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German Pages [128] Year 1987
V&R
Studien zum Althochdeutschen Herausgegeben von der Kommission für das Althochdeutsche Wörterbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen Band 9
Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen
Birgit M e i n e k e
CHIND und BARN im Hildebrandslied vor dem Hintergrund ihrer althochdeutschen Überlieferung
Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen
Gefördert mit Mitteln der Bund-Länder-Finanzierung Akademienprogramm
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen Bibliothek
Meineke, Birgit: Chind und barn im Hildebrandslied vor dem Hintergrund ihrer althochdeutschen Überlieferung / Birgit Meineke. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1987. (Studien zum Althochdeutschen; Bd. 9) ISBN 3-525-20323-3 NE: GT
© Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1987 - Printed in Germany - Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. - Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort Die vorliegende Studie ist im Rahmen des von Professor Dr. Rudolf Schützeichel geleiteten Forschungsunternehmens Althochdeutsches Wörterbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen entstanden. Von der Kommission für das Althochdeutsche Wörterbuch ist die Arbeit in die Reihe Studien zum Althochdeutschen aufgenommen worden. Wichtige Hinweise, die der Arbeit zugutegekommen sind, gaben die Mitglieder der Kommission für das Althochdeutsche Wörterbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen: Professor Dr. Rolf Bergmann (Bamberg), Professor Dr. Herbert Kolb (München), Professor Dr. Hans Schabram (Göttingen), Professor Dr. Rudolf Schützeichel (Münster), Professor Dr. Dr. h.c. Karl Stackmann (Göttingen). Professor Dr. Rudolf Schützeichel ermöglichte die Einsichtnahme von Mikrofilmen verschiedener Handschriften in der Arbeitsstelle Wort- und Namenforschung an der Universität in Münster. Bei der Herstellung der Druckvorlage half Helga Rosengarth. Münster im Oktober 1986
Birgit Meineke
Inhalt Abkürzungen
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Literatur
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I. Vorbemerkungen II. chind in chunincriche III. Die althochdeutschen kind-Belege 1. kind als Interpretament zu lat. proles und suboles 2. Die ältesten kind-Belege vom Ende des achten Jahrhunderts 3. Die Belege der literarischen Denkmäler aus der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts 4. Die Glossenbelege aus der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts 5. Die &iW-Belege aus der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts 6. Die &mSummarium Heinrick. Die Darmstädter Handschrift 6. Werkentstehung, Textüberlieferung, Edition, Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 9, Tübingen 1985 J.C. Wells s. Taylor Starck-].C. Wells, Althochdeutsches Glossenwörterbuch Wilfrid Werbeck s. Die Religion in Geschichte und Gegenwart Stanley N. Werbow, Hildebrandslied 13 a - chind in chunincriche, MLN. 74 (1959) S.531f. Dieter Werkmüller s. Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Gernot Rudolf Wieland, The Latin Glosses on Arator and Prudentius in Cambridge University Library, MS GG. 5. 35, Studies and Texts 61, Toronto 1983
Literatur
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Hans Wildberger, Jesaja. 2. Teilband. Jesaja 13-27, Biblischer Kommentar. Altes Testament. BandX/2, Neukirchen-Vluyn 1978 W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. Gotisch, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch, I. Lautlehre, 3. A. Straßburg 1911; II. Wortbildung, 2. A. Straßburg 1899; III. Flexion. 1. Verbum, 1./2. A. Straßburg 1906, 2. Nomen und Pronomen, 1./2. A. Straßburg 1909; Nachdruck Berlin 1967 Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert. In Gemeinschaft mit den Akademien der Wissenschaften zu Göttingen, Heidelberg, Leipzig, Mainz, Wien und der Schweizerischen Geisteswissenschaftlichen Gesellschaft herausgegeben von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, I. Α-B. Redigiert von Otto Prinz unter Mitarbeit von Johannes Schneider, München 1967; II, Lieferung 1-8, München 1968-1985; Abkürzungs- und Quellenverzeichnisse, München 1959 Rückläufiges Wörterbuch der Mittelhochdeutschen Sprache. Auf der Grundlage von Matthias Lexers Mittelhochdeutschem Handwörterbuch und Taschenwörterbuch bearbeitet und herausgegeben von Wolfgang Bachofer-Walther von Hahn-Dieter Möhn, Stuttgart 1984 L. Wolff s. Edward Schröder, Deutsche Namenkunde Ζ Friedrich Zamcke s. Georg [F.] Ztenecta-Wilhelm Af«//er-Friedrich Zarncke, Mittelhochdeutsches Wörterbuch
I. Vorbemerkungen Das althochdeutsche Hildebrandslied, das wohl im vierten Jahrzehnt des neunten Jahrhunderts in Fulda 1 in einen karolingischen theologischen Codex 2 aus dem dritten Jahrzehnt des neunten Jahrhunderts 3 eingetragen worden ist, überliefert zwei Bezeichnungen, chind4 und barn5, die in der Germania gemeinhin als Bezeichnungen f ü r das Kind identifiziert werden. Bevor jedoch f ü r den Wortschatz dieses literarischen Denkmals weitere Bezüge zu verwandten germanischen Sprachen aufzuzeigen sind und etymologische Zusammenhänge dargelegt werden können, sind die beiden Wörter vor dem Hintergrund ihres synchronen Kontextes zu untersuchen. Ausgangspunkt und Bezugspunkt f ü r ihre syntaktische und semantische Analyse kann somit nur der Text des Hildebrandsliedes in seiner überlieferten Gestalt sein, über den allein eine Aussage zu machen ist 6 . Das heißt, daß etwaige zu rekonstruierende frühere Fassungen des Liedes nicht Gegenstand der Betrachtung sein können. Die Ermittlung der Bezeichnungsfunktion eines Wortes in einem älteren Text ist Grundlage f ü r eine kontextgerechte Übersetzung in die deutsche Gegenwartssprache. Die Ermittlung der lexikalischen Bedeutung eines althochdeutschen Wortes ist schließlich auch vor dem Hintergrund seiner sonstigen althochdeutschen Bezeugung zu beleuchten, wobei literarische Texte wie Glossen gleichermaßen heranzuziehen sind. Die Diskussion um das Verständnis von chind in Vers 13 und Vers 53 des Hildebrandsliedes ist in jüngster Zeit von H . D . M e i j e r i n g 7 wieder aufgenommen worden. Während die grammatische Bestimmung von chind in Vers 53 als Nominativ Singular keine Schwierigkeiten bereitet, ist der Anvers von Vers 13 chind in chunincriche in syntaktischer und semantischer Hinsicht verschieden beurteilt worden. Die jeweilige grammatische Bestimmung hat Konsequenzen f ü r das Verständnis der Stelle vor dem Hintergrund des Denkmals überhaupt. Die Aufnahme der Diskussion um 1
B. Bischoff, Mittelalterliche Studien, III, S.87; Schrifttafeln, S. 14* f. Kassel, Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel und Landesbibliothek Cod. theol. 2° 54, f o l . l ' , 76". 5 Sieh die Angaben in Α. 1. 4 Vers 13 und Vers 53 des Hildebrandsliedes. Alle Angaben zum T e x t nach der Ausgabe von E. von Steinmeyer, D i e kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler (StSpD.). 5 Vers 21. 6 Zum weiteren Zusammenhang sieh H . Kolb, Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters, S.67; R. Schützeichel, Studi Medievali. Serie Terza 12, 2 (Spoleto 1971) S. 812; zum Verhältnis von Etymologie und Kontextanalyse sieh grundsätzlich H . Schabram, ZVSpF. 84 (1970) S . 2 3 3 - 2 5 3 . 7 Chindh uuirdit uns chiboran; dazu sieh weiter unten. 2
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Vorbemerkungen
chind im althochdeutschen Hildebrandslied durch H. D. Meijering macht es hier notwendig, kurz auf die vorhergegangenen Beiträge einzugehen, die, vor allem in Vers 13, ein ursprüngliches Femininum chind mit der Bedeutung ,Geschlecht' sehen. W. Krogmann 8 hat a. 1959 im Zusammenhang seiner Darlegungen zum langobardischen Ursprung des Hildebrandsliedes in chind ein langobardisches Reliktwort gesehen, das auf ein Abstraktum germ. *kindi- .Geschlecht' zu beziehen sei. Gestützt wurde die These vor allem unter Hinweis auf langobardische Frauennamen Adelchinda, Alchinda, Alchenda9 und ein im Altnordischen belegtes Femininum kind .Geschlecht', das auch für das Gotische erschlossen worden ist, aufgrund der hier belegten Ableitung kindins .Statthalter' 10 . Ein Femininum chind wäre im vorliegenden Zusammenhang des Hildebrandsliedes grammatisch nur als Akkusativ Singular zu bestimmen. Damit wird der älteren Auffassung widersprochen, chind als starkes Neutrum bezeichne Hadubrand und sei Vokativ 11 . Nach W. Krogmann 12 faßt chind, das syntaktisch zu uuet in Vers 12 gestellt wird, enan und de odre zusammen. Dem Einwand, im Hildebrandslied würden dann mit chind in Vers 13 und Vers 53 zwei verschiedene Wörter überliefert, begegnet W. Krogmann 13 dadurch, daß er chind in Vers 53 als sekundär erklärt und, auch unter Hinweis auf eine bessere Stabreimfüllung, durch ein angenommenes ursprüngliches sunu ersetzt. Dem Einwand, daß im Hildebrandslied mit cnuosles (Vers 11) andererseits eine zweite Bezeichnung für das Geschlecht überliefert sei, tritt W. Krogmann 14 mit der Annahme eines hier ursprünglichen fara entgegen. H. van der Kolk 15 hat den Vorschlag W. Krogmanns vor allem aus syntaktischen Gründen hervorgehoben. Die Ablehnung der These, chind sei Anrede des jungen Hadubrand, begründet er ferner durch den Verweis auf eine im Althochdeutschen sonst nur äußerst selten bezeugte Bedeutung junger Mann' des Neutrums chind. H. van der Kolk räumt schließlich ein, angesichts einer sonst im Althochdeutschen fehlenden Bezeugung eines Femininums chind .Geschlecht', daß ein späterer Bearbeiter ein ursprüngliches Femininum durchaus als Neutrum mit entsprechender Bedeutung verstanden haben könnte.
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Das Hildebrandslied. ' Die Namen sind erst aus dem 10. Jahrhundert (a. 973 und a. 975) überliefert. Dazu W. Bruckner, Die Sprache der Langobarden, S.77, § 16, Α. 1; 152, §77; 217; 221. 10 S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S.311; Die gotische Bibel, S.27, 75, 91, 161; F.Holthausen, Gotisches etymologisches Wörterbuch, S.57; zu dem Bildungstypus W. Meid, BNF. 8 (1957) S. 72-108, 113-126. 11 Sieh die Zusammenstellung der Beiträge bei H . D . Meijering, Chindh uuirdit uns chiboran, S. 5 f. 12 Das Hildebrandslied, S.16. 15 Das Hildebrandslied, S.49, 94. 14 Das Hildebrandslied, S.47, 59-63. 15 Das Hildebrandlied, S. 124.
Vorbemerkungen
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In Anknüpfung an W. Krogmann und unter Hinweis auf die etymologischen Zusammenhänge von chind sieht auch U.Schwab 1 6 in chind (Vers 13) ein Femininum mit der ursprünglichen Bedeutung .Familie, Sippe', das als Akkusativobjekt im Satzzusammenhang an de odre anzubinden sei, was sie demnach als Akkusativ Singular Femininum bestimmt 17 . U.Schwab 1 8 sucht nun aber, anders als W. Krogmann, eine Bestimmung und Ubersetzung von chind als Femininum mit der Bedeutung ,Geschlecht' vom Zusammenhang der Textstelle und von Gesetzmäßigkeiten altgermanischer Stabreimtechnik her zu begründen. Das von U. Schwab angewandte Verfahren ist hier in seinen wesentlichen Schritten näher zu besprechen, da es schon in methodischer Hinsicht problematisch ist. Durch ein verwickeltes Geflecht sich gegenseitig stützender Hypothesen und durch einen nachträglich erstellten .ursprünglichen Text' wird so eine vorgefaßte Interpretation bestätigt. Die Verfasserin knüpft an einen Vorschlag an, den St. N. Werbow 19 zu chind in chunincriche gemacht hat. Die Begründung f ü r dessen Lösung lehnt U.Schwab aber mit Recht ab. St.N.Werbow hatte in als Kurzform für inti ansehen wollen, was jedoch dem sonstigen Befund des Hildebrandsliedes widerspricht. Das dann parallel zu chind geordnete chunincriche wäre zudem auch noch als Verschreibung einer ehemaligen Singularform *chunincrichi aufzufassen. St. N. Werbow 20 bestimmt chind ausdrücklich als Nominativ Plural Neutrum und nicht, wie U.Schwab 2 1 irrtümlich referiert, als Akkusativ Plural, was zudem auch aus der von U. Schwab 22 zitierten Übersetzung der Textstelle bei St. N. Werbow 2 3 hervorgeht: ,If you tell me the one, I shall know the other; people and realms, all men of rank are known to me!' Damit sind chind und chunincriche offensichtlich syntaktisch auf chud ist min bezogen und parallel zu irmindeot (Nominativ Singular) gestellt, wenngleich sie semantisch als Variation von de odre des vorhergehenden Abverses verstanden werden 24 . Aus der Darstellung St.N.Werbows gehe, so U.Schwab 25 , nun aber nicht hervor, welche syntaktischen Beziehungen zwischen enan und de odre in Vers 12 und chind, chunincriche und irmindeot in Vers 13 beständen. Diese Feststellung basiert überhaupt erst auf der Voraussetzung, daß eine syntaktische Verbindung zwischen den beiden Versen bestehe, was aber vom überlieferten Text her keineswegs zwingend ist, und auch von St. N. Werbow oder W. " arbeo laosa, S. 8 f. U.Schwab, arbeo laosa, S.3-6. " arbeo laosa, S. 15. " MLN. 74 (1959) S. 531 f. 20 MLN. 74 (1959) S.531. 21 arbeo laosa, S.3; ebenso H. D.Meijering, Chindh uuirdit uns chiboran, S.7. 22 arbeo laosa, S. 3. " MLN. 74 (1959) S.532. 24 St.N.Werbow, MLN. 74 (1959) S.531; man beachte ferner die deutsche Übersetzung der englischen Fassung von W.P.Lehmann, ZDPh. 81 (1962) S.28 und dazu, mit dem Hinweis auf die Abweichungen, U.Schwab, arbeo laosa, S.3, A.6 (S.87). 25 arbeo laosa, S. 3 f. 17
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Vorbemerkungen
P. Lehmann 2 6 so nicht angenommen worden ist. Der Grund, daß die vorliegenden syntaktischen Beziehungen bisher nicht erkannt worden seien, liegt nach U. Schwab 27 darin, daß am überlieferten Text festgehalten werde und ,die Korruptel, die nach 10 a oder schon vorher einsetzt', nicht angemessen berücksichtigt worden sei. Vor diesem Hintergrund erörtert U. Schwab in einem zweiten Schritt die grammatische Bestimmung von de odre, was der Form nach sowohl als Akkusativ Singular Femininum wie als Akkusativ Plural Maskulinum im Althochdeutschen und Altsächsischen bezeugt sei. Da der Befund von der Form her nicht eindeutig sei, könnten beide Bestimmungen gleichermaßen zutreffen. D a ß dann aber de odre eher als Akkusativ Singular Femininum zu bestimmen sei, wird von U. Schwab 28 , auch unter Hinweis auf Parallelen im Heliand, letztlich durch eine bestimmte Interpretation der Textstelle begründet. Hier könne de odre, als Akkusativ Plural Maskulinum bestimmt, nur als eine prahlerische Wendung verstanden werden, die die Behauptung Hildebrands impliziere, er kenne ,alle Adligen'. Über den Aufweis einer traditionell geformten Erkundigungsfrage wird dann in einem dritten Schritt auf etymologisch verwandte Wörter wie kunni, knösalM, kuning und kind hingewiesen, die, insbesondere im Heliand, in stabender Verbindung stehen. Inwieweit diese Beobachtung auch f ü r die betreffende Stelle des Hildebrandsliedes zum Tragen kommt, wird dann weiter unten ausgeführt. Zunächst aber stellt die Verfasserin als erwiesen fest, daß vom Kontext her unter der Voraussetzung einer syntaktischen Verknüpfung von Vers 12 und Vers 13 a (sie!) de odre nur als Akkusativ Singular Femininum bestimmt werden könne. Daraus folgt, daß dann nur chind als Femininum Bezugswort sein kann. Die grammatische Bestimmung von chind wird allein gestützt durch das im Altnordischen bezeugte kind .Geschlecht' und das f ü r das Gotische qua kindins .Statthalter' anzunehmende germ. *kindi mit der gleichen Bedeutung 30 . Die Problematik der gesamten Interpretation der Textstelle offenbart sich dann in der Ubersetzung: ,wenn du mir einen (Edlen) nennst, dann weiß ich auch die andere, die (dazugehörige) [sie!] Familie im Königreich'. Die Ubersetzung von de odre ist ohne einen erklärenden Zusatz ,die dazugehörige' 3 1 nicht verständlich und wird zudem noch durch eine paraphrasierende Erklärung ergänzt: f Das heißt: ,Wenn du mir einen der edlen Krieger (Jireo) im Heer (in folche) als Vater namhaft machst, so kenne ich auch seine (und damit deine) [sie!] , die Sippe, die im Herrschaftsbereich des Königs steht' 3 2 . Die so vorgeschlagene Interpreta26
ZDPh. 81 (1962) S.28. arbeo laosa, S.4. 28 Ebenda, S.6. 29 Ebenda, S. 8, irrtümlich, cnosal, knosal. 30 Sieh ferner die Stellungnahme zu W. Krogmann bei U.Schwab, arbeo laosa, S. 15f. 31 Dieser oder ein ähnlicher Zusatz erscheint zu der Stelle immer, so zum Beispiel ebenda, S. 12 f., 16 f. 32 U.Schwab, arbeo laosa, S.9. 27
Vorbemerkungen
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tion wird schließlich gestützt durch einen weiterreichenden Eingriff in die überlieferte Abfolge des Textes. Vers 13b w a r bisher aus den Überlegungen ganz ausgeblendet w o r d e n . Das wird allein durch ein bestimmtes Verständnis von al irmindeot ,das ganze Menschengeschlecht' 3 3 als einer im Heliand anversfüllenden Stabformel begründet. Somit stellt sich f ü r U . Schwab Vers 13 b im ganzen als .unorganisches Füllsel' 34 dar und kann ihrer M e i n u n g nach leicht durch ,den in der L u f t schwebenden v. 11 b' 35 ersetzt werden. D u r c h diese Textemendation steht chind ,Geschlecht' neben cnuosles, einem synonymen Wort, was dem Befund in anderen altgermanischen Dichtungen entspräche. In einer abschließenden Einschätzung ihres insgesamt rein hypothetischen Vorschlags betont U. Schwab 36 , d a ß er nicht Rekonstruktion sein könne, sondern ,die Möglichkeit einer rezeptiven Interpretation aufzeigen soll, wie sie etwa dem Publikum der Vorlage unseres an vielen Stellen nahezu unheilbar verstümmelten Textes eigen gewesen sein mochte'. W ä h r e n d in chind (Vers 13) ein Femininum mit der Bed e u t u n g ,Geschlecht' gesehen wird, sieht U. Schwab, wie aus ihren Darlegungen hervorgeht, in chind (Vers 53) fraglos das N e u t r u m mit der Bedeutung ,Sohn'. Das N e b e n e i n a n d e r von zwei chind-Belegen mit verschiedener grammatischer Bestimmung und Bedeutung hatte W. Krogmann 3 7 zum Anlaß genommen, chind in Vers 53 als sekundär zu erklären und mit Verweis auf Hildebrands Sterbelied Liggr Jyar enn svasi sonr at hofdi durch ein ursprüngliches sunu zu ersetzen, was aber vom Stabreim an dieser Stelle her nicht notwendig ist. U. Pretzel 3 8 , der mit W . K r o g m a n n ebenfalls chind als Femininum mit der Bedeutung .Geschlecht' auffaßt, sieht nun auch in Vers 53 das Femininum chind .Geschlecht', das hier wegen der so stärker zum Ausdruck k o m menden T r a g i k des Geschehens stehen müsse 39 , schlägt dann aber zu suasat chind die .Ubersetzung' ,(mein) eigen Blut' 40 vor. D e r Sohn werde f e r nerhin im Hildebrandslied auch durch .das richtige W o r t ' [sic!] barn, neben sunu, bezeichnet 4 1 . Eine Bedeutung .Geschlecht' f ü r chind im Hildebrandslied will U. Pretzel 4 2 schließlich durch den Hinweis auf ältere althochdeutsche Glossen 4 3 stützen, die als Interpretamente die lateinischen Lemmata proles und suboles übersetzen. D a deren Bedeutung zweifelsfrei
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Ebenda, S. 10 f. Ebenda, S. 11. Ebenda. 36 Ebenda, S.13. 37 Das Hildebrandslied, S.94. 38 PBB. 95 (Tübingen 1973) S. 272-288. 39 U. Pretzel, PBB. 95 (Tübingen 1973) S.277. 40 Ebenda, ferner S. 287. 41 U.Pretzel, PBB. 95 (Tübingen 1973) S.277. 42 Ebenda, S. 280. 43 Die Belege werden nicht genannt. Eine ausführliche Besprechung der Glossen sieh weiter unten. 34
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Vorbemerkungen
mit .Geschlecht' anzugeben sei, könne eine entsprechende Bedeutung auch für ihre volkssprachige Ubersetzung gelten44 und dann auch für die Belege des Hildebrandsliedes in Anspruch genommen werden. Abgesehen von der methodischen Problematik ist hier mit H. D. Meijering 45 darauf hinzuweisen, daß etwa lat. proles sowohl das Geschlecht als auch den einzelnen Nachkommen, das Kind, bezeichnen kann, was im übrigen auch für suboles4b gilt. Das kann aber nicht bedeuten, daß die Glossenbelege zu proles und suboles nun bei einer Untersuchung der Bezeichnungsfunktionen von kind im Althochdeutschen nicht aussagekräftig seien, was weiter unten zu zeigen ist47. Daß chind in Vers 13 und Vers5 348 des Hildebrandsliedes auf ein hier ursprünglich anzunehmendes Femininum mit der Bedeutung .Geschlecht' zu beziehen sei, sucht neuerdings H. D. Meijering 49 durch eine Untersuchung der etymologischen Bezüge zu erhellen. Während bisher das Femininum kind .Geschlecht' auf germ. *kindi- (idg. *genti-) bezogen worden ist, ist für das althochdeutsche Neutrum kind eine germanische Vorstufe *kinf>a- (idg. *gentom) zu erschließen. H. D. Meijering 50 schlägt nun vor, das neutrale Appellativ von dem Femininum herzuleiten, unter der Voraussetzung eines Bedeutungswandels von .Geschlecht' über .Glied eines Geschlechts' zu .Nachkomme, Kind'. Der Genuswechsel vom Femininum zum Neutrum sei dann durch das allmählich schwindende, früher allgemeiner verbreitete Neutrum barn gestützt worden. Abgesehen von der problematischen Verknüpfung von kind und barn in einem historischen Nacheinander ist auch der zunächst vorgeschlagene etymologische Bezug zweifelhaft. Für ,Germ. kind, f.' geht H. D. Meijering 51 von einer indogermanischen Vorstufe *genti aus, was aber schon vom altnordischen Befund her nicht anzunehmen ist52. Auch im zweiten cAtW-Beleg in Vers 53 sieht H. D. Meijering 53 mit U. Pretzel 54 das ursprüngliche Femininum chind G e schlecht'. Gegen W. Krogmann 55 stellt der Verfasser aber fest, daß gerade, weil sunu nahegelegt sei und von einem späteren Bearbeiter nicht leichthin ausgetauscht werden mußte, chind das ursprüngliche Wort sei, das hier nicht nur den einzelnen Nachkommen, sondern das ganze Geschlecht be44
U . Pretzel, PBB. 95 (Tübingen 1973) S . 2 7 9 f . , 283. Chindh uuirdit uns chiboran, S. 10. 46 M a n vergleiche G H . II, Sp.2870. 4; D a z u sieh S. 3 5 - 3 9 . 48 Zu Vers 53, mit U . Pretzel, Η . D . Meijering, Chindh uuirdit uns chiboran, S.22. 49 Chindh uuirdit uns chiboran, passim. 50 Ebenda, S. 18. 51 Ebenda. 52 D a z u sieh die Besprechung der Studie von H . D . Meijering, BNF. N F . 21 (1986) S. 4 5 5 - 4 5 8 , insbesondere S.457; zur Etymologie von kind sieh ferner A. Bammesberger, IF. 73 (1968) S. 134, A . 7 . 53 Chindh uuirdit uns chiboran, S.22. 54 Sieh dazu oben. " D a s Hildebrandslied, S.94. 45
Vorbemerkungen
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zeichne. Ein nicht vorhandenes sunu wird so mittelbar doch zur Stütze einer angenommenen Bedeutung .Geschlecht'. Diese Auffassung stützt sich lediglich auf chind in Vers 13, womit das Problem nur verlagert wird, und auf eine Interpretation der Stelle, wonach suasat chind, übersetzt mit,eigen Blut' im Sinne U. Pretzels 56 , die Tragik des Geschehens stärker ausdrücke. Der überlieferte syntaktische Zusammenhang von suasat chind weist aber chind eindeutig als Nominativ Singular Neutrum aus. Da von einem Neutrum chind mit der Bedeutung ,Geschlecht' oder gar ,Blut', das heißt von einem Genuswechsel vom Femininum zum Neutrum unter Beibehaltung der angenommenen ursprünglichen Bedeutung ,Geschlecht' nicht auszugehen ist, müßte hier bei suasat eine sekundäre Angleichung einer ursprünglichen femininen Adjektivform *suäs oder *suäsiui7 angenommen werden. Das vorliegende Syntagma suasat chind zeigt, daß chind, zumindest im letzten Stadium der Überlieferung des Hildebrandsliedes, als neutrales Substantiv aufgefaßt worden ist. Damit kommt auch an dieser Stelle einmal mehr ein grundsätzliches Problem in den Blick. Es ist methodisch unabdingbar, von dem Text auszugehen, wie er überliefert ist. So können auch nur über diesen Text Aussagen gemacht werden. Alles andere wäre Spekulation. Die hier vorgeführten Untersuchungen zeigen hingegen gerade bei der Ermittlung der lexikalischen Bedeutung von chind, daß aufgrund vermeintlicher etymologischer Bezüge eine ursprüngliche Bedeutung ermittelt werden soll. Angaben über die Bedeutung eines einzelsprachlichen Wortes können hingegen immer nur Angaben über seine kontextgebundene synchrone Bedeutung sein. Erst nachdem vor dem Hintergrund des jeweiligen Kontextes und unter Berücksichtigung anderer synchroner Zeugen des althochdeutschen Wortes seine Bezeichnungsfunktionen aufgezeigt worden sind, kann im Vergleich der germanischen Einzelsprachen ein etymologischer Zusammenhang aufgedeckt werden und vielleicht eine sogenannte ursprüngliche Bedeutung ermittelt werden. chind und barn im Hildebrandslied sind zunächst im Zusammenhang des Denkmals zu untersuchen. Des weiteren sind dann die synchronen Bezüge aufzudecken, in denen kind und barn über das Hildebrandslied hinaus im Althochdeutschen stehen 58 . 56 D a z u sieh oben; H . D . M e i j e r i n g , Chindh uuirdit uns chiboran, S.22: .eigen geslaht, eigen vlees en bloed'. 57 Man vergleiche J. H . Gallee, Altsächsische Grammatik, § 344 und A. 2 f.; BEG. § 248 und
A.6. 4e
D a z u sieh die Ausführungen weiter unten.
II. chind in chunincriche Ausgangspunkt der Bedeutungsermittlung eines Wortes ist der überlieferte Text, in dem das Wort tatsächlich steht. Für die beiden Bezeichnungen chind und barn im Hildebrandslied heißt das, daß zunächst der unmittelbare synchrone Zusammenhang zu berücksichtigen ist. Fraglos ist barn (Vers 21) Bezeichnung für das kleine Kind, das als unwahsan ,noch nicht erwachsen' 59 bezeichnet wird, als Hildebrand es mit seiner Mutter zurückläßt. Auch chind in Vers 53, nu seal mih suasat chind suertu hauwan, ist vom weiteren Zusammenhang her eindeutig Bezeichnung Hildebrands für Hadubrand, den er schon nach Vers 17 a, dat Hiltibrant heetti min fater, als seinen eigenen Sohn erkannt hat. Eine Übersetzung ,Sohn' statt ,Kind' an dieser Stelle kann auch von der übrigen althochdeutschen Uberlieferung des Wortes 60 gestützt werden. Der gegebene Zusammenhang des Syntagmas suasat chind weist chind als Neutrum aus61. Im Beleg chind in Vers 13 hingegen ist zunächst ein syntaktischer Zusammenhang morphologisch nicht explizit ausgedrückt. Der weitere Kontext ist hier zu berücksichtigen· Daß zu Beginn des Dialoges Hildebrand als der Ältere spricht, ist unbestritten. Hildebrand, der seinen Gegner im Zweikampf nicht kennt, fragt nach dessen Vater, wer sin fater wari. Nach der Wiedergabe in indirekter Rede schließt sich die wörtliche Rede an: eddo welihhes cnuosies du sis./ ibu du mi enan sages, ik mi de odre uueth1/chind in chunincriche63. chud ist min64 al irmindeot./ ... Es fällt zunächst auf, daß Hildebrand nicht nach dem Namen Hadubrands, sondern nach dessen Vater fragt, das heißt nach der Generation fragt, der er angehört. Er kann davon ausgehen, daß er den Vater Hadubrands oder das Geschlecht, eddo welihhes cnuosies du sis, aus dem Hadubrand stammt, kennt. Für Hadubrand, der ja auch einen Fremden vor sich hat, kann die Aussage Hildebrands dann nicht selbstverständlich sein, wenn dieser nur feststellen würde: ibu du mi enan sages, ik mi de odre uuet (Vers 12) ,Wenn du mir einen nennst, kenne ich die anderen'. Damit die Feststellung Hildebrands nicht eine bloße Behauptung bleibt, denn woher kann der, der so spricht, seine Kenntnisse haben? -, muß Hildebrand eine Begründung geben: chind in chunincriche chud ist mi[r] al " SchW. S. 215. 60 D a z u sieh weiter unten. 61 Zur Ubersetzung ,Geschlecht' auch an dieser Stelle sieh weiter oben. 62 N a c h uuet in der Handschrift kein Zeichen. " D e r Punkt nach chunincriche steht hier, wie auch an anderen Stellen, am Ende des Anverses. M a n vergleiche z u m Beispiel in der Handschrift die Verse 3, 4, 5, 8, 9, 12, 17, 24. 64 D a s min der Handschrift ist zu mi[r] zu konjizieren.
chind in
chunincriche
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irmindeot. E. Rooth 6 5 hat, wie andere auch, darauf aufmerksam gemacht, daß aus metrisch-stilistischen Gründen hier kein Vokativ chind als Anrede Hadubrands vorliegen könne. Allein aus syntaktischen Gründen biete sich deshalb an, chind in chunincriche als kausale Angabe in folgendem Sinne zu verstehen: ,weil ich meine Kindheit im Königreich verbracht habe, so sind mir alle großen Familien dort bekannt' 6 6 . Damit wäre chind als Apposition Bezeichnung f ü r Hildebrand. Eine fehlende Kasuskongruenz zwischen dem Dativ mi[r] und dem Nominativ chind ist kein Einwand. Da chind vorangestellt ist, ist der weitere Verlauf des Satzes noch nicht gegeben. Ferner könnte sich chind auch auf ik in Vers 12 beziehen 67 . In jedem Fall bezeichnet sich dann ein älterer Mann selbst als chind. Er sagt ferner, daß ihm zum gegenwärtigen Zeitpunkt das ganze Volk bekannt sei. Seine Kenntnis, wenn sie nicht von Hadubrand als Lüge entlarvt werden soll, denn ihn kennt er ja offensichtlich nicht, muß eingeschränkt werden. Tatsächlich kann Hildebrand das Volk nur bis zum Zeitpunkt seiner Flucht als junger Mann aus dem Königreich nach Theoderich 6 8 kennen, das heißt aus der Zeit, als er chind in chunincriche war. So kann er auch nur nach Hadubrands Vater oder dessen Geschlecht fragen, das heißt nach den Generationen vor H a d u b r a n d . Die kennt er auch noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt, und auf diese kann sich dann nur die Aussage beziehen, daß er das ganze Volk kennt. Die Feststellung Hildebrands muß also durch chind in chunincriche gleichzeitig relativiert werden, wodurch seine Frage erst begründet ist. Die Angehörigen der Generation Hadubrands kann er nicht kennen. Der Einwand, eine mangelnde Kongruenz im Tempus 6 9 stehe dieser Auffassung der Textstelle entgegen, ist damit entkräftet, zumal sich ja der ältere Mann als chind bezeichnet, was schon implizit einen Zeitbezug zur Vergangenheit ausdrückt. Hildebrand wird auch entsprechend verstanden. Die Frage nach dem Vater Hadubrands trifft unbeabsichtigt die wunde Stelle in der Biographie Hadubrands, der seinen Vater schon als barn unwahsan verloren hat 70 . Bevor er den Namen des Vaters nennt, schickt er voraus, daß seine Kenntnisse über den Vater auf Berichten älterer Leute beruhen, alte antifrote dea erhina warun (Vers 16), was nicht heißen muß, daß alle zum Zeitpunkt des Zweikampfes schon gestorben sind 71 . Die Antwort Hadubrands bezieht sich somit auf das, was Hildebrand zuvor zum Ausdruck gebracht hat. H a d u b r a n d beruft sich auf Angehörige älterer Generationen, nach denen Hildebrand gefragt hat. " Festschrift für Gerhard Cordes zum 65. Geburtstag, S. 126-135, insbesondere S. 129-131; als Vokativ und Bezeichnung für Hadubrand jetzt auch wieder von R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, S.451 f. " E . R o o t h , Festschrift für Gerhard Cordes zum 65. Geburtstag, S. 133. " Sieh dazu H . D . M e i j e r i n g , Chindh uuirdit uns chiboran, S.5. " Zur Interpretation sieh R. Schützeichel, Textgebundenheit, S. 1-15, insbesondere S . 6 f . ; sieh ferner H . K o l b , Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters, S. 5 1 - 7 5 . " So H . D . Meijering, Chindh uuirdit uns chiboran, S.5. 70 Zur Geschichte Hadubrands sieh H . K o l b , Studien zur deutschen Literatur, S . 6 3 - 6 6 . 71 SchW. S . 4 4 (erhina .früher'); zur Stelle anders U . S c h w a b , arbeo laosa, S.93, A. 81.
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chind in chunincriche
chind ist an gegebener Stelle im Hildebrandslied sicher nicht mit ,Sohn, Knabe, Zögling' zu übersetzen. Wenn nicht chind ,Kind' im übertragenen Gebrauch von Hildebrand gesagt ist, ist auch diese Bedeutung hier auszuschließen. Da Hildebrand seine gegenwärtige Kenntnis des ganzen Volkes auf den Zeitpunkt seiner Flucht aus dem Königreich beziehen will, kann chind nur mit ,junger Mann' übersetzt werden 72 . Denkbar ist schließlich auch, daß er sich als Nachkomme, Abkömmling aus73 dem Königreich bezeichnet, der das ganze Volk kennen muß. Angesichts der oben angestellten Überlegungen ist diese Ubersetzung aber wohl weniger wahrscheinlich, da eine Aussage über seinen gegenwärtigen Kenntnisstand über das ganze Volk nicht relativiert würde, was aber wohl angesichts der Frage nach dem Vater Hadubrands oder dessen Geschlecht angezeigt ist. Unter Beibehaltung des Textes in seiner überlieferten Gestalt und unter Wahrung der metrisch-stilistischen Ebene erklärt sich chind in chunincriche mühelos als Bezeichnung Hildebrands. Der Beleg chind junger Mann' ist im folgenden vor dem Hintergrund der anderen althochdeutschen Uberlieferung des Wortes zu betrachten. Hier ist von den einzelnen Belegen auszugehen, wobei Datierung und Lokalisierung der jeweiligen Uberlieferung zu berücksichtigen sind. n
Sieh unten S.48, 58, 61 f., 64-67, 71 f. zu weiteren Belegen des Wortes mit dieser Bedeu-
tung. 73
S.90.
Ahd. in in dieser Bedeutung auch in den literarischen Denkmälern bezeugt, sieh SchW.
III. Die althochdeutschen ^iW-Belege 1. kind als Interpretament zu lat. proles und suboles Vor der Überlieferung des althochdeutschen Hildebrandsliedes aus dem vierten Jahrzehnt des neunten Jahrhunderts ist das Wort kind schon mehrfach bezeugt. U. Pretzel 74 hatte zur Stützung der Bedeutung einzelner Wörter des Hildebrandsliedes auf älteste althochdeutsche Glossen hingewiesen, darunter auch auf Glossenbelege von kind, die eine Bedeutung .Geschlecht' der beiden cAiW-Belege des Hildebrandsliedes stützen sollten. Ohne die einzelnen Belege anzugeben, führt U. Pretzel 75 nur die beiden lateinischen Lemmata proles76 und suboles77 an. Da die Bedeutung dieser lateinischen Lemmata meist eindeutig sei, könnten sie zur Stützung einer entsprechenden Bedeutung von chind im Hildebrandslied herangezogen werden. Im Fall von lat. proles hat H.D.Meijering 7 8 schon darauf hingewiesen, daß proles sowohl den einzelnen Nachkommen als auch das Geschlecht in seiner Gesamtheit bezeichnen könne, was auch f ü r suboles gilt. Insgesamt sind die hier in Frage kommenden sechs Glossenbelege jedoch im synchronen Zusammenhang ihrer Uberlieferung nicht sachgerecht beurteilt worden. Dem ist im folgenden nachzugehen. (1) In der St. Galler Abrogans-Handschrift, die nach B. Bischoff 79 in den letzten Jahren des achten Jahrhunderts im Südwesten des deutschen Sprachgebietes geschrieben worden ist, findet sich auf p. 256 f. diese Glossenreihe: Soboles. zuht fipago. zuhhi. Natifilii. kiporaniu khind. t fgenies. edho chunniso. Der Zusammenhang der Glossenreihe zeigt deutlich, daß khind mit dem flektierten Partizip Perfekt kiporaniu, Nati ist demnach offensichtlich als Adjektiv aufgefaßt worden, auf Natifilii bezogen ist und damit filii Lemma für khind ist, das als Nominativ Plural Neutrum zu bestimmen ist. Ein Teil dieser Glossengruppe findet sich im Glossarium Amplonianum secundum 81 als Soboles nati filii uel progenies82. Es zeigt sich, 71
PBB. 95 (Tübingen 1973) S . 2 7 9 - 2 8 3 , insbesondere S.280. Ebenda. 7 ' G H . II, Sp. 1980. 77 G H . II, Sp.2870. " Chindh uuirdit uns chiboran, S. 10. 79 D a s älteste deutsche Buch. D i e -Handschrift der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 6 1 - 8 2 , insbesondere S.82. 80 StSG. I, 250, 2 8 - 3 1 ; zu der Glossengruppe J.Splett, Abrogans-Studien, S.334, 372. 81 J.Splett, Abrogans-Studien, S . 3 7 2 . 82 CGL. V, S. 333, 15. 7i
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Die althochdeutschen
kind- Belege
daß das lateinische Lemma des althochdeutschen Interpretaments ursprünglich Interpretament von soboles gewesen ist, sobolesSi also als Pluralform a u f g e f a ß t worden ist, was entsprechend mit althochdeutschen Formen wiedergegeben wird. Daneben wird aber auch, singularisch verstanden und mit progenies übersetzt, die Gesamtheit der N a c h k o m m e n , die N a c h k o m m e n s c h a f t bezeichnet 8 4 . D e r Abrogans-Beleg khtnd hat demnach eindeutig die Bedeutung ,Kind'. (2) Im Glossar Rb der H a n d s c h r i f t Karlsruhe, Badische Landesbibliothek Aug. IC ist auf fol. 62 b zu dem Lemma prolem*5 chind überliefert. Die wohl noch ins ausgehende achte Jahrhundert 8 6 zu datierende Reichenauer H a n d s c h r i f t überliefert hier ein Lemma aus Gregors Homilien 8 7 . . . ita mundus in annis prioribus velut in juventute viguit, adpropagandam humani generis prolem robustus fuit . . . ,so ist die Welt in f r ü h e r e n Jahren gleichsam wie in der Jugend lebenskräftig gewesen, ist stark gewesen, um den Sproß des menschlichen Geschlechts hervorzubringen'. Die alternde Welt wird mit dem Menschen verglichen, dessen Kräfte, die er in der Jugend hat, im Alter nachlassen. D e r T e x t ist zu beziehen auf Lc21,25-32. 34. Das lateinische Lemma prolem bezeichnet offensichtlich nicht den einzelnen N a c h kommen, sondern den Sproß, den Stamm des menschlichen Geschlechts in seiner Gesamtheit. V o r dem Hintergrund des Lemmakontextes k ö n n t e auch f ü r chind eine entsprechende Bedeutungsangabe nahegelegt sein. D a aber gerade in Rb durchaus mit Vokabelübersetzung, ohne Berücksichtigung des Kontextes zu rechnen ist, kann chind hier durchaus als Vokabelglosse zu proles mit der Bedeutung ,Kind, N a c h k o m m e ' gestellt werden 8 8 . Diese Annahme findet ihre Stütze dann auch in den anderen chind-Belegen in Rb 89 , die ausnahmslos lat. filius und infans übersetzen. Schließlich sei hingewiesen auf das volkssprachige Interpretament chunniw in Rb, das lat. dues übersetzt, also auch f ü r proles,Geschlecht' zur V e r f ü g u n g gestanden hätte. Das gilt fernerhin f ü r ahd. hiwiski, das in Rb vulgus übersetzt 9 1 . Lat. generositatem ist in Rb etwa mit chunnihaft92 glossiert worden.
" G H . II, Sp.2870. 84 Man vergleiche G H . II, Sp.1972: ,Abstammung, Geschlecht, Stamm; N a c h k o m m e n schaft, Kinder; Nachkomme, Kind'. 85 Handschrift: rplem. 86 B. Bischoff, Mittelalterliche Studien, III, S. 80; E. Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S.218 und passim. " MPL. 76, Sp. 1080 C, p. 1439. 88 Zu den Vokabelglossen in Rb sieh E. Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S. 155-166, insbesondere S. 162-166 zum Typus der Vokabelglossen, die eine andere Bedeutung des Lemmas aufnehmen als die vom Kontext her erforderliche, wobei also eine falsche Auswahl aus Bezeichnungsmöglichkeiten des lateinischen Wortes getroffen wird (S. 162). 89 StSG. I, 316, 67; 335, 5. 13; 388, 59; 410, 12; 411, 61; 560, 18; 637, 7. 90 StSG. I, 448, 10; 620, 21 (uinea meri uuincarto despezzistin chunnes); II, 307, 20; 308, 30; 311, 12. " Zur Glossierung sieh unten. 92 StSG. I, 559, 22.
kind als Interpretament zu lat. proles und suboles
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(3) Lat. prolem ist auch in der Handschrift Clm 18550 a, einer im ausgehenden achten Jahrhundert 9 3 geschriebenen Tegernseer Handschrift, auf f o l . 2 7 b mit dem Interpretament chind94 übersetzt. Das lateinische Lemma steht in folgendem Kontext der Cura pastoralis Gregors des Großen: . . . Qui ergo fluxum seminis sustinet, ex eo se inquinat, quod si ordinate promeret, prolem rectce cogitationis edere in audientium corda potuisset ... 9 5 . Im weiteren Kontext wird vom Prediger gesprochen, der von Weisen Wortsäer (ieminiverbius) genannt worden sei und durch seine Rede in den Herzen der Zuhörer gute Gedanken erzeugen könne, im Bild gesprochen, prolem rectx cogitationis edere ,ein Kind guten Gedankens hervorbringen' solle. O f f e n sichtlich ist die Glosse chind als Vokabelübersetzung zu qualifizieren, da proles das bezeichnet, was hervorwachsen soll96, den Sproß, das Kind, hier im übertragenen Sinne gebraucht. (4) H . D. Meijering 97 führt den Glossenbeleg chind98 an, der neben chunni zu dem Lemma prolis in den althochdeutsch glossierten Glossae Affatim überliefert ist. Er findet sich auf fol. 120 al in der Handschrift Oxford, Bodleian Library Jun. 2 599 im Glossar Ic, das von einer Murbacher H a n d geschrieben worden ist und nach B. Bischoff 100 eben noch in das erste Viertel des neunten Jahrhunderts zu datieren ist. Bei der Ermittlung der Bedeutung des althochdeutschen Interpretaments chind ist der weitere Kontext im Glossar und der Traditionszusammenhang der Glossarstelle überhaupt zu berücksichtigen. Abgesehen von der Frage der grammatischen Bestimmung (Singular oder Plural, Neutrum oder Femininum) ist hier auf das Phänomen der althochdeutschen Doppelglossierung eines lateinischen Lemmas aufmerksam zu machen. So ist davon auszugehen, daß hier mit chind und chunni nicht zwei Synonyme ein lateinisches Lemma erklären, sondern die beiden Bezeichnungsmöglichkeiten von proles ,Kind, Nachkomme' und .Geschlecht, Nachkommenschaft' gerade mit den übergeschriebenen althochdeutschen Interpretamenten angezeigt werden sollen. Daneben sei auf die umgebenden lateinischen Artikel der Glossae Affatim an dieser Stelle verwiesen. Das lateinische Lemma prolis steht in der Abfolge dieser Artikel: Prosapia(s) genus velprogenies aut origo101, Prolis filius aut filia, Prolem styrpem progeniem originem uel in/antem102. Bei prolis ist eindeutig der einzelne Nachkomme, bei prolem eigens infantem neben " B. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen und Bibliotheken in der Karolingerzeit, I, S. 158f.; R.Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 24. 94 StSG. II, 219, 11. 95 Μ PL. 77, Sp.32A, p. 18. " Man vergleiche G H . II, Sp. 1978. " Chindh uuirdit uns chiboran, S. 10. " StSG. IV, 14, 32. " BV., S. 84 f., Nr. 725. 100 Mittelalterliche Studien, III, S. 80. 101 In der Handschrift ist prosapia mit chunni und adal glossiert (StSG. IV, 14, 29). 102 CGL. IV, 556, 12-14.
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Die althochdeutschen
Belege
styrpem, progeniem und originem gestellt, ohne daß in/ans etwa als Synonym für stirps, progenies und origo aufgefaßt würde. Die Berücksichtigung lateinischer Interpretamente als eigentliche Lemmata althochdeutscher Glossen ist gerade bei den Glossae Affatim notwendig 103 . Zu prolis können so zwei Interpretamente getreten sein, von denen eines oder vielleicht sogar beide zu einem ursprünglichen lateinischen Interpretament zu stellen wären. Das althochdeutsche Interpretament chind beziehungsweise chinth ist in den Glossae Affatim der Oxforder Handschrift noch an drei weiteren Stellen überliefert, an denen zweifelsfrei nicht das Geschlecht bezeichnet wird, so zu parricida104 in dem Syntagma thiu chinth slahit105, zu pignore106 chind107 und zu puerperium108 in dem Syntagma chinth inuuäbo kifestinotim. (5) Im Glossar Ia der gleichen Oxforder Handschrift finden sich volkssprachige Glossen zu Juvencus, unter denen auf fol. 168b, 1. Spalte, die Glosse chind zu Sobolis110 tradiert wird. Das Lemma steht in diesem Textzusammenhang: ... Nec fuit his suboles, iam tum uergentibus annisj Gratius ut donum iam desperantibus esset./ .. . m .Kinder hatten sie nicht und da ihre Jahre sich neigten, - / Wäre ein solches Geschenk den Armen noch lieber gewesen'112. Hier ist die Rede von Zacharias und Elisabeth, die bis zur Geburt des Johannes kinderlos gewesen sind. Lat. suboles ist also mit ,Kind' zu übersetzen, was entsprechend auch für das althochdeutsche Interpretament gelten kann, unabhängig von der grammatischen Bestimmung als Singular oder Plural. (6) Schließlich ist chind noch als Interpretament zu sobolisni im Clm 19440 überliefert. Lemma und Interpretament sind von einer anderen Hand als der, die den übrigen Glossartext schreibt, oben am rechten Rand von p.213 114 eingetragen worden. Der Teil der Handschrift, der die Glosse trägt, ist nach Ch.E. Eder 115 wohl um a. 1000 in Westdeutschland oder in Süddeutschland entstanden. Das lateinische Lemma ist folgendem Text der Homilien Gregors des Großen zuzuweisen: ...Et notandum quod malae soboles, malomm parentum actiones imitantes, genimina viperarum vo103 Dazu sieh weiter unten. Zum weiteren Zusammenhang H. Götz, in: R. Große-S. BlumH.Götz, Beiträge zur Bedeutungserschließung im althochdeutschen Wortschatz, S. 53-208. 104 GH. II, Sp. 1484. 105 StSG. IV, 11, 28. GH. II, Sp. 1705. 107 StSG. IV, 13, 60. 108 GH. II, Sp. 2069. 10 ' StSG. IV, 15, 5; dazu sieh weiter unten. 110 StSG. II, 350, 11. 111 CSEL. 24, S. 3; Lib. I, 8-9. 112 Übersetzung von A. Knappitsch, Jahresbericht... am Schlüsse des Schuljahres 1909/10, Graz 1910, S.15. 113 StSG. II, 294, 39. 114 StSG. II, 294, A.6. 115 StMOSB. 83 (1972) S. 141, Nr. 171.
D i e ältesten £ i W - B e l e g e vom Ende des achten Jahrhunderts
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cantur .. .116 ,Und es ist anzumerken, daß schlechte Kinder, die die Taten schlechter Eltern nachmachen, Natterngezücht genannt werden' 117 . Unter der Voraussetzung einer kontextgerechten Ubersetzung ist daher auch hier für die althochdeutsche Glosse die Bedeutung ,Kind' oder .Nachkomme' anzugeben. Die Glosse ist schließlich zusammen mit einem weiteren marginalen Eintrag an der gleichen Stelle zu beurteilen, wo unmittelbar unter Sobolis • chind.us Stirpe • chunne.119, wohl von der gleichen Hand 1 2 0 , notiert worden ist. Stirpe bezieht sich auf diesen Passus der gleichen Homilie Gregors zu Lc 3,1-11: . . . Sed Judaei de generis nobilitate gloriantes, idcirco se agnoscere peccatores nolebant, quia de Abrahae Stirpe descenderant .. ,121. Von den Juden wird gesagt, daß sie sich nicht als Sünder ansähen, weil sie vom Geschlecht Abrahams abstammten.
2. Die ältesten A/W-Belege vom Ende des achten Jahrhunderts Die vorgestellten althochdeutschen Glossenbelege zu den Bezugswörtern proles und suboles können insgesamt eine zweifelsfreie Bedeutung .Geschlecht' f ü r kind nicht stützen. Dieser Befund ist des weiteren zu ergänzen durch die anderen althochdeutschen kind-Belege. Dabei seien zunächst die nach ihrer Überlieferung noch dem achten Jahrhundert zuzuweisenden Zeugnisse näher untersucht. Die rund zwanzig Belege dieser Zeit finden sich nur in Glossenhandschriften. (1) Im Clm 6300, einer in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts wohl in Oberitalien entstandenen Gregorhandschrift, die nach Freising gekommen ist122, ist auf fol. 19vb über dem Textlemma pignomm interlinear mit dem Griffel das Syntagma dero chindo12i eingeritzt worden. Das Lemma steht im weiteren Zusammenhang der Moralia in lob (Buch III, Kap. VIII) Gregors des Großen: . . . post junera pignomm, post vulnera scissurasque membrorum, antiquus hostis linguam movit uxoris .. ,124 ,nach dem T o d der Kinder, nach den Wunden und dem Brechen der Glieder, wirkt der alte Feind ein auf die Worte der Frau'. Die Stelle ist auf Hiob 1,18 f. und Hiob 2, 7 - 9 zu beziehen. Mit den pignora125 sind die Kinder Hiobs bezeichnet, die Söhne und Töchter (Hiob 1,18 f.), die getötet worden sind. Entsprechend ist auch f ü r das althochdeutsche Interpretament im Genitiv Plural dero chindo die Bedeutung ,Kind' anzugeben. »" M P L . 76, Sp. 1163 B, p. 1519. 117 D e r Bezugstext ist Lc 3 , 1 - 1 1 , insbesondere 3,7. 118 StSG. II, 294, 39. StSG. II, 294, 43. 120 StSG. II, 294, A. 19. 121 MPL. 76, Sp. 1164 A, p. 1520. 122 R.Bergmann, D i e althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8.Jahrhunderts, S.21 mit weiteren Verweisen. 123 H . M a y e r , Althochdeutsche Glossen: Nachträge, S.74, 11. 124 MPL. 75, Sp.605 D . 125 G H . II, Sp. 1705.
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Die althochdeutschen
kind-Belege
(2) In der St. Galler Abrogans-Handschrift 1 2 6 ist auf p.48 das lateinische Interpretament filius columpe des hebräischen Personennamens Bariona mit dem entsprechenden Syntagma khind tupü (= tupun)127 übersetzt. Das lateinische Interpretament filius columbae findet sich außer bei Eucherius 128 bei Hieronymus im Uber interpretationis hebraicorum nominum: Bariona filius columbae. syrum est pariter et hebraeum. bar quippe lingua syra filius, et iona columba utroque sermone dicitur129. Lat. filius ist demnach mit ,Sohn' zu übersetzen, was gleichermaßen f ü r das althochdeutsche Interpretament gilt. (3) Ein zweiter Beleg der St. Galler Handschrift findet sich auf p. 134 in einer insgesamt verderbten Glossengruppe 130 . Der Zusammenhang wird deutlicher unter Berücksichtigung des Parallelbelegs der Pariser H a n d schrift. Hier ist zu velfiliis edo chindüui eingetragen. Das Lemma der althochdeutschen Glossierung ist neben cordibus und cytera Interpretament zu Fidibus. Die korrekte Gestalt von filiis wäre demnach filis, eine Form von filum. Wie auch bei den anderen Interpretamenten 132 ist das verderbte Interpretament ohne Berücksichtigung seines ursprünglichen Lemmas Fidibus als Form von filius ,Sohn, Kind' verstanden worden, was dann zur entsprechenden Glossierung mit chind geführt hat. In der St. Galler Handschrift geht die Entstellung der Glossengruppe noch weiter, da cordibus mit seinem althochdeutschen Interpretament fehlt und das lateinische Lemma von khindumlii noch weiter verformt ist, indem aus ursprünglichem filis jetzt filius geworden ist, das volkssprachige Interpretament also auch formal mit dem lateinischen Bezugswort nicht übereinstimmt. (4) In den althochdeutschen St. Pauler Lukasglossen 134 , die, der Schrift nach im Bodenseegebiet eingetragen, kaum über die Wende vom achten zum neunten Jahrhundert zurückzudatieren sind 135 , ist chindli6 beziehungsweise chindh insgesamt siebenmal überliefert. Die Interpretamente
126
Zur Datierung und Lokalisierung sieh weiter oben. In Pa chind tupun (StSG. I, 60, 16). 128 Zum Zusammenhang sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 117 f. >" P. de Lagarde, Onomastica sacra, S.93, Nr. 60, 22-24; dort ferner S.204, Nr. 174, 7; S.209, Nr. 182, 98; S.214, Nr. 188, 82; S.225, Nr.201, 51; zum Beinamen des Simon Petrus sieh Mt 16,17 und Joh 1,42. Auf die Erklärung des Namens durch Hieronymus nimmt auch Isidor von Sevilla Bezug: Simon Bar-iona in lingua nostra sonat filius columbae, et est nomen Syrum pariter et Hebraeum. Bar quippe Syra lingua filius, Iona Hebraice columba; utroque sermone dicitur Bariona (Etymologiae, VII, 9, 4-5). Hrabanus Maurus bezieht sich in seiner Enzyklopädie De universo (MPL. 111, Sp.85f.) auf Isidor. Dazu sieh H.Kolb, PBB. 87 (Tübingen 1965) S. 367-370. 130 J. Splett, Abrogans-Studien, S. 228 f. zum weiteren Zusammenhang. 131 StSG. I, 154, 29. 132 Dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S.228f. 133 StSG. I, 155, 29. 134 Dazu jetzt L.Voetz, Die St. Pauler Lukasglossen. 135 B. Bischoff, Mittelalterliche Studien, III, S.75, A.3. 136 L.Voetz, Die St.Pauler Lukasglossen, S. 186f., 214f., 218f., 250f. 122
Die ältesten kind- Belege vom Ende des achten Jahrhunderts
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beziehen sich dreimal auf puer137, zweimal auf filius und zweimal auf infam. Bis auf einen Beleg, wo mit puer (Lc 1,66) Johannes der T ä u f e r als Kind bezeichnet wird 138 , wird an allen anderen Stellen Jesus bezeichnet, als Sohn der Maria 139 , als Kind in der Krippe 140 oder als Knabe, der nach jüdischem Brauch nach acht Tagen zu beschneiden ist 141 . Ahd. chind beziehungsweise chindh bezeichnet in den St. Pauler Lukasglossen demnach den Sohn, das Kind und den Knaben. (5) Auch im Glossar Rb 142 ist, bis auf einen Beleg 143 , chind beziehungsweise khind das Interpretament zu filius und infans. Die Kontexte der lateinischen Lemmata dieses frühen Glossars sind bei der Bedeutungsermittlung der althochdeutschen Glossen zu berücksichtigen. Zu colidebantur filii in utero (Gen 25,22) 144 findet sich das Interpretament uuarun sarnant stozonti chind in inneode145. Mit filii sind hier die beiden noch nicht geborenen Söhne Isaaks, Jakob und Esau, bezeichnet, die sich im Leib der Rebekka stoßen. Ahd. chind ist als Nominativ Plural zu bestimmen und mit ,Kind' zu übersetzen. Des weiteren übersetzt khind smeckharlihazXib das lateinische Syntagma infantem eligantem. Bezugstext ist Ex 2,2: . . . quae concepit et peperit filium et videns eum elegantem abscondit tribus mensibus ... ,Die wurde schwanger und gebar einen Sohn und als sie sah, daß er schön war, verbarg sie ihn drei Monate lang'. Entgegen der Vulgata, die hier nur eum elegantem hat, findet sich in Rb die von den sonstigen Vulgatahandschriften abweichende Lesung infantem eligantem, mit der Moses bezeichnet wird, khind ist auf infans bezogen und mit ,Kind' zu übersetzen. Das volkssprachige Interpretament ist im übrigen innerhalb der Glossierung von Rb wohl selbst Bezugswort f ü r ein nachfolgendes Interpretament daz zu eum (Ex 2,3) geworden 1 4 7 . Im weiteren Kontext des Glossars (zu Ex 2,5.6) ist wiederum infantem mit khind wiedergegeben 148 . Das Lemma infantem ist an dieser Stelle in der übrigen Vulgataüberlieferung nicht vorhanden. Es könnte sich um eine lateinische Glosse zu parvulum der Vulgata, der Bezeichnung f ü r M o ses im Binsenkörbchen, handeln 149 . Auch hier ist khind mit ,Kind' zu übersetzen. 137
L V o e t z , Die St. Pauler Lukasglossen, S.200f., 210 f., 212 f. L.Voetz, Die St. Pauler Lukasglossen, S. 155, 186f. >" Lc 2,7. 48; L.Voetz, Die St. Pauler Lukasglossen, S.200f., 250 f. 140 Lc 2,12. 16 f. 141 Lc 2,21; L.Voetz, Die St.Pauler Lukasglossen, S.218f. 142 Zur Überlieferung sieh weiter oben. 143 Dazu sieh weiter oben. 144 Die Vulgata hat parvuli statt filii. 145 StSG. I, 316, 67. 14 ' StSG. I, 335, 5. 147 Zum Zusammenhang E.Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S. 168 f. 148 StSG. I, 335, 13. 149 Vermutung von E.Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S.153f.
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Die althochdeutschen kind- Belege
In den anderen fünf Fällen in Rb übersetzt chind lat. filius. Zu dem Syntagma filii gemini, filii iemini, filius ieminili0 bietet Rb dreimal chind unchunnes"1. An allen drei Bibelstellen bezeichnet filii iemini die Benjaminiten, die Nachkommen Benjamins. Ahd. chind übersetzt filius ,Sohn, Nachkomme'. Außerdem signalisiert das Nebeneinander von chind und unchunnes in der vorliegenden Glossierung vom Ausgang des achten Jahrhunderts, daß chind nur als Bezeichnung für den einzelnen Nachkommen eines Geschlechts angesehen worden ist. Mit dem im Genitiv Singular flektierten Neutrum unchunni wird der Stamm der Benjaminiten bezeichnet. Diese Bezeichnung setzt eine Kenntnis des weiteren Bibeltextes der glossierten Stelle voraus. In Jdc 19-21 ist eine Schandtat der Bewohner von Gibea, einer Stadt im Stammesgebiet der Benjaminiten, Anlaß für eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Stamm Benjamins, der sich auf die Seite Gibeas stellt, und den anderen Stämmen Israels. Die Benjaminiten werden dabei nahezu ganz vernichtet. Der Stamm Benjamin hat sich damit als unwürdig erwiesen. Auch an den beiden anderen Stellen (Reg 1,9,21; 22,7) wird direkt auf diese Begebenheit Bezug genommen. Als filius iemini bezeichnet sich Saul, der somit aus dem geringsten der Stämme Israels (de minima tribu Israhel) kommt und dennoch zum König berufen ist. Als filii iemini spricht dann Saul auch seine Gefolgsleute an, was in Rb wieder mit chind unchunnes152 glossiert ist. Ahd. unchunni ist, soweit zu sehen ist, im Althochdeutschen nur in insgesamt sieben Belegen überliefert, von denen sich allein fünf im Glossar Rb finden. Zwei Zeugnisse sind in den Bibelglossenhandschriften Clm 19440 und Clm 18140 der Familie Μ überliefert zu spuria uitulamina (Sap4,3) 153 . Die hier übergeschriebenen Belege sind offensichtlich sekundär zu einer schon vorhandenen Glossierung hinzugesetzt worden. Es fällt auf, daß sich die Glossierung unchunnes vuinrepa beziehungsweise vnchunnesuvinrepa zur gleichen Stelle schon in Rb findet: unchunnes uuinrebau4. Bezeichnet werden unechte, wuchernde (Wein)rankentriebe, die im Pflanzenstock nicht verwurzelt sind. Zum Lemma spurius1™ findet sich in Rb noch eine Doppelglossierung: unchunnes edo huarchunnes. Das lateinische Bezugswort, spurius, im Kontext Attribut zu vir (Reg I, 17,4), ist Bezeichnung für den Philister Goliath, der als vir spurius .Bastard' bezeichnet wird 156 . Zur selben Bibelstelle bietet die Handschrift Stuttgart, WLB. Cod. theol. et phil. 2° 218 die Glosse de ignobili patre et de nobili matre zvitamli?. In Ib und Rd findet sich die Glosse spurius nothus 150
Jdc 19, 16; Reg I, 9, 21; 22, 7. StSG. I, 388, 59; 410, 12; 411, 61. 152 StSG. I, 411, 61. 153 StSG. I, 556, 9-11. 154 StSG. I, 559, 11. 155 GH. II, Sp.2778 (.unehelich; das uneheliche Kind, Hurenkind'). 156 Der hebräische Text hat hier die Bezeichnung für den Zweikämpfer. >57 StSG. I, 393, 32. 33. 151
D i e ältesten kind-Belege
vom Ende des achten Jahrhunderts
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zuitarn158. Die f ü r unchunni im Althochdeutschen Glossenwörterbuch 1 5 9 gegebene Bedeutungsangabe .niedrige H e r k u n f t ' ist nach P r ü f u n g der Belegstellen also wohl nicht zutreffend. Das Lemma exposito filio in Sap 18,5 wird in Rb mit kisaztemu chinde160 glossiert. Mit dem hier genannten ausgesetzten Kind ist Moses gemeint. chind hat hier die Bedeutung ,Kind'. Lat. filius beziehungsweise die Form filios ist schließlich auch im letzten hier zu besprechenden Fall mit chind1''1 übersetzt. Das lateinische Lemma super filios uulgi ist in der Vulgataüberlieferung zu der zugrundeliegenden Textstelle so nur in der St. Galler Handschrift 40 überliefert. Hier ist das von einer ersten H a n d geschriebene super ßlias dann von einer zweiten H a n d korrigiert worden in super filioslbl. In den anderen Handschriften lautet die Stelle: ...et superfluos vulgi qui remanserant transtulit Nabuzarada η magister militum in Babylonem ... (Jer 39,9). Nach dem Fall Jerusalems werden die Übriggebliebenen des Volkes von Nabuzaradan nach Babylon geführt. Obwohl hier eine Textvariante althochdeutsch glossiert ist, zeigt die Übersetzung doch, daß chind auch hier in Hinblick auf des hiuuaskesM zu vulgi an dieser Stelle den einzelnen Angehörigen einer Gemeinschaft, hier des Volkes Israel, bezeichnet. (6) Vom ausgehenden achten Jahrhundert stammt schließlich die Handschrift Clm 4614, die die Cura pastoralis Gregors des Großen überliefert 164 . Die aus Benediktbeuern stammende Handschrift gehört nach B. Bischoff 165 zu einer Gruppe, die möglicherweise aus dem Frauenkloster Kochel nach Benediktbeuern gekommen ist. Uber dem lateinischen Bezugswort paruoli ist interlinear die Glosse khind166 eingeritzt. Das Lemma steht in diesem Textzusammenhang: ... Tales autem sese qui praesunt exhibeant, quibus subjecti occulta quoque sua prodere non erubescant; ut cum tentationum fluctus parvuli tolerant, ad Pastoris mentem quasi ad matris sinum recurrant .. ,167 ,Es muß aber das Verhalten des Seelsorgers derart beschaffen sein, daß seine Untergebenen sich nicht scheuen, ihm selbst ihre geheimen Fehler aufzudecken. Sie sollen, wenn sie den Sturm der Versuchungen aushalten müssen, zum Hirten ihre Zuflucht nehmen können, wie die 158
StSG. I, 292, 58; sieh ferner die Glossierung der Stelle in den Handschriften der Bibelglossenfamilie Μ (StSG. I, 400, 6 0 - 6 5 ) . StWG. S.667. 160 StSG. I, 560, 18. 161 StSG. I, 637, 7. 162 Biblia Sacra iuxta Latinam vulgatam versionem, X I V , S.218. StSG. I, 637, 7. 8; StWG. S.280: hiwiski, hlwisch .Haushalt, Familie" verzeichnet das Lemma vulgus nicht, desgleichen fehlt eine entsprechende Bedeutungsangabe; man vergleiche im literarischen Wortschatz SchW. S. 85: hiwisci .Familie, Geschlecht'. 164 Mit weiteren Angaben R.Bergmann, D i e althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S.20. Mittelalterliche Studien, III, S.25, A . 1 0 0 . PBB. 52 (1928) S. 156, 15; in der gleichen Handschrift ferner die Glossen folc zu uulgus (S. 157, 4) und chunne zu ordine (S. 157, 11). 167 MPL. 77, S p . 3 3 C; zu Cura pastoralis, II, 5.
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Die althochdeutschen
Belege
kleinen Kinder in den Schoß der Mutter eilen!' 168 . In Hinblick auf den Zusammenhang der Textstelle ist auch khind mit .(kleines) Kind' zu übersetzen. Wie die hier zusammengestellten Belege, die nach ihrer Uberlieferung noch dem ausgehenden achten Jahrhundert zuzuweisen sind, zeigen, kann, bis auf einen allerdings recht zweifelhaften Fall 169 , eine Bedeutung .Geschlecht' eines Femininums kind im frühesten Althochdeutsch nicht bezeugt werden. Im folgenden werden die Zeugnisse besprochen, die nach der Uberlieferung in die erste Hälfte des neunten Jahrhunderts zu datieren sind.
3. Die Belege der literarischen Denkmäler aus der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts In den literarischen Denkmälern 1 7 0 ist chind beziehungsweise chindh insgesamt fünfmal im althochdeutschen Isidor belegt. Nach B. Bischoff 171 ist die Schrift der überliefernden Handschrift Paris, Bibliotheque Nationale Ms. lat. 2329, die in ein nördlicheres austrasisches Gebiet weist, um a. 800 anzusetzen. Ein Jesaja-Zitat (Jes 9,6) . . . Paruolus, inquit, natus est nobis, filius datus est nobis, et factus est principatus eius super humerum eius ... wird übersetzt mit . . . Chindh uuirdit uns chiboran, sunu uuirdit uns chigheban, endi uuirdit siin herduom oba sinem sculdrom .. ,172. Ahd. Chindh übersetzt lat. parvulus171. Es steht im Kontext neben sunu, das lat. filius ,Sohn' übersetzt, was im übrigen auch an allen anderen Stellen im althochdeutschen Isidor der Fall ist 174 . Chindh ist hier mit ,Kind' zu übersetzen. Bezeichnet wird das Kind, das als Friedefürst verheißen ist. Lat. parvulus ist auch an einer weiteren Stelle (Isidor XLI, 17) Lemma f ü r ahd. chind: Liuzi[l]l7i chind dribit auur dhiu alliu, dher ist dhazs chiuuisso dher sih dhurah unsih chiodmuodida so selp so chind17b. Im weiteren 168 Übersetzung von J. Funk, Des heiligen Papstes und Kirchenlehrers Gregor des Großen Buch von der Pastoralregel, S. 100. Sieh S.36. 170 Sieh die Angaben bei SchW. S.97. Die literarischen Denkmäler werden mit den bei SchW. S . X I I I - X X V verwendeten Siglen zitiert. 171 Mittelalterliche Studien, III, S. 108. 172 - G.A.Hench, Der althochdeutsche Isidor, S.23, XXII, 8 (I.). 173 Wenn die Übersetzung des Isidor-Traktates auch nicht nach dem beigeschriebenen lateinischen Text angefertigt worden ist, werden hier doch die entsprechenden Bezugswörter genannt. Zum Zusammenhang sieh K. Matzel, Untersuchungen, S.50, 373 f. und passim. 174 Sieh die Zusammenstellung der sunu-Belege bei G.A.Hench, Der althochdeutsche Isidor, S. 180; ftlia ist mit dohter, tohter übersetzt worden (I. XI, 21; Μ. X X X V , 13). ,7S Der Parisinus hat Liuzit. Zur Konjektur sieh Der althochdeutsche Isidor. Nach der Pariser Handschrift und den Monseer Fragmenten neu herausgegeben von H. Eggers, S. 75, A. zur Stelle. 176 I. XLI, 17.
Die Belege der literarischen Denkmäler
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Kontext der Stelle 177 steht neben lat. puer noch parvulus, was hier aber als Adjektivattribut zu puer aufgefaßt worden ist, wie die althochdeutsche Übersetzung mit Liuzil chind (Isidor XLI, 14) zeigt. Ahd. chind ist auf lat. puer .Knabe' zu beziehen und entsprechend zu übersetzen. Der weitere Text enthält eine Auslegung von Jes 11,3-9. Der vorliegende Satz ist direkt auf Jes 11,6 et puer parvulus minabit eos ,und ein kleiner Knabe wird sie treiben' zu beziehen. Dieser kleine Knabe wird auf Christus hin ausgelegt, der sich für uns erniedrigte, wie dieser ein kleines Kind ist. Ahd. chind (Isidor XL, 14) ist mit,Knabe', chind (Isidor XL, 17)178 mit ,Kind' zu übersetzen. In allen genannten drei Isidor-Stellen wird ein männliches Kind bezeichnet, ein kleiner Knabe (lat. parvulus, puer parvulus). Auch die nachfolgenden zwei Belege stehen in einem Zusammenhang (Isidor XLI, 21-XLII, 5), der auf den gleichen Jesajatext zu beziehen ist. Im Anschluß an Jes 11,8 wird der lateinische Text Delectatur quoque infans ab ubere super foramine aspidis übersetzt mit Dhazs chind uuas gerondifona muoter179 brustum ubar dhes aspides hol1S0. ,Das kleine Kind hat nach der Brust der Mutter verlangt über dem Loch der Schlange'. Bezeichnet wird hier der Säugling, dem die Ubersetzung ,Kind' von chind Rechnung trägt. Der weitere Text: Dum gentes que solebant uenena praedicare aliquando, conuersi etiam paruoli christi fidem delectantur audire legt den vorhergehenden Satz auf Christus hin aus: Bauhnit, innan dhiu dheodun chiuuon uuarun iuhuuanne eitarpredigon, dhea auur chihuuoruane in miltnisso chindo, lustida sie christinheidi chilaupnissa chihoran181. Die Menschen, die gleichsam die Sanftmut der kleinen Kinder wieder erlangt haben, verlangt es, den Glauben der Christenheit zu vernehmen. Wie an den oben genannten Stellen übersetzt chind lat. parvulus. Während chind oder chindh im althochdeutschen Isidor lat. parvulus, puer parvulus und infans übersetzt, wird lat. filius an allen Stellen mit sunu wiedergegeben. In der überwiegenden Zahl bezeichnet filius Christus als Sohn Gottes. Daneben ist aber auch auf eine Stelle hinzuweisen, an der filii israhel,Kinder Israel' des lateinischen Textes, der hier Hosea 3,4 zitiert, mit israheles suni182,Söhne Israels' übersetzt wird, und auch *israheles chind hätte erscheinen können. Lat. puer wird mit chneht übersetzt 183 . Lat. puer bezeichnet einmal (Isidor X X X , 5) den ältesten Diener Abrahams (Gen 24,2 f.), in den beiden anderen Stellen (Isidor XVIII, 17. 22) den Knecht Gottes, von dem Jesaja (Jes 42,1) spricht. Hier sei nur diese Stelle ausdrücklich angeführt, in der filius und puer nebeneinander stehen: Paterfilium dilectum puerum vocat erscheint in der althochdeutschen Ubersetzung Fater meinida dhar sinan sun, dhuo ir chimin177 178 179 180 181 182 183
G.A.Hench, Der althochdeutsche Isidor, S.42. Wie auch in I. XXII, 8. muoter steht über der Zeile. I. XL, 21. I. XLII, 1-5. I. XXXVI, 2. I. XVIII, 17. 22; XXXIII, 5.
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Die althochdeutschen kind- Belege
nan chneht nemnida. Die strenge Ausrichtung am lateinischen Text zeigt sich im althochdeutschen Isidor schließlich auch da, wo lat. servus an den vorkommenden drei Stellen mit ahd. scalch184 übertragen wird. Einmal (Isidor XXXVII, 7) wird David als Knecht Gottes angesprochen 185 , zum anderen wird Christus als scalch ,Knecht', unter Bezug auf Phil 2,7, bezeichnet. Unter den Fragmenten der um a. 810 im Kloster Monsee geschriebenen Sammelhandschrift 186 findet sich ein Fragment vom Schluß einer unbekannten Predigt 187 , in der ein noch lesbares hind wohl zu [c]hindl%% zu konjizieren ist. Da der Textzusammenhang gestört ist, kann das Wort nicht zweifelsfrei übersetzt werden. G.A. Hench 1 8 9 hat aufgrund weiterer Wörter des Fragments, wie unmeini [magjad, in ira uuamba, deorun sun, vermutet, daß hier der Schluß einer Predigt ,De nativitate domini' vorliegen könnte, dem aber widersprochen worden ist190. In den auf fol. 116» bis 117b und fol. 122b bis 129b der Handschrift Oxford, Bodleian Library Ms. Junius 25 überlieferten Murbacher Hymnen ist der Faszikel VII (fol. 122 bis 129) von einer Reichenauer H a n d aus dem ersten Viertel des neunten Jahrhunderts 1 9 1 geschrieben worden. Hier findet sich am Anfang der ersten Hymne zu natus ein chind-Be\eg. Der Text lautet nach der Handschrift 1 9 2 : ta.
cho
Egypt us flebat fortit • ta
bes
gaudebat isrt • agniftectus
chindo.
natorx t
chrimmiu
dira
reuuir.
no.
fu / nera • solus
te.
sanguine.
Der althochdeutsche, interlinear eingetragene Text ist folgendermaßen zu konjizieren: [egypt uuafjta [starchlijcho chindo chrimmiu reuuir [ei]no [mand]ta [israhel] [lamjbes [kascirm]t[er] [pluajte™. .Ägypten jammert heftig über den grausamen Tod 1 9 4 der Söhne, nur Israel frohlockt, beschützt durch das Blut des Lammes'. Der Text bezieht sich auf 1. Mose 11 f., wo von der Tötung der männlichen Erstgeborenen Ägyptens 195 und der Bewahrung des Volkes Israel durch das Schutzzeichen des Blutes des Lam184
G.A.Hench, Der althochdeutsche Isidor, S. 176. Textbezug ist l.Chron 17,4. 186 Wien, ÖNB. Cod. 3093*; Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek Ms. I. 20. 187 G.A.Hench, The Monsee Fragments, S.XXII, 68 (Nr.XLI), 93f. (MF.); K.Matzel, Untersuchungen, passim; Schrifttafeln, S.8*; B. Bischoff, Mittelalterliche Studien, III, S.76. 188 M F , XLI. 189 The Monsee Fragments, S.XXII. 1.0 Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem VTII-XII Jahrhundert, S. 348-350. 1.1 B. Bischoff, Mittelalterliche Studien, III, S.81; Schrifttafeln, S.9*f. 1.2 Sieh die Abbildung in den Schrifttafeln, Tafel 6; der Text: Die Murbacher Hymnen, S. 29f. (ΜΗ. I, 5). 1.3 Μ Η . I, 5. 1.4 chrimmiu reuuir ist Akkusativ Plural. 1.5 Man vergleiche die Übersetzung von primogenita mit eristporaniu (ΜΗ. I, 3) im weiteren Kontext. 195
Die Belege der literarischen Denkmäler
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mes an seinen Häusern gesprochen wird. Lat. natus1'*', hier im Genitiv Plural, wird mit chindo glossiert, was entsprechend mit ,Sohn' zu übersetzen ist. In der in zwei Handschriften 1 9 7 vom Anfang des neunten Jahrhunderts beziehungsweise aus dem ersten Viertel des neunten Jahrhunderts 1 9 8 überlieferten Exhortatio ad plebem christianam ist cAiWo199 zu filii (Vokativ Plural) bezeugt. Mit filii werden die Gläubigen zu Beginn der Exhortatio angesprochen, chind wäre demnach am ehesten mit ,Kind' zu übersetzen, was im übertragenen Sinne gebraucht ist: Audite, filii, regulam fidei, quam in corde memoriter habere debetis ... Hloset ir, chindo liupostun, rihtida thera galaupa, the ir in herzin kahuctlicho hapen sculut .. 200 ,Hört, ihr allerliebsten Kinder, die Richtschnur des Glaubens, die ihr in Erinnerung im H e r zen haben sollt, ...'. In der in der St. Galler Handschrift 916 der Stiftsbibliothek aus dem frühen neunten Jahrhundert 2 0 1 überlieferten althochdeutschen Benediktinerregel übersetzt chind lat. puer, filius, in/ans und alumnus. Während lat. alumnus202 nur einmal Bezugswort für chind203 ist, ist in/ans zweimal mit chind204 übersetzt. Lat. filius ,Kind' findet sich viermal mit der althochdeutschen Übersetzung chind205, lat. filius ,Sohn' zweimal 206 . Dabei wird einmal ein Zitat aus dem Römerbrief (Rom 8,15) Accepistis spiritum adoptionis filiorum mit entfiangut atum ze uunske chindo207 übertragen. H . Ibach 208 hat darauf aufmerksam gemacht, daß der Ubersetzer der Benediktinerregel gelegentlich lateinische Wörter, die mit einer Präposition komponiert sind, als Syntagma auffaßt. So versteht er etwa admonitionem als ad monitionem ze manungu oder deliberatione als de liberatione f[ona] frihalse. Daneben wäre dann auch adoptionis zu stellen, das dann als ad optionis ze uunske verstanden worden wäre. Da im Lateinischen eine Genitivform *optionis nach einer Präposition ad aber nicht zu erwarten ist, läge ein grobes grammatisches Mißverständnis vor. Da wunsc(h) und die entsprechenden Verben wie wunscen, erwunschen, zua(gi)wunscen zu lat. adoptio, adoptatio beziehungsweise adoptare und adoptivus im althoch1.6
G H . II, Sp. 1103. Kassel, Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel und Landesbibliothek 4° Ms. theol. 24, fol. 13b—15a; München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6244, fol. 145a. 146a. 1.8 B. Bischoff, Mittelalterliche Studien, III, S. 9 9 - 1 0 1 . StSpD. S.49. 200 T e x t im Clm 6244 nach StSpD. S.49, 1 - 5 . 201 B. Bischoff, Mittelalterliche Studien, III, S.82. 202 GH.. I, Sp. 349 f. 205 StSpD. S. 191, 20. 204 StSpD. S. 236, 29; 252, 33. 205 StSpD. S. 191, 26; 192, 10. 17; 198, 7. 2 °" Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana Cod. Pal. lat. 485, fol.2 b -3 b . 560 StSpD. S. 301, 7. 22; 303, 3; zur Datierung StSpD. S.304; Althochdeutsches Lesebuch, S. 166 (Pergamentblätter des 10./11. Jahrhunderts). 361 Mittelalterliche Studien, III, S. 14; zur Handschrift sieh H. Tiefenbach, Xanten - Essen - Köln, S. 185-188; BV. Nr. 149. 362 H.Tiefenbach, Xanten - Essen - Köln, S. 186; H.Tiefenbach, in: R. Schützeichel, Addenda und Corrigenda (II), S.113-121, insbesondere S.118-121. 363 StSG. IV, 298, 58; E.Wadstein, Kleinere altsächsische Sprachdenkmäler, S.56 b , 16. 358
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D i e althochdeutschen kind- Belege
paßt. Es zeigt zudem die Graphie f ü r germ, au, die im altsächsischen Raum auffällt 364 , und auf ein geschlossenes l ö l hindeuten kann. Ein zweiter kind-Beleg365 ist auf fol. 135 r überliefert, wo er zu lactauerunt eingetragen worden ist. Das lateinische Lemma steht in diesem Zusammenhang: quoniam ecce venient dies in quibus dicent beatae steriles et ventres qui non genuerunt et ubera quae non lactauerunt (Lc 23,29) ,Denn siehe, es kommen Tage, an denen man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht gestillt haben'. Das Interpretament kind ist nur graphisch auf das Lemma bezogen. E. Steinmeyer 366 schlägt eine Ergänzung durch sougtun vor 367 . Das volkssprachige W o r t kind kann als Ergänzung zu lactauerunt verstanden werden, ohne im lateinischen Text eine genaue Entsprechung zu haben. Wie im ersten Beleg der Essener Handschrift bezeichnet kind auch hier den Säugling. Es ist am ehesten vor dem Hintergrund des Textes mit ,Kind' zu übersetzen. In den Bibelglossen der Familie Μ ist chind beziehungsweise chint 368 in den beiden Handschriften Wien, Österreichische Nationalbibliothek 2723 und 2732 überliefert, die dem 10. Jahrhundert angehören. Das Lemma liberi369 steht in diesem Zusammenhang: et habuit duas uxores nomen uni Anna et nomen secundae Fenenna fueruntque Fenennae filii Annae autem non erant liberi ( l . S a m 1,2) ,Und der hatte zwei Frauen. Der Name der einen war Anna und der Name der anderen Fenenna. Fenenna hatte Kinder, Anna aber hatte keine Kinder'. Mit lat. liberii70 sind vor allem die Kinder ohne Differenzierung des Geschlechts bezeichnet, so daß chind (chint) hier mit ,Kind' wiederzugeben ist. Im gleichen Traditionszusammenhang der Bibelglossenfamilie Μ steht zu dem Syntagma filios nepotum suorum im Text et consummati sunt sermones Tobi et posteaquam inluminatus est vixit annis quadraginta duobus et vidit filios nepotum suorum (Tobias 14,1) ,Zu Ende sind die Worte des Tobias. Und nachdem Tobias wieder sehend geworden war, lebte er zweiundvierzig Jahre und sah die Kinder seiner Enkel', in der Handschrift Wien, Ö N B . Cod. 2732 die Übersetzung chind sinero chindo chindo371, während die Parallelhandschrift, Wien, Ö N B . Cod. 2723, nur sinero chindo chindo bietet, mit Rasur von chind vor sinero372. 364
J . H . Gallee, Altsächsische Grammatik, S . 7 6 f . , §98; in den Essener Evangeliarglossen auch in mülbuoma und guoma. 365 StSG. IV, 300, 30; E. Wadstein, Kleinere altsächsische Sprachdenkmäler, S.58, 14. 366 StSG. IV, 300, A . 1 1 . 367 Man vergleiche etwa die Ubersetzung des althochdeutschen Tatian zu dieser Stelle: salige sint umberente inti uuambun thiede ni barun inti brusti thiode ni sougitun ( T . 2 0 1 , 3). 368 StSG. I, 396, 6. D i e beiden Handschriften bieten libri (StSG. I, 396, Α. 1). 370 Man vergleiche G H . II, Sp.638. 371 StSG. I, 479, 61. 62; zur Bezeichnung der Enkel sieh jetzt J. Erben, Großvater und Enkel. Zur Bezeichnungsgeschichte der Vorfahren und Kindeskinder im Deutschen, Sprachwissenschaftliche Forschungen, S. 9 1 - 9 9 . 372 StSG. I, 479, A. 15.
D i e kind- Belege des 10. Jahrhunderts
61
Dieselben Glossen werden zu beiden Bibelstellen in Handschriften des 11., 12. und 13. Jahrhunderts 3 7 3 weitertradiert, weshalb auf eine Darstellung dieser Parallelzeugen verzichtet werden kann. Hier ist allerdings ein Beleg näher zu besprechen, der in der aus Windberg stammenden H a n d schrift Clm 22201 auf fol.239 r in der zweiten Spalte überliefert ist. Die Bibelglossen dieser Handschrift sind nach K. Matzel 374 zwischen a. 1160 und a. 1165 eingetragen worden. In der Glossenedition von E. Steinmeyer und E. Sievers 375 ist zu dem Lemma non uir das Syntagma niht gut ginti7b angegeben. Eine bei gint angenommene Verschreibung aus *chint erklärt sich nach K. Matzel 377 aus dem vorhergehenden gut. Die Handschrift hat sonst chint 378 und chinteite379. Gegenüber den Parallelhandschriften, die nach E. Steinmeyer 380 nohguotchn&h, nohguotchneht, nohguotchneth, nohguotohnehiht, niht gut chneht bieten, liegt im Clm 22201 eine Abweichung gegenüber der Tradition vor, was auch sonst ein Charakteristikum der Handschrift ist 381 . Die Veränderung ist wohl ohne Rücksicht auf den glossierten Bibeltext vorgenommen worden, der lautet: et ait David ad Abner numquid non vir tu es et quis alius similis tui in Israhel quare ergo non custodisti dominum tuum regem ( l . S a m 26,15) ,und David sprach zu Abner: Du bist doch wohl ein Mann, und deinesgleichen gibt es nicht in Israel! Warum hast du deinen Herrn, den König nicht bewacht?' David konnte unbemerkt in das Lager Sauls eindringen, was er nun Abner, dem Feldhauptmann Sauls, zum Vorwurf macht, der als guter Gefolgsmann und Diener seines Herrn den König hätte schützen müssen. Die Glossierung noh guot chneht trägt dem Kontext des Lemmas non vir Rechnung. Wenn dieser Textzusammenhang bei dem Interpretament des Clm 22201 nicht beachtet ist, bleibt die Frage, wie der Glossator dann das immerhin isolierte Lemma vir verstanden hat. In Hinblick auf die Bedeutung von vir382 und die Be573 Die Belege bei StSG. I, 396, 6; 479, 61. 62. Die Glossen sind überliefert in den H a n d schriften Clm 18140 (nach C h . E . E d e r , StMOSB. 83 (1972) S.113: drittes Viertel des 11. Jahrhunderts, Tegernsee), Clm 19440 (nach C h . E . E d e r , S t M O S B . 83 (1972) S. 141: um a. 1000 in West- oder Süddeutschland), Clm 13002 (a. 1158 in Prüfening fertiggestellt), Clm 22201 (zwischen a. 1160 und a. 1165 sind die Glossen in Windberg eingetragen worden), Göttweig 4 6 / 1 0 3 (früher Ε 5) (Göttweig, 12. Jahrhundert), Clm 17403 (a. 1241 in Scheyern angefertigt). 174 Die Bibelglossen, S. 172 f. 375 StSG. I, 404, 57; die Handschrift hat Non MIR. 376 N a c h Prüfung im Mikrofilm der Handschrift ist die Lesung zweifelsfrei. Das Interpretament ist im Althochdeutschen Glossenwörterbuch (StWG. S. 330) unter kint nicht erfaßt, sondern mit Fragezeichen zu kneht (S. 337) gestellt. 377 Die Bibelglossen, S. 139. 378 StSG. I, 396, 6. 379 StSG. 1, 701, 66. 3,0 StSG. I, 404, 5 4 - 5 6 . 381 Mit weiteren Beispielen K. Matzel, Die Bibelglossen, S. 3 1 - 3 7 , 42, 47. 382 G H . II, S p . 3 5 0 4 f . ,Mann, Soldat'; vir ist in den althochdeutschen Glossen neben kneht, gomo, gomman, gimahelo, man, chart, wigman auch Lemma zu degan\ sieh StWG. S.92, 212, 233, 322, 337, 397, 726 mit den einzelnen Belegstellen; G.Köbler, Lateinisch-germanistisches Lexikon, S.460; E. Steinmeyer, [Handschriftlicher Index], S. 535.
62
Die althochdeutschen kind- Belege
Zeichnungsfunktion von kind in anderen althochdeutschen und mittelhochdeutschen Texten 383 könnte hier durchaus an den jungen Mann gedacht worden sein. Näher liegt aber die Vermutung, daß das volkssprachige Interpretament der Vorlage für die Veränderung zu gint verantwortlich ist. Das Interpretament chneht wäre dann in der Bezeichnungsfunktion verstanden worden, die es sonst mit chind gemeinsam hat, nämlich das Kind oder den Knaben zu bezeichnen. Die hier vorgetragenen Uberlegungen zu gint sind schließlich noch durch einen weiteren Hinweis zu relativieren. Blickt man auf die Art und Weise des Glosseneintrags im Clm 22201, so fällt auf, daß das lateinische Lemma Non uiR mit dem übergeschriebenen Interpretament niht gut gint in einer Zeile mit zwei anderen Stichworten in dieser Anordnung steht: massa. niht gut gint
figen,
Massas. Non uiR. Caricarü. Diese Zeile ist wiederum in einem weiteren Zusammenhang zu beurteilen, der in der Handschrift folgendermaßen erscheint: zi schirmin
pinusit
.i. firmis
Pro muro. Re5cisset. Tutis simis.
vart
gibrochot
.i. stultus.
simis. Pes. Confregit. Na gimegeton
bal. Increuerunt. Sata. hohate.
genus mensure. Adparie ricciin
gidartez
tem. Ligaturas. Passe. massa.
niht gut gint
figen.
Massas. Non uiR. Caricarü. rebhun
irbezothe
obelei.
Pdix. Descendit. Benedicti sufzunga
vnsenft
onem. Singultü. Scrupuniht
liphaftogot
lum. Non uiuificauit. Die Reihenfolge der lateinischen Lemmata entspricht in einigen Teilen nicht der Abfolge, in der sie im lateinischen Bibeltext auftreten 384 . Insbe583
M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, I, Sp. 1575 f. Man vergleiche den Abdruck der Lemmata nach dem Bibeltext bei StSG. I, 403 f. für den vorliegenden Passus. Der obenstehende Textabschnitt aus dem Clm 22201 ist erhoben worden nach einem Mikrofilm der Handschrift im Archiv des Althochdeutschen Wörterbuchs von Prof. Dr. R. Schützeichel. 384
Die kind-Belege
des 10. Jahrhunderts
63
sondere das Nacheinander der Lemmata Ligaturas, Uue passeiSi, Massas caricarum, Descendit ist im vorliegenden Codex gestört. Das Lemma Massas caricarum (1. Sam 2 5 , 1 8 ) ist durch das Lemma Non uiR (1. Sam 26,15) auseinandergerissen. Uber der Lemmazeile stehen diese Interpretamente: Über Massas steht tnassaiib, dann folgt niht gut gint, worauf sich unmittelbar ßgen zu Caricarü anschließt. Nach Caricarü steht in der nächsten Zeile -Pdix ( l . S a m 26,20), das sich in der Folge des lateinischen Bibeltextes nach dem Lemma Non UIR anschließen müßte. Dann folgen wieder die nächsten glossierten Lemmata Descendit, Benedictionem, Singultü und Scrupulum, die schon nach Massas caricarum folgen müßten 3 8 7 . D e r Befund legt insgesamt die Vermutung nahe, daß mit der Störung im Lemma Massas caricarum durch Non WIR auch eine Störung bei den Interpretamenten eingetreten ist. Massas caricarum wird in einigen Parallelhandschriften mit gichneth, gichn&h figono, gichnet figono, chehet figono388 glossiert. D a gint über UIR unmittelbar vor figen zu Caricarü zu stehen kommt, könnte es auch aus einem früheren *gichnetiS9 entstellt sein. Zudem kann sich leicht eine Vermischung von *gichnet und chneht ergeben haben. Das Interpretament gint wäre dann nicht aus *chint entstellt, was unter der Voraussetzung einer bewußten Änderung im Interpretament angenommen worden ist, sondern eine Vermischung von zwei ehedem verschiedenen Interpretamenten zu einem .neuen' Wort, das eine bloße Entstellung ist. In der von B. Bischoff 3 9 0 in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts datierten Handschrift Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1716, die wohl aus Lorsch stammt 3 9 1 , steht unter anderen althochdeutschen Aratorglossen auf fol. 51 v am Rand das Interpretament kint uuesentan392, das auf das Lemma rudern in dem folgenden Kontext zu beziehen ist: . . . Ο fratres patresque viri! Me nostis in oris / His venisse rüdem; doctrinae deditus omni / Legis amore fui; .. , 393 . Das Lemma der Handschrift ist nach der Ausgabe von E. Steinmeyer daneben durch ein übergeschriebenes Interpretament puerum adhuc394 glossiert. Mit rudern bezeichnet sich Paulus selbst in der Rede, die er nach seiner Gefangennahme vor dem Volk in Jerusalem hält 3 9 5 : ,Oh (ihr) Brüder und Väter! Ihr wißt, daß ich jung in diese Gegend Clm 22201 hat nur Passe. Man vergleiche dieses Lemma in den Handschriften St. Gallen, Stiftsbibliothek 299 und Stuttgart, WLB. Cod. theol. et phil. 2° 218 (StSG. I, 394, 31). 387 Sieh den Abdruck bei StSG. I, 404, 20-49. 388 StSG. I, 404, 20-22. 3 8 ' Sieh zur Stelle ferner StSG. I, 394, 6. 31; 412, 29 und A.7. 3 . 0 Lorsch im Spiegel seiner Handschriften, S.77, A. 79; S. 84, A.45. 3 . 1 B. Bischoff, Lorsch im Spiegel seiner Handschriften, S. 118. 3 . 2 StSG. II, 774, 28. 3 . 3 CSEL. 72, S. 129 f.; Arator, De actibus Apostolorum, II, 924-926. 394 Man vergleiche zur Stelle das lateinische Interpretament puerulum in der Handschrift Cambridge, University Library, MS GG. 5. 35 (G. R. Wieland, The Latin Glosses on Arator and Prudentius, S.255). 3 , s Zum weiteren Kontext sieh Apg 22, 1-5. 385
386
64
Die althochdeutschen kind- Belege
gekommen bin. Ich habe mich mit ganzem Eifer der Lehre vom Gesetz gewidmet; . . . Nach der Apostelgeschichte 396 sagt Paulus von sich, daß er in Jerusalem erzogen und zu den Füßen des Gamaliel unterrichtet worden sei: . . . Ego sum vir Judaeus, natus in Tarso Ciliciae, nutritus autem in ista civitate, secus pedes Gamaliel eruditus juxta veritatem patemae legis, aemulator legis . . . . Das volkssprachige Interpretament kint kann leicht durch die übergeschriebene lateinische Glossierung hervorgerufen worden sein. Da lat. puer auch Bezeichnung f ü r den jungen Mann sein kann 397 , ist nicht auszuschließen, daß rudis als Bezeichnung f ü r Paulus vor seiner Bekehrung verstanden worden ist, wenngleich auch nicht anzunehmen ist, daß hier eine Kenntnis der historischen Biographie des Paulus vorliegt, wonach er erst nach dem T o d e Jesu, also als junger Mann, nach Jerusalem gekommen sein soll 398 . So ist puer hier doch wohl eher als Bezeichnung f ü r den Knaben aufzufassen. Paulus bezieht sich auf die Zeit, als er noch rudis3", das heißt noch nicht eruditus400 war. Damit kann auch kint in dem Syntagma (Akkusativ Singular Maskulinum) kint uuesentan ,ein Knabe seiend' entsprechend übersetzt werden.
7. Die kind-Belege
des 11. Jahrhunderts
Im elften Jahrhundert ist chind beziehungsweise chint in den literarischen Denkmälern-bei Notker und im althochdeutschen Physiologus 401 bezeugt. Die rund 140 Belege 402 bei Notker, im Text und in der Psalterglossierung, beziehen sich, wenn sie ein lateinisches W o r t neben sich haben, auf diese Lemmata: in/ans, puer; liberi, parvulus, partus, proles, filius, natus, nepos, adolescentulus, semen und pignus. Daneben erscheint das Wort mittelbar bezogen auf adolescentia, primogenitus und ablactatus. Ahd. chint ist in den meisten Fällen bei Notker mit ,Kind, Sohn, Knabe' zu übersetzen. U n ter den Notker-Belegen sind einige jedoch in Hinblick auf ihr lateinisches Bezugswort näher zu besprechen. Einmal steht chint 403, neben proles, zu filii und filie. Der hier zugrundeliegende Boethiustext Alius prole letatus. filii. filieue delictis mestus inlacrimat404 ,Ein anderer, der sich einer Nachkommenschaft erfreut, beweint traurig die Vergehen seines Sohnes oder seiner Tochter' 4 0 5 übersetzt N o t 3
" Apg 22, 3. GH. II, Sp.2067; sieh ferner A.Hofmeister, Papsttum und Kaisertum, S.287-316. 3.8 Sieh dazu J. Schmid, Paulus, LThK.VIII, Sp.216; G. Bornkamm, Paulus, RGG.V, Sp. 167 f. 3 " GH. II, Sp.2419f. 400 So der Wortlaut der Vulgata in Apg 22, 3. 401 Dazu sieh unten. 402 Notker-Wortschatz, S. 306. 3.7
403
Ν . I, 8 2 , 2 0 .
404
Consolatio philosophiae, II, 4. p. Boethius. Trost der Philosophie, S.59.
405
Die
Belege des 11. Jahrhunderts
65
ker mit Sum habet chint cnüogiu. unde chlagot aber daz siv fratatig sint*ot. Aufgrund des Kontextes (chint cnüogiu, siv ... sint) ist chint als Akkusativ Plural Neutrum zu bestimmen und mit .Kinder' zu übersetzen, wobei sowohl Sohn als auch Tochter gemeint sind. Den Satz Cuius laribus obuersatus fueram ab adolescentia aus dem ersten Buch der Consolatio philosophiae des Boethius 407 überträgt Notker mit In dero seldon ih fone chinde uuoneta408 ,In deren H a u s ich von Kindheit an wohnte' 409 . Boethius spricht hier von der Philosophie als seiner Nährerin (nutricem meam) seit seiner Jugend. Das lateinische Lemma adulescentia410 bezeichnet in der Regel das Alter des jungen Mannes vom 14. bis zum 21. Lebensjahr 411 . Wenn Notker hier mit chinde übersetzt, so muß das nicht heißen, daß er an die Kindheit oder das Knabenalter gedacht hat, der ganze Zeitraum der Jugend ist vielmehr nicht auszuschließen, so daß chint hier auch die Bedeutung .junger Mann' anzeigen könnte. So wird dann in der Boethiusübersetzung auch lat. adolescentulus, das einen jungen Mann bezeichnen kann 412 , von Notker mit chint übertragen. Den weiteren Kontext des Lemmas, Nonne adolescentulus didicisti iacere in limine iouis. duis pithus ton men ena kakon ton de eteron elon ,Hast du nicht schon als Knabe gelernt, daß ,zwei Fässer, das eine mit Übeln, das andere mit Gutem' auf der Schwelle Jupiters liegen?' 413 , übersetzt Notker: Nelirnetost tu na chint uuesenter. daz pacubius poeta screib . zuo chüfä ligen folle. under iouis turon. eina güotes . unde andern ubelesf414. Ahd. chint kann auch hier mit,Knabe' übersetzt werden, wenngleich eine Ubersetzung mit .junger Mann' ebenso vertreten werden kann. Insgesamt zwölfmal steht chint bei Notker zu lat. puer. Während in fünf Fällen aufgrund des weiteren Textzusammenhangs chint mit .Knabe' 415 oder mit .Sohn' 416 zu übersetzen ist, ist an zwei Stellen nicht auszuschließen, daß auch hier der junge Mann bezeichnet wird. Von Saturnus wird gesagt, daß er, der im Winter altert, sich im Frühling wieder verjüngt 417 . Ferner steht das Interpretament zu puer in einem Kontext 418 , 406
Ν . I, 82, 20 f. Consolatio philosophiae, I, 3. p., 4 f. 408 Ν . I, 18, 1. 40 ' Zur Übersetzung des Syntagmas /one chinde mit ,νοη Kindheit an' vergleiche man G. F. Benecke-W. Müller-F.Zarncke, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, I, S. 188 a ; M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, I, Sp. 1575. 410 G H . I, Sp. 150; Mittellateinisches Wörterbuch, I, Sp.233. 411 O d e r sogar bis zum 28. Lebensjahr. Zu den Bezeichnungen der Lebensalter sieh A. Hofmeister, Papsttum und Kaisertum, S . 2 8 7 - 3 1 6 . 412 G H . I, Sp. 150; Mittellateinisches Wörterbuch, I, Sp.234. 413 C o n s o l a t i o philosophiae, II, 2. p . , 4 0 - 4 2 : Nonne adulescentulus δ ύ ο π ί θ ο υ ς τ ο ν μ ε ν ε ν α κακών, τ ο ν δε ε τ ε ρ ο ν έ ά ω ν in Jovis limine didicisti ? (Boethius. Trost der Philosophie, S.49, 51). 4,4 Ν . I, 62, 14-17. 415 Ν . II, 636, 20; I, 763, 13; 813, 7; 835, 14. 416 Ν . II, 638, 10. 417 Ν . I, 746, 24. 41 » Ν . I, 754, 2 7 - 7 5 5 , 4. 407
66
D i e althochdeutschen kind- Belege
in dem drei Altersstufen des puer, iuuenis und des senex, bezogen auf die drei Tageszeiten des Morgens, des Mittags und des Abends, unterschieden werden, in die das Leben des Menschen eingeteilt wird. Lat. senex wird mit alt übersetzt, was sicher auf den alten Menschen hinweist. Lat. iuuenis wird mit iungeling*19 übersetzt und die erste Altersstufe mit chint420. Wenngleich eine Ubersetzung mit ,Knabe' nahegelegt ist, ist doch nicht auszuschließen, daß hier die ganze Jugend in den Blick kommt und damit auch ein junger Mann gemeint sein kann. Zwar steht chint neben iungeling, so daß es den Anschein hat, das sei die Bezeichnung f ü r den jungen Mann, doch zeigt der Zusammenhang der Textstelle, daß iuuenis immerhin auf eine Zeitspanne bezogen ist, die bis zum Alter reicht, also weit mehr umfaßt, als mit einer Angabe j u n g e r M a n n ' ausgesagt wäre und dann den jungen Menschen überhaupt bezeichnen könnte. Im Text und in der lateinischen Kommentierung 4 2 1 von des Martianus Capella De nuptiis Philologiae et Mercurii werden die drei Gestalten Attis, Adonis und Triptolemos jeweils als puer bezeichnet. In allen drei Fällen übersetzt Notker 4 2 2 das lateinische Lemma mit chint. Von den bezeichneten Personen her ist die lateinische Bezeichnung puer hier wohl am ehesten mit .junger Mann' 4 2 3 zu übersetzen. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß Notker aufgrund des sonst als Bezeichnung des Kindes oder Knaben auftretenden lat. puer eine Übersetzung mit chint gewählt hat, doch ist ebenso nicht von der H a n d zu weisen, daß das lateinische Bezugswort als Bezeichnung f ü r den jungen Mann verstanden worden ist, womit dann f ü r das volkssprachige chint ebenfalls eine entsprechende Bezeichnungsfunktion angenommen werden kann. An vier Stellen 424 werden Israel und David als pueri Gottes angesprochen. Hier hat lat. puer offensichtlich die Bedeutung ,Diener' 425 , wie auch da, wo in Psalm 112,1 die Diener Gottes allgemein angesprochen werden 426 . In den genannten Fällen kann puer aber durchaus auch als Bezeichnung des Sohnes oder Kindes Gottes im übertragenen Gebrauch verstanden werden, wonach chint entsprechend zu übersetzen wäre. Doch ist 419 Ν . I, 755, 2. D a s Wort ist daneben bei N o t k e r noch einmal zu iuvenis ( Ν . I, 757, 27) und zu adolescens ( Ν . II, 199, 11) überliefert. Während hier Mars als iuvenis bezeichnet wird, ist der dritte Beleg in einer Auslegung zu vitulos in Ps 50,21 zu finden: in sancta ecclesia gezogene iungelinga sanctos et innocentes, was ergänzt wird durch den Hinweis auf die Märtyrer Laurentius und Vincentius. Zur Auslegung vergleiche man den Kommentar Cassiodors: Vitulos quippe posuit, aut pro innocentibus adultis, quorum aetas prima est ... Qua propter siue de adolescentibus, siue de praedicatoribus, siue de martyribus sentiatur (CCSL. 97, S . 4 6 8 f . ) . 420 Ν . I, 754, 30. 421 K. Schulte, D a s Verhältnis von Notkers D e Nuptiis Philologiae et Mercurii zum K o m mentar des Remigius Antissiodorensis, S. 84. 422 Ν . I, 835, 11. 14. 17. D e r letzte Beleg wird im Notker-Wortschatz von E . H . S e h r t und W. K. Legner, S. 306, nicht verzeichnet. 42) Sieh etwa G H . II, S p . 2 0 6 7 f . 424 Ν . II, 268, 16; 357, 27; 635, 26; 638, 7. 425 G H . II, Sp. 2068. 426 Ν . II, 483, 28.
D i e £ i W - B e l e g e des 11. Jahrhunderts
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nicht auszuschließen, daß chint auch bei N o t k e r die Bedeutung ,Diener' gehabt haben kann. Während chneht, bei Notker viermal 427 überliefert, immer den Krieger beziehungsweise den Soldaten bezeichnet und zu lat. miles, vir (fortis), satelles, (artna) zu stellen ist, damit also als Übertragung von puer an diesen Stellen nicht in Frage kommt, käme neben chint nur scalh als Bezeichnung des Dieners 428 in Betracht, das sich jedoch nicht zu puer, sondern nur zu servus und famulus stellt 429 . Gleichwohl werden so auch die Diener Gottes, Abraham, David, Mose und Israel, bezeichnet. Die Bezeichnung chint ist daher offensichtlich unter dem Eindruck des lateinischen Lemmas puer gewählt worden, so daß puer hier dann von N o t ker auch als ,Sohn' verstanden worden sein kann. Immerhin ist in allen Fällen ein erwachsener Mensch so in seiner bestimmten Funktion und Relation zu Gott mit chint bezeichnet. In der Psalmenglossierung fallen schließlich zwei Belege auf, die ebenfalls auf eine Bedeutung j u n g e r M a n n ' hinweisen können. Im Zusammenhang der Erzählung von den drei Jünglingen im Feuerofen (Dan 3,1-30), den drei Gefährten Daniels, Sadrach, Mesach und Abed-Nego, werden die drei bei Augustin 430 und Cassiodor 4 3 1 als tres pueros de Camino bezeichnet, was Notker an dieser Stelle übernimmt 432 . Berücksichtigt man den weiteren Kontext der Bibelstelle, wird verständlich, warum die drei Männer als pueros bezeichnet werden konnten. Als Knaben waren die jungen Israeliten an den Hof Nebukadnezars gekommen (Dan 1,4), um hier erzogen zu werden und dann in den Dienst des Königs zu treten (Dan 1,5.17 f.). Sie sind dann als junge Männer in den Feuerofen geworfen worden. Wenngleich die volkssprachige Glossierung auch hier mit,Knabe' übersetzt werden kann, ist eine Angabe Junger Mann' wenigstens nicht abzuweisen. Im Zusammenhang der althochdeutschen Uberlieferung ist auch der ältere Physiologus zu nennen, dessen abschriftliche Uberlieferung aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wohl auf einer älteren Vorlage beruht, die den Text nahe an die Zeit Notkers des Deutschen heranrückt 4 3 3 . Der im Codex 223 der Osterreichischen Nationalbibliothek Wien überlieferte Physiologus 434 bezeugt einmal chint 435 in diesem weiteren Zusammenhang: Tenne soser chint habin uuile, so uerit er mit sinemo uuibe ze demo
427 Notker-Wortschatz, S.308. Auch die Bezeichnungen chnehtheit .Tapferkeit, Stärke' (SchW. S . 9 9 ) und chnehtwesen ,Kriegsdienst tun' (SchW. S . 9 9 ) stellen sich in diesen Zusammenhang. 428 SchW. S. 168; Notker-Wortschatz, S . 4 5 1 . « ' E . H . S e h r t , Notker-Glossar, S . 1 7 9 . 430 N o t k e r latinus, S.67; MPL. 36, Sp.173. 431 MPL. 70, Sp. 155A. 432 Sieh A. 429; zum Ideal des puer senex sieh Ch.Gnilka, Aetas spiritalis, S. 2 2 3 - 2 4 4 . 433 Zur zeitlichen Einordnung des Physiologus sieh R. Schützeichel, Studia Linguistica et Philologie», S. 155-158. 434 Ebenda, passim. 435 StSpD. S. 128, 80.
68
D i e althochdeutschen kind- Belege
paradyse, dar diu mandragora uuässet, daz ist chindelina uurz,436 ,Denn, wenn er Kinder haben will, dann begibt er sich mit seiner Frau zu dem Paradies, wo die Mandragora wächst, das ist eine Pflanze f ü r kleine Kinder'. Mit chmt werden hier die Jungen des Elefanten bezeichnet. Wenngleich ein Tierjunges gemeint ist, ist hier doch eine Ubersetzung mit ,Kind' angezeigt. Neben der Bezeichnung findet sich an der gleichen Stelle in der Erklärung der Mandragora als Aphrodisiakum die Bezeichnung chindelm 'kleines Kind'.
8. Die Glossenbelege des 12. Jahrhunderts In der Sammelhandschrift Wien, Ö N B . Cod. 804, wohl aus St. Florian vom Ende des 12. Jahrhunderts 4 3 7 , die auch älteres Glossenmaterial überliefert, findet sich in einem sachlich geordneten Glossar unter der Überschrift De propinquis*ie chint als Interpretament zu infans**9 neben einer Reihe anderer volkssprachiger Verwandtschaftsbezeichnungen. Zweifellos ist hier das Kind gemeint, ohne eine Differenzierung nach dem Geschlecht. Es folgen dann die entsprechenden Bezeichnungen sun zu filius440, tochter zu filia441 und chabe (wohl verschrieben aus *chnabe442) zu puer. D a ß auch im Summarium Heinrici 443 kint444 Bezeichnung f ü r die Kinder allgemein ist, legt der überlieferte Zusammenhang nahe. Im dritten Buch der ersten Fassung des Summarium Heinrici stehen im Kapitel De Homine et Partibus eius vel de Cognatione et Affinitate445 suni und kint in diesem Passus nebeneinander: Parentes quasi parientes id est fordrun. Filii suni vel kint. Liberi quia ex libero sunt matrimonio nati, nam filii ex libero et ancilla servilis condicionis sunt. Soboles quod substitutio sit generis. Filia doh436 StSpD. S. 128 f.; man vergleiche den bei E. v. Steinmeyer parallel abgedruckten lateinischen T e x t des Physiologus: . . . cum voluerit filios procreate, vadit in orientem cum femina sua usque in proximum. Est autem ibidem herba mandragora nomine ... (StSpD. S. 128f., 9 5 - 9 8 ) . 437 StSG. IV, S.636, 37, N r . 6 0 0 ; F. Unterkircher, Inventar, S . 2 6 . 43s StSG. III, 427, A. 5. StSG. III, 427, 14. 440 StSG. III, 427, 15. 441 StSG. III, 427, 16. 442 StSG. III, 427, 17 und A . 1 6 . 443 Zu Datierung und Lokalisierung dieses Kompendiums um a. 1030 in Würzburg sieh H . T i e f e n b a c h , BNF. N F . 10 (1975) S. 2 1 4 - 2 8 0 ; W. Wegstein, Studien zum >Summarium H e i n r i c k , S. 19-51, will demgegenüber aufgrund der Seneca-Zitate des Prologs, die in Verbindung mit der erst im 12. Jahrhundert in Deutschland verbreiteteren Seneca-Rezeption gesehen werden, einen Hinweis für eine Spätdatierung des Werkes in die Mitte des 12. Jahrhunderts (S. 35: ,etwa von 1140 bis 1160') sehen. 444 Sieh die Belege in ihren Varianten bei StSG. III, 66, 5 - 8 ; R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, I, S. 118, 43. D i e Sigle S H . ( = Summarium Heinrici) erscheint im folgenden bei den Angaben der einzelnen Kapitel des Werkes. 445 R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, I, S. 117, 33 f.
D i e Glossenbelege des 12. Jahrhunderts
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ter. .. ,446. Neben anderen Verwandtschaftsbezeichnungen steht kint als Interpretament zu Filii, das der Form entsprechend außerdem noch mit suni erklärt wird. Die beiden volkssprachigen Interpretamente beziehen sich offensichtlich auf die beiden Bezeichnungsfunktionen, die der Pluralform Filii zukommen, nämlich sowohl ,Söhne' als auch ,Kinder' zu bezeichnen. Filius erscheint nicht eigens, wohl aber ist Filia mit dohter genannt. Hinzuweisen ist hier auch auf das Kapitel De Etate Hominis**7, in dem die Lemmata in/ans und puer jedoch nicht volkssprachig übersetzt werden: Infans est dictus qui adhuc fari nescit. Que tendit usque ad septimum annum. Puer dicitur a puritate, cuius etas ad quartumdecimum annum tendit. ... Ephebus quod sit puerus ut Phebus id est sol, que etas ad XVmum annum tendit. Adolescens quod ad gignendum sit adultus, que etas ad viginti octo annos tendit. Iuvenis quod iuvare incipiat que etas trigesimo anno finitur (ivngelinc). Gravitas septuagesimo anno terminatur. In der zweiten Fassung des Summarium Heinrici in sechs Büchern steht kint**8 in dieser Reihe: Filii vel nati vel liberi sune vel kint. Item soboles. Filia dohter. Der Befund entspricht dem der Langfassung. 446 R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, I, S. 118, 4 2 - 4 6 . Zum Traditionszusammenhang sieh die entsprechenden Passagen in Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum libri X X , IX, 5, 11-13 und 17-18. 447 S H . III, 8; R.Hildebrandt, Summarium Heinrici, I, S. 136-138, der Text insbesondere S. 136 f.; dazu vergleiche man Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum libri X X , XI, 2, 1-6. 44 " StSG. III, 176, 10; SH. I, 1 (Kurzfassung); R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, II, S. 3, 3 f.
IV. Die Bezeichnungsfunktionen von kind im Althochdeutschen Überblickt man die rund 350 Belegstellen von kind im Althochdeutschen, bezeichnet das Wort in etwas mehr als der Hälfte der Fälle449 das Kind, womit dann neben der Bezeichnung des noch ungeborenen Kindes, des neugeborenen Kindes und des kleinen Kindes vor allem die Relation der Abstammung von den leiblichen Eltern angezeigt wird. Daneben kann kind auch die Nachkommen überhaupt bezeichnen, was dann weitere Generationen einschließt. In allen Fällen ist hier das natürliche Geschlecht der bezeichneten Personen oder ihr Alter für die Verwendung der Bezeichnung nicht relevant. Wenn auch da, wo ein einzelnes Kind bezeichnet wird, in der Uberlieferung immer ein männliches Kind gemeint ist, können da, wo mehrere Kinder erscheinen, männliche und weibliche Kinder gleichermaßen angesprochen sein. Desgleichen werden Personen nicht nur bis zu einem bestimmten Alter Kinder genannt, sondern noch Erwachsene können als Kinder ihrer Eltern bezeichnet werden. Die Tatsache, daß kind möglicherweise in erster Linie als Bezeichnung einer Person hinsichtlich ihrer Abstammung angesehen werden kann, führt dazu, daß das Wort auch im übertragenen Sinne eine vergleichbare Beziehung aussagen kann. So werden zum Beispiel die Menschen Kinder Gottes, Kinder Adams, Kinder Abrahams, Kinder Jerusalems, Kinder der Apostel, Kinder der Kirche, Kinder guten Gedankens oder Kinder der Weisheit genannt. Auch hier sind das natürliche Geschlecht und das jeweilige Alter für die Wahl der Bezeichnung nicht relevant. Bis auf einen Beleg450, wo kind lat. ftliae ,Töchter (Jerusalems)' übersetzt, bezeichnet das Wort in einigen Stellen nur das männliche Kind, den Sohn. Während das in Abgrenzung zu einer Bezeichnung für die Tochter nur einmal zu belegen ist451, ist in den anderen Fällen vom zugrundeliegenden Kontext und von einem lateinischen Bezugswort her eine Angabe ,Sohn' zu vertreten. Während hier die Relation der direkten Abstammung und das natürliche Geschlecht relevante Gebrauchsbedingungen sind, spielt das Alter keine Rolle. So können neugeborene Kinder, der zwölfjährige Jesus, die Söhne Noahs, die Söhne Jakobs oder die Söhne des Zebedäus gleichermaßen als kind bezeichnet werden. 4 4 ' Die Nachweise der einzelnen Stellen sieh obep im Zusammenhang der Einzeldarstellung der althochdeutschen Belege. D i e Fälle, die eine eindeutige Entscheidung f ü r eine Ubersetzung nicht zulassen, sind hier unter der wahrscheinlichsten berücksichtigt worden. 4 5 0 T . 201, 2. 4 5 1 T . 67, 10 (kint inti dohter).
D i e Bezeichnungsfunktionen von kind
im Althochdeutschen
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Das W o r t tritt auch da auf, wo eine Sohnschaft im übertragenen Sinne 452 ausgdrückt werden soll, so etwa in den Beispielen ,Sohn der Taube', ,Söhne des Donners', ,Söhne des Reiches', ,Söhne der Hochzeit', ,Söhne der Welt',,Söhne des Lichts',,Söhne der Auferstehung',,Söhne der Schädelstätte', ,Söhne des Kreuzes' oder als Anrede einer älteren Person für eine jüngere. Ohne eine verwandtschaftliche oder andere Beziehung auszudrücken, kann kind schließlich auch bloß das männliche Kind bezeichnen. So bezeichnet es einmal den Knaben, tritt aber andererseits auch als Bezeichnung f ü r den jungen Mann auf, wie es im Hildebrandslied und im Ludwigslied zu erweisen ist, und wie es in der althochdeutschen Ubersetzung der Benediktinerregel 453 und bei Notker 4 5 4 Hinweise f ü r diese Bezeichnungsfunktion gibt, wo vor allem puer das lateinische Bezugswort ist. Lat. puer ist schon in der Antike als Bezeichnung f ü r den Jüngling, den jungen Mann bezeugt 455 . Bei Isidor 456 ist puer die Bezeichnung f ü r den Knaben im Alter von 7-14 Jahren (pueritia). Das Wort wird nach drei Hinsichten definiert: Puer autem tribus modis dicitur, pro nativitate, ut Esaias (9,6):,Puer natus est nobis'. Pro aetate, ut octoennis, decennis [sie!]. Vnde est illud: Iam puerile iugurrt tenera cervice gerebat. Pro obsequio et fidei puritate, ut Dominus ad prophetam (/er 1, 7): ,Puer meus es tu, noli timere', dum iam Jeremias longe pueritiae excessisset annos [sie!]. Damit weist Isidor auf drei Bezeichnungsfunktionen hin, die das W o r t haben kann, so die Aspekte der Geburt und Abstammung, des Alters und der Relation zu einer übergeordneten Instanz, der Gehorsam und Gefolgschaft geleistet wird. Auf die pueritia folgt bis zum 28. Lebensjahr dann bei Isidor die adolescentia, der sich bis zum 50. Lebensjahr die iuventus anschließt. Diese Angaben Isidors werden auch weitertrajliert im Summarium Heinrici, wo im dritten Buch, Kapitel VIII, De Etate Hominis, sich dieser Abschnitt findet: Infans est dictus qui adhuc fari nescit. Que tendit usque ad septimum annum. Puer dicitur α puritate, cuius etas ad quartumdeeimum annum tendit. ... Ephebus quod sit puerus ut Phebus id est sol, que etas ad XVmum annum tendit. Adolescens quod ad gignendum sit adultus, que etas ad viginti octo annos tendit. Iuvenis quod iuvare ineipiat, que etas trigesimo anno finitur*i?. N u r in der Handschrift 1124/2058 (früher 31) der Stadtbibliothek Trier 458 findet sich 452
In einigen Fällen ist auch eine Übersetzung mit ,Kind' im übertragenen Sinne möglich. StSpD. S. 273, 14. 454 Ν . I, 62, 15; sieh ferner I, 746, 24; 754, 30; 835, 11. 14. 17; zu ab adolescentia ,von Jugend auf' die W e n d u n g /one chinde (I, 18, 1); in der Psalterglossierung zu lat. puer. 455 G H . II, S p . 2 0 6 7 f . ; sieh ferner F.Boll, NJAGL. 31 (1913) S . 8 9 - 1 4 5 ; J. de Ghellinck, Studia mediaevalia, S. 3 9 - 5 9 . 456 Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum libri X X , XI, 2, 3; die Angaben Isidors zur Abgrenzung der Altersstufen sind von Hrabanus Maurus in seiner E n z y k l o pädie D e universo übernommen worden (MPL. 111, Sp. 179 C - D ) . 457 R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, I, S. 136f. 458 BV. Nr. 882 mit weiteren Literaturangaben; R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, I, S.XXXVII. 453
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Die Bezeichnungsfunktionen von kind im Althochdeutschen
zu iuvenis das volkssprachige Interpretament ivngelinc459, das dann vor dem skizzierten Hintergrund den erwachsenen Mann bezeichnen kann. A. Hofmeister 4 6 0 hat in seiner Untersuchung der Altersangaben in historischen Quellen des 12. Jahrhunderts darauf hingewiesen, daß die drei Altersstufen der in/antia, pueritia und adolescentia zu einer großen pueritia (bis 28 Jahre) zusammengefaßt werden können. Diese Altersstufe grenzt sich dann von der inventus ab, die wie bei Isidor immerhin bis zum 50. Lebensjahr gerechnet werden kann. Wenngleich inventus eigentlich das Mannesalter bezeichnet, kann iuvenis durchaus schon den jungen Mann bezeichnen, der jünger als 21 Jahre ist. In der Regel findet sich hier jedoch lat. adolescens (12./14. Lebensjahr bis höchstens zum 28. Lebensjahr). Wenn die lateinischen Bezeichnungen der Altersstufen auch nicht immer bewußt vor dem Hintergrund der hier skizzierten Schemata gebraucht worden sein müssen, geben die zeitlichen Abgrenzungen doch einen Anhaltspunkt. Wenn ahd. kind daher zu lat. puer oder adolescentulus erscheint, ist damit zu rechnen, daß es, wie sein Bezugswort, den jungen Mann bezeichnen kann. Damit zeigt sich, daß die althochdeutsche Bezeichnung kind, wenn sie als Altersbezeichnung verwandt wird, einen größeren Zeitraum abdeckt, als das heute bei der neuhochdeutschen Bezeichnung Kind der Fall ist. Als Bezeichnung für den jungen Mann steht kind in der althochdeutschen Überlieferung neben jungeling, chindesc man und dem substantivierten Adjektiv jung4il. Die Bezeichnung jungeling ist im althochdeutschen literarischen Wortschatz nur bei Notker 4 6 2 überliefert, wo sie zweimal auf iuvenis und einmal auf adolescens zu beziehen ist. Als ruber iuvenis*6i wird Mars bezeichnet, was Notker mit Remigius erklärt als ein rot iungeling. uuanda sin sterno rot ist. Lat. iuvenis ist in der Übersetzung von Martianus Capeila noch ein zweites Mal mit iungeling 4 " R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, I, S. 137, 293 f.; StSG. III, 75, 25; sieh ferner R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, II, S.8, 156 f.; StSG. III, 179, 24: Adolescens jungelinc vel iuvenis vel ephebus. Im Glossar Id der Handschrift Oxford, BL. Jun. 83 steht iungelinc zu Ephebus (StSG. III, 382, 7), gefolgt von den Einträgen Adolescens idem. Adultus idem. Iuvenis idem. (StSG. III, 382, A. 2). In den Glossae Hildegardis findet sich iungelinch zu Zimzial iuuenis (StSG. III, 390, 29). In der Prudentiusglossenhandschrift Düsseldorf, Universitätsbibliothek F 1 glossiert ivnglinga das Lemma ephebo (StSG. II, 590, 34). 460 Papsttum und Kaisertum, S. 296, 306 f.; sieh ferner J. A. Burrow, The Ages of Man, passim; Η.-R. Hagemann, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. HRG., I, Sp. 134-137. 461 Das bei StWG. S.318 verzeichnete juncman zu adolescens (StSG. III, 390, 30) ist erst aus mittelhochdeutscher Zeit überliefert in den Glossae Hildegardis der Handschrift Berlin, StBPK. Ms. lat. 4° 674 (früher Cheltenham, Bibliotheca Phillippica 9303) (BV. Nr. 51); zum Wort neben altman sieh insbesondere L. Voetz, Komposita auf -man, S. 36-40, S. 153-156; zu weiteren Bezeugungen sieh M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, I, Sp. 1488; J. Grimm-W.Grimm, Deutsches Wörterbuch, XIV, 2, Sp.2398. 462 SchW. S.94; N.I, 755, 2; 757, 27; II, 199, 11. 4 " Martianus Capeila, De nuptiis Mercurii et Philologiae, I, 82.
D i e Bezeichnungsfunktionen von
kind im
Althochdeutschen
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übersetzt. Hier bezeichnet iuvenis das zweite der insgesamt drei Lebensalter des Sol, der zu Beginn des Jahresumlaufs als Knabe, eines sconis chindes kelichi, erscheint, aber in der Mitte eines trätes iungelinges. also ouh tiu hizza starehesta ist in mitten dag464. Da hier das ganze Leben nur in drei Altersstufen gegliedert wird, kann mit iungeling nicht nur ein Jüngling, sondern möglicherweise auch ein Mann von 30 bis 50 Jahren bezeichnet werden, wie bei Isidor lat. iuvenis Bezeichnung f ü r den Mann bis zum Alter von 50 Jahren ist. In Erklärung von Ps 50,21, tunc imponent super altare tuum uitulos ,dann legen sie Kälber auf deinen Altar', werden die uitulos bei Cassiodor 465 als innocentibus adultis und adolescentibus, siue de praedicatoribus, siue de martyribus sentiatur ausgelegt. Notker kommentiert die Stelle unter Bezugnahme auf Cassiodor mit einem Hinweis auf die Märtyrer Laurentius und euuarto Vincentius: Danne legent sacerdotes chalber üfen dtnen altare diu dir lichent. Nals fone dero sueigo genomeniü. nube in saneta ecclesia gezogene iungelinga. heilige limundige sanetos et innocentes . also Laurentius ums unde Vincentius et ceTERI TALES,Dann legen die Priester Kälber auf deinen Altar, die dir gefallen. Nicht die aus der Rinderherde.genommenen, sondern in der heiligen Kirche aufgezogene heilige und sündlose Jünglinge'. Im althochdeutschen Tatian 4 6 7 bezeichnet das substantivierte Adjektiv iungo, das sich an allen Stellen auf adolescensiW bezieht, den reichen Jüngling, den Jüngling, der Jesus nach seiner Gefangennahme folgt, und den Jüngling zu Nain. In der althochdeutschen Benediktinerregel stellt sich die Form iungemii'> zu iuuenibus in diesem Kontext: Balnearum usus infirmis quotiens expedit offeratur; Sanis autem et maxime iuuenibus tardius concedatur. Das substantivierte Adjektiv erscheint hier als Bezeichnung des jungen Mannes, ohne daß eine genaue Altersangabe gemacht wird. Eine Abgrenzung erfolgt nur gegenüber den Alten, denen öfter Gelegenheit zum Bad gegeben werden soll. Bei N o t k e r wird iuvenis mit jung man j u n g e r Mann' übersetzt, mit dem jung uuib j u n g e Frau' zu virgo korrespondiert 4 7 0 . In der Übersetzung der Consolatio philosophiae wird das Alter (adolescentia) des Boethius, der schon a.510 mit rund 30 Jahren Konsul geworden ist, folgendermaßen berücksichtigt: th neuuile des nieht choson. daz tu iunger guunne die herscaft . die alte guunnen nemahton. Tu uuurte iunger consul. Zu Ps 77,63, Iuuenes eorum comedit ignis .i. ira bellantium. et uirgines eorum non sunt lamentate, 464
Ebenda, I, 76. " CCSL. 97, S. 468 f. 4 " Ν . II, 199, 11. 467 T. 49, 4; 106, 3; 185, 12. 468 G H . I, Sp. 150; Mittellateinisches Wörterbuch, I, S p . 2 3 4 f . 4 " StSpD. S. 242, 2 0 - 2 3 ; B. 36, 8. 470 Ν . II, 629, 19; 322, 78. 4
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Die Bezeichnungsfunktionen von kind im Althochdeutschen
übersetzt Notker: Iunge man fertiligota der uuig . iungiü uuib kenomeniü neuueinota. Neben dem Syntagma jung man findet sich bei Notker dann noch einmal das Syntagma chindesc man, das zu Ps 148,2, iuuenes et uirgines senes cum iunioribus . laudate nomen domini, lat. iuuenes übersetzt in dem Kontext: chindesce man unde magade . alte unde iunge. lobent sinen namen471. Mit ahd. kind ist demnach eine Personenbezeichnung gegeben, für die verschiedene Gebrauchsbedingungen bestehen. Neben der Aussage der Abstammung, des natürlichen Geschlechts und des Alters der bezeichneten Personen kann kind schließlich auch eine Funktion ausdrücken. Dabei ist offensichtlich eine Beziehung zu einer höher gestellten Person gegeben. So kann kind Bezeichnung für den Zögling sein, der in die Obhut seines Lehrers gegeben ist, wie, jedenfalls nach Zeugnissen Notkers, auch den Diener bezeichnen. In diesen Fällen ist jeweils das Verhältnis zu Gott ausgesagt. Die Bezeichnung kind hat dann immer lat. puer neben sich, was im übrigen schon im klassischen Latein472 im übertragenen Gebrauch Bezeichnung des Sklaven oder Dieners sein kann. Zu vergleichen ist hier fernerhin etwa der terminus technicus puer regius des fränkischen Rechts 473 . Was die Bedeutung angeht, könnte sich kind im Althochdeutschen dann mit kneht vergleichen474, das ebenfalls sowohl den Knaben als auch den Diener bezeichnet. 471
Ν. II, 603, 18 f. GH. II, Sp.2068. 473 Dazu mit weiteren Hinweisen sieh G. v. Olberg, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. HRG., 25. Lieferung, Sp. 100; zur rechtlichen Stellung des Kindes im Mittelalter sieh D.Schwab, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. HRG., II, Sp. 717-725. Sieh etwa zum literarischen Wortschatz SchW. S.98. 472
V. Wortbildungen mit kind im Althochdeutschen 1. Explizite Ableitungen Das Simplex kind ist im Althochdeutschen fernerhin Basis f ü r eine Reihe von Ableitungen 475 , die hier zu berücksichtigen sind. So erscheint es in den Substantiven kindilmi7b, kindiskt, kindisclihht, in den Adjektiven kindlih, kindisc, kindiski, kindeslih, im Verb kindön und im Adverb kindlihho. Mit dem althochdeutschen Formationsmorphem -Itn beziehungsweise -Ii 477 wird von der Basis kind- das neutrale Substantiv kindiltn abgeleitet. Das Neutrum ist in den literarischen Zeugnissen 478 im Tatian 4 7 9 , in der Exhortatio ad plebem christianam 480 , bei Otfrid 4 8 1 , in der Glossierung zu Notkers Psalterübersetzung 4 8 2 , im Physiologus 483 und in Otlohs Gebet 484 überliefert. Das Wort bezeichnet zunächst das kleine Kind. So ist es Bezeichnung f ü r den neugeborenen Johannes 4 8 5 , f ü r Jesus als Kind in der Krippe 486 , f ü r die zweijährigen oder jüngeren Knaben, die Herodes in Bethlehem töten ließ 487 , f ü r kleine Kinder oder Säuglinge, ohne nähere Altersangabe 488 , f ü r das gerade geborene Kind 489 . Daneben ist es aber auch im übertragenen Sinne in der vertrauten Anrede als Bezeichnung Erwachsener gebraucht. Bei Otfrid 4 9 0 und im althochdeutschen Tatian 4 9 1 redet Jesus seine Jünger mit kindilin an. Die volkssprachigen Texte sind auf die Bibelstelle (Joh 13,33) zu beziehen, wo die Jünger als filioli angesprochen werden. Lat. filiolus ist auch Bezugswort f ü r chindili in der Exhortatio ad 475 SchW. S.97; StWG. S.330; zu den mittelhochdeutschen Bildungen sieh M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, I, Sp. 1 5 7 1 - 1 5 / 3 , 1576-1578. 476 Die betreffenden Bildungen werden hier zunächst in einer N o r m a l f o r m aufgeführt. Zu den tatsächlich belegten Formen sieh weiter unten. 477 D a z u sieh W.Wilmanns, D e u t s c h e Grammatik, II, § § 2 4 3 - 2 4 7 . 478 SchW. S.97. 479 T . 160, 5: Kindilin zu Filioli (Joh 13,33). 480 StSpD. S.50, 32: chindili miniu-, der beigegebene lateinische T e x t bietet filioli mei. 481 kindilin- Ο . I, 9, 7; 16, 16; II, 3, 17. 27; III, 1, 32; IV, 13, 3. 482 Ν . II, 257, 8; 587, 10 (chindeli). 485 D a z u sieh oben; StSpD. S. 129, 81 (chindelina uürz). 484 StSpD. S. 184, 31 (dero chindline diga). 485 Ο . I, 9, 7. 486 Ο . I, 16, 16; II, 3, 17 (in/ans, L c 2 , 1 6 ) . 487 StSpD. S. 184, 31 (in/ans); Ο . II, 3, 27. 488 O . I I I , 1, 32, (in/ans-, Jes 49,15); sieh ferner Ν . II, 257, 8 (zu parvulos chindiliü); StSpD. S. 129, 81: hier Erklärung der Mandragora als Aphrodisiakum: däz ist chindelina uürz ,das ist eine Pflanze für kleine Kinder'. 4β ' Ν . II, 587, 10: zu infam cuius unius diei vita est die Glossierung daz hiütiga chindeli. 4.0 Ο . IV, 13, 3. 4.1 T . 160, 5.
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Wortbildungen mit kind im Althochdeutschen
plebem christianam 492 , wo es Anrede der Gläubigen ist. Es fällt auf, daß im weiteren lateinischen Text noch zweimal lat. filiolus erscheint, wofür dann im volkssprachigen Text aber fillol beziehungsweise filleol ,Patenkind' 493 steht, das im Althochdeutschen sonst noch in der Lorscher Beichte 494 und in einigen Glossenzeugnissen 495 überliefert ist. In der Glossenüberlieferung ist der älteste Beleg im Sangallensis 295 496 tradiert. Zum Lemma Alumni (Num 32,14) findet sich hier eine Doppelglosse achuuemon. t. chindili.*''7. In dem zugrundeliegenden Kontext der Bibelstelle werden die Gaditen und Rubeniten von Moses als incrementa et alumni hominum peccatorum angesprochen. Während das erste volkssprachige Interpretament auch in Parallelhandschriften 498 steht, ist chindili nur in der St. Galler Handschrift zu dieser Stelle überliefert. Das lateinische Lemma alumnus*'''' wird in dem vorliegenden Glossar als Vokabel übersetzt worden sein. Ob es als Bezeichnung f ü r das kleine Kind oder speziell f ü r das kleine Pflegekind verstanden worden ist, kann nicht entschieden werden. Die Glossierung mit chindili zeigt immerhin an, daß wohl an ein kleines Kind gedacht ist. In der Kurzfassung des Summarium Heinrici in sechs Büchern ist nach puerulus in dem Artikel Infantulus vel puerulus ... nondum loquens das volkssprachige kindelin500 eingetragen worden. Die lateinischen Bezugswörter sind ebenfalls Diminutiva, bezeichnet wird das Kleinkind, das noch nicht sprechen kann 501 . Zuvor ist das hier angesprochene Lebensalter der infantia jedoch, mit Isidor 502 , erklärt als: Infantia tendit usque ad .vii. annum503. Die Bezeichnung eines Kleinkindes durch kindelm zeigt auch ein Beleg der Handschrift Trier, Stadtbibliothek 1124/2058 (früher 31)504 aus dem 13. Jahrhundert an. Zu fari in dem Artikel Infans (est) dictus qui adhuc fari 4,2
StSpD. S. 50, 32; zu chind in der Exhortatio sieh weiter oben. SchW. S.97; sieh ferner fitntdifillol .Patenkind' in der Reichenauer Beichte (SchW. S.61), Beleg: funtdiuillola (StSpD. S.332, 26); zu mittelhochdeutschen Nachweisen sieh M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, III, Sp. 350 f. 4.4 StSpD. S. 323, 13. 4.5 StWG. S. 151; KFW. III, Sp. 825 f. (fillol, fillola, filloltn)· Sp. 821 f. (mhd. ville st. F., sw. 4,5
M.). 4.6 BV. Nr. 223, S.29; B. Bischoff, Mittelalterliche Studien, II, S.256, A . 5 4 (10. Jahrhundert); StSG. IV, S. 448 f., Nr. 192 (9. Jahrhundert); G. Scherrer, Verzeichniss, S. 108 f. (Anfang 9. Jahrhundert). 4.7 StSG. I, 357, 48. 4.8 StSG. I, 357, 4 9 f . 4.9 G H . I, Sp.349f.; Mittellateinisches Wörterbuch, I, Sp.528-530, Sp.528 mit Verweis auf die vorliegende Glosse. 500 StSG. III, 179, 20; R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, II, S. 8, 155 f. (SH. I, 3 [Kurzfassung]). 501 Sieh dann die folgenden Bezeichnungen: Puer knabo vel pusio. Puella dima. Adolescens jungelinc vel iuvenil vel ephebus. 502 Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum libri X X , XI, 2, 2. 503 R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, II, S.7, 151. 504 BV. Nr. 882, mit weiteren Angaben.
Explizite Ableitungen
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nequit. Que tendit usque adseptimum annum. 505 steht ein Interpretament redin506, das durchgestrichen ist und über das von einer jüngeren H a n d kindelin eingetragen worden ist. Der Zusammenhang zeigt an, daß ein Kleinkind oder auch ein Kind bis zu sieben Jahren gemeint sein kann. Lat. infans, zu Limzkil der lingua ignota, ist auch Lemma f ü r das übergeschriebene kindelin507 in den Glossae Hildegardis, die die Handschrift Berlin, StBPK. Ms. lat. 4° 674 (früher Cheltenham, Bibliotheca Phillippica 9303) aus dem 13. Jahrhundert 5 0 8 tradiert. Das von einer Basis chindisc abgeleitete Femininum chindiski509 ist im Abrogans der Handschrift Karlsruhe, Badische Landesbibliothek Aug. CXI 510 aus dem ersten Drittel des neunten Jahrhunderts Interpretament zu pubertas, wo es wohl mit Jugend' zu übersetzen ist. Im Clm 4542, aus dem Anfang des neunten Jahrhunderts 5 1 1 , ist unter dem lateinischen Lemma adulescentia mit dem Griffel interlinear das Interpretament chindischi512 eingetragen. Im zugrundeliegenden Gregortext 5 1 3 steht das Alter der adulescentia zwischen pueritia und iuventusiU, womit demnach das Jugendalter, die Jugend gemeint sein wird, die bei Isidor 515 bis zum 28. Lebensjahr reicht. In den Handschriften Clm 18140 und Clm 19440 ist chindisci5lb zu dem Lemma primaeva aetas aus Gregors Homilien überliefert: Nam a primaeva aetate usque ad finem vitae paralyticus jacebat517. Im Kontext wird die Kindheit bezeichnet. In den literarischen Denkmälern des Althochdeutschen ist das Substantiv nur in der Fuldaer und der Mainzer Beichte 518 bezeugt, wo es jeweils mit Jugend' 5 1 9 zu übersetzen ist. Dieses Alter wird hier offensichtlich in Hinblick auf den Ubermut und eine Unbekümmertheit des Beichtenden gegenüber Gott genannt. Das Substantiv kindiski ist auch im Heliand bezeugt 520 , wo es mit ,Kindheit' 521 und Jugend' 5 2 2 zu übersetzen ist. Auf" s R. Hildebrandt, Summarium Heinrici, I, S. 136, 284 (SH. III, 8 [ D e Etate Hominis]). Sieh auch StSG. III, 75, 21. 407 StSG. III, 390, 27. s08 BV. Nr. 51; R.Priebsch, Deutsche Handschriften in England, II, Nr. 104, S. 101; StSG. IV, S. 413 f., Nr. 82. s