT-III-Mangel 165 Atelektasen 374 f. - , Definition 374
1072 - , Diagnostik und Differentialdiagnose 375 - , Symptome 374 f. Atemgrenzwert ( A G W ) 368 A t e m l ä h m u n g 197,280 Atemminutenvolumen (AMV) 368 Atemnot 3 A t e m n o t s y n d r o m 407 - , kindliches 793 A t e m s t ö r u n g e n 189 f. - . D i a g n o s t i k 190 - , Einteilung in klinische Stadien 189 Atemstoßtest ( F E V , ) 367 A t e m t h e r a p i e 202 f. - , Indikationen 203 - , krankengymnastische 202 f. phonetische Motivation 203 A t e m w e g e freimachen 198 Athelie 342 A t h e t o s e 301 A t m u n g , paradoxe 197 Atracurium 181 A t r o p h i e blanche 477 A T I O-Substitution 770 Auffrischimpfung (Tetanus) 49 Aufklärungsgespräch 120 Aufklärungspflicht 1 Auflesetest 1012 Augenbrauen-Ersatz 329 Augenbrauenptosis 875 „Ausbrecherkarzinome" 387 Ausschälplastik, s. T E A 441 Auswurf 3 Autoimmunthyreoiditis 756 Autologe Inselzelltransplantation 785 A u t o n o m e s A d e n o m , (warmer K n o t e n ) 757f. - , S y m p t o m e und Diagnostik 757 Autotransplantate 880 - , Haut 879f. A P O L T (auxiliäre partielle ort h o t o p e Lebertransplantation) 247f. - , Ergebnisse 248 - , Indikationen 248 - , Operationstechnik 248 Axiale Hiatushcrnic, s. Hiatusgleithernie 488 f. Axillo-axillärer Bypass 462 Axonotmesis 1027 A z e t a b u l u m f r a k t u r e n 970 ff. - , Ätiologie 970 - , Diagnostik 971 - Einteilung nach Judet/ Letoúrnel 970 - , G r u n d t y p e n 971 - , Prognose 972 - , Reposition und Plattenfixation 971 Azidose 130,131 - . m e t a b o l i s c h e 130,131 - , respiratorische 130 Azoospermie 847
Babyscope und Motherscope 15 „bacterial overgrowth"-Syndrom 808 „Bajonettstellung" 954 Bakerzyste 13, 1037
Sachregister - , Rezidivquote 1037 Bakterielle Peritonitis, (Neugeborene, Säuglinge) 820 Bakterielle Translokalisation 570 Balanitis 869,870 - , Ätiopathogenese 870 - , Symptome und Diagnostik 870 - , Therapie 870 Ballismus 301 Ballonkatheter nach Foggerty 440 Ballonproktogramm 622 Ballonseptostomie nach Rashkind 411 Banding bei Vitien mit erhöhter Lungendurchblutung 402 Bandscheibenerkrankungen - U r s a c h e n 291f. Bandscheibenoperation, lumbale - , Ergebnisse 295 Bandscheibenprolaps 292 - , lumbaler 290 f. - , Massenprolaps 292 - , sequestrierter 292 - , zervikaler 290 - , Sensibilitätsstörungen 290 Bandscheibenrezidivprolaps 295 Bandverletzungen O S G 996f. - , Bandersatz mit Fibularis-brevis-Sehne 997 - , Diagnose 996 - , Häufigkeit, Ursachen, Formen 996 - T h e r a p i e 996f. Bandverletzungen, Kniegelenk 982ff. Bankart-Läsion 943 B a n k k n o c h e n 329 B a n k k n o r p e l 329 B A O , (basal acid Output) 514 Bardenheuer-Schnitt 350 Barrett-Syndrom 492 Barrett-Ulkus 490 Basaliom im Gesicht 324 Basalzellkarzinome 224 Basenexzess, ( B E ) 130,195 Basisplattentheorien nach Hutch 828 Bauchdecke, brettharte 630 B a u c h h o d e n 870 Bauchhöhlenpunktion 113 B a u c h t r a u m a 624,635 Bauchwandspalten, m e d i a n e 800 f. - , als Vesikointestinale Fissur 800 - , - , mit Kurzdarmsyndrom 800 - o b e r e 800 Baumann-Vertikal-Extension 949 Baxter-Schema bei Verbrennungen 67 Baycast 923 B-Bild 436 Beatmungstubus 177 Beckenkammbiopsie 773 Becken- und Blasenspalte, s. Blasenekstrophie 801 Beckenrandbrüche 968f. - , A b r i ß f r a k t u r e n 969 - , Formen 968 - , Schraubenostheosynthese bei großer Diastase 969
- , T h e r a p i e 969 Beckenringbrüche 969f. - , AO-Klassifikation 969 - , Begleitverletzungen 970 - , B r u c h f o r m e n 969 f. - D i a g n o s t i k 970 - , Frakturhämatome, ausgedehnte 970 - , konservative und operative T h e r a p i e 970 - , vorderer und hinterer Ringbruch 969 Beckenzertrümmerung, offene 1008 Begutachtung 1056 f. - , Grundlagen 1056f. Behandlungsfehler, Ä r z t e 1056, 1057 Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit 1056 Belastungs-EKG 137 Bence-Jones-Eiweißkörper 1045 Benigne Halstumoren 336 f. Benigne M a m m a t u m o r e n 344 Bein-Arm-Index-Druckmessung 436 Bein-Beckenvenenthrombose, a k u t e 474ff. - , Ätiologie 474 - , Diagnostik 475 - , Epidemiologie 474 - , Komplikationen 475 - , primäre Antikoagulanzientherapie 476 - , S y m p t o m e 474 - , systemische Lyse 476 - , Therapieverfahren 475 f. - , T h r o m b e k t o m i e 475 f. - , - , Frühergebnisse 476 - , - , Indikationen 475 - , - , postoperative Komplikationen 476 - , - , Spätergebnisse 476 - , - , Technik 476 - , V. cava-Blockade 476 Bein-Beckenvenenverschluß, chron., s. Postthrombotisches Syndrom 477f. Bence-Jones-Eiweißkörper 230 Benigne Prostatahyperplasie ( B P H ) 857f. - , Adenomgewicht 857 - , Differentialdiagnose 858 - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 857 - , Konservative Therapie 858 - , „ K o r b h e n k e l p h ä n o m e n " 858 - , Laboruntersuchungen 857 - , operative Therapie 858 - , Prognose 858 - , PSA-Konzentration 857 - , rektaler Tastbefund 857 - , retropubische Resektion nach Miliin 858 - , Stadieneinteilung 857 - , Stent-Einlage 858 - , suprapubisch-transvesikale Resektion nach Frey 858 - , S y m p t o m e und Diagnose 857f. - , transurethrale Resektion 858 - , transurethrale Vaporisation 858 - , Urethrozystoskopie 858
Benett-Fraktur 1023 Benzypyrene 222 Berufsgenossenschaftliche Heilverfahren 1054 Berufsunfähigkeit 1054 Betablocker 416 B e t a - H C G 856 ß-Lactamasen 93 Bettfahrad 172 Beugesehnenverletzungen 1018 ff. - . D i a g n o s t i k 1019 - , primäre und sekundäre Sehnennaht, Definition 1019 f. Bevölkerungsentwicklung in verschiedenen Zeitperioden 214 Bewegungsbad 204 Bewegungssegment der Wirbelsäule 958 Bewußtseinsstörungen 269,302f. Bezoare 16,545 Biegungsbruch 914 Biegungskeil 914 „Bienenkorbmuster" 613 Bikondyläre Frakturen des distalen H u m e r u s 948 Bilhämie 695,894 f. Bilharziose 848 f. - , Differentialdiagnose 849 - , Entartung zum Urethelkarzinom 848 - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 848 - , Symptomatik und Diagnose 848 - , Therapie und Prognose 849 Bilharziose-Tuberkel 848 Biliodigestive Anastomosen 685 - , Komplikationen 694 Biliodigestive Fisteln 682 Bilobektomie 370 bimaxilläre Osteotomie 308 Bindegewebsmassage 205 Bindenverbände - , technische Regeln 55 Biodegradibles Osteosynthesematerial 928 Biopsie endoskopische 14f. - , Verfahren 14 Biphosphanate 860 Bird-Beatmung 147 Bizepssehnenriß 1034 f. Blässe, periorale 630 Blande euthyreote Struma 757 - , Operationsindikationen 757 Blasen-Darmfisteln 829 Blasenekstrophie 799,801,836, 840 - , Ätiopathogenese 840 - B e h a n d l u n g 801 - , Epidemiologie 840 - , Symptome 801 - , Therapie und Ergebnisse 840 Blasenfistelkatheter 836 Blasenfistel, suprapubische 834 Blasenfunktionsstörungen 828 f. - , Diagnostik 829 Blasenhaishypertrophie 868 Blasenkatheter 141 Blasenlähmung 297 Blasenlappenplastik nach Boari 835
Sachregister Blasenmastdarmstörungen 283 Blasenschmerz 830 Blasensteine 862f. - , Differentialdiagnose 862 - , transurethrale Lithotripsie 863 Blastomyces 379 „Bleistiftstuhl" 583,568 Bleiintoxikation 803 Blepharoplastik 330, 875 Blind endender Harnleiter 839 Blindsacksyndrom 555 f., 809 - , Diagnostik 555 - , Korrekturoperationen 556 - , Pathophysiologie 555 - , Therapie 555 - , Ursachen 555 Blockade der Liquorwege 268, 270 - a k u t e 268 Blockade des N.ischiadicus 184 Blockade des Plexus brachialis - , Zugänge 183 Blockade des Plexus lumbosacralis - , Zugänge 183 „Blow-out-Vene" 472 „blue t o e " 453 Blumberg-Zeichen 590 Blumenstrauß-Phänomen 601 Bluterbrechen 628, 649 Bluterkrankheit 167 Blutdruckmessung an beiden Armen 434 Blutgasanalyse 138,367,368 Blutgerinnungsphasen 164 Blutgruppen - , Definition 151 ff. „blutige Anurie" 865 Blutkardioplegie 398 Blutleere 115 Blutretransfusion mit „cell saver" 161 Blutstillung - , s. auch Hämostase 163 - , endoskopische 17 - , - , oberer GI-Trakt 17 - , - , Techniken 17 - , operative 115 Blutstuhl 649 Bluttransfusion - , Antikörper-Suchtest 153 - , autologe 161 - , bedside Test 152 - , blutgruppenungleiche 151 - , HlV-Übertragungsrisiko 156 - , Hypervolämie 160 - , Infektionskrankheitenübertragung 160 ff. - , Komplikationen 157ff. - , Sterilitätskontrolle 160 - , allergische 158 - , hämolytische 157 f. - , - , Pathophysiologie 157 - , - , Symptome 158 - , - T h e r a p i e 158 - , nicht hämolytische 158 Bluttransfusions-Verweigerung, religiöse Gründe 119 Blutungen 190 - , arterielle nach außen 190 - , - , Notfallmaßnahmen 190 - , arterielle nach innen 190 - , - , Aortenkompression 190
1073 Blutungen aus Dünn- und Dickdarm 661 f. - , Angiotherapie 662 - , Diagnostik 661 f. - , Ursachen 661 - , Vasokonstriktive und endoskopische Therapie 662 Blutungen aus Körperöffnungen 890 Blutung aus Magen-Duodenaldivertikel 661 - , bei Colitis ulcerosa 661 - , bei Divertikulose 661 - , bei Hiatushernie 660 - , bei Meckel-Divertikel 661 - , intraluminale 190 - , venöse 190 Blutungsaktivität 648 Blutungsdiagnostik durch Angiographie und Szintigraphie mit Technetium 662 Blutungsschock 629 - U r s a c h e n 629 Blutungszeit 166 „Blutvergiftung", (Lymphangitis) 76 B-Lymphozyten 716 Bobath-Konzept bei spastischen Lähmungen 203 Bochdalek-Hernie 357,795 Böhler-Schiene 57 Boerhaave-Syndrom 497f. - , Definition und Häufigkeit 497 - , Differentialdiagnose 498 - , Letalität 498 - , Symptome und Diagnostik 498 - , Therapie 498 - , Ursache 497 Böhler-Extensionsgerät 922 Böhler-Zeichen, Ab- oder Adduktionszeichen 988 Bone-Tendon-Bone-Transplantation 986,987 Boost-Bestrahlung 233 „bonehunger" 774 borderline-lesion (am Magen) 531,544 Bouchard-Arthrose 909 Bougie - , nach Eder-Puestow 17 - , nach Savary-Gilliard 17 Boyle-Mariotte-Gesetz 368 Bronchialgia paraesthetica nocturna 299 Brachialgien 290 Bradykarde Rhythmusstörungen 426 Bradykardie 148 „Brauner Tümor" 1048 Braun-Schiene 57,923 „brittle diabetes" 710 Brodieabszeß 930 Bronchialkarzinom 381 ff. - , adenoid-zystisches 383 - , Afterloading-Bestrahlung 387 - , Angiobronchoplastische Resektion 387 - , Ätiologie 381 f. - , Behandlungsstrategie 388 - , Basisdiagnostik 385 - , Diagnoseverzögerung, (fatale Pause) 385 - , Ergebnisse und Prognose 388
-, -, -, -,
- , Beurteilungskriterien 388 Epidemiologie 381 Gradierung 384 hämatogene Metastasierung 384 - , histologische Formen 382f. - , Indikationen und Kontraindikationen für die Operation 386 - , - , prognostische 386 f. - , - , technische 387 - , interventionelle bronchoskopische Therapie 387 - , kanalikuläre Ausbreitung 384 - , kleinzelliges - , - , Therapie 387 - , - , 5-Jahres-Überlebenszeit 388 - , kontinuierliches Wachstum 384 - , Lokalisation und Einteilung der W H O 382 - , lymphogene Metastasen 384 - , Manschettenresektion 387 - , Metastasensuche 385 - , mukoepidermoidales 383 - , Nachbestrahlung 388 - , Nachsorgeuntersuchung 388 - , Operabilitätsbeurteilung 385 - , palliative Tumorentfernung 387 - , Polychemotherapie 387 f. Prävention 382 - , Raucherentwöhnung 382 - , Resektionsverfahren 387 - , Screening-Untersuchung 385 - , stadienadaptierte Überlebenszeitprognose 388 - , Symptome und Diagnostik 384ff. - , TNM-Klassifikation 382,383 - , typische Röntgenzeichen 385 f. Bronchiektasen 377f. - , Ätiopathogenese 377 - , angeborene, kombiniert mit anderen Mißbildungen 377 - , Cor pulmonale 377 - D e f i n i t i o n 377 - , Diagnostik 377 - , Differentialdiagnostik 378 - , erworbene 377 - , Hirnabszeß 377 - , Komplikationen 377 - , Symptome 377 - , Therapie, operative Indikationen 378 Bronchiolitis obliterans 430 Bronchitiskessel 202 Bronchographie bei Bronchiektasen 378 Bronchoplastiken 371 Bronchoskopie 15,369 Bronchoskopische Stenteinlage 387 Bronchospasmus 196 Bronchospirometrie 368 Bronchusabriß 886 Bronchus- oder Trachealabriß 1008 Bronchusstumpfinsuffizienz 371 Brown-Sequard-Halbseitensyndrom 287 Bruchbandbehandlung 732 Bruchentzündung 732 Bruchgeschwulst 731 Bruchinhalt 730 ^ i n k a r z e r i e r t 730
Bruchpforten in der Leistenregion 734 Bruchring 730 Bruchsack 730 Bruchzufall 732 Brückenkallus 953 Brückenlappenplastik nach Langenbeck-Veau-Axhausen 307 Brunner-Drüsen 513 Brustdrüse s. Mamma Brustkorbprellung (Commotio thoracis) 883 Brustkorbquetschung leichte (Contusio thoracis) 883 Brustkorbquetschung, schwere (Compressio thoracis) 883 - , petechiale Blutungen 883 Brustlendenwirbelsäulenverletzungen 967 f. - , Begleitverletzungen 967 f. Brustpalpation 2 Brustwandabszeß nach Granatsplitterverletzung 355 Brustwandbruch 355 Brustwanddeformitäten 355 - , infolge Erkrankungen der Thoraxorgane 355 Brustwandentzündungen - , eitrige, Therapie 356 - . U r s a c h e n 355f. Brustwandinstabilität 197 Brustwandphlegmone 355 Brustwandtumoren 356 - , Chondrome 356 - , maligne (Knochen- und Weichteilsarkome) 356 - , - , Brustwandteilresektion 356 - , - , nicht operative Therapie 356 - , Myxome 356 - , Osteome, Osteochondrome 356 - , Therapie 356 Bruzellose 337 Bubble-Oxygenator 395,649, 650 Budd-Chiari-Syndrom 649, 650 Budgetüberwachung 39 Büffelnacken 782 Bülau-Drainage 116 Bürstenzytologie 15 Bundesversicherungsanstalt f. Angestellte (BfA)1054 Bunnell-Test 937 Burow-Dreiecke 877 Buprenorphin 185 Bursitis, akute u. chronische 1036 f. - , Bursektomie 1037 - , Gefahr eines Pyarthros 1037 - , olecrani 1036 - , präpatellaris 1036 - , purulenta 1036 - , subdeltoidea 1036 - , trochanterica 1036 Bypassverfahren 114,442 - , anatomischer Transplantatverlauf 442 - , extraanatomischer Transplantatverlauf 442
C21-Hydroxylasemangel 784 Café-au-lait-Flecken 767 Caisson-Krankheit 190 f.
1074 Calciumgluconicum 43 Calcitonin 763 Cancer en Cuirasse 346 Candida albicans 379 capillary leak 606 Caput medusae 650 Caput obstipum 336 Caput quadratum 285 Carcinoma in situ - , Definition 220,580 CARE-Programm 369 Caroli-Erkrankung 816 Casoni-Hauttest 379 Cauda equina 296 - , Symptomatik 960 Cava Clip nach Adams-de Weese 171 C E A 763 Cephalosporine 93 ff. - , Dosierung 95 - , Indikationen 94f. - , Nebenwirkungen 94 - , Präparate 93f. - , Wirkungsspektrum 93 Chagas-Krankheit 486 Chaoul-Glocke 584 Charcot-Trias 684 Check up beim Polytrauma 1007 Cheilosis 555 Chemical-Peel 331,881 Chemotherapie 233 f. - , adjuvante und neoadjuvante 233 - , induzierte Thrombozytopenie 157 - , Nebenwirkungen 233 - , palliative 233 - , Port- u. Pumpensysteme 234 - , regionale durch Perfusion 233 - , Stop-Flow-Perfusion 234 Chenodesoxycholsäure 689 Cheyne-Stokes-Atmung 197 Chiasmasyndrom 270 Child-Klassifikation 29, 651, 652 Chirurgeninterestogramm 24 Chirurgische Onkologie 220ff. - , Definition 220 Chirurgische Zahnerkrankungen 319 f. Chloroquin 83 Cholangiographie, intraoperative 67 Cholangiopankreatoskopie 15 Cholangitis 683, 684ff. - , chronisch sklerosierende 684 - , - , Definition 684 - , - , Symptome und Diagnose 684 f. - , - , Therapie 685 - , Definition, Ursache 684 - , nach billiodigestiver Anastomose 694 - , perkutane transhepatische Drainage, (PTD) 684 - , Symptome und Diagnose 684 - , Therapie 684 Cholaskos 695,818 - , typische Trias 818 - , Verschluß der Perforationsöffnung 818 Choledochoduodenostomie 693 Choledochojejunostomie 693f. Choledocholithiasis 683f.
Sachregister -, -, -, -, -,
Diagnostik 683 Komplikationen 683 typische Symptome 683 Ursachen 683 Verschlußikterus, (posthepatischer Ikterus) 683 Choledochotomie mit Gallengangsrevision 687 Choledochuszyste 690,816 f. - , Entartungstendenz 817 - . F o r m e n 816 - , Verlauf und Prognose 815 f. - , Zystektomie mit biliodigestiver Anastomose 817 Cholegraphie, orale 676 Cholelithiasis 678 ff. - , Epidemiologie 678 f. - , extrahepatische 683 - , - , Ursachen 683 - , schleichende beim Kind 817 Cholesteatose 689,690 Cholezystektomie - , Ergebnisse 687 - , Komplikationen 688 - , konventionelle 686 f. - , laparoskopische 686 - , - , Kontraindikationen Cholezystoenterostomie 693 Cholezystopathien 689 f. Cholezystitis 591 akute 680 f. - , Diagnostik 681 - , Differentialdiagnose 681 - , Formen 681 - , klinisches Bild 681 - , Komplikationen 681 - , Pathogenese und Infektionswege 680 f. - , Sonographische Veränderungen 681 chronische 680 - , Symptome und Diagnostik 680 emphysematöse 681 steinlose 682 Cholezystokinin 513 Cholinesterasebestimmung 138 Chondroblastom 1042 Chondrom 1041 f. - , klinische Zeichen 1041 f. Chondromatose 1042 Cliondromyxoidfibrom 1042 Chondrosarkom 1043 f. - , operative Therapie 1044 - , typische Lokalisationen 1043 f. Chordotomie 300 Chorea 301 Chorioretinale Blutungen 285 Christmas-Faktor 164 Chromozystoskopie 837 Chronisches Faszienkompressionssyndrom 477 Chronisch myeloische Leukämie 720 Chronische Pneumonie 373 f. - , Differentialdiagnose 373 - , Einteilung 373 - , Operationsindikationen 374 - , Symptome und Diagnostik 373 - , WHO-Definition 373 Chronisches vegetatives Stadium 303 Chvostek-Zeichen 770
Chylaskos 818 Chylothorax 392 - , Differentialdiagnose 392 - , konservative und operative Therapie 392 - , Symptome und Diagnose 392 - , traumatischer 905 - , Ursachen 392 Chymotrypsinogen 696 Cisterna Chyli 511,552 Claudicatio - , Armmuskulatur 435 Claudicatio intermittens 3, 434 Claudicatio spinalis 294 Clindamycin 97 Clostridium - d i f f i c i l e 600 - , perfringens 80 - , tetani 81 Codnian-Dreieck 1040,1042 Coecostoma 576 Cohn-Fraktion I 157 Colitis ulcerosa 581,597 f. - , Ätiopathogenese 597 - , assoziierte Erkrankungen 597 - D e f i n i t i o n 597 - , Diagnostik 597 - , Differentialdiagnose 597 - , Elektivoperationen 598 - , genetische Aspekte 597 - , Karzinomrisiko 598 - , Komplikationen 597 - , kontinenter Ileumafter nach Kock 598 - , Notfalloperationen 598 - , Operationsletalität 598 - , postoperative Komplikationen 598 - , Proktokolektomie mit Ileumpouch-analer Anastomose 598 - , Pseudopolypen 597 Colon-Conduit 837 „colon-cut-off sign" 705 Colon irritabile 600 - , Transitzeitbestimmung 600 Coma diabeticum 624 Coma uraemicum 624 „Common chanel" 816 Commotio ccrcbri 278 Commotio spinalis 296 Commotio thoracis 883 Compliance 368 Compressio thoracis 883 Computertomographie (CT) 6 f. - , dynamische 11 - , Gehirnschädel 7 f. - , Gesichtsschädel 8 - , high resolution 9 -.interventionelle 13 - , interventionelle Abszeßdrainagen 13 - k r a n i a l e 271 f. - , kontrastmittelgestützte 437 - , Pankreas 11 Condylomata lata 621 Conn-Syndrom 779 ff. - , Ätiopathogenese 779 - , Autotransplantationen von Nebennierengewebe 781 - D e f i n i t i o n 779 - , diagnostischer Algorithmus 780
- , Differenzierung Adenom/bilaterale Hyperplasie 780 - , Entartungsinzidenz 779 - , Ergebnisse und Prognose 781 - , Inzidenz 779 - , medikamentöse Therapie 780 - , Nebennierenexstirpation 780 f. - , - , retroperitonealer endoskopischer Zugang 781 - , Symptome, Diagnose und Differentialdiagnose 779 f. Continious passive motion, (CPM) 1052 Contusio cerebri 278 Contusio cordis 189,429 Contusio spinalis 296 Contusio thoracis 883 Corpus cavernosum recti 611 Corpus luteum-Ruptur 590 Cotrimoxazol 97 Courvoisier-Zeichen 692,817 Coxa saltans 909 C O r L a s e r 207 Cramer-Schiene 57 Cride-Handgriffe 872 Crena ani 284 Crossektomie 473 Cross-Match 243 Crossover-Bypass 456 Crush-Syndrom 935 Crutchfield-Extension 923,966 „Cuff and Collar" n. Blount 949 Cul-de-sac-Syndrom 600 Cullen-Zeichen 704 Cumarinderivate - , Wirkungsmechanismus 173 Curling-Ulkus 518 Cushing-Syndrom Adrenalektomie - , bilaterale Adrenalektomie - , - , Autotransplantation von Nebennierenrinden-Gewebe 783 - , Definition und Ätiopathogenese 781 - , Diagnose und Differentialdiagnose 782 f. - , iatrogenes 596 - , Einteilung in primäres und sekundäres 781 - , Ergebnisse und Prognose 783 - , Karzinom 783 - , Pathologische Anatomie 781 - , perioperative Maßnahmen 783 - , seltene Ursachen des sekundären cushing 782 Seitenlokalisationen 782 f. - , 17-ketosteroid-Erhöhung 782 Symptome 782 - , Therapiekonzepte 783 - , Ursachenbestimmung 782 Cushing-Ulkus 518 Immunsuppression, Cyclosporin 244 Cystitis chronica 845 Cystitis cystica 845 Cystitis follicularis 845 C-Zellen 747 C-Zell-Hyperplasie 768
Dampfsterilisation 88 Daniels-Biopsie beim Bronchuskarzinom 339
Sachregister Darmatonie, postoperative 149 Darmatresie 806 - , Formen 806 - , Symptome 806 Darmduplikaturen 808 f. - , assoziierte Fehlbildungen der Wirbelsäule 808 - D e f i n i t i o n 808 - D i a g n o s t i k 808 - , Folgen 808, 809 - , Lokalisationen 808 - T h e r a p i e 809 Darmgangrän 731 Darmgeräusche, plätschernde 629 Darmischämieschmerz 627 Darmparalyse 629 Darmreinigung vor Kolonoperationen 570 Darmsteifungen 606, 630 Darmstenosen, angeborene und erworbene, (kindlich) 806 Darmstrikturen, (kindlich) 806 Darmtuberkulose 559 Darmwandbruch 731 „Dash-bord", (Knieanpralltrauma) 972 Dauerrente 1055 Débridement 47 Décollement 920 Defäkationsablauf 567 Defäkogramm 622 Defäkographie 600 Defektbruch 914 Defektpseudoarthrose 938 Defibrinierungssyndrom 168 Dehnlagerung 202 Dehydration 136 - , hypotone 133 - , isotone 133 Dehydrobenzperidol 180 Dekongestionsoperation nach Hassab 657 Dekubitalulkus 875 Delirium tremens 657 Delphi-Studien 32 Delta lite 923 Denervation nach Wilhelm 1018 Denervationssyndrom nach Fundoplicatio 493 Dennis-Sonde 18 De-novo-Karzinom 581 Densfrakturen 966 - , Diagnose 966 - , Häufigkeit und Ätiologie 966 - , Osteosynthese durch dorsale atlantoaxiale Fusion 966 - , Pseudoarthroserate 966 - . T h e r a p i e 966 Dentogene Gesichtsfistel 318 Dentogene Kieferhöhleninfektion 318 f. D e Quervain-Luxationsfraktur 1026 Dermabrasion 331,881 Dermalsinus 284 Dermatolipofaszisklerose 477 Dermatomyositis (Ösophagus) 499 Dermis-Transplantat 880 Desfluran 179 Desinfektion
1075 - , chemische 88 - , Definition 88 Desobliteration, siehe T E A 114 Desmoid 745 Desault-Verband 59,539 - , maximale Liegedauer 946 Desinsertion der Beugemuskeln am Unteram nach Scaglietti 936 Detrusormuskulatur 829 Detrusorschwäche 828 Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie, (funktionelle Obstruktion) 868 Dexamethason-Test 782 Dextran 146 - , Nebenwirkungen 146 Dezelerationstraumen 882, 889 Diabeteseinstellung 438 Diabetes insipidus 278 Diabetes mellitus - , Makro- und Mikroangiopathie 433 Diabetiker, Amputationsinzidenz 433 Diabetische Angiopathie 456 - , popliteo tibialis/tibiopedaler Bypass 456 Diäthyläther 179 Diagnose-Scores 121 Diagnostische Endoskopie, (Urologie) 837 Dialysebehandlung - , Indikationen 826 Dialyseshunt 469 Diaphragma, siehe Zwerchfell 357ff. Diarrhoe - , paradoxe 3,567 - , Ursachen 3 Dickdarmerkrankungen 567ff. - , Symptome, typische 567 Dickdarmtorsion 812 Dickdarmverletzungen 897 - , Berstungsrupturen 897 -.Diagnostik 897 - T h e r a p i e 897 Dicumarole - , Steuerungsmöglichkeit 173 Digitalarterienverschlüsse 465 Digitale rektale Untersuchung 567,568 Digitalisierung 137 Dilatation 114 Diskoligamentäre Instabilität der HWS 967 Diskontinuitätsresektion mit endständiger Ileostomie 573f. Diskontinuitätsresektion nach Hartmann 574 - , bei Dickdarmverletzungen 897 Dissozierte Empfindungsstörung 287 Distale Harnröhrenstenose, (Mädchen) 868 Distale splenorenale Anastomose nach Warren 655f. Distale Stenose der weiblichen Harnröhre 841 Distale Tibiafrakturen, (Pilon tibiale) 995 f. - , Häufigkeit, Ursachen, Nebenverletzungen 995 - , operative Maßnahmen 995
- , Sudeck-Dystrophie 996 - T h e r a p i e 995f. Diurie 829 Divertikelkrankheit - D e f i n i t i o n 593 Divertikulitis 590 s. a. Kolondivertikulitis Divertikulose, Kolon 592ff. DNA-Stabilitätsantigene 223 Dodd-Typ 471 Dokumentation, medizinische - , Datenauswahl 20 - , Datenklassifikation 20f. - , Dokumentationsarten 19 f. - , EDV-gerechte Datenerfassung 21 - , Erhebungsbogen 22 - F e h l e r k o n t r o l l e 22f. - , - , formale Methoden 23 - , Kodierung 21 - , Prinzipien 19 ff. - , prolektive 19 f. - , Qualitätssicherung 22 - , Rechnereingabe 22 - R e h a b i l i t â t 19 - , retrieval 19 - , retrolektive Dolichokolie 600 Dopamin 149 Doppelbildersehen 269 Doppelblasenphänomen 700 Doppelniere 835 Doppelter Aortenbogen 405 Doppler-Effekt 6 „double-duct-sign" 699,713 Douglas-Abszeß 646 - , transvaginale oder transrektale Drainage 647 DSA, (Digitale Subtraktionsangiographie) 437 Drainagen 115 f. - , Zeitpunkt für Entfernung 116 Dranginkontinenz 828 Drehfehlstellung 915 Drehmann-Zeichen 909 „Drehsturz" 988 Dreieckplastik nach Götze-Gütgemann 694 Dreiecktuchverband 54 Dreigläser-Probe 831 f., 845 Dreipunkt-Stützkorsett 961 Dreisäulentheorie von Denis und McAfee 958 13C-Harnstoff-Atemtest bei Helicobacter pylori-Infektion 516 Dritter Raum 132 Druck-, Loslaß-, Erschütterungsschmerz 627 Druckplatte 926 Druckpunkte bei Blutungen nach außen 190 Druckverbände 54 - , Anlegetechnik 58 Dubin-Johnson-Syndrom 815 Duchenne-Hinken 907 Ductus arteriosus Botalli (DAB) 406 Ductus cysticus und Normvarianten 674 Ductus thoracicus 478,511,552 - , Topographie 392 Ductus thyreoglossus 332 Dünndarm
-, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -,
Wandhämatom 561 - , Diagnostik und Therapie 561 - , Ursachen 561 Endoskopie und Biopsie 553 Klinische Anatomie 552 f. Kriterien der Darmvitalität 552 Lymphsystem 552 Pathophysiologic 553 Physiologie 553 Resorptionsfläche 552 Sonographie 553 spezielle Leberuntersuchungen 553 f. Dünndarmdivertikel 560 f. Dünndarmdivertikulose 560 f. - , Komplikationen 561 Dünndarmerkrankungen 553ff. - , Diagnostik 553f. - , Symptome, allgemeine 553 Dünndarmgeschwüre 559 f. Dünndarminterposition, anisoperistaltisch zwischen Magenrest und Duodenum 548 Dünndarm-J-Pouch nach Proktokolektomie 573 Dünndarmkarzinoid 564 - , Therapie 564 - , Folgen 565 Dünndarmtransplantation 254 - , Ergebnisse 254 - , Indikationen 254 - , Operationtechnik 254 - , postoperative Komplikationen 254 - , Transplantatdysfunktion 254 - , Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, ( G V H ) 254 Dünndarmtumoren 561 ff. - , benigne - , - , Arten 562 - , - , Diagnostik 562 - , - , Symptomatik 561 f. - , - , Therapie 562 - , maligne 562 ff. - , - , Epidemiologie und Pathogenese 562f. - , maligne Lymphome 563f. - , - , Prognose 564 - , - , Symptome 563 - , Therapie 563 - , semimaligne 564 Dünndarmverletzungen 896f. - , Diagnostik 896 f. - F o r m e n 896,897 - , Peritoneallavage, diagnostische 897 - , postoperative Komplikationen 897 - T h e r a p i e 897 - , Unfallmechanismus, Häufigkeit 896 Dukes-Stadien 227 Dumping-Syndrom 547 - , Einteilung 547f. - f r ü h e s 547f. - , - , operative Therapie 548 - , - , Pathogenese 547 - , - , Symptome und Diagnose 547 - , - , Therapie 547 - , spätes 548 Duodenaldivertikel 544f. - , Therapie 545
Sachregister
1076 Duodenalkarzinom 543 f. - , Inzidenz und Einteilung 543 - , Operationsverfahren 543 - , Symptome und Diagnose 543 Duodenalläsionen - , T-Drainage des Ductus choledochus 644 Duodenalstenose 700 Duodenopankreatektomie, partielle nach Kausch-Whipple 714 - , pyloruserhaltende 714 - , klinische Physiologie 513 - , Eisenresorption 513 Duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion 701 Dupuytren-Kontraktur 1014ff. - D e f i n i t i o n 1014 - , Diagnostik 1014 klinischer Verlauf 1015 - , Operationstechnik 1015 - , Operationsverfahren 1015 - , postoperative Komplikationen und Prognose 1015 f. Durchblutungsstörungen der Armarterien 465 Durchblutungsstörungen im Karotisstromgebiet - , Stadieneinteilung 459 Durchwanderungsperitonitis 638 Durchzugsnephrostomie 837 Durchzugsverfahren nach Pena 813 D-Xylose-Belastungstest 553 Dynamische Kompression = DCPlatte 926 Dyschezie 622 Dysgnathie 304 Dyskinesien der Gallenwege 689 Dyslexie 270 Dysphagia lusoria 499 Dysphagie 483,486 - , Kollagenosen 499 Dysplasie-Karzinom-Sequenz im Magen 531 Dyspnoe 3 Dystelektasen 146 Dysurie 3,829
E A T L (Enteropathie-assoziiertes T-Zellen-Lymphom) 540 Ebstein-Anomalie 410 Echinococcus granulosus (cysticus) 82 f.,667 f. - , Abtötung mit hypertoner NaClLösung 668 - , Diagnose und Differentialdiagnose 667f. - , Komplikationen 668 - , „Lebenskreislauf" 667 - , Operationsverfahren 668 - , Prognose 668 - , Symptomatik 667 Echinococcus multilocularis (alveolaris) 83, 668f. - , Ätiopathogenese 668, 669 - , Komplikationen 667 - , medikamentöse und operative Therapie 667 - , Symptome, Diagnose, Differentialdiagnose 668 Echinokokkose 82f.
- L u n g e 379f. - , - , Epidemiologie 379 - , - , Immunologische Testreaktionen 379 - , - , Komplikationen 380 - , - , Operationsverfahren 380 - , - , Röntgenzeichen, typische 379 - , - , Symptome und Diagnose 379 Echinokokkus 661 - , Wandaufbau 379 Echoenzephalographie 271 Echokardiographie 9 ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) 429 Ectopia cordis 795,799 E E G (Elektroenzephalographie) 271 E G F (epidermal growth factor) 513 Ehlers-Danlos-Syndrom 168 Eigenblutkonserven 161 Einmalhandschuhe 86 1-2 LHRH-Analoga-Kuren 870 Ein- und Zwei-Helfer-Methode 200 „Eisenharte" Riedel-Struma 756, 757 Eisenmangelanämie, mikrozytäre 550 Eisenmangel nach Magenresektion 550 f. Eisenmenger-Reaktion 406,407, 409,430 Eis-(kryo-)therapie 205 Ejakulation, retrograd 587 Ejakulatuntersuchung 831 Ektasie der Harnwege - , Definition 827 Ektope Harnleitermündungen 839 Ektope Hoden 870 - , Ektopia cruralis, perinealis, scrotalis, femoralis 870 Elektrolytstörungen bei Massivtransfusion 159 Elektromyographie 622 Elektrotherapie 206 Elektrounfall 192 Elephantiasis 479 Ellbogenluxation 950 f. - , Begleitverletzungen 950 - , Diagnose 950 - Häufigkeit und Pathogenese 950 - Prognose 951 - T h e r a p i e 950 - , Verrenkungsformen 950 Elliptozytose 720 Ellis-Damoiseau-Linie 363 Embolie - , posttraumatische 905 Embolektomie (Katheterfernembolektomie) 440 f. Embolisierung, therapeutische 440 Emmet-Plastik 77 Emphysem 137 - , bullöses 361 Empyem 76 Empyema necessitatis 364 - , der Pleura 355
Empyemresthöhle 365 - , TTiorakoplastik 365 En-bloc-Ösophagektomie 506 Endobrachyösophagus 490 Karzinomsequenz 490 endokardiales Mapping 428 Endokarditis 420 - , Diagnose 420 - , Komplikationen 420 Endokrine Chirurgie 747ff. Endokrine Orbitopathie 759 - D e f i n i t i o n 759 - , Symptome und Diagnose 759 - , Therapie 759 Endometriose - , am Dickdarm 601 - , am Dünndarm 564f. Endomyokardbiopsien 431 Endoskopie 1, 2,5,14ff. - , Instrumentarium 14 endoskopische Chirurgie, s. auch MIC 16,255 Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) 677 Endosonographie 10,15 - , transrektale und transvaginale 12 Endostapler 257 Endoureteraler Splint 836 Endozystose 748 Enfluran 179 Engpaßsyndrome des Nervus radialis 909 Entamoeba histolytica 83, 670 Entenschnabel-Bruch 1000 Enterale Ernährung - , Diätformen 144 - , nährstoffdefinierte Diät 144 - , Definition 144 - , Indikationen 144 - , postoperative 144ff. - , Voraussetzungen 144 Enteritis necroticans 559 - L e t a l i t ä t 599 - , Symptome, Diagnostik und Differentialdiagnose 559,599 - T h e r a p i e 559,599 - , Ursachen und Pathophysiologic 559 Enteritis regionalis Crohn, s.a.M.Crohn 556ff. - , Ätiopathogenese, Histologie 556 - , Differentialdiagnose 557 - , Endoskopie 557 - , Epidemiologie 556 - , extraabdominale Manifestation 556, 557 - , Fisteln und Stenosen 557 - , Komplikationen 557 - , Konglomerattumoren 557 - , Krebsrisiko 557 - Leberdiagnostik 556 - , Operationsindikationen und Verfahren 558 - Röntgendiagnostik 556f. Symptomatik und Diagnose 556 f. - Therapie, konservative 558 Enterocolitis necroticans - D e f i n i t i o n 599 - , histologische Befunde
- , neonatorum 599 - , Ursachen 599 Enterohepatischer Kreislauf 675 Enterokinasen 697 Enteroklysma nach Sellink 553 Enteroskopie 15 Entlastungshaltung der Wirbelsäule 289 „entlaubter Baum" 599 Entrapment-Syndrom, popliteales 457 - , Klassifikation nach Insua 457 - , Variante nach Kogel 457 Entscheidungsbaum 30 Entzündliche Fibrosen 724 Entzündungen im Halsbereich 340 f. Enukleation 114 Enulis 328 Enzephalozele 283 Enzephalozystozele 283 Eosinophiles Granulom 1047 Ependymom 266 - , Jugendliches 266 Epicondylitis humeri radialis 909 epidermial growth factor (EGF) 750 Epididymitis 12, 847 Epigastrische Hernie 739 - , Säuglinge 798 Epilepsie 302 - , Operationsverfahren 302 - , Ursachen 302 Epiphrenische Ösophagusdivertikel 497 - , Divertikelabtragung mit Myotomie nach Gottstein-Heller 497 Epiphysenlösungen 1003 - , Adaptionsosteosynthese incl. Gipsruhigstellung 1005 - , am Humerus 945 - , - , Typ Aitken II oder Salter III 945 - , fugenlose Adaption der Zugschraubenosteosynthese 1004 - H ä u f i g k e i t 1004 - , Operationsindikationen 1005 - , operative Technik 1004 Epiphyscnverlctzungen (Kind) 1003 ff. - , Einteilung nach Salter und Aitken 1004 - , Therapie und Prognose 1004 - , Verletzungsmuster 1003 Epitheloidzellige Granulome bei M.Crohn 556 Epispadie 836, 840 Epithelkörperchen, s. Nebenschilddrüsen (NSD) Epsilon-Aminocapronsäure 168 Epstein-Barr-Virus 222 Epulis 322 f. - , Pathogenese 327 - , Symptome und Diagnostik 328 - , Therapie 328 Erbrechen 2 Erektionsverlust 873 E R C (endoskopisch retrograde Cholangiographie) 663 E R C P (endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie) 15, 685
1077
Sachregister Erfrierungen 43 - , Pathophysiologie 43 - , Schweregrade 43 - , Therapie 43 Ergebnisqualität 37 Ermüdungsbrüche 915 Ernährungssonden 144f. - , Komplikationen 145 - , Plazierung 145 Ernährungszustand 136 Ersatz der Mundschleimhaut durch Jejunum-Transplantat 328 Ersatzmagenbildung mit Pouch 538 Ersatzmagenbildung nach Siewert und Peiper 538 Ersatzmagen nach Rodino (Gastrektomie) 538 Erschütterungsschmerz, peritonealer 590 Erste-Hilfe-Leistungen 906 Stillen von Blutungen 906 - , Verbände und Schienen 906 Ertrinken 191 - , Formen (trockenes, feuchtes, sekundäres) 191 - , Notfallmaßnahmen 191 Erweiterte ambulante Physiotherapie 1052 Erwerbsunfähigkeit 1054 erworbene spontane Mutationen 580 Erysipel 76 - H a l s 341 Erythema necrolytica migrans 786 Erythema nodosum 556 Erythrodermie des Gesichtes 260 Erythropoetin 128 Erythroplasie (Queyrat) 854 Erythrosis facialis 210 Erythrozytenkonzentrate 151 f. - g e f i l t e r t e 156 - , - , leukozytenfreie 156 gewaschene 156 - , Indikationen 156 Escharotomie 70 Esmarch-Heiberg-Handgriff 188, 198 ESWL (extrakorporale Stoßwellenlithotripsie) (Harnleitersteine) 837 Etappenlavage des Abdomens 595,643 Ethikkommission 28 Etomidate 180 Eugnathie 304 Euro-Collins-Lösung 241 Eurotransplant 243 Eventerationshernie 730 Ewing-Sarkom 1044ff. -.Epidemiologie 1044 - , Prognose 1044 Exartikulation 114 Exenteratio orbitae 325 Exhairese 114 Eximer-Laser 207 Exkochleation 114 Exomphalus-Makroglossie-
Explosionsdrucktraumen 889 Exsikkose 149 Extern-interne-transhepatische Drainagen 693,694 Exstirpation 113 Extensionen - R e g e l n 60f. - , Technik 60 extrinsic factor 129 Extraanatomische Bypass-Varianten 445 Extra-intrakranieller Bypass 461 Extrakorporale Leberdialyse mit Tierleber 664 Extrakorporale Membranoxygenierung, ( E C M O ) 796f. Extrauteringravidität, rupturierte 624 Extremitätentraumatologie im Kindesalter 1003ff. Exulceratio simplex Dieulafoy 659,660 Exzision 113 Exzisionsreparatur 223
Gigantismus-Syndrom 799 Exophthalmus 751,758,759
Femoropopliteale T E A 455,456 Femurfrakturen 974ff.
Facelifting 330 Facies abdominalis 630, 640 Färbung mit Vitalfarbstoffen 15 Fahrradergometrie 368 Fahrradschlauch-Phänomen 597 Faktor-XIII-Mangel 46,47, 746 Familiäres Krebssyndrom 581 Fallhand (N. radialis) 298 Fallot-Tetralogie - , Anatomie und Pathophysiologie 410 - , Definition 409f. - , Ergebnisse/Prognose 410 - , Operationsindikationen und Verfahren 410 - , Symptome und Diagnose 410 farbkodierte Duplexsonographie (FDKS) 6,169 Fasziektomie bei zirkulärem Ulcus cruris 478 Faszientransplantat 880 Fasziokutane Transplantate 328 „fatale Pause" 229 Faustschlußprobe 435 Fazialisschwäche, mimische 280 Fasziitis, nekrotisierende 78 f. - , Pathogenese 78 - , Symptome 78 - , Therapie 79 Fecoflowmetrie 600 Feindebridement 51 Feinnadelaspirationsbiopsie 15 Feinnadel-DSA 438 Felty-Syndrom 719 Femoralhernien 737f. - , Epidemiologie 737 - , klinische Anatomie 737f. - , Operationsverfahren 738 - , Symptome und Diagnose 738 Femoralveneninsuffizienz 471 femoro-kruraler Bypass 443,456 Femoropoplitealer Bypass - , kurzstreckige Stenose 456 - , - , Angioplastie 456 - , Therapie 456
Femurfraktur, distale 981 f. - , AO-Klassifikation 981 f. - , Diagnose 982 - , Prognose und Komplikationen 982 übungsstabile Osteosynthese (Kondylenplatte) 982 - U r s a c h e n 981 Femurschaftfrakturen 980 f. - , AO-Platte 981 - , Formen und Diagnose 980 - , große Blutverluste 980 - , kindliche 981 - , Marknagelung/Verriegelungsnagel 980 f. - U r s a c h e 980 Fentanyl 180 f. Ferguson-S.-Plastik 622 Fetale Sonographie 799 Fettbestimmung im Stuhl (Vande-Komer-Methode) 553 Fettembolie 150 - , Pathophysiologie 150 - , Symptome und Therapie 150 Fettemboliesyndrom 938f. - Ä t i o l o g i e 938 - D i a g n o s t i k 939 - , Einschwemmungstheorie 938 - , kolloidchemische Theorie 938 - , Lipaseentgleisung 938 - , Pathophysiologie 938 - , Symptomatik 938 f. - , Therapie 939 Fettgazegitter 51 Fettsaugung 881 Fettschürze 874 Fibrinkleber 108 Fibrinkleberunterspritzung 526, 659 Fibrinogen 164 Fibrinolyse 165 f., 439 Fibrinolysesystem - , Aktivierung 163 Aufgaben 165 Fibrinspaltprodukte 167 Fibrinstabilisierender Faktor 45, 164 Fibroadenome (Mamma) 344 Fibröse Dysplasie 1048 Fibrolamelläres Leberkarzinom 673 Fibromuskuläre Hyper- oder Dysplasie 433,465 Fibulafraktur, isolierte 995 Finger-Boden-Abstand 908 Finkelstein-Test 1016 „Fischmaulschnitt" 1030 Fischwirbelbildung 782 Fixateur externe 927 - , Rahmenfixatur 927 - , Ringfixatur nach Ilizarov 927 F K D S (farbkodierte Duplexsonographie) 436 extrakranielle Gehirngefäße 8 f. „flat tumor" 853 Flexura-lienalis-Syndrom 805, 812 Flotrin® 858 flottierender Daumen 1032 „flottierender Thrombus" 475 Fluorochinolone 96 f. Flußsäure-Verätzung 43
Foetor ex ore 483,486 Fokale noduläre Hyperplasie (FNH) 671 - , Ätiologie 671 - , Diagnostik und Therapie 671 - , Tracerretention („trapping") 671 Folienpflaster 50 Folgeerkrankungen nach Magenresektion 547ff. - , Magenstumpfkarzinom 548, 549 - , Refluxgastritis 548 Follikuläres Adenom 765 Follikuläres Schilddrüsenkarzinom 765 - , grobinvasives 765 - , Inzidenz 765 - , minimalinvasives (gekapseltes) 765 - , WHO-Klassifikation 765 Follikulitis 76 Fontanellenpunktion 285 Fontan-Operation 414 Foramen Magendi 268 Foramina Luschkae 268 Foraminotomie 294 Forschung, chirurgische 24 ff. - , Beobachtungsstudien 29 - , biomedizinische - , klinimetrische 25 - , Entscheidungsanalysen 29 - , ethische Gesichtspunkte 28, 31 -, -, -, -, -, -,
experimentelle Chirurgie 33 Follow-up-Studien 26 Interventionsstudien 28 klinische Studien 26 f. Konsensusmethoden 32 Lebensqualitätsstudien 26 Methoden 26 f. - , - , Ausschlußkriterien 28 - , - , Entscheidungsanalysen 26 - , - , Hypothesentestung- und Gewinnung 27 - , - , prospektive und retrospektive 27 - , Technologiebewertung 30 - , Ökonomiestudien 26, 33 - , Organisationsformen 33 - , Polytrauma 25 - , - , Handlungsleitlinien 25 - , Qualitätssicherungsstudien 32 Studienprotokoll 28 - , Technologiebewertung 2 6 , 3 1 theoretische Chirurgie 34 - , zell- und molekularbiologische Methoden 26 Fosfomycin 97 FSGN (fokal sklerosierende Glomerulonephritis) 245 Frakturen 913 ff. - , Blutverluste, frakturabhängig 919 - , funktionelle Behandlung, n. Poelchen 923, 946 - , geschlossene - , - , Schweregrade des Weichteilschadens nach Tscherne 920 - , Hämatome 919 - , Hautbeteiligung 919 f. - , Heilungszeiten, frakturabhängig 921
1078 Immobilisationsschaden 922 Muskelbeteiligung 919 - , Nervenbeteiligung 919 - , örtliche und allgemeine Auswirkungen 919 f. - o f f e n e 919f.928 - , Antibiotika, adjuvant 928 - , Debridement 928 - , - , Schweregradeinteilung 919 - , Primärheilung - , - , Kontakt-und Spaltheilung 921 - R e p o s i t i o n 922 - , - , Repositionshindernisse 922 - R e t e n t i o n 922 - , Extensionsverband 923 - , - , Gipsverband 922 - , - , Polsterung und Spaltung 923 - , in Kunststoffverbänden 923 - , konservative Verfahren 922 f. - , - , operative Verfahren 923 ff. - S c h o c k 919 - , Sekundärheilung 921 Kallusbildung 921 - , traumatische 913 f. - , - , Einteilung nach Entstehungsmechanismen 913 f. - , Verschiebungsrichtung (Dislocation) 915 Frakturen beim Kind 1003 - , Besonderheiten 1003 Frakturen der Finger- und Mittelhandknochen 1022 ff. - , konservative Therapie 1024 - , Korrekturoperationen 1024 Frakturen der Handwurzelknochen 1024f. Frakturen der Phalangen K-Drahtfixierung 1023 Frakturen des proximalen Humerus 945 ff. Formen 945 - , Häufigkeit und Pathogenese 945 Therapie 946 Frakturheilung, Primärheilung 920 f. Frakturkrankheit 922 Frankfurter-Schiene 57 Frederick-Parkes-Weber-Syndrom 822 Freie Luft im Abdomen 642 Freies Thyroxin (FT 4 ) 753 Fremdkörperembolie 172 Fremdkörperextraktion, endoskopische 16 Fremdkörper im Analkanal 620 Fremdkörper im Magen 546 Fremdkörper im Ösophagus 499 Fresh-frozen-Plasma (FFP) 146, 157 Frischblut, Indikationen 155 Frontobasale Impression 278 Frozen shoulder 1035 Fruchtwasserembolie 172 Frühkarzinom, Definition 220 5-Hydroxyindolessigsäure 390, 564 5-Jahre Überlebenszeit 236 Fundoplicatio nach Nissen
Sachregister - , Prinzip und Technik 493 - , technische Fehlermöglichkeiten 493 f. Funikuläre Myelose 129, 551 Funktionelle Operabilität bei Thoraxeingriffen 368 Funktionelle Residualkapazität (FRK) 368 Furunkel 76 Furunkel (Hals) 340 Furunkulose 76 Fußdeformitäten 907 Fußsenkerschwäche 290
„Gabelstellung" 954 „Gänsegurgelarterie" 432 Galaktographie 349 Galeazzi-Luxationsfraktur 957 Gallefistel nach Leberverletzung 894 Gallenblasenagenesie 690 Gallenblasenfehlbildungen 690 Gallenblasenhydrops 680 Gallenblasenkarzinom 690 f. - , Ausbreitung 690 - , Epidemiologie 690 - H i s t o l o g i e 690 - , Operationsverfahren 691 - , Prognose 691 - , Risikofaktoren 690 - , Symptome und Diagnostik 691 - , TNM-Klassifizierung 690f. Gallenblasenperforation 681 Gallenblasenpolypen 690 Gallenblasen-Sludge 681 Gallenblase und Blutversorgung 674 Gallenblase und -Wege 674ff. - , Physiologie und Pathophysiologic 675 Gallengangsatresie 690, 815 f. - , Bilirubinexkretionsstörungen 815 - , Diagnostik 815 - , Differentialdiagnose 815 - , Epidemiologie 815 - , Formen 815 - , Komplikationen 815 - , Lebertransplantation 816 - , Symptome 815 - , TTierapie 815f. Gallengangsendoprothese 18, 677 Gallengangskarzinom 691 ff. - , Ausbreitung 691 f. - , Epidemiologie 691 - , Palliativmaßnahmen 693 - , radikale Operationsverfahren 693 - , Stadieneinteilung 692 - , Strahlentherapie (Seeds-Implantation, AfterloadingVerfahren) 693 - , Symptome und Diagnostik 692 f. - , TNM-Klassifikation 692 - , Wachstumsverhalten und Lokalisation 691 Gallengangsstenosen 685 Gallengangsstrikturen 685 Gallengangs-Stents 693
Gallengangsverletzungen, Verletzungsmuster 695 Gallenkolik 679 - , Begleitsymptome 679 - , Pathogenese 679 - , Steinarten 679 - , Symptomatik 679 - , Algorithmus der Komplikationen 680 Gallensteinileus 682 f. - , Definition 682 - , Diagnostik 683 Krankheitsverlauf 682 - , Operationsverfahren 683 - , Steinwanderung 682 Gallensteinleiden (Kind) 817 - , Operationsindikationen, absolute 686 - , Operationsverfahren 686f. - , Therapie verfahren 685 ff. - , Gallenwegserkrankungen 675 ff. -.Diagnostik 675ff. - , - , Cholezystocholangiographie, intravenöse 676 - , - , CT/MRT 677 - , - , Endosonographie 677 - , - , Sonographie 676 - , intraoperative Diagnostik 678 - , - , Sonographie 678 - - Z i e l e 678 Gallenwegsgeschwülste, Kind 817 Gallenwegsverletzungen 695 Gallesäureverlustsyndrom 897 Galvanisation 206 Ganglion 1015 f., 1037 - , Prädilektionsstellen 1016 - , Therapie 1016 Ganglioneuromatose 778 Gangrän 78,434,455 Ganzkörperplethysmographie 368 Gardner-Syndrom 544,580 Gas-bloat-Syndrom 493,494 Gasbrand 48, 80 - , Definition und Erreger 80 Therapie 80 - , typische Symptome 80 Gas-Insufflator 255 Gasnachweis in der Darmwand 569 Gasödem 80 Gastrektomie, s. Magenkarzinom 536 Gastrinom (= Zollinger-EllisonSyndrom) s. a. dort 788 - , Epidemiologie 788 Gastrinproduktion 510 Gastrin-Rückkopplungsmechanismus 519 Gastritis 515 ff. - , atrophische 515 - , Definition 515 - , erosive 659 - , Formen 515 - , hämorrhagisch-erosive 517 - , - , Diagnostik 517 - , - , Ursachen 517 - , intestinale Metaplasie 515 - , Symptome 515 - , Therapie 517 - , Typ-A 515
- , Typ-B 516 - , - , Helicobacter pylori Infektion 516 - , - , Morphologie 516 Gastroschisis 800 - , Definition und Epidemiologie 800 - , Symptome und pränataler Nachweis 800 - , Therapie und Prognose 800 Gastroduodenales Ulkus 518 ff. - , Definition 518 Gastroenteropankreatisches System (GEP-System) 784fT. GI-Blutungen (Gastrointestinale) 647ff. - , allgemeine klinische Zeichen 647ff. - , Blutungsursachen 647 - , endoskopische Klassifizierung nach Forrest 648 - , Formen 647 - , Häufigkeit und Lokalisation der Blutungsquellen 647 -.Klassifizierung 647f. - , Sicherung der Blutungsquelle 649 Gastrokolische Fistel 528,551 - , Operationsverfahren 552 Gaumenplastiken 307 Gefäßchirurgie 432 ff. Gefäßchirurgie im Alter 219 - , Amputationrate 219 - , interventionelle Verfahren 219 Gefäßchirurgische Verfahren 440 ff. - , Indikationen, grundsätzliche 440 - , Regionalanästhesie 440 Gefäßdiagnostik 10 Gefäßerkrankungen, angeborene 433 - b e i m K i n d 822f. - , - , Erscheinungsformen 822 - , - , Therapie (Laser, Operation) 823 Gefäßerkrankungen des ZNS 273ff. Gefäßersatz 443 f. - , alloplastischer 443 - , autologer 443 Gefäßgestielte Beckenkammtransplantate 328 Gefäßinterposition 441 Gefäßoperationen - , Antibiotikaprophylaxe 444 - , Antikoagulanzientherapie 444f. - , - , Aggregationshemmer 444f. - , - , Cumarine 444 - , - , Heparine 444 - , medikamentöse Nachsorge 444f. - , Nachsorge, allgemeine 446 - , - , Bypasskontrolle 446 - , postoperative Komplikationen 445 f. - , - , tiefe Wundinfektion 445 f. - , - , Transplantatverschluß 445 - , allogene Transplantate 444 - , abgedichtete (Gelatine, Albumin, Kollagen) 444 - , Dacron 444
Sachregister - , Teflon (PTFE) 444 - , velourbesetzt 444 Gefäßverletzungen 48,900 ff. - , Einteilung und Häufigkeit 900 Gefäß- und Hautklammergeräte 111 Gehtest 435 Gehtraining 438 Gentamicin PMAA-Kugeln 91 Gelenkinfektion 932f. - , Diagnose 932 f. - , Pathogenese 932 - , Therapie und Prognose 933 Gelenkuntersuchungen 908 ff. - , Ellenbogengelenk 909 - , Fuß 910 - , Hand- und Fingergelenke 909 - , Hüftgelenk 909 - , Kniegelenk 909 f. - , Schultergelenke 908 f. - W i r b e l s ä u l e 908 Gelenkverletzungen 917 f. - a n der Hand 1025f. - , Bandruptur 918 - , Distorsion 918 - , Knorpelschäden 918 - , - , Osteochondrale Fragmentfixationen 918 f. - , Kontusion 917 f. - , Luxation 918 - , Luxationsrichtung 918 „Gap"-Atresie 806 GEP-System - , apparative Untersuchungen 789 - , Diagnostik und Differentialdiagnose 789 - , operative Tbmorentfernung 789 - , perkutan-transhepatisch selektive Katheterisierung der V. lienalis und V. mesenterica sup. zur Messung der Hormonkonzentration 789 - , Polytopie der Syntheseorte 784 - , Unterfunktion 785 - , Klassifikation 785 Gerinnungsfaktoren 163,164f. -.Substitution 157 Gerinnungskaskade 163 Gerinnungssystem -.Gefäßreparatur 163,164 - , plasmatisches 163 - , Serotonin 163 Gesamtautonomie 758 Gesamtkörperwasser 132 Gesamtthyroxin 753 Geschwülste, gut- und bösartige - , Definition 220 Gesetzliche Kranken- und Arbeitslosenversicherung 1054, 1055 - , Bemessungsgrundlagen 1054 Gesetzliche Rentenversicherung 1054 Gesetzliche Unfallversicherung 1054 - , versicherter Personenkreis 105 - , Versicherungsfall 1055 Gewerbliche Berufsgenossenschaften, (BG) 1055 Gesichtsepithesen 329
1079 Gesichtserysipel 318 Gesichtsfrakturen - D i a g n o s t i k 311 - , Erstversorgung in der Klinik 312 - , Gefahr der Blutaspiration 311 - , konservative Frakturbehandlung 312 - , klinische Untersuchung 310 - , Maßnahmen am Unfallort 311 - , Operationsverfahren 312ff. - , Symptomatologie 309 f. - , unsichere und sichere Frakturzeichen 310 Gesichtsfurunkel 7336,317 Gesichtsphlegmone 317 Gesichtsspalten 305 Gesichtstumoren - , mesenchymale 326 - , - , gutartige 326 - , - , maligne 326 Gesichtsverletzungen 308 ff. - , Ätiopathogenese 309 - , Epidemiologie 309 - , Korrektur von Unfallnarben 315 - , operative Wundversorgung 314 Gesundheitsstrukturgesetz 35 Gewebeexpansion 881 Gewebekleber 48,108 Gewebsthromboplastin 164 Giebelrohr 202 Gilchrist-Verband 59,939, 940 GIP (gastric inhibitory peptide) 513 Gipshülse 923 Gipsinstrumente 55 Gipspolsterung 55f. Gipsregeln 56 f. Gipsverband 55,923 - , unabdingbare Forderungen 923 Girard-Naht 802 Glasgow-Komaskala 302 Gleithernie 730 Gleithoden 870 Gliedertaxe 1056 Gliome 266 - , Arten 266 Glisson-Extension (-Schlinge) 205,294 Globalinsuffizienz 369,887 Glomeruläre Filtrationsrate, (GFR) Glomustumor der Karotisgabel 470 Glossitis 555 Glukagon 128 Glukagonom 786 - , Glukagonbestimmung 786 - , Symptome, typische 786 Glukagonproduzierende A-Zellen 785 Glukoseintoleranz 786 Glukosetoleranztest 707 GnRH-Analoge 860 Goldblatt-Mechanismus 465 „Grabesstille" 640 Grading 227, 228 Grading n. Dhom 858 Graefe-Zeichen 758,759 Graft versus host reaction, (GVH) 154,158 f., 238
- , präventive Bestrahlung der Blutkonserven 159 granulationsfördernde Medikamente 51 Granulationstumoren in der Mundhöhle 327f. Granulozytenkonzentrate 157 Grenzstrangresektionen, s. Sympathektomie Grenzzonenamputation 481 Grey-Turner-Zeichen 704 Griffprüfungen 909 Grünholzfraktur 913,1003 Griffelschachtelplastik bei veralterter Achillessehnenruptur 1034 Gruppentherapie, krankengymnastische 204 Gsell-Erdheim Mediaerkrankung 426 Guedel-Tubus 198 Gutachtenaufbau 1057 Gynäkomastie 343,855 G-Zellen 510
Haarzelleukämie 719,720 Habituelle Ellbogenluxation 951 - , Operation n. Osborne und Caterill 951 Hämangiome - F o r m e n 822 - , Komplikationen 822f. Hämangiom/Hämangiokarvenom der Leber 671 Hämangiome im Kiefer 327 - , Verblutungstod 327 Hämarthros 917 Hämaskos 902 Hämatemesis 525,628,649 Hämatin 525 Hämatinerbrechen 628 Hämatochezie 525,649 Hämatogene Osteomyelitis 929f. - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 929 f. - , Diagnostik 930 - , Therapie 930 f. Hämatogene Peritonitis (Kind) 820f. - , Diagnostik 820 - , Erregernachweis durch Bauchhöhlenpunktion 820 -.Therapie 821 Hämatom - , am Damm und Skrotum 865 - , chronisch subdurales 282 - , intrakranielles, posttraumatisches 280f. - , - , Diagnose 280,282 - , - , epi- und subdurales 280 - , - , klassischer Verlauf 280 - , - , Komplikationen 282 - , - , operative Therapie 282 - , - , Prädilektionsstellen 281 f. - , - , Symptomatik 280,281 - , - , Therapie 282 Hämatosinus 309 Hämatothorax 359,. 362,886 - , Komplikationen 886 , Dekortikation 364 - , Komplikation: Pleuraschwarte 364
Hämatothorax nach Thoraxeingriffen 371 - , operative Koagelausräumung 364 - , Saugdrainage 364 - , Symptome und Diagnostik 364 - , Therapie 886 - , Ursachen 364,886 Hämatozele 856 Hämaturie 3,830,890 - , Diagnose 830 - , schmerzlose 830 Hämobilie 661, 695, 894 - , Symptomentrias 695 - T h e r a p i e 894 - , typ. Symptomentrias 661, 894 Hämodilution 439 Hämokkult-Test 562,563 Hämolytisch urämisches Syndrom (HUS) 245 Hämoperitoneum 890 Hämophilie A und B 167 Hämopoese 716 Hämoptyse 3,372 Hämorrhoiden 615 f. - , Diagnostik 615 f. - , Gummibandligatur n. Barron 616 - , Komplikationen 615, 616 - , konservative Therapie 616 - , Kryo-oder Lasertherapie 616 - , Lokalisation, typische 615 - , n. Milligan-Morgan 33 oder Parks 616 - , operative Therapie 616 - , Schweregradeinteilung 615 - , Sklerosierung 616 - , Symptome 615 - , Ursachen 615 Hämospermie 832 Hämostase 163 ff. - , Funktionsbreite 163 f. - G e f ä ß w a n d 163 - , Thrombozyten 163 Hämostasestörung 166 ff. - , Ätiologie 166 - , klinische Parameter 166 - , Laboruntersuchungen 166 - , - , Global-, Faktoren- und Phasentests 166 - , Therapie 167f. - , thrombozytäre und vaskuläre 167 f. Händedesinfektion - , chirurgische 87 - , hygienische 85 f. - , - , Indikationen 86 HÄS 146 Haftpflichtversicherung 1056 Hagemann-Faktor 164 Halbrohrplatte 926 Halo-Fixateur 961,962 Halothan 179 Halo-Weste 961, 962,966, 967 Halslymphknoten - , maligne Veränderungen 338 Halslymphknoten-Tbc 319 Halsmarktumoren, hohe - , Symptome und Diagnostik 288 Halsphlegmone 317,341 - , Komplikationsmöglichkeiten 341 - , Therapie 341
Sachregister
1080 Halsrippe 293,299 - , Resektion 355 Halsrippensyndrom 337 Halswirbelsäulenverletzungen 965 ff Halszysten 320 f. - , Ätiologie und Pathogenese 320 Halszysten und -fisteln - , laterale 333 - , - , Operationstechnik 335 - , - Symptome und Diagnose 333 - , - , Therapie 333 f - , mediane 332f. - , - , Differentialdiagnose 332 - , maligne Entartung 332 - , - Operationstechnik 334 - , - , Therapie 332 f. Hammans-Zeichen 361 Hammerfinger (Mallet-Finger) 1021 -, -, -, -, -,
K-Draht-Fixierung 1021 angeborene Fehlbildungen 1031 - , Ätiopathogenese 1031 Funktionsprüfungen 1012 Gipsruhigstellung in Intrinsicplus-Stellung 1013 - , Inspektion und Palpation 1011 - , krankengymnastische Nachbehandlung 1014 - , Sensibilitätsprüfung 1012 - , Untersuchungstechnik 1011 ff. Handchirurgie 1011 ff. - , Anästhesieverfahren 1012 - , atraumatische Operationstechnik 1013 - B l u t l e e r e 1012f. - , Plexusanästhesie 101233 - , postoperative Nachbehandlung 1013 - , Schnittführungen 1013 Hand- und Fingerinfektionen 77 Hand und ihre Bedeutung 1011 Hanged man's fracture 966 „Hanging cast" 947 Hannover-Polytrauma-Schlüssel (PTS) 1008 Haplotyp 153 Harnabflußstörungen (Kind) 867 - , Ursachen und Folgen 826, 827 Harnableitungen 836f. - , definitive 836 - , temporäre 836 - , Füllungs- und Entleerungsphase 828 - , Funktionelle Anatomie 828 - , Leukoplakie 854 - , Pathophysiologie 828 f. - , Störung der Entleerungsfunktion 828 - , Störungen der Reservoirfunktion 828 - , Viszero-Somatomotorik 829 Harnblasendruckmessung 832 Harnblasenentleerungsstörungen - , Epidemiologie 868 - , Reduktion der Restharnmenge 872 - , Senkung des Detrusorwiderstandes 872 - , Senkung des intravesikalen Widerstandes 872
- T h e r a p i e 868 Harnblasenentleerungsstörungen (Kind) 868 Harnblasenentleerungsstörungen, neurogene, (Kind) 871f. - . T h e r a p i e 872 - U r s a c h e n 871 Harnblasenkatheterismus 833 Harnblasenkathetertypen 833 Harnblasentumoren 852 ff. - , Carcinoma in situ 854 - , Chemotherapie 854 Epidemiologie und Ätiopathogenese 852f. - , Metastasierung und TNMKlassifizierung 853 - , Prognose 854 - , Sonderformen 854 - , Symptome, Diagnose und Differentialdiagnose 853 - , Therapie 853 f. - , Zystoprostatovesikulektomie mit pelviner Lymphadenektomie und Blasenersatz 853 Harnblasenverletzung 865 - , Diagnostik und Differentialdiagnose 865 - , intra- oder extraperitoneale Ruptur 865 - , Operationsverfahren 865 - , Ursache 865 Harnleiterektasie 829 Harnleiterentzündungen 844 Harnleiterfehlbildungen, seltene 839 Harnleiterkatheterismus 837 Harnleiterplastik 835 Harnleitersteine 591,862 Harnleitersteinentfernung mit Zeiss-Schlinge 837 Harnleiterstrikturen, aktinische, iatrogene 839 Harnleiterverlagerung ohne Neuimplantation n. Lich-Gregoire 869 Harnleiterverlagerung n. Politano-Leadbetter, Glenn oder Cohen 869 Harnleiterverletzungen 864 f. - , iatrogene 864 - , Kaudalverlagerung der Niere mit Hörnerblase 865 postoperative Striktur 865 - , Therapie 865 - , Urinom 865 Harnproduktion, Funktionswerte 829 Harnröhrendruckprofil 832 Harnröhrenklappen, (Young) 841, 868 - , Formen 868 Harnröhrenruptur 865f. - , Diagnostik und Differentialdiagnose 866 - , Symptome der direkten und indirekten Ruptur 865 f. - , Therapie 866 Harnröhrenschmerz 830 Harnröhrenstein 863 - , Metaphylaxe 863 - , Rezidivprophylaxe 863 Harnträufeln 857 Harntrakt
- , Funktions- und radiologische Diagnostik 832 f. - , Radiologische Untersuchungen 832 - , instrumentelle 832 Harntransportstörungen 826f. - , Ätiopathogenese 826 f. Harnuntersuchungen 830 f. - , chemische 831 - , mikroskopisch, Sediment 831 Harnverhaltung 829, 872 Harrington-Stäbe 963 Hashimoto-Thyreoiditis 756 - , Karzinominzidenz 756 - , Prognose 756 Haupthistokompatibilitätskomplex 153 Hauptzellen 510 Hautbank 70 Haut-Muskellappen, kombinierte 879 Hautschnitte am Hals 339 Hauttumoren 875
HDC-Impfstoff 82 Head-Schmerz-Zonen 2, 679 Heberden-Arthrose 909 Heftpflasterzugverband 981 Heinz-Körper 716 „Heiße-Rolle" 205 Helicobacter Pylori 515 -.Diagnostik 516, 523 - , Dual- und Tripel-Therapie 520, 521 - , Eradikationtherapie 520 - , mikrobiologischer Nachweis 516 - , Reinfektionsquote 520 Heller-Zungenlappenplastik 622 Hemihepatektomie, auch erweiterte re. 663 Hemilaminektomie 294 Hemithyreoidektomie 755 Henderson-Hasselbalch-Gleichung 130 Heparininduzierte Immunthrombozytopenie, (HITT) 167 Heparinneben Wirkungen 174 Hepatikojejunostomie 693f. Hepatobiläre Askaridiasis 817 - , Leberabszesse, Cholangitis 817 Hepatobiläre Sequenzszintigraphie 663,677,895 Hepatocholeszintigraphie 663 Hepato-Porto-Enterostomie 816 Hermaphroditismus 841 Hernia completa 734 Hernia duodeno-mesocolica 741 Hernia femoralis, s. Femoralhernie Hernia incipiens 734 Hernia intersigmoidea 741 Hernia ischiadica 741 Hernia obturatoria 741 Hernia paraduodenalis 741 Hernia per magna 730 Hernia recessus ileocoecalis 741 Hernia scrotalis 734 Hernia supravesicalis 741 Hernien 730 ff. - , Anästhesieverfahren 733
- , bildgebende Diagnostik 731 - D e f i n i t i o n 730 - , Differentialdiagnose 731 - , en-bloc-Reposition 733 - , erworbene 731 - , Häufigkeit 730 - , innere 741 - , interparitale 730 - , klinische Untersuchung 731 - , Komplikationen 731 - , kongenitale 730 - , konservative Therapie 732 - , Koteinklemmung 731 - , Kontraindikationen zur Operation 733 - , Leitsymptome 731 - , Lokalisationen 730 - , - , Technik 733 - , Nachbehandlung nach Operation 733 - , operative Technik 733 - , Operative Therapie 733 - , Operationsletalität 733 - , postoperative Komplikationen 733 - , Pathogenese 731 - , pathologische Anatomie 730 - , Rezidivhäufigkeit 733 - , peristomale 576 - , Scheineinklemmung 732 - , symptomatische 732 - T h e r a p i e 732f. Herter-Krankheit 562 Herzbeuteltamponade 197, 400, 428,449 Herzchirurgie - , Blutgasanalysen, (postoperativ) 400 - , femoro-femoraler Bypass 397 - , Historie 395 - , Hypothermie und Kreislaufstillstand 397 - , Intensivmedizin 400 - , intraoperatives und postoperatives Monitoring 399 - , Komplikationen der extrakorporalen Zirkulation 396 - , Lungenfunktion, postoperativ 400 - , Nachblutung 400 - , Nierensuffizienz, postoperativ 400 - , Operationszeitpunkte 401 - , postoperative Komplikationen 400 - , postoperative Rhythmusstörungen 400 - , postoperative Überwachung der Vitalfunktionen 400 - , Postperfusionssyndrom 396 - , Standardbypass 397 - , Standardverfahren 396 - , Zugangswege 399 Herzerkrankungen, erworbene - , Häufigkeit 415 ff. Herzfehler - , angeborene 402 ff. - , - , Einteilung 402 - , azyanotische 402 ff. - , - , mit normaler Lungendurchblutung 402 -, Definition 402
Sachregister vermehrte Lungendurchblutung 402 - , Definition 406fT. Häufigkeit 402 - , zyanotische 409 - , - , Definition 409 -, Hirnischämie/Hirnabszeß 409 - , zyanotische mit vermehrter Lungendurchblutung 411 ff. - , - , Formen 409 f. Herzinfarkt, postoperativer 148 Herzinsuffizienz 148 - , Schweregrade ( N Y H A ) 401 Herzklappen - , Aortenklappe vom Schwein (denaturiert) 421 - , Doppelflügelprothesen 421 - , gerüstfreie Prothesen vom Schwein 422 - , homologe (Verstorbene), kryokonservierte 422 - , Kippscheibenprothese nach Björk-Shiley-Monostrut 421 - , Mitroflow-Bioprothese, (Rinderperikard) 421 f. Vor- und Nachteile der verschiedenen Typen 422 Bioprothesen 421 f. - , doppelte 424 - , mechanische Klappen 421 f. Herzklappenfehler - . e r w o r b e n e 420ff. - , - , Ätiologie 420 - , - , Epidemiologie 420 - , - , Hämodynamik 420 f. - , - , Operationsindikationen 421 - , Rekonstruktionsverfahren 421 f. Herzklappenverletzungen 429 HLM, (Herz-Lungen-Maschine) 395 f. - , Blutpumpen 395 - B l u t t r a u m a 396 - , Hämolyse 396 - , Oxygenatoren 395 - , Wärmeaustauscher 395 Herz-Lungen-Transplantation, en bloc 429ff. - , Ergebnisse 430 - , Indikationen 430 - , Organentnahme und Implantationstechnik 430 Herzmassage - , extrathorakale 199 Herzoperationen - , Dringlichkeit 401 - , Korrektureingriffe 401 - , palliative, Ziele 401 Herzrhythmusstörungen 137, 427f. - , b r a d y c a r d e 426 - , Formen 427 - , - , Herzschrittmacher-Implantation 427 - , tachycarde 427 - , Therapieverfahren 427 Herzruptur, traumatische 429 Herzschrittmacher, (HS) 426f. - , Ergebnisse und Komplikationen 427 - , Häufigkeit der Anwendung 426
1081 - , Implantationstechnik 426f. - , Indikationen 426 - T y p e n 426 Herzschrittmachertherapie 137 Herzspender 430 Herzspezifische Enzyme 400 Herztransplantation, orthotope 430f. - , Ergebnisse 431 - , Häufigkeit 430 - , Immunsuppression 431 - , Indikationen 430 - , Kontraindikationen 430 - , Operationstechnik 430 - , Verlaufskontrollen 431 - , Überbrückung der Wartezeit auf Spenderherzen 430 - , zytoimmunologisches Monitoring 431 Herztumoren 428 - , Einteilung 428 Herzverletzungen 428 f. - H ä u f i g k e i t 428 Hetero- bzw. Xenotransplantate 880 „Hexenschuß" 292 Hiatusgleithernie 488f. - , Refluxkrankheit 489 Hiatushernien 488 ff. - D i a g n o s t i k 489 - , Definition und Einteilung 488 - , Ligamentum teres-Plastik 495 - , Operation nach Belsey 494 - , Operation nach Hill 494 - , Operationsverfahren 493 ff. High-Pressure-Reflux 833 Hilflos: Definition 1054 Hill-Kriterien 29 Hill-Sachs-Delle 911, 943, 945 Himbeergeleeartige Durchfälle 598 Hippel-Lindau-Syndrom 822 Hirnabszesse 268 - Ä t i o l o g i e 268 - , operative Behandlung 272 Hirnaneurysmen 273ff. - , Ätiologie 274 - , Blutungswahrscheinlichkeit 275 - , Gefäßspasmus 275 - , Häufigkeit und Lokalisation 273 - , Operationsletalität 275 - , Operationstechnik 275 - , Operationsziel 275 - , Rezidivblutung 275 - , medikamentöse Behandlung 272 - , operative Therapie 272 - S y m p t o m e 269ff. - , Atemlähmung 197 Hirninfarkt 276 Hirnmetastasen 267 - , Operationsindikation 272 Hirnödem 7,268 -.generalisiertes 268 - , postraumatisches 278,279f. - , - , interstitielles 280 - , - , Therapie 250 - , vasogenes 280 -.zytotoxisches 280 Hirnstammsyndrome 270
Hirnszintigraphie, dynamische 271 Hirntod - , Feststellung 239 - , Nachweismethoden 239 - , primärer und sekundärer 239 Hirntumoren 266 f. - , adjuvante Chemotherapie 273 - D i a g n o s t i k 271f. - , Grading n. Zülch 266 - , Hirnnervenausfälle 270 - , Kleinhirnhämisphäre 270 - , Okzipitallappen 270 - , Operationsindikation 272 - , postoperative Rehabilitation 273 - , Prognose 272 - , Stammganglien 270 - , Strahlentherapie 273 Hirnvenen- und Sinusthrombose 276 Hirschsprung-Erkrankung 807f. - , Defäkogramm bei Aganglionose, typisches 807,808 - D e f i n i t i o n 807 - , Diagnostik - , - , Erhöhung der Azetylcholinesteraseaktivität 807 - , - , Elektromanometrie 807 - , Operationsverfahren n. Rehbein, Swenson, Duhamel oder Soave 808 - , Übergangssegment 807 - , Verlaufsformen 807 Hirsutismus 782 Histiozytose X 1047 Histoacryl-Klebstoff 108 Histoacryl-Unterspritzung 659 His-Winkel 489 H I T T 174 Hitzschlag 192 HIV-Antikörpertest 104 HIV-assozierte Erkrankungen
101
Hivid® 104 HIV-Inaktivierungsverfahren, Quarantänelagerung von Blutkonserven 161 HIV-Infektion 99 ff. - D i a g n o s t i k 100 - , Epidemiologie und Risikogruppen 99 - , Infektionsprophylaxe 103 f. - K l a s s i f i k a t i o n lOOf. - , Pathogenese 99 - , postexpositionelle Maßnahmen 104 - , Transfusion von Blut und -produkten 105 - , Übertragungswahrscheinlichkeit 103 - , Verhaltensrichtlinien für medizinisches Personal 104 HIV-Test beim Operationspersonal 104 HLA-Merkmale 243 HLA-System 153 ff., 243 - , Bluttransfusion 154 - , - , Induktion von HLA-Antikörpern 154 - , Hauptgenregionen 153 - , Klasse I- und II-Antigene 153 f. - , Eigentransplantation 154
HNPCC, (hereditäres nichtpolypöses Kolonkarzinom) 580,581 Hochfrequenzkinematographie (Ösophagus) 485 H O C M , (hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie) 403 Hodengumma 856 Hodenlymphom 856 Hoden-Nebenhodenschmerz 830 Hodentorsion 12,802,873 Hodentumoren 854 ff - , Ablatio testis, hohe 856 - , Ätiopathogenese 855 - , Chemotherapie, (EinhornSchema) 856 - , Differentialdiagnose 855,856 - , Epidemiologie 854 - , Histologie und Metastasierung 855 - , Prognose 856 - , retroperitoneale Lymphadenektomie 856 - , Stufentherapie 856 - , Symptome und Diagnose 855 - , Tumormarker 856 Hodenvergrößerung - , Ätiopathogenese 873 Hodgkin- und Non-HodgkinLymphe - , submandibular 326 Höckernase 874 Hörnerblase nach Dolff 835, 867 Hoffmann-Tinel-Zeichen 1027 Hoher Palma 478 Hohlhandphlegmone 1031 Hohlorganperforation, CMV-induzierte 102 Holmium-Laser 207,212 Homans-Zeichen 169 Homologe Inselzelltransplantation 785 Homologe Transplantation des Linkspankreas 785 Homotransplantate 880 Hormoninkretion 748 Hormonkonversion, periphere 748 Hormonproduktion - , Regelmechanismus 749 Horner-Syndrom 904 Hospitalkeime 73 Hounsfield-Einheiten, (HU) 667 Howel-Jolly-Körper 716 Howship-Romberg-Zeichen 741 H 2 -Rezeptorentagonisten 517 H 2 -Rezeptorblocker 520 H-Shunt n. Drapanas 655 HTK, (Bretschneider)-Lösung 242 Hüftgelenkluxation 972f. - D i a g n o s e 972f. - E i n t e i l u n g 972 - , Häufigkeit der Hüftkopfnekrose 973,977 - , Häufigkeit der N.ischiadicusLäsion 973 - , Häufigkeit und Ätiologie 972 - , Nachbehandlung 973 - , notfallmäßige Reposition 973 - , Prognose 973 - , Repositionsmanöver n. Böhler 973
Sachregister
1082 - , Stabilitätsgrade bei hinterer Luxation I - IV 973 - , zentrale 972 Hüftluxationen, zentrale 970 Hühnerbrust, (Pectus carinatum), s. Kielbrust Hüllfaszien des Beckens 611 Hueter-Dreieck 950 Hufeisenabszeß 618 Hufeisenniere 835 Humanalbumin 146 humane Leukozytenantigene 153 Humerusfrakturen, distale 948ff. - , Bruchformen nach A O Klassifikation 948 - D i a g n o s t i k 948 - T h e r a p i e 949 Humeruskopfnekrose 946 Humerusschaftfrakturen 947 - , Diagnostik 947 - , Komplikationen: N.radialisSchädigung, Pseudoarthrose 947 - , Operationsindikationen- und Verfahren 947 Ruhigstellung mit Desaultoder Gilchristverband 947 Humerus-Trümmerbruch 945 131 J-M-Benzylguanidin-Szintigraphie 777 Husten 3 Hyaluronidase 78 Hydatide 667 Hydrocele funiculi spermatici 802 Hydrocele testis 802 Hydrokolloidfolien 52 Hydronephrose 827, 829 Hydronephrotische Wassersackniere 827 Hydro-/Serothorax Symptome und Diagnostik 363 - , Therapie 363 - , Ursachen 363 Hydrotherapie 204 - , Prinzip 204 Hydrothorax 363 Hydroureter 827 bei M. Ormond 844 Hydroxyäthylstärke 146 Hydrozele 802 - , Definition 802 - , communicans 285 - , - , Diagnostik 286 - , - , Zeichen 285 - f r ü h k i n d l i c h e r 285 f. hypersecretorius 285 - , occlusus 285 - , posttraumatischer 279 Hygienemaßnahmen, perioperative 74 Hygroma colli cysticum s. Lymphangioma cysticum 335 f. Hyperalimentation 136,140 Hyperdyname Hypertension 641 Hypergastrinämie 515, 520 - , Karzinoidhäufigkeit 515 Hyperhydrosis der Hände 260 Hyperhydratation 132 f. - , hypertone 133 - , hypotone 133 - , isotone 133
Hyperimmunglobulin 49 Hyperinsulinämie, reaktive 548 Hyperkaliämie 134 Hyperkalzämische Synovitis 771 Hyperkinesien 301 Hyperkortisolismuskrise 782 Hyperlipoproteinämie 432, 438 Hyperosmolalität 132 Hyperparathyreoidismus 519, 520,771 ff., 1048 - , Adenomexstirpation 775 - , arterielle superselektive Katheterangiographie 774 - , Differentialdiagnose u. Ursachen 772 f. - , Fibroosteoklasie 773 - , intraoperative Schnellschnittuntersuchung 774 - , Labordiagnostik 773 - , Lokalisationsdiagnostik des Nebenschilddrüsenadenoms 773 - , Operationsergebnisse 775 - , Operationsindikationen bei den verschiedenen Formen 774 - , Operationsverfahren 774f. - , präoperative Maßnahmen 774 - , Rezidivrate 775 - , subtotale Schilddrüsenresektion 775 - , venöse Rückstromangiographie mit Parathormonbestimmung 774 Hyperparathyreoidismus, sekundärer 245 - , Entfernung der 4 hypoplastischen NSD u. Transplantation 775 Hyperparathyreoidismus, tertiärer 772 Hyperperistaltik 628 f. - , bei Durchfallerkrankungen 628 - , bei mechanischen Hindernissen (Ileus) 628 Hypersalivation 483 Hyperspleniesyndrom 719 - , Indikation zur Splenektomie 719 - , primäres u. sekundäres 719 Hypertelerismus 305 Hyperthermiebehandlung maligner Tumoren 235 Hyperthyreose 757ff. - , disseminierte Autonomie 757 - , Einteilung 757 - , latente 757 - , medikamentöse Therapie 760 - , Operationsverfahren 760 - , Radiojodtherapie 760 - , Therapie-Algorithmus 760 - , Thyreoidektomie 760 Hyperthyreosis factitia 757 Hypertonie, postoperative 149 Hypertoniebehandlung 137,438 Hypertonizität 132 Hypertrophe Analpapille 620 Hypochlorämie 814 Hypokalämie 133 f., 779 - , Therapie 133 Hypokalzämie 770 Hypokalzämische Tetanie 774
Hypoosmolalität 132 Hypoparathyreoidismus - , idiopathischer 770 - , Leitsymptome 770 - T h e r a p i e 770 Hypoperistaltik 628 - , klinisches Bild 628 - , Ursachen 628 Hypopharyngogramm 752 Hypophysenadenome 267 Hypophysentumoren 270 Hypophysenvorderlappenadenom 778 Hypoplasie 1032 Hypoxie, Beurteilungskriterien 1007 Hyporeninämie 779 Hypospadie 836,840 - , Operationen n. Edmunds, Denis-Brown, Duckett 840 Hyposthenurie 829 Hyposystolie 197 Hypothyreose 760 f. - , Definition 760 - , Einteilung, angeborene und erworbene 760f. - , Komplikationen (Kretinismus) 761 - , Symptome und Diagnostik 761 - , TTierapie 761 TSH-Test 761 Hypotone Duodenographie 697 Hypotonizität 132 Hypoventilation 130 Hypovolämischer Schock 629 - , ohne Blutung 629 Hypoxie 136
Icterus neonatorum 690 Idiopathischer, diffuser Ösophagospasmus 488 - , Therapie 488 Idiopathische retroperitoneale Fibrose s. M. Ormond Ikterus - , intrahepatischer 683 - , Laborparameter, differentialdiagnostische 684 - , zweigipfliger 815 ILCO 576 Ileoanostomie 573 Ileostoma - , kontinentes nach Kock 575 f. - , prominentes 575 - , terminales 575 Ileumblase 837 - N a c h t e i l e 837 Ueum-Conduit n. Bricker 837 Ileus 602 ff. - , Ätiologie 602 - , Anamnese, typische 606 - , Darmdekompression n. Korn 610 - , Definition 602 - , Einteilung nach formaler Pathogenese 602 - , Endotoxine 604 - , funktioneller 603 f. - , Gastrografin-Passage und Interpretation 607f. - , gemischter 604
- , „innere Schienung" 610 - , klinische Differentialdiagnose 606 - , klinische Untersuchungen 606 f. - , konservative Therapie 609 - , Kontraindikationen zur Operation 609 - , Labordiagnostik 608 - L e t a l i t ä t 610f. - , mechanischer 602f. - - U r s a c h e n 602f. - , Mesenterikumfixation n. Childs-Phillips 610 - , Okklusion 602 - , Operationsindikationen, absolute/relative 609 - , Operationsziele 610 - , paralytischer 603 f. - , Pathophysiologie 604ff. - , - , Darmdistension 604 - , - , DIC(disseminierte intravasale Gerinnung) 604 - , - , Hypoxie 604 -RES 605 f. - , postoperativer 602,604 - , Prognose 610 - , Röntgen-Diagnostik 607 f. - , Sonographie 608 - , - , typische Kriterien 608 - , spastischer 604 - , Strangulation 602 - , Symptomatik und Diagnostik 606 ff. - , Ursachen, altersabhängig 603 Ileusformen 602 ff. Ileus (Kindesalter) 803fT. - , Differentialdiagnose, Strangulation/Okklusion 804 - , funktioneller 803 - , - , Ursachen 803 - , mechanischer 803 f. - , - , Differentialdiagnose 803 f. - O k k l u s i o n 805f. - , - , Röntgenuntersuchung 805 - , - , Symptome 805 - - , Ursachen 805,806 - , spastischer 803 - , Strangulation 804 - , - , Ursachen, altersentsprechende 805 Ileuskrankheit 605 IMA 417 Immunangiopathie 433 Immunantwort 242, 243 - , humorale 243 Immunfluoreszenztest 379 Immunglobulinmangel 562 Immunsuppression 243 f. - , Antilymphozytenglobuline, (ALG) 244 f. - , Azathioprin 244 - , - , Nebenwirkungen 244 - , Kortikosteroide 244 - , - , Nebenwirkungen 244 - , Medikamente 243 f. - , Mycophenolatmofetil 244 - , OKT3 245 — . N e b e n w i r k u n g e n 245 - , Tacrolinus 244 - , - , Nebenwirkungen 244 Immuntherapie maligner Tumoren 234
Sachregister Immunthrombozytopenie 157 Immunszintigraphie 230 imperativer Harndrang 829 Impfpaß 49 Impingement-Syndrom 1035 Implantation 114 Implantierbarer automatischer Defibrillator 428 Impotenz 587 Impotentia coeundi 873 Impressionsfrakturen am Schädel 277 Liquorfistel 277 Operationsindikationen 277 Indikationsformen 123 f. Indirekte Laservaskularisation des Myokards 420 Induratio penis plastica 866, 1015 Aufrichtungsoperation 867 - , Isoptin®-Injektionen 866 - , Ursachen 866 Inertia coli 600 Infektiöse Mononukleose 719 Infektionen, bakterielle 75 ff. - , aerobe und Definition 75 - A n a e r o b e 79ff. Definition 79 Infektionen, chirurgische 72 ff. - , begünstigende Faktoren 73 - , Hinteilung 72 - , Erregerreservoire, endogene und exogene 85 - , Erregerspektrum 85 - , Infektionsmodus 73 - , mikrobiologische Diagnostik 73 operative Therapie 74 - . P r o p h y l a x e 74f. - , Risikofaktoren 84 f. - , systematische antimikrobielle Therapie 74 - , - , Indikationen 74 Definition 72 - , parasitäre 82 f. - , putride 75 - , p y r o g e n e 75 Infektionen der Hand 1030 f. - , Behandlungsprinzipien 1030 - , typische Zeichen 1030 Infektlokalisation und zu erwartende Erreger 89 Infektionsabwehr 72 - , spezifische 73 - , Phagozytosephasen 73 Infektionsprophylaxe 137 Infektionsrisiko, chirurgisches 84 ff. Infiltrationsanästhesie 182 Infrarot-Lampe 205 Infusion und Transfusion von zellreichen Flüssigkeiten und Erythrozytenkonserven - , Indikationen 155 Intussusceptum 811 Inhalationsanästhesie 177ff. - A b l a u f in Stadien 177 - , anästhetische Potenz 178 - , klinische Zeichen der Anästhesietiefe 178 - , Schnelligkeit des alveolären Konzentrationsanstiegs 178 - M e r k m a l e 178 f.
1083 - , minimale alveoläre Konzentration (MAC) 179 Substanzen 179 Inhalationstherapie 202 Injektionen - , intraarterielle 113 intraartikuläre 113 - , intrakardiale 113 - , intramuskuläre 112 - , intravenöse 112 Komplikationen 113 Techniken 112 Inkarzeration 603,731 - , elastische 731 manuelle Reposition 732 Inkontinentia alvi bei Rektumatresie 813 Inkontinenz 622f. - , Definition 622 - , Diagnostik 622 - , durch Störung der Reservoirfunktion 622 motorische 622 - , M.gracilis-Plastik , Biofeedback-Training 623 - , Rekonstruktion der Analsphinktermuskulatur 623 - , reversible funktionelle 622 - , Schweregradeinteilung und Symptome 622 - , sensorische 622 - , Sphinkterersatzplastiken 623 - , Therapie und Ursache 622 f. - , Transplantation von Darmmuskulatur 623 - . U r s a c h e n 622 Inoperabilität 231 Inselzelladenom 778 Inselzelltumoren (mit Überfunktion) 786 - , nicht endokrinaktive 789 Inselzelltransplantation 253 Insertionstendopathie 1036 - , Denervierungsoperation nach Wilhelm 1036 - , Therapie 1036 In-situ-Perfusion 241 in-situ-Venenbypass 443 inspissated bile syndrome 816,818 instabiler Thorax 883 - , paradoxe Atmung 883 Instabilitäten von Thorax, Bekken, Extremitäten 890 Instrumentarium, chirurgisches 107 f. - , Standard- und Spezialinstrumente 107 Instrumentelle Lithotripsie 838 Insulin 128 Insulininsuffizienz 785 - , chirurgische Therapieansätze 785 - , Ursachen 785 Insulinom 786 f. - , Epidemiologie 786 f. - , Streptozotozin-Therapie bei Metastasen 787 - , Symptome, typische 787 Whipple-Trias 787 Insulin-Tagesbedarf 697 Intermesenterialer Abszeß 646 intermittierende Druckbehandlung, (IPPB) 202
intermittierende Tachykardie 426 Interossis-anterior-Syndrom 1017 intestinale neurale Dysplasie 600 Intestinalsonden-Plazierung - , endoskopische 18 Intima-Myo-Hyperplasie 445 Intraaortale Ballongegenpulsion 398 Intraartikuläre monokondyläre Humerusfrakturen 948 intrakorporale Fusion der Wirbelsäule 965 Intrakranielle Blutung - , Massenblutung, hypertonische 276 - , unbekannter Genese 276 Intraösophageale Druckmessung 485 Intraoperative Bestrahlung, (IORT) 232,539 - , Indikationen 233 Intravenöse Anästhesie 180 - S t e u e r b a r k e i t 180 Intravenöse Narkotika 180 intraventrikuläre Opiatapplikation über Pumpensystem 301 Intrinsic-factor 510,515 Intrinsic-plus-Stellung 1022,1030 - , bei Hautverbrennungen 70 Intrinsic-plus-Test 937 Invagination 603,635 - D e f i n i t i o n 810 - , Devagination 811 -.Diagnostik 811 - , Formen 810 - S y m p t o m e 810f. Invalidität 1056 invasives Karzinom - D e f i n i t i o n 580 Inzidentalome der Nebenniere 784 Inzision 113 IPPB, (intermittend positive pressure breathing) 202 IRA-Prinzip 481 Irridozyclitis 556 Irislappenplastik 622 Ischämie-Syndrom, akutes 450, 447 - , komplettes und inkomplettes 450, 901 - , „6P" von Pratt 450 Ischämietoleranz, organbezogene 434 Ischämiezeichen, periphere 434 Ischialgien 289, 290f. Isofluren 179 Isosexuelle Genitalentwicklung 784 Isosthenurie 829 Isotopen-Clearance, seitengetrennte 832 Isotonie 132 Ivemark-Syndrom 717
Jefferson-Fraktur d. Halswirbelsäule 959,966 Jejunoplicatio zur Nahtsicherung nach Schreiber-Eichfuß 538 Jejunuminterposition n. SeoLongmire-Gütgemann (Gastrektomie) 538
Jejunum-J-Pouch 577 Jerk-Test 986 Jochbeinfrakturen 311 Jodbedarf, täglich 748 Jodination 748 Jodisation 748 Jodmangel 749 Jodmangelstruma 749
Kabat-Methode 203 Kälteagglutinine beim RaynaudSyndrom 465 Kältetest 436 „Kaffeesatzerbrechen" 525 Kahnbauch 630 Kahnbeinfraktur, verschobene 1024 - , Spongiosaeinlagerung n. MattiRusse o. Beckenkamm und Herbert-Schraube 1024 Kahnbeinpseudoarthrose 1024 Kaliumhaushalt, Störungen 133f. Kaliumverteilungsstörungen 134 Kalkaneusfrakturen 1000 f. - . D i a g n o s e 1001 - , Häufigkeit und Ursachen 1000 - , operative Aufrichtung mit KDrähten oder Steinmann-Nagel 1001 - , Schweregradeinteilung n. Vidal I — III 1000f. - S u d e c k - D y s t r o p h i e 1001 - T h e r a p i e 1001 Kallusdistraktion 927 Kalottenfraktur am Collum anatomicum des Humeruskopfes 945 „Kalter Knoten" 753 - , Feinnadelpunktion 753 Kalzitoninerhöhung bei Stimulationstesten 768 Kalziumantagonisten 416 Kammerflimmern 189,197 - , Defibrillation 201 Kapillardrainage 116 Kaposi-Sarkom 102 Karboanhydrase 512 Karbunkel 76, 340 Karbunkel-Abszeß-Niere 835 Kardia-Fundusresektion n. Stelzner 657 Kardiadrüsen 510 Kardiainsuffzienz 491 Kardiakarzinom - , Ernährungsfistel 539 Lasertherapie 539 - , Tubuseinlage 539 Kardio-fundale-Fehlanlage 489 kardiopulmonale Therapie bei Arterieller Verschlußkrankheit (AVK) 438 karnifizierende Pneumonie 373 Karotisglomustumoren 337 Karotissinus-Druckversuch 427 Karotissinus-Syndrom 427 Karotis-Subklavia-Bypass 462 Karotisverletzung 904 - , Gefäßrekonstruktion 904 - , neurologische Symptomatik 904 - , rezidivierende Mikroembolien 904
Sachregister
1084 - , Sicherheitsgurt- und Sturzhelmverletzungen 904 K a r p a l t u n n e l s y n d r o m 293,299, 1016 - D e f i n i t i o n 1016 - , Dekompression der Nerven mit „offener" Operationstechnik 1017 - D i a g n o s t i k 1017 - , Messung der Nervenleitgeschwindigkeit 1017 - , Nervendekompression mit „geschlossener" Operationstechnik (endoskopisch) 1017 Karpfenmund 770 Kartagener-Syndrom 377 Karzinogenese, molekulargenetische 223 Karzinoide - , Magen 544 - , Hormonausschüttung 390 Lunge 389 - , Tumorzellverschleppung und ihre Vermeidung 571 Karzinom-Definition 224 Karzinomschmerzen im Terminalstadium 300 Kasabach-Merritt-Syndrom 823 Katheterabiation beim Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW) 427 Katheterangiographie, indirekte n. Seidinger 438 Katheteratherektomie 439 Katheterembolektomie 439 Katheterurin 830 Katzenkratzkrankheit 337 Kaudakompression 288 Kaudalähmung, akute 287,289 Kausalgie 300 Kavernenperforation 378 Kaverne, tuberkulöse 376 Kavernitis 846 kavernöse Hämangiome 874 Kehr-T-Drainage 687 Kehr-Zeichen 890,893 Kell-System 153 Keratozyste am Kiefer 321 Ketamin 180 Kettenfrakturen 914 Kieferanomalien 305 f. Kieferbruchschienen 307,312 Kieferfrakturen - , Bruchspaltinfektion 315 - , Funktionsausfälle von Nerven 315 Kiefergelenk - , Entzündungen 323 - , - , Ankylosierung 323 - , klinische Anatomie 323 - , deformierende Arthropathie 323 - , - , Diagnostik 323 - , - , Therapie 323 Kiefergelenkluxation 314f. - , Ergebnisse und Prognose 315 Reposition 315 Kieferhöhlenkarzinom 325 Kieferokklusionsstörungen 304 Kieferorthopädie, chirurgische 307 Kieferosteomyelitis 318 Kiefersperre 314
Kielbrust 795 Killerzellen 234 Kirchmayr-Sehnennaht n. Zechner 1019,1022 K, (Kirchner)- Draht 925 „kissing ulcers" 518 Kittniere 847 Klarsichtfolien 51 Klatskin-Himor 673,692,693 „Klaviertastenphänomen" 942 Klavikulafrakur 939 f. - , Frakturtypen 940 - . P r o g n o s e 941 - . T h e r a p i e 940 Kleinhirnblutungen 276 Kleinhirninfarkt 276 kleiner Restmagen 550 - , Symptome 550 Klippel-Trenaunay-Syndrom 468, 822 Klitorishypertrophie 784 Klivuskantensyndrom 269 Klumphand 957,1032 Knickstenosen der A. carotis 458 Knieexartikulation 481 Kniegelenk - , Klinische Anatomie 982 f. - , Komplexinstabilität 985 - , Rotationsinstabilität 985 - , vordere und hintere Schublade 910 Kniegelenkerguß 984 Kniegelenkluxation 989 Kniegelenkpunktat, bakteriologische Untersuchung 984 Kniegelenksverletzungen - A r t e n 984 - , Bänderrisse 984 ff. - , - , Einteilung in verschiedene Instabilitäten 984ff. - , - , Prognose 987f. - , - , Therapie 986f. - , - , vordere und hintere Schublade 984 - D i a g n o s t i k 986 - H ä m a r t h r o s 984 - H ä u f i g k e i t 983 - , Kapsel-Band-Verletzung - , Instabilitätsgrade I - III 986 Überdehnungen 984 - , Zerrungen 984 Knipsbiopsie 578 Knochenbruchbehandlung - , Prinzipien 922 Knochenbruchheilung 920f. - , ungestörte - , - , mechanische Voraussetzungen 920 Knochenbrüche, sichere und unsichere Frakturzeichen 906 Knochenersatz der Kiefer 328 Knocheninfektion durch Denudierung 924 Knochenmarktransplantation 238 Knochenmetastasen 1048 ff. - , Amputationen 1050 - , Bündelnagelung 1050 - , Fusionen der Wirbelsäule 1050 - H ä u f i g k e i t 1048 - , Hauptlokalisationen 1048 - , Kontinuitätsresektionen 1050
- , Kontraindikationen zur Operation 1049 - , Operationsindikationen 1049 - , Operationsmethoden 1049 f. - , Operationsziele 1049 - , Tümorprothesen 1050 - , Überlebenszeit 1049 - , Verbundosteosynthesen 1049f. Knochentransplantationen 880 Knochentumoren 1038 ff. - , Amputation 1040 - , benigne 1041 f. - , Chemotherapie, adjuvante 1040 - , - , Ziele 1040 chirurgische Therapie 1040 - D i a g n o s t i k 1039f. - , Epidemiologie 1038 - , Klärung der Biopsie 1040 - , Klassifizierung n. W H O 1038 f., 1039 - , maligne 1042 ff. - , Periostreaktionen 1040 - , Schema n. Enneking 1038 f. semimaligne 1038,1045f. - , Sklerosesaum 1039 - S t r a h l e n t h e r a p i e 1040 TNM-Klassifikation - , Wertung der sog. „Grenzzonen" 1039f. Knochenveränderungen nach Magenresektion 551 Knochenszintigraphie 230,385 Knochenzement (PMMA = Polymethylmetacrylat) 930 Knochenzyste - , aneurysmatische 1038,1047 - s o l i t ä r e 1038,1046 - , - , Spongiosaauffüllung 1046 Knöchellaschen-Extension Knöcherner Abriß des Pfannenrandes am Schultergelenk 945 Knöcherner Ausriß der Rotatorenmanschette 945 Knöcherne Wurzeleinengung 292 f. Knopflochbiopsie 14 „Knopfloch"-Deformität 1021 Knorpeltransplantation 880 Knotenarten, chirurgische 109 Knotentechnik, chirurgische 108 Koagulationsnekrosen 43 Koagulationsnekrose bei Säureverätzung 498 Koagulopathie, bei Leberfunktionsstörungen 167 Koch-Dale-Kriterien 29 Kocher-Manöver 696 Kock-Pouch zur Harnableitung 837 Kohlenmonoxid-Auswirkungen 197 Kokarzinogene Realisationsfaktoren 221,222 Kokzygodynie 620,969 Kolikschmerz 627 Kolitis, ischämische 598 - D e f i n i t i o n 598 - , Smptome und Diagnostik 598 - T h e r a p i e 598 Ursachen 598 Kolitis, pseudomembranöse 600 Kollagenbiosynthese 46
Kollagenimplantation im Gesicht 331 Kollateralkreisläufe 433 Kolliquationsnekrose bei Laugenverätzung 498 Kolliquationsnekrosen 43,44 Kolloidantigen (CA 2 ) 756 Kolon - , Bakterienflora 567 - , Blut Versorgung 566 - , funktionelle Störungen 567 - , Innervation 567 - , klinische Anatomie 565 f. - , Operations verfahren 571 ff. - , Physiologie und Pathophysiologie 567 - , Taenien u. Haustren 565 - , venöser Abfluß 567 - , Wandaufbau 566 Kolondivertikel, intramurale 592 Kolondivertikulitis, s. auch Divertikulose des Kolons 592 ff - , Abszeße 594 - , Ätiopathogenese 592 f. - , Blutungen 594 - , Diagnostik 594 - , Diskontinuitätsresektion n. Hartmann 595 - , Elektiveingriffe 595 - , - , laparoskopische 594 - , Fistelentwicklung 594 - , klinische Untersuchung 594 - , Komplikationen 593 f. - , - , Therapie 594f. - , Notoperationen 595 - , Operationsindikationen 595 - , Operationsletalität 595 Perforation 593, 594 - , Peridivertikulitis 593 - S t e n o s e 593,594 - , Symptomatik 593f. - , Therapie - , unkomplizierte Form 594 Koloneingriffe - , beim Karzinom, Turnbull-Regeln 570 - , dreizeitiges Vorgehen n. Schloffer 571 - , Hemikolektomie Ii. 572 - , Hemikolektomie re. 571 - , Ileozökalresektion 571 - , Kolektomie 573 - , Komplikationen, typische 571 - , Operationstechnik 570 f. - , Proktokolektomie 573 - , Sigmaresektion 573 - , Transversumresektion 572 - , Umgehungsoperationen 577 - , videoassistierte 577 - , - , Impfmetastasen 577 - , zeitliche Strategien 571 Kolonerkrankungen 567ff., s. auch Dickdarm - , Anamnese, typische 568 - , Basisdiagnostik 567f. - , Computertomographie und Magnetresonanztomographie 569 - , Doppelkontrasteinlauf 569 - , Endoskopie 568 - , Indikationen 568 - , Laboruntersuchungen, spezielle 569
Sachregister Sonographie 568 - , Symptome, typische Kolonisationsresistenz 72 Kolonoperationen, Antibiotikaprophylaxe 570 Kolonpolypen 578 ff. - , adenomatöse, neoplastische 578f. - , Entartungstendenz 578 - , Epithelzelldysplasien 579 - , H a m a r t o m e 578 - , hyperplastische 578 - , Karzinomprophylaxe 579 - , Mikrokarzinom 579 - , Regeln n. Hermanek 578 - , tubulovillöse 579 - , villöse und tubuläre 579 Kolorektales Karzinom 580 ff. - , adjuvante Chemotherapie 587 - , - , n. Moertel 233 - , adjuvante Strahlentherapie 587 - , Ätiopathogenese 580f. - , Ausbreitung oder direktes Wachstum 582 - , Bewertung der Tumormarker 587 - , Blasenentleerungsstörung, postoperativ 587 - , Diagnostik 583 ff. - , Differentialdiagnose 585 - , Epidemiologie 580 - , Ernährungseinflüsse 581 - , erworbene, genetische Defekte 580 - , hämatogene Metastasen 583 - , Häufigkeit der Lokalisationen 584f. - , histologische Einteilung der W H O 582 - , Immuntherapie 587 - , I O R T (intraoperative Strahlentherapie) 587 - , lymphogene Metastasierung 582f. - , makroskopische Wachstumsformen 582 - , Nachsorge 587 - , neoadjuvante Chemotherapie 587 - , Operationsletalität 588 - , Operationsverfahren - , - , Kolon 586 - , - , palliative 586 - , postoperative Komplikationen 586f. - , - , Rektum 586 - P a t h o l o g i e 582f. - , peranale Blutung 583,584 - , Präkanzerosen 581 - , Prognose, stadiumabhängige 587f. - , Risikoprofil 581 - , Screening: okkultes Blut 584 - , Sexualstörungen, postoperative 587 - , Stadieneinteilung n. Dukes 585 - , Staging 585 f. - , Symptome 583 - , Therapie 586 ff - , TNM-Klassifikation 585 f. - , Trefferquote diagnostischer Verfahren 584 - , verändertes Stuhlverhalten 584
1085 Koloskopie 568 Koma 269,274,302 Komedokarzinom 346 Kompartmentsyndrom 903,919 - Ä t i o l o g i e 934 - , akutes 934 ff. - , chronisches 457 - , - , Definition und Häufigkeit 934 - , - , Therapie 457 - , Diagnostik 935 - , Differentialdiagnose 936 - , Faktoren für die Erhöhung des Gewebedrucks 934 - , Folgezustände 936 f. - , Lokalisationen, typische 935 - , Pathophysiologic 935 - , Therapie, (Fasziotomie) 936 Kompensiertes autonomes Adenom 752 Komplementbindungsreaktion n. Weinberg 379 Komplikationen nach Frakturen und Luxationen 929ff. Komplikationen nach Lungenresektion 371 f. Komplikationen nach Magenresektionen 546 f. - D i a r r h o e 548 - , Entleerungstörungen 546 - , intraabdominelle und intralum i n a l Nachblutungen 546 - , Nahtinsuffizienz 546 Komplikationen nach Vagotomie - D i a r r h o e 548 Kompressionsfraktur 914 Kompressionsplatte 926 Kompressionssyndrom, A. cubitalis 465 Kompressionssyndrome, obere Extremität 463 ff. Kompressionssyndrome, untere Extremität 457 - , Symptomatik und Diagnostik 457 - , Ursachen 457 - , zervikale und lumbale 205 Kompressionsverbände 54 - , Anlegetechnik 58 Kondylome, spitze 620f. - , Therapie 621 Kongenitale Harnleiterabgangsstenose 839 Kongenitale Hypoplasie der Nierenarterien 465 Kongenitale Lageanomalie (Urologie) 839 Kongenitales lobäres Lungenemphysem 792f. - , Definition 792 - , Lungenresektion 793 - , Symptome und Diagnostik 792f. Konsensuskonferenzen 38 Konsiliarpflicht 1 Kontinentes Ileumreservoir n. Kock 573 - , Indikationen 573 Kontinenzfunktion, anale 612 Kontinenzorgan 612 Kontaktbestrahlung, intraoperative 232 Kontamination 72
Kontaminationsklassen 84 Kontraindikationen für operative Eingriffe, absolute/operative 125 Kontrakte Narben 875 Kontrakte Ringe im Ösophagus 499 Kontrasteinlauf 569 Konturdefekte des Gesichtes, Augmentationsplastiken 328f. Kontusionspsychose 279 Kopfkalottenfrakturen des Femur 974 - , AO-Klassifikation 974 - , Frakturformen und Kombinationsverletzungen n. Pipkin I IV 974 - , Therapie 974 Koprostatische Kolitis bei M. Hirschsprung 807 „Korbhenkelläsion" am Kniegelenk 988 „Korbhenkel-Shunt" 476,905 „Korkenzieherösophagus" 488 Koronarangiographie 416 Koronarchirurgie - , Operationsletalität und Prognose 417 -.Operationsziel 417 sequentielle Bypassverfahren 417 f. K H K (Koronare Herzkrankheit) 415 ff. - , Ätiopathogenese u. Risikofaktoren 416 - , Diagnostik 416 - , Herzkatheteruntersuchung 416 - , klinische Einteilung 416 - , Laserangioplastie 420 - , - , Indikationen 417 - , Pathophysiologie 415 f. - , Schweregradeinteilung nach der CCS (Canadian cardiovascular Society) 416 - , Symptome 416 - , Therapie 416f. - , - , interventionelle Verfahren 417 - , - , medikamentöse 416f. - , Zigarettenrauchen 416 Kortikolis- und Spongiosaschrauben 926 Kostenminimierungs-Studie 33 Kostoklavikuläre Enge, s. TOS 463 Kotfistel (Zökalpol) 576 Kragenschnitt n. Kocher 754 Kraniofaziale Anomalien 874 Krallenhand (N.ulnaris) 298 Krampfanfälle, zerebrale 269,278 Kraniopharyngeom 270 Kraniostenosen 284 Krankenakte 5 Krankengymnastik 203 f. - , axiale 203 - , Verfahrenswahl 203 Krankentransport 906 Krankenuntersuchung, chirurgische - , Untersuchungsschritte 2 ff. Krebsabwehr, körpereigene 234 Krebsentstehung - , Formen 223
- G e n e 223 Krebsentstehungs-Theorie 223 Krebserzeugende Umweltfaktoren 221 „Krebspneumonie" 384 Krebsregister 221 Krebsrisiko 220 Krebsrisikoerkrankungen des Magens 530f. - , chronisch-atrophische Gastritis 530 - , M. Ménétrier 531 - , Polypen 531 - , schwere Dysplasie 531 Krebsverhütung 237 Kreislaufregulationsstörungen 3 Kreislaufstillstand in Hypothermie 396 Krepp-Papierverbände 54 Kretinismus 761 Kreuzinfektionen 86 Kreuzprobe vor Bluttransfusionen 153 Kriegsopferversorgung 1054 Kristalloide Kardioplegie 398 Kropf, s. Struma Krukenberg-Tlimoren 227, 532 Kryotherapie maligner Tumoren 235 Kryptitis 617 Kryptocur® 870 Kryptoglanduläre Entzündungen, anale 618 Kryptokokkuspneumonie 379 Künstliche Ernährung 142 f. „Künstliche Herzpumpen" - , implantierbare 398 - , parakorporale 398,399 Kunstfehler, Definition 119 Kunsthaut (Epigard®) 928 Kunststoff-„Gips" 58 Kupffer-Sternzelle 605 Kurzdarmsyndrom 254,565,897 - , Hyperalimentation über Kathetersysteme 565 Kussmaui-Atmung 197 Kutikula 83
Labormedizinische Diagnostik 1058 ff. - , alphabetischer Normbereichsleitfaden 1058 ff. Laboruntersuchungen 4 Laboruntersuchungen zur Überwachung von Vitalfunktionen 1007 Lachgas 179 Lachmann-Test 910 Laerdal-Maske 198 Lageanomalien des Hodens 869, 870 - , H C G (Human chorionic gonadotropine)-Therapie 870 - , Therapie 870 - , Ursache 870 Lagerung des Patienten im Notfall 906 Laminektomie und Hemilaminektomie 963 Landesversicherungsanstalt (LVA) 1054 Langerhans-Zellhistologie 1047
1086 Langzeit-ph-Metrie 485,491,492 Lanz-Schmerzpunkt 590 Laparoskopie 16 Laparoskopie (Urologie) 838 Laparoskopische Appendektomie, s. MIC 263 Laparoskopische Cholezystektomie, s. MIC 262 Laparoskopisch gesteuerte Sonographie mit gezielter Punktion 699 Laparotomie, explorative 630 Lappenplastiken 877f. - , freie und gestielte Lappen 877 - , Lappenzusammensetzung 878 Larrey-Hernie 357 Laryngoskopie 177 Laryngospasmus 177 Larynxmaske 177 Lasegue-Zeichen 291, 908 Laser - , Angiodysplasien 212 - , Applikationsarten 208 f. - , - , bare-fiber-Technik 211 - , - , Fasertransmission 208 f. - , Kühltechnik 209 - , - , Nonkontakt und Kontakttechnik 209 - , - , Spiegelgelenkarm 208 - , arthroskopische Operationen 212 - , Behandlung maligner Stenosen 212 - , Besenreiservarizen 211 - , Blutstillung GI-Blutung 212 - , Definition 207 Diskektomie 212 - , Eindringtiefe im Gewebe 207 - , endoskopische Chirurgie 211 f. Extraktion impaktierter Choledochussteine 212 - , Gewebeeigenschaften (Absorption, Streuung) 207 - , Gewebereaktionen 207 - , in der Angiologie 211 - , in der plastischen Chirurgie 210 f. - , Kohärenz 207 - , Kollimation 207 - , laparoskopische und thorakoskopische Eingriffe 211 f. - , Larynx-Chirurgie 211 -.Organresektionen 211 Perforansinsuffizienz, isolierte 211 - , Photodynamische Therapie bei Tumoren 213 - , Tumortherapie 212f. Laseranwendungen in der Chirurgie 207 ff. Laserangioplastie 211, 440 Laserbehandlung bei Gefäßgeschwülsten der Haut 881 Lasereffekte 208 Laserindikationsfelder 210 ff. Laserinduzierte Koagulation (LIC) 209 Laserinduzierte Thermotherapie (LITT) 235 Laserlithotripsie 212 Laser-Multifaserkatheter 211 Laserstrahlung, charakteristische 207
Sachregister Lasersysteme 207 Laserverfahren 209 f. - , interstitielle Thermotherapie (LITT) 210 - , laserinduzierte Hyperthermie (LIHT) 210 - , - , Kontrollmöglichkeiten 210 - , Photoablation 209 - , Photodisruption 209 - , Photodynamische Therapie (PDT) 210 - , - , Fluoreszenzdiagnostik, Diaphanoskopie, optische Tomographie 210 - , Photovaporisation 209 - , thermisch dynamische Reaktion (TDT) 210 - , Thermotherapie 209 f. Lasso-Operation n. Zancolli 1028 Laterale Muskeltranspositionsplastik beim Ulcus cruris 478 Laterales Abkippen des Talus 996 Laterales Kompressions-Syndrom 935 Laterognathie 304,305 Laufbandergometer 435 Laugenverätzung 44 Lazertusspaltung 465 L-Dopa-TTierapie 301 Lebensqualität 236 Leber - , Gefäßvarianten 663 - , Hauptfurche 662 - , klinische Anatomie 662 - , Operationstaktik zur Blutstillung 664 - , Segmenteinteilung n. Coinaud 662 Leberabszesse 669 ff. - , Amöben 670f. - , - , Ätiologie und Epidemiologie 670 - , - , Metronidazol-Therapie 670 - , - , Ruptur 670 - , - , Symptome und Diagnose 670 - , - , Therapie und Prognose 670 - , pyogene 669 f. - , - , Ätiologie und Epidemiologie 669 - , - , Antibiotika- und operative Therapie 670 - , - , Erreger 669 - , - , Komplikationen 670 - , - , Pigtail-Drainage 670 - , - , Prognose 670 - , - , Symptome, Diagnose, Differentialdiagnose 669 f. Leberadenom 671 Leberbiopsie 663 Leberchirurgie 662 ff. - , historisches 662 Lebererkankungen 663 ff. - , - , Laparoskopie 663 - , Diagnostik 663 - , - , Angiographie 663 - , - , Cholangiographie 663 - , - , Laboruntersuchungen 663 - , diagnostischer Algorithmus 664 - , - , Spinal-CT, MRT 663
- , operative Verfahren 663 f. - , - , anatomiegerechte Resektionen 663 - , - , nichtanatomiegerechte Resektionen 664 Leberersatz 247, 664 Leberhautzeichen 630 Lebermetastasen 673 f. - , Chemotherapie, regionale 674 - , Operationsindikationen 674 - , Überlebenszeiten 673 Leber-Metastasierungstyp 227 Leberregeneration 662 Leberresektion mit Ultraschallsauger 664 Leber-Segmentresektion 663 Lebersonographie 663 Lebertransplantation 247ff. - , akute Abstoßungsreaktion - , - , Diagnosesicherung durch Feinnadelpunktion 251 - , - , Symptome 251 - , - , Therapie 252 - , Ergebnisse 252 extrakorporaler Umgehungskreislauf mit Biopumpe 249 f.,249 - , Gallengangsanastomose 250 - , Hepatektomie 250 - , heterotope 249 - , Implantation der Spenderleber 250 - , Indikationen 247,248 - , - , bei Metastasen 247 - , - , zur Retransplantation 252 - , Indikationszeitpunkt 249 - , individuell begründete Indikationen 248 f. - , initiale Dys- bzw. Nichtfunktion 251 , Ursachen 251 - , ischämische Gallengangsnekrosen 251 - L e t a l i t ä t 252 Operationstechnik 249 f. - , postoperative Komplikationen 250 - , - , allgemeine 251 - , - , Arterienthrombose 250 f. - , - , Blutungen 250 - , - , Pfortaderthrombose 251 - , Reihenfolge der Gefäßanastomosen 250 - , Re-Transplantation 251 - , Spätkomplikationen 251 - , Verwandten-Lebendspenden 249 Lebertumoren -.bösartige 672ff. - , - , Embolisation der Leberarterien 674 - , - , Epidemiologie 672 - , - , palliative Therapieverfahren 674 - , - , perkutane Radiatio 674 - , Resektionen 672f. - , - , systemische und lokoregionale Chemotherapie 674 - , gutartige 671 - , - , Symptome und Diagnose 671 Leberunterstützungssysteme, biohybride 247
Leberverletzungen 664f., 894f. - , Ätiologie und Epidemiologie 664 - , Diagnose und Differentialdiagnose 665 - , Fibrinklebung und Infrarotkoagulation 666 - , Häufigkeit 894 - , Klassifikation nach Schweregraden (n. Moore) 664f., 894 - , Komplikationen 894 - , Kompressionstamponade (Packing) 666,894 - , Operationsverfahren je nach Schweregrad 894 - , Prognose 666 - S y m p t o m e 665,894 - , Therapie 665 f., 894 Leberzirrhose (intrahepatischer Block) 650 - , sekundäre biliäre 685 Leberzysten 666 ff. - , Ätiopathogenese 666 - , kongenitale (echte) und erworbene 666 - , nichtparasitäre 666 - , parasitäre 667ff. - , Therapie 666 Leberzystenfensterung 666 Leiomyome (Ösophagus) 500 Leistenbruch, angeborener 801 f. - , Definition 801 - , direkter 801 - , elastische Einklemmung 802 -.Differentialdiagnose 801 f. - , indirekter 801 - , Inkarzeration 802 - , Komplikationen 802 - , Operationsverfahren 802 - , Reposition en bloc 802 - , Symptome und Diagnose 801 Leistenbruchoperation - , Durchtrennung Ductus deferens 735 - , Hodennekrose 735 - , Komplikationen 735 - , laparoskopische Verfahren 735 - , Letalität 736 - , n. Bassini 735 - , n. Kirschner 735 - , n. McVay 735 - , n. Shouldice 735 - , Patch- oder Plugtechniken 735 - , Rezidive 736 - , Urinfistel 736 Leistenhernien - , Ätiopathogenese 734 - , Diagnostik und Differentialdiagnose 734 f. - , Entwicklungsstadien 734 - , Epidemiologie 734 - , Häufigkeit der einzelnen Operationsmethoden 735 - , im Säuglings- und Kindesalter 736 f. - , Inkarzerationsrate im Alter 218 - , Lokalisation der Bruchpforten 734 - , Operationsindikationen und Kontraindikationen 735 - , Operationsprinzipien 735, 737 - , Operationsverfahren 735 - , Symptome 734
Sachregister Leistenhernien (direkte und indirekte) 734 ff. Leistenhoden 870 Leistenregion, klinische Anatomie 734 „Leistungsknick" 229 Leistungszahl, absolute und relative nach T\imortherapie 237 Leitsymptome 2 Leitungsanästhesie 182 Leitvenen 470 Lendenstrecksteife 289 Leukoplakie 325 Levin-Sonde bei Ileus 610 Leydig-Sertoli-Zelltumoren 855 Lichtkasten-Methode 205 Lien accessorius 717 f. Lienalis-Mesenterika-Bypass 467 Ligamentum cooperi 735 Ligamentum interspinosum 958 Lightcast 923 Linea dentata 616 Linksherzbypass 397 Linton-Nachlas-Sonde 652 „lipoma like liposarcoma" 745 Lipomatose 745 Lipo-Myelomeningozele 283 Lippenkarzinom 325 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten - , Ätiopathogenese 304 - , Diagnose 305 f. Epidemiologie 304,304 ff. - , Kieferorthopädische Behandlung 307 - , Korrekturoperationen 307 - , Prognose 308 - , Symptome 304 f. - , Hierapiekonzepte 306 Lippenplastiken 306 Lippenrotausstülpung 875 Lithogener Index 679 Lithogenese 675 Litholapaxie 838 Litholyse 689 - , Nebenwirkungen 689 Lithotripsie (ESWL) 689 - , endoskopische 18 - , Indikationen 689 - , Komplikationen 689 - , Rezidivsteine 689 Litter's Release Operation 937 Littre-Hernie 731,802 Lobektomie 370 Lokalanästhesie 181 ff. - , Techniken 182 - , mit Vasokonstriktur 182 - , Substanzgruppen (Ester- und Amid-Typen) 182 - , Überdosierung und Klinische Zeichen 182 - , lokales Himorwachstum 224f. Lokomotion 225 Loose-Test 986 Loslaßschmerz 640 Low-Dose-Heparinisierung 173f. - , Komplikationen 173 - , Kontraindikationen 173 - , Thrombozytenkontrolle 174 Low-flow-System 177 Lowenberg-Test 169 Low-T3-Syndrom 749 Luftembolie 171 f., 340
1087 Luftkeimzahl im Operationssaal 85 Lumbago 289 Lumbalhernien 740 Lumbalpunktion 271 Lunatumluxation, palmare 1026 Lungen 366f. - , klinische -Anatomie 366 - , klinische Physiologie 366 -, Lappen- und Segmentaufteilung 367 - , Lymphdrainagesystem 366 - , Pathophysiologie 367f. - , wichtigste Aufgaben 367 Lungenabszeß -, Differentialdiagnose 376 - , Komplikationen 376 - , Pathogenese 375 f. -, operatives Vorgehen 376 - , Symptome und Diagnostik 376 - , Therapie, konservative 376 Lungenembolie 170 f., 475 -Definition 170 -, fibrinolytische Therapie 171 - , Pathophysiologie 170 f. - , postoperative 149 - , Prognose n. Kaprai 170 - , rezidivierende 171 - , Schweregrad-Einteilung 170 -, Symptome und Diagnose 171 - , TTierapie 171 Lungenemphysem 430 Lungenerkrankungen 369 ff. - , Apparative Untersuchungsmethoden 369 - , Leitsymptome 369 Lungenfehlbildungen 372 f. Lungenfunktion nach Thoraxeingriffen 369 Lungenfunktionsuntersuchungen 367f. Lungengangrän 377 Lungenhernie 355 Lungenhypoplasie 361,793 Lungenkollaps, Auswirkungen 361 Lungenkontusion 886f. - , Diagnose und Therapie 886 f. - , Schweregrade 886 Lungenmetastasen 389 - , Operationsindikationen 389 - , Operationsletalität und Ergebnisse 389 - , Operationsverfahren 389 - , Symptome und Diagnostik 389 Lungen-Metastasierungstypen je n. Primärtumor 227 Lungenmykosen 379 -, Differentialdiagnose 379 - , Erreger 379 - , Pathogenese 379 - , Symptome und Diagnose 379 - , Therapie 379 Lungenoperationen 370 f. - , atypische Klemmen- oder Klammernahtresektion 371 - , Bilobektomie 370 - , Lobektomie 370 - , Pneumonektomie 370 - , postoperative Komplikationen 371 f. - , Probethorakotomie 370 - , Segmentresektion 371
- , Sleeve resection 371 - , VATS 257 ff. Lungenparenchymzerreißung 887 Lungensarkom 388 f. Lungensequestration (Nebenlunge) 372,793 - , Diagnostik und Symptome 372 - , Formen 372 - , Operative Therapie 372 Lungenszintigraphie 375 Lungentransplantation 429 - , Indikationen und Operationstechnik 429 Lungen-Tbc 378 - , chirurgische Therapie 378f. Lungentumoren, gutartige 389 f. epitheliale 389 - , Pathomorphologie 389 f. - , Symptome und Diagnostik 390 Lungenzysten 372 Lupus erythematodes 719 Luxatio acromioclavicularis 941 -.Diagnostik 942 - , Operationsverfahren 942 - , Prognose 942 - , Schweregradeinteilung n. Tossy 941 f. - , Therapie, je nach Tossy-Grad 942 Luxationen der HWS 966 f. - , Therapie 967 Luxatio iliaca 972 Luxation im distalen Radioulnargelenk 957 Luxatio ischiadica 972 Luxatio obturatoria 973 Luxatio pubica 973 Luxation im Chopart-Gelenk 1001 - , im Lisfranc-Gelenk 1002 - , von Kahn- und Mondbein 1025 Luxationsfrakturen der Fuß wurzelknochen 1011 f. Luxationsfrakturen des OSG (oberes Sprunggelenk) - , Diagnose 998 - , Einteilung n. Weber (A,B,C) 997f. - , Häufigkeit, Ätiopathogenese 997 - , Nachbehandlung und Prognose 999 -Therapie 998f. - , - , konservative 999 - , - , Operationsindikationen und Operationsablauf 999 Luxatio sternoclavicularis 941 -.Therapie 941 - , Unfallmechanismus 941 Luxationsfraktur 914,918 Luxationsfrakturen am Humerus 945 - , am Unterarm 957 - , der Brust- und Lendenwirbelsäule, (BWS,LWS) 968 - , der Halswirbelsäule, (HWS) 967 - , - , Operationsindikationen 967 „Luzides" Intervall 280 Lynch-Syndrom 581
Lymphadenitis - , spezifische und unspezifische 337 - , Ursachen 337 Lymphamat 205 Lymphangioma cysticum 335 f. - , Komplikationen 336 - , Therapie 336 Lymphangiome beim Kind 823 - , im Gesicht 327 Lymphangiopathie, lokale und diffuse 479 Lymphangiosarkom 480, 742 Lymphangiosis carcinomatosa 226 Lymphangitis 76, 479 Lymphdrainage, manuelle oder pneumatische 205, 480 Lymphfisteln 336 Lymphgefäße, klinische Anatomie 478 Lymphgefäßverletzungen 905 Lymphknotenerkrankungen am Hals 337 ff. Lymphknotenexstirpation am Hals 339 f. - , Auftreten von Lymphfisteln 340 - , diagnostische Gründe 340 - , Gefäßverletzungen 340 - , Komplikationen 340 - , N. accessorius-Verletzung 340 Pneumothorax 340 Lymphknotenmetastasen am Hals 338 Lymphknotenzysten am Hals 338 Lymphknoten-Tbc am Hals 337 Lymphknotenvergrößerung am Hals - , Diagnostik 337 -HIV-Infektion 338 - , Ursachen 334 Lymphödem - , am Arm nach Mammaoperation 351 - , chronisches 742 - , der Beine - , - , Differentialdiagnose 479 - , - , Entstauungstherapie 480 - , - , Keilresektion 480 - , - , Krankheitsverlauf 479 f. - , - , Operationsverfahren 480 - , - , primäres 479 - , - , sekundäres 479 f. - , - , Symptome 479 - , rezidivierende Erysipele 479 Lymphographie 230 Lympho-lymphangio-Anastomose 480 Lymphopoese 716 Lympho-venöse Anastomosen 480 lymphozytotoxische HLA-Antikörper 156 Lyse 114 Lyssa 42 Madelung-Deformität 957 „Mädchenfänger" 922,955 Maffucci-Syndrom 1042 MAG III-Clearance 867
1088 Magen - , klinische Anatomie 510 ff. - , - , arterielle Blutversorgung 511 - , Histologischer Aufbau 510 f. - , - Lymphaabfluß 511 - , Lymphknotenzonen 511 - , - , Muskulatur 510 -, Nervenversorgung (Sympathicus) 512 - , Nervenversorgung (Vagus) 511 f. - , - , Regionen 510 venöser Blutabfluß 511 - , klinische Physiologie 512f. - , - , Motorik 513 - , - , - , Entleerung 513 - , Säureregulation 512f. -, Säuresekretion 512 - , - , Sekretion 512f. - , - , Sekretionsphasen (zephale, gastrale, intestinale) 512f. Magendivertikel 544 Magen-Duodenal-Blutungen 659ff. - , Blutungsquellen 659 Magen-Duodenalerkrankungen 514 - , Bestimmung der Magensäuresekretion 514 bildgebende Untersuchungsverfahren 514 diagnostische Verfahren 514 - , Endoskopie 514 - , Endosonographie 514 typische Anamnese 514 Magen-Duodenalverletzungen 545,898 - , Mechanismus 898 - , Operative Therapie 898 - , postoperative Komplikationen 898 - , Symptome und Diagnostik 899 Magenfrühkarzinom 531, 532 - , Prognose 539 Magenhochzug n. Kirschner 507 Magenkarzinom 529 ff. - , adjuvante und neoadjuvante Chemotherapie 539 - , am gastrooesophagealen Übergang 532 - , Charakteristika im Alter 219 Diagnostik 535 f. - , diffuser Typ n. Lauren 530 - , endoskopische Einteilung der Frühkarzinome 533 Epidemiologie 529f. - , Gastrektomie 536 f. - , - , Operationsletalität 537 - , Gastrektomie, thorakale Erweiterung 536 - , hämatogene Metastasierung 533 - , Helicobacter-pylori-Infektion 530 - , histologisches Grading 533, 534 - , histologische Klassifikation 533 - , intestinaler Typ n. Lauren 530 - , intraoperative Radiotherapie 539 - , Klassifikation nach Lauren 533
Sachregister - , - , prognostische Unterschiede 534 - , Lymphknoten-Kompartimente 532 f. lymphogene Ausbreitung 532 - , makroskopische Einteilung n. Borrmann 533 - , Mehrfachbiopsien bei Endoskopie 535 multiviszerale Resektion 537 Nachsorge 540 - , Verbesserung der Lebensqualität 540 Operabilitätsbeurteilung 535 Operation mit kurativer Zielsetzung 536 ff. - , Operationsausdehnung am gastroösophagalen Übergang 536- , Operationsindikationen 536 - , Operationsstrategie im Alter 219 - , palliative Gastroenterostomie ( G E ) 539 - , Palliativmaßnahmen 539 - , - , beim Karzinom am gastroösophagalen Übergang 539 - , - , Ziele 539 - , Pathogenese 530 - , Peritonealkarzinose 532 - , präliminare Laparoskopie 536 - , Prognose, abhängig von Lymphknotendissektion 539 f. - , Prognose nach Operation 539 f. - , Rekonstruktion nach Gastrektomie 537f. - , - , Erhaltung der Duodenalpassage 537 - , Rekonstruktionsverfahren nach subtotaler Resektion 538 - , RO-Resektion 536,539 - , Splenektomie, zusätzliche, Indikationen 537 - , Stadieneinteilung n. TNMKlassifikation 534 - , Substitutionstherapie nach Gastrektomie 540 - , - , Indikationen 537 - , Symptome 534 - , systematische Lymphknotendissektion 536, 537 - , szirrhöses, „Tabakspfeifenform" 535 - , TNM Lokalisationsschlüssel 532 - , Tumorausbreitung 532 - , Tumormarker-Verlaufskontrolle 536 - , Tumorstaging 535 - , Wahrung der Resektionsgrenzen 536 Magenlymphome, primäre 540 - , Häufigkeit 540 ff. - , N H L (Non-Hodgkin-Lymphome) 540, s. auch N H L (Magen) Magen-ph-Wert 519 Magenpolypen - , adenomatöse 531 - , hyperplasiogene 531 Magenresektion - , Gallereflux 224 - , Rekonstruktion n. Roux 224
- . V e r f a h r e n 224 Magensäureüberproduktion 519 Magensarkom 542 f. - , histologische Formen 543 - , Inzidenz 542f. - , Operationsverfahren 543 - , Prognose 543 - , Symptome und Diagnose 543 Magenschleimhaut - , Bikarbonatsekrektion 513 - , Defensivmechanismen 513 - , H-Ionen-Rückresorption 513 - , Mukosabarriere 513 - , zytoprotektive Faktoren 513 Magenstumpfkarzinom 524,531 - , Definition 549 - , Inzidenz 524 - , Therapie und Prognose 549 Magentumoren, gutartige 544 - , adenomatöse Polypen 544 - , Adenome mit schwerer Dysplasie 544 - , hyperplasiogene Polypen 544 - , Inzidenz 544 - , mesenchymale 544 Magenverätzungen 545 f. - , Symptome und Therapie 546 Magenvolvulus 545 Magnetresonanztomographie (MRT) 7 Maisoneüve-Fraktur 997 Majoramputationen 481f. Makroglossie 327,874 Makromastie 342f. Makrophagen 153 Makroreplantation 1029 Makrostomie 305 Malabsorption 697 - , nach Magenresektion 550 Malassimilations-Syndrom 554f., 565 - , Leitsymptome 554f. - , Pathogenese 554 - , Ursachen 554 Malgaigne-Fraktur 969 maligne Transformation von Zellen 221 maligne Tumoren - , bildgebende Diagnostik 230 - D i a g n o s t i k 229 - , diagnostische Eingriffe 230 - , en-bloc-Resektion 231 - , Feinnadelbiopsie, Probeexcision 230 - , Endoskopie 230 - , Endosonographie 230 - , Epidemiologie 220f. - , geographische Unterschiede 221 - , histologische Gradeinteilung 227 - , Hormontherapie 233 Isotopendiagnostik 230 - , Symptome, hinweisende 229 - , Strahlentherapie 232 Therapieverfahren 231 ff. - , Verteilung Männer/Frauen 221 - , Wachstumsgeschwindigkeit 221 Mallet-Finger 1021 Mallory-Weiss-Syndrom 17,497, 545, 659,660 Malpighi-Körperchen 716 Malrotation 635,809 f.
- . D e f i n i t i o n 809 - , Gruppeneinteilung n. Grob 809f. - , Malrotation I und II 810 - , Nonrotation 809 - , operative Korrektur 810 M A L T (mucosa associated lymphoid tissue) 540 ff. - , Histopathologie 541 - , Pathogenese 541 Mamma - , Apparative Untersuchung 348 f. - , Atypien mit duktaler und lobulärer Hyperplasie 345 - , Carcinoma in situ, duktales und lobuläres 345 - , Entartungsrisiko bei Brustveränderungen 345 - , Entwicklung 342 - , Fehlbildungen 342f. - , - , Entartungstendenz 342 - , Fibroadenome 344f. - , klinische Anatomie 342 - , Lymphabfluß 342 - , potentiell maligne Erkrankungen 345 Mammaasymmetrie 874 Mammabiopsie - , Indikationen 349 - , Komplikationen 350 - , Schnittführungen 349 Mammadysplasie 345 Mammae aberrantes 342 Mammahyperplasie 874 Mammahypoplasie 874 Mammakarzinom 345 ff. - , adjuvante Chemotherapie 353 f. - , - , Indikationen 353 - , adjuvante Ovarektomie 353 - , Ätiologie und Risikofaktoren 345 - , Anamnese 347 - , Axilladissektion 351 f. - , chirurugische Therapie 350 ff. - , des Mannes 354 - , Einteilung 346 - , endokrine Therapie 353 - , Epidemiologie 345 Ergebnisse 354 - erweiterte Mastektomie n. Patey 351 - , - , Komplikationen 351 - , erweiterte radikale Mastektomie n. Rotter-Halstedt 351 - , hämatogene Metastasierung 347 - , Hormonrezeptorstatus 351 - , inflammatorisches 346 - , invasives duktales 346 - , invasives lobuläres 346 - , Klassifikation nach dem TNMSystem 346 - , klassische Diagnostik 347f. - , kribriformes 346 - , Lokalisation 345 - , Lokalrezidive 354 - , lymphogene Metastasierung 346 - , Mastektomie 351 - , Multizentrizität 347 - , Nachsorge 354
Sachregister Quadrantenresektion 351 - , Risikogruppen 353 Selbstuntersuchung 347 subkutane Mastektomie 351 - , supraradikales Vorgehen 351 - stadienabhängige Therapie 352 Strahlentherapie 353 - , Symptomatik 347 - , Tumorexstirpation 350 - , Vorsorgeuntersuchung 347 Mamma-Rekonstruktion - , Augmentationsplastik 352 Prothesenimplantation 352 - , Reduktionsplastik 352 Mamillensekretion 347 Mamma-Sonographie 348 Mammauntersuchung, Inspektion und Palpation 348 Mammazysten 344 Sonographie 344 Mammographie 10,348 Karzinomkriterien 348 - , Mikrokalzifikation 348 mit Drahtmarkierung 348 Manusradioflexa 952 M A O (maximal acid Output) 514 Marfan-Syndrom 168,426, 446, 778 Marisken 615 Marknagel n. Küntscher 925 f. Markphlegmone 931 Markzystenstein 862 Marschfrakturen 915,1002 maschinelle Blutspeere n. Johnston/Kivelitz 657 Masernappendizitis 821 Massageverfahren 204 f. Massenunfall 1007 - , Massivtransfusion - , akutes Lungenversagen 159 - D e f i n i t i o n 159 - , Komplikation 159 - , Pathophysiologie 159 Mastitis 343f. - , nonpuerperale 344 - , - , Abszedierung 344 - , - , Therapie 344 - , puerparale 343 - , - , Therapie 343 Mastopathia fibrosa et cystica 344,345 Mastoptose 343 - , Augmentation oder Prothese 343 Masturbationsverletzung des Penis 866 Maximal schonende Chirurgie, s. M I C 255 Maydl-Hernie 732 Mayo-Faszienplastik 738,740 McBurney-Schmerzpunkt 590 McMurray-Zeichen 988 McQuarrie-Syndrom 785 Meatusstenose 841,868 Mechanische infravesikale Obstruktion 828 Mechanotherapie 204f. Meckel-Divertikel 560, 590,591 - , Komplikationen 560 - , heterotope Magenschleimhaut 560 - , Therapie 560 - , Perforation 624
1089 mediane Halsspalte 335 Mediastinalemphysem 884 Mediastinalflattern 361,884 Mediastinaltumoren 392ff. - , Arten 394 - , bevorzugte Lokalisationen 393 - , Differentialdiagnose 394 - , maligne Lymphome 394 - , neurogene 394 - , operative Entfernung 394 - , Symptome und Diagnostik 393 Mediastinalverziehung 391 Mediastinitis - , akute 391 f. - , - , Ätiopathogenese 391 - , - , Symptome und Diagnose 391 - , chronische 392 Mediastinoskopie 14,16, 369, 385 Mediastinotomie 391 f. Mediastinum 390 ff. - , Lageveränderungen 391 - , Topographische Aufteilung 390 - , Untersuchungsverfahren 390 f. - , Verletzungen 391 Medianecrosis Erdmann-Gsell 446 Mediasklerose 453 Medulläre Querschnittssyndrome 286 ff. - , Nachbehandllung, postoperative 289 - , Neurophysiologie 287 - , operative Therapie 289 - P r o g n o s e 288 - , Symptomatik 287 Medulla-oblongata-Einklemmung 270 Medulloblastom 267 „Medusenhaupt" 468 Meek-Technik 70 Megakolon 635 Megaloblastische Anämie 550 Megaureter 827 - , beim Kind 867 MEGX-Test 251 Mehretagenverschlüsse 455 Meißelfraktur 951 Mekoniumileus 809 - , Operation und Prognose 809 Mekoniumperiorchitis 820 Mekoniumperitonitis 639,819 f. - D e f i n i t i o n 819 - D i a g n o s e 819f. - , Erscheinungsformen 819 - , Pseudotumoren 820 - . S y m p t o m e 819 - T h e r a p i e 820 Melaena (Teerstuhl) 3, 525,649 Melanome im Gesicht 326 Membranoxygenator 395 Meningeome 267 Meningozele 283 Meniskus, klinische Anatomie 988 Meniskusverletzungen 988f. - , Arthroskopie 989 - F o r m e n 988728 - , Häufigkeit und Ursachen 988 - , Meniskuszeichen 988 - P r o g n o s e 989 - T h e r a p i e 988f. MEN-Tumoren 778f.
MEN-IIa-Kombination 767 MEN-IIb-Kombination 767 Meralgia paraesthetica 299 Mercurochrom 69 Merseburger Trias 758,759 Mesenteriale Lymphadenitis 728 - , Ätiopathogenese 728 - , Symptome und Therapie 728 Mesenteriale Tumoren 728 f. - , Morphologie 728f. - , Sarkome 729 - , sekundäre - , - , Ursachen 729 - , Symptomatik und Diagnostik 729 - , Therapie und Prognose 729 Mesenterialinfarkt 453,467f., 642 - , Diagnose und Differentialdiagnose 642 - , Therapie 467 - , Ursachen 467 Mesenterialveneneinrisse - , Symptomatik, Diagnostik, Therapie 896 Mesenterialwurzeleinriß 896 - , Ursachen 896 Mesenterikodivertikuläre Ligamente 805 Mesenterikographie, selektive 553 Mesenterium, Anatomie 724 Mesothelzysten 394 Metaanalyse 31 f. Metabolische Alkalose 512,779 Metabolische Azidose 194 Metabolische Störungen 130 Metajodbenzylguanidin-Szintigramm 768 Metallfolien 52 Metaphysäre Humerusfraktur 948 Metastasenchirurgie 231 Metastasenwege 226 f. Metastasierung 225ff. - , Aggregation von Thrombozyten 225 - , hämatogene 226f. - , - , Typen 226 f. - , Implantation 227 - , Kaskadenprozeß 225 - , - , Angioneogenese 226 - , - , Arrest im Zielorgan 225 - , - , Dissemination 225 - , - , Gefäßinvasion und Détachment 225 - , lymphogene 226 Methimazol 753,759 Methohexital 180 Methysergid 724 Metopiron-Test 782 Metronidazol 97 Miktionszystourethrogramm 833 Mikrobiologische Materialentnahme 74 Mikrogenie 304,305 Mikrochirurgie 879,1029 Mikrognathie 304,305 Mikromastie 342 Mikroreplantation 1029 Mikrovaskuläre Anastomosentechnik 1029 Mikrozirkulationsstörungen im Schock 194
Miktionsstörung 3 Milchgangspapillom 344 Miller-Abbott-Sonde 610 Milvacurium 181 Milz - , Hämangiosarkome 718 - , hämatologische Funktionen 716 f. - , Histologie 716 - , Immunglobulin- und Lymphokininproduktion 716 - , immunologische Aktivität im Kindesalter 717 - , immunologische Funktionen 716 f. - , klinische Anatomie 716 - , Klinische Physiologie 716 f. - , Lymphangiosarkome 718 - , Monozyten-Makrophagensystem 716 - , pitting function 716 - , Spontanruptur 719 - , topographische Beziehungen 716 Milzabszeß 718 Milzagenesie 717 Milzanomalien 717 Milzarterienaneurysma 718 Milzbrand (Anthrax) 79 Milzchirurgie 716ff. Milzerhaltung - , Koagulationstechniken 721 - , partielle Splenektomie 721 - , Segmentarterienligatur 721 Milzerkrankungen 717ff. - , bildgebende Verfahren 717 - , Symptome und Diagnose 717 Milzmetastasen 718 Milzpulpa, weiße und rote 716 Milzruptur 635,720ff. - , Einteilung in Schweregrade 721 - , ein- und zweizeitige 720 - , konservatives Vorgehen 722 - , Peritonellavage 721 - , Symptomatik und Diagnostik 720 f. - , Technik der operativen Milzerhaltung 721 - , Therapie 721 f. Milzszintigraphie 717 Milztransplantation, autologe 721 Milztumoren - , primäre maligne 718 - , benigne 718 Milzverletzungen 719 ff., 893 f - , Fibrinklebung, Infrarot- und Laserkoagulation 893 - , Komplikationen 893 - , Kompression mit Vicrylnetz 721, 893 - , organerhaltende Verfahren 893 - , Pankreasfistel 893 - , Polresektion und Kapselnaht 893 - , Prognose 894 - T h e r a p i e 893 - U r s a c h e 719 - , Verletzungsformen 893 - , Verletzungskombinationen 893 - , Verletzungsmechanismus 893
1090 Milzverlustfolgen 723 Milzzysten 718 - , Echinokokkose 718 - , Entdeckelungs-Operation 718 - , Indikationen zur Splenektomie 718 - , posttraumatische 893 Minderung der Erwerbsfähigkeit, ( M D E ) 1054,1055 Minimal-invasive Chirurgie, (MIC) 255 ff. - , Anus praeter Anlage 264 - , Adrenalektomie 265 - , Appendektomie 263 - , - , Indikationen 263 - , Arbeitstrokare 257 - , Basisvideoturm 256 - , Bergebeutel 260 - , Bildübertragungssystem 257 - , Cholezystektomie 261 ff. - , - , Indikationen und Kontraindikationen 261 f. - , - , Komplikationen 262f. - , - , Operationstechnik 262 - , - , Umsteigerrate 262 - , Definition 255 - , Diagnostische Laparotomie beim Bauchtrauma 265 - , extraperitonale Kunststoffnetzimplantation n. Stoppa 265 - , Fensterung von Leber- und Milzzysten 264 - , - , Indikationen und Kontraindikationen 264 - , Fundophrenicopexie bei Hiatushernien 264 - , Gallengangsverletzungen 262 - , Hasson-Trokar 256 - , Leistenbruchoperationen 265 - , Mageneingriffe 264 - , Magenübernähung bei Ulkusperforation 264 - , Meckel-Divertikelabtragung 264 - , Operationsspektrum 255 - , Operation von Rezidivleistenhernien 265 - , Optiktrokar 256 - , Pneumoperitoneum 255 - , präperitoneale transabdominale Netzplastik (TAPP) 265 - , Rektopexie bei Rektumprolaps 265 - , retroperitoneale Laparoskopie 265 - , Sigmaresektion bei Divertikulose 264 - , Splenektomie 264 - , - , Indikationen 264 - , Staging bei abdominalen Karzinomen 265 - , therapeutisches Splitting bei Cholezysto- und Choledocholithiasis 262 - , trunkuläre Vagotomie 264 - , Vor- und Nachteile 261 minor access surgery, s. MIC 255 Minoramputationen 481 Mirizzi-Syndrom 683, 685 Mischgeschwülste der Speicheldrüsen 322 Mischgeschwülste, maligne 224 Mischhernie des Hiatus 489
Sachregister Miserere 2,628,629,640 Mitella 939 Mitralinsuffizienz, postinfarzielle 419 Mitralöffnungsfläche 423 Mitralstenose Ballonvalvuloplastie, perkutane 423 Herzdekompensation 423 Mitralvitien 423 - , Hämodynamik 423 - , Insuffizienz 423 - , mit KHK (koronarer Herzkrankheit) 423 - , Operationsindikationen- und Verfahren 423 Operationsletalität, Überlebenszeiten 423 - , Restenoserate nach Operationen 423 - S t e n o s e 423 Symptomatik und Diagnostik 423 Verlauf, natürlicher 423 Mittelfußfrakturen 1002 Mittelgesichtsfrakturen 311 - , operative Versorgung 312 Mittelhandfraktur, Plattenosteosynthese 1023 Mittelhirneinklemmung 269,274, 278 Mittellappensyndrom (Lunge) 374 Definition 374 Mittelstrahlurin 830 Mittelzügeldurchtrennung 1021 Mizellenbildung 675, 679 MLC-Identität 154 Moebius-Zeichen 758,759 Möller-Barlow-Krankheit 168 Mönckeberg-Mediasklerose 432,433 Moertel-Schema 587 Monaldi-Drainage 376 Monokel- und Brillenhämatom 277,309 monoklonale Antikörper 234 Mononucleosis infectiosa 337 Monozyten 153 Monteggia-Luxationsfraktur 957 M. (Morbus) Abt-Letterer-Siwe 1047 M.Addison 776 M.Basedow 758ff. - , Definition 758 - , Funktionsdiagnostik 758 - , Symptome und Diagnose 758 M.Bowen 854 M . C r o h n 581,595ff. - D e f i n i t i o n 595 - F i s t e l n 596 - , Histomorphologie 595f. - K o l o n 595 ff, - , - , Diagnostik 596 - , - , laparoskopische Operationstechnik 597 - , - , medikamentöse Therapie 596 -, operative Therapie 596 - , - , Symptome 596 - , Konglomerattumoren 596 - , Operationsregeln, spezielle 596
- , perianale Fisteln 596 M. Crouzon 284 M. F.P.Weber 468 M. Glanzmann 167 M. haemolyticus neonatorum 153 M.Hand-Schüller-Christian 1047 M.Hodgkin 720 M. Ménétrier 516 f. M.Mondor 356 M.Ormond 724f., 839,844 - , Pathogenese 724 - , Prognose 725 - , Symptomatik, Diagnose und Differentialdiagnose 724f. - T h e r a p i e 725 - , typ. Trias im Urogramm 724 - , Ureterlyse oder Nierenfistelung 844 M.Paget 859 - , der Mamma 346 M.Raynaud 433,465 - . T h e r a p i e 465 - , thorakale Sympathektomie 465 M.Recklinghausen 742 M. Winiwarter-Buerger 433 Morgagni-Hernie 357 Morphium, Wirkungseffekte 184 Motorische Ersatzoperationen 1028 - I n d i k a t i o n e n 1028 - , Angiographie 437 MRT - , Gehirnschädel 8 - , Gelenkuntersuchungen 13 - , Kontraindikationen 7 - , kraniale 272 - , M a m m a 349 - , Spinalkanal 8 Mucosaflap bei hohen Analfisteln 619 Mukosa-Barriere 522,604 Mukoviszidose 377 Mullbindenverbände 53 Mullverbände 51 - , feuchte 51 multimodale Therapiekonzepte, adjuvante und neoadjuvante 232 Multiorganversagen bei Polytrauma 1006 multiviszerale Resektionen 231 Mumifizierung 434,454 Mumps-Orchitis 856 Mund-Antrumfistel 318 Mundbodenkarzinome 325 - H ä u f i g k e i t 324ff. - , Lokalisationen 325 - , Metastasierung 325 - , Radikaloperationen und Neckdissection 325 Mundhöhlenkarzinome - , stadienadaptierte adjuvante Therapie 325 f. - , Therapie, operative 325f. Mund-zu-Mund-Beatmung 198 Mund-zu-Nase-Beatmung 198 Murphy-Zeichen 680 Musculus constrictor pharyngis inferrior 495 Musculus gracilis-Plastik 623,813 Musculus puborectalis 611 Musculus Sphinkter ani in- und externus 611
MUSE-Klassifikation bei Hiatushernien 491 „Muskelfiederung" bei Gasbrand 80 Muskelrelaxanzien 181 - , Wirkungsmechanismus 181 Muskelrelaxation 177 Muskeltransplantat 880 Muskelzittern bei Unterkühlung 191 Muttermal im Gesicht 326 Myasthenia gravis 499 Mydriasis 280 Myelographie 288 - , computerassistierte 288 Myelomeningozele 283, 871 Mykostatika 379 Myokardaneurysma - , postinfarzielles - , - , Aneurysmaresektion 41 f. Myokardinfarkt, akuter - , aortokoronarer Bypass 418 - , Frühkomplikationen 418 - , Lysebehandlung 418 - , Hämodynamische Veränderungen 418 - , Komplikationen 418 f. - , Letalität 418 - , PTCA, Stent 418 - , Therapieverfahren 418 Myokardischämie, perioperative 400 Myokardprotektion, intraoperative 398 Myokardruptur mit Herzbeuteltamponade - , postinfarzielle 419 Myokutanlappen 328 Myositis ossificans 1048 Myotonia dystrophica (Ösophagus) 499 Myotomie des Ösophagussphinkters 496 Myxödem 761 - , kongenitales 761 Myxödemkoma 762
Nabelhernie 738f. - , Epidemiologie 738 - , Operationsprinzipien 738 - , Risiko und Rezidivquote 739 - S ä u g l i n g e 798 - , Symptome und Diagnosen 738 Nabelschnurbruch, s. Omphalozele 798 Nachbehandlung am Bewegungsapparat 1051 f. - , AHB-Klinik (Anschlußheilbehandlung) 1052 - A n a l g e t i k a 1051 - , Belastungsgrenzen 1052 - , Belastungsstufen mit Unterarmgehstützen 1052 - , ergotherapeutische Beschäftigungstherapie 1052 - , Krankengymnastik 1051 f. - , Lagerung 1051 - , Medikamentöse Therapie 1051 - , Metallentfernungen 1053 - , mit Bewegungsschienen 1052 - , postoperative Verbände 1051 - , Thromboseprophylaxe 1051
1091
Sachregister - , Wundbehandlung (RedonDrainagen, Hämatome, Hautnekrosen) 1051 Nackenhinterkopfschmerz 274 Nadelbiopsie 14 Nähapparate (Stapler) 110 f. Naevus aranaeus 210 flammeus 327,468 Nahlappenplastik 328 Nahtaneurysma 446 Naht auf Stoß 110 Nahtmaterial, chirurgisches 107 f. Nahttechniken, chirurgische 108 ff. - , Gefäßnähte 110 - , Magen-Darmnähte 110 Narbenbildung 46 Narbenhernien 740f. - , Ursachen 740 - , Verschluß mit Kunststoffnetz oder lyophilisierter Dura 741 Narkoseüberwachungsinstrumentarium 177 Narkoseapparat - , Ausstattung 176 f. - , Ventilsysteme 176 Nasenaufbau 329 Nasendeformierungen 874 Nasen-Rachen-Abstriche 86 nasobiliäre Sonde 18 „nasse Rekompression" 191 Natriumbicarbonat 131 Natriumbicarbonatpufferung bei Azidose 200 Natriumnitropussid-Applikation 777 natürliche Killerzellen 225 Nd: YAG-Laserkoagulation 212 Nebenmilz 718 Nebenniere (NN) 775 ff. - , klinische Anatomie 775 Nebennierenmark (NNM) - , Adrenalin und Noradrenalin 776 Nebennierenmarkkrankheiten 775 f. - , Krankheitsbilder 776 - , Physiologie 775 Nebennierenmark-Tumoren - , seltene Formen, benigne 778 - , seltene, maligne 778 Nebenieren-Phlebographie 780 Nebennierenrindenkrankheiten (NNR) 779f. - , klinische Anatomie und Physiologie 779 Nebennieren-Venographie, seitengetrennte 783 Nebenschilddrüsen (NSD) 770ff. - , Autotransplantation 774 - , klinische Anatomie 770 - , klinische Physiologie 770 - , Topographie 770 Nebenschilddrüsenkarzinom 772 Neck-dissection 339 Needle-Sharing 99 Neer-Klassifikation (TYP I-IV) 945 Negri-Einschlußkörperchen 82 Nekrosektomie 481
Nekrotisierende Enterkolitis (NEC) 803,806 Nelson-Tumor des HVL 783 Nematoden 848 Neoblase vor Nierentransplantation 245 Neofract 923 Nephrektomie 835 - , Indikationen und Kontraindikationen 835 - , Zugangswege 835 Nephritis, eitrige 843 - , fortgeleitet, aszendierende 843 - , Diagnose und Differentialdiagnose 843 - , - , Therapie und Prognose 843 - , - , Ursachen 843 hämatogen-metastatische 843 Nephrokalzinose 771 Nephroptose 838 - , Atiopathogenese 838 - , Diagnose und Differentialdiagnose 838 Therapie 838 Nephrostomie, perkutane 833 Nephroureterektomie - , Indikationen 835 Nervenleitgeschwindigkeit an der Hand 1012 Nervennaht - , Operationstechnik 1027, 1028 - , Prognoseparameter 1027 f. - , primäre/sekundäre 298,1027 Nervenschäden - D i a g n o s t i k 1027 - , durch Gipsverband 298 - , Einteilung n. Seddon 1027 - , Einteilung n. Sunderland 1027 - , nicht traumatische - , - , traumatische 298 f. Sensibilitätsstörungen 1027 Nerventransplantation 298, 936 Nervenverletzungen der Hand 1027f. Nervenwachstum 298 Nervenwurzelausriß 297 N. accessorius Lähmung, typische Trias 340 N. medianus-Lähmung (Schwurhand) 1027 - , Ersatzoperation 1028 N. radialis-Lähmung (Fallhand) 1027 - , Ersatzoperation 1028 N. ulnaris-Lähmung (Krallenhand) 1027 - , Ersatzoperation 1028 N.ulnaris-Kompression in der Guyon-Lage 1017 Nesidioblastose 786 „Netzplombe" 264 99m-T c -Pertechnat 751 Neuraiinkontinenz, primäre 622 Neurapraxie 1027 Neuroblastom 725,778 f. Neurofibromatosis von Recklinghausen 222,299 Neuroleptanalgesie (NLA) 180 f. Neurolyse, interfaszikuläre 936 Neurombildung 298 Neurom- und Stumpfschmerz 300 Neurotmesis 1027
Neurovaskuläres Kompressionssyndrom Truncus coeliacus 467 Neutralisations- und -Abstützplatten 925,926 Neutral-Null-Methode 907 Nichtokklusive ischämische Enteropathie, s. Enterocolitis necroticans 599 Nicht ossizierendes Fibrom 1046 Nicht rückbildungsfähige Erweiterungen der Harnwege 827 „Nidus" 1041 Niederfrequente Mittel- und hochfrequente WechselstromBehandlungen 206 Niedermolekulares Heparin 174 „Niemandsland" n. Bunnell 1018 Nierenarterien (NA)-Aneurysma 465 Nierenarterienstenosen 465 f. - , Angioplastie 466 - , aortorenaler Bypass 466 -, Brückentransplantat 466 - , Diagnostik 466 - , Operationsergebnisse 466 - , Operationsindikationen 466 -, Operationsverfahren 466 - , Pathophysiologic 465 - , T E A mit Patchplastik 466 - , Ursachen 465 Nierenanomalien 838 f. Nierenaplasie 838 Nierenbeckenplastik n. Anderson-Hynes 835 Nierenbecken- und Harnleitertumoren 851 f. - , BCG-Therapie 852 - , Chemotherapie 852 - , Diagnose und Differentialdiagnostik 852 - , Epidemiologie und Ätiologie 851 - H i s t o l o g i e 851 - , Prognose 852 - , Symptome 851 - , Tumornephrektomie en-bloc 852 Nierendekapsulation 842 Nierenfistel 842 Nierenfistel-Katheter 833 Nierenfunktionsuntersuchungen, spezielle 832 Nieren-Harnleiterkolik 830 Nierenhypoplasie 838 Niereninsuffizienz 824ff. - , Atiopathogenese 824f. - , Definition 824 Nierenkarzinom 849 ff. - , Chemo- und Immuntherapie 851 - , Diagnostik und Differentialdiagnose 850f. - , Epidemiologie und Atiopathogenese 849 - , Prognose 851 - , selektive Nierenarteriographie 850 - S y m p t o m e 849f. - , Tlierapie 851 - , Tumornephrektomie en-bloc 851 - , typische Symptomtrias 850 Nierenschmerz, Ursachen 830
Nierensteine 771, 861 f. -, Differentialdiagnose 861 - , i. v. (Intravenöses)-Urogramm 861 -, Röntgenleeraufnahme 861 -, Symptome und Diagnose 861 -.Therapie 861 f. - , - , ESWL (extrakorporale Stoßwellenlithotripsie) 861 - , - , Litholapaxie 862 - , - , Steinauflösung 862 Nierenstielabriß 864 Nierenszintigraphie 466 Nierenteilresektion, Indikationen 835 Nierentransplantation 245 ff. -, Abstoßungsreaktionen 246 f. - , - , Differentialdiagnose 246 -, Cyclosporin-Toxizität 246 - , Ergebnisse 247 - , Feinnadelaspirationszytologie 247 -, -, -, -,
Gefäßthrombosen 246 Indikation 826 - , bei Kindern 245 Inzidenz maligner Tumoren 247 -, Kapselruptur 246 -, Kontraindikationen 245 - , Operationstechnik 245 f. -, operative Komplikationen 246 -, Parameter der Transplantatinsuffizienz 247 - , postoperativer Verlauf 246 f. - , reversibles akutes Nierenversagen 246 -, Risikofaktoren 245 -, Sigmadivertikulitis 245 -, Störungen der Nierendurchblutung 247 - , - , Diagnostik 247 -, Transplantatarterienstenose 246 -, Transplantatbiopsie 247 - , Transplantatfunktionsraten 247 -, Überlebensraten der Patienten 247 -, Ureternekrose 246 - , Vorbereitung, spezielle 245 Nierenverletzungen 864 - , Atiopathogenese 864 -, Operationsziel 864 -, Prognose 864 - , Symptome und Diagnostik 864 -, Therapie 864 Nierenversagen - a k u t e s 824f. - , - , Formen 824 - , - , Pathophysiologie 824 f. - , - , Symptome und Diagnostik 825 - , - , Ursachen und ihre Häufigkeit 824 - , chronisches 825 - , - , klinische Stadieneinteilung 825 f. - , - , Ursachen 825 - , Therapie 826 Nierenzertrümmerung 864 Nierenzysten 839 Nikotinabusus 432,433,438 Ninhydrin-Test 1012
Sachregister
1092 „Nippelventil" 576 Nitrosaminverbindungen als cancerogener Faktor 222,530 Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) 720 Hals 338 Magen Ann-Arbor-Klassifikation 541 - , Differentialdiagnose 542 - , Eradikationstherapie bei Helicobacter-Infekt 542 - , Helicobacter-pylori-Infektion 541 Klassifikation 540 - , Lugano-Klassifikation 541 - , operative Indikationen 542 - , Prognose 542 - , Radiotherapie 542 Stadieneinteilung 541 Symptome und Diagnostik 541 f. - , - , Therapierichtlinien 542 Nonne-Froin-Syndrom 288 Norwood-Operation 414 Nosokomiale Infektion 84 - , Antibiotikaprophylaxe 87 - , bauliche Präventivmaßnahmen 86 f. - , Bereichskleidung, Operationskittel 87 - , Präventionsmaßnahmen 84, 85 ff. Notarztwagen (NAW) 906 Notfälle - , Definition 186 - , Einteilung nach der Dringlichkeit 188 - , mit aufgeschobener Therapie 192 Maßnahmen zur Lebenserhaltung 189 ff. - , sofortige -Therapie - , - , bei -Atemstillstand 189 - , - , bei Atem- und Kreislaufstillstand 189 - , - , bei Bewußtlosigkeit 188 - , bei Herz-Kreislauf-Stillstand 189 - , Ursachen 186 Notfalldiagnostik 186 f. - , Maßnahmen, wichtigste 186 f. Notfallendoskopie bei akutem Abdomen 634 Notfallmaßnahmen - , Lagerung des Patienten 187f. - , Rettung aus Gefahrenzonen 187 Notfall Versorgung 186 ff. - , Maßnahmen 186 Notshunt, portosystem. 653 No-touch-isolation-technique n. Turnbull 571 NOVACOR-System 398,399 Nuck-Zyste 801 Nucleus pulposus 292 Nüchternschmerz 519 Nuklearmedizinische Untersuchungen 5 N Y H A (New York Heart Association) 401,423 Nykturie 829,857 Nystagmus 463
Oat-cell-Karzinom 383 Obere Einflußstauung 361,763, 884 Oberes Sprunggelenk (OSG) - , Einteilung n. Lauge-Hansen 997 - , klinische Anatomie 996 Oberflächenanästhesie 812 Oberschenkelamputation 481 Oberst-Leitungsanästhesie, Technik 183 Obstipation, Ursachen 3 Obstruktion der linksventrikulären Ausflußbahn - , Anatomie und Pathopysiologie 403f. - , Ergebnisse und Prognose 404 - , Formen 403 - , Operationsindikationen- und Verfahren 404 - , Symptome und Diagnostik 404 Obstruktive Uropathie - , diagnostische Strategie 827,828 Obturator-Röntgen-Aufnahme 971 Ochsenmagen 529 Octapressin-Behandlung 660 Octreoctid-Hierapie 702 Odontogene Entzündungen 316 ff. - , Ätiopathogenese 316 f. - , Epidemiologie 316 - , Symptomatologie und Diagnostik 317 - , Therapie 317 Odontogene Geschwülste 327 - T h e r a p i e 327 Odontom 327 Ösophagitis corrosiva 498 Ösophagoskopie 485 Ösophagotracheale Fistel 888 - , Ursachen 888 Ösophagus - , apolares Schraubensystem 483 - , arterielle Gefäßversorgung 483 - , klinische Anatomie 483 - , Krankheitsbilder mit Dysphagie 483 - , Lymphgefäßsystem 483 - , Motilitätsstörungen 485 ff. - , Röntgen-Kontrastuntersuchung 484 - , venöser Abfluß 483 - , Wandaufbau 483 Ösophagusatresie 790 f. - , Definition, Epidemiologie 790 - D i a g n o s t i k 790 - , Einteilung n. Vogt 790 - , Leitsymptome 790 - , Operationsverfahren 791 - , Operationsvorbereitung 791 - , Prognose, Letalität 791 - , Röntgenuntersuchung 790 - , Sondierungsversuch 790 Ösophagusbougierung, Techniken 17 Ösophagusdivertikel 495 ff. - , Definition und Einteilung 495f. - , Lokalisation und Häufigkeit 496 Ösophaguserkrankungen - , CT, M R T 485
- D i a g n o s t i k 483ff. - , Differentialdiagnose 484 - , Endoskopie mit Biopsie 485 - , Endosonographie 485 - , Leitsymptome 483 f. Ösophagusersatz 507 f. - , Dünndarminterposition 508 - , Koloninterposition 508 - , Transplantatwege 508 Ösophagusexstirpation, erweiterte totale 507 Ösophaguskarzinom 501 ff. - , adjuvante Therapie 509 - , - , Bestrahlung 509 - , - , multimodale Konzepte 509 - , - , neoadjuvante Chemotherapie 509 - , Alkoholiker 505 - , Ausbreitung 501 - , Diagnostik 503 f. - , Differentialdiagnose 504 - , Dysphagie, abhängig von der Wandinfiltration 503 - , Epidemiologie und Häufigkeit 501 - , Erfassung von Risikofaktoren 505 - , hämatogene Metastasierungswege 502 Hinweise für Inoperabilität 505 - , Lokalisation 501 - , lymphogene Metastasierung 501 f. - , Ösophagus-Resektion 505 - , Operabilitätsbeurteilung 504 - , Operationsindikationen 504f. - , palliative Bypass-Verfahren 509 - , palliative Endoprothese 509 - , palliative Radiotherapie 509 - , palliative selbstexpandierende Metall-Stents 509 - , pathologische Anatomie 501 - , Präkanzerosen 501 - , Resektionsrate 508 -.Symptomatik 502f. - , therapeutische Zielsetzungen 505 - , TNM-Klassifikation 502 - , typische Röntgenzeichen 503 - , typische Röntgenzeichen für Inoperabilität 504 Ösophagusperforation - H ä u f i g k e i t 497 - , iatrogene 497 - , Operationsletalität 497 - , Operationsverfahren 497 - , Symptome und Diagnostik 497 - U r s a c h e n 497 Ösophagusresektion bei Karzinom - , Anastomoseninsuffizienz 508 - , 5-Jahres-Überlebensrate 508 f. - , Komplikationen 508 - , Letalität 508 Ösophagussphinkter 483 Ösophagus-Spontanruptur, s. Boerhaave-Syndrom 497f. Ösophagusstenosen, angeborene 791 f. - , Leitsymptome 791 - , operative Therapie 792 - , Ursachen 791,793
Ösophagusstriktur 792 - , Therapieverfahren 792 Ösophagustranssektion und Devaskularisation n. Sigiura Futagawa 657 Ösophagustubusimplantate, endoskopische 18 Ösophagustumoren, gutartige 500 - , Diagnostik und Therapie 500 - , Häufigkeiten und Arten 500 Ösophagus- und Magenfundusvarizen, s. Portale Hypertension Ösophagusvarizenblutungen - , endoskopische Gummibandligatur 653 - , endoskopische Laserkoagulation 652 - , endoskopische Sklerosierung 652 - , Ballontamponade 652 - , Epidemiologie 652 - , Gummibandligatur 17 - , Konservative Maßnahmen 652 f. - , Lebertransplantation bei Zirrhose 656 - , Sklerotherapie 17 - , - , Komplikationen 17 - , Sperroperationen 656 f. - , transhepatische angiographische Vasookklusion 653 - , Behandlungsstrategie 657 f. Ösophagusverletzungen, traumatische 888 Offene Gelenk- und Knochenverletzungen - , Notfallmaßnahmen 192 Offenes Schädel-Hirn-Trauma - , Notfallmaßnahmen 192 Ogilvie-Syndrom 602,611,634 - , Therapie 611 - , Ursachen 611 Ohranlegeplastik 329 Ohrensausen 965 Ohr-Hals-Fisteln 335 - , Operationstechnik 335 Ohrmuschel-Ersatz 329 OH-Zeichen 908 Okklusionsileus, Ursachen 603 okkulter Blutnachweis im Stuhl 230,569 f. Okulomotoriusparese 269 Olekranonfrakturen 951 - , Diagnostik 951 - , Operationsindikationen- und Verfahren 951 Olfaktoriusrinne 270 Oligodendrogliom 266 Ollier-Erkrankung 1042 Omarthrose, posttraumatisch 947 Omento-Porto-Duodenopexie 816 Omentumdefekte 805 Omentum transposition, n. Mammaamputation 352 Omphalozele 798 ff. - , assoziierte weitere Fehlbildungen 799 - , Bauchhöhlenerweiterungsplastik 799 - , Bruchsackinhalt 799 - , Epidemiologie 798
Sachregister Ersatzmaßnahmen 799 - , postoperative Letalität 799 - , pränatale Diagnostik 799 - S y m p t o m e 798f. On-demand-Analgesie 184 „open-book-Verletzung" 969 „open-palm-Technik" n. McCash 1015 Operabilität - A l l g e m e i n e 121,122 - , altersabhängige 122 - l o k a l e 123 Risikofaktoren im Alter 122 Operabilitätsgrenzen in der Thoraxchirurgie 369 - , Allgemeinmedizinische Komplikationen 117 - , Desinfektion und Abdeckung des Operationsfeldes 106 - , Grundregeln 106 - , Implantate 107 Lagerungstechniken 106 Armplexusschädigung 106 - , Pathophysiologie 126 ff. - , - , Operation/Trauma-, 126f. - , Rechtliche Probleme 118 f. Operationen am Bewegungsapparat 929 Hygieneanforderungen 929 Infektionsrisiko 929 organisatorische und personelle Anforderungen 929 - , räumliche Anforderungen 929 - , spezielle Operationsverfahren 929 Operationsablauf, vermeidbare Komplikationen 116f. Operationseinwilligung 118 f. - , fehlende Einsichtsfähigkeit 118 - , Kinder- und Minderjährige 119 Operationsindikationen 121 - a b s o l u t e 123 - , alternative Behandlungsverfahren 125 - , ambulante Operationen 124 bei Gravidität 123 - , diagnostische 124 - , forensische 124 - , prophylaktische 124 - , psychosoziale 124 - . r e l a t i v e 123 f. Operationsletalität 236 Operationsmasken, Indikationen 87 Operationsprognose 124 Operationsrisiko 121 - , Definition 121 Operationsschuhe 87 Operationstrauma - , anabole Phase III 127 - , Aufrechterhaltung des extrazellulärvolumens 126 f. - , endogene Auswirkungen - , - , Antidiuretisches Hormon 128 - , endokrine Auswirkungen 127 f. - , - , Katecholamine 128 - , - , Kortikoide 127 f. - , Kaliumverluste 126 - , Mobilisierung endogener Energiequellen 127 - , Phasenverlauf 126 - , Phase des Fettansatzes 127
1093 Phase des Wendepunktes II 127 - , postoperativer Energiebedarf 127 - , Traumatisationsphase I, negative Stickstoffbilanz 126 Operationsverlauf 114 f. Operations Vorbereitung 106 - , diagnostische Maßnahmen 175 f. Noteingriffe 176 Operationszeitpunkte 124 Operationsziele 121 Operative Aszitestherapie 657 f. Opisthotonus 81 OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy infection) 723,893 - , Therapie mit polyvalenter Pneumokokkenvakzine 723 Opsonierung 717 Orbitadekompression 759 Orchidoepididymitis 856 Orchidopexie 870 Orchitis 847 Organentnahme von Verstorbenen 239 ff. - , erweiterte und enge Zustimmungslösung 240 - , gesetzliche Regelungen 240 - , Widerspruchslösung 240 Organifikation 748 Organkonservierung 238, 241 f. - , Ischämiedauer, organspezifische 242 - , - , kalte, warme 241 - , Lagerung 241 - , Lösungen 242 Organspende 238,239 fT. - , Altersgrenzen 240 - , Lebendspende 239 - , medizinische Kontraindikationen 240 - , nicht verwandter Spender 239 - , Verwandtenspende 239 Organspendeausweis 240 Organspenderoperation bei den einzelnen Organen 240f. Organtransplantation 238 fT. - , Grundbegriffe 238 Oroanale Transitzeit-Messung 569 Orthograde Darmspülung mit Golytelyl 570 Orthopantomogramm 311 Os-lunatum-Prothese 1018 Osmolalität 132 Os-pisiforme-Transposition am Gefäßstiel 1018 Osta® 860 Osteoblastom, spongioses 1041 Osteochondrom 1042 Osteoidosteom 1041 Osteokartilaginäre Exostose 1042 Osteomalazie 129 Osteome im Gesicht 326 Osteomyelititis 91 Osteomyelofibrose 719,720 Osteoporose 551,782 Osteosarkom 1042 Häufigkeit 1042 - , Symptome und Diagnostik 1042f. - , Therapie und Prognose 1043
Osteosynthese 114,925 ff. - , Belastbarkeitsgrade 925 - , durch Zugschrauben 925 - , funktionsstabile 925 - , - , biomechanische Prinzipien 925 - , interfragmentäre Kompression 925 - , Schienung durch Kraftträger 925 Otogener Schwindel 462 Outlet-Obstruktion 600 Oximetrie 177
Pagett-von-Schroetter-Syndrom 464,477 - , Therapie 477 - , Ursache und Symptome 477 „painful arc" 909 Palliativoperationen 231 Palma-Operation mit AV-Fistel 477 Palmarerythem 630 Palmaz-Stent 655 Panarthritis nodosa 433 Pancoast-Tumor 293,384,386 - , nervale Irritationen 384 Pancreas aberrans 701 Pankraniomaxillofaziale Frakturen 314 Pankreasabszeß 703 Panaritium - , articulare 1031 - , cutaneum 1030 - , ossale 1030 - , subcutaneum 1030 - , tendinosum 1031 Pancreas anulare 699,700f., 809 - , Differentialdiagnose 700 - , Koinzidenz mit Ulkus 700 - , Symptome und Diagnose 700 - , Therapie (Operationsverfahren) 700 Pancreas divisum 701 - , Symptome und Diagnostik 701 - T h e r a p i e 701 Pancuronium 181 Panfaziale Frakturen 309,314 Panikauftauchen 190 Panik-Syndrom 776 Pankreas - , Anatomie 695 f. - , Entwicklung 695 - , Gefäß- und Nervenversorgung 696 Lymphabfluß 696 - , Physiologie 696 f. - , - , endokrine Funktion 697 - , - , exokrine Funktion 696 f. - , Zugangswege 696 Pankreasfisteln 703,707 Pankreaserkrankungen 695 ff. - , Angiographie zur Operabilitätsbeurteilung beim Karzinom 699 CT 697f. - , - , bei akuter und chronischer Pankreatitis 698 - , - , beim Karzinom 698 - , - , gesteuerte Punktion 698 -, kontrastmittelverstärkte 697 f.
- D i a g n o s t i k 697ff. -, direkte Verfahren 697ff. -, indirekte Verfahren 697 - , E R C P 699 - , - , Indikationen 699 - , Sonographie 697 Pankreaskopfsarkom beim Kind 817 Pankreaslauryltest 707 Pankreaslinksresektion mit Splenektomie 714 Pankreaspseudozysten 710 ff. - , Aszites und Pleuraerguß 711 - , Ätiologie und Häufigkeit 710 - , Blutung durch Arrosion 711 - , Drainage mit Pigtail-Katheter 711 - E R C P 711 - , interventionelle Drainage 13 -.Komplikationen 711 - , konservative Therapie 711 - , Operationsverfahren und Indikationen 711 - , postnekrotische 703 - , posttraumatische 703 -.Prädilektionsstellen 710 - , Symptome und Diagnostik 711 - , Verschlußikterus 711 Pankreastransplantation 252 f. - , Ableitung der Pankreasgänge 252 - , akute Blutung 253 - , akute Transplantatpankreatitis 252 - , Ergebnisse 253 - , Gangblockade mit Ethibloc 252 - , hämorrhagische Zystitis 253 - , Indikaktionen 252 - , Operationstechnik 252, 253 - , Pfortaderthrombose 253 - , Rejektionsdiagnostik 253 - , - , quantiative Amylaseausscheidung im Urin 253 Pankreastumoren 711 ff. - , gutartige 711 Pankreas- und periampulläres Karzinom 712ff. - , adjuvante Therapie 714f. - , Definition 712 - , diagnostischer Algorithmus 712 - , diagnostische Verfahren 713 - , I O R T (intraoperative Radiotherapie) 715 - , Lokalisation und Häufigkeit 712 - , palliative Verfahren 713 postoperative Komplikationen 715 - , postoperative Überlebenszeiten 715 - , Prognose 715 - , radikale Eingriffe 713 f. - , regionale Chemotherapie 715 - , Resektabilität je nach Lokalisation 713 - S y m p t o m a t i k 712f. - , TNM-Klassifikation 715 Pankreasverletzungen 701 ff., 895 f. - , Ätiologie 701 CT und MRT, Sonographie 702
1094 Dezelerationstraumen 701 - D i a g n o s t i k 701f. - , Hinweise der Laborbefunde 895 - , intraperitoneale Lavage 702 Kombinationsverletzungen 701 - , Komplikationen 896 - , operative Strategien 895 f. - , Schweregradeinteilung 702 - , Spätfolgen 703 Symptome und Diagnostik 895 - T h e r a p i e 702,895f. Therapieergebnissc 702 typische Laborbefunde 702 Unfallmechanismus 895 - , Verletzungsmuster, typische 895 Pankreaszystadenome 710 Pankreaszysten, echte 710 Pankreatektomie, totale 710,714 Pankreatikozystogastrostomie, -jejunostomie, -duodenostomie 711 Pankreatitis 591 Pankreatitis, akute 703 ff. - , Ätiopathogenese 703 - , bakterielle Superinfektion durch Translokation 706 f. - , Beseitigung biliärer Ursachen 707 - , bildgebende Diagnostik 705 - , biliäre 683,703 - , Blutungskomplikationen 707 - , chronischer Alkoholismus 703 - , Diagnostik 705 - , diagnostischer Algorithmus 705 - , differentialdiagnostischer Algorithmus 706 - , Etappenlavage 707 - , Fettgewebsnekrosen 705 - , Hämofiltration, -dialyse 706 intensivmedizinische Maßnahmen 706 - , interstitielle ödematöse 703 Komplikationen 705 f. - , konservative Therapie 706 - , Laparostoma-Behandlung 707 - , Leberbefunde 705 Nekrosektomie 707 nekrotisierende 703 Operationsindikationen 706 - , Operationsziele 707 Pathogenese 703 - , pathologisch-anatomische-Einteilung 703 - , postoperative Komplikationen 707 Symptome 704 - T h e r a p i e 706f. - , Ursachen 703 Pankreatitis, chronische 707ff. - , Ätiologie und Pathogenese 707 - , Alkoholabusus 707 - , bildgebende Verfahren 707f. - , Cholestase und Magenausgangsstenose 709 - , Definition 707 - , drainierende und resezierende Operationsverfahren 709f. - , duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion 710 - , exokrine Funktionsuntersuchungen 707
Sachregister -, -, -, -, -,
Gallenwegseingriffe 709 GI-Blutungen 709 Komplikationen 708 f. Operationsindikationen 709 Pankreaslinksresektion, evtl. milzerhaltende 710 - , postoperative Schmerzfreiheit 709,710 - , prähepatischer Block 708 - , primärer Hyperparathyreoidismus 707 - , Pseudozysten 708 - , rationale Diagnostik 708 - , Symptome und Diagnostik 707ff. Pankreato-duodenale Transplantation 252 Pankreatogastrostomie 714 Pankreatojejunostomie 714 Pankreatojejunostomie n. Partington-Rochelle oder Duval 701,709 Pankreatovesikale Transplantation 252 Pankreocibale Asynchronie 550 „Panzerherz" 428 PAO (peak acid output) 514 Pappenheimer-Körper 716 Papilläres Schildrüsenkarzinom 766 - , Ausbreitung 766 - , Inzidenz 766 - , pathologische Varianten 766 - , Prognose und Prognosefaktoren 766 - , Symptome und Diagnostik 766 - , TTierapie 766 Papillarmuskelabriß 423 - , postinfarziell 419 Papillenplastik 687 Papillenstenose 684 Papillitis 617 Papillitis necroticans 842 Papillitis stenosans 684 Papillomaviren 222 Papillome 224 - , der Mundschleimhaut 324 Papillotomie, endoskopische (EPT) 18 - , Risiken 18 Papillotomie, transduodenale 687 Paraartikuläre Ossifikationen 1048 Paradoxes Hiluszeichen 385 Paranephritischer Abszeß 843 Paraösophagale Hernie 489 - , Gastropexie n. Nissen 495 - , Operationsindikationen 495 Paraphimose 873 Paraplegie 296 parasitäre Embolien 172 Paratendinosen 1036 Parathormon 770 - , Antagonist (Calcitonin) 770 Parathyreoprive Tetanie 770 Parathyreotoxische Krise 772 - , Soforttherapie 772 Paratibiale Fasziotomie 478 Paraurethralabszeß 846 Parenterale Ernährung 141,142f. - , Bedarfslage (Grund-, Ersatz-, Korrekturbedarf) 143 - , Bilanzierung 142 ff.
- , - , Faustregeln 143 - , - , Grundbedarf der Erwachsenen 143 - , Messung der Ausfuhr 143 - D e f i n i t i o n 142 -.Energiebedarf 144 - , Indikation und Ziele 142 - K o n t r o l l e 144 Verabreichungsformen 142 „Parierfraktur" 952 Parietalzellen 510, 512 Paronychie 1030 Parotisabszeß 317,318 Parotisgeschwülste - , Neckdissection 322 - , Parotidektomie, konservative oder radikale 322 - , Parotidektomie mit Autonerventransplantation 322 f. - , Plattenepithelkarzinome 322 Paroxysmale Hypertonie 776 - , auslösende Stimuli 777 Partialfunktionen der Niere 825 Partialinsuffizienz 368 Patellafraktur 990 - , Ätiopathogenese und Formen 990 - , Diagnose 990 - , Zuggurtungsosteosynthese 990 Patellaluxation 989 f. Pathogenität 72 Pathologisches Kopfwachstum 284 ff. Pathosklerose 432 Patientenaufklärung 120 - , Alternativtherapien 120 - , eingriffsspezifische Risiken 120 - , Merkblätter 120 - , stufenweise 120 Payr-Zeichen 988 PDA (persistierender Ductus arteriosus) 406 f. - , Anatomie und Pathophysiologie 406,407 - , Operationsindikation und Verfahren 407 - , Operationsletalität 407 - , Symptome/Diagnostik 407 Peau d'orange 347 Pectus excavatum, s. Trichterbrust 793 „Pektenband" 616 Pelvirektale Fisteln 619 f. - , Nachbehandlung 620 - , operative Stufentherapie 619 f. - , Ursachen 619 Pendelluft 361,884 Pendelperistaltik 628 Penicillinasen-Resistenz 92 Penicilline 92 f. - , antibakterielles Spektrum 93 Dosierung 92 Nebenwirkungen 92 Penisfraktur 866 Peniskarzinom 854 - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 854 - , Symptome, Diagnose und Differentialdiagnose 854 - , Therapie und Prognose 854 Penisluxation 866 Penisprothese 867
Penis- und Skrotumaufbau 875 Penoskrotale Stenose 841 Pentagastrintest 514 Pentazocin 185 Perforansinsuffizienz 472 Perforansvenen - , Boyd-Gruppe 470 - , Cockett-Gruppe 470 - , Dodd-Gruppe 470 Perforationsperitonitis (Neugeborenes) 818 f. - , Diagnosesicherung 819 - , Laparotomie 819 - S y m p t o m e 818f. Perforationsschmerz 627,640 Perforierende Abdominalverletzungen 898 f. - , Epidemiologie 898 - . T h e r a p i e 899 Perfusionsszintigraphie 367 Periampulläres Karzinom 699 Perianale Thrombose 614 - , Therapie 614 Periarthritis humeroscapularis (Duplay) 1035 Periarthropathie humeroscapularis 1035 Pericholezystitis 681 Periduralanästhesie 183 Perikarderkrankungen 428 Perikardese 260 Perikardiozenthese 428 Perikarditis - , chronische, verkalkende 428 - , - , Dekortikation 428 perilunäre Luxation 1026 Perineale Stanzbiopsie der Prostata 834 Perinealhernien, nach abdomineller Rektumexstirpation 741 Periphere Nervenverletzungen 297ff. - , häufigste Symptome 298 - , Operationsverfahren 298 - , Ursachen 297 Periphere (blutige) Venendruckmessung 473,477 Peritonealkarzinose 227 Peritonellavage 554,634 - , Technik 891 - , Vor-und Nachteile 891 Peritoneum - , Funktionen 637 - , Klinische Anatomie 637, 724 - , Lymphdrainage 637 - , unspezifische Immunabwehr 638 Peritonismus 631 Peritonitis 637 ff. - , Abwehrspannung 640 - , Ätiologie 638 - , allgemeine Krankheitszeichen 640 - , Anamnese und Klinische Untersuchung 641 - , apparative Untersuchung 641 - , Bakteriologie 638 - , chemisch-toxische 639 - , Darmparalyse 640 - , Definition 637 - , Diagnostik 641 - , Einteilung 638 - , enkapsulierte 639
Sachregister - , fibroplastica 639 - , frühe postoperative 637 - , Intensivtherapie 643 Kind 818 ff. - , Kompartimentierung 643 f. - , konservatie Maßnahmen 642 f. Laboruntersuchungen 641 - , Leitsymptome 640f. Monitoring 643 - , mykogene 639 - , Neugeborene, Säugling 818 - , - , Formen 818 - , offene Dauerspülung 643 - , Operationsziele 643 - , operative Spülverfahren 643 f. operative Taktik 644f. Pathophysiologic 637f. - , Perforation 639 - , pelvine 638 - , primäre 638 f. - , Neugeborene, Säuglinge 820 - , - , - , Definition 820 - , - , - , Verlauf und Prognose 820 - , Prognose 645 - , radiogene 639 - , Schmerzefferenzen 640 - , somatische 640 - , viszerale 640 - , sekundäre 639 f. - , Epidemiologie 639 - , - , Ursachen 639 - , sekundäre (Kind) 821 Diagnostik 821 - , - , Komplikationen 821 - , - , Symptome 821 - , - , Therapie 821 -, toxisches Schocksyndrom 821 - , - , Ursachen 821 - , Sonographie 641 - , Spätfolgen 645 - , Therapierichtlinien 642 ff. Peritonitis-Index (MPI), Mannheimer 645 perityphlitischer Abszeß 646 Perizystektomie 380 Perkutane Diskektomie 295 perkutan-endoskopische Gastrostomie (PEG) 18 Perkutane Laser-Diskus-Dekompression (PLDD) 212 Perkutane transhepatische Cholangiographie (PTC) 678 perkutane transhepatische Drainage, (PTD) 18 Perl-Gerät 205,294 Perlschnur-Phänomen 599 Perniziöse Anämie 129,515 Perthes-Syndrom 883 Perthes-Test 472 Perthes-Zeichen 190 Pertrochantere Frakturen 978ff. - , AO-Klassifikation 978, 979 - , Diagnose 978 - . F o r m e n 978 - , Operation: dynamische Hüftschraube oder Gamma-Nagel 979 - , Stabilisierung mit elastischen Rundnägeln n. Ender 979 - , Therapie und Prognose 978 f. - , Ursachen 978
1095 P E T (Positronenemissionstomographie) 416 Pethidin 185 Peutz-Jeghers-Syndrom 544,578 Peyer-Plaques 552 Pfählungsverletzungen 620,899 - , Symptome und Diagnostik 899 - T h e r a p i e 899 PFC-Syndrom (persistierende fetale Perfusion) 796, 797 Pflastersteinrelief 595 - b e i M.Crohn 557 Pflasterverband 50 Pfötchenstellung 770 Pfortader-Metastasierungstyp 227 Phäochromozytom 776 ff., 778 - , Anamnesedauer 776 - , diagnostische Trias 777 - , Epidemiologie 776 - , Ergebnisse und Prognose 778 - , intraoperative anästhesiologische Maßnahmen 777 - , Lokalisationsdiagnostik 777 - , malignes 778 - , Operationsvorbereitung 777 - , Operationstaktik bei ein- und doppelseitigem Tumor 77 f. - , Paragangliome 776 - , pathophysiologische Anatomie 776 - , seltene Verlaufsformen 776 - , Symptome 776 Phagozytose 73 Phalen- und umgekehrter Phalentest 1017 Phantomschmerzen 300 Phimose 840,869 Phlebographie 169,172 Phlebothrombose 169 - , Ursachen 169 Phlegmasia alba 475 Phlegmasia alba dolens 475 Phlegmasia coerulea dolens 169, 450,475 Phlegmone - , Definition 78 - , putride 78 photodynamsiche Therapie maligner Tumoren 235 Photoinaktivierung des HIV durch Methylenblau 161 Photoluminiszenz 208 ph-Werte 130 Phylloides Tumor (Mamma) 344 Physikalische Medizin - , Behandlungsverfahren 202 - , Definition 202ff. Physiosklerose 432 Physiotherapie 138,147 Phytobezoare 545 Pigmentnaevi 210 Pilonidalsinus 612 Pierie-Syndrom 814 Piritramid 184,185 Pilzinfektionen der Lunge, s. Lungenmykose 379 Pivot-Shift-Test n. Mcintosh 986 p H P T (primärer Hyperparathyreoidismus) - , funktionelle und organische Symptome 771 - , Inzidenz 771
- , Organmanifestationen 771 - , Pathophysiologic 771 - , singuläres NSD-Adenom 771 - , 4-Drüsen-Hyperplasie 771 - , - , bei M E N - T Y P I und II 771 Plättchenfaktor 163 Plättchenfibrinstabilisator 163 Plasmaersatz, ABO-ungleichen 152 Plasmaersatzflüssigkeiten 146 Plasmaexpander 146 Plasmapräparate 146 Plasmasterilisation 88 Plasma-Thromboplastin-Antecedent 164 Plasminogenaktivatoren 165 Plasmozytom 1045 Plastische Chirurgie 874ff. - , ästhetische Chirurgie 875 f. - , angeborene Fehlbildungen 874 - , Biomaterialien 881 - D e f i n i t i o n 874 - , erworbene Deformierungen 875 - , Exzisionen 876 Fehlentwicklungen 874 f. - , Implantate 881 - , Inzisionen 876 - , Operationsindikationen 874f. - , Operationstechniken 876 ff. -.Wundverschluß 876f. Plastische Operationen 114 - , in der Urologie 835 f. Plattenepithelkarzinome 224 Plattenosteosynthesen 926f. Platysmaplastik 330 Platythorax 794 Platzbauch 46 Pleura - , klinische Anatomie 360 - , Physiologie 360 Pleuraempyem 359,364 f. - , diagnostische Punktion und mikrobiologische Resistenzbestimmung 364 - , Pleuraschwarte und Dekortikation 364 - , spezifisches 364 - , Symptome und Diagnostik 364 - , Therapie 364 - , Ursachen 364 Pleuraerguß 362 ff. - , maligner 365 - , - , diagnostische und therapeutische Strategie 365 - , sympathischer 669 Pleurakarzinom 227 Pleuramesotheliom, malignes 365 f. - , Differentialdiagnose 366 - , Ergebnisse und Prognose 366 - , extrapleurale Pneumonektomie 366 - , Häufigkeit und Ursachen 365 - , histologische Varianten 365 - , palliative Chemo- und Strahlentherapie 366 - , Pleurektomie, partielle 366 - , Symptome und Diagnostik 365 Pleurapunktion 113,363 Pleuratumoren 365 f. - , benigne 365 Pleuritis carcinomatosa
- , Diagnostik, Hormonrezeptorbestimmung (Mamma-Ca) 366 - , Pleurodese chemische und operative (Pleurektomie) 366 - , Primärtumoren 366 - , Yttrium-90, oder RadiogoldInstallation 366 Pleurodese 361 Plexusanästhesie 183 f. -.Komplikationen 1012 Plexus myentericus (Auerbach) 552 Plexus submucosus (Meissner) 552 Plicatur n. Childs-Phillips 610 „plug-repair" 265 Plummerung 753 Plummer-Vinson-Syndrom 487 „Pneumatisationskammer" 258, 279 Pneumatozele 278,355 Pneumaturie 812,829 Pneumenzephalographie 271,272 Pneumocystitis carinii 100 Pneumokokkenperitonitis 591, 638 Pneumolyse 378 Pneumonektomie 370 Pneumonieprophylaxe 202 Pneumothorax 359,360 f. - , Definition 360 - , Differentialdiagnose 361 - , einfacher 360 - , - , Pathophysiologic 360 - , - , Röntgenzeichen, typische 361 - , - , Symptome und Diagnostik 361 Pneumothorax, s. Spontanpneumothorax 361 - , Einteilung 360 - , traumatischer 884ff. - , - , Einteilung 884 - , - , offener 884 f. - , - , - , Symptome und Diagnose 884 - , - , - , Therapie 885 - , - , Pathophysiologie 884 - , - , Ursachen 884 Pneumothoraxrezidiv 261 Pollakisurie 829, 845, 857 Polydaktylie 1032 Polyglobulie 409 Polymastie 342 Polyneuropathie, diabetische 433 - , typische Veränderungen 433 Polypektomie - , endoskopische 16f. - , - , Komplikationen 17 Polypeptidhormone 784 Polypose - , familiäre 579f., 581 - , - , assozierte Erkrankungen 580 - , - , Familienuntersuchung 579 - , - , Gen-Formel 579 - , - T h e r a p i e 579 - , familiäre 578 Polyposis des Magens 544 Polytrauma 1005 ff. - , Behandlungsplan nach Dringlichkeitsstufen 1007 - , Behandlungsprinzipien 1006
1096 - , Beseitigung von vitalen Störungen 1006 - , Beispiel für Behandlungsplan 1009 f. -Definition 1005 - , dritte operative Phase 1009 f. -, erste operative Phase 1008 - , erste Stabilisierungsphase 1008 - , Glasgow-Komaskala 1008 - , Häufigkeit, Prognose 1006 - , Intensivüberwachung 1007 - , Krankheitsverlauf: Schock, Hypoxie, metabolische Fehlsteuerung 1005 - , Pathophysiologie 1005f. - , Prioritäten festlegen 1006 - , Reanimationsphase 1007 f. - , Schmerzbehandlung 1007 - , Therapieverzögerung und Letalitätsrate 1006 - , Überwachung der Vitalfunktionen 1007 - , wichtige diagnostische Maßnahmen 1007 -, zweite operative Phase 1008 f. - , zweite Stabilisierungsphase 1009 Polyurethanfolien 51 Polyurethanschwämmchen 52 Polyurie 829 Polyvidon-Jod 51 Poplitealveneninsuffizienz 471 Popliteus-Eck 983 Porphyrie 634 Port-a-Cath ^-System 674 Portale Hypertension 649 ff. - , Aszitesbildung 650 - , Diagnostik 651 f. - , diagnostische Ziele 651 - , Enzephalopathie 650 - , Folgen 650 -, intrahepatischer Block, (Zirrhose) 649 - , Kollateralenentwicklung 650 -, Leberdurchblutung 650 -, Pathophysiologie 650 - , posthepatischer Block 649 -, prähepatischer Block 649 - , Ursachen und Einteilung 649 f. - , Volumenhochdruck (hyperkinetischer) 649 - , Widerstandshochdruckformen 649 f. Portosystemischer Shunt 653 ff. - , Child-abhängige Letalität 656 - , Enzephalopathierate 656 -.Indikationen 651,653f. - , inkompletter n. Warren 655f. - , Intervall oder elektiv 653 - , Komplikationen und Ergebnisse 656 - , mesenterikokavale Anastomose 655 - , Nachsorge 658 f. - , Notshunt 653 - , - , Kontraindikationen 653 - , Portokavale Anastomosen 654 - , Portokavale Anastomose mit flow- und druckadaptierter Arterilisation der Leber 654f. - , prophylaktischer 653 - , Seit-zu-Seit splenorenale Anastomose n. Cooley 655
Sachregister -, Vor- und Nachteile 654 - , zentrale splenorenale Anastomose n. Linton 655 Positronenemissionstomographie 569 Postcholezystektomiesyndrom 688 - U r s a c h e n 688f. Postgastrektomie-Syndrom 235 Posthitis 870 Postinfarzielle Herzruptur 428 Postoperative Komplikationen 146 ff. -, chirurgische Blutung 148 - , Herzkreislauf-Störungen 147 ff. -, Herzrhythmusstörungen 148 -, - , Ursachen 148 - , Hypovolämie 147 -, - , Symptome und Therapie 147 f. - , - , Ursachen 147 -, Niereninsuffizienz 149f. -, - , Therapie 149 - , Passagestörungen 149 -, respiratorische Störungen 146 f. -, - , Diagnostik und Therapie 147 - , - , Ursachen 146 f. -, septische 149 - , - , Ursachen 149 Postoperative Therapie 139 ff. -, allgemeine Störungen 140 - , Ausgleich des Wasser-Elektrolyt-Haushalts 141 - , Beatmungspflicht 147 - , klinische Überprüfung der Vitalfunktionen 139 - , Kontrolle der Nierenfunktion 141 - , Kontrolle von Thoraxdrainagen 139 -, Röntgen-Thorax nach Thoraxeingriffen 139 -, Status bei der Übernahme auf Wachstation 139 - , Stoffwechselregulierung 141 -, Streßulkusprophylaxe 141 -, zentralvenöser Zugang 140 Postreplikationsreparatur 223 postspinaler Kopfschmerz 183 Postthorakotomie-Syndrom 257 Postthrombotisches Syndrom 169, 475,477f. -, Diagnostik 477 -, konservative Therapie 478 -, Operationsmethoden 477f. - , posttraumatisches 905 - , Symptome 477 Posttransfusionshepatitis 160 posttraumatische Hirnleistungsschwäche 278 Posttraumatische Osteitis 931 f. - , Ätiopathogenese 931 - , akute und chronische Form 931 - , Debridement 931 - , drohender Infekt 931 - , Erreger 931 -.Prognose 932 - , Spülsaugdrainage 932 - , Stabilisierung 931 - , Therapie 931 f.
präkanzeröse Konditionen bei Magenkarzinom 531 Präkanzerosen, Definition 220 Prämedikationsvisite 175 Präoperative Behandlung 135 ff. -, psychologische Vorbereitung 136 somatische Vorbereitung 136 ff. -, - , Defizite im intravasalen und extrazellulären Raum 136 -, - , Diabeteseinstellung 139 - , Herz-Kreislauf-System 137 - , Karotisstenose ausschließen 138 - , - , Niere 138 - , -, obligate Maßnahmen 136 - , -, respiratorisches System 137f. -, - , Sofortmaßnahmen vor Notoperationen 139 - , -, Stoffwechselstörungen 138 Präsarkomatosen 224 Prellmarken 889 Priapismus 873 Pridie-Bohrung 919 Primärhämostase 163 Primärer Hyperaldosteronismus, s. Conn-Syndrom Primärer Hyperparathyreoidismus (phPT) 771 f. Primäres cholangiozelluläres Karzinom (PCC) 673 Primäres hepatozelluläres Karzinom (HPC) 672ff. - , Ätiopathogenese 672 - , Lebertransplantation 672 -, Metastasierung 672 -, Operationsverfahren 672 f. - , Pringle-Manöver 664,665,894 - , Prognose 673 - , Symptome und Diagnose 672 - , TNM-Klassifizierung 672 - , Tumormarker 672 Private Krankenversicherung 1055 Private Versicherungen 1054, 1055 f. Private Unfallversicherung 1055 Proaccelerin 164 Probe n. Elefant 790 Probethorakotomie 370 Processus uncinatus 695 Processus vaginalis peritonei 730 Proconvertin 164 Proctalgia fugax 620 Profilplastik 329 Profundaabgangsstenose und Profundaplastik 455,456 Prognathie 304,305, 308 Progenie 304,308 Proktalgie 620 Proktodealdrüsen 617, 618 Proktodealhaut 612 Proktomyektomie n. Lynn bei M.Hirschsprung 808 Proktorektoskopie 568 Prolaps 730 Pronator-teres-Syndrom 953, 1017 Properdin 717 Propofal 180 Proportionierter Riesenwuchs 468
Propriozeptive-neuromuskuläre Facilitation (PNF) 203 Propylthiouracil 753 Proscar® 858 Prostaglandia E l (Min-Prog) 406 Prostaglandine 439,523 Prostataadenom, s. benigne Prostatahyperplasie 857 Prostataexprimat 831 Prostatakarzinom 858ff. -, alkalische Phosphatase und saure Prostataphosphatase bei Knochenmetastasen 859 - , Chemotherapie mit Estrazyt 860 - , Differentialdiagnose 859 -, Epidemiologie und Ätiopathogenese 858 -, Gleason-Score 858 - , Hamableitung bei Blasenentleerungsstörung 860 - , Hormontherapie 860 -, incidentales Karzinom 860 -, Orchiektomie 860 -, Prognose 860 - , Prostatovesikulektomie mit pelviner Lymphadenektomie 860 - , PSA-Werte 859 -, rektale Palpation 859 -, Skelettszintigraphie 859 - , Strahlentherapie 860 Symptome und Diagnose 858ff. - , transrektale Sonographie und Biopsie 859 -, TNM-Klassifikation 850 -, Tumorausbreitung 858 - , Urethrozystoskopie 859 Prostatamassage 845 Prostatopathie 846 Prostataschmerz 830 Prostatasteine 859,863 f. Prostataspezifisches Antigen (PSA) 230,832 Prostatitis, akute 845 - , chronische 845f. -, - , Therapie 846 -, - , Ursachen, Erreger 845 Prostazykline 163 Protein-C-Mangel 165 Protein-S-Mangel 165 Proteinurie 829 Protheseninterposition, Aortenaneurysma 442 Prothrombin 164 Protokollisierte Medizin 30 Protonenpumpenhemmer 512, 520 Protoonkogene 223 f. Proximale Humerusfrakturen - , Operationsindikationen, abhängig vom Frakturtyp 946 -, Prognose 946 Prozeßqualität 37 Pruritus ani 614 Pseudoarthrosen 937f. - , Ätiopathogenese 937f. - , hypotrophe, obligotrophe und avitale Form 937 f. - T h e r a p i e 938 Pseudohermaphroditismus masculinus/femininus 784, 841
1097
Sachregister Pseudomitralstenose durch Vorhofmyxom 428 Pseudomyxoma peritonei 592, 729 Pseudoperitonitis diabetica 642 Pseudo-Sehnenscheide 1020 Psoasaabszeß 591 Psoas-Schmerz 590 PTA (perkutane transluminale Angioplastie) 439- , Indikationen 439 P T C (= perkutane transhepatische Cholangiographie) 15,663 P T C A (perkutane transluminale koronare Angioplastie) 417 P T D (perkutane transhepatische (Cholangio) Drainage) 685, 695 PTFE-Prothesen 444 - , ringverstärkte 444 P T L D (posttransplant lymphoproliferative disease) 245 P T T (partial thromboplastin time) 166 Pulmonalarteriendruckmessung 367 Pulmonalisembolektomie 171 Pulmonaliskatheter 141 Pulmonalklappenvitien 424 Pulmonalstenose - , A S D 410 Ballondilatation und Stentimplantation 403 kongenitale 402 f. - , A n a t o m i e , Pathophysiologie 403 - , Echokardiographie 403 - , Ergebnisse, Prognose 403 - , Herzinsuffizienz 403 - , Operationsindikationen und Verfahren 403 Pulpaklappen 1028 Pulsierender A b d o m i n a l t u m o r 631 Pulsionsdivertikel 495 Pulspalpation 434,435 Punktionen 112 - , CT- und Sonographiegestützte 11 Punktmutation 223 Pupillenstarre 269 P u r p u r a urämica 168 Pyelitis 591 Pyelonephritis (= P N ) 841 f. - a k u t e 842 - , Prognose 842 - , Symptome, Diagnose und Differentialdiagnose 842 - , Therapie 842 - , - , Notnephrektomie 842 chronische 842 - , Symptome, Diagnose, Differentialdiagnose 842 - , Therapie 842 emphysematöse 842 Epidemiologie und Ätiopathogenese 841 - , Xanthomatose 842 Pyloroplastik n. Heinecke-Mikulicz 521,522 Pylorusdrüsen 510 Pylorusstenose, hypertrophische 814 f.
Definition und Epidemiologie 814 - , Diagnose und Differentialdiagnose 814 - , Infusions- und operative Therapie 815 - , Symptome 814 Pyodermia gangraenosum 556 Pyonephrose 843 Pyospermie 832 Pyothorax, s. Pleuraempyem 364f. Pyramidenzeichen 269 Pyurie 829
Quadrizepssehnenabriß 1035 Qualitätsindikatoren 19,37f. Qualitätskontrolle, Definition 38 Qualitätsmanagement 40 f. - , total quality management ( T Q M ) 40 - Z i e l e 40 Qualitätsmeßbarkeit 37 Qualitätssicherung 35ff. ärztliche Qualitätssicherung 35 - , Definition: Qualität 36 - , externe 39 - , Handlungsbeobachtung 41 - , interne 38 - , Krankenversicherung 36 - , Notwendigkeit 35 - , Praxis 40 - , Problemerkennung 41 - S e l b s t k o n t r o l l e 38 - , Tracer-Diagnosen 39, 40 Struktur-, Prozeß-, Ergebnisqualität 36 - V a l i d i t ä t 39 Qualitätssicherungsprogramm 38 f. quality life-Index der E O R T C 236 Queckenstedt-Versuch 288 Querschnittslähmung 297 - , Komplikationen 297 Prognose 297 Quer- und Dornfortsatzbrüche B W S / L W S 968 Quick-Test 166 Q u i n c k e - Ö d e m 196
Rabies 82 Rachitis 129 Radikaloperationen 231 R a d i k u l ä r e Zysten am Kiefer 320 S y m p t o m e und Diagnose 320 - , Zystektomie 321 Radiofibrinogentest 169,172 Radiojod 1 3 1 J 751 Radiusfraktur - , Flexionsbruch 956 - , - , Typeneinteilung n. T h o m a s 956 f. - , - , Wulstbruch bei Kindern 957 Radiusfraktur loco typico 954ff. - , Einteilung n. der AO-Klassifikation 954 - , Einteilung n. Frykman 954 - , Fehlstellung, häufigste 956 Häufigkeit und Pathogenese 954
- , mit Gelenkbeteiligung - , - , Osteosynthese mit T-Abstützplatte 956 Prognose 956 - , Repositionstechnik und Ruhigstellung mit Gipslonguette 955 - , Röntgenkontrollen zum Heilverlauf 955 - , Spickdrahtosteosynthese 956 - , Therapie, konservative 954f. Radiusköpfchenluxation 952 - T h e r a p i e 952 Pathogenese 952 Radiusköpfchen- und Halsfrakturen 951 - , Begleitverletzungen 952 Formen 951 - , Prognose 952 - , Therapie, konservativ und operativ 952 Randomisierung 28 Ranula der Glandula sublingualis 321 Ratschow-Lagerungsprobe 435 Rattenbißkrankheit (Sodoko) 42 Rauchfuß-Schwebe 970 „Raucherhusten" 384 R a u m f o r d e r u n g e n des Spinalkanals 286 ff. - , A r t e n 286 - , C T / M R T 288 - , Diagnostik 288 - , Frühsymptome 288 - , Liquorveränderungen 288 - , Tumoren - , - , Extraduralraum 286 - , - , intradurale extramedulläre 286 - , - , intramedulläre 286 - , Tumorlokalisationen 286 R a u m f o r d e r n d e intrakranielle Prozeße 266 ff. - , H e r d s y m p t o m e 270 Raumlufttechnische OperationsAnlagen ( R L T ) 85 Rautek-Rettungsgriff 187, 906 R a y n a u d - P h ä n o m e n 260,436,465 Raynaud-Syndrom - , Diagnostik 465 Therapie 465 Reanimation, kardiale 200 - , Adrenalinapplikation 200 - , medikamentöse 201 Rechtsherzbypass 397 Rechts-Links-Shunt bei Bronchusobstruktion 367 Reclus-Holzphlegmone 78 Rectotomia posterior n. Kraske 586 referred pain 2 Reflexblase 871 - , Symptome, Diagnostik 872 - , Urodynamische Befundmuster 872 Reflexinkontinenz 828 Reflexzonenmassage 205 Refluxkrankheit 490 ff. - , Definition 490 - , Diagnostik n. morphologischen und funktionellen Aspekten 492 - , endoskopische Schweregrade 490 f.
- , morphologische Einteilung 490 - , natürlicher Verlauf n. Rösch 492 - , Operationsindikationen 493 - , Operationsverfahren 493ff. Pathogenese 491 f. - , primäre/sekundäre 490 - , Symptome und Diagnostik 492 - , Therapie, stadiengerechte 493 Refluxlaryngitis 492 Refluxnachweis im Ösophagus 485 - A u s m a ß 491 f. Refluxszinitigraphie 485,492 - , n. Magenresektion 549 Refluxzystogramm 867 Refluxzystourethrogramm 833 Regurgitation 486 Regurgitat, Kontaktzeit im Ösophagus 491 Reizleitungssystem 427 Rejektion, interstitielle 242 Rekapillarisierungszeit 434 Rekonstruktion der M a m m a nach Tumoroperation (Ablatio) 352 Rekonstruktion von Gesichtsund Kieferdefekten 328 ff. - , Weichgewebeersatz 328 Rekurrenzparese, bei Nebenschilddrüsenkarzinom 772 Rektopexie n. Sudeck 614 Rektopexie n. Wells oder Ripstein 614 R e k t o t o n o m e t r i e 622 Rektumexstirpation, abdominoperineale n. Q u e n u e 573 f. Rektumkarzinom - , adjuvante Therapie 232 - , stadienadaptiertes Nachsorgeprogramm 236 Rektumprolaps 613 - , operative Therapie 614 - , Rektopexie, transanale ( T E M ) 614 - , Reposition, manuelle 613 - , Resektion n. Altemeier o d e r R e h n - D e l o r m e 614 Rektumresektion - , tiefe anteriore n. Westhues und Stelzner 573f. - , ultratiefe anteriore 573 Rektusdiastase 739 Relaxatio diaphragmatica Definition 359 - , Symptome und Differentialdiagnose 359 - T h e r a p i e 359 Remission, komplette und inkomplette 237 Remodeling 921 Renin-Angiotensin- AldosteronSystem ( R A A S ) 825 Renovaskuläre Hypertonie 465 R e n t e auf Zeit 1054 R e p a r a t u r e n z y m e 222 f. Replantation 114,1029 f. - , absolute und relative Indikationen 1029 - D e f i n i t i o n 1029 Kontraindikationen 1029 - , Mamille 352 - , Nachbehandlung und Komplikationen 1029 f.
1098 - , Operationstechnik 1029f. - , Prognose 1030 Reposition 114 Reptilasezeit 166 Resektionsprothesen als Kieferersatz 329 Resektionsquote 236 Residualvolumen (RV) 368 Residualzysten an Zähnen 319 Resistenz 72 Resorptionsatelektase 374 Resorptionsstörungen nach Magenresektion 550 - , Erhaltung der Duodenalpassage 550 Respiratorische Alkalose 193 Respiratorische Insuffizienz 368 - , bei Rippenfrakturen 883 - , Ursachen 367 Respiratorische Störungen 130 - , Symptome 138 - , Therapie 138 Respiratory distress Syndrom 156 Restharn 829 „restless leg" 471 Retentionsblase 288 Retentionsösophagitis, chronische 486 Retentionspneumonie 386 Rethrombosierungsrate nach Thrombektomie 476 Retentionszysten in Mundhöhle und Gesicht 321 retroganglionäre Durchtrennung der Trigeminuswurzel 300 Retrograde Harnleitersondierung 861 Retrograde Pyelographie 832 Retrograde Urethrographie 832 Retrokavaler Ureter 839,867 Retromaxillie 308 Retropharyngeales Hämatom mit Dysphagie bei Schleudertrauma 965 Retroperitoneale Fibrose (M.Ormond) 724f.,844 Retroperitoneales Hämatom 896 -.Therapie 896 Retroperitoneale Tumoren 725 f. - , Differentialdiagnose 726 - , im Kindesalter 725 - , Organzuordnung 726 - , primäre 725 - , sekundäre 725 - , Symptome und Diagnostik 725 f. - T h e r a p i e 726 Retroperitoneale Verletzungen 726 f. - , Hämatome 727 - , -, Symptome und Diagnose 727 - , - , Therapie 727 - , -, Ursachen 727 - , klinisches Bild 726f. Retroperitonealraum 12,724ff. - , klinische Anatomie 724 Retrosternale Schmerzen bei Refluxkrankheit 492 Retrovir® 104 Retrovirus, tumorassoziiert 222 Rettungshubschraubereinsatz 906
Sachregister Rettungsmaßnahmen 906 ff. Rezidivchirurgie 231 Rezidivierende therapieresistente Tachykardien 427 Rezidivstruma 769 - , Definition 769 - , Symptome, Diagnose, Differentialdiagnose, Therapie 769 - , Ursachen 769 Rezidivulkus nach Magenresektion 551 f. - , Diagnostik 551 - , Häufigkeit und Symptome 551 -.Therapie 551 f. - , Ursachen 551 Rhabdomyosarkom der Blase (Kind) 871 Rhesus-System 152 f. -.Phänotypen 152 Richter-Hernie 731,802 Riegler-Trias 683 Riesenadenom (Mamma) 344 Riesenfaltengastritis, s. M. Ménétrier 516 f. Riesen-Pigmentnaevi 874 Riesenzelltumor 1045 - , Epidemiologie 1046 Rifempicin 82 „Rififi-Methode" 476 Ringpankreas 700 Ringstripper 440 Riolan-Anastomose 467 Riolan-Bogen 567 Rippenaplasie 355 Rippenfrakturen 883 - , Begleitverletzungen 884 - , häufigste Lokalisation 883 -, Symptome und Diagnostik 884 -, Therapie 884 Rippenserienfraktur 883 - , innerpneumatische Schienung durch PEEP-Beatmung 884 Rippenserien-Stückfrakturen 883 Rippentuberkulose 356 Risikoabschätzung 135 -, Kriterien 135 Risikobeurteilung bei Thoraxeingriffen 368 Rißformen am Meniskus 989 Risus sardonicus 81 RIVA-Stenose 417 Rob-Handgriff 434 Rocuronium 181 Röhrenstenose des Ductus choledochus 683,685,709 Roemheld-Syndrom 359 Röntgenaufnahme n. Wangensteen-Rees 812 Röntgenulkus 44 Röntgenuntersuchung - , Haltungsapparat 13 Röntgenuntersuchungen (Standard) 4, 9 Rolandofraktur 1023 Rollenpflaster 50 Rotationsangioplastik 439 Rotationslappen 878 Rotationsluxation der HWS 967 „Rotationsschublade" 986 Rotatorenmanschette 909 Rotatorenmanschettenruptur 945,1035 - , Akromioplastik 1036
-, konservative Therapie 1036 - , Pathogenese 1035 - , Symptome und Diagnose 1035 f. Rotlauf (Erysipel) 76 Rotor-Syndrom 815 Rovsing-Zeichen 590 rtPA-Therapie 439 Rucksackverband 59,940 Rückenmark, klinische Anatomie 287 Rückenmark Verletzungen 295 ff. Rückfußamputation 481 Rüttelzangen zur Oberkieferreposition 313 Rugektomie 14 Ruheschmerz 434 Rundherde 380f. -.Definition 380 - , Differentialdiagnose 381 -, Symptome und Diagnostik 380 Rundnägel n. Ender oder SimonWeidner 926
Sachse-Urethrotom 838 Säuglingsosteomyelitis 931 Säulenknorpel 1003 Säure-Basenhaushalt 130f. - , Puffersysteme 130 -, respiratorische Regulation 130 -, Störungen 130 -, -, Therapie 131 Säure-Clearance-Test 485 Säureperfusionstest 492 Säurereflux-Test 485 Säurenverätzung 43 Saint-Trias 489 Salazosulfapyridin 596 Salpingitis 624 Sandifer-Syndrom 798 Sanduhrmagen 529 „Sanduhrtumoren" 394 Sarkoidose 337 Sarkom-Definition 224 Sarmiento-Gips 923 Sattelnase 328 „Satteltaschen-Phänomen" 819 Saug-Spül-Drainage 116 Schädel, Röntgennativdiagnostik 271 Schädelbasisbrüche 277 Schädelhirnverletzungen (SHV) 276 ff., 277 -, contre-coup-Effekt 279 Einteilung 276 geschlossene 278 ff. - , Kardinalsymptome 278 - , Komplikationen 278 - , Schweregradeinteilung I—III 278 - , Therapie 279 offene 277 f. - , Definition 277 - , otogene Liquorfistel 278 - , Pneumatozephalus 277 - , Spätkomplikationen 278 psychopathologische Defektzustände 279 Schallschatten bei Gallensteinen 676 Schatzki-Ring 499 Schenkelhalsfrakturen 974 ff.
-, altersabhängiges Operations vorgehen 976f. - , AO-Klassifikation 975 - , Diagnose 975 -, Einteilung n.Garden 975 - , Häufigkeit und Ätiologie 974 -, Komplikationen 977 f. - , Kopfnekrose 977 -, - , Pseudoarthrose 978 - , - , - , Umlagerungsosteotomie 978 - , konservative Therapie bei eingestauchten Frakturen 975 f. - , Kopfprothese (Vario- oder Duokopf) 977 -, mediale Abduktions- und Adduktionsbrüche 975 - , Operationsziele 975 - , Röntgen in Lauenstein-Position 975 - , Stabilisierung mit Zugschrauben (< 65 Jahre) 976 - , Totalendoprothese (65-70 Jahre) 977 - , Typeneinteilung n. Pauwels I III 974 Schenkelhernie, s. Femoralhernie Schiefgesicht 323 Schiefhals 336 - , Differentialdiagnose 336 -.Therapie 336 Schienenverbände 57 - , Aluminiumschienen 57 - , Drahtgitterschienen 57 - , Lagerungsschienen 57 - , Luftdruckschienen 57 „Schießscheiben"-Phänomen 811 Schilddrüse 74 ff. -, Blutversorgung 747 - , Hormonsynthese 747f. - , klinische Anatomie 747 - , klinische Physiologie 747 ff. - , kompensatorische Hyperplasie 749 - , malignes Lymphom 768 f. - , - , Inzidenz 768 - , - , pathologische Aspekte 769 - , - , Symptome und Diagnostik 769 - , - , Therapie und Prognose 769 - , nicht epitheliale Tumoren 768 - , Radiojodaufnahmekapazität 751 Schilddrüsendysplasie 761 Schilddrüsenentzündungen 755 ff. - , akute Thyreoiditis 755 - , chronische Thyreoiditis (Autoimmunerkrankung) 756f. - , - , Symptome und Diagnostik 756 - , - , Therapie 756 - , Einteilung nach Ursache und Morphologie 755 - , post partum Thyreoiditis 756 - , - , spezielle Therapie 756 - , Ursachen 755 - , bildgebende Diagnostik 752 - , Epidemiologie 750 - , Kombinationstherapie T 3 und T 4 753 - , Laboruntersuchungen zur Funktionsdiagnostik 753
Sachregister - , medikamentöse Therapie 753 - , Monotherapie mit Jodid-Präparaten 753 - , Monotherapie mit Thyroxin 753 - , morphologische Untersuchungen 753 - , operative Therapie 753ff. - , Operationsverfahren 754f. Operationsvorbereitungen 753f. - , - , bei Hyperthyreose 753 f. Schilddrüsenkarzinom 762 ff. - , adjuvante Therapie 763f. - , anaplastisches 767 - , Häufigkeit 762 - , Hormonsubstitution 7863 - , medulläres (C-Zellkarzinom) 767f., 778 - , - , erbliche Formen 767 - , Epidemiologie 767 - , Laborbefunde 768 Metastasierung 763 - , - , Pathologie 768 - , - , Prognose 768 - , Symptome und Diagnostik 768 - , - , Therapie 768 - , operative Therapie 763 Plattenepithelkarzinom 767 - , postoperative Komplikationen 763 - , Prognose 764 f. - , Radiojod- und perkutane Strahlentherapie 764 - , Symptome und Diagnostik 763 - , Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion 763 TNM-Klassifikation 762f. - , Himordebulking 763 - . T u m o r m a r k e r 763 Tumornachsorge 764 f. - , - , Untersuchungsverfahren 764 - , Ursprung 762 - , Zytostatika 764 Schilddrüsenmetastasen 768 Schilddrüsenoperationen - , Enukleation 754 - , Lobektomie 755 Mediastinotomie 755 - , postoperativer Hypoparathyreoidismus (Tetanie) 755 - , postoperative Hypothyreose 755 - , postoperative Komplikationen 755 -, Rekurrensparese, Häufigkeit 755 - , Rekurrenspräparation 754 selektive Resektion 754 - , subtotale Resektion 754 -.Thyreoidektomie 754 Schilddrüsensuppressionstest 757 Schilddrüsenszintigramm - , kalte und warme Bezirke 751 f. - , übersteuertes 752 Schilddrüsentumoren 762ff. - , Einteilung der W H O 762 Schilddrüsenwachstum - , chronische Stimulation 750 Schillingtest 553 Schipperkrankheit 915,967
1099 Schistosomiasis 661 Schlaffe Blase 872 - , Urodynamische Befundmuster 872 „Schlammfang" des Abdomens 646 Schlauchverbände 54 Schleudertrauma der HWS 965f. - , Diagnostik 965 - , Kriterien für die Diagnosestellung 965 - , Pathophysiologie 965 - Schanz-Krawatte 966, 967 Schlichtungsstellen der Ärztekammern 1056 Schiingenabszeß 646 Schlingenbiopsie 14 Schlingentisch bei Funktionsstörungen des Bewegungspparates 204 Schlottergelenk 987 Schlürfdrainagen 116 Schlupflider 875 Schmerzafferenz - , somatische 627 - , viszerale 626f. - , Analysenvorgänge im Gehirn 184 - , langwirkende Lokalanästhesie 184 - , Opiate und Opioide 184 Schmerzbehandlung 184 f. - , patientenkontrollierte (PCA) 184 - , Periduralanästhesie 184 - , periphere und zentrale Angriffspunkte 184 Schmerzempfindung 2 Schmerzhinken 907 Schmerzqualitäten 2 Schmerzsyndrome 299ff. Schmerzvarianten, abdominale 627 - , kontinuierlich zunehmende 627 Schmetterlingsbruch 968, 969 Schmetterlingsbulbus 529 Schmetterlingswanne 204 Schnappatmung 189 Schneeberger Lungenkrebs 222 „Schneesturmeffekt" 939 Schnellender Finger 1016 - , Ringbandspaltung 1016 Schnittbildverfahren 6 ff. Schnittführungen, chirurgische 115 Schnürsenkelnaht n. Bunnell 1020 Schober-Zeichen 908 Schock 192 ff. - , anaphylaktischer 196 - , septisch-toxischer Schock 629 - , - , Ursachen 629 - , - , Symptomatik 196 - , Antibiotikatherapie 196 - , biogene Amine 194 - D e f i n i t i o n 192 - , dekompensierter 194 - , Freisetzung von Zytokinen 194 - , Funktionsstörungen lebenswichtiger Organe 194 - , Herzfunktion 195 - , - , Pathophysiologie 193 f.
-, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -,
- , Ursachen 193 irreversibler 629 kardiogener, Ursachen 193 Kreislaufzentralisation 194 Monitoring 195 Nierenfunktion 194 Permeabilitätsstörungen 194 progredienter 194 f. respiratorische Insuffizienz 194 septischer - , hyperdyname Form - , Spätphase 196 - , Therapie 196 - , Ursachen 193 spinaler 297 Störungen der Zellfunktion 194 - , Symptomatik 195 - , Therapie der verschiedenen Schockformen 195 f. - , Thrombozytopenie 194 Schockformen 193 Schockindex n. Allgöwer 648 Schocklunge 194 Schocktherapie 1007 „Schönheitschirurgie" 875 f. „Schrotschuß"-Diagnostik 641 Schrumpfgallenblase 680 Schuhrandbrüche beim Skifahrer 914 Schultergelenkluxation 942ff. - , Begleitverletzungen 943 - , Häufigkeit 942 - , Luxationsrichtungen 943 - , Nervenverletzungen 943 - , Prävention eines Rezidivs 944 - , Reposition mit Desaultverband 944 - , Repositionsmanöver n. Hippokrates, Arlt oder Kocher 943 f. Schultergürtel-Syndrom, s. TOS 463 Schulterschmerz 890 Schultersteife, schmerzhafte 1036 Schußfraktur 914 Schußverletzungen des Abdomens 898 „Schwanenhals"-Deformität 1022 Schwangerschaftspyelonephritis 842 Schweinespalthaut 70 Schweißdrüsenabszeß 76 Schwerbehindertengesetz 1054 Schwerkraftdrainage 116 Schwindel 965 Schwurhand (N. medianus) 298 Scoresysteme 25,29 Scolices (Tochterblasen) 82,667 Second opinion 1 Segmentresektion 371 Sehnendefekte 1022 Sehnen der Hand, klinische Anatomie 1018 Sehneninterpositionsarthroplastik 1018 Sehnennaht 110 Sehnenrupturen 1033 - , Ursachen 1033 Sehnentransplantation 1020 f. - , Durchflechtungstechnik n. Pulvertaft 1020 - , Nachbehandlung mit dynamischer Schiene n. Kleinert 1020
- , Prognose 1021 Sehnenumlagerung 936 Sehnenverletzungen der Hand 1018 ff. Seitenbandstabile Luxationen der Finger 1025 Seitengetrennte Reninbestimmung 466 Sekretgewinnung aus der Harnröhre 831 Sekretuntersuchungen des Harnstrahles 831 Sekundärer Hyperaldosteronismus 779 Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sPHT) 772 - , Definition 772 - , Osteopathie mit Spontanfrakturen 772 - , Ursachen 772 Sekundärhämostase 164 Selbstbestimmungsrecht 118 Selbstreinigungsfunktion des Ösophagus 491 semimaligne Tumoren, Definition 220 Seminom 855 - , Strahlentherapie 856 Sengstaken-Blakemore-Sonde 652 Senkniere, s. Nephroptose 838 Sensibilitätswerte der Hand 1012 Sensible Ersatzoperationen 1028 „sentinel loop" 705 Septikämie 131 Septische Allgemeininfektion 79 Septischer Patient, Präventivmaßnahmen 86 Sequential-Bypass 443 Serome 46 Serothorax (Exsudat) 363 Serotoninom 788 Sevofluran 179 Sialoadenitis 321 f. - , operative Therapie 322 Sialolithiasis 322 - , Gangschlitzung 322 Sichelzellanämie 720 Sick-Sinus-Syndrom 137,427 7 „F" beim Gallensteinkranken 679 Sigma elongatum 600 Sigmoideostomie, terminale 575 Silbernitratbehandlung 69 Silicon-Antirefluxprothese n. Angelchik 495 Simultane Pankreas-Nierentransplantation 252 Singultus - , Ätiologie 359 - , Definition 359 - T h e r a p i e 359 Sinus-cavernosus-Thrombose 74 Sinustachycardie 148 Sipple-Syndrom 767,778 Skalenuslücke, s. TOS 463 Skalenussyndrom 293,299,337 - , Differentialdiagnose 337 Skapholunäre Dissoziation 1025 Skapulafraktur 939 - , operative Verfahren 939 - , Pathogenese 939
1100 Therapie und Prognose 939 -, typische Frakturlinien 940 Skapula- und Paraskapulalappen 328 „skip areas" 1040 Sklerenikterus 681 Sklerodermie 487,499 Sklerosierende Osteomyelitis Garre 1041 Sklerosierungsbehandlung bei GI-Blutungen 526 Sklerosierungsverfahren 113 Skorbut 129 Sleeve resection 387 Slow transit constipation 600 SMAS-Plastik 330 Smith fractures 957 Sodbrennen 489 Sodoko 42 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) 1054 Soleus-Syndrom 457 Solvenz-Detergenz-Methode 161 Somatostatin 512 Somatostatin-Zellen (D-Zellen) 510 Somatostatinom 787 Somatotropes Hormon (TSH) 128 Somnolenz 302 Sondennahrung 144 „Sonnenuntergangsphänomen" 285 Sonographie 1,5,6,436 -, Abdomen 11 -, hepatobiliäres System 11 -, interventionelle 13 Mamma 10 -, Nebenschilddrüsenadenom 8 -, physikalische Grundlagen 6 -, Retroperitonealraum 12 -, Schallschatten 6 -Schilddrüse 8f. - , Skrotum 12 Sonographisch gesteuerte Punktionen und Drainierung in der Unfallchirurgie 911 Soorösophagitis 500 Sopor 302 soziales Versorgungswesen 1054 f. Spärozytose 720 Spaltfehlbildungen des ZNS (zentrales Nervensystem) 283 f. -, Operationsverfahren 284 Spalthand 1032 Spalthaut 879 „Spanischer Kragen" 873 Spannungspneumoperitoneum 818 Spannungspneumothorax, s. Ventilpneumothorax 197,361,1008 -, Früh- und Neugeborenes 793 -, Notmaßnahmen 793 Spender-Empfänger-Matching 242 f. Spermagranulome 866 Spermatozele 873 Sphinkterotomie, laterale n. Parks oder Notaras 617 Sphinkterotomie n. Eisenhammer 617 Spickdrahtosteosynthese 925
Sachregister Spicula 1042 Spider naevi 630 Spieghel-Hemie 739 Spina bifida 871 - , occulta 283 Spinalanästhesie 182f. - , Komplikationsmöglichkeiten 182 f. Spindelzellkarzinome der Kiefer 326 Spiral-CT 7,8 - , Aortendissektion 10 Spiroergometrie 368 Spirometrie 367 Spironolacton 780 Spitzgriff, taktiler 1012 Splenektomie 722f. - , bei Systemerkrankungen 720 - , Operationstechnik 722 - , Operationszugang 722 -partielle 723 - , postoperative Komplikationen 723 -, Staging bei M. Hodgkin 723 Splenomegalie 717 Spondylodese 964 Spondylolistese 293,294 Spongiosatransplantation 928 f. Spontanfrakturen 914 f. - , pathologische (maligne Himoren, Metastasen ) 915 - , Ursachen 914f. Spontanpneumothorax - , Therapie 361 - , Ursachen 361 Spontanverlauf 124 „Spriter's" fracture 969 Spülung der Pleurahöhle 364 Stabile Seitenlage 187,198,311 Stabilisatorengruppen, sog. Viererkomplexe 983 stable disease (no-change) 237 Stack-Schiene 1021 Stadieneinteilung maligner 1\imoren 227 Stammfettsucht 782 Stammvarikose - , inkomplette 471 Stammvenen 470 Stammveneninsuffizienz 471 Standard-Amputationshöhen 481 Standardbicarbonat 130 Standard-Ösophagektomie 507 Stapler 110 f. Stase-Ulkus 523,551 Status praesens 2 Stauungsdermatitis 472 Stauungspapille 269 „stehende Schlingen" 632 Steinmann-Nagel 60, 922 Steinmann-Zeichen I und III 988 Steinthal-Stadien 227 Steißbeinzyste, -fistel 612 Stellwag-Zeichen 758,759 Stemmer-Zeichen 479 Stenosegeräusche, spritzende 628 Stents -Gallengang 18,677 - , Pankreasgang 18 stereotaktische Hirnoperationen 301 stereotaktische Tumorbiopsie 301
Sterilisationen 88 -, Indikationen 866 -, Komplikationen 866 - , Operationstechnik 866 Sternumfrakturen 884 Sternumosteomyelitis 356 Sternumspalte 355, 795, 799 -, Operation 355 Steuerung der Blasenmotorik 828 Stewart-Treves-Syndrom 480,742 - , Therapie 480 Stichverletzungen des Abdomens 898 Stickstoffembolie 190 Stiftgliome 286 Stieda-Schatten 984 Stiellappenplastik n. Veau-Rosenthal 307 Stimmfremitus 361 Stippchen- oder Erdbeergallenblase 690 Störung der Atmung 197 -, Atemmechanik 367 -, Pathophysiologie 197 -, Ursachen 197 - , Verlegung der Atemwege 197 Störungen des Kreislaufs - , primäre Ursachen 197 Stomakomplikationen 587 Stomaretraktion 576 Storchengang (Peronäuslähmung) 298 „Stotternder" Harnstrahl 829, 862 Strahlendosis n. Gray 232 Strahlenenteritis 562 Strahlenschäden 44 - , Kolon 601 - , computersimulierte Dosisplanung 232 -, Isodosenverteilung 232 -, Nebenwirkungen 232 Strangulationsileus -, Pathophysiologie 606 - , Ursachen 603 Strangurie 829 Streckaponeurosendurchtrennung am Grundglied der Finger 1022 Streckhemmung, Kniegelenk 988 Streckkrämpfe 269,274,280 Strecksehnen, klinische Anatomie 1021 Strecksehnenabriß am Fingerendgelenk 1021 Strecksehnendurchtrennung am Daumen 1022 -, am Handrücken 1022 Strecksehnenverletzung 1021 f. Strepto- oder Urokinasetherapie 439 Streßinkontinenz 828 Streßulkus 517f. -Blutungen 518,659,660 -, - , Therapie 518 -, Pathogenese 517 -, Prophylaxe 518 „Strickleiter"-Phänomen 608, 609 Stridor 3 Strikturoplastik bei M. Crohn 558,596 Strommarken 192
Stromschleife 66 Strukturqualität 36 f. Struma 749 ff. Ätiopathogenese 749 - , apparative Diagnostik 751 ff. - , Definition 749 - , Dystropie 749 - , Form und Lage 749 - , klinische Untersuchung 751 - , mechanische Auswirkungen 751 - , morphologische Veränderungen 750 - , multinoduläre Form 750 - , Sonographie 751 - S y m p t o m e 750f. - , Szintigraphie 751 f. Strumaendemiegebiete 750 Struma endothoracica vera oder falsa 749 Struma fibrosa 757 Struma ovarii 749 Struma maligna, s. Schilddrüsenkarzinom 762 Strumarezidivprophylaxe 769 STT-Arthrodese 1018 Stuart-Prower-Faktor 164 Stück- oder Etagenfraktur 914 Stützstrümpfe 172 Stützverbände 54 Stufenpläne 30 Stuhlanalysen 553 Stuhlbeschaffenheit 568 Stuhlfettausscheidung 707 „Stuhlgefühl" 622 Stulpa®-Verbände 54 Sturge-Weber-Syndrom 822 Stumpfes Bauchtrauma 889 ff. - , Abdomenleeraufnahme 890 - , Befunddokumentation 890 - , Begleitverletzungen (Schädel, Hirn, Thorax) 890 - , CT, Angiographie 892 - , Diagnostik 890 ff. - , diagnostische Laparotomie 892 - , diagnostische videoassistierte Laparoskopie 891 - , diagnostischer Algorithmus 891 - , Differentialdiagnose 892 - , dringende Laboruntersuchungen 892 - , Früh- und Spätletalität 892 - , hämorrhagischer Schock 890 - , Häufigkeit der einzelnen Organverletzungen 889 Inspektion und klinische Untersuchung 890 - , Laparotomie 891 - , Operationsindikationen, absolute 892 -Pathogenese 889 - , Peritonellavage 891 - , Prognose 892 - , Sonographie 890 f. - , Symptomatik 890 - , Thorax-Röntgenübersicht 890 - , Unfallmechanismen 889 - , wegweisende, wichtige klinische Symptome 890 Subarachnoidalblutung 274 -Diagnostik 274f.
Sachregister -, Schweregradeinteilung 274 -, Symptome 274 Subclavian-Steal-Syndrom 435, 461 f. - , Operationsergebnisse 462 - , Operationsverfahren 463 - , Pathogenese 461 - , Symptome und Diagnostik 462 Subdurale Ergüsse 285 - , Therapie 285 subhepatischer Abszeß 646 Subkapitale Humerusfraktur 945 Subkardiale maschinelle Blutsperre n. Rienecker 657 Subklavia-Karotis-Transposition 462 Subklavio-Subklavia-Bypass 462 Subluxatio radii perianularis (Chassaignac, Pronatio dolorosa) 952 „submarining effect" 895,896 subphrenischer Abszeß 646 subphrenische Luftsichel 527 subtrochantere Femurfraktur 980 - , Stabilisierung mit Kondylenplatte oder Gamma-Nagel 980 - , typische Fehlstellung 980 Succinylcholinchlorid 181 sudden infant death Syndrome (SIDS) 792 Sudeck-Dystrophie (= Frakturkrankheit) 933f. - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 933 - , Inaktivitätsatrophie 933 - , klinische Verlaufsstadien 933 - , Prophylaxe 934 -, therapie 933f. Sufentanil 181 Sulcus-ulnaris-Syndrom 299 Sulindac 579 Supinator-Schlitz-Syndrom 909 suprakondyläre Humerusfrakturen beim Kind 949 suprakondyläre oder transkondyläre Humerusfrakturen beim Erwachsenen 949 - , Prognose 950 suprakondyläre Quer- oder Schrägfraktur 948 Supraspinales Syndrom 1035 Supraventrikuläre Tachykardie 148 Suppressionsszintigramm der Schilddrüse 752 Swan-Ganz-Katheter 399 Syme-Amputation 481 Sympathektomie - , lumbale 442 - , perkutane CT-gesteuerte 443 - , thorakale 443 Sympathikusausschaltung, spontane 442 Sympathikusblockade, medikamentöse 439 Symphysensprengung, isolierte 969 - , Urethra- und Blasenverletzung 969 Symptomatische Operationen 231 Symptomatischer Gesichtsschmerz 300
1101 Syndaktylie 1031f. Syndesmose 997, 998 Syndesmosennaht 999 Syndrom der abführenden Schlinge 550 Syndrom der eingedickten Galle 816 Syndrom der zuführenden Schlinge 549 f. - , Pathogenese 549 - , Symptomatik und Diagnose 549f. -.Therapie 550 Synkarzinogenese 221 Systemerkrankungen mit Milzbeteiligung 719 Systemisch-pulmonalarterieller Shunt 402 Szintigraphie zum Blutungsnachweis 569
Tachykardie 630 Tagegeldversicherung 1055,1056 Takayasu-Syndrom 461 Talus, klinische Anatomie 999 Talusfrakturen 999f. - , Ätiopathogenese 999 - , Einteilung 999 - , Flake fraktures 999 - , konservative Therapie mit Unterschenkelgehgips 1000 - , osteochondrale Frakturen 1000 - , Zugschraubenosteosynthese 1000 Talusluxation 1002 - , zwei- und dreigelenkig 1002 Talusvorschub 996 Tamponade 115 „tanzende" Patella 910,984 Tapeverbände 58 f. Tarsaltunnel-Syndrom 299 „tastbarer" Klick am Kniegelenk 988 Tauchkrankheit - , Klassifikation 191 - , Rekompression 191 Tauchunfall 190f. Taxis 732,802 Tc99m-MAG3-Szintigraphie 832 TEA (Thrombendarteriektomie) 441 Teerstuhl 3,649 Teicoplanin 97 Teillebertransplantation 249 Teleangiektasia hereditaria haemorrhagica (M. Osler) 168, 659,660 Teleskop-Phänomen 493,494 „television bottom" 620 TEM (transanale endoskopische Mikrochirurgie) 574,577f. Temperaturmessung 630 Temporallappenepilepsie 302 Tendopathia calcificans 1035 Tendovaginitis stenosans (de Quervain) 1016 „Tennisellenbogen" 909,1036 Tenodese 937 Tenolyse 1021 Teratome 394 - , in der Leberpforte beim Kind 817
- , maligne 224 Tertiärer Hyperparathyreoidismus (tHPT) 772 Testikuläre intraepitheliale Neoplasien (TIN) 856 Testosteronumwandlung mit aReduktasehemmer 858 Tetanol 49 Tetanus (Wundstarrkrampf) 48, 81 - , Prognose 81 - , Stadieneinteilung 81 - , Therapie 81 Tetanus-Hyperimmunglobulin 81 Tetanus neonatorum 81 Tetanusprophylaxe 49 - , Grundimmunisierung 49 - , im Verletzungsfalle (Simultanimpfung) 49 Tetanustoxoid 81 Tetrajodthyronin 748 Tetraplegie 296 Tetrazykline 97 Thalassämie 720 Thelatomie, Indikationen 301 THAM 131 T-Helfer-Lymphozyten 99 T-Helfer-Zellen 242 Therapeutische Endoskopie (Urologie) 837f. Thermographie der Mamma 349 Thermokoagulation des Ganglion Gassen 300 Thermotherapie 205 f. Thiersch-Ring 614 Thiopental 180 Thomas-Handgriff 909 Thompson-Zeichen 909,1033 Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) 435,463f. - , klinische Einteilung 464 - , Operationsergebnisse 465 - , Operationsverfahren 464f. - , Physiotherapie 464 - , Symptome und Diagnostik 464 - , transaxilläre Resektion der 1. Rippe 464 - , Ursachen 463,464 Thorakokaustik 378 Thorako-phreno-lumbotomie 964 Thorakoskopie 16 - , Historie 257 TTioraxdrainage 370 - , bei Pneumo- und Hämatothorax 885 Thoraxhalskopfgips 961,962,966 Thoraxmagen 489 Thoraxoperationen 370f. - , Zugangswege und Schnittführungen 370 Thoraxsaugdrainage 362 Thoraxschmerzen 369 TTioraxtrauma - , penetrierendes 428 -, Volumenmangelschock 429 stumpfes 429,882 ff. Ätiologie 882 -, Perikardtamponade 429 Sofortmaßnahmen 882 TTioraxverletzungen 882 ff - , Epidemiologie und Einteilung 882
-, Leitsymptome 882 - o f f e n e 888 Thoraxwandstabilisierung durch Plattenosteosynthese 884 Thrombangiitis obliterans 433 Thrombasthenie 167 Thrombektomie mit AV-Fistel 476 -, Nachbehandlung mit Antikoagulanzien 476 Thrombelastogramm 166 Thrombin 165 Thrombinzeit 166 Thromboembolie, Risikofakoren 141 Thrombolyse 169 Thrombophlebitis saltans 433 Thrombophlebitis V. angularis 317 Thrombose 168 ff. -, Pathogenese 168 -, venöse 168 f. - , - , oberflächliche 168 - , - , - , Therapie 169 - , - , tiefe 169 - , - , -, Symptome und Diagnose 169 - , - , - , Therapie 169 Thrombose d'éffort 464 Thromboseprophylaxe 171, 172 ff. -, allgemeine Maßnahmen 172 - , medikamentöse 173 f. - , - , Cumarinderivate 173 -, - , Dextrane 173 -, - , low-dose-Heparinisierung 173 f. Thromboserate, postoperative 172 Thrombose- und Embolieprophylaxe 141 Thrombose V. mesenterica superior, akute 477 Thrombastenin 163 Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (Moschkowitz) 720 Thrombozytäre Gerinnungsstörungen, kongenitale und erworbene 167 Thrombozytenaggregation 163 Thrombozytenaggregationshemmer 173, 416 Thrombozytenkonzentrate, Indikationen 156 f. Thrombozytopenie 168,719,720 - , heparininduzierte 444 Thrombozytopenie (M. Werlhof) 719 Trommelschlegelfinger 373,377 Thymome 394 Thyreoglobulin 749,763 Thyreoglobulinantikörper 758 Thyreoiditis, subakute (de Quervain) 756 Thyreostatika 753f. Thyreotoxische Krise 758 f. - , Definition 758 - , Symptome 759 - , Therapie 759 Thyroxin (T4) 747 Tibiakopffrakturen 991 f. - , Ätiopathogenese 991
Sachregister
1102 - , Begleitverletzungen (N. fibularis-Schaden, A.poplitea-Kompression) 992 - , Diagnose 992 - , Frakturformen 991 - , isolierte 995 - , knöcherne Seitenbandausriße 991 - , konservative Behandlung 992 - , Luxationsfrakturen mit 3 Grundformen n. Moore 991 - , operative Verfahren 992 -Plateaubrüche 991 - , Prognose 992 Tibiaepiphyse, Übergangsfrakturen 999 Tibialis-anterior-Syndrom 457, 935 Tiefeneau-Test (FEV,) 367 Tiefes hinteres Logensyndrom 935 Tiegel-Kanüle 886 Tiegel-Ventil 362,363 Tietze-Syndrom 356 Tinnitus 463 Tissu polypeptid antigen (TPA) 763 T-Killer-Zellen 242 T-Leukozyten 242 T-Lymphozyten 242,716 TNM-System 29,227«. - , C-Schlüssel 228 - , Formen der Klassifikation 228 - , R-Klassifikation 229 - , Y-Klassifikation (multimodale Therapie) 229 Tod, klinischer 197 Tolazolin 798 Tollwut (Lyssa, Rabies) 42, 82 Torsionsfraktur 914 Torsionsdystonie 301 Tortikollis 336 Torus mandibulae 326 Totale Lungenvenenfehlmündung - , Definition 413 - , Diagnostik 413 - , Inzidenz 413 - , Operationsindikationen und Verfahren 413 - , Operationsrisiko 413 - , Pathophysiologic 413 - , Typen 413 Totalkapazität (TK) 368 „Totenstille" 606,607 „Totenstille" im Abdomen 629 Totraumventilation 367 Toxisches Megakolon 597f. Toxoplasmose 337 Trabekel- oder Balkenblase 829 Tränensäcke 875 Traktionsdivertikel des Ösophagus 496 f. transfemorale deszendierende Katheterphlebographie mit Refluxdarstellung (Straub-Tecku) 473,478 Transfusionseffekt, negativer in der Tumorchirurgie 155 Transfusionseffekt, positiver bei Nierentransplantation 154 Transfusionshämosiderose 160 Transfusionsrisiko
- , Bakterienübertragung 160 f. - , Endotoxinschock 160 - , Übertragung des HIV 161 - , - , Häufigkeit 161 - , Übertragung von Protozoen (Toxoplasmose) 160 - , Übertragung von Viren 160 f. - , Virushepatitis 160 - , Zytomegalievirus (CMV) 160 Transillumination 801 - , der Bauchhöhle 819 Transjuguläre intrahepatische portosystemische Stent-Shunts (TIPSS) 653, 655 - , Ergebnisse 655 Transkutane KompartmentDruckmessung 457 Translokation, bakterielle 1006 Transmediastinale Ösophagektomie ohne Thorakotomie 506f. Transmetatarsale Vorfußamputation 481 Transmyokardiale Laserrevaskularisation (TMLR) 211 Transossäre Sehnenausziehnaht 1020 transpedikulärer Wirbelkörperaufbau 296 Transplantatfunktion 238 Transplantation 114, 879 - , allogene 238 - , Arten und Herkunft 879 - , autogene 238 - , auxiliäre 238 - , isogene 238 - , orthotope/heterotope 238 - , xenogene 238 Transplantation eines klappentragenden Venensegments 478 Transplantationsimmunologie 242 ff. - , humorale Immunantwort 242 - , zellvermittelte Immunantwort 242 Transposition 114 TGA (Transposition der großen Arterien) 410 f. - , Definition 411 f. - , Diagnostik 411 - , Operationsergebnisse/Prognose 411 - , Operationsindikationen- und Verfahren 411 f. - , Pathophysiologie 411 Transposition der V.femoralis superficialis 478 Transrektale Feinnadelbiopsie der Prostata 834 Transrektale Stanzbiopsie der Prostata 834 Transsexualität 874 Transsphinktere posteriore Rektotomie n. Mason 574 Transthorakaler Aorto-subklaviaBypass 462 Transuretero-ureterokutaneostomie 836 Transurethrale Diagnostik 833 Transurethrale Resektionen 837 Transversostoma 575 transzelluläre Flüssigkeit 132 „trash foot" 448,453 Trendelenburg-Hinken 907
Trendelenburg-Operation 171 Trendelenburg-Test 472,477 Trepanation 114 TRH-Test 753 Triaden-Operation 442 Triage 1007 Triangular fibrocartilage complex (TFCC) 957 Trichobezoare 16, 545 Trichterbrust 793 ff. -, Messung des Schweregrades 794 - , operative Korrektur n. Rehbein oder Ravitch 794f. - , Typeneinteilung 794 Trigeminusneuralgie 270, 299 - , auslösende Faktoren 299 - , konservative Therapie 300 - , Operationsverfahren 300 THganozephalus 284 Trijodthyronin (T3) 747 Trikuspidalatresie 410 Trikuspidalinsuffizienz 424 - , durch infizierte Schrittmacher 424 triple-long-Therapie bei UGT 848 Trisomien 799 Trizepssehnenreflex 290 Trommelschlegelfinger 409 Trümmerfraktur 914 Trypanosoma cruzi 486 Trypsinogen 697 TSH 128 TSH-Freisetzung 753 TSH-Rezeptor 750 T-suppressor-Zellen 242 Tubargravidität 590 „Tubercule de Chapput" 997 Tubergelenkwinkel n. Böhler 1001 Tuberkulose 81 f. Tliberkulostatika 82 Tuftsin 717 Hilarämie 337 Tumorähnliche Erkrankungen des Skelettsystems 1038,, 1046 ff. Tumorangiogenesefaktor 221 Tumorantigene 234 Tbmorausbreitung 224 ff. Himorblutung aus dem Magen 661 Himoreinteilung 224 Tumoren mit besonderer Neigung zu Knochenmetastasen 1048 Tumoren mit Gefäßbefall 470 Tumoren, perianale 620 Himoren peripherer Nerven 299 Himorentstehung 221 ff. -, endogene Faktoren 221,222 -, exogene Faktoren 221,222 - , formale und kausale Genese 221 Tumormarker 230 Tumornachsorge 236 Tbmor-Nekrose-Faktor (TNF) 234 Himorprogredienz 237 Tümorprothesc bei Knochentumoren 1050 Tümorsuppressorgene 223 Tümortherapie -, Allgemeinbehandlung 235
- , Ergebnisse, Begriffsdefinitionen 236 - , Schmerzbehandlung 235 T\imorverdoppelungszeit 221 Tumorverschleppungszeit 229 TUmorwachstum, endo- und exophytisch 224 Tümorzellembolie 172 Tümorzell-Lyse 234 T\ircot-Syndrom 580 Hirrizephalie 284 T\vo- oder Tri-plane fractures typ n. von Laer 999 Typhus abdominalis 559
„Überbein" (Ganglion) 1037 Überlaufblase 829 Überlauferbrechen 2,627,628 Überlaufinkontinenz 828 Überlebenszeit, mediane - , rezidivfreie 236 Übergangszellkarzinome 224,621 Uhrglasnägel 373,409 Ulcus cruris 477 -, chirurgische Therapie 478 - , Plastische Versorgung 875 Ulcus duodeni 518 ff. - , combined operation 521 - , Dauerschmerz bei Penetration 519 - , Diagnostik 520 - , Epidemiologie 518 -, Operationsindikationen 520 f. -, Pathogenese 518 f. - , rezezierende Operationsverfahren 521 - , Symptome 519 -, Vagotomie 521 Ulcus ventriculi 521 ff. -, Behandlungsdauer 523 -, combined operation 524 - , Diagnostik 523 - , - , endoskopische Kontrollen 523 -, Epidemiologie 522 - , Helicobacter pylori-Infektion 522 - , H 2 -Rezeptor-Antagonisten 523 - , konservative Therapie 523 - , Magenresektion B I 524 - , Magenresektion B II 524 - , Operationsindikationen 524 - , Operationsziele 524 - , Pathogenese 522 f. - , Pylorusinsuffizienz 522 - , Rezidivquote 522 - , Sonderformen 523 - , Spontanheilungsrate 522 - , Symptome 523 - , Ulkustypen n. Johnson 522 Ulkusblutung, akute 659 f. -, Diagnostik 659 - , endoskopische Blutstillung 659 - , endoskopische Blutungsstadien n. Forrest 659 - , Eradikationstherapie bei Helicobacter pylori 659 - , Operationsletalität 660 - , Operationsverfahren 660 - , operative Blutstillung 659 f. -, Indikation zur Frühoperation 659
Sachregister - , Prognose 660 - , Therapiekonzepte 659 Ulkusformel 519 Ulkuskomplikationen 225 ff. - , Blutung 525 ff. -, Drei-Punkte-Ligatur 526 - , dringliche Operation 526 -, endoskopische Therapie 526 -, Epidemiologie und Pathogenese 525 - , Erstmaßnahmen 525 - , frühelektive Operation 527 - , Klassifizierung n. Forrest 525 -, Helicobacter pylori Therapie 526 - , -, Ösophagogastroskopie 525 Operationsindikationen 526 - , -, Operationsrisiko 526 - , -, Operationsverfahren 526 - , -, Sofortoperation 526 -, Symptome 225 - P e n e t r a t i o n 528f. - , Dauerschmerz 528 - , -, operative Therapie 529 - , -, Definition (freie/gedeckte P.) 527 - , -, Diagnostik 527 - , -, Operationsverfahren 528 - , Symptome 527 Therapie 527 f. - , -, Ulkusexzision und Defektverschluß 528 Stenose 529 Aspirationsrisiko 529 - , -, Elektrolyt-Wasserverluste 529 -, Operationsverfahren 529 - , -, Operationsvorbereitung 529 - , -, Pyloromyoplastik n. Heinekke-Mikulicz 529 - , - , Symptome und Diagnose 529 Ulnarisrinnen-Syndrom 1017 Ultimobronchialkörperchen 747 Ultraschall-Doppler 436 -.gepulster 436 - , postokklusive Druckmessung 436 Prinzip 436 Ultraschalltherapie 206, 911 Ultraschallverneblung 202 Umrechnungsfaktoren, SI/Konventionelle Einheiten 1064 Unaufgebohrter Ubianagel (UTN) 926 Uncinatuskarzinome des Pankreas 7213 Uncus-Hernie 269 Unfallheilverfahren 1054,1055 Unguis incarnatus 77 f. Univentrikuläres Herz - , Herztransplantation 415 - , Operationsverfahren 414 -.Pathophysiologic 413f. - , Symptome 413 f. Universalempfänger 152 Universalspender 152 Unreamed tibia nail (UTN) 994 Unterarmfrakturen 952 f. -, Diagnose 953 konservative Therapie 953 -.Nebenverletzungen 953 - , Operationsverfahren 953
1103 - , Pathogenese 952 - , Prognose 953 f. - , Pseudoarthrose 953 Unterkieferfrakturen - , Osteosyntheseverfahren, AO Prinzip und Champy-Prinzip 313 Unterkühlung 191 f. - , klinische Stadieneinteilung 191 Unterschenkelamputation 481 Unterschenkelbrüche 990 ff. - , besondere Bedingungen 991 Unterschenkelschaftfraktur 992 ff. - , Diagnose 993 - , Formen 993 - , Häufigkeit und Ursachen 993 - , Heilungsdauer 995 - , konservative Therapie 993 f. Operationsindikationen 994 Osteosynthesematerial 994 - , Prognose 995 - , Sarmiento-Gips 994 - , Therapie der offenen Fraktur I - III Grades 994 - , Wechsel der Behandlungsmethode 995 Untersuchung - , körperliche 3 f. - , - , Reihenfolge 4 - rektale 2 Untersuchungsbefunde, Dokumentation 5 Untersuchungstechniken, unfallchirurgische 907f. - , Anamnese und Inspektion 907 - , Beurteilung des Gangbildes 907 - , Längen und Umfangsmessungen 907 - , neurologischer Status 908 - , Palpation und Funktionsprüfungen 907 f. -.spezielle 910ff. - , - , Arthrographie 910 - , - , Arthroskopie 911 ff. MRT 913 - , -, Röntgenaufnahmen 910 - , - , Sonographie der Weichteile 910 f. - , - , - , Indikationen 911 - , summarische Funktionsprüfung 908 Upside-down-Stomach 264,489 Urachus, persistierender 841 Uralyt-U® 862 Urease-Schnelltest bei Helicobacter pylori-Infektion 516 Ureter duplex 839 Ureter fissus 839 Ureteritis 844 - , cystica 844 Ureterokutaneostomie 836 Ureteroneozystostomie n. Gregoir bei Nierentransplantation 246 Ureteropyeloskopie 837 - , zur Steinentfemung 837 Ureterorenoskopie 833 Ureterosigmoideostomie n. Coffey-Goodwin 837 Uretero-Ureterotransversostomie 837
Ureterozele 839 - , Kind 867 Ureterozystoneostomie 867 Ureterschienung mit Double-JStent 860 Urethritis acuta 846 -, Laboruntersuchungen 846 Urethritis chronica 846 - , Symptome und Diagnostik 846 - , Therapie und Prognose 846 Urethritis posterior 846 Urethrometrie 832 Urethrotomia interna 834,838 Urethrozystoskopie 825,833 Urinaskos 818 Urinextravasat 865 Urinfistel 246 Urinkultur 831 Urion® 858 Urodesoxycholsäure 689 Urodynamische Untersuchungsverfahren 832 Uroflowmetrie 832 Urogenitale Verletzungen 864 ff. - , Epidemiologie 864 - , Schmerzformen 830 Urogenitaltuberkulose (UGT) 847 f. -, Ätiopathogenese 847 -, Diagnostik, Symptome 847 f. -, kombinierte Chemo- und operative Therapie 848 -, Lang- und Kurzzeittherapie 848 -Miliartbc 848 - , Nephroureterektomie 848 - , Prognose 848 - , Refluxzystogramm 848 -, Stadieneinteilung 847 - , Zielpyeloskopie 848 Urogenitaltumoren, gutartige 849 Urogenitaltumoren, maligne - , Klassifizierung n. TNMSystem 850 Urol® 861 Urolithiasis 860ff. - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 860 - , Formalgenese der Steinbildung 860 -, -, endogene Ursachen 861 - , - , Gicht und familiäre Hyperurikämie 861 - , -, Harnsäuresteindiathese 861 - , -, Hyperparathyreoidismus 861 - , -, prärenale exogene Faktoren 860 - , - , Renale und postrenale Faktoren 861 -, - , sekundäre Hyperurikämie 861 - , Steinzusammensetzungen 860 Urologie 824 ff. Urologische Leitsymptome 829 f. Urologische Notfallsituationen 872 ff. Urologische Punktionsverfahren 833 Urologische Therapieverfahren 835
Urosepsis 843 f. - , Therapie, Intensivmaßnahmen 844 Uveitis 556 UW (Belzer)-Lösung 241 Vagotomie - , Kombination mit Drainageverfahren 521 - , verschiedene Verfahren 521 -, Ulkusrezidivrate 522 Vakuummatratze 57 Vakuum-Saug-Drainage (M. Redan) 116 Valsalva-Manöver 883 Valsalva-Preßversuch 492 Valtrac®-Anastomosenring 111 vanashing bile duct Syndrome 243 Vancomycin 97 Vanillinmandelsäurebestimmung 777 Variköse 470 ff. - , Ätiologie 471 - , CW-Doppler-Sonographie 472 -, Definition 471 - , Einteilung 471 -, Epidemiologie 471 - , FKDS 473 -, Operationsverfahren 473 f. -, -, „Häkelnadelmethode" 473 -, Rezirkulationsbreite 471 - , - , sog. Privatkreislauf 471 - , Seitenasttyp 471 -, Sklerosierungsbehandlung 473, 474 - , Therapie, konservative 473,474 Varikozele 802 f., 873 - , konservative und operative Therapie 803 - , Laparoskopische Operation 803 -, Schweregrad-Einteilung 803 - , Sklerosierung der V. spermatica 803 -, symptomatische 803 -, Ursachen 808 Varizellenappendizitis 821 Varizen -, Diagnostik 472f. - , Kompressionsverband 474 - , Pharmakotherapie 474 -, Primäre -, -, Symptomatik 471 - R a m m e f f e k t 472 - , sekundäre - , - , Symptomatik 472 Varizenrezidive 473 Varizenstripping 473 - , Komplikationen 474 Vaskuläre Malformationen 211, 822 Vaskuläre Tlimorchirurgie 469 f. VIP (vasoactive intestinal peptide) 513 Vasokonstriktion 163 Vasovasostomie 866 Vecuronium 181 V.cava-Metastasierungstyp 227 Vena cava-Schirm n. Greenfield oder Günther 171,476 Venae Sectio 113 V. saphena-Bypass 443
Sachregister
1104 Venen, klinische Anatomie 470 Venenbypass, orthograder 443 Venenklappenavalvulie 478 Venenklappendysfunktion, erworbene 478 Venenklappeninsuffizienz, Diagnostik 478 Venenklappenrekonstruktionen 478 - , direkte 478 - , Operationsindikationen 478 Venenrekonstruktion in der Tumorchirurgie 478 Venentonus, postoperativer 140 Venenverletzungen 905 - , Folgezustände 905 - , Therapie 905 Venenverschlußplethysmographie 436f. venus occlusive disease (VOD) 649 Ventil- oder Spannungspneumothorax - , traumatischer 886 - , - , Pathophysiologie 886 - , - , Symptome, Diagnostik, Therapie 886 - , klinische und röntgenologische Symptome 362 - , Pathophysiologie 361 f. - , Therapie 362 VSD (Ventrikelseptumdefekte) 408 f. - , Lokalisation/Pathophysiologie 408 - , natürlicher Verlauf/Operationsindikationen 408 - , Operationsletalität 409 - , Operationsverfahren 408 f. - , postinfarzieller 418 f. - , - , dringliche Operationsindikationen und Operationsverfahren 419 - , Symptomatik/Diagnostik 408 - , traumatischer 429 Ventrikuläre Salven 148 Ventrikuloatriale Liquorableitung 285,286 Ventrikulographie, operative 271,272 Ventrikuloperitoneale Drainage 286 Veränderte Miktion 829 Verätzungen des Ösophagus 498 f. - , Krebsrisiko 499 - , Operationsindikationen 499 - , Perforationsgefahr 498 - , Symptome und Diagnose 498 - , Therapie 499 Verbandlehre 50 ff. Verbandmaterialien 50ff. Verbandwechsel 86 - , Technik 53 Verbrauchskoagulopathie (DIC) 168 - , Therapie 168 - , Therapie 158 Verbrennungen 62 ff. - , Allgemeinbehandlung 68 - , Begutachtung 71 - , Behandlung der Spalthautentnahmestellen 70
chemische 66 - , direkte Flammeneinwirkung 66 elektrischer Strom 66 - , - , kardiale Störungen 66 - , Muskelnekrosen 66 - , - , Strommarken 66 Frühdebridement 63 - , heiße, inerte Massen 66 - , Hitze und Druck 66 f. - , - , Erregerwandel 64 - , - , Therapie 64 - Infektionsfolgen 63 - , Infektionsverhinderung 63 - , Lagerung 69 - , lokale Behandlung 68ff. - , - , abhängig von der Lokalisation 70 f. - , - , abhängig von Tiefenausdehnung 69 - , - , allogene Hauttransplantate 70 -, - , autologe Keratinozytenkulturen 70 - , - , Deckung mit Amnion 70 - , - , frühe Nekrektomie 69 - , - , Gerbsubstanzen 69 - , - , Infektionsprophylaxe (= Narbenprophylaxe) 69 - , Inseltransplantat 70 - , - , Netztransplantat aus Spalthaut 69 - , Spalthautdeckung 69 - , - , tangentiales Debridement 69 - , - , tangentiale Exzision 69 - , - , xenogene Transplantate 70 - , Maßnahmen nach Löschung und Bergung 67 f. - , Narbenkarzinom 70 Pathogenese 62 f. - , - , Verbrennungskrankheit 62 f. - , Phasen 67 -, Prognose 71 - , Rehabilitation 71 - , Schwächung der Immunabwehr 63 - , stationäre Erstmaßnahmen 67 f. - , - , Flüssigkeitssubstitution 67 -, Tourniquet-Effekt 63 Verbrennungsausdehnung 64 f. -, Neunerregel 65 Verbrennungsödem 63 Verbrennungsschema 65 Verbrennungsschorf 63 Verbrennungstiefe 64 -, Abschätzung 64 -, Stadieneinteilung 64 Verbrennungszentrum 68 Verbrühungen 65 f. Verbundosteosynthesen 926 Veress-Nadel 255 Verhebetrauma 289 Verkürzungshinken 907 Verlaufsformen der akuten und chronischen Pankreatitis n. Amman 704 Verletzungen des oberen Sprunggelenks (OSG) 996ff. Verletzung des Tracheobronchialbaums 887f. -, Diagnosesicherung durch Bronchoskopie 887
- , Komplikationen 888 - , Operationsindikationen und Verfahren 888 - , typische Symptome 887 Verletzungsartenverfahren 1055 Verner-Morrison-Syndrom 788 Verriegelungsnagel (V-Nagel) 926, 928 Verschiebelappen - d o p p e l t e 878 Verschiebeschwenklappen 877, 878 Verschluß A.mesenterica inferior 467 Verschluß A. mesenterica superior 467 - , Symptome und Diagnostik 467 Verschluß des Truncus coeliacus, chronischer 467 Verschlußikterus 693 ff. - , biliodigestive Anastomosen 693f. - , interventionelle Verfahren 695 - , - , Komplikationen 695 Verschlußplethysmographie 473 Verschmelzungsnieren 839 Versicherungen und Begutachtungen 1054ff. Versicherungswesen in Deutschland 1054 vertebraler Metastasierungstyp 227 Vertebralis-Steal 461 vertebrobasiliäre Insuffizienz 435 Vesikointestinale Fissur 799 Vesikoureteraler Reflux (VWR) 868 f. Vesikulitis 846 Videoassistierte Thorakoskopie (VATS) 257ff. - , Abrasio der Pleura 259 - , Chylothorax (Duktusligatur) 260 - , Diagnostik von Lungengerüsterkrankungen 259f. - , Ductus Botalli-Clip 261 - , Entfernung von benignen und malignen Rundherden 260 - , Entfernung von Echinokokkuszysten 259 - , Entfernung von mediastinaltumoren (benigne) 260 - , Hämatothorax, persistierender 259 -.Indikationen 258ff. - , Instillation von Varidase® 259 - , Instrumentarium 257,258 - , intraoperative Komplikationen 261 - , Letalität 261 - , Lobektomie bei benignen Erkrankungen 260 - , Lungenzystenentfernung 259 - , Oberlappenspitzenresektion 259 - , Ösophagusmyome 260 - , Operationstechnik, Grundlagen 257 - , parietale Pleurektomie 259 - , Perikardfensterung 260 - , Pleurakarzinose, Frühdekortikation 259
- , Pleuraempyem, gekammertes 259 - , Pleuratumoren, benigne 259 - , Spätkomplikationen 261 - , Spontanpneumothorax 257f. - , Sympathektomie 260 - , Volumenreduktion bei bullösem und diffusem Lungenemphysem 259 - , Vorteile für Patienten und Operateur 257 -, Wirbelsäulenstabilisierung bei Frakturen 261 Video-endokavitäre Chirurgie, s. MIC 255 Videoendoskopie 14 videogestützte Thorakoskopie 369 Video-Telechirurgie, s. MIC 255 Vierquadrantenperitonitis 589, 595 Vincent-Symptom 318 VIP/PPOM 778 VIP-produzierende Pankreastumoren 785 Virchow-Drüse 338,511 Virchow-Trias bei Thrombose 168 Virilismus 782,784 Virulenz 72 Visick-Klassifikation 29 Viszeralarterien-Stenosen/-Verschlüsse 467 Viszerale Schmerzen, Prädilektionsstellen 626 Vitalkapazität (VK) 367 Vitamin - A 128 - B 129 Vitamin-B-12-Mangel 565 Vitamin-B-12- und Folsäuremangel nach Magenresektion 550, 551 - C 129 Vitamin-C-Inaktivierung 530 - D 129 Vitamin-D-Mangel nach Magenresektion 551 Vitamine in der Chirurgie 128 f. - , Mangelerscheinungen 128 f. - K 129 Vitamin-K-Defizit 815 Vogelgesicht 324 Volkmann-Dreieck 997 Volkmannsche ischämische Muskelkontraktur 919, 935,936 -, am Unterschenkel -, - , Diagnose und Therapie 937 - , Handbinnenmuskeln 937 - , - , Diagnose 937 -,-.Therapie 937 -, Unterarmbeuger 936 -, - , Diagnostik 936 -, - , Therapie 936 Volkmann-Schiene 57,923 Vollblutkonserven, Indikationen 155 Vollhaut 879 Vollmondgesicht 782 Volumenmangelschock 193,629 Volumensubstitution, postoperativ 145 f. Volvulus 603,811 f.
Sachregister des Kolons 601 Symptome 812 Vorderdarmzysten 394 Vorderkantenabbrüche BWS und LWS 968 vorgewölbte Fontanelle 285 Vorhofflimmern 148 Vorhofmyxome 428 Vorschiebelappen 877 Vorsorgeuntersuchungen auf maligne Tumoren 230 V-Phlegmone 77,1031 VUR - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 868 - , Klassifizierung n. Parkkulainen 869 - , Komplikationen 868 Operationsverfahren 869 Symptome und Diagnostik 869 VY-Plastiken 877,878
Wabenlunge 372 Wachstumsfugen 1003 - , Anatomie 1003 „Wachtposten" 616 Wadenstimulation, elektrische 172 Wärmetherapie, Peloiche (Fango, Pelose, Schlamm, Parafango) 205 Waldhausen-Plastik 405 Waller-Degeneration 1027 Wandermilz 718 Wangenkarzinome 325 Warmblut, Indikationen 155 Wasser-Elektrolyt-Haushalt 132 ff. - , Körperzusammensetzung 132 - , Störungen 132 - , - , Pathophysiologic 132 Wasserverluste, okkulte 143 Wasting-Syndrom 100 Waterhouse-Friederichsen-Syndrom 776 Waterstone-Risikogruppen 791 Webs (Ösophagus) 499 Wedge-Resection (Leber) 664 Weichteildefekte 875 Weichteiltumoren 742if. - , Ätiologie 742 - , bildgebende Verfahren 744 - , Brustwand 356 - , Definition 742 - , Diagnostik 744 - , Differentialdiagnose 744 - , Einteilung nach TNM-Klassifi-, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -, -,
kation 742 Epidemiologie 742 gutartige - , Therapie 745 Impfmetastasen 743 Leitsymptome 744 Lokalisation und Häufigkeit 742 Lokalrezidive 743 Malignitätszeichen 745 Metastasierung 743 Probeexzision, Technik 744 Pseudokapsel 743 Sarkome - , adjuvante Therapie 746
1105 - , - , bei Kindern 746 Metastasenresektion 746 - , - , Nachsorgeuntersuchungen 746 - , - , Operationstaktische Prinzipien 745 - , - , Prognoseparameter 746 - , - , Therapie 745 -.Satellitenknoten 743 - , Tumorstaging 744 - , Wachstumscharakteristika 742f. Wendel-Tubus 198 Werner-Syndrom 778 Westermark-Zeichen 171 WDHA-Syndrom 788 Whipple-Trias 787 White-Clot-Syndrom 167,174 Whitehead-Anus 622 Wiedemann-Beckwith-Syndrom 799 Wiederbelebung 196ff., 198ff. - D e f i n i t i o n 197 Wiederherstellung der Atemfunktion 198 - , des Kreislaufs 199ff. Wilms-Tumor (embryonales Adenokarzinom) 224,725,871 - , Chemotherapie 871 - , Epidemiologie und Ätiologie 871 - , Symptome, Diagnose, Differentialdiagnose 871 - , Himornephrektomie und Lymphadenektomie 871 - , Vorbestrahlung 871 Winkelplatten 927 Wirbelkörperfrakturen BWS/ LWS 968 Wirbelkörperfrakturen HWS 967 Wirbelkompressions- oder Luxationsfrakturen 295 f. - primär instabile Brüche 958 primär stabile Brüche 958 Wirbelsäulenfrakturen 957ff. -.Ätiologie 959 - . F o r m e n 955f. - , Häufigkeit in den einzelnen Abschnitten 958 Verletzungsmuster 959 Wirbelsäulen-Stauchungsschmerz 289 Wirbelsäulenverletzungen - , AO-Klassifikation 960 - , Bänder- und Bandscheibenverletzungen 960 - , Bögen- und Gelenkfortsatzfrakturen 960 - , Diagnostik, allgemeine 960 - , dorsaler Durchhang n. Boehler 962 -, -, -, -, -, -, -, -,
Einteilung 960 Entlastungsoperation 963 erweiterte Indikationen 963 Extensionsbehandlung mit Crutchfield-Klammer 962 Fixateur interne 964 funktionelle Behandlungsprinzipien 962 klinische und neurologische Untersuchung 960f. Kombinationsverletzungen 960
- , konservative funktionelle Therapie n. Magnus und Bürkle de l a C a m p 961ff. - , operative Therapie 963ff. - , Operationszeitpunkt 963 - , Operationsziele 963 - , Quer- und Dornfortsatzfrakturen 960 - , Röntgenuntersuchungen 961 - , temporäre Wirbelsäulenstabilisierung 963 - , Transport auf Vakuummatratze 961 - , Wirbelkörperfrakturen 960 - , Wirbelverrenkungen 960 - , Zwingende Operationsindikation bei Querschnitts- und Kaudasyndrom 963 Wiskott-Aldrich-Syndrom 167 WPW-Syndrom (Wolf-ParkinsonWhite-Syndrom) 427 Wulstfraktur 913,1003 Wundbehandlung 47ff. - , Anästhesie 47 - , Nervennaht 48 - , primäre Wundnaht - , - , Kontraindikationen 47 Sehnennaht 48 -.Technik 47f. Wunddehiszens 46 - , Ursachen 46 Wunddiphtherie 79 Wunde 42 ff. - , chemische 43 - , Definition 42 - , Formen 42 - , Kontaminationsgrade 84 - , Strahlenbedingte 44 - , thermische 43 Wundexzision n. Friedrich 47,48 Wundheilung 44 ff. - , Aktivierung der Gerinnungskaskade 44 - , Exsudationsphase 44 - , Infektion - , - , Behandlung 47 - , Makrophagenwanderung 45 - , Phasen 44 - , primäre/sekundäre 44 - , Proliferationsphase 46 - , Reparationsphase 46 - , zeitlicher Ablauf 44 - , Zell- und Faserelemente 44 Wundheilungsstörungen 46 f. - , Hämatom bedingt 46 - , Infektion 47 - , - , Wundabstrich 47 Wundklebung 108 Wundnahtstreifen 50 Wundrandnekrosen 46 Wundverbände - , Aufgaben 50 - , per secundam-Heilung 51 Wundverschluß 48 f. - , primärer 48 - , Sekundärnaht 49 - , verzögerte Primärnaht 48 Wurzelkompressionssyndrom 289 ff. - , allgemeine Symptomatik 289 - , Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule 291 - , Diagnostik 293
- , Differentialdiagnose 293 - , konservative Therapie 294 - , lumbales - , - , neurologische Ausfälle 291 - , Operationsindikationen 294 - , Operationsverfahren 294f. - , Wirbelsäulenbeweglichkeit 289 - , zervikale - , - , neurologische Ausfälle 290 Wurzelspitzenresektion 318, 319 f.
YAG-Laser 207,209 Yersinia enterocolitica 591 Y-Schnitt n. Millesi 1015
Zahnentfernung, operative 319 - N e r v e n k o m p l i k a t i o n e n 319 Zahn wurzelimplantate, künstliche 320 Zanca-Syndrom 580 Zehennagel, eingewachsener 77 f. - , Emmet-Plastik Zehen Verletzungen 1002 Zehnerregel n. Rösch bei Refluxkrankheit 492 Zenker-Pulsionsdivertikel - , operative Komplikationen 496 - , Operationstechnik 496 - , Pathogenese 495 - , Rezidivhäufigkeit nach Operationen 496 - , Symptome und Diagnostik 495 f. Zentraler Venenkatheter (ZVK) 200 - , Verweilkatheter (ZVK) 113 - , Zugangswege 140 Zentrale Venendruckmessung ( Z V D ) 140 Zentralregion 270 Zerkarien 848 Zerreißung der Kollateralbänder an der Hand 1025 Zervikale Myelopathie 287 Ziehl-Neelsen-Test 82,847 Zinkleimverbände 54 Zirkumzision 840, 869 Zivildienstgesetz ( Z D G ) Zökaltorsion 805 Zollinger-Ellison-Syndrom 514, 519, 551,788 Zoster-Neuralgie 300 Z-Plastiken 877 Zuggurtenplatte 926 Zuggurtungsosteosynthese 927 Zugschrauben-Prinzip 926 Zungenkarzinom 325 Zusammenhangstypen 1057 Zwangshaltung des Kopfes 291 Zwangslippenschluß 305 Zweihöhlenverletzungen 888, 899 Zweipunkte-Diskriminator n. Englert oder Greulich 1012 Zweipunkte-Unterscheidungsvermögen n. Weber 1012 Zweisprung-Bypass 443 Zwerchfell 357ff. - , Klinische Anatomie und Physiologie 357
Sachregister
1106 - , sekundäre Entzündungen 359 Zwerchfelldefekt, angeborener 795 ff. Definition 795 -, Diagnostik 797 Letalität 798 Notfall des circulus vitiosus 797 -, Operationsverfahren 798 -, paradoxe Atmung 796 pleuroperitonealer 795 - präoperative Maßnahmen 798 -.Symptomatik 796f. - T h e r a p i e 797f. -, Ursache und Pathogenese 795 Zwerchfellhernien
erworbene 357f. - , Diagnostik 358 Differentialdiagnostik 358 -, lumbokostale 357 Operationsverfahren 358 Symptome 357 - , sternokostale 357 traumatische (Prolaps) 358 -, Differentialdiagnose 359 - , Operationsverfahren 359 Symptome und Diagnostik 358 f. Ursache und Häufigkeit 358 Zwerchfellkrampf, s. Singultus 359 Zwerchfellprolaps 795
Zwerchfellrelaxation 359 Zwerchfelltumoren 359 Zwerchfellzysten 359 „Zwiebelschalen" bei Knochentumoren 1040,1042 Zyanose 3,369,373 Zylinderzellnarben im Ösophagus 490 Zystadenom oder Zystadenokarzinom der Leber 666 Zystenleber 666 Zystennieren 245,838f. -, Ätiopathogenese, Epidemiologie 838 -, Symptome und Diagnose, Differentialdiagnose 838 f.
-, Therapie 839 zystische Lungenfibrose 430 Zystitis 591,844f. -, Diagnose und Differentialdiagnose 845 - , Epidemiologie und Ätiopathogenese 844 - , interstitielle (Ulkus simplex) 845 -, Symptome 844 - , Tlierapie 845 Zystometrie 832 Zystopyelonephritis 842 Zytomegalie (CMV) 101 Zytotoxität 234
Das ist High-Tech bei den Knie-Totalprothesen von PROTEK: Wallaby zeichnet sich durch eine physiologische Lastverteilung 60/40 aus. Durch die naturnahe Rekonstruktion des Femoro-Patellargelenkes mit lateralisierter Patellaführung kann in vielen Fällen auf einen lateralen Release verzichtet werden. Dank computergestützter
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Septopal*-Ketten/Septopal*-Miniketten • Zusammensetzung: Septopal-Kurten: 1 Kugel ( 0 7 mm) aus Mc&ylmethacrylat-Methylacfylat-Copofymer enthält 7,5mg Gentamicinsujfat (entsprechend 4,5 mg Gentamicinbase) und 20 mg Zirconium(lV)-oxid fmonokiin) als Röntgenkontrastmittel. 1 Kette besieht aus 10. 30 oder 60 dieser Kugeln, aufgereiht auf einem poJyfÜen chirurgischen Draht. Sepiopal-Miniketten I ovaler Körper (ea.3x5mm)ausMethylmethacrylat-Methylacrylat Copolynier enthält 2.K mg Gentamicinsulfat(entsprechend 1,7mgGentamicinbase)und 3,9 mg Zirconium(fV>-oxid (monoklin) als Röntgenkontrastmittel. Eine Minikette besteht aus 10 oder 20 dieser ovalen Körper, aufgereiht auf einem polyfilen chirurgischen Draht. Anwendungsgebiete: Hinbringen in infizierte Knochenhöhlen und Weiehteile im Rahmender üblichen Operationsmethoden: Knocheninfektionen: z.B. bei chronischer Verlaufsform der häroatugenen Osteomyelitis; bei posttraumatischer Osteomyelitis, infizierter Osteosynthese. Weichteilinfektionen: z.B. bei infizierten Wunden.bei Abszessen. Zur Behandlung potentiell infizierter, offener Frakturen und WcichteilVerletzungen. Die Septupal-Miniketten weiden dort angewendet, wo die Septopal Ketten für die anatomischen Verhältnisse zu groß sind, z.B. in der Handchirurgie. Kinderchirurgie t>der Kieferchirurgie Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Gentamicin oder Bestandteile des Knochenzements. Da die Kugeln und ovalen Körper auf chirurgischem Draht aufgezogen sind, der u-a, Chrom und Nickel enthält, ist die Möglichkeit lokaler Übercmpfindlichkeitsreaktionen im Einzelfall nicht aus-
zuschließen. Nebenwirkungen: Toxische Antibiotika-Nebenwirkungen sind nicht zu erwarten, da nach Anwendung von Scptopal-Ketten oder -Miniketten nur extrem niedrige Gentamicinkonzentrationen im Serum nachweisbar sind. Art der Anwendung: Siehe Fachinformation Hinweis: Nach einer Operation können nicht gebrauchte Reste von Septopal-Ketten oder-Miniketten nicht resterilisiert werden, sie sind deshalb zu verwerfen Handelsformen: Seplopat*-Ketten: Septopal JOrr-Kette 1 Kette mit 10 Kugeln auf chirurgischem Draht in sterilem Innenbeutel; 5 Ketten {Klinikpackung). Septopal-30er-Kette: 1 Kette mit 30 Kugeln aufchirurgischem Draht in sterilem Innenbeutel;5Ketten(Klinikpackung). Septopal-60er Kette: 1 Kette mit 60 Kugein auf chirurgischem Draht in sterilem Innenbeutel; 5 Ketten (Klinikpackung). Septopal*-Miniketten: Septopal- IOer-Minikette: 1 Minikette mit 10 ovalen Körpern auf chirurgischem Draht in sterilem Innenbeutel; 5 Miniketten (Klinikpackung). Septapal-20er-Minikette: 1 Minikette mit 20 ovalen Körpern aufchirurgischem Draht in sterilem Innenbeutel; 5 Miniketten (Klinikpackung). Stand'. 1.9.1995. Merck KG aA. Merck Biomaterial. 64271 Darmstndt. In Zusammenarbeit mit Kulzer & Co. GmbH, 61273 Wehrheim/Ts.