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German Pages 33 [66] Year 2022
Briefe von
Herrn Leßing und
Herrn Klotz, betreffend
res erster» Laokoon und
des letztem Werk von
alten geschnittenen Steinen. »2—
—......... ....... v» 1768.
Vorbericht. /gegenwärtige Briefe fandet» sieb, dem größten Theil nach, in einer Zeitung
zerstreut, die in unfern Gegenden noch ziemlich unbekannt ist. Viele Leser konnten daher ihre Begierde nach diesen
Briefen nicht so leicht befriedigen, alö sie wohl wünschten.
Diß ist die Ursache, die
mich bewogen hat, sie zusammen drucken zu lassen.
Ich hoffe, daß Herr Leßina mir diesen Einsals verzeihen wird, da er doch einmal
gewollt hat, daß seine Briefe gegen Herrn Klotz allgemein bekannt werden sollten.
Auch vom Herrn Klotz verspreche ich mir Verzeihung, obgleich der Inhalt dieser
Briefe für ihn nicht sehr angenehm seyn mag.
Er darf sich nur vertheidigen, um A 2
den
den Eindruck, welchen sie auf die Leser
etwa machen könnten, zu vereiteln:
und
daß er sich vertheidigen könne, daran ist
gar nicht zu zweifeln.
Ein Mann, von
dem uns seine Freunde in fb vielen Zeitun gen sagen, daß er ein grosser Mann sey,
Und ein Mann, der andere Schriftsteller,
mit fb vielem Bewußtseyn seiner eigenen Grösse herum nimmt; wie sollte der in so als Ohn«
abgeschmackte.Fehler gefallen seyn,
Herr Lcßilig ihm aufbürdet? —
Zweifel hat sich Herr Lcßitig geirrt: Herr Klotz darf ihn mit- widerlegen; seine Briefe
sollen un'S eben so ivillkomiuen seyn, als die vom Herrn Leßing; wenn sie auch, wie stch aus gewissen ^Gründen vermuthen läßt,
etwas weniger Laune und Munterkeit ver, riechen, als diese.
Das ist alles', was ich den Lesern die ser kleinen Sammlung zu sagen hatte,
der Herausgeber. Erster
Erster Brief vom
Herrn Leßtng an den
Verfasser
der Hamburgischen
Neuen Zeitung. XI—------ ---------------------- i---- >
Mei» Herr, enn cs Ihnen gleichviel ist, ob Sie den Platz, den Sie in Ihren Blat
tern gelehrten Sachen bestimmen, mit einer guten Critik, oder mit der-Wider-
A 3
lcgung
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Erster Brief
legung einer verunglückten füllen: so haben S«e die Güte, Folgendes cinzurücken: Herr Klotz soll mich eines unverzeihlichen Fehlers, in seinem Buche von den alten ge schnittenen Steinen, überwiesen haben. Das hat ein Recensent dieses Buches (Beykr. zum Rcichsposrr. St. 45.) für nöthig gehal ten, mit anzumerkcn. Mich eines Fehlers? das kann sehr leicht seyn. Aber eines unverzeihlichen? das sollte mir leid thun. Zwar nicht sowohl meinet wegen, derich ihn begangen harte, als derent wegen, die ihn mir nicht verzeihen wollten. Denn es wäre ja doch nur einFehler. Feh ler schliessen Vorsatz und Tücke aus; und da her müssen alle Fehler allen zu verzeihen seyn. Doch gewisse Recensenten haben ihre eigene Sprache. Unverzeihlich heißt bey ihnen al les, worüber sie sich nicht enthalten können, die Zahne zu fletschen. Wenn es weiter nichts ist.' — Aber dem ohngeachtet: worinn besteht er denn nun, die ser unverzeihliche Fehler? Herr
von Herrn Leßing.
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Herr Klotz schreibt: „Wie hat es einem „unsrer besten Kunstrichter (dem Verfasser des „Laokoon) einfallcn können, zu sagen, daß „man so gar vieler Gemählde nicht erwähnt „finde, die die alten Mahler aus dem Ho,,mer gezogen hätten, und daß es nicht der „alten Artisten Geschmack gewesen zu seyn „scheine, Handlungen aus diesem Dichter zu „mahlen? Die Homerischen Gedichte waren „ja gleichsam das Lehrbuch der alten Künste „ler, und sie borgten ihm ihre Gegenstände „am liebsten ab. Erinnerte sich Herr Leßing „nicht an das grosse Home ische Gemählde „des Polygnotus, welches zu unsern Tagen „gleichsam wieder neu geschaffen worden ist? „Unter denen vom Philostrakus beschriebe»nen Gemählden sind drey Homerische, und »die vom Plinius kur; angezeigten kann je»der leicht finden. Unter den Herkulanischen »Gemählden ist eines, welches den Ulysses »vorstellet, der zur Penelope kömmt. Von »halb erhabenen Werken will ich nur die merk»würdigsten anführen, rc. "■*
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Ich
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Erster Bries
Ich könnte zu dem Recensenten sagen: Hier sehe ich blos, daß Herr Klotz nicht meiner Meinung ist, daß ihn meine Meinung bei fremdet; aber er sagt nichts von Fehler, noch weniger von einem unverzeihlichen Fehler. Doch der Recensent könnte antworten? Was Herr Klotz keinen unverzeihlichen Feh ler nennt, das beschreibt er doch als einen solchen; ich habe also dem Kinde nur seinen rechten Nahmen gegeben. Der Recensent hätte fast Recht. Ich muß mich also nicht an ihn, sondern an den Herrn Klotz selbst wenden. Und was kann ich die sem antwcrtcn? Nur das, daß er mich nicht Verstanden hat; daß er mich etwas sagen laßt, woran ich nicht gedacht habe, Herr Klotz beliebe zu überlegen, daß cs zwey ganz verschiedene Dinge sind: Gegen stände mahlen, die Homer behandelt hat, und diese Gegenstände so mahlen, wie sie Homer behandelt hat. Es ist meine Schuld nicht, wenn er diesen Unterschied nicht be greift ;
von Herrn Leßl'ng.
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greift; wenn er ihn in meinem Lavkovn nicht gefunden hat. Alles bezieht sich darauf. Daß die alten Artisten sehr gern Personen und Handlungen aus der Trojanischen Epoche gcmahlrhabcn: das weiß ich, und werweiß es nicht? Will man alle solche Gemw:dr Homerische Gemählde nennen, weis Homer die vornehmste Quelle der Begebcnlxchcn die? ser Epoche ist? meinetwegen. Aber was haben die Homerischen Gemählde in diesem Verstände mit denen zu thun, von welchen ich rede; mit denen, dergleichen der Graf V6n Eaylus den neuen Künstlern vorgeschlar gen hat? DieBeyspiele, welche Herr Klotz mir vor halt, sind mir alle so bekannt gewesen, daß ich mich würde gcschamer haben, sie Herr Klotzen vorzuhalten. Ich würde mich gcschämet haben, zu verstehen zu geben, Herr Klotz habe sie entweder gar nicht, oder doch nicht so gut gekannt, daß sie ihm da beyfallen können, wo sic ihm so nützlich gewesen waren« Was das sonderbarste ist: Ich habe diese Beyspiele fast alle selbst angeführt, und an A Z dem
IO
Erster Brief
dem ncmlichenOrte meines Lavkoon angeführt, den Herr Klotz bestreitet. Er hatte sie aus meiner eignen Anführung lernen können, wenn
er sie nicht schon gewußt hatte. wohl—
Und gleich« Ich denke, das heißt, mit dem
Cprichworte zu reden, einen mit seinem rigtt »en Fette betraufen wollen. Ich sage, daß ich sie fast alle selbst anger führet habe; und füge hin;», ausser ihnen,
noch weit mehrere; indem ich nemlichmeir ne Leser auf denFabricius (Bibliath.Gra:c,' Lib. II. c. VI. p. 345.) verwiesen.
Denn
ich mache nicht gern zehnAllegata, wo ich mit Einem davon kommen kann.
Folglich; habe ich diese Beyspiele, und Noch weit mehrere ihrer Art gekannt: so ist
es ja wohl deutlich, daß, wenn ichdemvhnr geachtet gesagt, „es scheine nicht der Ger „schmackder alten Artisten gewesen zu seyn, „Handlungen aus dem Homer zu mahlen," ich ganz etwas anders damit muß gcmcinct har den, als das, was diese Beyspiele widerlegen.
Ich habe damit gemeinet, und meine es noch, daß, so sehr die alten Artisten den Ho
mer
von Herrn Lessing.
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mer auch genutzt, sie ihn doch nicht auf dir Weise genutzt haben, wie Ccwlus will, daß ihn unsere Artisten nutzen sollen.
Ecmlus
will, sie sollen nicht allein Handlungen aus
dem Homer mahlen, sondern sie sollen sie auch vollkommen -so mahlen, wie sie ihnen
Homer vermählt; sie sollen nicht sowohl eben die Gegenstände mahlen, welcheHomer mahlt, als vielmehr das Gemählde stillst
Nachwahlen, welches Homer von diesen Ker
genstanden macht; mit Beybehaltungder Drde nung des Dichters, mit Beybebaltung aller von ihm angezeigten Localumstande u.s.w. Das, sage ich, scheinen die alten Artisten nicht gethan zu haben, so viel oder so wenig Homerische Gegenstände sie auch sonst mögen
gemahlt haben. Ihre Gemählde waren Hör merische Gemählde, weil sie den Stoff da;ü
aus demHomer entlehnten, den sie nach den Bedürfnissen ihrer eigenen Kunst, nicht nach dem Beyspiel einer fremden,
behandelten;
aber cs warm keine Gemählde zum Homer. Hingegen die Gemählde, welche CaniuS
vorschlägt, sind mehr Gemählde zum Ho*
nier,
I»
Erster Brief
als Homerische Gemählde, als Ge mählde in dem Geiste des Homers und so
niet,
angegeben, wie sie Homer selbst würde aus geführt haben, wenn er, an statt mit Wor ten, mit dem Pinsel gemahlt hätte. Deutlicher kann ich mich mcht erklären» Wer das nicht versteht, für den ist der kaokvotr
Nicht geschrieben.
Wer es aber für falsch
halt, dessen Widerlegung soll' mir willkom men seyn; nur steht man wohl, must sie von
einer andern Beschaffenheit seyn, alsdicKlvr tzische. Herr Klotz hat in seinem Buche mir vier
mal die Ehre erwiesen, mich anzuführen, um
mich viermal eines Bessern zu belehren. Ich wvlltenicht gern, daß ein Mensch in der Welt wäre, der sich lieber belehren liesse, als ich,
Aber — So viel ist gewiß, er streitet alle viermal nicht mit mir, sondern ich weiß selbst nicht, Mit wem. Mit einem, dem er meinen Nah men giebt, den er zu einem grossen Igno
ranten, und zugleich zu einem unserer besten Kunstlichter macht.
Wahr-
von Herrn Leßl'ng.
r;
Wahrhaftig, ich kenne mich zu gut, als daß ich mich für das eine, oder für das an
dere halten sollte.
s>-• '^1'11 Homerischen Greisen ist dieser Dorwurf ,/ neinlich des Lächerlichen uNbEckelhaften) „nicht zu machen; denn der Affekt, den sie „empfinden, ist ein augenblicklicher Funke, „den ihre Weisheit sogleich erstickt;
nur der
„stimmt, der Helena Ehre zn machen, „nicht sie selbst zu schänden."
ober
Nun sagen Cie mir, mein Freund, was ich von dem Herrn K!vh denken soll? waH er darunter suchen mag, daß ihm gerade mein Nahme gut genug ist, unter demselben sich einen Etrobmann aufzusiellen, an dem er seine Fechtecstre-che zeigen könne? warum ger rade ich der Blödsinnige seyn muß, dem er Dinge vordvewet, die das Auge von selbst
lernet, die zu begreifen schlechterdings nicht mehr Menschenverstand erfvdcrt wird, alS um von eins bis auf drey zu zahlen? „Kann „man denn keinen alten -Mann verstellen, „ohne ihm dürre Beine, einen kahlen Kopf, „und
(•) Laokoon S. irr,
von Herrn Leßing.
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„und ein eingefallnes Gesicht zu geben? “ Welch eine Frage! und in welchem Tone ge than ! und in welchem Sone sich selbst beant wortet ! „Aber Balthasar Denner und Barr „thoivmaus von der Helft belehren uns, daß „auch der Kopf eines alten Mannes gefalle» „könne." Also bis auf Balthasar Dennern, bis auf Bartholomaus von der Heist, wußte das in der Welt niemand? Und wen es nicht dieser Balthasar und dieser Bartholomaus gelehrct hat, der weiß es noch nicht? Ich bin wirklich so eitel und glaube, daß ich es auch ohne diese Meister wissen würde; ja ohne alle Meister in der Welt. Der 6te, ?te und Zte Brief sind nicht ge druckt erschienen, weil sie Dorwürfe von minderer Wichtigkeit betrafen.
C
Neunter
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Neunter Brief
sZ» 4* *8*
4^8* ^iZ»
Neunter Brief vom
Herrn Leßtng. r^d) denke nicht, daß ich mir zu viel heraus
,^3 nehme , wenn ich mich auch noch an efr
neinOrte von Herrn Klotzen gemeint glaube, wo er mich nicht nennt: Denn er nennt mich dafür anderwärts, wo er den nemlichen Kampf kämpfet.
Er will durchaus nicht leiden, daß man
den alten Artisten die Perspektive abspricht. Im Laokovn hatte ich es gethan: obschon gar nicht in der Absicht, wie Peeraultund
andere, denen es damit auf die Verkleinerung der Alten angesehen ist. Doch da Herr Klotz mich so selten verstanden: wie konnte ich ver langen, daß er mich hier errathen sollte? Er
warf mich also mit den Peeraults in eine Classe, und
vvn Herrn Leßing.
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$inb nahm sich/ in seinem Beykraczezur Ge« schichte des Geschmacks und der Kunst tm Auge aus einem und eben demselben Standorte erscheinen würde. Diese Erklärung ist mit jener im Grunde eins: nur daß jene, die mathematische, sich auf einen einzelnen Gegenstand beziehet; diese aber auf mehrere geht, welche zusammen aus dem nemlichen Gesichtspunkte, jedoch in vorschicdnerEntfernung von diesem gcmeinschastliehen Gesichtspunkte, betrachtet werden. Nach jener können einzelne Theile in einem Gemählde vollkommen perspektivisch seyn, ohne daß es, nach dieser, das ganze Gemählde ist, indem es ihm an der Einheit des Ges sichtpunkts fehlet, und die verschicdnen Theile desselben verschiedne Gesichtspunkte haben. Herr Klotz scheint von diesem Fehler gar nichts zu verstehen. Er spricht nur immer von der vcrhallnißmaßige'.i Verkleinerung der Figuren, und der Verminderung der Tinten: und bildet sich ein, daß damit in der Per spektiv alles gethan sey. Aber er sollte wift C 4 f