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German Pages [216] Year 2012
Wirtschafts- und Sozialhistorische Studien Herausgegeben von
Stuart Jenks, Michael North und Rolf Walter Band 18
Jörg Driesner
Bürgerliche Wohnkultur im Ostseeraum Stralsund, Kopenhagen und Riga in der Frühen Neuzeit
2012 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien
Gedruckt mit Unterstützung des von der DFG geförderten Graduiertenkollegs „Kontaktzone Mare Balticum: Fremdheit und Integration im Ostseeraum“
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Schreibschrank aus dem Stralsunder Kulturhistorischen Museum um das Jahr 1760 © 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20559-1
Vorwort
Das vorliegende Buch ist die Druckfassung meiner im Herbst 2006 an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald eingereichten Dissertation. Auf dem langen Weg von der Idee, eine Untersuchung der materiellen Kultur des Ostseeraumes anhand von Haushaltsinventaren zu wagen, bis zur Fertigstellung des Manuskriptes haben mich viele Menschen unterstützt – all jenen soll hier gedankt werden. Zuvorderst danke ich Professor Dr. Michael North, der mir seit meinem Studium mit Rat und Tat zur Seite steht und dieses Promotionsprojekt betreut hat. Nur durch seine konstruktiven Anregungen war es mir möglich dieses Forschungsvorhaben zu realisieren. Des Weiteren möchte ich mich auch für die Unterstützung von Professor Dr. Jens E. Olesen bedanken, der mir in diesem Arbeitsprozess ebenfalls hilfreiche Hinweise gab. Besondere Erwähnung verdienen meine Kolleginnen und Kollegen aus dem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkolleg 619 „Kontaktzone Mare Baltikum“. Die Arbeit in diesem Team hat mir viele neue Blickwinkel auf das Thema eröffnet und mich mit interessanten Menschen zusammengebracht. Besonderer Dank gilt auch dem Team des Lehrstuhls “Allgemeine Geschichte der Neuzeit“ am Historischen Institut der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Vor allem Doreen Wollbrecht, Alexander Drost und Robert Riemer haben mir stets beratend und freundschaftlich zur Seite gestanden und damit entscheidenden Anteil an dieser Arbeit. Letztlich danke ich auch meiner Familie, denn meine Eltern unterstützten mich während des Studiums und der Zeit der Promotion mit all ihren Kräften. Meiner Frau und meinen Kindern bin ich ebenso zu Dank verpflichtet, denn sie brachten im Arbeitsprozess viel Verständnis für mich auf. Greifswald, Herbst 2011
Jörg Driesner
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung .................................................................................................
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2. Forschungsgegenstand ......................................................................... 2.1. Inventare als Quellen und ihre Auswertung ............................. 2.2. Zur rechtlichen Grundlage von Nachlassinventaren ............... 2.3. Der Quellenkorpus in Stralsund, Kopenhagen und Riga .......
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3. Historische Hintergründe .................................................................... 3.1. Abriss der politischen Entwicklung im Ostseeraum im 17. 3.2. und 18. Jahrhundert ...................................................................... 3.3. Überblick über die Kopenhagener Stadtgeschichte ................. 3.3.1. Kopenhagens Entwicklung bis zu den Napoleonischen Kriegen .................................................................... 3.3.2. Demografische Entwicklung Kopenhagens in der Frühen Neuzeit ................................................................. 3.4. Überblick über die Stralsunder Stadtgeschichte ....................... 3.4.1. Stralsunds Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert ... 3.4.2. Demografische Entwicklung Stralsunds in der Frühen Neuzeit ................................................................. 3.5. Überblick über die Rigaer Stadtgeschichte ................................ 3.6. Die Entwicklung Rigas im 17. und 18. Jahrhundert ................
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4. Vergleichende Betrachtung zu ausgewählten Möbelarten ........ 4.1. Allgemeine Betrachtungen zu Möbeln in Haushalten ............. 4.2. Tischmöbel ..................................................................................... 4.3. Sitz- und Ruhemöbel .................................................................... 4.4. Schlaf- und Bettenmöbel .............................................................. 4.5. Verwahrmöbel ............................................................................... 4.5.1. Koffer, Kisten, Laden und Kommoden ........................ 4.5.2. Schränke und Schapps ..................................................... 4.5.3. Regalmöbel .........................................................................
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5. Betrachtungen zur Wohnungsauskleidung .................................... 5.1. Spiegel und Bilder ......................................................................... 5.2. Leuchter und Blaker ......................................................................
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6. Musikinstrumente ..................................................................................
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36 41 41 45 46 47 53 54 55
6
Inhaltsverzeichnis
7. Wertangaben innerhalb der Nachlassinventare ............................
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8. Die Sozialstruktur der ausgewerteten Nachlassinventare ..........
157
9. Bedeutung der einzelnen Räumlichkeiten ......................................
162
10. Schlussbetrachtung ...............................................................................
167
Anhang I.
Abkürzungsverzeichnis .........................................................................
172
II. Quellen- und Literaturverzeichnis ..................................................... II.1. Verzeichnis der ungedruckten Quellen ...................................... II.2. Literaturverzeichnis .......................................................................
172 172 178
III. Nachweis der Diagramme und Abbildungen ................................
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1.
Einleitung
Der Ostseeraum mit seinen angrenzenden, oft bis tief ins Hinterland reichenden Wasserstraßen stellte über Jahrhunderte hinweg eine kulturelle Austauschzone dar. Wurden hier zunächst Dinge des täglichen Bedarfs gehandelt, kamen rasch Kunstgegenstände und Luxusartikel hinzu. Doch auch Ideen, Rechtstraditionen und künstlerische Anregungen fanden spätestens seit der Hansezeit in immer größer werdendem Umfang ihren Weg über das Wasser und schlugen sich nicht zuletzt in der Ausbildung einer mehr oder weniger einheitlichen Rechtslandschaft und einer vergleichsweise homogenen Architektur in den angrenzenden Küstenstädten nieder. 1 Einen überaus wichtigen und für die Forschung weitaus interessanteren Faktor im Bereich des kulturellen Austausches stellen jedoch die Verbindungen zwischen dem Ostseeraum und Westbeziehungsweise Südeuropa dar. In letztgenannten Regionen liegen im ausgehenden Mittelalter und während der gesamten Frühen Neuzeit die Innovationszentren der modernen Welt. Der Anschluss an die immer mehr an Bedeutung gewinnenden Kolonien und der damit einhergehende Zugang zu den internationalen Märkten gewann vor allem in der Zeit des Niedergangs der Hanse einen immer größer werdenden Einfluss auf das Leben in den Städten und an den gesamten Küstenlandschaften der Ostsee. Nach David Kirby setzen das 16. und 17., besonders aber das 18. Jahrhundert wichtige Meilensteine für einen Aufschwung des kulturellen Austausches innerhalb Europas, was mit einer deutli1
DUMSCHAT, Sabine: Die Wirtschaftsbeziehungen des baltischen Raumes zu Mitteleuropa von der „Aufsegelung“ bis zum Zweiten Weltkrieg. Die Wirtschaftsbeziehungen im Mittelalter: Livland, Preußen, Litauen und die Hanse, in: SCHLAU, Wilfried: Tausend Jahre Nachbarschaft. Die Völker des baltischen Raumes und die Deutschen, München 1995, S. 199-212; EHRENSVÄRD, Ulla; KOKKONEN, Pellervo; NURMINEN, Juha (Hgg.): Mare Balticum. 2000 Jahre Geschichte der Ostsee, Helsinki 1995, S. 41ff.; KOMLOSY, Andrea; NOLTE, Hans-Heinrich; SOOMAN, Imbi (Hgg.): Ostsee 700-2000. Gesellschaft – Wirtschaft – Kultur (Edition Weltregionen, Bd. 16), Wien 2008; KRIEGER, Martin; KRÜGER, Joachim (Hgg.): Regna firmat pietas. Staat und Staatlichkeit im Ostseeraum. Festgabe zum 60. Geburtstag von Jens E. Olesen, Greifswald 2010; KRIEGER, Martin; NORTH, Michael: Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum: Eine Einleitung, in: KRIEGER, Martin; NORTH, Michael (Hgg.): Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit, Köln-Weimar-Wien 2004, S. 1-8; MCCRACKEN, Grant David: Culture and consumption. New Approaches to the Symbolic Character of Consumer Goods and Activities, Blomington-Indianapolis 1990; SAMSONOWICZ, Henryk: Der Einfluss des Ostseehandels auf die Entwicklung der Region Osteuropas im frühen und hohen Mittelalter, in: PELC, Ortwin; PICKHAN, Gertrud (Hgg.): Zwischen Lübeck und Novgorod. Wirtschaft, Politik und Kultur im Ostseeraum vom frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Norbert Angermann zum 60. Geburtstag, Lüneburg 1996, S. 59-65.
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Einleitung
chen Orientierung der Ostseeregion auf den westeuropäischen Raum einherging. 2 Im Rahmen dieser Entwicklung gewann auch der Transfer von Kunst und Kunstgegenständen zwischen unterschiedlichen Regionen und Landschaften des Ostseeraumes an Bedeutung. So waren die Zeitgenossen nicht nur am Besitz eines Möbelstückes und seiner Verarbeitung interessiert sondern gleichfalls an seiner Herkunft. 3 In der heutigen geschichtswissenschaftlichen Forschung zum kulturellen Austausch rücken das Alltagsleben und die damit in engem Zusammenhang stehende materielle Kultur immer mehr in den Vordergrund. Es stellen sich nicht mehr nur allein die Fragen nach den Richtungen der Diffusion und den Transportmodalitäten der einzelnen Güter, sondern auch nach Qualität und Beschaffenheit, Künstlern und schließlich nach dem jeweiligen Einfluss der einzelnen Objekte auf die rezipierende Kultur. 4 2
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GRASSERT, Michael: Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute. Stadt, Region und Fernhandel in der europäischen Geschichte. Eine wirtschaftshistorische Untersuchung der Beziehungen zwischen wirtschaftlichen Vorgängen und kulturellen Entwicklungen anhand von Karten. 12. bis 16. Jahrhundert (Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Band 915), Frankfurt am Main 2001; KIRBY, David: Northern Europe in the early-modern period. The Baltic World 1492-1772, London-New York 1990; KIRBY, David: The Baltic World 1772-1993. Europe’s northern periphery in an age of change, Singapore 1995; KNOTTER, Ad: Problems of the ’family economy’: peasants economy, domestic production and labour markets in preindustrial Europe, in: PRAK, Maarten (Hg.): Early Modern Capitalism. Economic and social change in Europe, 1400-1800, London-New York 2001, S. 135-160; LANGER, Andrea; MICHELS, Georg: Metropolen und Kulturtransfer im 15./16. Jahrhundert (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Band 12), Stuttgart 2001; ZANDEN, Jan Luiten van: Early modern economic growth: a survey of the European economy, 1500-1800, in: PRAK, Maarten (Hg.): Early Modern Capitalism. Economic and social change in Europe, 1400-1800, London-New York 2001, S. 69-87. HINZ, Sigrid: Innenraum und Möbel. Von der Antike bis zur Gegenwart, Wilhelmshaven 1989. BAUSINGER, Herrmann: Die Dinge der Macht, in: HARTMANN, Andreas; HÖHER, Peter; CANTAUW, Christiane; MEINERS, Uwe; MEYER, Silke (Hgg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Festschrift für Ruth-E. Mohrmann (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Bd. 116), Münster-New YorkMünchen-Berlin 2011, S. 27-34; HARTMANN, Andreas; HÖHER, Peter; CANTAUW, Christiane; MEINERS, Uwe; MEYER, Silke (Hgg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Festschrift für Ruth-E. Mohrmann (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Bd. 116), Münster-New York-München-Berlin 2011; HEIDRICH, Hermann: Dinge verstehen. Materielle Kultur aus Sicht der Europäischen Ethnologie, in: Zeitschrift für Volkskunde 103 (2007), S. 223-236; KOHLER, Alfred; LUTZ, Heinrich (Hgg.): Alltag im 16. Jahrhundert. Studien zu Lebensformen in mitteleuropäischen Städten (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Band 14), Wien 1987; ROGERS, Everett M.; SHOEMAKER, F. Floyd: Communication of Innovation. A Cross-Cultural Approach, New York-London 1971; ROTH, Klaus: Die Eingliederung neuen Mobiliars und Hausrats im südlichen Münsterland im 17. bis 19. Jahrhundert, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Kulturelle Stadt-Land-Beziehungen in der Neuzeit (Bei-
Einleitung
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In der vorliegenden Arbeit geht es um frühmoderne Alltagswelten im Ostseeraum. Dabei steht die materielle Kultur 5 in den Städten Stralsund, Kopenhagen und Riga im Vordergrund. Das besondere Augenmerk liegt auf dem 17. und 18. Jahrhundert, denn besonders in der Zeit des Barocks und der Aufklärung begannen sich moderne und bis zum heutigen Zeitpunkt nachwirkende Tendenzen im Bereich der Alltags- und Wohnkultur herauszubilden – Fundamente für einen globalen Mode- und Gütertransfer. Die zentrale Quellengattung dieser Untersuchung stellen Nachlassinventare dar, wobei es sich als durchaus legitim erweist, sie nicht nur zur „dichten Beschreibung“6 des Lebens einzelner Personen in ihrem sozialen Umfeld heranzuziehen, sondern in einem weiteren Kontext mit ihrer Hilfe ganze Kulturströmungen und den damit einhergehenden Kulturtransfer näher zu beschreiben. Entstanden sind diese Haushaltsinventare in den meisten Fällen nach dem Ableben der jeweiligen Inventargeber aus unterschiedlichen Beweggründen. Sie sind ein Spiegel längst vergangener Alltagskulturen sowie Lebensgewohnheiten und ermöglichen nicht nur die Rekonstruktion der materiellen Kultur und des Konsumverhaltens, sondern insbesondere auch der Wohnkultur und in gewissem Umfang der Sozialstrukturen. Sie liefern also nicht nur ein Bild der Lebensumstände unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten, sondern erlauben auch deren Selbstverortung innerhalb ihres eigenen sozialen Umfeldes. Dabei ist es nahe liegend, eine vergleichende Perspektive innerhalb eines überschaubaren und klar definierten geographischen Raumes zu wählen, da sich nur auf diesem Wege Strömungen und Teilströmungen leichter und schlüssiger im De-
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träge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 9), Münster 1978, S. 249-295; SAMMLER, Harald: Wohnraum und Hausrat im Grazer Bürgerhaus in der Zeit vom 16.18. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 3 (1970), S. 75-94; SCHÖNHAMMER, Rainer (Hg.): Körper, Dinge und Bewegung. Der Gleichgewichtssinn in materieller Kultur und Ästhetik, Wien 2009. Als Materielle Kultur ist in diesem Zusammenhang als Gesamtheit der Wohnnungseinrichtungen und Gebrauchsgegenstände des täglichen Bedarfs verstanden. Vgl.: FEEST, Christian F.: Materielle Kultur, in: BEER, Bettina; FISCHER, Hans (Hgg.): Ethnologie. Einführung und Überblick, Berlin 2003, S. 239-254; HAHN, Hans Peter: Materielle Kultur. Eine Einführung, Berlin 2005; KÖNIG, Gudrun M. (Hg.): Alltagsdinge. Erkundungen der materiellen Kultur (Studien & Materialien des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Band 27), Tübingen 2005; TEUTEBERG, Hans Jürgen: Alltägliche Daseinsformen der Menschen als Objekte einer Neuen Kulturgeschichte, in: HARTMANN, Andreas; HÖHER, Peter; CANTAUW, Christiane; MEINERS, Uwe; MEYER, Silke (Hgg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Festschrift für Ruth-E. Mohrmann (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Bd. 116), Münster-New York-München-Berlin 2011, S. 45-66. Zur Illustration des Begriffs sein hier der amerikanische Ethnologe Clifford Geertz genannt: GEERTZ, Clifford: Dichte Beschreibung: Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt am Main 1983, S. 11ff.
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Einleitung
tail untersuchen lassen, so dass diese wiederum Rückschlüsse auf großräumige Strukturen und Trends erlauben. 7 Nachlässe können uns Antworten auf Fragen zum Lebensstandard und zur gesellschaftlichen Zugehörigkeit der jeweiligen Erblasser geben. Dabei lassen sich in den meisten Fällen die unterschiedlichen Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens näher beleuchten. Neben dem mobilen und immobilen Besitz finden sich oftmals Anmerkungen zum Berufsstand, zum eventuell betriebenen Handel sowie zu Fragen der Kreditierung einzelner Personen beziehungsweise bestimmter Personengruppen. Zudem lässt sich eine kultur-historische Verbindungslinie zwischen Mikro- und Makroebene aufzeigen. Der Besitz von Büchern beispielsweise gibt uns einen Einblick in den Bildungsstand und die Beeinflussung des Erblassers durch zeitgenössische geistige Strömungen. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich für die vorliegende Arbeit folgende Fragestellungen: 1. Welche unterschiedlichen fremden Kultureinflüsse gab es in den drei untersuchten Städten im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts? In diesem Zusammenhang werden die Ergebnisse aus anderen bereits untersuchten Städten des Ostseeraumes wie Hamburg und Danzig ausgewertet und mit den eigenen Befunden verglichen, woraus sich die Frage nach dem Ostseeraum als eigenständige Kunstregion ergibt. 8 Aber auch der von der Forschung bereits sehr gut erschlossene süd- und südwestdeutsche Raum darf dabei nicht außer Acht gelassen werden. 9 Gerade die vergleichende Perspektive der drei untersuchten Städte mit weiteren Städten des Ostseeraumes und anderen Regionen wird hierbei einen besonderen Blickwinkel ergeben. Auf dieser Grundlage fällt der Blick dann in die Ursprungsländer der beobachteten kulturellen Trends und Modeströmungen. Insbesondere geht es in diesem Kontext um westeuropäische Untersuchungen zu kulturellen Strömungen in Frankreich, England, Spanien und den Niederlanden, aber auch um vermeintliche „Transitländer“ wie Österreich und die Schweiz, von denen uns bereits Untersuchungen in großer Anzahl vorliegen. 10 7
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STRÄTH, Bo: Die kulturelle Konstruktion von Gemeinschaften und Transformation von Gesellschaften, in: KASCHUBA, Wolfgang; SCHOLZE, Thomas; SCHOLZE-IRRLITZ, Leonore (Hgg.): Alltagskultur im Umbruch (Alltag & Kultur, Band 1), Weimar-Köln-Wien 1996, S. 153-170. DACOSTA KAUFMANN, Thomas: Der Ostseeraum als Kunstregion: Historiographie, Stand der Forschung und Perspektiven künftiger Untersuchungen, in: KRIEGER, Martin; NORTH, Michael (Hgg.): Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit, Köln-Weimar-Wien 2004, S. 9-21. MOHRMANN, Ruth-Elisabeth: Alltagswelt im Land Braunschweig. Städtische und ländliche Wohnkultur vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 56), Münster 1990, S. 28ff. BAUDRILLARD, Jean: Das Ding und das Ich. Gespräch mit der täglichen Umwelt, Wien 1974; BURKE, Peter: Kultureller Austausch, Frankfurt am Main 2000; ESPAGNE, Michel; WERNER, Matthias: Deutsch-Französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert.
Einleitung
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2.
Welche Städte spielten bei kulturellen Transferprozessen Vorreiter- beziehungsweise Nachzüglerrollen? So lassen sich anhand des Auftauchens einzelner Gegenstände in den Inventaren Rückschlüsse auf die verschiedenen Handelskontakte, aber auch auf die Verbreitung von Sachkultur innerhalb einer Stadt ziehen. Das Ausstellungsdatum eines Inventars beziehungsweise die Häufigkeit des Vorkommens des jeweiligen Objektes innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne in den drei Städten und der Vergleich dieser Faktoren untereinander, lassen in diesem Kontext Rückschlüsse zu. 3. Welchen Einfluss hatten die politische Entwicklung und die Sozialstruktur auf die Ausprägung gewisser prägnanter Trends im Bereich der materiellen, aber auch der immateriellen Kultur?
Zu einem neuen interdisziplinären Forschungsprogramm des C.N.R.S., in: Francia 13 (1985), S. 502-510; ESPAGNE, Michel: Französisch-sächsischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert. Eine Problemskizze, in: Comparativ 2 (1992), Heft 2, S. 100-121; KRIEGER, Martin; NORTH, Michael (Hgg.): Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit, Köln-Weimar-Wien 2004; MIDDEL, Matthias (Hgg.): Von der Elbe bis an die Seine. Kulturtransfer zwischen Sachsen und Frankreich im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig 1999; MEIER-OBERIST, Edmund: Kulturgeschichte des Wohnens im abendländischen Raum, Hamburg 1956; MIDDEL, Matthias: Von der Wechselseitigkeit der Kulturen im Austausch. Das Konzept des Kulturtransfers in verschiedenen Forschungskontexten, in: LANGER, Andrea; MICHELS, Georg (Hgg.): Metropolen und Kulturtransfer im 15./16. Jahrhundert (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Band 12), Stuttgart 2001, S. 15-51; MOHRMANN, Ruth-Elisabeth: Archivarische Quellen zur Sachkultur, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Geschichte der Alltagskultur. Aufgaben und neue Ansätze (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 21), Münster 1980, S. 69-86; MOHRMANN, Ruth-Elisabeth: Leben und Wohnen in der alten Stadt – Osnabrück im Hansestädtischen Vergleich, in: HGBl 106 (1988), S. 109-126; MOHRMANN, Ruth-Elisabeth (Hg.): Städtische Volkskultur im 18. Jahrhundert, Weimar-Wien 2001; PALLACH, Ulrich-Christian: Materielle Kultur und Mentalitäten im 18. Jahrhundert. Wirtschaftliche Entwicklung und politisch-sozialer Funktionswandel des Luxus in Frankreich und im Alten Reich am Ende des Ancien Régime (Ancien Régime. Aufklärung und Revolution, Band 14), München 1987; PETERS, Jan: Das Angebot der ‚Annales‘ und das Beispiel Le Roy Ladurie. Nachdenkenswertes über französische Sozialgeschichtsforschung, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (1989), S. 139-159; ESPAGNE, Michel; WIJSENBEEKOLTHUIS, Thera: A matter of taste. Lifestyle in Holland in the seventeeth an eighteeth Centuries, in: SCHUURMANN, Anton J.; WALSH, Lorena S. (Hgg.): Material Culture: Consumption, Life-Style, standard of living, 1500-1900, Mailand 1994, S. 43-54; WIJSENBEKOLTHUIS, Thera: Achter de gevels van Delft. Bezin en bestaan van rijk en arm in een periode van achteruitgang (1700-1800) (Amsterdamse Historische Reeks, Grote Serie, Deel 3), Hilversum 1987; YUN, Bartolomé: Peasant material culture in Castile (17501900). Some proposals, in: SCHUURMANN, Anton J.; WALSH, Lorena S. (Hgg.): Material Culture: Consumption, Life-Style, standard of living, 1500-1900, Mailand 1994, S. 125136.
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Einleitung
Um die einzelnen kulturellen Trends und Strömungen in einem breiteren Kontext zu verorten, dürfen die politischen Hintergründe nicht unberücksichtigt bleiben. Langjährige kriegerische Auseinandersetzungen konnten die Handelskontakte empfindlich stören, wenn nicht gar ganz unterbrechen. In diesem Zusammenhang ließen sich dann Beobachtungen zu Vorreiter- beziehungsweise Nachzüglerrollen relativieren. Auch die Sozialstruktur in den untersuchten Städten bedarf hier der gesonderten Betrachtung. Der prozentuale Anteil von Luxusgegenständen innerhalb der Inventare ermöglicht beispielsweise in Verbindung mit dem Bevölkerungsanteil der Oberschicht ein ergiebiges Erkenntnispotential. Um diese Fragen erschöpfend behandeln zu können, erfolgt zunächst eine umfangreiche Quellenaufnahme der einzelnen Inventare. Dabei wird die jeweilige Überlieferungssituation nicht außer Acht gelassen, denn das zahlenmäßige Verhältnis zwischen der Gesamtbevölkerung und den überlieferten Inventaren spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Auch die in der Entstehungszeit der Inventare herrschenden rechtlichen Gegebenheiten bilden eine wichtige Grundlage für die Auswertung, da geltende Rechtsvorschriften das formale Erscheinungsbild dieser Quellengattung bestimmten.11 Im Bereich der materiellen Kultur lässt sich dieser Arbeitsschritt anhand der in den Inventaren aufgelisteten Kategorien, wie der Bezeichnung des fertigen Erzeugnisses, deren Farbgebung und der verschiedenen Formen und Ornamente, teilweise sogar mittels Aussagen zum Herstellungsprozess, der verwendeten Rohstoffe, eventuelle Halbfabrikate und in manchen Fällen sogar einzelner Werkzeuge, Arbeitsmittel 11
BENTZIEN, Ulrich: Zwei Nachlassverzeichnisse aus Radgendorf bei Zittau, in: Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte (1973), S. 168-194; KLONDER, Andrzej: Geschichte der materiellen Kultur. Theorie und Praxis der Forschungen, in: Die Erforschung von Alltag und Sachkultur des Mittelalters, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte, Band 433, Wien 1984, S. 14-16; LÖFFLER, Peter: Inventare. Historische Entwicklung und rechtliche Grundlagen, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 23 (1977), S. 120-131; MANNHEIMS, Hildegard; ROTH, Klaus: Nachlassverzeichnisse. Internationale Bibliographie/ Probate Inventories. International Bibliography (Beiträge zur Volkskultur Nordwestdeutschland, Band 39), Münster 1984; MANNHEIMS, Hildegard: Wie wird ein Inventar erstellt?, Münster 1991; MEINERS, Uwe: Stufen des Wandels. Aspekte zur Periodisierung der bürgerlichen und bäuerlichen Kultur im Münsterland (1550-1800), in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 55), Münster 1987, S. 275-308; MEINERS, Uwe: Wohnkultur in süddeutschen Kleinstädten vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Soziale Unterschiede und Wertstrukturen, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Nord-Süd-Unterschiede in der städtischen und ländlichen Kultur Mitteleuropas (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 40), Münster 1985, S. 157-221; ROTH, Klaus: Zur Auswertung von Nachlassinventaren, in: WOUDE, Ad van der; SCHUURMAN, Anton (Hgg.): Probate Inventories. A new Source for the historical study of Wealth, Material Culture and agricultural Development, Utrecht 1980, S. 43-51.
Einleitung
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und Arbeitsschritte durchführen. Hier können einzelne Herkunftsregionen bereits festgestellt werden, was eine weitere und präzisere Recherche zum Ursprung der Gegenstände erleichtert. Als ein weiterer Schritt erfolgt die qualitative und quantitative Auswertung der ermittelten Daten, die zunächst in Tabellen und Diagrammen festgehalten werden. Gerade der prozentuale Anteil einzelner Einrichtungsgegenstände innerhalb der Gesamtbevölkerung in einzelnen Dekaden liefert uns Aufschluss über die Verbreitung in den untersuchten Städten. Bei der inhaltlichen Analyse sind nicht nur Erkenntnisse über die unterschiedlichen Gegenstände des täglichen Gebrauchs, Inneneinrichtung von Wohnungen oder Textilien – in Form von Tages- und Nachtkleidung oder Bettwäsche, spezielle modische Accessoires, Vorhänge und Gardinen, Decken oder etwa Teppiche und Läufer – zu erwarten, sondern sogar über die konkrete Verwendung einzelner Materialien. Auch der Bereich der Luxusartikel wird in den meisten Fällen in den Inventaren angesprochen. Hierzu zählen sowohl Schmuck, besondere Bestecke und Geschirre als auch Kunstgegenstände, wie Bilder, Gemälde, Statuen, bis hin zu Spiegeln, Vasen, Porzellanfigürchen und einzigartige Pokale. 12 Illustrierend können zu diesen quellenorientierten Forschungen Ausstellungsstücke aus volkskundlichen oder Heimatmuseen herangezogen werden. In den meisten Fällen verfügt man dabei über Angaben zum Herstellungsjahr, zu den einzelnen verwendeten Materialien oder etwa den Herstellungsort beziehungsweise den Weg des einzelnen Exponats bis in das Museum. Selten besitzt man Informationen zum ursprünglichen Besitzer oder Käufer. Auch über die soziale oder geografische Herkunft innerhalb der Region oder gar der Stadt 12
BLACK, Anderson: Die Geschichte des Schmucks, Stuttgart 1976; DENUCE, J.: Inventare von Kunstsammlungen zu Antwerpen im 16. und 17. Jahrhundert, Antwerpen 1932; DRIESNER, Jörg; RIEMER, Robert: Spiegel und Bilder in den Nachlassinventaren deutscher Kaufleute in Reval im 18. Jahrhundert, in: KRIEGER, Martin; NORTH, Michael (Hgg.): Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit, Köln-Weimar-Wien 2004, S. 165-198; HANSEN, Wilhelm: Aufgaben der historischen Kleidungsforschung, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Geschichte der Alltagskultur. Aufgaben und neue Ansätze (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 21), Münster 1980, S. 149-169; KUPRIAN, Nicole: Buntkariert und blütenweiß. Vom Umgang mit Bettwäsche (Westfälische Volkskunde in Bildern, Band 8), Münster-Hiltrup 1999; WIEGELMANN, Günter: Alltags- und Festspeisen. Wandel und gegenwärtige Stellung, Marburg 1967; WIEGELMANN, Günter: Butterbrot und Butterkonservierung im Hanseraum, in: MOHRMANN, Ruth-Elisabeth; WIEGELMANN Günter (Hgg.): Nahrung und Tischkultur im Hanseraum (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 91), Münster-New York 1996, S. 463-499; WIEGELMANN, Günter: Der Wandel von Speisen- und Tischkultur im 18. Jahrhundert, in: HINRICHS, Ernst; WIEGELMANN, Günter (Hgg.): Sozialer und kultureller Wandel in der ländlichen Welt des 18. Jahrhunderts (Wolfenbüttler Forschungen, Band 19), Wolfenbüttel 1982, S. 149-161.
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Einleitung
können keine näheren Angaben gemacht werden. Häufig ist es dabei irrelevant, ob es sich um ein Möbelstück, Kunstwerke oder um Textilien handelt. Nur bei besonders ausgefallenen und künstlerisch hochwertigen Stücken oder Kunstwerken, die obendrein nicht nur besonders wertvoll, sondern zum Zeitpunkt des Kaufs auch noch sehr teuer gewesen sein müssen, ist in manchen Fällen der Schöpfer oder der Käufer nachzuvollziehen. Diese Art von Gegenständen treffen wir allerdings fast nur in den obersten Bevölkerungsschichten, wie in einflussreichen und gut situierten Ratsfamilien, bei Adligen oder in ganz seltenen Fällen bei den jeweiligen Territorialherren an. 13 Auch die Sekundärliteratur gibt uns in mehrfacher Weise Hilfestellung bei der bildlichen Vorstellung der uns in den Haushaltsinventaren begegnenden Inhalte. Hier finden sich nicht nur kunsthistorische Klassiker, die einzelne Kunst- und Kulturepochen näher beleuchten und uns spezifische und für eine begrenzte Zeitspanne typische Möbelstücke näher beschreiben und bildlich darstellen 14, sondern auch die verschiedensten Textillexika können hier eine 13
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KONIETZKO, Jutta: Nachlassinventare in der volkskundlichen Forschung, in: SCHEINOST, Maria (Hg.): Haube-Hausfrau-Halloween Lebendige Kulturwissenschaft, Festschrift für Elisabeth Roth zum 75. Geburtstag, Hildburghausen 1996, S. 70-84; KORF, Gottfried: Mind in Matters. Anmerkungen zur volkskundlichen Sachkulturforschung, in: KASCHUBA, Wolfgang; SCHOLZE, Thomas; SCHOLZE-IRRLITZ, Leonore (Hgg.): Alltagskultur im Umbruch (Alltag & Kultur, Band 1), Weimar-Köln-Wien, 1996, S. 11-28; KRAMER, Karl-S.: Materielle und geistige Volkskultur, in: Bayrisches Jahrbuch für Volkskunde (1969), S. 80-84; KRAMER, Karl-S.: Nord-Süd-Unterschiede in Gemeindebräuchen, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Nord-Süd-Unterschiede in der städtischen und ländlichen Kultur Mitteleuropas (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 40), Münster 1985, S. 315-325; KRETZENBACHER, Leopold: Vergleichende Volkskunde Europas. Gesamtbibliographie mit Register 1936-1999 (Münchner Beiträge zur Volkskunde, Band 25), Münster 2000; LÖFGREN, Orvar: The use of history consumption studies, in: HARTMANN, Andreas; HÖHER, Peter; CANTAUW, Christiane; MEINERS, Uwe; MEYER, Silke (Hgg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Festschrift für Ruth-E. Mohrmann (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Bd. 116), Münster-New York-München-Berlin 2011, S. 35-44; REICHSTEIN, Renate: Wohnen in Lübeck um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Drei Nachlaßinventare Lübecker Bürger, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 61 (1981), S. 37-50. DENECKE, Bernward: Bauernmöbel. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, München 1969; EHRET, Gloria: Deutsche Möbel des 18. Jahrhunderts. Barock – Rokoko – Klassizismus, München 1986; FEULNER, Adolf: Kunstgeschichte des Möbels, Oldenburg in Oldenburg 1980; FRITSCH, Regina: Möbel: Idealentwürfe contra Gebrauchsgegenstände, in: GROßMANN, Georg Ulrich (Hg.): Renaissance im Weserraum, Band 2, München-Berlin 1989, S. 236-244; HAHN, Elmar: Das Bett der Mägde zu Langenburg. Schlafmöbel für Dienstboten aus dem württembergischen Handwerkerhaushalt, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 269-279; HEINZMANN, Berthold: Novationsphasen der ländlichen Möbelkultur in Minden-Ravensberg (17.-19- Jahrhundert) (Beiträge zur Volkskunde in Nordwestdeutsch-
Einleitung
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durchaus ernst zu nehmende Hilfestellung leisten 15. Aber ebenso können zeitgenössische Modemagazine, wie das von Bertuch bereits seit 1786 herausgegebene „Journal des Luxus und der Moden“, uns besonders im textilen Bereich das Aussehen und die Beschaffenheit von im untersuchten Zeitraum modernen Textilien und modischen Accessoires näher bringen. 16
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land, Heft 19), Münster 1981; HIMMELHEBER, Georg: Kleine Möbel. Modell-, Andachtsund Kassettenmöbel vom 13.-20. Jahrhundert, München 1979; HINZ: Innenraum und Möbel; HOFFMANN, Herbert (Hg.): Sitzmöbel aus sechs Jahrhunderten. 423 Stühle, Sessel, Bänke und Sofas aus Deutschland, England, Frankreich, Holland, Italien, der Schweiz und Skandinavien, Stuttgart 1978 (Erstausgabe 1938); HÖHER, Peter: Konstanz und Wandel in Wohnausstattung und Hauswirtschaft (1630-1899). Das Beispiel Nürtingen am Neckar, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 55), Münster 1987, S. 310-331; JEDDING, Hermann: Das schöne Möbel. Ein Bildlexikon aller Möbeltypen vom 12. bis ins 20. Jahrhundert, München 1978; JONGE, C. H. de (Hg.): Holländische Möbel und Raumkunst 1650-1780, Gravenhage 1922; OTTENJANN: Wandel in der ländlichen Bau- und Möbelkultur Nordwestdeutschlands, S. 195-209; PAYNE, Christopher: Stilmöbel Europas, München 1990; SAUERLANDT, Max: Norddeutsche Barock-Möbel, Elbefeld 1922; SCHMITZ, Hermann: Das Möbelwerk. Die Möbelformen vom Altertum bis zur Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts, Tübingen 1973; YATES, Simon: Illustrierte Geschichte der Möbel. Stühle, Köln 1996; YATES, Simon: Illustrierte Geschichte der Möbel. Tische, Köln 1996. BOEHN, Max von: Das Beiwerk der Mode. Spitzen, Fächer, Handschuhe, Stöcke, Schirme, Schmuck, München 1928; BOEHN, Max von: Die Mode. Eine Kulturgeschichte vom Mittelalter bis zum Barock, Neudruck, München 1996; BOEHN, Max von: Die Mode. Eine Kulturgeschichte vom Barock bis zum Jugendstil, Neudruck, München 1996; BOEHN, Max von: Die Mode. Menschen und Moden im siebzehnten Jahrhundert, München 1964; BOEHN, Max von: Die Mode. Menschen und Moden im achtzehnten Jahrhundert, München 1923; BOEHN, Max von: Die Mode. Menschen und Moden im neunzehnten Jahrhundert, München 1919; BÖSCH, Annemarie: Formengeschichte europäischer Kleidung, Wien-Köln-Weimar 2001; BOVENSCHEN, Silvia (Hg.): Die Listen der Moden, Frankfurt am Main 1986; HEIDEN, Max: Handwörterbuch der Textilkunde aller Zeiten und Völker, Stuttgart 1904; KOCH, Paul-August; SATLOW, Günther (Hgg.): Großes Textil-Lexikon. Fachlexikon für das gesamte Textilwesen, Stuttgart 1966; LOSCHEK, Ingrid: Reclams Mode- und Kostümlexikon, Stuttgart 1994; WILCOX, R. Turner: The Dictionary of Costume, New York 1969; WISNIEWSKI, Claudia: Kleines Wörterbuch des Kostüms und der Mode, Stuttgart 1996; WURMBACH, Edith: Das Wohnungs- und Kleidungswesen des Kölner Bürgertums um die Wende des Mittelalters (Veröffentlichungen des Historischen Museums der Stadt Köln), Bonn 1932; ZANDER-SEIDEL, Jutta: Kleiderwechsel, Nürnberg 2002; ZANDER-SEIDEL, Jutta: Textiler Hausrat. Kleidung und Haustextilien in Nürnberg von 1500-1650, München 1990. BERTUCH, Friedrich Justin; KRAUS, Georg Melchior (Hgg.): Journal des Luxus und der Moden, Neudruck, Leipzig 1970; KLEINERT, Annemarie: Le „Journal des Dames et des Modes“. Ou la conquête de l’europe féminine (1797-1839) (Beihefte der Franca, Band 46), Stuttgart 2001.
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2.1. Inventare als Quellen und ihre Auswertung Um sich dem Themenfeld der Alltagskultur vergangener Zeiten zu nähern, gibt es durchaus differente methodische Herangehensweisen. Zum einen lassen sich über die Jahrhunderte überlieferte Gegenstände oder Sachzeugnisse sammeln, untersuchen und auswerten, was heute hauptsächlich durch Museen geleistet wird. Zum anderen ist es möglich, vergangenen Alltag anhand von unterschiedlichen schriftlichen Überlieferungen und Archivalien – wie bereits in der Einleitung beschrieben – nach unseren gegenwärtigen kulturhistorischen Fragestellungen zu untersuchen. 1 Die Grundlage der vorliegenden Untersuchung stellen Inventare dar, welche zwar in den meisten Fällen aus unterschiedlichen Intentionen heraus erstellt wurden, in der Regel aber immer in einer sich ähnelnden Form auftreten. 2 Das 1
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APPELT, Heinrich (Hg.): Die Erforschung von Alltag und Sachkultur des Mittelalters. Methode – Ziel – Verwirklichung, Wien 1984; APPELT, Heinrich (Hg.): Mensch und Objekt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Leben – Alltag – Kultur, Wien 1990; BARNETT, H. G: Innovation: The Basis of Cultural Change, New York-TorontoLondon 1953; BAUSINGER, Hermann: Alltag und Utopie, in: KASCHUBA, Wolfgang; SCHOLZE, Thomas; KUBLER, George (Hgg.): The Shape of Time. Remarks on the History of Things, New York 1962; KÜHNEL, Harry: Alltag im Spätmittelalter, Graz 1996; LINNEMANN, Hilko: Historische Möbel des Emslandes vor 1850 am Beispiel der Kirchspiele Lingen, Lengerich und Bawinkel, Universitäts Dissertation, Münster (Westfalen) 2002; MÄRKER, Peter: Daniel Chodowiecki. Bürgerliches Leben im 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1978; SCHOLZE-IRRLITZ, Leonore (Hgg.): Alltagskultur im Umbruch (Alltag & Kultur, Band 1), Weimar-Köln-Wien, 1996, S. 31-48. BAULANT, Micheline: Die Kodierung von Nachlassinventaren, in: IRSINGER, Franz (Hg.): Quantitative Methoden in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Vorneuzeit, Stuttgart 1978, S. 101-126; BORSCHEID, Peter: Familie – Wirtschaft – Gesellschaft. Materialien zu einer Sozialgeschichte der Familie in Deutschland, in: WOUDE, Ad van der; SCHUURMAN, Anton (Hgg.): Probate Inventories. A new Source for the historical study of Wealth, Material Culture and agricultural Development, Utrecht 1980, S. 83-95; EIKHÖLTER, Manfred: Lübecker Inventare des 16.-18. Jahrhunderts und ihre rechtliche Grundlage. Chancen der Auswertung, in: HAMMEL-KIESOW, Rolf (Hg.): Wege zur Hausforschung städtischer Häuser und Höfe. Beiträge zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit am Beispiel Lübecks im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (Häuser und Höfe in Lübeck. Historische, archäologische und baugeschichtliche Beiträge zur Geschichte der Hansestadt im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Band 1), Neumünster 1993, S. 279-326; KONIETZKO: Nachlassinventare in der volkskundlichen Forschung, S. 70-84; LÖFFLER: Inventare, S. 120-131; MANNHEIMS: Wie wird ein Inventar erstellt; PELUS-KAPLAN, Marie-Louise; EIKHÖLTER, Manfred: Lübecker Inventare des 16.-18. Jahrhunderts und ihre rechtliche Grundlage. Chancen der Auswertung,
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bedeutet, dass die konkreten Gründe für die eigentliche Überlieferung im Detail oft sehr verschieden sein können. Gemeinsam haben alle diese Inventare, dass sie – vollständig oder unvollständig – das mobile und immobile Gut des jeweiligen Inventargebers schriftlich festhalten. 3 Nachlassinventare sind für die unterschiedlichsten Forschungsbereiche von Interesse, da sie detaillierte Einblicke in viele Lebensbereiche und -umstände des jeweiligen Erblassers gewähren. Vor allem die Kunstgeschichte profitiert von der Arbeit mit dieser Quellengattung, denn Inventare können wertvolle Erkenntnisse über Vorkommen, Verbreitung, Verarbeitung, Handel etc. von Kunstgegenständen liefern. Auch die vorliegende Untersuchung ermittelt diese Informationen aus Inventaren, um sie unter historischer Perspektive auszuwerten und dabei der Frage nachzugehen, welche Transferwege sich für Wohnkultur im Ostseeraum ausmachen lassen. Des Weiteren können Nachlassinventare durch ihre formale Gestaltung geltende Rechtsvorschriften erhellen oder auch medizingeschichtliche Erkenntnisse liefern, da sie nicht selten Auskünfte zu angewendeten Arzneimitteln und sogar zu medizinischen Instrumenten geben. Auch für die Forschungsdisziplinen der Ethnologie/Volkskunde und der Genealogie finden sich in begrenztem Maße relevante Informationen. 4 Schließlich
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in: HAMMEL-KIESOW, Rolf (Hg.): Wege zur Hausforschung städtischer Häuser und Höfe. Beiträge zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit am Beispiel Lübecks im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (Häuser und Höfe in Lübeck. Historische, archäologische und baugeschichtliche Beiträge zur Geschichte der Hansestadt im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Band 1), Neumünster 1993, S. 279-326; ROTH: Zur Auswertung von Nachlassinventaren, S. 43-51. MARKKANEN, Erkki: Das finnische Erbschaftsinventarmaterial, in: WOUDE, Ad van der; SCHUURMAN, Anton J. (Hgg.): Probate Inventories. A new Source for the historical study of Wealth, Material Culture and agricultural Development, Utrecht 1980, S. 97-114; MANNHEIMS: Wie wird ein Inventar erstellt?, S. 1f.; MEINERS, Uwe; MOHRMANN, RuthElisabeth; ROTH, Klaus: Inventare als Quellen im Projekt „Diffusion StädtischBürgerlicher Kultur vom 17. bis zum 20. Jahrhundert“, in: WOUDE, Ad van der; SCHUURMAN, Anton J. (Hgg.): Probate Inventories. A new Source for the historical study of Wealth, Material Culture and agricultural Development, Utrecht 1980, S. 97114; MOHRMANN, Ruth-Elisabeth: Städtische Wohnkultur in Nordwestdeutschland vom 17. bis zum 19. Jahrhundert (aufgrund von Inventaren), in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Nord-Süd-Unterschiede in der städtischen und ländlichen Kultur Mitteleuropas (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 40), Münster 1985, S. 89155; PELUS-KAPLAN, Marie-Louise: Raumgefüge und Raumnutzung in Lübecker Häusern nach den Inventaren des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, in: EICKHÖLTER, Manfred; HAMMEL-KIESOW, Rolf (Hgg.): Ausstattungen Lübecker Wohnhäuser. Raumnutzungen, Malereien und Bücher im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (Häuser und Höfe in Lübeck. Historische, archäologische und baugeschichtliche Beiträge zur Geschichte der Hansestadt im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Band 4), Neumünster 1993; SCHMIDT, Maria: Ein münstersches Bürger-Inventar aus dem 18. Jahrhundert, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 12 (1965), S. 108-112. KONIETZKO: Nachlassinventare in der volkskundlichen Forschung; KORF: Mind in Matters; KRAMER: Materielle und geistige Volkskultur; KRAMER: Nord-Süd-Unter-
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nicht zu vergessen sind die Lokalgeschichte und Heimatkunde, die aus den hier untersuchten vielfältigen Materialien und Ergebnissen neue und tiefgreifendere Aussagen herausfiltern und für die eigenen Forschungszwecke verwenden können. Stellenweise werden in den verschriftlichten Nachlässen sogar Hinweise auf Nahrungsmittel gegeben, die uns mit den gebotenen Einschränkungen auf ihre ganz eigene Art und Weise von Nahrungs- und Tischgewohnheiten berichten. 5 Schließlich ermöglicht auch der Nachweis des Besitzes von Musikinstrumenten und Notenblättern prägnante und durchaus vielsagende Aussagen zu Musik und Sozialgeschichte. 6 Das hier angesprochene Themenspektrum spiegelt sich nicht in allen Inventaren wider. Zu einer vollständigen Klärung dürfen stets weder die zu dem jeweiligen Zeitpunkt vorherrschenden politischen Ereignisse – besonders natürlich kriegerische Auseinandersetzungen –, die jeweils momentane Herrschaftsstruktur, die allgemeine demographische Entwicklung innerhalb der untersuchten Stadt beziehungsweise sogar des umliegenden Gebietes noch der ganz allgemeine Charakter der Stadt außer Acht gelassen werden. Auch der Einblick in Zunft- und Handelsregister erleichtert eine Untersuchung und führt zu schlüssigeren Ergebnissen. In bestimmten Fällen lassen sich sogar unvoll-
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schiede in Gemeindebräuchen; KRETZENBACHER: Vergleichende Volkskunde Europas; NORTH, Michael: Genuss und Glück. Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung, Köln 2003, S. 157ff.; REICHSTEIN: Wohnen in Lübeck um die Mitte des 17. Jahrhunderts; SCHULER, Peter-Johannes (Hg.): Die Familie als sozialer und historischer Verband, Sigmaringen 1987; SCHULTZ, Alwin: Das häusliche Leben der europäischen Kulturvölker vom Mittelalter bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Leipzig 2001. KRUG-RICHTER, Barbara: Zwischen Hafergrütze und Hirsebrei? Regionale, soziale und funktionale Differenzierung in der frühneuzeitlichen Hospitalverpflegung Nordwestdeutschlands, in: MOHRMANN, Ruth-Elisabeth; WIEGELMANN Günter (Hgg.): Nahrung und Tischkultur im Hanseraum (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 91), Münster-New York 1996, S. 179-210; MOHRMANN, Ruth-Elisabeth: Tischgerät und Tischsitten nach Inventaren und zeitgenössischen Bildern, in: MOHRMANN, Ruth-Elisabeth; WIEGELMANN Günter (Hgg.): Nahrung und Tischkultur im Hanseraum (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 91), Münster-New York 1996, S. 167-178; SANDGRUBER, Roman: Die Anfänge der Konsumgesellschaft. Konsumgüterverbrauch, Lebensstandard und Alltagskultur in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, Wien 1982; SANDGRUBER, Roman: Knödel, Nudel, Topfstrudel. Österreichische Ernährungsgewohnheiten und regionale Unterschiede in Mitteleuropa, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Nord-Süd-Unterschiede in der städtischen und ländlichen Kultur Mitteleuropas (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 40), Münster 1985, S. 265-297; TEUTEBERG, Hans Jürgen; WIEGELMANN, Günter: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung (Studien zur Geschichte des Alltags, Band 6), Münster 1986. NORTH: Genuss und Glück, S. 157ff.; SCHULER: Die Familie als sozialer und historischer Verband; SCHULTZ: Das häusliche Leben.
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ständige Aussagen durch archäologische Untersuchungen vervollkommnen oder aus einem völlig neuen Blickwinkel erfassen. Bisher wurde diese Quelle jedoch in einzelnen Regionen oder Städten oft nur sehr sporadisch und mit einzelnen Musterbeispielen erforscht und die zu entschlüsselnden Informationen in den ausgewählten Fällen nur unzureichend oder unvollständig herausgefiltert und ausgewertet. 7 Die Auswertung von Nachlassinventaren unterliegt besonderen Schwierigkeiten. Nach Raimo Pullat lässt sich nie ein genaues Bild über den vollständigen Nachlass oder gar das gesamte Vermögen der Verstorbenen zeichnen. Die Aufnahme eines jeden Inventars dient in den meisten Fällen „oberflächlichen und praktischen Zielen“. 8 Allein aus fiskalischen Gesichtspunkten ist es durchaus verständlich, dass die Hinterbliebenen möglichst nie die gesamte Erbmasse angaben und besonders wertvolle Stücke kurzzeitig auslagerten oder zu bereits 7
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BEDAL, Konrad: Aufgaben der historischen Hausforschung, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Geschichte der Alltagskultur. Aufgaben und neue Ansätze (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 21), Münster 1980, S. 127-136; BEDAL, Konrad: Bäuerliche und bürgerliche Wohnkultur Nordostbayerns in Inventaren des 16. und 17. Jahrhunderts, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Kulturelle Stadt-Land-Beziehungen in der Neuzeit (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 9), Münster 1978, S. 175-248; BENKER, Gertrud: Bürgerliches Wohnen. Städtische Wohnkultur in Mitteleuropa von der Gotik bis zum Jugendstil, München 1984; BERGER, Günter: Inventare als Quelle der Sozialgeschichte des Lesens, in: RZLG (1981), S. 368-380; BRINGÉUS, Nils Arvid: Nachlassinventare als Quellen für das Studium von Landwirtschaftsgeräten in Südschweden, in: HANSEN, Wilhelm (Hg.): Arbeit und Gerät in volkstümlicher Dokumentation, Münster 1969, S. 28-36; BRUECKNER, Barbara: Die Traunsteiner Inventarien (1520-1860) als kulturgeschichtliche Quellen, Bayrisches Jahrbuch für Volkskunde (1951), S. 154-160; DENUCE, Jean: Inventare von Kunstsammlungen zu Antwerpen im 16. und 17. Jahrhundert, Antwerpen 1932; HOMOET, Christiane; SAUERMANN, Dietmar; SCHEPERS, Joachim: Sterbfallinventare des Stiftes Querheim (15251808). Eine quellenkritische Untersuchung zur Diffusionsforschung (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 32), Münster 1982; KANZENBACH, Anette: Die Gemäldesammlung des Wangelschen Witwenstifts in Esens im Lichte alter Inventare, in: Emder Jahrbuch für historische Landeskunde Ostfrieslands 79 (1999), S. 79127; KONIETZKO: Nachlassinventare, S. 70-84; MOHRMANN: Tischgerät und Tischsitten, S. 167-178; PELUS-KAPLAN: Raumgefüge und Raumnutzung; ROTH: Zur Auswertung von Nachlassinventaren, S. 42; SCHEFTEL, Michael: Gänge, Buden und Wohnkeller in Lübeck. Bau- und sozialgeschichtliche Untersuchungen zu den Wohnungen der ärmeren Bürger und Einwohner einer Großstadt des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (Häuser und Höfe in Lübeck. Historische, archäologische und baugeschichtliche Beiträge zur Geschichte der Hansestadt im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Band 2), Neumünster 1988; VIGARELLO, Georges: Wasser und Seife, Puder und Parfüm. Geschichte der Körperhygiene seit dem Mittelalter, Frankfurt 1988; WILKENS, Leonie von: Kleiderverzeichnisse aus 2 Jahrhunderten in den Nachlassinventaren wohlhabender Nürnbergerinnen, in: WKK 21 (1979), S. 25-41. PULLAT, Raimo: Nachlassverzeichnisse der deutschen Kaufleute in Tallin 1702-1750, Tallin 1997, S. 16.
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im eigenen Besitz befindlichen Gegenständen deklarierten, um zumindest einen Teil der fälligen Steuern umgehen zu können.9 Jan Kuuse geht sogar so weit, Inventare als reine Geschäftsdokumente zu bezeichnen, um die Erbmasse für alle nachvollziehbar und gerecht unter den Hinterbliebenen aufteilen zu können. Aber auch er konstatiert, dass in den meisten Fällen wohl die fiskalischen Gründe im Vordergrund standen. 10 Um ernsthafte wissenschaftliche Ergebnisse vorweisen zu können, „muss der Forscher versuchen, sich in das historische Milieu hineinzudenken, um die Menschen inmitten der konkreten Werte der sie umgebenden geistigen und materiellen Kultur sehen und begreifen zu können“. 11 Während steuerliche Gründe häufig zu einer Auslassung in Inventaren führten, sind zu hoch taxierte Inventare vorzufinden, wenn es zum Beispiel um eine Mitgift oder Morgengabe ging, wie sie uns in bekannter Weise in Form von Inventaren und Auflistungen mit den jeweiligen Preisangaben aufgeschlüsselt vorliegen. Hier versuchten die Familie der Braut oder der Bräutigam oftmals eine gute Partie durch eine solche Manipuation durchzusetzen. Aber auch beim Ankauf von Konkursmassen ging es in manchen Fällen für den kurz vor dem Ruin stehenden Inventargeber um Alles oder Nichts. So konnte die gesamte Konkursmasse nach kleineren Zahlenkorrekturen durch den Inventaraufneh-
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JARITZ, Gerhardt: Österreichische Bürgertestamente als Quelle zur Erforschung städtischer Lebensformen des Spätmittelalters. Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 8 (1984), S. 251; JARITZ, Gerhardt: Die spätmittelalterliche Stadt in der Sachkulturforschung. Problematik-Möglichkeiten-Grenzen, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Geschichte der Alltagskultur. Aufgaben und neue Ansätze (Beiträge zur Volkskultur in Nord-Westdeutschland, Heft 21), Münster 1980, S. 62; THIRIET, Jean-Michel: Methoden der Mentalitätsforschung in der französischen Sozialgeschichte, in: Ethnologica Europaea XI (1979/80), S. 208-225; Veit, Andreas Ludwig: Mainzer Domherren vom Ende des 16. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts in Leben, Haus und Habe. Ein Beitrag zur Geschichte der Kultur der Geistlichkeit, Mainz 1924. Bereits im 17. Jahrhundert wurde das Auslassen einzelner Gegenstände und Besitztümer aus einem Inventar – ob nun absichtlich oder aus Versehen – strengstens verboten, der Verstoß hingegen nicht unbedingt als Veruntreuung angesehen und unter Strafe gestellt. So erläutert Johann Fuchs bereits 1699 in seinem Werk „Vollständiges Inventarium“ diesen Tatbestand: „Heutigen Tages machen die Mängel, welche die Sachen des inventarii betreffen, als, wann ein Ding daraus gelassen, das inventarium nicht ungültig, sondern ein jeder Mangel wird mit einem Ende supplieret.“ Erst das Auslassen größerer Mengen von Besitztümern aus einem Inventar machte dieses ungültig, stellte einen Strafbestand dar und erforderte eine erneute Aufnahme der Erbschaft beziehungsweise des einzelnen Inventars. Vgl. dazu: FUCHS, Johann: Vollständiges Inventarium, Plön 1699, S. 70. KUUSE, Jan: The probate inventories as a source for economic an social history, in: The Scandinavian Economic History Review 22 (1974), S. 22f. PULLAT: Nachlassverzeichnisse der deutschen Kaufleute, 1997, S. 16ff; PULLAT, Raimo: Die Nachlassverzeichnisse der deutschen Handwerker in Tallin 1706-1803, Tallin 2006.
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menden beziehungsweise den -schreiber finanziell attraktiver aussehen und somit ein etwas höherer Gewinn erzielt oder der Verlust verkleinert werden. Ein weiteres ebenfalls ernst zu nehmendes Problem bei der Auswertung von Nachlassinventaren ist die oftmals vorherrschende mangelnde Sachkenntnis der jeweiligen Notare und Schreiber, die hinterlassene Sachwerte beschreiben und taxieren sollten. Nicht selten wurden die konkreten Sachwerte der einzelnen Stücke falsch bewertet oder wertvolle und für uns relevante Stücke einfach nicht aufgenommen. Wir können davon ausgehen, dass für uns wichtige kleine Details damals einfach normal, eben alltäglich waren und damit zu bedeutungslos, um niedergeschrieben zu werden. Ein weiteres Problem, dem wir uns in diesem Zusammenhang widmen müssen, ist die Quantität der überlieferten Nachlässe. Der tatsächlich in den untersuchten Städten vorhandene Bestand an Möbelstücken, Schmuck, Kunstgegenständen, Bestecken, Geschirren und schließlich an Bekleidung und anderen Textilien wird um ein Vielfaches über den heute in schriftlichen Quellen überlieferten und real noch vorhandenen Objekten liegen. Häufig sind es zudem einzig hochwerige Gegenstände, die in schriftlichen Zeugnissen Erwähnung finden oder in Sammlungen erhalten blieben. 12 Andererseits muss man auch davon ausgehen, dass von den gesamten in einer Stadt lebenden Personen nur ein kleiner Bruchteil überhaupt die Möglichkeit hatte oder gezwungen war, ein Nachlassinventar anfertigen zu können oder gar zu müssen. Für die untersten Bevölkerungsschichten kam es äußerst selten 12
BEHR, Hans Joachim: Archivarische Quellen zur bäuerlichen und bürgerlichen Alltagskultur vom 15.-17. Jahrhundert in Deutschland und ihre Auswertungsprobleme, in: La famiglia et la vita quotidiana (1986), S. 365-373; BRANDT, Ahasver von: Mittelalterliche Bürgertestamente. Neuerschlossene Quellen zur Geschichte der materiellen und geistigen Kultur, Heidelberg 1973; BRAUDEL, Fernand: Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts. Der Alltag, Band 1, München 1985; BRINGÉUS, Nils Arvid: Perspektiven des Studiums materieller Kultur, in: Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte 29 (1986), S. 159-174; BRÜCKNER, Wolfgang: Das Nord-Süd-Problem für die Erforschung religiöser Volkskultur. Allgemeines Vorurteil und Wissenschaftsstereotyp, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Nord-Süd-Unterschiede in der städtischen und ländlichen Kultur Mitteleuropas (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 40), Münster 1985, S. 327-344; BRÜCKNER, Wolfgang: Volkskultur und Wandel vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: MOHRMANN, Ruth-Elisabeth (Hg.): Städtische Volkskultur im 18. Jahrhundert, Weimar-Wien 2001, S. 1-18; DENZEL, Markus A.: Handelspraktiken als wirtschaftshistorische Quellengattung vom Mittelalter bis in das frühe 20. Jahrhundert. Eine Einführung, in: DENZEL, Markus A.; HOCQUET, Jean Claude; WITTHÖFT, Harald (Hgg.): Kaufmannsbücher und Handelspraktiken vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte Nr. 163), Stuttgart 2002, S. 11-45; GREGORIETTI, Guido: Gold und Juwelen. Eine Geschichte des Schmucks von Ur bis Tiffany, Gütersloh-Berlin-München-Wien 1971; KOCH-MERTENS, Wiebke (Hgg.): Der Mensch und seine Kleider, Düsseldorf-Zürich 2000; MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 1; THIEL, Erika: Geschichte des Kostüms. Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin 2000.
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in Frage, den eigenen Nachlass niederzuschreiben. Einzig bei der Haushaltsauflösung von verstorbenen Personen aus den unteren Bevölkerungsschichten ohne eigene Nachkommen oder Verwandte wurde bei der Räumung ein kleines Inventar in Form einer Aktennotiz niedergeschrieben, das für aktuelle Fragestellungen eher von geringerem Nutzen sein kann, da in den untersten Schichten der Bevölkerung kaum Inovationen in der materiellen Kultur rezipiert worden sind. Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts erschienen im deutschsprachigen Raum juristische Fachbücher, die Musterinventare abdruckten beziehungsweise den Vorgang der Aufnahme gesondert beschrieben. Als Beispiele seien hier das bereits erwähnte und 1610 erschienene Werk „Manualis Advocatorum et Notariorum“ von Adam Volckmann und die 1672 durch Johann Fuchs veröffentlichte juristische Abhandlung „De inventario“ (deutsche Ausgabe: „Vollständiges Inventarium“ von 1699) genannt. 13 Während des 17. und 18. Jahrhunderts kamen immer neue Erläuterungen hinzu, die die Aufnahme von Inventaren nach Todesfällen empfahlen, um eventuellen Streitigkeiten der Erben untereinander vorzubeugen. Zu erwähnen wäre hier Danzig, wo beispielsweise in den Jahren 1684 und 1777 mit der so genannten Kadukordnung genaue Vorschriften über die Verfahrensweise mit Nachlässen verstorbener Personen niedergeschrieben wurden. 14 In den Notariatshandbüchern wurden nicht nur genaue Angaben zur direkten Aufnahme von Inventaren gemacht, sondern auch gewisse Grundregeln niedergeschrieben und hilfreiche Unterteilungen getroffen. Adam Volckmann unterteilt in eine normale Erbschaft, ohne dass eine Vormundschaft über die Nachkommen eingerichtet werden muss, eine Erbschaft in der eine Vormundschaft benötigt wird, in Konkursinventare und schließlich in Inventare, die aus öffentlichen Ämtern stammen, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass jedes Teil des Nachlasses auch wirklich verzeichnet werden sollte. 15 13 14 15
VOLKMANN, Adam: Manualis Advokatorum et Notariorum, Leipzig 1610; FUCHS: Vollständiges Inventarium. HESS, Corina: Die materielle Wohnkultur Danzigs im 17. und 18. Jahrhundert im Spiegel von Nachlassinventaren, Dissertation, Greifswald 2005, S. 15. „Von denen Inventarien und deren Formalia Die Inventaria werden bey den Gelehrten in unterschiedene Classes abgetheilet, und mit ihren sonderlichen Nahmen benennet, nehmlich: I. Inventaria haeredis, so ein Erbe ausserhalb Vormundschafft aufgerichtet. II. Inventaria Tutorum vel Curatorum, so die Vormunden über die Mündlein Vermögen aufrichten und verfertigen lassen. III. Inventaria Creditorum, so wegen derer Schuldner und Gläubiger zu Werck gestellet werden müssen, im Fall ein Curator, wie offters zu geschehen pfleget, in die Güter gesetzet, oder es sonsten erfordert wird. IV. Inventaria officiorum, derer Haupt- und Amtleute, Schöffer, Oeconomorum, Verwalter, AmtSchreiber, Pacht-Leute, Schaffer, kellner und dergleichen.
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Bei der Aufnahme und Analyse der Inventare aus Kopenhagen, Stralsund und Riga galt es zunächst die verschiedenen Inventargattungen zu differenzieren und den Grund sowie die Art und Weise der Inventarerstellung zu beleuchten: Dabei wären zunächst die Konkurssachen zu nennen. Diese mobilen und immobilen Besitztümer wurden niedergeschrieben und taxiert, um einen ungefähren Wert des gesamten Restvermögens zu erhalten. Objekte einer Konkursmasse sind oft sehr eng mit Auktionen und deren Protokollen verknüpft, denn in den meisten Fällen wurden die Überreste aus solchen Konkursen auf Auktionen meistbietend versteigert. Aber nicht nur finanziell bedingte Notlagen bildeten die Grundlage für Auktionen; auch aus ganz normalen Haushalten – zum Beispiel in Erbschaftsfällen – konnten Dinge und Gegenstände zu Auktionen gegeben werden. Die dort ausgefertigten Auktionsprotokolle geben nicht nur Aufschluss über die Dinge und deren Wert, sondern meistens sogar über die jeweiligen Ersteigerer der einzelnen Stücke. Darüber hinaus konnten auch aus öffentlicher Hand Nachlässe versteigert werden, wenn keine Erben vorhanden waren. Die am häufigsten anzutreffende Form von Inventaren sind die Nachlassverzeichnisse. Hier erfolgte, wiederum um etwa Erbstreitigkeiten vorzubeugen, Erbteilungen zu erleichtern oder aus rein fiskalischen Gründen, die Aufnahme des gesamten mobilen und immobilen Hab und Guts des Verstorbenen und in den meisten Fällen auch dessen Schätzung. 16 Weiterhin lassen sich Inventare in Akten und Protokollen zu Vormundschaftssachen und Aussteuern finden. Bei den Vormundschaftakten ging es hauptsächlich darum, in regelmäßigen Abständen eine Bestandsaufnahme über die Besitzungen der bevormundeten Kinder zu erlangen und auf etwaige Unregelmäßigkeiten hin zu überprüfen. Die einzelnen Städte hatten hier als rechtliche Grundlagen Vormundschaftsverordnungen erlassen und als kontrollierende Institution Vormundschafts- und Waisengerichte geschaffen, sodass die Auswertung dieser Inventare stets an die Betrachtung weiterer Quellen gebunden war. Auch bei den bereits angesprochenen Aussteuern trifft ähnliches zu. Bei dieser Art der Inventarverzeichnung kann es sich immer nur um eine begrenzte Auswahl von Gegenständen handeln, da wir weder über den gesamten Besitzstand des gebenden Haushaltes informiert werden noch eine Aufschlüsselung
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Ein Inventarium ist ein rechtmäßiges öffentliches Verzeichniß, und ordentliche glaubwürdige Beschreibung aller und ieder in einer Erbschafft befundenen, oder sonst zu eines Verwaltung eingehändigten Haab und Güter, worinnen die bestehen und seyn mögen, zu desto besserer derselben Wiederfindung, Verantwort- und Berechnung von öffentlichen Amts-Personen, welchen es anbefohlen, und darzu erfordert werden, üblichem Brauch nach, aufgerichtet und vollzogen.“, vgl: VOLKMANN: Das ist: Vollständige und verbesserte Notariats-Kunst, S. 319. LÖFFLER: Inventare, S. 120-131; PELUS-KAPLAN; EIKHÖLTER: Lübecker Inventare, S. 279-326; SCHMELZEISEN, Gustav Klemens: Polizeiordnungen und Privatrecht, KölnMünster 1955.
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über den Haushalt erhalten, in welchen die Aussteuer einfließt. Wir sprechen in diesen Fällen von so genannten Übergabeverzeichnissen. Dadurch wird versucht, eine gewisse Rechtssicherheit der einzelnen Parteien zu wahren, sodass spätere Forderungen bereits im Vorfeld abgewendet werden können. Die Verzeichnisse gelten demnach als ein Beweis bezüglich der richtigen Übergabe einzelner Güter und Gegenstände. 17 In vielen Städten erließ der Rat eine sogenannte Aussteuerordnung, die nicht nur Quantität, sondern auch Qualität der zu übergebenden Objekte regelte. 18 Was wir uns bei der Auswertung der Inhalte und der Untersuchungen von Modetrends, Austausch und Rezeption anhand von Nachlassinventaren immer vor Augen halten müssen, ist die Tatsache, dass wir stets den Zeitpunkt des Todes beziehungsweise nur einen kleinen zeitlichen Rahmen davor behandeln können. Lediglich aus Adjektiven und Redewendungen wie „neu“, „nach der neuen Mode“ oder „alt“ und „aus der Mode“ ist der Zeitpunkt des Kaufes annähernd zu bestimmen. Selten erfährt man ob es sich beim gerade beschriebenen Objekt um ein Familienerbstück handelt, welches sich schon über mehr als eine Generation im Besitz der Familie befand, wenngleich die Wahrscheinlichkeit für solche Erbstücke sehr gering ist und allein die Lebenserwartung von häufig im Gebrauch befindlichen Gegenständen dem entgegen spricht. Trotzdem lässt sich ein Bezug zum Modebewusstsein herstellen, denn gerade im 18. Jahrhundert trennte man sich immer häufiger von nicht mehr der Mode entsprechenden Stücken. 19 Allerdings wissen wir durch das Auffinden bestimmter 17 18
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LÖFFLER: Inventare, S. 127. So beinhaltete die Stralsunder Verordnung folgende Angaben: „Die Aussteuer an Kleidern, für die Töchter wird nach Maaßgebung voriger, und besonders in A. 1701 declarierter Ordnung ferner weit determiniret auf 3. Kleider, welche dennoch in allen Stücken der Kleider-Ordnung gemäß seyn, und solche Gradus haben müssen, daß sie in einem Braut- oder Fest- in einem Sonn- und täglichen Kleide bestehen. Bey denen Betten wird verordnet, daß nicht mehr denn 3 Stand-Betten für eine Tochter, 2 Stand-Betten für einen Sohn (die Volcks-Betten eingeschlossen) und zwar von nicht zu kostbahren Bühren-Zeuge, im ersten Grade mit gegeben werden sollen. Wegen des Leinen-Zeuges wird der bißherige grosse Uberfluß dergestalt limitiret, daß der Werth alles dessen, was im ersten Stande der Bräutigam bekommt, nicht über 400 Rthl. und was die Braut bekommt, nicht über 500 Rthlr. sich erstrecken müsse, bey arbitrairer Straffe. Was obiger gestalt zur Aussteuer erlaubet, ist insonderheit von wohl-bemittelten Persohnen zu verstehen, es stehet aber einem jeden frey, hierunter mehrere menage zu gebrauchen.“, vergl in: Eines Hoch-Edl. Rahts der Stadt Stralsund erneuete Ordnung, wornach sich derselbe gesamte Bürgere und Angehörige in Verlöbnissen, Hochzeiten, Kind-Tauffen, Beerdigungen, und sonsten, nach Unterscheid der Stände zu verhalten, Stralsund 1729. BEDAL: Bäuerliche und bürgerliche Wohnkultur; BEDAL, Konrad: Gefüge und Struktur. Zu Standorten und Arbeitsweise volkskundlicher Hausforschung, in: Zeitschrift für Volkskunde 72 (1976), S. 161-176; BEDAL, Konrad: Historische Hausforschung. Eine Einführung in Arbeitsweise, Begriffe und Literatur (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 8), Münster 1978; DENEKE, Bernward: Aspekte der Modernisierung städtischer und ländlicher Kleidung zwischen 1770 und 1830, in: WIEGELMANN,
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Objekte in Inventaren, dass diese zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit in der Stadt vorhanden waren und gewisse Trends und Strömungen Einzug gehalten hatten. Der Aufbau von Inventaren ist nicht nur in den untersuchten Städten weitgehend einheitlich, sondern findet sich in ähnlicher Weise in ganz Mitteleuropa wieder. Zunächst befindet sich auf den Dokumenten die Anrede an den Auftraggeber des Inventars. Anschließend wird in den meisten Fällen bereits der Zweck der Erstellung angegeben, gleichzeitig der Inventargeber und der Zeitpunkt der Aufnahme vermerkt sowie in seltenen Fällen das Sterbedatum des Verlassenschaftsnachlassers erwähnt. Auch eventuelle Erben können in diesem Zusammenhang bereits bezeichnet werden. In der eigentlichen Auflistung erfolgen zunächst die Nennung und eventuelle Taxierung der immobilen Güter wie Grundstücke sowie Häuser und im Anschluss die Auflistung der einzelnen mobilen Gegenstände. Hier gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten einer Einteilung durch die aufnehmenden Personen. Entweder wurde das Inventar nach einzelnen Räumen in den Wohnungen sortiert niedergeschrieben – dies ist häufiger in großen Haushalten der Fall – oder aber die einzelnen Werkstoffe werden der Reihe ihrer Wertigkeit nach genannt und die einzelnen Gegenstände so zugeteilt. Abschließend kommen dann die unterschiedlichen Textilien, wie zum Beispiel Kleider, Leinen-, Tuchen-, Männer-, und Frauenzeug sowie Betten zur Sprache. Am Schluss eines Inventars werden dann häufig noch Bücher, Werkzeuge und Haus- und Hofgerätschaften differenziert. Die Möbelstücke haben selten eine feste Reihenfolge. In den meisten Fällen stehen sie nach den Metallgegenständen und vor den Textilien, aber auch eine Nennung nach der Kleidung oder vor den halbedlen Metallen ist auf Grundlage der von mir untersuchten Inventare nachweisbar. Auch in dieser Auflistung der einzelnen Gegenstände kann bei Bedarf wiederum eine Taxierung erfolgen. Abschließend finden wir nach der Niederschrift die Unterschrift und das Siegel des aufnehmenden Notars beziehungsweise des Notarschreibers. 20 Zu der Analyse von Inventaren gehört des Weiteren die Betrachtung der Personen, die bei der Inventarisierung anwesend waren. Zu diesem Punkt ha-
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Günter (Hg.); Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 55), Münster 1987, S. 161177; LÖFGREN, Orvar: Periodisierung als Forschungsproblem, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 55), Münster 1987, S. 91-101; MOHRMANN, Ruth-Elisabeth: Anmerkungen zur Geschichte der Dinge. Die „Form der Zeit“ als Instrument der Periodisierung, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 55), Münster 1987, S. 103-116; WOLF, Stefan: Bürgerliches Leben in der frühneuzeitlichen Stadt, dargestellt anhand der Hildesheimer Bürgertestamente, Schriftliche Hausarbeit zur Magisterprüfung, Münster 1985. MANNHEIMS: Wie wird ein Inventar erstellt, S. 7ff.
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ben wir klare, für den deutschsprachigen Raum normsetzende, zeitgenössische Verfahrenshinweisen, die in den hier untersuchten Städten eingehalten wurden, was sich anhand der am Anfang eines jeden Inventars genannten anwesenden Personen leicht beweisen lässt. Besonders das Werk von Adam Volkmann „Manualis Advokatorum et Notariorum“, welches bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts erschienen ist und über mehr als einhundert Jahre immer wieder verbessert und auf den neuesten Stand gebracht wurde ist normsetzend. 21 Demnach mussten nicht nur der Notar und die Erben bei der Niederschrift des Inventars anwesend sein, sondern auch noch zwei bis drei unvoreingenommene Zeugen, was auch in die Praxis umgesetzt wurde, wie die von mir untersuchten Inventare belegen.
2.2. Zur rechtlichen Grundlage von Nachlassinventaren Bei der Frage nach der Quantität der Erhaltung von Inventaren in Stralsund, Kopenhagen und Riga in dem hier untersuchten Zeitraum ist vor allem die Tatsache wichtig, ob es in jenen Städten die Pflicht gab, nach dem Tod einer Person ein Inventar aller dem Verstorbenen gehörenden Sachen und Sachwerte anfertigen zu lassen. Wenngleich Stralsund im hier betrachteten Zeitraum einem Wechsel vom mittelalterlich-hanseatischen Lübischen zum Römischen Recht unterlag, änderte dies wenig an den seit langem geregelten Bestimmungen zur Erstellung von Inventaren. Der Rat handhabte die Gerichtsbarkeit und war unter anderem für Testamente und Vormundschaften sowie Erbschaften zuständig. Um in speziellen Rechtsfällen auf eine gewisse Basis zurückgreifen zu können, wurde bereits 1593 eine Waisenordnung erlassen, auf welche dann zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Gründung des Waisengerichts folgte. Die Waisenordnung enthielt detaillierte Angaben zu den Rechten und Pflichten der Vormünder, der so genannten „Waisenmeister“ oder „Waisenschreiber“, welche zunächst von
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Hierin finden sich klare Anweisungen: „Zum andern, soll das Inventarium im Beyseyn aller Erben und Vormunden, und in Beyseyn aller derer, so einen Zuspruch daran haben möchten, oder durch einen hierzu erbetenen Notarium verrichtet werden, wie im vorhergehenden Cap.§.ult. erinnert worden. … Zum vierdten, müssen auch zum wenigsten über den Notarium (da sonderlich die Erben und Vormunden unter einander nicht einig, oder unmündige Kinder verhanden) 2. oder 3. Zeugen dem actui confessionis beywohnen, welche nicht allein specialiter darzu gebeten seyn, und deutlichen bekräfftigen sollen, daß der Notarius das Inventarium geschrieben, sondern sie sollen auch, res haereditarias in eorum praesentia offerri, & justo ordine notari, gesehen, observiret und betrachtet haben.“, vgl. in: VOLKMANN: Das ist: Vollständige und verbesserte Notariats-Kunst, S. 321.
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Seiten des Rates, später dann mittels der Gerichte regelmäßig kontrolliert werden sollten. 22 Ähnlich wie in Stralsund gab es auch in Kopenhagen und Riga im 17. und 18. Jahrhundert diese so genannten Waisenordnungen. In den Akten und Protokollen zu Vormundschaftsverfahren finden sich häufig Inventare aus den Haushalten der unter Vormund stehenden, die über die jeweiligen Besitzstände Auskunft geben sollten. Als Beispiel sei hier kurz auf den Artikel 14 der Rigaer Vormünderverordnung von 1727 verwiesen, in welchem über die genaue Erstellung eines Inventars präzise Aussagen getroffen werden: „ XIV. Von der Vormünder Verwaltung, Versäumniß, Ungebühr, und Ungeheiß Die Vormünder sollen nach ergangener Bestätigung / wie sich’s nach Rechte gebühret / ein Inventarium aufnehmen / und darinnen alle der Kinder in- und ausserhalb Landes / beweg- und unbewegliche Güter / Nahrung / Schulde und Gegenschulde / ohne alle Mittel durch den Waysen-Secretarium, in beyseyn zwoer oder dreyer unpartheyischer dazu von den Waysen-Herrn verordneter Personen, in specie treulich komen und beschreiben lassen / und / damit nichts verschwiegen bleibe / sollen bey Fertigung solches Inventarii des verstorbenen Wittibe / Kinder (so des Alters seynd /) und HaußGesinde / gestalten Sachen nach / bey Eydes-Pflichten alles / so ihnen von solcher Verlassenschafft wissend ist / getreulich zu offenbahren angehalten werden. Und wo dann zu Zeiten sterbender Läuffte halber solch Inventiren alsobald nicht könnte vorgenommen werden ( so soll nicht weniger / insonderheit auch da Stieff-Vater oder Mutter verhanden seynd / alles wohl verschlossen und versiegett werden.“ 23
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FABRICIUS, Carl Ferdinant: Verfassung und Verwaltung der Stadt Stralsund: ein Versuch, Stralsund 1831, S. 71ff.; SCHILDHAUER, Johannes: Hansestädtischer Alltag. Untersuchungen auf der Grundlage der Stralsunder Bürgertestamente vom Anfang des 14. bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Band 28), Weimar 1992; SCHILDHAUER, Johannes: Stralsunder Bürgertestamente als Quellen zur Lebensweise der städtischen Bevölkerung. Die bürgerliche Familie, in: WERNICKE, Horst; JÖRN, Nils (Hgg.): Beiträge zur hansischen Kultur- Verfassungs- und Schifffahrtsgeschichte (Hansische Studien X, Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Band 31), Weimar 1998, S. 67-72; SCHILDHAUER, Johannes: Stralsunder Bürgertestamente vom Anfang des 14. bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts. Listen sämtlicher Testatoren in chronologischer und alphabetischer Reihenfolge, in: KATTINGER, Detlef; WENICKE, Horst (Hgg.): Akteure und Gegner der Hanse. Zur Prosopographie der Hansezeit (Hansische Studien IX, Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Band 30), Weimar 1998, S. 327-403. Eines Wohledlen Rahts der Kayserlichen Stadt Riga Vormünder Ordnung, Riga 1727, S. 7ff.
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In diesen Vormundschaftsverordnungen finden wir auch Hinweise auf den Verkauf oder die Versteigerung von mobilem Hab und Gut, wie wir sie dann in den Auktionsprotokollen bestätigt finden. 24 Nicht nur das mobile, sondern auch das immobile Gut sollte in einem guten Zustand gehalten werden, so dass die zum Zeitpunkt der Inventarisierung noch unmündigen Erben nach Erlangung ihrer Mündigkeit die aufgeführten Dinge nutzen konnten, ohne finanziellen Schaden davontragen zu müssen. Lebensmittel, Tiere und ähnliche vergängliche Dinge, die die Zeit bis zur Mündigkeit der Kinder nicht überstehen würden, sollten mit Gewinn beziehungsweise ohne nennenswerten Verlust verkauft werden. 25 Verordnungen zur Erstellung von Inventaren finden sich in unterschiedlichen Ausprägungen. In Schweden und Finnland beispielsweise galt – ähnlich wie in Dänemark, wo bereits 1683 das Dänische Gesetzbuch, das „Danske Lov“, eine Rechtseinheit schuf 26 – seit dem Jahr 1734 ein allgemeines Zivilgesetz zur Ausfertigung und Handhabung von Nachlassinventaren. So musste bei jedem Todesfall der Nachlass des Verstorbenen in einem Inventar niedergeschrieben und der Wert festgestellt werden. Das heißt, dass es hier eine staatliche Regelung und nicht wie im Alten Reich eine städtische Regelung solcher Verfahren gab. 27 Eine Besonderheit des dänischen Rechtes war, dass es anders als in deutschsprachigen Gebieten eine alternative testamentarische Verteilung der Erbmasse vorsah. Wenn eine Person ein Erbe zu vergeben hatte, konnte er oder sie nach dänischem Recht über die Hälfte dieses Vermögens im Testament 24
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Ebenda, S. 11: „XXII. Wo Kinder noch zu jung seynd / dass sie die fahrende Haab noch in ettlichen Jahren nicht würden gebrauchen mögen / dieselbe aber mittlerweile schadhafft würden / oder auch gar verderben möchten / als sonderlich: Vieh / Kleider / Peltz und Hultzen-Werk / gemeiner Haußgerath / und was dergleichen mehr ist / so sollen die Vormündere solche fahrende Haab / obgleich keine Schulden furhanden waren / per publiocam intimationem an bestimmte Ort feil bieten / und aus dem gelösten Gelde den Kindern jährliche Renten machen / oder obliegende Schulden damit ablegen / es sollen aber die Vormündere solches vorher den Waysen-Herrn anzeigen und umb Zulaß bitten / welches alsdenn auch vergönstioget soll werden / doch Silber-Geschirr / daran der Eltern und Voreitern Wapen / auch gute furnehme Bücher / und was sonst die Eltern den Kindern zu Gedächtnuß sonderlich nachgelassen hätten / hierinnen ausgenommen.“ MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 7: Solche Verordnungen zu Vormundschaften finden sich in unterschiedlichen Ausprägungen einzelner Passagen im gesamten deutschsprachigen Raum. An dieser Stelle sollen noch kurz drei Beispiele aus dem südwestdeutschen Raum Erwähnung finden. So konstatiert Ruth E. Mohrmann zwar keine einheitlich geltende Vormundschaftsordnung für das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, aber einzelne Städte in diesem Herzogtum hatten dem allgemeinen Recht verpflichtete Vormundschaftsordnungen aufgestellt. Genannt seien an dieser Stelle die Ordnungen von Wolfenbüttel aus dem Jahre 1602, von Braunschweig von 1689 und die von Helmstedt, die 1745 durch die Stadt erlassen wurde. DÜBECK, Inger: Einführung in das dänische Recht (Die Rechtsordnungen der europäischen Staaten, Band 5 D), Baden-Baden 1996, S. 13ff. MARKKANEN: Das finnische Erbschaftsinventarmaterial, S. 257.
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frei verfügen und somit auch Personen, die nicht in der direkten Erbfolge standen, mit einem gewissen Erbteil bedenken. Wenn kein Testament vorlag, wurde nach den allgemein üblichen Erbschaftsregeln über den ganzen Nachlass bestimmt. Weitere, für diese Untersuchung maßgebliche Quellengattung sind die Luxus- und Kleiderverordnungen. Diese sollten nicht nur die standesgemäße Kleidung der einzelnen Personen sichern, sondern auch klare Abgrenzungen nach unten beziehungsweise nach oben regeln. Ein wesentliches Mittel zur Sozialdisziplinierung war seit dem Mittelalter die Untertanen in jeder möglichen Form zu überwachen beziehungsweise Einfluss auf einzelne Lebensbereiche zu nehmen. 28 Auf eine jeweils strenge Überwachung seitens der städtischen Polizeiorgane wurde nicht nur in den Verordnungen hingewiesen – „ ... so verhoffet man bey allen und jedwedern gebührlichen Gehorsamb [...] Darzu bey Verhütung unnachlässiger Straffen / ein jedweder fleissigst nochmahlen ermahnet wird ... “29 – sondern diese wurde auch rigoros durchgesetzt. So finden wir in den Städten Stralsund, Riga und Kopenhagen mehrere Beispiele für Übertritte und deren Ahndungen. 30 Um „der einreissenden Hoffarth und Uppigkeit der Kleidungen zuwehren“ 31 und dem immer schneller vonstatten gehenden Wandel der Moden Herr zu werden, wurden schließlich im Verlauf des 18. Jahrhunderts in immer kürzeren Abständen neue Kleiderordnungen oder Zusätze zu den alten herausgebracht. Dies kann nicht nur ein Anzeichen dafür sein, dass die Modetrends in immer kürzeren Abständen wechselten, sondern auch darauf hindeuten, dass sie nicht eingehalten wurden. In den Luxus- und Kleiderordnungen gab es sowohl Angaben zur Mode bei Kirchgängen und an Sonn- und Feiertagen als auch Maßregelungen, was bei Kindtaufen, in Trauerfällen oder gar bei Hochzeiten zu tragen sei. Hier ging es dann nicht nur um die einzelnen Stoffe und deren Verarbeitung, sondern hauptsächlich um den dazu getragenen Schmuck oder um die ausschmückenden Accessoires. Heißt es doch:
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BAUR, Veronika: Kleiderordnungen in Bayern vom 14. bis 19. Jahrhundert, München 1975; EISENBART, Liselotte Constanze: Kleiderordnungen der deutschen Städte zwischen 1350 und 1700, Göttingen 1962; EWE, Herbert: Das alte Stralsund. Kulturgeschichte einer Ostseestadt, Weimar 1995, S. 111f. Eines Ehrenfesten Raths der Stadt Stralsund Kleider-Ordnung. Wornach sich derselben Bürgere, Inwohnere und Angehörige nach Unterscheid der Stände zuverhalten, Stralsund 1649. KULTURHISTORISCHES MUSEUM STRALSUND (Hg.): Textilkunst im Norden: Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Stralsund, 17. September bis 3. Dezember 1989, Stralsund 1989; LELOIR, Maurice: Dictionnaire du Costume et de ses accessoires des Armes et des Étoffes des origines à nos jours, Paris 1992 (Erstausgabe von 1951); LINDSKOGWALLENBURG, Gudrun: Bezeichnungen für Frauenkleidungsstücke und Kleiderschmuck im Mittelniederdeutschen, Berlin 1977; LOSCHEK, Ingrid: Accessoires. Symbolik und Geschichte, München 1993. Eines Ehrenfesten Raths der Stadt Stralsund Kleider-Ordnung 1649.
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„Es soll zwar dem Frauenzimmer des ersten Standes nachgegeben bleiben, zu einem Sonn- und Festtäglichen Schmuck, güldene oder silberne Brustlatzen, auch Tücher und Palatins, die mit Gold und Silber benähet oder besetzet zu tragen, doch müssen dieselbe nur von mittelmäßigen Werth seyn, und dabey aller Uberfluß vermieden werden.“ 32 Wie bereits zu Beginn des Kapitels beschrieben, finden sich in den Quellen auch Inventare zu Brautschätzen und Mitgiften. Deren Umfang wurde wiederum in den drei hier untersuchten Städten klar definiert und strengstens überwacht. Auch in diesem Zusammenhang galten für die einzelnen Stände unterschiedliche Regelungen, was den Brautleuten von welchem Familienangehörigen verehrt werden durfte. Am Schluss dieser Verordnungen finden wir dann wiederum den Hinweis auf die Inventarisierung, welcher wir die Überlieferung zu verdanken haben. „Und ist Männiglichen frey und unbenommen, bey der Verlobung der Mitgiffte halber Richtigkeit zu treffen, und Verzeichniß aufzurichten, darüber, so ferne es der KleiderOrdnung nicht entgegen, gehalten werden soll.“ 33 Eine Besonderheit unter den Luxus-Ordnungen ist für Stralsund zu konstatieren. So wurden noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts bestimmten Ständen die Auskleidung der Wohnung mit Tapeten untersagt, die Benutzung teuren Porzellans und besonderer Möbelstücke stark eingeschränkt oder ebenfalls ganz verboten, wie folgende Ordnung belegt: „Als einige Jahre her, die Tapezir- und sonstige Meublirung der Zimmer mit kostbahren Siegeln, Chatoullen und dergleichen sehr überhand genommen, und zwar dem ersten Stande nicht untersaget werden kann, ein oder ander mit Tapeten, Spiegeln und Chatoullen ausgeziertes Zimmer beyzubehalten, so wirddennoch ein jeder Obrigkeitlich erinnert, für allen Überfluß, Pracht und Verschwendung sich zu hüten und sein Vermögen mit kostbahren Tapeten und Meublen nicht zu schwächen bey 25. Rthlr. Straffe, und fernerem Verboht, derselben sich zugebrauchen.dem andern Gradeaber soll die Beschlagung der Zimmer mit Tapeten gäntzlich verbohten, auch keine Spiegel, die über 5. biß 6 Rthlr. werth, noch Chatoullen, die mit Thee-Zeug von Porcellain auffgesetzet, erlaubet seyn bey 10. Rthlr. unausbleiblicher Straffe.“ 34 Auch für die Inventare, die anlässlich von Konkursen angefertigt wurden, gab es klare Verfahrensregeln. So wurden nicht nur von den Hansestädten und deren europäischen Handelspartnern Verordnungen erlassen, wie bei Konkursen – ob mutwillig oder nicht – zu handeln sei. Darüber hinaus finden wir in den Notariatsregeln Hinweise zu der Aufnahme von Inventaren bei Konkurssa32
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Eines Hoch-Edl. Rahts der Stadt Stralsund renovirte Kleider-Ordnung, wornach sich derselben gesamte Bürgere, und Angehörige nach Unterscheid der Stände zuverhalten, Stralsund 1729. Eines Hoch-Edl. Rahts der Stadt Stralsund erneuete Ordnung 1729. Ebenda.
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chen sowie bestimmte Verfahrensregeln, die zur Ergreifung von Schuldnern führen sollten. In diesen Verordnungen beruft man sich auf alte Ordnungen, die teilweise aus dem Mittelalter stammten oder – wie beim nun folgenden Stralsunder Beispiel – auf eine Verordnung der Hansestädte, die über einhundert Jahre zurück lag. Besonders der schuldhafte Konkurs oder die Flucht vor den Gläubigern wurde als schweres Verbrechen angesehen und geahndet. Die Polizeiinstanz versuchte dann, über die Stadtgrenzen und sogar über die Landesgrenzen hinaus die Schuldner aufzugreifen. Wurde der Täter auch nach steckbrieflicher Suche nicht gefasst, erfolgte seine Verurteilung in Abwesenheit. Von den in der Stadt gebliebenen Besitzungen aber wurde ein Inventar angefertigt, Schätzungen angestellt und der Besitz schließlich versteigert, um den Gläubigern wenigstens einen Teil ihrer Forderungen zukommen zu lassen.
2.3. Der Quellenkorpus in Stralsund, Kopenhagen und Riga Die Quellenlage ist für die drei hier zu untersuchenden Städte Stralsund, Kopenhagen und Riga ausgezeichnet, obwohl die entsprechenden Dokumente bislang weitgehend unbearbeitet in den Archiven lagern. Um einen repräsentativen Quellenkorpus zu erlangen und die einzelnen Städte besser miteinander vergleichen zu können, habe ich mich zunächst dazu entschlossen, meinen Forschungszeitraum in Abschnitte von jeweils zehn Jahren zu unterteilen. Aufgrund der Datenvielfalt und des relativ lang gewählten Untersuchungszeitraumes erscheint diese Einteilung am sinnvollsten. Sie ist breit genug, um einzelne nicht überlieferte Jahrgänge zu überspringen, erlaubt durch ihre Feinmaschigkeit dennoch das Erkennen und Aufzeigen einzelner Trends in den unterschiedlichen Bereichen der Möbel, der Kunst und Literatur und sogar der textilen Mode. Wie die Sekundärliteratur zum Thema des schnellen Wandels einzelner Modetrends bereits zeigte, spielte dieser sich erst zum Ende des 18. Jahrhunderts in Dekaden oder vereinzelt – hier zu vernachlässigen – in wenigen Jahren ab, während im gesamten 17. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur ein langsamer Wechsel einzelner Mode- und Stilrichtungen zu verzeichnen ist. 35 Um die Datensammlung schließlich auf ein gesichertes Fundament stellen zu können, habe ich versucht, aus den hier untersuchten Jahrzehnten jeweils zwanzig Inventare der unterschiedlichsten Ausstattung herauszusuchen und zu bearbeiten. Hier haben mir die bereits zu Beginn eines jeden Inventars stehenden Einführungstexte die jeweilige Auswahl erleichtert. So wurden nicht nur Namen und Wohnort der inventargebenden Personen niedergeschrieben, sondern auch Angaben zu Berufsgruppen, Ehestand und in manchen Fällen auch 35
MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 32ff.
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zum Lebensstandard gemacht. Für manche Jahrzehnte, besonders im 16. Jahrhundert, gestalteten sich diese Vorgaben bei der Datenaufnahme als nicht durchführbar, denn die eingangs beschriebene Überlieferungssituation ließ die lückenlose und quantitätsorientierte Datenaufnahme nicht zu. Für Stralsund ist eine relativ gute und umfangreiche Quellenlage festzustellen. Die Anzahl der überlieferten Inventare erlaubt zum einen eine tief greifende und auf breiter Grundlage ruhende Forschungsarbeit, zum anderen lassen der Umfang der Inventare und das Auffinden von Quellen zu den unterschiedlichsten Personengruppen repräsentative Aussagen zu den Lebensgewohnheiten im 17. und 18. Jahrhundert zu. Seit den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts – von einigen kleinen Ausnahmen abgesehen – steigt die Quellendichte dann so rapide an, dass ab etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich mehr Quellen vorliegen, als in dieser vergleichenden Untersuchung bearbeitet werden können. Die Inventare zu Stralsunder Haushalten lagern hauptsächlich im Stralsunder Stadtarchiv. Hier finden wir in den Reposituren zum Gerichtswesen der Stadt ein reichhaltiges Repertoire an Nachlassinventaren, die auf einer großen Anzahl von Erbschaftsangelegenheiten basieren, welche schließlich vor Stralsunder Gerichten ausgetragen wurden. Zu Beginn dieser Erbstreitigkeiten finden sich dann in vielen Fällen die als Streitobjekt zur Debatte stehenden Nachlässe in Form von verzeichneten Inventaren. Aber auch in den Reposituren der einzelnen Kompanien wie beispielsweise der „Schiffer-Compagnie“ finden sich vereinzelt Hinweise auf Inventare. Hier ging es dann um Todesfälle auf See oder aber auch um Konkurssachen. So lassen sich bereits aus der Zeit um den Beginn des 17. Jahrhunderts umfangreiche Quellenmaterialien erschließen und auswertend bearbeiten. Sowohl die Schichtung der sozialen Klassen als auch die Vertretung der beiden Geschlechter in diesen Inventaren ist reichhaltig gegeben. Des weiteren lagern auch im Greifswalder Pommerschen Landesarchiv vereinzelt Akten mit Inventaren Stralsunder Bürger, wenn diese das Wismarer Tribunal anriefen. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurde die Frage nach der Appellation bei komplizierten Rechtsfällen immer akuter. Schon vor 1600 konnte das Reichskammergericht angerufen werden, aber auch nach Lübeck oder an das herzogliche Hofgericht konnte appelliert werden. Seit der 1670 revidierten Stralsunder Gerichtsordnung konnte Lübeck nicht mehr als höhere Gerichtsinstanz angerufen werden, sondern an dessen Stelle trat das 1653 durch Königin Christine von Schweden gegründete Wismarer Tribunal. Hier wurden dann die komplizierten Rechtsfälle beurteilt und gelöst. Manche Vormundschafts-, Erb- oder Konkursstreitigkeiten machten es schließlich nötig Inventare anzufertigen. 36 36
Der Stadt Stralsunde revidirte Gerichts-Ordnung, Stralsund 1670; JÖRN, Nils (Hg.): Servorum Die Gaudium. Das ist Treuer Gottes Knechte Freuden-Lohn. Lebensbeschreibungen aus dem Umfeld des Wismarer Tribunals, Greifswald 2003, S. 19ff.
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Für Kopenhagen standen 298 Inventare als Quellengrundlage zur Verfügung, die aus einer umfangreichen Sammlung von 6.000 privaten Personennachlässen aus dem Kopenhagener Reichsarchiv herausgefiltert wurden. Ein privates Personenarchiv besteht hauptsächlich aus Briefen, Dokumenten, Sammelalben, Fotos und anderem Gesammeltem oder Geschaffenem einer Privatperson. Private Personenarchive gehen nicht in die Sammlungen von Archiven öffentlicher Behörden des Reichsarchivs ein. Einige sind sehr umfassend und füllen mehrere Regalmeter, andere wiederum sind sehr klein und beinhalten lediglich einige Briefe. Das Reichsarchiv sammelt private Nachlässe von Politikern, Wirtschaftspersönlichkeiten und anderen Personen, die in der dänischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle gespielt haben. Jedoch nimmt sich das Reichsarchiv auch der Nachlässe von ganz gewöhnlichen Leuten der mittleren, unteren und untersten Bevölkerungsschichten an. Während die Handschriftensammlung der Königlichen Bibliothek Nachlässe von Künstlern, Schriftstellern, Dichtern und Intellektueller entgegennimmt, hat sich das Reichsarchiv stark auf die gesetzgebenden und machtausübenden Personen im Land konzentriert, die durch ihren maßgebenden Einfluss tief greifende Strukturen geformt haben. Das Reichsarchiv hat in seiner Sammlungen zwar die öffentlichen Archive der Behörden, aber viele Aspekte des gesellschaftlichen und besonders des privaten Lebens werden nicht oder nur sehr mangelhaft in den öffentlichen Papieren beleuchtet. Hier können dann die privaten Personennachlässe wesentlich gründlichere Informationen über das heimische Leben der Person und außerdem über wichtige gesellschaftliche Zusammenhänge geben. Ebenso wie von den Privatnachlässen gibt es eine große Anzahl von Testamenten im Reichsarchiv. Wie oben bereits beschrieben, konnte eine Person, die eine Erbschaft zu vergeben hatte, nach dänischem Recht über die Hälfte dieser Erbschaft selbst verfügen. Inhaltlich unterscheiden sich diese Testamente nicht von den uns bereits bekannten. Man erhält Informationen über die Personen, die ein Testament verfasst haben, deren Wohnsitz, eventuell noch über den Geburtstort, das Alter, frühere Ehen, Beruf, jedoch nicht das genaue Sterbedatum. Diese Informationen bekommt man nur als Ungefährwert, wenn man das Datum der Testamentsentstehung zu Rate zieht. Weiterhin sind Informationen zu den Erbschaften und den Verwandtschaftszusammenhängen enthalten, beziehungsweise in welchem Ausmaß die einzelnen Personen im Testament bedacht wurden. 37 Es gibt besondere Kopiebücher für Seeland (Sjaellandske Registre), Jütland (Jyske Registre) sowie die Inseln Fünen, Lolland, Falster (Fynske og Smålandske 37
Zu den Jahren 1669 bis 1706 wurden die Testamente in der Personalhistorischen Zeitschrift Personalhistorisk Tidskrift 7 rk. II og V., 8. rk. IV og 9. rk. I og II publiziert. Ab hier werden dann Hinweise zur Dänischen Kanzlei gegeben, in die die königliche Konfirmation in die Kopiebücher der Kanzlei Registre over kongelige åbne breve til kundskab for alle eingeführt wurden.
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Registre). Innerhalb jedes Gebiets sind in chronologischer Reihenfolge Abschriften nach Konfirmationsdaten eingefügt. In welches Kopiebuch eingetragen wurde, hing vom Wohnort des Testamentschreibers und vom Zeitpunkt der Testamentaustellung ab. Die original eingesendeten Testamente gingen an den Verfasser mit dem Vermerk zurück, dass sie nun die königliche Konfirmation hätten. Aber auch außerhalb des Reichsarchivs sind Testamente und Nachlassinventare verzeichnet. So finden wir große Archivbestände auch in den einzelnen Archiven der Nachlassbehören der Landesarchive, Amts-, Guts-, Propstei-, Gerichtsbeamtenarchive, wenn sie notariell beglaubigt wurden (notarius publicus). Des Weiteren lassen sich einzelne Testamente in den Archiven der Grundbuchämter auffinden. Das für diese Forschungsarbeit gesetzte Ziel, jeweils zwanzig Inventare aus den einzelnen Jahrzehnten für die Untersuchung heranzuziehen, konnte ab dem Jahr 1681 vollständig erfüllt werden, denn durch die Einführung des Dänischen Gesetzbuches im Jahre 1683 wurde die Ausfertigung eines Nachlassinventars für eine verstorbene Person vorgeschrieben. So sind dann die ersten aufgefundenen Inventare bereits ab der Mitte des Jahres 1681 nachweisbar. Für die Jahre zwischen 1600 und 1680 konnten durch mich weder im Reichsarchiv noch im Seeländischen Landesarchiv Haushaltsinventare nachgewiesen werden. Die Inventare sind stets in ähnlichem Stil aufgebaut. Zunächst werden die Todesund Inventaraufnahmedaten genannt, dann folgen die jeweiligen Ehegatten und die Kinder, anschließend werden die anwesenden Zeugen erwähnt und dann das Inventarium aufgelistet. Auch die jeweils ausgeübten Berufe und Tätigkeiten finden Eingang in das Nachlassinventar. Die Quellen zur Rigaer Stadtgeschichte lagern nicht nur im dortigen Stadtarchiv, sondern sind zu einem großen Teil als Kopie auch am Herderinstitut in Marburg zugänglich. Letztere wurden im Zuge der Umsiedelung der Deutschbalten im Jahre 1940 angefertigt. Aus dem gesamten Baltikum handelt es sich dabei um circa 800.000 Aufnahmen, was den größten Teil des originalen Archivbestandes zu den deutschsprachigen Bewohnern dieser Region darstellt. Lediglich die teilweise relevanten Akten des kurländischen Waisengerichtes aus den Jahren 1788 bis 1909 aus dem Rigaer Stadtarchiv sind nicht in Marburg vorhanden, in Riga aber sehr leicht zugänglich. Aus dem Rigaer Archiv standen als Grundlage zu dieser Untersuchung 311 Nachlassinventare zur Verfügung. Die meisten der hier benutzten Quellen stammen aus dem Vogteigericht. Dort wurden hauptsächlich Erbschaftsakten hinterlegt, aber ebenso sind Inventare von Konkursen zu finden. Auch in den Akten des Waisengerichts lassen sich Nachlassinventare finden. In der Regel wurden diese Nachlässe aber nicht ausschließlich in den Waisengerichtsakten hinterlegt, sondern finden sich häufig in den Beständen des Vogteigerichts. Zum Ende des 18. Jahrhunderts hin wurden einzelne Inventare von besonderen Persönlichkeiten in die Bestände der Ratsund Magistratskanzlei aufgenommen. Aus den Akten der Familienarchive und
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der einzelnen Kompanien, Gilden und Brüderschaften lassen sich kaum Inventare herausfiltern. Entweder ist der Zeitraum zu spät – teilweise wird erst ab dem 19. Jahrhundert inventarisiert – oder es sind keine näheren Angaben vorzufinden.
3.
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3.1. Abriss der politischen Entwicklung im Ostseeraum im 17. und 18. Jahrhundert Vor ungefähr 13.000 Jahren begann das Eis der letzten Eiszeit im Gebiet der heutigen Ostsee abzutauen. Was übrig blieb war eine der größten Brackwasseransammlungen der Welt mit einer Fläche von circa 390.000 Quadratkilometern. An ihrer Küste siedelten sich in den folgenden Jahrtausenden Menschen an, betrieben Handwerk, handelten und führten politische Auseinandersetzungen. 1 Der Ostseeraum, bereits in der Antike durch sein wohl bekanntestes Exportprodukt Bernstein bekannt, stand lange Zeit außerhalb jeglicher Geschichtsschreibung. Lediglich Herodot schrieb: „Ich glaube nicht an den Eridanos, den die Barbaren so nennen, der ins Nordmeer fließt, aus dem der Bernstein kommen soll …Außerdem kann ich trotz aller Mühe von keinem Augenzeugen Näheres über das Nordmeer in Europa erfahren. Allerdings kommt vom äußersten Ende Zinn und Bernstein zu uns.“ 2 Erst mit dem Beginn des Mittelalters und dem stärkeren Vorkommen verschiedener schriftlicher Quellen und Zeugnisse spielte der Ostseeraum in den Überlieferungen eine immer größer werdende Rolle. Im Mittelalter entwickelte sich auf genossenschaftlicher Grundlage ein umfassendes Handelsnetz über die Nord- und Ostsee, das erstmals in der Geschichte von so einer Komplexität, Feinmaschigkeit und Warenvielfalt war, dass es über mehrere Jahrhunderte grundlegend den Handels- und Warenlauf in diesem Gebiet bestimmte. Im 12. und 13. Jahrhundert baute die Hanse ihre Macht so weit aus, dass nicht nur bedeutende Stadtgründungen durch sie initiiert wurden, sondern auch eine Struktur geschaffen wurde, die es erlaubte, auf politische Ereignisse gezielt zu reagieren. Ohne je wirklich gegründet worden zu sein und ohne fest definierte Grenzen, schaffte es die Hanse als eine herausragende politische Macht ihre eigenen Interessen sowohl gegen an die Ostsee angrenzende Staaten als auch gegen den weit entfernt sitzenden Kaiser durchzusetzen. 3
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KÜSTER, Hansjörg: Die Ostsee. Eine Natur- und Kulturgeschichte, München 2002, S. 49ff. FEIX, Josef (Hg.): Herodot: Historien, Düsseldorf-Zürich 2004, S. 235. DOLLINGER, Philippe: Die Hanse, Stuttgart 1989, S. 9ff; NORTH, Michael: Geschichte der Ostsee. Länder, Handel und Kulturen, München 2011.
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Zum Ende des Mittelalters ging auch die Hanse ihrem eigenen Niedergang entgegen. Schließlich waren es nicht nur neue Händler, wie zum Beispiel die Niederländer, die effizienter und mit neuen Systemen und Schiffen den Handel modernisierten. Auch die Verlagerung der Großhandelsräume nach Übersee auf den kolonialen Bereich, die neu entstehenden Großmächte sowie die aufkommende Nationalstaatlichkeit wies die Politik der Hanse in immer engere Schranken, bis schließlich ein letzter Hansetag 1669 die endgültige Auflösung unter Benennung der Nachlassverwalter Lübeck, Hamburg und Bremen beschloss. 4 Im Laufe der Frühen Neuzeit waren es vor allem die Schweden, die mit ihren Großmachtbestrebungen bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht nur ihre Politik an die umliegenden Küsten der Ostsee brachten, sondern auch in politische Geschehnisse und Ereignisse bis weit in die jeweils angrenzenden Hinterländer eingriffen. Nach grundlegenden Reformen im eigenen Land zu Beginn des 16. Jahrhunderts durch Gustav I. Wasa 5, der die Schaffung des neuen schwedischen Nationalstaates und die Einführung der Reformation vorantrieb, kam es zu einer allmählichen Expansion in die Nachbargebiete. Der Livländische Krieg bildete beispielsweise nur den Auftakt der schwedischen Bemühungen im Baltikum. Hier stritten sich zunächst Russland, Litauen und Polen um die Vorherrschaft in diesem Gebiet, wobei gerade die Stadt Riga als Tor zwischen dem russischen Binnenhandel und der Ostsee einen besonders umkämpften Handelsplatz darstellte. Nach dem Ende dieses Konflikts versuchte Schweden im Baltikum durch größere Gebietsgewinne Fuß zu fassen; seine Bestrebungen waren über eine lange Zeit von Erfolg gekrönt und so zählten zu Beginn des 17. Jahrhunderts nicht nur Finnland und Estland zur schwedischen Einflusssphäre, sondern auch weite Teile um das heutige St. Petersburg und seit 1621 Livland. Russland verlor kurzzeitig seinen Zugang zur Ostsee. 6 An der südlichen Ostseeküste demonstrierte der schwedische König Gustav II. Adolph seine Macht mit der Landung vom 26. Juli 1630 auf Usedom und der darauf folgenden aktiven Teilnahme an den Geschehnissen des Dreißigjährigen Krieges. Mit Abschluss des Westfälischen Friedens 1648 mussten sich die Schweden zwar aus einigen eroberten Teilen des Alten Reiches zurückziehen, 4 5 6
ZIMMERLING, Dieter: Die Hanse. Handelsmacht im Zeichen der Kogge, DüsseldorfWien 1976, S. 394. BARUDIO, Günter (Hg.): Das Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung 1648-1779, Augsburg 1998, S. 24ff. INGESMAN, Per: Staat, Kirche und Konfessionalisierung im frühneuzeitlichen Dänemark (1545-1645), in: KRIEGER, Martin; KRÜGER, Joachim (Hgg.): Regna firmat pietas. Staat und Staatlichkeit im Ostseeraum. Festgabe zum 60. Geburtstag von Jens E. Olesen, Greifswald 2010, S. 169-184; NORTH, Michael: Ostseehandel. Drehscheibe der Weltwirtschaft in der Frühen Neuzeit, in: KOMLOSY, Andrea; NOLTE, Hans-Heinrich; SOOMAN, Imbi (Hgg.): Ostsee 700-2000. Gesellschaft – Wirtschaft – Kultur (Edition Weltregionen, Bd. 16), Wien 2008, S. 132-147; SCHILLING, Heinz: Aufbruch und Krise. Deutschland 1517-1648 (Deutsche Geschichte, Band 5), Berlin 1998, S. 410ff.
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ganz Vorpommern mit der Insel Rügen und einzelne Städte wie etwa Garz, Gollnow und Stettin sowie die Insel Wollin blieben aber weiterhin unter der Verwaltung des schwedischen Reiches, das sich zur führenden Macht im Ostseeraum emporgehoben hatte. 7 Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts versuchte der schwedische Monarch weiterhin, ähnlich wie die Herrscher anderer europäischer Staaten seine absolute Macht auszubauen und eine noch straffere Führung innerhalb seines Territoriums zu gewährleisten. Die durch militärische Expansion weiter vorangetriebene Eroberung brachte im Krieg gegen Dänemark 1656 nicht nur Schonen, sondern nach dem zwei Jahre später geschlossenen Frieden von Roskilde 8 auch die größte territoriale Ausdehnung Schwedens in der Frühen Neuzeit mit sich. In den folgenden Jahren entwickelten sich sowohl Dänemark und Russland als auch Brandenburg zu starken Gegnern Schwedens.9 Während die Hanse im Mittelalter noch uneingeschränkt die handelspolitische Vormachtstellung in der Ostseeregion ausgeübt hatte, strebten seit dem Ende des Mittelalters andere Mächte in diesen Wirtschaftsraum und rangen den Hansen nicht nur bedeutende Privilegien ab, sondern vor allem die noch wichtigeren Handelswaren. Die Niederländer beispielsweise verfügten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und besonders in ihrem Goldenen Zeitalter, dem 17. Jahrhundert, über eine mächtige Flotte. Die Hansen wurden aus dem für sie so wichtigen Ostseehandel herausgedrängt. Die Hälfte des Danziger Getreideexports wickelte sich etwa seit dem Ende des 16. Jahrhunderts über niederländische Schiffe ab. Aber auch mit den anderen wichtigen Exportprodukten wie Hering, Salz und Holz handelten die Niederländer. Im Gegenzug wurden hochwertige Textilien, aber auch Gewürze und Früchte an die Ostseeküsten gebracht. 10 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts zeichnete sich im Ostseeraum eine Veränderung innerhalb der bisherigen Mächtekonstellationen ab. Das vormals so starke Schweden büßte seine Position ein und räumte den Platz für neue 7
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ALTEN, Jürgen von: Weltgeschichte der Ostsee, Berlin 1996, S. 50ff.; BUCHHOLZ, Werner: Das schwedische Pommern vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongreß, in: BUCHHOLZ, Werner (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas. Pommern, Berlin 1999, S. 238; HACKER, Hans-Joachim: Die Stadt Stralsund in der frühen Schwedenzeit (1630-1690), Greifswald 1982. BARUDIO: Das Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung, S. 41. SCHILLING: Aufbruch und Krise, S. 462f.; TROEBST, Stefan: Handelskontrolle – „Derivation“ – Eindämmung. Schwedische Moskaupolitik 1617-1661 (Veröffentlichungen des Osteuropa-Instituts München, Reihe Forschungen zum Ostseeraum, Band 2), Wiesbaden 1997, S. 431ff. NORTH, Michael: Geschichte der Niederlande, München 1997, S. 44f.; SCHULTZ, Helga: Handwerker, Kaufleute, Bankiers. Wirtschaftsgeschichte Europas 1500-1800, Frankfurt am Main 1997, S. 35ff.; VRIES, Jan de; WOUDE, Ad van der (Hgg.): The first modern economy. success, failure, and perseverance of the Dutch economy, 1500-1815, Cambridge 1997, S. 357ff.
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Großmächte. Kurz vor Beginn des Nordischen Krieges bildeten Sachsen und Polen unter August II. sowie Dänemark unter Friedrich IV. eine Allianz gegen Schweden. Karl XII. von Schweden landete schließlich 1700 in Seeland, schlug das dänische Heer und schloss den Frieden von Travendal. Auch der gleichzeitig im Osten der Ostsee in den Krieg gegen Schweden eingetretene Zar Peter I. wurde zunächst 1700 bei Narwa geschlagen. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung wandte sich Karl XII. von Schweden schließlich seinem Erzfeind August II. von Sachsen zu. Dieser wurde ebenfalls geschlagen und verzichtete schließlich auf die polnische Krone. Das russische Heer unter Peter I. hatte sich in der Zwischenzeit wieder von der Niederlage erholt und konnte 1704 wichtige Schlüsselpositionen wie Iwangorod und Narwa zurückerobern. Zur gleichen Zeit entstand 1703 an der Newamündung das zukünftige russische Tor zur Ostsee – die Stadt Petersburg.11 In den Jahren 1708 und 1709 versuchte der schwedische König wiederum die erstarkten Russen in derem eigenen Land zu schlagen. Nach einem erfolglosen Russlandfeldzug traten die Schweden 1709, nach einem verfrühten Wintereinbruch und grassierenden Seuchen stark geschwächt, in der Schlacht bei Poltawa gegen ein starkes russisches Heer an. Nach einer katastrophalen schwedischen Niederlage und der Flucht des Königs mit seiner anschließenden Gefangennahme zeigten sich die Schweden so machtlos, dass schließlich andere Ostseemächte auf den Plan traten, um sich das schwedische Erbe zu sichern. Russland zog weiter gegen Schweden, besetzte Finnland und startete schließlich in den Jahren 1719 und 1720 eine Invasion in Schweden. Nach 1713 waren auch Preußen und Hannover der Koalition gegen Schweden beigetreten und kämpften um die Besitzungen, die sich im Norden des Alten Reiches in schwedischer Hand befanden. Erst die Friedensschlüsse, die zwischen 1719 und 1721 getroffen wurden, beendeten die Kampfhandlungen im Norden. Als die großen Sieger gingen Preußen, das Besitzungen in Vorpommern erwarb, und besonders aber Russland hervor, das von nun an nicht nur das Baltikum besetzt hielt, sondern sich als neue Großmacht im Ostseeraum etablieren konnte. 12 Im weiteren Verlauf der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es zu keinen nennenswerten Veränderungen in den Mächtekonstellationen an den Ostseeküsten. Erst nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges und dem Frieden 11
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LENGELER, Jörg Philipp: Das Ringen um die Ruhe des Nordens. Großbritanniens Nordeuropa-Politik und Dänemark zu Beginn des 18. Jahrhunderts (Kieler Werkstücke, Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, Band 18), Frankfurt am Main-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien 1998, S. 73ff.; SCHILLING, Heinz: Höfe und Allianzen. Deutschland 1648-1763 (Deutsche Geschichte, Band 6), Berlin 1998, S. 275ff.; STILES Andrina: Schweden and the Baltic 1523-1721 (Access to History), London 1992, S. 92. KIRBY: Northern Europe in the early-modern period, S. 305ff.; OAKLEY, Steward P.: War and Peace in the Baltic 1560-1790, London 1992, S. 111ff.; STILES: Schweden and the Baltic, S. 95ff.
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von Hubertusburg 1763 hatte sich Preußen als fünfte europäische Großmacht fest etabliert, aber auch der russische Einfluss war weiter angewachsen. In den darauf folgenden Jahren schafften es Preußen, Russen und Österreicher durch eine geschickte Politik, sich einander in der ersten Teilung Polens 1772 wichtige Gebietsgewinne zu sichern. Nach der zweiten Teilung 1793 und der dritten 1795 war es schließlich gelungen, Polen vollständig unter den Siegermächten aufzuteilen. 13 Erst durch die Französische Revolution 1789 war das Gleichgewicht der europäischen Mächte ins Wanken geraten. Einer der großen Stützpfeiler im Westen war weggebrochen und schickte sich schließlich in den Napoleonischen Kriegen an, den Rest Europas zu erobern. Die zu Beginn der Kriege gegen Frankreich entstandene Koalition wurde Stück für Stück zerschlagen oder wechselte teilweise an die Seite Napoleons, so dass schließlich nur noch England im Norden und Russland im Osten den Franzosen starke Kräfte entgegenzusetzen hatten. Die Franzosen nahmen kurzzeitig die absolute Vorherrschaft im gesamten Ostseeraum ein und nach Verkündigung der Kontinentalsperre 1806 versuchten sie, nicht nur militärische Konfrontationen im Ostseeraum für sich zu entscheiden, sondern unterdrückten massiv den privaten Handel der einzelnen Anrainerstaaten mit dem verfeindeten Großbritannien. Erst während des Wiener Kongresses 1815 sollte es wieder gelingen eine neue Ordnung herzustellen, die zwar für eine lange Zeit geschaffen wurde, sich in der Praxis aber nur kurz bewährte. 14 So fand sich also im Verlauf des 18. Jahrhunderts eine völlig neuartige Konstellation der Mächte an den Küsten der Ostsee. Schweden im Westen und Nordwesten befand sich im stetigen Rückzug. An der östlichen Seite begehrte Russland als neue führende Macht auf und begann seine eigene territoriale Expansion auf Kosten der Nachbarländer voranzutreiben. Im Süden standen das schwache Polen mit seiner ständig vakanten Herrscherfrage und seinen schließlich gegen Ende des Jahrhunderts erfolgten mehrmaligen Teilungen sowie das immer noch ungeeinte Reich mit den Preußen unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. als starke Macht. Im Westen schließlich sah Dänemark in der Schwäche Schwedens eine neue Chance, die eigene Macht weiter auszubauen und an alte Vormachtpositionen anzuknüpfen.15 Diese großräumigen politischen Entwicklungen und die mit ihnen einhergehenden Ereignisse bestimmten in direktem Maße die Geschehnisse innerhalb der drei von mir untersuchten Städte. Sie konnten sich sowohl zum Vor- als auch zum Nachteil auswirken und müssen stets bei der Betrachtung von Le13 14
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KIRBY: The Baltic World 1772-1993, S. 24. LUTZ, Heinrich: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815-1866 (Deutsche Geschichte, Band 8), Berlin 1998, S. 14ff.; MÖLLER, Horst: Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763-1815 (Deutsche Geschichte, Band 7), Berlin 1998, S. 559ff. ALTEN: Weltgeschichte der Ostsee, S. 65ff; UNGER, Richard W. (Hg.): Shipping and Economic Growth 1350-1850, Leiden-Boston 2011.
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bensgewohnheiten und -kultur, Sozialstrukturen und besonders auch bei der Auswertung von Bevölkerungsentwicklungen erklärend herangezogen werden. Einzelne Städte des ehemals so starken Hansebundes, unter ihnen auch Stralsund, erreichten einen bis dahin noch nicht errungenen Höhepunkt, vor allem in wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen. Besonders das Erstarken der Niederlande und Englands sowie die Verlagerung des Profit bringenden Handels von der Nord- und Ostsee auf den Atlantik beziehungsweise in den Indischen und Pazifischen Ozean nahm vielen ehemaligen Händlern aus den Hansestädten ihre Lebensgrundlage.
3.2. Überblick über die Kopenhagener Stadtgeschichte Durch die gute Lage an dem wichtigen Handelsknotenpunkt zwischen der Nord- und der Ostsee fingen die Dänen schon früh an, einen eigenen Staat zu bilden, zu expandieren und sich auf die Seefahrt und den Handel im jeweils küstennahen Bereich zu konzentrieren. Noch im 8. Jahrhundert bestand die dänische Gesellschaft aus unterschiedlichen Stammesgruppen, die von ihren jeweiligen Häuptlingen und Kriegsfürsten angeführt wurden. 16 Im Jahr 1034 wurde eine kleine Fischer-, Handwerker- und Händlersiedlung am Öresund erstmals als Havn erwähnt. Aufgrund ihrer günstigen geografischen Lage an einem Handelsknotenpunkt und des damit verbundenen guten Zugangs zur Nord- und Ostsee gelang es in den folgenden Jahren, die Stadt zu einem überregionalen Zentrum auszubauen. Waldemar I. schenkte schließlich die Siedlung dem Bischof Absalon, der auf dem Gelände des heutigen Schlosses Christiansborg eine Burg errichten ließ, die der Hafenbefestigung dienen sollte. Die im direkten Umfeld der Burg befindliche Siedlung wurde von nun an Købmandens Havn (Kaufmannshafen) genannt und bekam 1254 das Stadtrecht verliehen. Der Name änderte sich bald in København. 17
3.2.1. Kopenhagens Entwicklung bis zu den Napoleonischen Kriegen Im Jahr 1588 wurde der elfjährige Christian IV. zum dänischen König gewählt. Mit ihm setzte ein großer Umschwung in der Innen- und Außenpolitik ein. Er erneuerte zunächst das Bündnis mit den dänischen Adeligen und behielt so eine für seine Regierung wichtige innenpolitisch ausgewogene Mächtekonstellation bei. Außenpolitisch setzte er auf den Ausbau Dänemarks zu einer Kolonial-
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KJERSGAARD, Erik: Eine Geschichte Dänemarks, Kopenhagen 1974, S. 11; KLOSE, Olaf: Dänemark (Handbuch der Historischen Stätten), Stuttgart 1982, S. XIIIf. KJERSGAARD: Eine Geschichte Dänemarks, S. 24f.
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macht, erwarb mehrere Besitzungen in Übersee und gründete Handelskompanien, um einen eigenen dänischen Welthandel zu eröffnen. 18 In der zweiten Hälfte seiner Regierungszeit kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Schweden. Nach Christians Tod nahmen die Streitigkeiten so weit zu, dass schließlich der schwedische König Karl X. Gustav zwischen 1658 und 1659 Kopenhagen von seinen Truppen belagern ließ, die Stadt aber nicht bezwingen konnte. Im darauf folgenden Jahr 1660 wurde der Frieden von Kopenhagen geschlossen, bei dem die südschwedischen Besitzungen östlich des Sunds an Schweden abgetreten werden mussten. Dies bedeutete eine deutliche Niederlage im Kampf um das „Dominium maris Baltici“, dessen Erringung stets eines der Hauptziele der dänischen Könige war. 19 Der Sohn König Christians IV., Frederik III., führte, nachdem sich außenund innenpolitisch weitere bedeutende Niederlagen abzeichneten, den Absolutismus in Dänemark ein. Der ständig wachsenden Not der Bevölkerung und dem aufblühenden Standesbewusstsein des dänischen Bürgertums musste Rechnung getragen werden. Am stärksten bekam diese Änderungen der einheimische Adel zu spüren. Nicht nur die Steuerfreiheit des Adels wurde aufgehoben, der König deinstallierte auch den Reichsrat und erklärte Dänemark schließlich zu einer Erbmonarchie. Die Gutsbesitzer allerdings behielten ihre Rechte weiterhin in der alten Form und die Fronarbeit der Bauern wurde sogar noch gefördert. 20 Um einen modernen Staat, wie ihn sich Christian IV. vorstellte, auch nach außen hin repräsentieren zu können, sollte Kopenhagen zu einer modernen Hauptstadt ausgebaut werden, die sowohl militärisch als auch handelspolitisch bedeutsam sein und den Ansprüchen des Königs an ein kulturelles Zentrum erfüllen sollte. Nicht nur, dass die Bevölkerung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stetig wuchs, auch neue Wirtschaftszweige etablierten sich in der aufstrebenden Metropole. Der König förderte sowohl den Aufbau neuer Industriezweige, wie der Tuch-, Waffen- und Kupferverarbeitung, als auch den überseeischen Handel durch sein Engagement in den neu erworbenen Kolonien. 21 18
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KRIEGER, Martin: Kaufleute, Seeräuber und Diplomaten. Der dänische Handel auf dem Indischen Ozean (1620-1868) (Wirtschafts- und Sozialhistorische Studien, Band 8), Köln-Weimar-Wien 1998, S. 11. GAMRATH, Helge: Kopenhagen als Hauptstadt während des Absolutismus ca. 16501850, in: RIIS, Thomas; WITT, Jann M. (Hgg.): A Tale of of Two Cities. Berlin – Kopenhagen1650-1930, Odense 1997, S. 9-32, hier S. 27; PETERSEN, Erling Ladewig: „Coram regiae plenitudine potestatis civitatum evanescent lebertates.“ Machtstaat und Handelsstädte in Dänemark 1660-1730, in: BUCHHOLZ, Werner; KROLL, Stefan (Hgg.): Quantität und Struktur. Festschrift für Kersten Krüger zum 60. Geburtstag, Rostock 1999, S. 17-27. KLOSE: Dänemark, S. XXIIIf. GAMRATH: Kopenhagen als Hauptstadt während des Absolutismus, S. 36.
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Zu einem kurzen Einschnitt in der Kopenhagener Entwicklung kam es während der Auseinandersetzung mit Schweden und der Belagerung Kopenhagens. Dennoch schaffte Frederik III. es in seiner weiteren Regierungszeit, die durch Christian IV. begonnenen Entwicklungen innerhalb der Stadt mit noch größerer Geschwindigkeit und Effizienz fortzusetzen. Die Handelskompanien gewannen immer stärker an Bedeutung und durch ausländische Händler und Handwerker, die in Kopenhagen Zuflucht fanden, wurden neue Märkte in Übersee erschlossen und innovative Produktionszweige eröffnet. Etwa seit den 1740er Jahren zeigten die überseeischen Unternehmungen sowohl in West- als auch in Ostindien für Dänemark und besonders für Kopenhagen erste große Erfolge. Manufakturen, die koloniale Handelsgüter verarbeiteten, erlebten einen besonders raschen Aufschwung, wobei hier die Produktion von exquisiten Luxusgütern einen hohen Stellenwert einnahm. 22 Aber auch an der inneren Struktur der Residenzstadt wurde gearbeitet. Nicht nur die öffentlichen Bettler verbannte die Administration nach einem Gesetz von 1708 aus der Stadt, sondern auch zur Versorgung dieser Bevölkerungsschicht wurde in neu gegründeten Armenschulen, Waisen- und Armenhäuser beigetragen.23 Da seit der Einführung des Absolutismus eine ständig hohe Militärpräsenz in Kopenhagen vorhanden war, wurde es notwendig, den ehemaligen Befestigungsapparat in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu vergrößern und auszubauen. Die Errichtung der enormen Wehrbauten führte schließlich dazu, dass die Stadt gänzlich von Festungswerk umschlossen war, das sogar eine neue Flottenbasis beherbergte und für die nächsten zwei Jahrhunderte eine der stärksten und wichtigsten Bastionen im Norden Europas darstellte. 24 Aber nicht nur im Festungsbau verwirklichten sich die absolutistischen Könige Dänemarks. Auch die Schlösser und Residenzen innerhalb der Stadt und in deren näherem Umfeld wurden ganz dem Trend und der Mode der neuen Zeit entsprechend aufgebaut und ausgestattet. Ließ König Frederik IV. zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch das alte Schloss – wohl auch aus Geldmangel – lediglich umbauen, hatte sein Nachfolger Christian VI. weitaus kühnere Pläne. Er ließ das alte Schloss fast komplett abreißen und ein gänzlich neues errichten – den ersten Bau des Schlosses Christiansborg. Bereits wenige Jahre nach seiner Fertigstellung im Jahre 1770 brannte das Schloss nieder und wurde schließlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts erneut errichtet. 25
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RIIS, Thomas: Stadtwerdung und städtische Typologie in Dänemark bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in: BÜTHE, Julia-K.; RIIS, Thoman (Hgg.): Studien zur Geschichte des Ostseeraumes III. Stadtwerdung und städtische typologie des Ostseegebietes bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (Odense University Studies in History and Social Sciences, vol. 204), Odense 1999, S. 101-112, hier S. 105f. GAMRATH: Kopenhagen als Hauptstadt während des Absolutismus, S. 42. GAMRATH: Kopenhagen als Hauptstadt während des Absolutismus, S. 42. GAMRATH: Kopenhagen als Hauptstadt während des Absolutismus, S. 43ff.
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Betrachtet man den Grundriss Kopenhagens, so fällt auf, dass sich der mittelalterliche Stadtteil durch seine unregelmäßigen Straßen von den regelmäßigen, auf dem Reißbrett geplanten Straßenzügen der neuen Stadtteile deutlich abhebt. Umgeben wird der Stadtkern schließlich von den mächtigen Festungsanlagen. Zwar sind durch mehrere Stadtbrände fast alle Gebäude der Zeit vor 1600 zerstört worden, der Grundriss der Straßen in diesem Bereich blieb allerdings gleich. Interessant ist die Anlage der so genannten Frederiksstad, die, 1749 als Wohnviertel geplant, im darauf folgenden Jahr begonnen und schließlich nach 50-jähriger Bauzeit fertig gestellt wurde. Beim Bau neuer Häuser beziehungsweise bei der Restaurierung alter wurde von Seiten der Stadtregierung auf die Verwendung von Ziegeln gedrungen, die schließlich die alten und feuergefährdeten Fachwerkbauten gänzlich ersetzen sollten. 26 Trotz des stetigen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs im 17. und 18. Jahrhundert erlebte Kopenhagen immer wieder Katastrophen, die seine Entwicklung hemmten. Nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen, sondern auch Stadtbrände und Krankheiten suchten Kopenhagen in regelmäßigen Abständen heim. Die Pestwelle, die Kopenhagen in den Jahren 1711 und 1712 erreichte, tötete fast ein Drittel der Bevölkerung. Wenige Jahre später vernichtete ein durch Leichtsinn entfachtes Feuer einen großen Teil der Altstadt. Der zweite große Stadtbrand wütete 1795 und zerstörte abermals zu einem großen Teil die seit dem Stadtbrand von 1728 wieder neu errichteten Gebäude. Außenpolitisch verfolgte Dänemark seit der schwedischen Niederlage 1718 27 keine eigenen großen Pläne mehr. Das Land erlebte bis zum Ende des Jahrhunderts eine lange Friedensphase, die erst durch das Auftauchen Napoleons auf der politischen Bühne Europas jäh unterbrochen wurde. Während des Siebenjährigen Krieges von 1756 bis 1763 verdienten die neutralen Dänen als Händler zwischen den verfeindeten Großmächten sehr gut. Die friedliche Zeit wurde zu innenpolitischen Reformen genutzt, so dass vor allem in Kopenhagen Kunst und Kultur erblühten. Nicht nur, dass Frederik IV. und später auch seine Nachfolger seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts schrittweise zahlreiche Bauernschulen errichten ließen, sie hoben durch entsprechende Gesetze auch teilweise die Leibeigenschaft auf. In den Kolonien verdienten die dänischen Händler am Atlantischen Dreieckshandel, ebenso in West- und Ostindien, wo beispielsweise mit Textilien, Tee und Gewürzen gehandelt wurde. 28 Erst mit dem Beginn der Napoleonischen Kriege zum Ende des 18. Jahrhunderts endete diese lange friedliche Epoche für Dänemark. Zwar versprachen die kriegerischen Auseinandersetzungen für die dänischen Händler erneute 26
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STRØMSTAD, Poul: Städtebau und Wohnungen in Kopenhagen ca. 1700 bis ca. 1850, in: RIIS, Thomas; WITT, Jann M. (Hgg.): A Tale of of Two Cities. Berlin – Kopenhagen1650-1930, Odense 1997, S. 9-32. OAKLEY: War and Peace in the Baltic, S. 111ff. KJERSGAARD: Eine Geschichte Dänemarks, S. 48ff.
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Einnahmequellen, die scharfe Überwachung der Engländer auf See erhöhte die Gefahren für ihre Schiffe jedoch immens. Als schließlich Dänemark in eine Allianz mit Schweden, Russland und Preußen eintrat, um die eigenen neutralen Standpunkte vertreten zu können, entsandten die Briten im Frühjahr 1801 eine Flotte nach Kopenhagen und zwangen die dänische Verteidigung in die Knie. Von nun an stand Dänemark wieder allein, vertrat aber weiterhin eine neutrale Politik. Erst die Zuspitzung der militärischen Lage zwischen Frankreich und England im Jahr 1807 beschwor erneut Kampfhandlungen der Briten gegen Dänemark herauf. In London wurde verbreitet, dass die Dänen ihre von den Briten gefürchtete Flotte aufrüsteten, was als Anzeichen für einen kurzfristigen Kriegseintritt auf Seiten Napoleons gedeutet wurde. Daraufhin sandten britische Vertreter ein Ultimatum an den dänischen Kronprinzen und Regenten Frederik (später Frederik VI.), Dänemark solle auf der Seite Großbritanniens in den Krieg gegen Napoleon eintreten. Im Zuge mehrerer Missverständnisse und nicht übermittelter Nachrichten und Befehle wurde Kopenhagen schließlich im August 1807 von britischen Schiffen bombardiert, die vor Anker liegende dänische Flotte weggeschleppt und somit die Seestreitkraft innerhalb weniger Tage vernichtend geschlagen sowie die Residenzstadt erneut durch das Bombardement und anschließende Feuer stark zerstört. 29
3.2.2. Demografische Entwicklung Kopenhagens in der Frühen Neuzeit Ähnlich wie im restlichen Dänemark wuchs auch die Bevölkerung in Kopenhagen seit dem Beginn der Frühen Neuzeit stark an. Trotz der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen erholten sich die Bevölkerungszahlen Kopenhagens und auch Dänemarks immer wieder relativ schnell. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts lebten in Kopenhagen etwa 15.000 Menschen. Durch die wachsende Bedeutung als Reichszentrum und den zunehmenden Ausbau der absolutistischen Macht des Königs verlagerten sich viele Institutionen des dänischen Reiches nach Kopenhagen. Die wirtschaftliche Attraktivität stieg und bereits zwischen 1650 und 1660 lebten circa 30.000 Menschen in Kopenhagen. In den darauf folgenden Jahren wuchs die Bevölkerung innerhalb der Stadt stetig weiter an, bis schließlich 1720 circa 94.000 Menschen in Kopenhagen wohnten. Auch die zwischen 1711 und 1712 in der Stadt grassierende Pest konnte diesen Aufwärtstrend nur zeitweise stoppen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stagnierte der Bevölkerungszustrom schließlich wieder und bis 1775 sanken die Zahlen dann wieder etwas ab. Erst zum Ende des 18. Jahr-
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KJERSGAARD: Eine Geschichte Dänemarks, S. 54; OAKLEY: War and Peace in the Baltic, S. 169ff.
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hunderts konnte wiederum ein kleiner Aufwärtstrend verzeichnet werden, der dafür sorgte, dass um 1800 über 100.000 Menschen in Kopenhagen lebten.30 Im Vergleich dazu lagen die Bevölkerungszahlen für ganz Dänemark um 1600 bei 750.000 Einwohnern, es lebten also lediglich zwei Prozent der Bevölkerung in der Stadt. In der Mitte des 17. Jahrhunderts waren es bereits vier Prozent und zum Ende des Jahrhunderts sogar schon fast neun Prozent der dänischen Bevölkerung, die in Kopenhagen wohnten. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte das Königreich 715.000 und um 1750 circa 758.000 Einwohner. Damit lebten in der Mitte des 18. Jahrhunderts circa 12,5 Prozent der dänischen Bevölkerung in Kopenhagen. Auch um 1800 wohnten immerhin noch 10,7 Prozent der dänischen Bevölkerung in der Residenzstadt.31
3.3. Überblick über die Stralsunder Stadtgeschichte Das ursprüngliche Stammesgebiet der Pomoranen, die sich in dieser Selbstbezeichnung als Namensgeber für Pommern verantwortlich zeigen, lag zunächst östlich der Oder. Es erstreckte sich von der Netze-Warte-Niederung im Süden, der Weichsel im Osten, der Ostsee im Norden und schließlich der Oder im Westen. Westlich lebte der Stamm der Lutizen und auf Rügen waren die Ranen beheimatet. Als 1057 der Lutizenbund zerbrach, bildete sich ein Machtvakuum in diesem Bereich aus, in dem sich zunächst im West-Peene-Raum der abodritische Machtbereich verfestigte und schließlich um die Wende zum 12. Jahrhundert im Zuge der Wendenkreuzzüge die Reichsritterschaft ansiedelte. Östlich dieses machtfreien Gebietes hatte sich in dieser Zeit bei den Pomoranen mit dem Mittelpunkt im Persanteraum um Belgard und Kolberg eine monarchische Herrschaft herausgebildet, an deren Spitze ein Herzog stand. Dieses Geschlecht breitete sich während des Mittelalters nach Westen, und damit auch über das Stralsunder Gebiet, aus und festigte seine Macht, so dass es bis in die Frühe Neuzeit sowie auch unter den schwedischen Landesherren bestand. 32
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GAMRATH: Kopenhagen als Hauptstadt während des Absolutismus, S. 36, 42; IMHOF, Arthur Erwin: Aspekte der Bevölkerungsentwicklung in den nordischen Ländern 17201750, Bern 1976, S. 164. IMHOF: Aspekte der Bevölkerungsentwicklung, S. 75; RIIS, Thomas: Denmark and the Oldenburg Monarchy about 1800, in: HEINZMANN, Eva; ROBL, Stefanie; RIIS Thomas (Hgg.): Der dänische Gesamtstaat. Ein unterschätztes Weltreich? – The Oldenourg Monarchy. An underestimated empire?, Kiel 2006, S. 239-256, hier S. 240. LUCHT, Dietmar: Pommern. Geschichte, Kultur und Wirtschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges (Historische Landeskunde. Deutsche Geschichte im Osten Europas, Band 3), Köln 1996, S. 19ff.; BUCHHOLZ, Werner: Grundlagen und europäische Bezüge der Geschichte Pommerns, in: BUCHHOLZ, Werner (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas. Pommern, Berlin 1999, S. 13-20, hier: S. 16ff.
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Stralsund spielte mit seiner geographisch günstigen Lage am Strelasund von jeher eine bedeutende Rolle in der Geschichte des pommerschen Gebietes. Die Stadt selbst war eine alte slawische Siedlung, deren Wurzeln bis weit ins Neolithikum zurückreichen. Die mittelalterliche Neugründung nach lübischem Recht fand schließlich 1234 statt. Bis zum Beginn der Frühen Neuzeit bildete sich die Stadt als wirtschaftliches Zentrum heraus, was sie vor allem der Zugehörigkeit zur Hanse verdankte. Wenngleich der Niedergang der Hanse auch für Stralsund einen deutlichen Bedeutungsverlust nach sich zog, blieb die Stadt dennoch ein wirtschaftliches Zentrum der Region, in dem Schiffbau, Nah-und Fernhandel betrieben wurde. 33
3.3.1. Stralsunds Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert Eine neue Zeit war angebrochen – nicht nur in der Religion, sondern auch im Handel, im Handwerk und in der inneren Stadtregierung wurde dies deutlich. Der Landesherr versuchte mit dem Ausbau seiner Macht die Eigenständigkeit der Städte immer weiter einzuschränken. Mit dem Erbvertrag von 1615 zwischen dem Bürgermeister, dem Rat der Stadt Stralsund und dem pommerschen Herzog Philipp Julius wurde nicht nur die Macht des Rates eingeschränkt, sondern auch die über die Jahrhunderte bewahrte Eigenständigkeit der Stadt existierte nicht mehr. Die Treue und der Gehorsam der Stadt gegenüber dem Herzog wurden vertraglich fixiert. Dem Rat wurde lediglich das Recht eingeräumt, die Geistlichen in der Stadt selbst zu berufen und die Gerichtshoheit für die Stadt und die umliegenden Ländereien weiterhin auszuüben. Noch war es den Bürgern erlaubt, sich bei größeren Rechtsstreitigkeiten nach Lübeck zu wenden. Das fürstliche Hofgericht sollte aber bevorzugt angerufen werden. Die Neubürger mussten vor ihrem Eid der Stadt gegenüber dem Landesherren die Treue schwören. 34 Mit dem im darauf folgenden Jahr geschlossenen Bürgervertrag wurden bisher nicht am Stadtregiment beteiligte Kräfte gestärkt und mit eigenen Stimmen in die Stadtregierung einbezogen. Das erneut geschaffene „Kollegium der hundert Männer“ wurde dem Rat zur Seite gestellt, um die eigentliche Verwaltung und die Finanzen zu leiten und zu beaufsichtigen. Lediglich die Oberaufsicht über die Verwaltung, die Rechtssprechung, die Vertretung der Stadt nach außen und die Führung bei kriegerischen Auseinandersetzungen verblieben beim Rat. 35 33 34
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EWE: Das alte Stralsund, Weimar 1995. Erbvertrag zwischen dem Durchleuchtigen vnd Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / Herrn Philippo Julio / Regierendem Hertzogen zu Stettin Pommern / v. an Einem / vnd E.F.G. Erbvnderthänigen Stadt Stralsund / am Andern Theil, Stralsund 1616. LANGER, Herbert: Innere Kämpfe und Bündnis mit Schweden Ende des 16. Jahrhunderts bis 1630, in: EWE, Herbert (Hg.): Geschichte der Stadt Stralsund (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Stralsund, Band X), Weimar 1984, S. 137-167, hier S. 153.
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In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bedrohte eine militärische Auseinandersetzung den Norden des Alten Reiches, welche für fast das ganze Jahrhundert prägend für große Gebiete sein sollte – der Dreißigjährige Krieg. Von herausragender Bedeutung für dessen Verlauf war die Belagerung Stralsunds durch die Wallensteinischen Truppen. Die Stadt hielt mit dänischer und schwedischer Unterstützung und unter Führung des Stralsunder Bürgermeisters Lambert Steinwich im Frühjahr des Jahres 1628 über siebzig Tage einer Belagerung von 25.000 Mann der kaiserlichen Truppen stand. Um sich allerdings diese schwedische Hilfe zu sichern, musste die Stadt den so genannten „Allianzvertrag“ mit der schwedischen Krone unterzeichnen, nach welchem sich die Stadt über einen Zeitraum von zunächst zwanzig Jahren völlig unter die Abhängigkeit Schwedens stellte. Trotz dieses Erfolges vor Stralsund schienen die kaiserlichen Truppen im Norden des Reiches immer mehr an Einfluss zu gewinnen, weshalb sich der schwedische König Gustav II. Adolph in seinen eigenen Machtansprüchen eingeschränkt und provoziert sah. Mit der Landung am 4. Juli 1630 bei Peenemünde griff er schließlich direkt in das Kriegsgeschehen ein und sicherte sich mit seinen erfolgreichen Eroberungen in Teilen des Alten Reiches für circa 150 Jahre eine starke Machtposition an der südlichen Ostseeküste. Die Schwedenzeit in Stralsund wurde eingeläutet. 36 Seit der Mitte der dreißiger Jahre gab es in Pommern de facto eine schwedische Verwaltung und mit dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde schließlich ganz Vorpommern verbindlich Schweden zugesprochen. Nicht nur die Herrschaftssituation hatte sich verändert, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit Stralsunds wurde mit dem Westfälischen Frieden stark eingeschränkt. Die neuen politischen Konstellationen verkleinerten das städtische Hinterland stark und wichtige Rohstoff- und Absatzgebiete fielen unter neue Zuständigkeiten. In den darauf folgenden Jahren erfolgte der Ausbau Stralsunds zu einer starken schwedischen Festung, die nicht nur in optischer und moralischer Hinsicht den Anspruch Schwedens sichern sollte, sondern immer wieder Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen wurde. So konnte Stralsund, das durch den Niedergang als Handelsmacht im ausgehenden Mittelalter bereits stark geschwächt war, sich auch nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nicht weiter von den erlittenen Einbußen erholen und glitt in Hinblick auf Bevölkerungszahlen und wirtschaftliche Macht immer mehr in die Bedeutungslosigkeit ab. Zwar war Stralsund durch die erfolglose Belagerung der kaiserlichen Trup36
Beschreibung der zum Andencken an die vor zweyhundert Jahren geschehene Befreyung der Stadt Stralsund von der Wallensteinschen Belagerung am 23., 24., 25. und 27. Julius 1828 veranstalteten öffentlichen Feierlichkeiten. Nebst den diesem Feste gewidmeten Geschichten, Stralsund 1828; LANGER, Herbert: Stralsund 1600-1630. Eine Hansestadt in der Krise und im europäischen Konflikt, Weimar 1970, S. 223ff.; MARSON, Richard: Aus der Schwedenzeit von Stralsund von Olthof und Giese (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek und des Archivs zu Stralsund, II.), Stralsund 1928.
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pen einer Plünderung und Brandschatzung entgangen, doch kam es durch den Beschuss zu teilweise beträchtlichen Schäden innerhalb der Stadt. 37 Im Zuge der allmählichen Verschiebung der Wirtschaftszweige und Rohstofferzeugung innerhalb Europas wandelte sich der Ostseeraum im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert vom sekundären zum primären Wirtschaftssektor. Die Erzeugnisse des produzierenden Handwerks waren international kaum noch gefragt, die landwirtschaftlichen Produkte – vor allem das Getreide – dagegen schon. So war das Hinterland Danzigs Hauptexportgebiet für Getreide und auch die weiter westlich gelegenen Gebiete reihten sich in die Produktion und den anschließenden Handel mit ein. Ein besonderer Vorteil der Stralsunder Getreidekaufleute war das Monopol über das Getreide der Insel Rügen. In Stralsund gingen die Exportzahlen teilweise derart in die Höhe, dass die eigene Getreideversorgung in der Stadt nicht dauerhaft gewährleistet werden konnte. 38 Die Absatzmärkte der gewerblichen Produktion lagen hauptsächlich innerhalb der eigenen Stadt beziehungsweise im näheren Umland. Im Bereich der Lebensmittelgewerbe bildeten lediglich die Bierbrauer eine Ausnahme. Sie hatten nicht nur auf der Insel Rügen das Privileg des Krugverlags, sondern produzierten auch große Mengen für den Export nach Skandinavien. 39 Allerdings kam es gerade zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu einem vermehrten Import ausländischer Güter. Dabei waren es nicht nur Luxusgüter, die durch die eigenen Handwerker nur schwer hergestellt werden konnten und daher eingeführt wurden, sondern auch Massenbedarfsartikel, wie etwa billigem Tuch. Dieser Import besonders aus den Niederlanden und England schwächte nicht nur die einheimischen Wirtschaftszweige, sondern sorgte auch dafür, dass eigenes Kapital ins Ausland abwanderte. 40 Bereits wenige Jahre nach dem Westfälischen Frieden kam es im Jahre 1678 zu einer erneuten Belagerung Stralsunds, diesmal durch den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Dieser sah nach Ausbruch militärischer Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Brandenburg sowie einem französisch-schwedischen Bündnis Anlass, nach Norden zu marschieren und Schwedisch-Pommern zu verheeren. Greifswald wurde bezwungen und schließlich auch Stralsund belagert und eingenommen. Die schwedische Macht war kurzzeitig gebrochen, wurde aber im darauf folgenden Jahr durch den Friedens37 38 39
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EWE: Stralsund, S. 91f.; AUERBACH, Horst: Als Stralsund eine Festung war, Berlin 1997, S. 28ff. LANGER: Stralsund 1600-1630, S. 27ff. LANGER, Herbert: Das Braugewerbe in den deutschen Hansestädten der frühen Neuzeit, in: FRITZE, Konrad; MÜLLER-MERTENS, Eckhard; SCHILDHAUER, Johannes (Hgg.): Gewerbliche Produktion und Stadt-Land-Beziehungen (Hansische Studien IV, Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Band 18), Weimar 1979, S. 65-81, hier S. 68ff. LANGER: Stralsund 1600-1630, S. 53ff.
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schluss von St. Germain-en-Laye erneut installiert. Die Folgen für Stralsund waren verheerend. Über die Hälfte der Häuser in der Stadt wurden beim Beschuss von 1678 zerstört oder stark beschädigt. So sollen etwa 285 Häuser, 476 Buden und 194 Keller vernichtet worden sein. 41 Bereits zwei Jahre später – weder waren die alten Zerstörungen beseitigt worden, noch hatte ein Wiederaufbau stattgefunden – suchte erneut eine neue Feuerkatastrophe Stralsund heim. Durch einen starken Wind beschleunigt, wurden ganze Straßenzüge fast vollständig zerstört. Auch bedeutende Gebäude, darunter das Rathaus, wurden beschädigt. Über zweihundert Gebäude fielen den Flammen zum Opfer. Innerhalb von zwei Jahren wurden somit fast zwei Drittel der Bauwerke in der Stadt zerstört. 42 Noch 1680 begannen die Schweden vor den Toren Stralsunds Festungswerke anzulegen, die bis weit ins 18. Jahrhundert ausgebaut wurden. Bereits wenige Jahrzehnte später, im Verlauf des Nordischen Krieges unter dem schwedischen König Karl XII., wurde Stralsund zunächst 1711 und dann 1715 erneut belagert und schließlich erobert. Eine Allianz zwischen dem dänischen König Friedrich IV., dem russischen Zaren Peter I. und dem sächsischen Kurfürsten August versuchte, den schwedischen Einfluss an der Ostseeküste zu beschneiden. Im Frühjahr 1700 marschierten sächsische Truppen im schwedischen Livland ein und eröffneten somit den Nordischen Krieg. Nach anfänglichen schwedischen Erfolgen zog der Krieg immer dichter an Stralsunds Tore heran. Die größten Schäden des Bombardements von 1678 und des Stadtbrandes von 1680 waren notdürftig beseitigt, als im September 1711 die vereinigten feindlichen Truppen vor der Stadt ihr Quartier aufschlugen und damit die Belagerung eröffneten. In den folgenden Jahren erlebte Stralsund stets wechselnde Situationen, von einer festen Belagerung bis hin zu wenigen feindlichen Truppen vor den Toren der Stadt. Erst im Juli des Jahres 1715 formierten sich die verbündeten Gegner erneut zu einem festen Belagerungsring, brachten schwere Artillerie in Stellung und erreichten schließlich Ende Dezember 1715 die Kapitulation der Stadt. Eine fünfjährige dänische Herrschaft wurde installiert. Aber bereits 1720 wurde Stralsund, in Verbindung mit Rügen und Vorpommern, im Frieden von Frederiksborg wieder Schweden zugesprochen. 43 41
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KROLL, Stefan; PÁPAY, Gyula: Wohnen und Wirtschaften in Stralsund um 1700. Ein Historisches Stadtinformationssystem, in: KRÜGER, Kersten; PÁPAY, Ggyula; KROLL Stefan (Hgg.): Stadtgeschichte und Historische Informationssysteme. Der Ostseeraum im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 21. und 22. März 2002 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft, Band 1), Münster 2003, S. 90-135, hier S. 107. KROLL; PÁPAY: Wohnen und Wirtschaften in Stralsund um 1700, S. 107. HACKER, Hans-Joachim: Stralsund 1630 bis 1720, in: EWE, Herbert (Hg.): Geschichte der Stadt Stralsund (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Stralsund, Band X), Weimar 1984, S. 168-201, hier S. 192ff.; VOGES, Hermann: Die Belagerung von Stralsund im Jahre 1715, Stettin 1922.
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Das restliche 18. Jahrhundert verlief dann innen- und außenpolitisch für Stralsund recht friedlich. Lediglich von 1757 bis 1762 nahm Schweden am Siebenjährigen Krieg gegen Friedrich den Großen teil. Dabei wurde Stralsund erneut sechs Monate lang durch das preußische Heer blockiert, ohne dass es hier zu nennenswerten Kampfhandlungen zwischen den Kriegsparteien kam. In der Zeit der Napoleonischen Kriege wurde Stralsund schließlich fünfmal belagert und stand lange Zeit unter französischer Besatzung. Im Mai 1809 kam es dann zum legendären Zug Ferdinand Schills auf Stralsund, der ein Zeichen zum Widerstand gegen die Franzosen setzen wollte. Die letzten französischen Belagerungstruppen, die nach Schleifung der Festungswerke 1807 und dem darauf folgenden Abzug der Hauptstreitmacht noch in der Stadt verblieben waren, wurden überrannt. Aber bereits eine Woche später traten die Franzosen zum Gegenangriff an und überwanden die kleine Streitmacht in den Straßen der Stadt. Im Jahre 1815 wurde Schwedisch-Pommern dann schließlich Preußen zugeschlagen und die circa 150 Jahre währende Zugehörigkeit zu Schweden war beendet. 44 Das heutige, stark durch barocke Giebel- und Traufenhäuser geprägte Stadtbild, entstand zum Ende des 17., hauptsächlich aber in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nicht nur das neue Selbstverständnis der Bürger und ihre veränderte wirtschaftliche Situation, sondern auch der schwedische Einfluss hatten dies zur Folge. Zum einen hatte der wirtschaftliche Niedergang in den meisten Familien die ursprüngliche Doppelfunktion des Giebelhauses als repräsentatives, groß dimensioniertes und auf stetiges Wachstum ausgelegtes Wohn-, Arbeits- beziehungsweise Lagerhaus überflüssig gemacht. Zum anderen ließ die Verlegung der Provinzregierung für Schwedisch-Pommern nach Stralsund im Jahre 1720 nicht nur das geistige Leben erneut erblühen, sondern setzte auch neue Akzente in der Architektur. Die schwedischen Verwaltungs- und Dienstgebäude zum Beispiel wurden traditionell als Traufenhäuser errichtet. 45 Seit dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts siedelten sich verschiedene Manufakturen in Stralsund an, die das Stadtbild maßgeblich prägten und in einigen Bereichen einen erneuten bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung einläuteten. Im Jahre 1755 wurde durch den Kammerrat Joachim Ulrich Giese eine Fayencefabrik begründet, die über drei Jahrzehnte sowohl in Stralsund, als auch über den pommerschen Raum hinaus an Bedeutung gewann. Auch eine Spielkartenfabrik, welche 1765 durch Johann Caspar Kern gegründet wurde, erlangte überregionale Bedeutung und bereicherte den Markt über zwei Jahrhunderte. Gleiches gilt für die Stärkefabrik, die 1729 gegründet wurde und sich bis zum Ende des Jahrhunderts sowohl auf dem einheimischen Markt behaup44
45
HACKER, Hans-Joachim: Schill und Stralsund, in: VELTZKE, Veit (Hg.): Für die Freiheit – gegen Napoleon. Ferdinand von Schill, Preußen und die deutsche Nation, Köln-Weimar-Wien 2009, S. 391-399. TROST: Stralsund, S. 117ff.
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ten konnte, als auch ihre überregional bedeutende Stellung immer weiter ausbaute. 46 Auch das Zeitungswesen und die Buchdruckerei erfreuten sich zunächst zum Ende des 17. und dann besonders im 18. Jahrhundert eines stetigen Wachstums. Im Jahre 1687 erschien erstmals eine in Stralsund gedruckte Zeitung in Form der „Extract Aller einkommenden Nouvellen“. 47 Neben kleineren bereits bestehenden Buckdruckereien etablierte sich seit ihrer 1759 erfolgten Übersiedlung aus Greifswald die Strucksche Buchdruckerei in Stralsund. Nicht nur die lokalen Zeitungen und Schriften wurden hier veröffentlicht, sondern auch größere Mengen Bücher gedruckt. Durch den Sitz der schwedischen Provinzialregierung für Pommern in Stralsund mussten zum einen Erlasse, Verordnungen und Gesetzestexte gedruckt werden. Zum anderen partizipierte mit dem Erwerb von Büchern schließlich das in der Entstehung begriffene und aufstrebende Bildungsbürgertum am geistigen Leben der lokalen Verwaltungsstadt. 48
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KUSCH, Reinhard: Die Manufaktur in Stralsund. Voraussetzungen und Entwicklung der prokapitalistischen Produktion im spätfeudalen Stralsund während der Schwedenzeit 1720-1815, Dissertation, Greifswald 1983, S. 68ff.; KUSCH, Reinhard: Stralsund von 1720 bis 1815, in: EWE, Herbert (Hg.): Geschichte der Stadt Stralsund (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Stralsund, Band X), Weimar 1984, S. 202-233, hier S. 211ff.; LORENZ, Carl: Blick auf die Geschichte der Gewandschneider-, Krämer- und Brauer- & Münzer-Compagnie in Stralsund, Stralsund 1878; SCHULZ-BERLEKAMP, Gesine: Stralsunder Fayencen 1755-1792, Berlin 1991. KÜHLMANN, Wilhelm; LANGER, Horst (Hgg.): Pommern in der Frühen Neuzeit. Literatur und Kultur in Stadt und Region, Tübingen 1994; LANGER, Herbert: Handel und Bildung in pommerschen Seestädten im 16. und 17. Jahrhundert, in: GARBER, Klaus (Hg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit (Frühe Neuzeit, Band 39, Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext), Tübingen 1998, S. 729-736; REINHARDT, Hans Heino: Geschichte des Zeitungswesens in Stralsund, Stralsund 1936, S. 12. KLÖTZER, Wolfgang: Ausgewählte Probleme zu den Literaturverhältnissen in Stralsund zur Zeit der Epochenwende und 1800, Dissertation, Neubrandenburg 1990; LANGER, Horst: Literarisches Leben in Greifswald während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Erscheinungsbilder – Fragen – Forschungsaufgaben, in: GARBER, Klaus (Hg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit (Frühe Neuzeit, Band 39, Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext), Tübingen 1998, S. 737-751; MOHNIKE, Gottlieb: Geschichte der Buchdruckerei in Stralsund bis zum Jahr 1809. Ein Beitrag zur pommerschen Literaturgeschichte, Stralsund 1833; MOHRMANN, Ruth-Elisabeth: Die Eingliederung städtischen Mobiliars in braunschweigischen Dörfern, nach Inventaren des 18. und 19. Jahrhunderts, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Kulturelle Stadt – Land – Beziehungen in der Neuzeit (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 9), Münster 1978, S. 297-337; MORLEY, John: Möbel Europas. Von der Antike bis zur Moderne, München 2001; SCHILLING, Michael: Stadt und Publizistik in der Frühen Neuzeit, in: GARBER, Klaus (Hg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit (Frühe Neuzeit, Band 39, Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kon-
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3.3.2. Demographische Entwicklung Stralsunds in der Frühen Neuzeit In den 21 Städten Pommerns, die westlich der Oder lagen, lebten im 15. Jahrhundert circa 42.000 Einwohner. Rund 60 Prozent davon, also etwa 27.000, verteilten sich allein auf die großen Zentren Stettin, Greifswald und Stralsund, wobei Stralsund mit 13.000 Einwohnern den wohl größten Anteil zu verzeichnen hatte. Die restlichen mit Stadtrecht bewidmeten Orte hatten zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 840 Einwohner. 49 Berechnungen zufolge lebten selbst im 17. Jahrhundert noch 14.000 bis 15.000 Menschen in Stralsund, so dass die Stadt immer noch zu den größten der Region zählte – ein Trend, der sich in den folgenden Jahrhunderten nicht mehr durchsetzen sollte. 50 Besonders die kriegerischen Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges und der Ausbruch der Pest im Jahre 1629 haben die Bevölkerungszahlen drastisch dezimiert. Auch weitere Belagerungen und schließlich die Feuersbrunst von 1680 machten die zaghaften Populationszuwächse schnell wieder zunichte. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts ergaben sich kaum größere Steigerungen der Bevölkerungszahlen. Weitere Kriege beziehungsweise Epidemien lähmten das Wachstum. So lebten 1720 circa 112.000 Einwohner im westlich der Oder gelegenen Pommern.51 Aber auch in den folgenden Jahren konnten sich die Bevölkerungszahlen nur sehr langsam steigern. Selbst zum Ende des 18. Jahrhunderts lagen die jährlichen Zuwachsraten deutlich unter einem Prozent. 52 Anfang des 18. Jahrhunderts lebten noch circa 10.000 Menschen in Stralsund, wobei in diesen Angaben das Militär in der Garnison einbezogen wurde. Für das Jahr 1709 sind die Pocken und in den darauf folgenden beiden Jahren .
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text), Tübingen 1998, S. 112-141, hier S. 115ff.; STRUCK, Joachim Lorenz: 200 Jahre Strucksche Buchdruckerei, Stralsund 1939, S. 14ff. FRITZE: Autonomie von Mittel- und Kleinstädte, S. 76-83; MAUERSBERG, Hans: Demographische und sozialökonomische Entwicklungstendenzen deutscher Städte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Nord-Süd-Unterschiede in der städtischen und ländlichen Kultur Mitteleuropas (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 40), Münster 1985, S. 367-388. FRITZE, Konrad: Bürger und Bauern zur Hansezeit. Studien zu den Stadt-LandBeziehungen an der südlichen Ostseeküste vom 13. bis zum, 16. Jahrhundert (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Band XVI), Weimar 1976, S. 20; FRITZE, Konrad: Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte wendischer Hansestädte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Habilitationsschrift, Greifswald 1963, S. 136ff.; LANGER: Stralsund 1600-1630, S. 20ff. ARNDT, Carl: Die Einwohnerzahlen der niederdeutschen Städte von 1550 bis 1816, Dissertation, Hamburg 1946, S. 32. WIEDEN, Brage bei der: Die Entwicklung der pommerschen Bevölkerung 1701 bis 1918 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, Reihe V: Forschungen zur pommerschen Geschichte, Band 33), Köln-Weimar-Wien 1999, S. 21; S. 90.
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die Pest in Stralsund belegt. Allein durch den Ausbruch dieser beiden Krankheiten wurden in den drei Jahren über 4.200 Menschen in Stralsund dahingerafft. Der allgemeine Bevölkerungsrückgang setzte sich während des gesamten Jahrhunderts stetig fort. Schließlich wurde der absolute Tiefpunkt 1760 mit einer Einwohnerzahl von nur 8.153 gemeldet. 53 Es zeichnete sich erst nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges eine Wende ab. Zwar erreichte die Stadt keine mittelalterlichen oder gar jene Bevölkerungszahlen des frühen 17. Jahrhunderts, eine gewisse Gesundung ist allerdings zu erkennen. 54 Die seit dem Dreißigjährigen bis hin zum Siebenjährigen Krieg zerstörten Häuser wurden kontinuierlich wieder aufgebaut und die stark auf den Handel und die Seefahrt ausgerichtete Stralsunder Wirtschaft mit allen Nebengewerken gewann nach ihrem starken Niedergang zum Ausgang des Mittelalters in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert immer weiter an Bedeutung, was zu einer Erholung der demographischen Entwicklung führte.
3.4. Überblick über die Rigaer Stadtgeschichte Als die ersten deutschen Kaufleute aus Lübeck und Visby kommend um 1180 an der Dünamündung siedelten, lebten im Gebiet des heutigen Baltikums zwei Volksgruppen. Zu den Finnogouren gehörten die Liven und zu den Balten die Kuren, Semgallen, Selen und Lettgallen. Bald darauf setzte sich der bereits oft benutzte Stammesbegriff der Liven als Landesbezeichnung durch und fortan hieß das gesamte Gebiet des heutigen Lettlands und Estlands Livland. 55 Bereits in der Anfangszeit der deutschen Besiedlung kam es zu ersten Missionierungsversuchen in diesen Gebieten, so dass die an der Dünamündung neu entstandene deutsche Siedlung Riga sowohl zu einem Handels- als auch zu einem Missionszentrum ausgebaut wurde. Besonders die gute Lage an wichtigen, ins Landesinnere führenden Handelsrouten ermöglichte es, einen raschen 53 54 55
WIEDEN: Die Entwicklung der pommerschen Bevölkerung, S. 13. HACKER: Bevölkerungszahl und -entwicklung Stralsunds, S. 163ff. ANGERMANN, Norbert; GARLEFF, Michael (Hgg.): Ostseeprovinzen, Baltische Staaten und das Nationale, Münster 2005; KOLBERGS, Andris: Portrait einer Stadt. Geschichte Rigas Altstadt, Riga 1998, S. 11ff.; MÜHLEN, Heinz von zur: Eroberer, Stammbevölkerung und Nachbarn, in: SCHLAU, Wilfried (Hg.): Tausend Jahre Nachbarschaft. Die Völker des baltischen Raumes und die Deutschen, München 1995, S. 39-46; SCHLAU, Wilfried: Die Völker des baltischen Raumes und die Deutschen – Probleme einer „kühlen Nachbarschaft“, in: SCHLAU, Wilfried (Hg.): Tausend Jahre Nachbarschaft. Die Völker des baltischen Raumes und die Deutschen, München 1995, S. 7-11; SELIRAND, Jüri: Die Völkerschaften des baltischen Raumes – einschließlich Finnlands – und ihre Nachbarn am Vorabend der schwedisch-dänisch-deutschen Eroberung, in: SCHLAU, Wilfried (Hg.): Tausend Jahre Nachbarschaft. Die Völker des baltischen Raumes und die Deutschen, München 1995, S. 27-39.
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Auf- und Ausbau der Siedlung vorzunehmen. Dänische und gotländische Schiffe fuhren über die Düna landeinwärts in Richtung Russland und russische Händler drangen über den Fluss bis an die Ostseeküsten vor, um hier ihre Waren zu verhandeln. 56 Seit dem 13. Jahrhundert fungierte faktisch der Deutsche Orden als Landesherr über Livland und damit über Riga. Im Jahr 1561 geriet das Gebiet schließlich unter den Einfluss Polen-Litauens. 57
3.5. Die Entwicklung Rigas im 17. und 18. Jahrhundert Am Ende des 16. Jahrhunderts kamen die Schweden ins Baltikum, um hier ihren Anspruch auf die Herrschaft im gesamten Ostseeraum – dem „dominium maris baltici“ – zu beanspruchen. Nicht nur für Polen, sondern auch für Dänemark war es wichtig, dass Riga nicht in schwedische Hände fiel, denn die Stadt wäre eine weitere Etappe auf dem Weg zur Herrschaft des dänischen Erzrivalen im gesamten Ostseeraum gewesen. Nach der Anlage ausgeklügelter Verteidigungsringe scheiterten die Schweden 1601 bei einer ersten Belagerung Rigas. Bereits 1605 versuchte der schwedische König Karl IX. erneut, die Stadt zu erobern. 15.000 Soldaten der schwedischen Streitmacht standen 3.500 eines polnisch-litauisches Heeres gegenüber. Nach für Schweden unglücklich verlaufenden Kampfhandlungen büßten sie trotz der starken Überlegenheit den größten Teil ihrer Streitmacht ein und mussten sich wieder zurückziehen. 58 Erst 1621 versuchte Gustav II. Adolph erneut, Riga zu erobern. Er schaffte es schließlich, die Stadt zu bezwingen, zog dort am 16. September desselben Jahres ein, gliederte sie in seinen Herrschaftsbereich ein und bestätigte wenige Tage später ihre Privilegien. Schweden war es somit gelungen, im Baltikum die wichtigsten ins Hinterland führenden Handelsverbindungen zu kontrollieren. 56
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BUNGE, F. G. von: Die Stadt Riga im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert. Geschichte, Verfassung und Rechtszustand, Leipzig 1878, S. 7ff.; POSTEL, Rainer: Vom „Eigennutz der Lifflandischen stette“, in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung, Bd. 22), Marburg 2005, S. 239-248; ZÜHLKE, Raoul: Rigas frühe Entwicklung – Der Einfluß von Personen und Personenverbänden bei der Entstehung der deutschen Siedlung am campus rigae, in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit, Marburg 2005, S. 76-86. HARDER-GERSDORFF, Elisabeth: Riga als Handelsmetropole des Ostseeraums in der Frühen Neuzeit (16.-18. Jahrhundert), in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit, Marburg 2005, S. 261-294. OAKLEY: War and Peace in the Baltic, S. 42ff; PISTOHLKORS, Gert von (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas. Baltische Länder, Berlin 2002.
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Historische Hintergründe
Ähnlich wie in anderen durch Schweden eroberten Gebieten versuchte die neue Macht im Baltikum und besonders in Riga sowohl die Verwaltung zu reformieren als auch Wirtschaft und Kultur zu fördern. Riga wurde zu einer modernen schwedischen Festung mit ausgeklügelten Wassergräben, Wällen und Basteien ausgebaut und auch der Handel expandierte, so dass die Stadt – nach Danzig – der wichtigste Ostseehafen dieser Region wurde.59 Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte Russland sein außenpolitisches Interesse auf das Baltikum und Riga ausgedehnt und machte dies in mehreren Kriegszügen deutlich. Bereits 1656 stand ein Heer unter dem Befehl des Zaren Aleksej Michailowitsch Romanow vor Riga und nur der russischen Unentschlossenheit und einzelner russischer Deserteure war es zu verdanken, dass Riga gerettet werden konnte. Nachdem die Schweden über die russischen Pläne aufgeklärt waren, griffen sie überraschend an und die Russen mussten sich zurückziehen. 1661 wurde schließlich der Frieden von Kardis unterzeichnet, in dem Russland auf weitere Eroberungen in Livland verzichtete. Aufgrund dieses Sieges über die zaristischen Truppen wurde Riga durch Hedwig Eleonora von Schweden, die zu diesem Zeitpunkt Vormund des minderjährigen Karl XI. war, zur zweiten Stadt im schwedischen Reich nach Stockholm ernannt. Fortan durfte Riga als eine der höchsten schwedischen Ehren eine Königskrone im Wappen tragen. 60 59
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BOHN, Thomas M.: Die Wirtschaftsbeziehungen der Neuzeit: Transithandel versus Industrialisierung, in: SCHLAU, Wilfried (Hg.): Tausend Jahre Nachbarschaft. Die Völker des baltischen Raumes und die Deutschen, München 1995, S. 212-220; GARLEFF, Michael: Die baltischen Länder. Estland, Lettland, Litauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Regensburg 2001; HARDER-GERSDORFF: Riga als Handelsmetropole; S3ą5Ĩ7,6, 2MĆUV 6FKZHGLVFKH ,PSXOVH LP 6WlGWHEDX Lm lettischen Teil Livlands im 16. und 17. Jahrhundert, in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit, Marburg 2005, S. 380-399; TUCHTENHAGEN, Ralph: Geschichte der baltischen Länder, München 2009; TUCHTENHAGEN, Ralph: Riga im Rahmen des schwedischen Merkantilismus, in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung, Bd. 22), Marburg 2005, S. 295-320. DOROŠENKO, V. V.: Riga und sein Hinterland im 17. Jahrhundert (Zum Problem der Wechselbeziehungen zwischen Stadt und Land), in: FRITZE, Konrad; MÜLLERMERTENS, Eckhard; SCHILDHAUER, Johannes (Hgg.): Gewerbliche Produktion und Stadt-Land-Beziehungen, (Hansische Studien IV, Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Band 18), Weimar 1979, S. 155-172; LUX, Markus: Riga und die Städte des Herzogtums Kurland und Semgallen, in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit, Marburg 2005, S. 408-423; NORTH, Michael: Nationale und kulturelle Selbstverortung in der Diaspora. Die Deutschen in den russischen Ostseeprovinzen des 18. Jahrhunderts, in: SCHMIDT, Georg (Hg.): Die deutsche Nation im frühneuzeitlichen Europa. Politische Ordnung und kulturelle Identität?, München 2010, S. 83-96; OAKLEY: War and Peace in the Baltic, S. 79ff.; PLATH, Ulrike: Esten und Deutsche in den baltischen Provinzen
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Zum Ende des 17. Jahrhunderts begann sich mit der Bildung des Nordischen Bundes zwischen Russland, Dänemark und Sachsen das Ende der schwedischen Vormachtstellung im Baltikum abzuzeichnen. Bereits 1697 weilte eine russische Gesandtschaft in Riga, vornehmlich um die Verteidigungsstellungen innerhalb der Stadt auszukundschaften. Stadtwachen bemerkten das Treiben und unterbanden es schließlich. Dies wurde als diplomatischer Zwischenfall gewertet, in dessen Folge den Schweden von Seiten des russischen Zaren Peter I. im Jahr 1700 der Krieg erklärt wurde – der zweite Nordische Krieg hatte begonnen. Zunächst rückten nur die Sachsen und Polen unter der Führung Augusts II. gegen Riga vor und belagerten die Stadt. Sofort nach Bekanntwerden der Belagerung Rigas schickte Karl XII. von Schweden Entsatztruppen und schlug die Feinde vor den Toren der Stadt. 61 Die Gefahr war allerdings noch nicht gebannt. Nachdem Schweden in der Schlacht bei Poltawa 1709 vom russischen Heer geschlagen werden konnte, schickte Zar Peter I. seine Truppen in Richtung Livland und Riga. Am 14. November begann der Angriff auf die Stadt. Nach einer zehnmonatigen Belagerung gelang es den Russen schließlich, Riga zu erobern. Die Einwohnerzahl der Stadt war aufgrund einer schweren Pestepidemie und der starken Belagerung auf weniger als ein Fünftel der Vorkriegszahl gesunken. Der alte Rechtszustand konnte beibehalten werden und auch die mittlerweile traditionelle lutherische Glaubensrichtung und die deutsche Amtssprache blieben erhalten. Russland hatte sich nun mit Riga einen weiteren wichtigen Ostseehafen angeeignet und beherrschte von nun an das ehemals von Schweden kontrollierte Baltikum. Die lettischen Territorien waren zu einer Provinz des russischen Zarenreiches geworden und standen bis zum Ersten Weltkrieg unter der Verwaltung Russlands. 62 In den darauf folgenden Jahren der russischen Oberherrschaft stellte sich eine für Riga lange Zeit des Friedens ein. Trotzdem erholte sich die Bevölke-
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Russlands. Fremdheitskonstruktionen, Kolonialphantasien und Lebenswelten 17501850 (im Druck); Š1Ē, Sigita: Zwischen Löwen und Adler: Die Geschichtszeugnisse des rigaschen Stadtwappens im 16.-18. Jahrhundert, in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit, Marburg 2005, S. 424-431. KIRBY, David: Russland, die Ostsee und Europa, in: WERNICKE, Horst (Hg.): Beiträge zur Geschichte des Ostseeraumes. Vorträge der ersten und zweiten Konferenz der Ständigen Konferenz der Historiker des Ostseeraumes (Greifswalder Historische Studien, Band 4), Hamburg 2002, S. 77-87. ąBOLS, Guntars: The Contribution of History to Latvian Identity, Riga 2002; KIRBY: Russland, die Ostsee und Europa, S. 81ff.; SNELL, Karl Philip Michael: Beschreibung der russischen Provinzen an der Ostsee oder: Zuverlässige Nachrichten sowohl von Rußland überhaupt, als auch insonderheit von der natürlichen und politischen Verfassung, dem Handel, der Schiffahrt, der Lebensart, den Sitten und Gebräuchen, den Künsten und der Litteratur, dem Civil- und Militairwesen, und andern Merkwürdigkeiten von Livland, Esthland und Ingermannland, Jena 1794.
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rung nur sehr langsam von den Schrecken des Krieges. Das Bevölkerungswachstum stagnierte, so dass um 1800 in Riga lediglich circa 30.000 Einwohner beheimatet waren. Drei große Bevölkerungsgruppen lebten nun in der Stadt. Mit knapp 13.000 Einwohnern stellten die Deutschen immer noch die größte Gruppe, gefolgt von den Letten, die mit circa 8.000 Einwohnern in der Stadt vertreten waren, und schließlich den Russen, von denen etwa 4.000 in Riga wohnten. Die restlichen 5.000 Einwohner waren Vertreter unterschiedlicher Nationen, die hier hauptsächlich Handel und Handwerk betrieben. Von den russischen Behörden wurde Riga zum Verwaltungszentrum der gesamten baltischen Ostseeprovinzen ernannt. In der Stadt hatte sich bereits während der schwedischen Oberhoheit unter der Führung der deutschen Oberschicht eine frühmoderne bürgerliche Gesellschaft mit einem eigenen Selbstverständnis gebildet. Aber auch der aufkeimende lettische Nationalismus fand besonders seit dem 18. Jahrhundert einen immer größeren Nährboden in der von den Deutschen beherrschten Stadt und erfasste zunehmend auch die umliegenden Ländereien. 63 Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts setzte schließlich eine kulturelle Blüte in Riga ein, was vor allem im Druckergewerbe seinen wirtschaftlichen Niederschlag fand. Nachdem bereits 1710 die „Rigischen Novellen“ als erste deutsprachige Zeitung im Baltikum eingestellt wurde, gab es lange Zeit kein Äquivalent. Seit 1761 wurden dann wieder vermehrt deutschsprachige Zeitschriften herausgegeben. 64
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LAUR, Mati; PIRSKO, Priit: Die Aufhebung der adligen Bevormundung in Liv- und Estland. Eine Besonderheit der Bauernbefreiung im Russischen Reich, in: WERNICKE, Horst (Hg.): Beiträge zur Geschichte des Ostseeraumes. Vorträge der ersten und zweiten Konferenz der Ständigen Konferenz der Historiker des Ostseeraumes (Greifswalder Historische Studien, Band 4), Hamburg 2002, S. 103-118; MÜHLEN, Heinz von zur: Die baltischen Lande, ihre Bewohner und ihre Geschichte, in: GARBER, Klaus; KLÖKER, Martin (Hg.): Kulturgeschichte der baltischen Länder in der Frühen Neuzeit. Mit einem Ausblick in die Moderne (Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext. In Verbindung mit der Forschungsstelle „Literatur der Frühen Neuzeit“ an der Universität Osnabrück, Band 87), Tübingen 2003, S. 15-36; PISTOHLKORS, Gert von: Deutsche, Esten, Letten, Russen: interethnische Beziehungen unter ständischem Vorzeichen 1710 bis 1918, in: SCHLAU, Wilfried (Hg.): Tausend Jahre Nachbarschaft. Die Völker des baltischen Raumes und die Deutschen, München 1995, S. 80-95; TROEBST, Stefan: Livland als Stapel des moskauischen Außenhandels? Der Rigaer Oktroizoll 1676-1691, in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung, Bd. 22), Marburg 2005, S. 400-407. BRANDT, Gisela: Textsorten und Textsortenstile in den „Mitauischen Nachrichten“ (1766-1775), in: BRANDT, Gisela (Hg.): Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache im Baltikum (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, Nr. 339), Stuttgart 1996, S. 212; ECKARDT, J.: Beiträge zur Geschichte des deutsch-baltischen Zeitungswesens, Ludwigshafen am Rhein 1927.
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Bereits seit dem Ende des 17. Jahrhunderts gab es in Riga eine eigene Buchdruckerei. Nicolaus Mollyn gründete hier 1588 ein Verlagshaus, in dem zunächst hauptsächlich geistliche Literatur in deutscher Sprache gedruckt wurde. In den darauf folgenden Jahren zu Beginn des 17. Jahrhunderts setzte sein Nachfolger Gerhard Schröder diese Tradition fort. Es entstand nicht mehr nur geistliche Literatur, sondern es wurden ebenfalls Gesetzestexte, Erlasse und Verordnungen der Administration sowie schöngeistige Literatur für das Rigaer Bürgertum verlegt. 65 Auch berühmte Vertreter neuer geistiger Strömungen siedelten sich im Riga des 18. Jahrhunderts an und verbreiteten die Lehren bekannter Philosophen der Zeit. So lebte beispielsweise Johann Gottfried Herder zwischen 1764 und 1769 in der Stadt. Auch der bekannte Königsberger Philosoph Johann Georg Hamann verbrachte viele Jahre in Riga. Der berühmte Verleger und Buchhändler Johann Friedrich Hartkoch eröffnete 1764 in der Stadt eine Buchhandlung und einen Verlag, in dem unter anderem die Hauptwerke von Herder, Kant und Hamann gedruckt wurden. Auch der bekannte Schriftsteller Johann Eisen von Schwarzberg und der Theaterdichter August Friedrich von Kotzebue lebten in Riga, wo letzterer 1772 das erste ständige Theater Rigas gründete. 66 Erst die napoleonische Eroberung Europas führte auch Riga wieder kriegerischen Ereignissen entgegen. Während Napoleon 1812 versuchte, Russland zu erobern, steckten die Rigaer Bewohner die meisten der Vorstädte der Stadt in Brand und eine Unzahl an Menschen und Gebäuden fiel den Flammen zum Opfer. Napoleon hingegen zog nicht nach Riga und die verfrühte, unnütze Verwüstung der eigenen Stadt erwies sich als sinnlos. 67
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KOTARSKI, Edmund: Institutionen literarischer Kultur in den Ostseestädten des 17. Jahrhunderts. Danzig – Riga – Reval, in: M,6ą16, Ilgvars; WERNICKE, Horst (Hgg.): Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit, Marburg 2005, S. 451-462; SANDER, Ojar: Nicolaus Mollyn, der erste Rigaer Drucker. Sein Schaffen in Riga von 1588 bis 1625, in: GARBER, Klaus (Hg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit (Frühe Neuzeit, Band 39, Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext), Tübingen 1998, S. 786-800; TAUBE, Meta: Die Arbeiten des Rigaer Buchdruckers Gerhard Schröder (16251657), in: GARBER, Klaus (Hg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit (Frühe Neuzeit, Band 39, Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext), Tübingen 1998, S. 801-812. MÜHLEN: Die baltischen Lande, S. 25f. KIRBY: Russland, die Ostsee und Europa, S. 86.
4.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
4.1.
Allgemeine Betrachtungen zu Möbeln in Haushalten
Der für uns heute wohl wichtigste Ausstattungsbestandteil einer Wohnung ist das Möbelstück. Nicht nur Tische, Stühle und Betten gehören dazu, sondern auch Schränke, Kommoden, Regale und Wandschmuck wie Tapeten, Spiegel und Bilder. In den nun folgenden Betrachtungen werden wir uns den einzelnen Möbeln in Stralsund, Kopenhagen und Riga im 17. und 18. Jahrhundert vergleichend nähern. Dabei soll immer ein Blick auf ähnliche Untersuchungen aus anderen europäischen Städten und Regionen geworfen werden. Wie wichtig Möbel sind, zeigt sich schon am kontinuierlichen Gebrauch einzelner Stücke über mehrere Jahrtausende. So finden sich in den Überlieferungen zu Wohnausstattungen während der Antike sowohl Sitz- und Ruhemöbel als auch Tische und Regale. Die ursprünglich zum Bau von einzelnen Möbelstücken verwendeten Materialien waren zwangsläufig Hölzer, wengleich bei besonders ausgewählten Stücken auch Kupfer, Zinn, Bronze und sogar Eisen verarbeitet wurde. Ebenso lassen sich Nachweise für Edelmetalle wie Gold und Silber finden. 1 Die Bezeichnung „Möbel“ für das bewegliche Hab und Gut tauchte jedoch erst am Ende des 15. Jahrhunderts auf und leitete sich von dem französischen Wort „meuble“ ab. Seit dem 17. Jahrhundert wurde es dann – erneut aus dem Französischen als Modewort entnommen – in der für uns heute üblichen Bedeutung benutzt. 2 Trotz des langjährigen Gebrauchs einzelner Möbelstücke spielte ihr Formenreichtum bis ins späte Mittelalter nur eine sehr untergeordnete Rolle. Seit dem Ende des Mittelalters setzte ein grundlegender Formenwandel der Gebrauchsmöbel ein. Nicht nur differenziertere, filigranere und künstlerisch wertvoller gearbeitete Stücke entstanden, auch die Anzahl der Möbel in den einzelnen Haushalten nahm deutlich zu. Dies ist zum einen darin begründet, dass sich unter den Benutzern von Möbelstücken ein neues Selbstverständnis herausbildete, das nach außen repräsentiert werden musste. Zum anderen erkannte man oft eine zweckmäßigere Bauweise einzelner Möbel und setzte dies bei der Verarbeitung um. Seit der Renaissance waren nicht mehr nur einfache Handwerker 1
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LEIXNER, Othmar von: Möbelstilkunde. Einführung in die Geschichte des Mobiliars, Leipzig 1909, S. 5ff.; PELKA, Otto: Deutsche Hausmöbel bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, Leipzig 1912; PELSER-BERENSBERG, Franz von: Mitteilungen über Trachten, Hausrat, Wohn- und Lebensweise im Rheinland, Düsseldorf 1909. JEDDING: Das schöne Möbel, S. 6.
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für die Herstellung von Möbeln zuständig, sondern oft wurden sogar Künstler und Architekten mit einzelnen Entwürfen beauftragt, die dann von besonders kunstfertigen und spezialisierten Handwerkern realisiert werden mussten. Ganze neue Berufe entstanden, wie etwa der des Kunstmöbeltischlers.3 Die ersten grundlegenden Neuerungen im Möbelbau setzten mit der Renaissance im Italien des 15. Jahrhunderts ein. Das häusliche Leben rückte immer mehr in den Vordergrund und die Einrichtung der Wohnung mit den unterschiedlichen Stücken erlangte eine stetig wachsende Bedeutung. Verzierungen entstanden und begannen vor allem das ästhetische Empfinden der potentiellen Konsumenten anzusprechen. Die gesamten Möbelstücke eines Raumes standen nicht mehr für sich allein, sondern bildeten in ihrer Gesamtheit ein aufeinander abgestimmtes Gesamtensemble. Passend zu den Möbeln wurden auch die restlichen Raumelemente, wie Decken- und Wandgestaltung, die Fenster und die Türen, jeweils farblich und in der Ornamentik aufeinander abgestimmt. Eine besondere Ausprägung erlangten neue Bearbeitungs- und Verzierungstechniken – die Intarsien-Kunst beispielsweise wurde bis zur Vollendung weiterentwickelt. 4 Im 16. Jahrhunderts breitete sich die Renaissance dann schnell zunächst nach Frankreich und schließlich über das restliche Europa aus. Michelangelo, der als der bedeutendste Vertreter der italienischen Renaissance angesehen wird, schuf viele der künstlerischen Grundlagen, auf die spätere Stilentwicklungen aufbauten. 5 In den einzelnen auftreffenden Ländern wurden die Elemente der Renaissance aufgegriffen, den örtlichen Gegebenheiten angepasst und mit eigenen Kreationen verknüpft. So entstanden in den unterschiedlichen Ländern die 3
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BURKE, Peter: Die europäische Renaissance. Zentren und Peripherien, München 1998, S. 35ff.; FEULNER: Kunstgeschichte des Möbels, S. 196ff.; FRANCESCHI, Franco: The economy: work and wealth, in: NAJEMY, John M. (Hg.): Italy in the Age of the Renaissance 1300-1550 (The Short Oxford History of Italy), Oxford 2004, S. 124-144, hier S. 131ff.; JEDDING: Das schöne Möbel, S. 7; KIRSHNER, Julius: Family and marriage: a socio-legal perspective, in: NAJEMY, John M. (Hg.): Italy in the Age of the Renaissance 1300-1550 (The Short Oxford History of Italy), Oxford 2004, S. 82-102, hier S. 82f.; KLATT, Erich: Die Konstruktion alter Möbel. Form und Technik im Wandel der Stilarten; Truhen, Schränke, Kommoden, Betten, Tische und Sitzmöbel in detaillierten Werkzeichnungen, Stuttgart 1998, S. 7. BOUWSMA, William J.: Der Herbst der Renaissance 1550-1640, Berlin 2005, S. 287ff.; BURKE: Kultureller Austausch, S. 29ff.; BURKE, Peter: The Italian Renaissance. Culture and Society in Italy, London 1972, S. 43ff.; LEIXNER: Möbelstilkunde, S. 85ff.; NAJEMY, John M.: Introduction: Italy and the Renaissance, in: NAJEMY, John M. (Hg.): Italy in the Age of the Renaissance 1300-1550 (The Short Oxford History of Italy), Oxford 2004, S. 1-17, hier S. 3f.; STRATMANN-DÖHLER, Rosemarie: Möbel, Intarsie und Rahmen, in: WEISS, Gustav; DENNINGER, Edgar; STRATMANN-DÖHLER, Rosemarie; STRÄSSER, Edith M. H.; GALL, Günter (Hgg.): Glas, Keramik und Porzellan, Möbel, Intarsie und Rahmen, Lackkunst, Leder (Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken, Band 3), Stuttgart 2002, S. 135-210, hier S. 180ff. COPPLESTONE, Trewin: Michelangelo, Fränkisch-Crumbach 2005, S. 8ff.
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verschiedensten Ausprägungen im Möbelbau. Eigene Stilrichtungen in Frankreich, England, Spanien und in den deutschsprachigen Gebieten wurden geschaffen, wobei sich die einzelnen Gebiete nicht nur gegenseitig beeinflussten, sondern sich auch innerhalb der Länder noch unterschiedliche regionale Ausprägungen bildeten. Die letzten Möbelbauformen der Renaissance reichen im Norden Europas stellenweise bis weit in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts hinein. 6 Das wichtigste Einflussgebiet für die norddeutschen Gebiete, Skandinavien und auch England waren die Niederlande. So bildeten sich im östlichen Nordseeraum, im westlichen Ostseeraum und auf den britischen Inseln im gesamten Zeitraum der Renaissance recht einheitliche Formen heraus. Zunächst wurden die alten spätgotischen Möbelstücke in ihrer Bauweise belassen und lediglich Ornamente verändert. Auch die Werkstoffe – hier hauptsächlich Eiche – blieben gleich. Auffällig sind die reichhaltigen Schnitzereien, die das spätgotische Faltenwerk aus den Möbelfüllungen verdrängten. 7 Der Begriff Barock hat sowohl im Italienischen, Französischen, Spanischen als auch im Portugiesischen ähnliche Bedeutungen und erklärt sich stets als schief und unregelmäßig. Den italienischen Künstlern gelang es, einen flüssigen Übergang von der Renaissance zum Barock zu finden. Zum ersten Mal wurden mit Masse und Größe sowie unter Heranziehung von Schrägen und Rundungen Akzente gesetzt. Nicht mehr die einzelnen Ornamente bestimmten die Verzierungen der Möbelstücke, sondern die Möbel stellten in ihrer Gesamtkonzeption ein eigenes Kunstwerk dar. Mit dieser Entwicklung einher ging auch die Schaffung ganz neuer Arten von Möbelstücken. Der Komfort rückte noch stärker in den Vordergrund, aber auch viele technische Innovationen wurden verwirklicht. 8 6
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BURKE: Die Renaissance, S. 53ff.; FALKE, Otto von (Hg.): Deutsche Möbel des Mittelalters und der Renaissance, Stuttgart 1924, S. 56ff.; FEBVRE, Lucien: Leben in der französischen Renaissance. Der neugierige Blick. Leben in der französischen Renaissance, Berlin 2000, S. 55ff.; FEULNER: Kunstgeschichte des Möbels, S. 53ff.; WUNDRAM, Manfred: Renaissance (Kunstepochen, Band 6), Stuttgart 2004, S. 14ff. DOLZ, Renate: Möbelstilkunde. Schöne Möbel und Einrichtungsgegenstände aus Mittelalter, Renaissance, Barock, Rokoko, Empire, Biedermeier, Jugendstil und Art Deco, München 1997, S. 100ff. BORNGÄSSER Barbara; TOMAN, Rolf: Einleitung, in: TOMAN, Rolf (Hg.): Die Kunst des Barock. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1997, S. 6-11, hier S. 6ff.; BURBAUM, Sabine: Barock (Kunstepochen, Band 8), Stuttgart 2003, S. 20ff.; HANSMANN, Wilfried: Barock. Deutsche Baukunst 1600-1760, Leipzig 1997, S. 7ff.; HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, Dresden 1987, S. 382ff.; HOLLY, Michael Ann: Wölfflin and the Imaging of the Baroque, in: GARBER, Klaus (Hg.): Europäische BarockRezeption (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Teil 20), Wiesbaden 1991, S. 1255-1264, hier S. 1257ff.; HOPPE, Stephan: Was ist Barock? Architektur und Städtebau Europas 1580-1770, Darmstadt 2003, S. 20f.; JUNG, Wolfgang: Architektur und Stadt in Italien zwischen Frühbarock und Frühklassizismus, in: TOMAN, Rolf (Hg.): Die Kunst
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Italien wurde ziemlich schnell von Frankreich als die neue modetrendsetzende Nation abgelöst. Besonders der Hof Ludwigs XIV. galt als Vorbild für fast alle absolutistischen Fürstenhöfe Europas und die dort aufwendig zelebrierte Mode verbreitete sich schnell über den ganzen Kontinent. Bald holte der französische Hof die besten Handwerker in seine Werkstätten, um hier die zu diesem Zeitpunkt neuesten und aufwändigsten Möbelstücke herzustellen.9 Gerade diese Konzentration der Handwerker in und um Paris förderte nicht nur die höfische Kultur, sondern inspirierte auch die bürgerliche Lebensgewohnheit. Der höfische Luxus hielt, wenn auch zunächst zaghaft und in stark abgeschwächter Form, Einzug in die wohlhabenden bürgerlichen Haushalte. Bauformen und Innovationen wurden aufgegriffen und an den bürgerlichen Lebensstil angepasst. Es ist also nicht verwunderlich, wenn gerade in der Zeit des Barock in den Haushalten der Bürger beispielsweise Polstermöbel in den unterschiedlichsten Arten und Ausformungen auftauchten. Die Aufteilung der bürgerlichen Wohnung differenzierte sich immer stärker und jedes Zimmer wurde seinem Bestimmungszweck entsprechend individuell eingerichtet. 10 In den Gebieten des Alten Reiches beziehungsweise in den vom Dreißigjährigen Krieg betroffenen Landschaften konnten sich die Ideen des Barocks erst ab der Mitte des 17. Jahrhunderts ungehindert verbreiten. Wie bereits in der
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des Barock. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1997, S. 12-75, hier S. 15ff.; PRASCHL-BICHLER, Gabriele: Alltag im Barock, Graz-Wien-Köln 2005, S. 140; RAUSCH, Wilhelm (Hg.): Städtische Kultur in der Barockzeit (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 6), Linz an der Donau 1982; REDLICH, Clara: „Literaten“ in Riga und Reval im 17. und 18. Jahrhundert, in: HEHN, Jürgen von; KENÉZ, Csaba János (Hgg.): Reval und die Baltischen Länder. Festschrift für Hellmuth Weiss zum 80. Geburtstag, Marburg 1980, S. 295-311; VILLARI, Rosario: Der Mensch des Barock, Frankfurt am Main 1997; WARNKE, Martin: Die Entstehung des Barockbegriffs in der Kunstgeschichte, in: GARBER, Klaus (Hg.): Europäische Barock-Rezeption (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Teil 20), Wiesbaden 1991, S. 1207-1224, hier S. 1208ff. BORNGÄSSER, Barbara: Architektur des Barock in Frankreich, in: TOMAN, Rolf (Hg.): Die Kunst des Barock. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1997, S. 122-151, hier S. 122ff.; DOLZ: Möbelstilkunde, S. 129ff.; VIEHAUS, Rudolf: Barock und Absolutismus, in: GARBER, Klaus (Hg.): Europäische Barock-Rezeption (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Teil 20), Wiesbaden 1991, S. 45-61, hier S. 49. BORNGÄSSER, Barbara: Architektur des Barock in England, in: TOMAN, Rolf (Hg.): Die Kunst des Barock. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1997, S. 162-179, hier S. 163ff.; BORNGÄSSER, Barbara: Architektur des Barock in Spanien und Portugal, in: TOMAN, Rolf (Hg.): Die Kunst des Barock. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1997, S. 78-119, hier S. 78ff.; BURKE, Peter: Popular Culture in early modern Europe, Cambridge 1999, S. 234ff.; SCHULZE, Winfried: Vom „ganzen Haus“ zum „Kreislauf der geselligen Dienste und Arbeiten“. Geselligkeit und Gesellschaftsbildung im 17. Jahrhundert, in: ADAM, Wolfgang (Hg.): Geselligkeit und Gesellschaft im Barockzeitalter (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Band 28), Wiesbaden 1997, S. 43-69, hier S. 43ff.; SNYDER, Emery: Eine Problemdarstellung der barocken Semiotik, in: BURGARD, Peter J. (Hg.): Barock: Neue Sichtweisen einer Epoche, Köln-Weimar-Wien 2001, S. 55-76, hier S. 55ff.
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Renaissance bestimmten auch bei den barocken Möbeln hauptsächlich niederländische Formen die Mode. Die ursprünglichen Grundtypen wurden zunächst beibehalten; lediglich die äußere Erscheinung und die Ornamentik änderten sich. Das typische Möbelstück des Barocks in Norddeutschland, aber auch im südlichen Skandinavien und im Baltikum war der ausladende Dielenschrank. Wurden zunächst auch noch die traditionellen Eichenhölzer verwendet, nutzten die Tischler in ihren Werkstätten besonders seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts neben Nadelgehölzen auch Edelhölzer wie Nussbaum oder Rosenholz. Sogar importiertes Mahagoni wurde verarbeitet. Einzelne Möbelstücke fertigten einzelne Handwerker vollständig aus Eisen. 11 Aber nicht nur die Bandbreite der verwandten Materialien erhöhte sich, sondern zu den klassischen Bauformen kamen, zumeist aus dem südwesteuropäischen Raum beeinflusst, immer neue hinzu. Die Prunkmöbel entstanden und wurden sowohl an den Fürstenhöfen genutzt als auch in abgewandelter Form in die Bürgerhäuser gestellt. Besonders die Polstermöbel in den unterschiedlichsten Bauformen hielten seit dem Ende des 17. Jahrhunderts als Innovationen Einzug in die bürgerlichen Stuben. 12 Während barocke Formen in einigen Teilen Europas gerade erst rezipiert wurden, begannen sich in Frankreich bereits erste Neuerungen durchzusetzen. Man spricht vom Régence, dem französischen Übergangsstil vom Barock zum Rokoko. Dieser Übergang wird in den Jahren zwischen 1710 und 1735 angesetzt. Die schweren Bauformen ersetzte man durch leichtere, die bereits an den beschwingten Rokoko erinnern. Leichtere Ornamente mit Akanthusblättern gehörten ebenso dazu wie die Fertigung von Figuren an einzelnen Möbelteilen. Auch Bronzebeschläge zur Auflockerung und zur Verzierung fanden sich von nun an in reichlichen Variationen. Die Verwendung von asiatischer Kunst – hier vor allem aus China – fand in der Lackmalerei und den sogenannten Chinoiserien Widerhall. Trotz dieser Neuerungen blieb die ursprüngliche Symmetrie des Barocks in ihrer Grundform weiter bestehen. Erst das Rokoko sollte hier Veränderungen bringen. 13 Die norddeutschen Gebiete, aber auch Skandinaven und der östliche Ostseeraum blieben von dieser Zwischenperiode weitgehend unbeeinflusst. Ledig11 12
13
HIMMELHEBER, Georg: Möbel aus Eisen. Geschichte, Techniken, München 1996, S. 9. BORNGÄSSER, Barbara: Architektur des Barock in den Niederlanden, in: TOMAN, Rolf (Hg.): Die Kunst des Barock. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1997, S. 180-181; BORNGÄSSER, Barbara: Architektur des Barock in Skandinavien, in: TOMAN, Rolf (Hg.): Die Kunst des Barock. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1997, S. 182-183; DOLBER, Uwe: Barock-Möbel. Bürgerliche Möbel aus zwei Jahrhunderten, Augsburg 1992, S. 12ff.; JONGE: Holländische Möbel und Raumkunst, S. 9ff.; KLUCKERT: Ehrenfried, Architektur des Barock in Deutschland, der Schweiz, Österreich und in Osteuropa, in: TOMAN, Rolf (Hg.): Die Kunst des Barock. Architektur – Skulptur – Malerei, Köln 1997, S. 184-273, hier S. 185ff.; SCHMITZ, Hermann (Hg.): Deutsche Möbel des Barock und Rokoko, Stuttgart 1923, S. 15ff.; SCHMITZ, Hermann: Kunst und Kultur des 18. Jahrhunderts in Deutschland, München 1922, S. 196ff. DOLZ: Möbelstilkunde, S. 178.
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lich in den süddeutschen Zentren München, Bamberg, Würzburg und Mainz wurden diese Trends aus Frankreich nachhaltig rezipiert. 14 Seit dem Regierungsantritt Ludwigs XV. in Frankreich setzte sich immer mehr der Trend der Ungebundenheit und völligen Formenfreiheit durch. Die Kunstepoche des Rokoko war geboren. Der Name stammt von dem aus Muschelformen entwickelten Grundelement des Rokoko – der Rocaille. Wesentliche Neuerungen waren nicht nur die bereits im Régence begonnenen Verfeinerungen und Auflockerungen des gesamten Ensembles, sondern ebenso die Schaffung vollkommen neuer Möbelarten. Die Frau mit ihren eigenen Bedürfnissen rückte entsprechend ihrer durchaus bedeutenden Rolle am französischen Hof immer mehr in den Mittelpunkt. Für sie wurden neue Möbelstücke, beispielsweise Damenschreibtische, Toiletten- und Nähtische, geschaffen. Die Polstermöbel entwickelten in ihren Bauformen eine noch nie da gewesene Bandbreite und orientierten sich immer mehr an Bequemlichkeit. Auch die Barockarchitektur und -kunst wurden abgelöst. Die Räume bekamen eine Auskleidung mit hellen Farben sowie neuartigen Tapeten und das bereits im Barock entstandene Gesamtbildnis eines Raumes wurde verfeinert und in freundlichere, lichtere Bahnen gelenkt.15 Sehr bald beeinflussten die neuen französischen Elemente auch den deutschsprachigen Raum, wo sie stärker als in allen anderen auftreffenden Nationen rezipiert wurden. Seit den 1730er Jahren kamen die Rokokoelemente zunächst wieder in der höfischen Kultur zum Tragen. So fanden sich in fast allen Residenzstädten des Alten Reiches Rokokopaläste und bauten. Als eines der bedeutendsten architektonischen Meisterwerke ist wohl das Potsdamer Schloss Sanssouci anzusehen, dessen Bau 1747 beendet wurde. Hier bilden sowohl die Architektur als auch die Inneneinrichtung mit der Decken- und Wandgestaltung sowie den Einrichtungsgegenständen ein perfekt abgestimmtes Gesamtkunstwerk. Die Erfindung des Porzellans 1710 machte es möglich, besonderes Beiwerk und Accessoires für die Wohnräume zu schaffen. Es entstanden Vasen, Teller, Plastiken und schließlich sogar Bauelemente einzelner Möbelstücke. Auch im Bereich der Tischmöbel kam es zu Neuerungen. So wurden die alten Schreibpulte durch moderne Schreibtische, -schränke und kabinette abgelöst. 16 Norddeutschland blieb traditionell den englischen und niederländischen Modeentwicklungen verbunden. Die ursprünglichen Barockformen wurden nicht wie in Frankreich vollständig aufgelöst, sondern lediglich die alten Ornamente und das Beiwerk durch neue ersetzt. Das Besondere des Rokokos war, dass trotz der Verbreitung des Grundgedankens stark differente Möbelformen 14 15
16
SCHMITZ: Deutsche Möbel des Barock und Rokoko, S. 19ff. HAUSENSTEIN, Wilhelm: Rokoko. Französische und deutsche Illustratoren des 18. Jahrhunderts, München 1958, S. 7ff.; HAUSER: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, S. 437ff.; PARK, William: The Ideas of Rokoko, London-Toronto 1992, S. 11ff. DOLZ: Möbelstilkunde, S. 201f.
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geschaffen wurden. In England entstand um diese Zeit der nach seinem Erfinder Thomas Chippendale benannte Chippendale-Stil. Wie bereits beschrieben, beeinflusste dieser hauptsächlich im Bereich der Sitz- und Ruhemöbel den norddeutschen, skandinavischen und den baltischen Raum. Einzuordnen ist dieser Stil zwischen den 1740er und den 1770er Jahren.17 Im Vergleich zum zunächst höfisch angesiedelten Rokokostil versuchte man hier – eher an die bürgerliche Kundschaft angepasst – wertvolle Verarbeitungsmaterialien mit klaren und schlichten Formen anzuwenden. So verband Chippendale etwa die Rocaille mit chinesischen Mustern auf Sitzmöbeln, die aus Mahagoni gefertigt wurden. 18 Seit der Französischen Revolution fanden sich in Europa die unterschiedlichsten regionalen Ausprägungen im Bereich der Kunst und Architektur und somit auch bei den Möbeln. Der französische Hof stand in seiner Vorbildfunktion nicht mehr zur Verfügung und andere Regionen hatten eine solche noch nicht entwickelt. Die Änderung der alten Werte, die zur Folge hatte, dass in den bürgerlichen Haushalten nicht mehr die höfische Kultur im Vordergrund stand, sondern sich die bürgerlichen Schichten ihrer selbst bewusst wurden, schlug sich auch im Bereich der Wohnungseinrichtung und des gesamten Lebensumfeldes nieder. 19 Allgemein verbreiteten sich in Europa Tendenzen zur Vereinfachung der Ornamentik trotz der weiteren Verwendung wertvoller Materialien. Der Stil des Klassizismus war geboren. Die Rückbesinnung auf die ursprünglichen antiken, gradlinigen Formen setzte sich durch, so dass der Klassizismus von außen auf den ersten Blick sehr rechtwinklig und gerade wirkt. Auch die Möbelkultur in Norddeutschland, dem südlichen Skandinavien und dem Baltikum geriet bald nach 1770 in neue Bahnen. Hier verbreiteten sich die klassizistischen Einflüsse rasch, so dass insbesondere aus England kommende Trends rezipiert wurden. Die besonders während des Barocks und des Rokokos aufgenommene Verarbeitung der unterschiedlichen Hölzer wurde weiterhin beibehalten. Nicht nur Eichen- und Nadelhölzer fanden Verarbeitung, sondern auch die hellen und leichten Hölzer der Birne, Pappel und Esche blieben im Gebrauch. Sogar die Verwendung der Mahagonihölzer ließ nicht nach. 20 Die Zeit Napoleons brachte schließlich eine weitere Steigerung der klassizistischen Grundmuster – den Empirestil. Hier war der französische Einfluss erneut bestimmend. Durch die Kriegszüge Napoleons verbreitete sich dieser 17
18 19
20
BAUER, Margit; MÄRKER, Peter; OHM, Anneliese: Europäische Möbel von der Gotik bis zum Jugendstil, Frankfurt am Main 1981, S. 63ff.; HAWORTH-MADEN, Clare (Hg.): Eighteenth century Furniture, Rochester 1999, S. 10f. DOLZ: Möbelstilkunde, S. 234. HUNT, Lynn: Französische Revolution und privates Leben, in: PERROT, Michelle (Hg.): Von der Revolution zum Großen Krieg (Geschichte des privaten Lebens, Band 4), Frankfurt am Main 1992, S. 19-49, hier S. 22ff. HAWORTH-MADEN: Eighteenth century Furniture, S. 15.
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Stil recht schnell über ganz Europa, besonders in den mit Frankreich verbündeten Nationen. Die Grundgedanken der römischen und griechischen Antike blieben bestehen. War die Architektur des Frühklassizismus noch nicht direkt auf Repräsentation ausgelegt, änderte sich das mit dem Aufkommen des Empirestils. Schmale, gerade und fast kühl wirkende Formen wurden geschaffen und lediglich mit exotischen – etwa ägyptischen – Ornamenten aufgelockert. Einzig Bronzeverzierungen, die oftmals an Trophäen oder Kriegsbeute erinnerten, fanden sich an bestimmten Möbelstücken wieder. Trotz der napoleonischen Kriege blieben sowohl Norddeutschland als auch Skandinavien und das Baltikum relativ unbeeinflusst vom Empirestil. Lediglich einzelne Verzierungen wurden übernommen. Schließlich mündete der Frühklassizismus in diesen Regionen direkt in den Biedermeier-Stil. 21
4.2.
Tischmöbel
Wenn man das ausgehende Mittelalter mit dem 17. Jahrhundert vergleicht, ist festzustellen, dass es nicht nur zu einem sprunghaften Anstieg der Anzahl der Tische innerhalb einzelner Haushalte, sondern auch zu einer immer stärkeren Differenzierung kommt. Waren Tische ursprünglich einfache Platten, die auf Böcke, lose Beine oder sogenannte Schragen gelegt wurden, kam ihnen im Verlauf der Frühen Neuzeit eine immer größere Rolle bei der Wohnungseinrichtung zu. 22 Etwa seit dem 15. Jahrhundert sind uns fest stehende Tische in bürgerlichen Wohnungen aus dem südlichen Europa bekannt, während im nordeuropäischen Raum diese erst seit dem 16. Jahrhundert überliefert werden. Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts kommt es dann zu einer immer größeren Vielfalt unter den Tischen und zu einer immer stärker werdenden Differenzierung der prägnanten Charakteristik einzelner Tischbauteile. Bereits seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts sind uns aus dem holländischen Raum eichenhölzerne Esszimmertische bekannt, die nicht nur über eine reichhaltige Ornamentik verfügten, sondern deren Tischplatten sogar ausziehbar waren. Zum Ende des 17. und im Verlauf des 18. Jahrhunderts machte die „Tischmode“ in immer kürzeren Zeiträumen starke Wandlungen durch. Mit oftmals überladenen Ornamenten, Malereien und Intarsienarbeiten sowie metallenen Ausschmückungen wandelte sich der Tisch immer mehr vom einfachen Gebrauchsgegenstand zum Kunstobjekt, das sich perfekt in das jeweilige Wohnensemble einpassen musste. Vor allem die Intarsienarbeiten verlangten den Tischlern höchste Präzision, handwerkliches Können und das Wissen über die spezifischen Holzeigen21
22
BAUER; MÄRKER; OHM: Europäische Möbel von der Gotik bis zum Jugendstil, S. 134f.; DOLZ: Möbelstilkunde, S. 276; MÖLLER: Empire- und Biedermeiermöbel, S. 10ff.; OTTOMEYER; SCHLAPKA: Biedermeier, S. 36f. EWE: Das alte Stralsund, S. 94.
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
schaften ab. Nicht nur die unterschiedlichsten Hölzer mussten für die Gestaltung zur Verfügung stehen, sondern auch neue Werkzeuge und Arbeitsmaschinen erfunden und eingesetzt werden. 23 7
6
5
Anzahl
4
3
2
1
0
Kopenhagen
Stralsund
Riga
Diagramm 1: Durchschnittliche Anzahl der Tische je Haushalt in Kopenhagen, Stralsund und Riga
Im Diagramm eins wird deutlich, dass in jeder der hier untersuchten Städte die Anzahl der Tische je Haushalt bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich zunahm. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verringerte sich dann die durchschnittliche Anzahl der Tische kurzzeitig, um schließlich zum Ende des Jahrhunderts wieder zuzunehmen. An dieser Grafik zur Anzahl der Tische in den einzelnen Haushalten lassen sich bereits erste Trends erkennen. So nehmen die Zahlen sowohl im Westen der Ostsee als auch an der östlichen Küste mit nur einer kleinen Zeitverzögerung zu. Der allgemeine und relativ gleichmäßig verlaufende Trend zur Erhöhung der Tischanzahl je Haushalt ist in allen drei Städten festzustellen. Auch das Abfallen der Werte in der zweiten Hälfte des 18. 23
HAWORTH-MADEN: Eighteenth century Furniture, S. 43ff.; JEDDING: Das schöne Möbel, S. 12ff.; JONGE: Holländische Möbel und Raumkunst, S. 161ff.; MOHRMANN: Tischgerät und Tischsitten, S. 168f.; STRATMANN-DÖHLER: Möbel, Intarsie und Rahmen; STRÄSSER, Edith M. H.; GALL, Günter (Hgg.): Glas, Keramik und Porzellan, Möbel, Intarsie und Rahmen, Lackkunst, Leder (Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken, Band 3), Stuttgart 2002, S. 135-210, hier S. 139ff.
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Jahrhunderts sowie deren erneuter Anstieg zeigen einen gemeinsamen Trend. In der Betrachtung der direkten Zahlen sticht Kopenhagen mit Spitzenwerten von durchschnittlich bis zu 5,9 Tischen je Haushalt in der Zeit zwischen 1731 und 1740 weit heraus. Im selben Jahrzehnt folgt Riga mit durchschnittlich 5,6 Tischen je Haushalt. Lediglich Stralsund erreicht die höchste Anzahl von Tischen je Haushalt – trotz oder gerade wegen der soeben beendeten militärischen Auseinandersetzungen und erneuten Zugehörigkeit zu Schweden – mit einer absoluten Anzahl von 4,4 bereits ein Jahrzehnt früher. In den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts befinden sich in einem durchschnittlichen Haushalt in Kopenhagen, Stralsund und Riga circa vier Tische, wobei Kopenhagen mit einem Wert von 4,8 im letzten Jahrzehnt etwas aus dieser Reihe heraussticht. 24 Findet sich beispielsweise im Nachlass des 1621 in Stralsund verstorbenen Martin Simensdorff lediglich „1 altt Tischbladt“25, so sind im Nachlass des Weinhändlers Diedrich Meyer Weyland von 1738 nicht nur deutlich mehr Tische zu finden, sondern es ist auch eine stärkere Differenzierung innerhalb der Bezeichnungen nach dem jeweiligen Gebrauch festzustellen. So heißt es: „9. Hauß-Geräth Ein großer laquirter oval-Tisch; [...]; 1 Schiefer-Tisch mit einem Fuß; 1 oval Tisch; [...]; 1 kleiner Schiefer-Tisch mit dem Fuß; [...]; 1 Schlaff-Tisch; [...]; 2 Oval angestrichene Tische; [...]; 2 Schreib-Pulte mit Schlössern; [...]; 1 Oval-Tisch; 1 alter OvalTisch; 1 alt Tischbladt mit der decke; 2 holtz Sragen; [...] Auff der Caffe-Stube. 5 Schiefer-Tische; 1 dito großer; 1 dito worin der Stein zerbrochen; 2 L´hombre Tische mit wachstuch; [...]; 1 Bilard mit grün lacken bezogen nebst zubehör; [...]; 1 Oval gemahlterTisch mit Abschlägen; [...]; 2 Geridons; [...]; 1 Thee-Tisch; [...]; 1 Steinern Tisch.“26 Aber auch in den anderen Städten lassen sich ähnliche Tendenzen belegen. Tauchen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den meisten Inventaren aus Riga etwa ein bis zwei Tische mit den unspezifischen Bezeichnungen „ein alt 24
25 26
Ähnliche Untersuchungsergebnisse liegen auch aus anderen Städten an der Ostsee vor. Für Danzig wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Zweitraum zwischen 1711 und 1740 die größte Anzahl mit durchschnittlich 5,6 Tischen pro Haushalt festgestelt. Für Greifswald ist dieser Trend etwas früher anzusetzen, wobei hier die durchaus ungünstige Quellenlage für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts die Ergebnisse maßgeblich beeinflusst hat. Vgl. HESS: Die materielle Wohnkultur Danzigs, S. 45; DRIESNER, Jörg: Materielle Kultur in Greifswald im 17. und 18. Jahrhundert, Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des Grades eines Magister Artium (M.A.) der Philosophischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Greifswald 2002, S. 17. StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5081 (Inventar des Martin Simensdorff, 1621). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738).
70
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Tisch“ 27 oder „zwei runde Tische“28 auf, so zeichnet sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Wende ab. Es änderten sich nicht nur die durchschnittliche Anzahl der Tische je Haushalt, sondern ebenso deren äußere Erscheinungsform sowie der nähere Verwendungszweck. Sogar die Herstellungsmaterialien wurden detailgetreuer beschrieben. Dies sei an folgendem Beispiel aus dem Nachlass des Michael von Malen aus dem Jahre 1728 gezeigt: „An allerhand Sachen; No: 2. Ein verspiegelter Schreib-Pulpet; No: 3. Ein eichener Tisch; No: 4. Ein dito dito; No: 5. Ein Tisch von feuern Holtz.“ 29 Auch bei Paul Waglers sieht es fünf Jahre später ähnlich aus: „An allerhand Sachen und Effecten; [...]; Ein eichener Auszieh-Tisch mit 4 Fußen; [...]; drey runde Tische von Feuern-Holtz.“30
Abbildung 1: Tisch aus den 1730/40er Jahren, Birkenholzschnitzerei, Bemalung mit Silber, Stadtmuseum Riga
Zur besseren Veranschaulichung ist in der Abbildung eins ein Tisch zu sehen, wie er sich in einem wohlhabenden Rigaer Haushalt in den 1730er beziehungsweise in den 1740er Jahren befunden hat. Leider ist es der Überlieferungssituation geschuldet, dass nur wenige, hauptsächlich besondere und künstlerisch wertvolle Stücke erhalten sind. Die Möbelstücke aus Haushalten der Mittelschicht fehlen fast gänzlich. So handelt es sich in der Abbildung nicht nur um eine Arbeit aus Westeuropa, sondern es werden auch noch besonders filigrane Schnitzereien aus Birkenholz dargestellt. 27 28 29 30
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Hans Mechsen, 1665). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Johannes Benschendorff, 1665). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Michael von Malen, 1728). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Paul Waglers, 1733).
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Da uns für Kopenhagen erst seit den 1680er Jahren Nachlässe überliefert sind, lässt sich hier der allgemeine Trend von den einfachen Formen und Materialien zu Beginn des 17. Jahrhunderts bis hin zu den differenzierten und kompliziert gearbeiteten sowie aus wertvollen Hölzern bestehenden Tischen nicht vollständig nachvollziehen. So finden sich nicht nur „1 Eege Bord [Ein eichener Tisch]“ 31 im Nachlass der Liszebet Willumsdatter von 1681 und „En Eege oval Bord [Ein eichener ovaler Tisch]“ im Haushalt des Zollverwalters Laurids Eskildsen, sondern auch „En marmorered bord [Ein marmorner Tisch]“ und „En marmorered oval bord [Ein marmorner ovaler Tisch]“ 32 sind hier gleichzeitig belegt. Um dieses schriftliche Überlieferungsmanko auszugleichen, kann man sich des bereits im Kapitel zum Forschungsstand beschriebenen Hilfsmittels des Museums bedienen. Ab den 1730er Jahren treten auch in den Kopenhagener Haushalten durchschnittlich immer mehr Tische auf. So auch im Inventar des Schwertfegers Caspar Hanse Schöller: „1 Rund fyrre Bord med 2 fløje [1 runder Tisch mit zwei Flügeln]; [...]; 1 linde bøger bord [1 linden Bücherbord]; [...]; 2 Ege udtræk-Bord [2 eichene Ausziehtische]; 1 Skriver Pult [1 Schreibpult]; [...]; 1 Ege stor spise-Bord [1 eichener Esstisch].“33 Im Nachlass der Mette Catarina Christensdatter zeigt sich folgendes: „1 jndlagt Contoir [1 eingelegter ( mit Intarsien versehenes) Contoir]; 1 jndlagt Bord med Gveridon [1 eingelegter Tisch mit Gueridon]; [...]; 1 Lindt Bord med 2 floye [1 Tisch aus Lindenholz mit zwei Flügeln,]; [...]; 1 Rund samenslagen Bord [1 runder Klapptisch]; [...]; 1 samenslagen Bord med forgylte Blawstn [1 Klapptisch mit vergoldeten Blaustein]; [...]; 1 Lacquerit thee Bord [1 lackierter Teetisch]; [...]; 1 Lindt thee Bord [ein Teetisch aus Lindenholz]; 1 Tabelet [1 Tablett]; 1 Bord med steen skiv [1 Tisch mit einer Platte aus Stein]; 1 sammenslagen dito [1 Klapptisch mit einer Platte aus Stein]; [...]; 1 Bord; [...]; 1 Rund Bord.“34 Hier ist, ähnlich wie in den anderen beiden untersuchten Städten festzustellen, dass die einfachen und schlichten Tische neueren Innovationen gewichen sind. Einzelne Tische sind für bestimmte Nutzungszwecke spezialisiert worden. Es finden sich sowohl Klapptische und Tabletts, als auch Teetische wie in Stralsund und Riga. 31
32
33
34
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar der Liszebet Willumsdatter, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Laurids Eskildsen, 1691). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Caspar Hansen Schöller, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar der Mette Catarina Christensdatter, 1730).
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Die Klapptische sind eine Innovation, die wahrscheinlich aus der alten Erinnerung des „Tafel aufhebens“ entstanden sind. Nahm man etwa im Mittelalter die Tischplatte von den Schragen und stellte beides an den Rand des Zimmers, konnte man dies mit den festen Tischen der frühen Neuzeit nicht mehr machen. Um also nach dem Essen Platz zu schaffen, hielten vermehrt Klapptische Einzug in die Haushalte. Hier wurden die beiden Tischenden mittels eines Mechanismus nach unten geklappt und schufen so einen deutlichen Raumgewinn in der Stube. Ähnlich verhielt es sich mit den Ausziehtischen. Bei diesen Möbelstücken wurden die nicht mehr benötigten Tischseiten unter die mittlere Hauptplatte geschoben und bei Bedarf dann wieder herausgezogen. Wie bereits angesprochen, änderten sich nicht nur einzelne Funktionsweisen und Formen, sondern auch die Nutzung der einzelnen Fertigungsmaterialien unterlag im Laufe der zwei hier untersuchten Jahrhunderte einem starken Wandel. Wurden im 17. Jahrhundert in den unterschiedlichen europäischen Regionen noch hauptsächlich jeweils einheimische Rohstoffe für die Möbelproduktion verwendet, kam es im 18. Jahrhundert häufig zu einer gewissen zeitlich verzögerten Vereinheitlichung. Möbelstücke wie auch die dazu benötigten Materialien wurden oft über größere Entfernungen exportiert. Trendsetzend für die norddeutschen Hansestädte, das Baltikum sowie die südlichen skandinavischen Gebiete waren die Niederländer, die an der Wende von der Renaissance zum Barock zum Beispiel große schwere Eichentische herstellten und mit in den Ostseeraum brachten. Hier hielten diese sich bis weit ins 18. Jahrhundert in Benutzung.35 Im Kopenhagener Inventar der Mette Catarina Christensdatter von 1730 taucht erstmals die Erwähnung eines Gueridons auf. Dabei handelt es sich um ein kleines Beistelltischchen, das in den meisten Fällen Kleinigkeiten wie Kerzenleuchter oder Zierrat wie Schalen und Vasen getragen haben dürfte. Abgeleitet ist diese Form der Tische von einem schwarzen Diener, der den Namen Gueridon getragen haben soll. Daher rührt dann auch ihr ursprüngliches Auftreten im 17. Jahrhundert in Form von schwarz beziehungsweise dunkel angemalten Figuren. Seit dem 18. Jahrhundert traten sie dann lediglich als kleines Beistelltischchen ohne einen figürlichen Bezug auf.36 Auch im Stralsunder Inventar des Abraham Ehrenfried Richters von 1738 findet sich ein Hinweis auf „2 cheridon“37. In Riga wird ein „ein gueridon“ 38 erstmals im Jahr 1733 erwähnt. Schließlich soll an dieser Stelle noch auf besondere Tische und ihr Vorkommen in den hier untersuchten Inventaren eingegangen werden. Im Gegensatz zu Greifswald etwa, wo die erste Erwähnung eines Spieltisches erst für das 35 36 37 38
DOLZ: Möbelstilkunde, S. 162; FEULNER: Kunstgeschichte des Möbels, S. 162ff.; JEDDING: Das schöne Möbel, S. 13; LEIXNER: Möbelstilkunde, S. 132ff. MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 101. StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5385 (Inventar des Abraham Ehrenfried Richters, 1738). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Johann Buchholtz, 1733).
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Jahr 1821 belegbar ist39, erscheinen in Stralsund erstmals im Nachlass des Diedrich Meyer Weylands von 1738 „2 L´Hombre Tische mit Wachstuch bezogen“40. Lomber ist ein Kartenspiel für drei bis fünf Personen mit französischen Karten. Der erwähnte Tisch ist ein klassischer Kartenspieltisch, wie er in Westeuropa durchaus schon seit längerer Zeit im Gebrauch war. In Riga finden die Spieltische um dieselbe Zeit erstmals ihre Erwähnung. So wurde in den Inventaren des Weinschenkers Johann Meyer von 1733 und Johann Daniel Gramsdorff aus demselben Jahr jeweils „ein Spieltisch“ erwähnt. 41 Schreibtische in ihren verschiedenen Ausprägungen und Formen fanden sich in Kopenhagen bereits relativ früh. So wurde schon 1687 ein Exemplar im Nachlass des Jens Clausen erwähnt. 42 Seinen Ursprung hatte der Schreibtisch in den transportablen Pulten, Schreibpulten und -brettern, wie sie Mönche, Kaufleute und Ratsschreiber im Mittelalter benutzten. Die Innovation der Renaissance war nun, diese Schreibhilfsmittel auf Beine zu stellen, mit Türen und Schubladen zu versehen und ihnen einen festen Standplatz zu geben. Etwa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts hielten diese neuen Schreibmöbel Einzug in die privaten Haushalte. Nicht nur Händler und Kaufleute verwendeten sie, sondern auch in anderen bürgerlichen Haushalten waren sie anzutreffen. Die klassischen Pulte hingegen wurden auch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin genutzt, was sich nicht nur für Kopenhagen feststellen lässt, sondern auch für Stralsund und Riga zutraf. 43 Ähnlich wie in Danzig, wo die ersten Schreibtische nach den Inventaren für das Jahr 1736 44 überliefert sind, findet sich in Riga im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts im Nachlass des Philip Jacob Gronans von 1713 der Stichpunkt ”1 klein 4eckigter eichen Contoir” 45. Stehen in Stralsund 1738 im Haushalt des Diedrich Meyers Weyland noch ”2 Schreib-Pulte mit Schlößern” 46, bei dem Krämerboten Zillmers 1763 ”1 Schreibchatoulle” 47 und in den Zimmern des Advokaten Hercules 1775 noch ”1 alt Schreibpult; [...]; 1 Zähl Tisch; [...]; 1
39 40 41 42
43
44 45 46 47
DRIESNER: Materielle Kultur in Greifswald, S. 23. StA HST, Rep. 3, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Johann Meyer von, 1733); StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Johann Daniel Gramsdorff, 1733). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Jens Clausen, 1687). BRIDGE, Mark: Illustrierte Geschichte der Möbel. Schreibtische, Köln 1996, S. 23ff.; DIETRICH, Gerhard: Schreibmöbel. Vom Mittelalter zur Moderne, München 1986, S. 8ff. HESS: Die materielle Wohnkultur Danzigs, S. 51. StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Philip Jacob Gronans, 1713). StA HST, Rep. 3, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738). StA HST, Rep. 30, Stralsunder Kramerkompanie und Stralsunder Amt der Haken, Nr. 167 (Inventar des Krämerboten Zillmers, 1763).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Schreibpult; 1 dito mit Wachstuch beschlagen; [...]; 1 Zähl Tisch; [...]; 1 Schreibkasten”48, so wurde im Inventar des Hofrats Ike von 1776 neben ”1 feuern Schreibpult”49 bereits ”1 Schreibtisch”50 genannt. War der Kaffee- und Schokoladengenuss den Europäern auch bereits seit dem 16. Jahrhundert bekannt, verbreitete er sich zunächst dennoch vornehmlich an den Fürstenhöfen. Dabei erfreute sich besonders die Schokolade am spanischen und etwas später auch am französischen Hof starker Beliebtheit. Aber erst seit dem 18. Jahrhundert wurde es auch in bürgerlichen Schichten populär, Kaffee – vor allem aber auch Schokolade und Tee – zu trinken. 51 Dieser Trend zeigt sich zusätzlich in den unterschiedlichen Möbelstücken und Gebrauchsgegenständen, die in ihrer Funktion und ihrer Bezeichnung ganz auf das jeweilige Genussmittel abgestimmt waren. In Kopenhagen wird erstmals im Inventar des Haushaltes Jörgen Thormöhlens 1708 von Kaffee- und Teegenuss berichtet. Hier finden sich bereits Hinweise auf vielseitiges Tee- und Kaffeegeschirr sowie auf die unterschiedlichen Utensilien wie Kaffeemühle oder aber einen Teetisch: „en Thee pott [ein Teetopf]; [...]; en Thee kedel [ein Teekessel]; en dito; en Caffee Kande [eine Kaffeekanne]; [...]; en Coffe Mölle [eine Kaffeemühle]; [...]; tre Coffe Cander [drei Kaffekannen]; [...]; fire Thee flasker [vier Teeflaschen]; [...]; en thee krukke [ein Teekrug]; [...]; en Thee-bord [ein Teetisch].“52 Zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden in den hier untersuchten Kopenhagener Inventaren durchschnittlich 1,4 Teetische je Haushalt genannt. Vom Gebrauch der Genussmittel Tee und Kaffee in Riga zeugt erstmals das Nachlassprotokoll des Isaack Buhls von 1692. Hier wurden neben speziellem Teegeschirr auch Möbelstücke verzeichnet, die direkt mit dem Teegenuss in Zusammenhang gebracht werden können. „An Zinn: [...]; 3 Tehtöpffen; [...] An Kupffer: [...]; 2 Tehkeßeln; [...]
48 49 50 51
52
StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 185 (Inventar des Hofrats Ike, 1776). Vp LA HGW, Rep 73, Nr. 185 (Inventar des Hofrats Ike, 1776). KLEINKNECHT, Markus: Die Verbreitung exotischer Getränke in West- und Mitteleuropa vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Das Beispiel Kaffee, Tee und Schokolade, Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister Artium (M.A.) der Universität Hamburg, Hamburg 1998, S. 17ff.; NORTH: Genuss und Glück, S. 195. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1708-1710 (Inventar des Jörgen Thormöhlen, 1708).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
75
An Haußgeräht: [...]; 1 oval formiger Thetisch von feurenholz bund angestrichen; [...]; 1 alt Theetisch.“53 Im Nachlassprotokoll des Schmieds Friedrich Zieffers von 1732, also dreißig Jahre nach der ersten Erwähnung, wurde allerdings erst das zweite Mal Teegeschirr genannt. In dessen Nachlassinventar finden sich lediglich „1 CaffeeKanne“54 und „1 Thee-Kessel“ 55. Zu speziellen Möbelstücken wurde an dieser Stelle keinerlei Aussage getroffen. Erst zehn Jahre später, im Nachlass des Phillip Hollers, ist die Rede von „1 klein Tee-Dischgen“56. Von nun an tauchen diese Möbelstücke in immer größerer Anzahl in den einzelnen Rigaer Haushalten auf, so dass schließlich zum Ende des 18. Jahrhunderts durchschnittlich in jedem zweiten Haushalt ein Teetisch vorhanden war. Bezüglich der Inventare handelt es sich also bei Isaack Buhls um einen besonders frühen Einzelfall im Genuss von Tee und in dem damit verbundenen speziellen Gebrauch eigener Utensilien zu dessen Zubereitung. Ein ähnliches Bild eröffnet sich in Stralsund. Auch hier kamen die ersten Tee- und Kaffeeutensilien in den 1730er Jahren in Gebrauch. An dieser Stelle sei wieder das Inventar des Diedrich Meyers Weyland von 1738 angeführt, der nicht nur 1. An Gold, Silber und Gelde: 1 Silbern Thee-Kummen 16 loth; 1 Dito Thee-Topf 35 loth; 1 dito kleiner 19 loth; 1 dito kleiner 19 loth; [...]; 1 Thee-Dose 9 loth 2. An Kupffer: 1 Thee-Keßel; 1 dito 3. An Messing: 1 Thee-Keßel 4. Zinn: 1 The-Kanne; [...]; 1 Thee-Topff 5. Küchengeräth: 1 Caffee-brenner Auff der Caffe-Stube: 1 großer Caffee-Keßel 12 tt; 1 kupferne Caffee-Kanne 3 ½ tt; 1 dito 4 tt; 1 dito 4 tt; [...]; 1 kupfern kleiner Thee-Keßel; 1 Meßingsche Caffee-Kanne mit drey hahnen; 2 dito kleiner mit einem Hahn; 3 dito mit Röhren; 3 alte blecherne CaffeeKannen; 1 alt zinnern Thee-Topf; [...]; 2 alte Caffee Mühlen“57 besaß, sondern in seiner Wohnung noch eine eigene „Caffe-Stube“ eingerichtet hatte, in welcher dann sowohl der Spiel- als auch der „Thee-Tisch“ untergebracht waren. Abschließend bleibt zu konstatieren, dass sich neue Modeströmungen sowohl bei den Bauformen als auch im Bereich der verwendeten Materialien bei den Tischmöbeln zunächst in der Residenzstadt Kopenhagen durchzusetzen 53 54 55 56 57
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Isaack Buhls, 1692). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Schmieds Friedrich Zieffers, 1732). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Schmieds Friedrich Zieffers, 1732). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Phillip Hollers, 1742). StA HST, Rep. 3, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738).
76
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
begannen. Dies zeigt sich besonders anhand der oben beschrieben Innovationen. Etwa ein bis zwei Jahrzehnte später kamen dann die Trends in teilweise geringfügig anderer Ausprägung nach Riga. Dabei lassen sich auffällige Parallelen zum Danziger Tischmobiliar ziehen. Stralsund bildet in dieser Riege das Schlusslicht. In der Stadt kamen einige neue Erscheinungsformen erst sehr spät an, so dass sie beispielsweise in Kopenhagen schon wieder aus der Mode gekommen oder von weiteren Innovationen überholt waren.
4.3.
Sitz- und Ruhemöbel „Das Sofa war das wichtigste Möbelstück der Damen dieser Zeit und hatte sogar einer Komödie Crébillons den Titel geliefert. Als Mann nach der Mode wurde einer anerkannt, wenn ihn die Damen zunächst auf ihrem Sofa und dann – aber keinesfalls für lange Zeit – im Bett haben wollten.“ 58
Sowohl die Anzahl von Tischen als auch die der Stühle und Bänke sind in der Zeit zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert je Haushalt deutlich gestiegen. Darüber hinaus traten in den einzelnen Bauformen und unterschiedlichen Verwendungen Neuerungen auf, die sich sowohl im Bereich der ein- als auch mehrsitzigen Sitzmöbel zeigten. Diese hatten nicht mehr nur allein die Funktion der Sitzgelegenheit am Tisch zu erfüllen, sondern spielten besonders seit dem 18. Jahrhundert in den bürgerlichen Schichten, bedingt durch ihre spezifische Bauweise, bei der Freizeitgestaltung eine wichtige Rolle. Waren die Liegen in der griechischen und römischen Antike und sogar im ägyptischen Altertum ein durchaus üblicher Einrichtungsgegenstand, fanden sie sich im Mittelalter kaum in den Haushalten. Seit der Renaissance kamen dann vermehrt die ersten Liegen in Italien auf. Im 15. Jahrhundert entwickelte man aus der Cassone, der traditionellen italienischen Truhe, das Sitzmöbel Cassapanca. Waren die ersten Modelle dieser Sitzbank aus einfachem Holz sowie lediglich mit Malereien oder Schnitzereien verziert und mit einer niedrigen Rückenlehne ausgestattet, kamen schließlich im 17. Jahrhundert vermehrt Polsterungen hinzu. Diese Möbel waren zunächst mit einfachem Stoff oder Leder bespannt und hatten eine Füllung aus Stroh. Zum Ende des 17. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden dann unterschiedliche Sitzmöbelformen entwickelt. Die Form der Sitzbänke wurde immer differenzierter und die Polsterungen erweitert, so dass sich schließlich hinter den verschiedenen Bezeichnungen zumeist ähnliche Ausformungen für einander stark gleichende Modelle verbargen. Dabei erweist es sich heute als schwierig, die in den Quellen beschriebenen Sitzmöbelformen heutigen Begriffen zuzuordnen; 58
CHABANNES, Jacques: Amüsement auf dem Vulkan. Eine Sittengeschichte der Französischen Revolution in Anekdoten und Geschichten, Wien-Berlin 1967, S. 10.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
77
sogar in damaliger Zeit war es für die jeweils inventarisierenden Personen nicht immer klar, ob sie nun ein Kanapee oder ein Sofa vor sich hatten. So finden sich für das gepolsterte mehrsitzige Möbelstück neben den klassischen Bezeichnungen Bank, Sofa, Couch oder Polsterbank durchaus Begriffe wie Kanapee, Chaiselounge, Divan oder Ottomane. 59 Lediglich bei den einsitzigen Möbeln lässt sich diese Unterteilung etwas einfacher vornehmen. Hier ist hauptsächlich die Rede vom Stuhl oder etwa dem Sessel und allein Attribute wie „gepolstert“ oder „bespannt“ bezeichnen das jeweilige Stück näher. Die ersten Stühle wurden bereits in der Antike benutzt. Während des Mittelalters kam es auch bei jenen zu keiner wesentlichen Steigerung innerhalb der hergestellten Bandbreite beziehungsweise der Spezialisierung einzelner Bauformen. Die eigentlichen Neuerungen in der Entwicklung der Stühle setzten in der Mitte des 17. Jahrhunderts ein und bezogen sich zunächst hauptsächlich auf die Ornamentik. Aber auch die sich individualisierenden Bedürfnisse der Benutzer bestimmten in immer stärkerem Maße deren Gestalt. So entwarfen Handwerker etwa um 1640 Stühle ohne Armlehnen, um es den adligen Frauen zu gestatten, sich auch mit Reifrock problemlos zu setzen. Eine besonders große Vielfalt fand sich am trendsetzenden Hofe Ludwigs XIV. Hier wurden schließlich die verschiedensten Stuhlformen – natürlich mit unterschiedlichen Polsterungen versehen – eingeführt. Klassisch unterschieden sich die Stühle mit Armlehnen – die Fauteuils – von denen ohne, den Chaises. Die kleinen gepolsterten Hocker bezeichnete man als Tabourets.60 Diese Modeerscheinungen fanden sich, wie schon bei den Tischen, zunächst an den Königs- und Fürstenhöfen, wurden dann vom Rest des Adels aufgenommen und gelangten schließlich in die bürgerlichen Haushalte in ganz Europa. Zu den im Diagramm zwei dargestellten einsitzigen Sitzmöbeln zählen neben den Stühlen und Hockern auch die Sessel, wie sie in ihren jeweils unterschiedlichen Bezeichnungen, Beschreibungen und Ausformungen anhand der Inventare in Kopenhagen, Riga und Stralsund nachgewiesen werden konnten. Es ist im Vergleich zu den Tischmöbeln nicht nur festzustellen, dass sie zahlenmäßig deutlich häufiger in den einzelnen Jahrzehnten in den Haushalten vertreten waren, sondern auch, dass es zu einer vergleichbaren Steigerung zur Mitte des 18. Jahrhunderts und in einer erneuten Verringerung in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts kam. In Bezug auf den Besitz in den privaten Wohnungen bestand also zwischen der Anzahl der einsitzigen Möbeln und der Tische nach Aussage der Inventare ein direkter Zusammenhang. In Kopenhagen lassen sich aufgrund der spezifischen Quellenlage erst ab den 1680er Jahren Aussagen zu den Sitz- und Ruhemöbeln treffen. Betrug die 59 60
KING, Constance: Illustrierte Geschichte der Möbel. Sofas, Köln 1996, S. 7. ECKSTEIN, Hans: Der Stuhl. Funktion – Konstruktion – Form. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1977; YATES: Illustrierte Geschichte der Möbel. Stühle, S. 13.
78
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Anzahl der Stühle in den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts noch durchschnittlich fünf je Haushalt, stieg diese bis 1730 auf durchschnittlich fast 18 Stühle je verzeichnetem Nachlassinventar. In den drei Jahrzehnten zwischen 1730 und 1760 wuchs die Zahl dann sogar auf durchschnittlich 25 Stühle an. Bis zum Ende des Jahrhunderts verringerte sich deren Anzahl schließlich wieder, um sich in den letzten beiden Jahrzehnten auf durchschnittlich zehn Stühle je Haushalt einzupendeln. 30
25
Anzahl
20
15
10
5
0
Kopenhagen
Stralsund
Riga
Diagramm 2: Durchschnittliche Anzahl der einsitzigen Möbel in Kopenhagen, Stralsund und Riga
Belegen lassen sich diese Tendenzen beispielsweise an den überlieferten Inventaren der Haushalte des Kaufmannes Mogens Jensen, des Böttchers Hans Prytz und der Ester Jensdatter aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert. Bei Mogens Jensen standen beispielsweise „6 høje Stoelle med Trippes overtreck [6 hohe Stühle mit Triepenüberzug], 6 ditdto med læder [6 dito mit Leder]“. 61 Hans Prytz besaß
61
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 1699-1700 (Inventar des Mogens Jensen, 1699).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
79
lediglich „4 stoelle [4 Stühle]“ 62 und Ester Jensdatter schließlich „1 lang stoel [1 langer (hoher) Stuhl]“ und „2 eege stoele [zwei eichenhölzerne Stühle]“ 63. Zu einem gewissen Wandel kam es schließlich in der Mitte des 18. Jahrhunderts. So befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Haushalt des Gemüsehändlers Thomas von Recken besonders viele Stühle: „Syn lacte Stoele a 3 Mark [sieben lackierte Stühle a 3 Mark]; En guldlactes LehneStoel med et Hymle [ein vergoldeter Lehnstuhl mit einem Himmel]; [...]; Toe Güldlactes Stoele [Zwei vergoldete Stuhle]; En Lehnn dito [Ein Lehnstuhl]; [...]; En gammel Stoele [Ein alter Stuhl]; [...]; Et Tabouret; [...]; Oote adskillige Stoele [Acht unterschiedliche Stühle]; [...]; Et licht Taburet [ein helles Taburet]; [...]; Fiire gamle Stoele [Vier alte Stühle]; [...]; Fem adskillige Stoele [Fünf unterschiedliche Stühle]; [...]; Fiire adskillige Stoele [Vier unterschiedliche Stühle]; [...]; Fiire adskillige Stoele [Vier unterschiedliche Stühle]; [...]; Sex Stoele [Sechs Stühle]; [...]; Sex adskillige Stoele og en Lehnn-Stoele [Sechs unterschiedliche Stühle und ein Lehnstuhl]; [...]; Toe Stoele [Zwei Stühle]; [...]; Fem adskillige gammle Stoele [Fünf unterschiedliche alte Stühle].“64 Hingegen wurden in der Wohnung der Maren Pedersdatter bei der Inventarisierung des Nachlasses 1782 lediglich „En lædders Lehnestoel, og 6 stykke Guldlædders Stoelen, og en Ditto Lehne Stoel [Ein lederner Lehnstuhl, und 6 Stück goldlederne Stühle, und ein goldlederner Lehnstuhl]“65 vorgefunden. Während sich in Stralsund je untersuchtem Haushalt in den ersten zwei Dritteln des 17. Jahrhunderts lediglich ein bis zwei Stühle befanden, steigerte sich deren Anzahl zum Ende des Jahrhunderts auf drei bis vier Stühle. In der Mitte des 18. Jahrhunderts erreichte der Stuhlbesitz ebenso wie in Kopenhagen auch in Stralsund seinen quantitativen und qualitativen Höhepunkt. Der Durchschnitt betrug 12 bis 13 Stühle je untersuchtem Nachlassinventar. In Einzelfällen wurden sogar bis zu 53 Stühle erwähnt, wie bei Diedrich Meyers Weyland: „12 Rothe Jugten Stühle; [...]; 1 großer Lehn-Stuhl mit grün laacken; 24 alte lederne Stühle; 62
63
64
65
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 1699-1700 (Inventar des Hans, Prytz, 1699). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 1699-1700 (Inventar der Ester Jensdatter, 1699). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skftebreve Nr. 49; 1750-1751 (Inventar des Thomas von Recken, 1750). Bei dem im Nachlass von Thomas von Recken verzeichneten Tabouret handelt es sich um einen kleinen, mit Stoff bespannten und meist gepolsterten Hocker, der eine Weiterentwicklung des Schemels darstellte. Vgl: BAUER; MÄRKER; OHM: Europäische Möbel von der Gotik bis zum Jugendstil, S. 202; JEDDING: Das schöne Möbel, S. 436. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar der Maren Pedersdatter, 1782).
80
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
[...]; 12 alte Schwartze lederne Stühle; [...]; 1 Dousin Rothe Juchten Stühle; [...]; 1 Eisern drehe-Stuhl; [...]; 2 alte lederne Stühle.“ 66 Ähnlich wie in Kopenhagen ging auch die Anzahl der in den Stralsunder Inventaren verzeichneten Stühle zum Ende des 18. Jahrhunderts wieder deutlich zurück und pendelte sich in den letzten vier Jahrzehnten auf etwa sieben Stühle je verzeichnetem Haushalt ein, wie am Beispiel der Vormundschaftsakten über die Chronhelmschen Kinder mit der Verzeichnung von „6 Reten Lehnstühle“67 ersichtlich wird. Über die Herkunft beziehungsweise über eine außergewöhnliche Bauweise wurden durch die Notare Aussagen getroffen. Als Beispiel sei hier das Nachlassinventar des Schiffers Hans Klopstock genannt. Er besaß zu Lebzeiten in seinem 1755 aufgenommenen Haushalt nicht nur „1 Nachtstuhl“, sondern auch „6 holländische Stühle“. 68 Wie bereits oben angesprochen, wirkten sich im Ostseeraum besonders die niederländischen und englischen Möbelformen Trend setzend aus. Aufgrund der guten Handelsbeziehungen und -wege im 18. Jahrhundert ist es durchaus denkbar, dass es sich nicht nur um gute Nacharbeiten dieser in holländischer Manier gefertigten Möbel handelt, sondern auch Originalstücke nicht auszuschließen sind. 69 Bei dem erwähnten Nachtstuhl handelt es sich hingegen um einen Stuhl mit einem Loch in der Mitte, unter dem ein Eimer oder eine Schüssel stand, um in der Nacht Notdurft verrichten zu können. Der Gang über den Hof zu den außen liegenden Toiletten wurde dem Nutzer damit erspart. In Riga treffen wir auf ähnliche Tendenzen wie in Kopenhagen und Stralsund, wobei die absoluten Zahlen bis 1700 mit Stralsund fast identisch sind. Erst seit den 1720er Jahren sticht Riga hervor und belegt mit durchschnittlich 14 bis 15 verzeichneten Stühlen in der Mitte des 18. Jahrhunderts den zweiten Rang hinter Kopenhagen. 70 Zwischen 1771 und 1780 sank die durchschnittliche Zahl der Stühle auf zehn und schließlich in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts auf durchschnittlich siebeneinhalb Stühle ab, wie unter anderem am Nachlass des Kupferschmieds Herrmann Heinrich Crassens von 1785 deutlich wird: „Sechs Stühle nebst einem lehnstuhl von feurem holz mit überzügen von rothem wollen Zeug, 1 alter Stuhl.“71 66 67 68 69 70
71
StA HST, Rep. 3, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738). Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 480 (Inventar aus den Vormundschaftakten über die Chronhelmschen Kinder, 1783). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5429 (Inventar des Schiffers Hans Klopstock, 1755). MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 94. Auch hier sei an einem Beispiel aus dem Nachlass des Michael von Mallens aus dem Jahre 1721 die Häufigkeit der vorkommenden einsitzigen Möbelstücke gezeigt: „1 lehn stuhl mit Juchten beschlagen, 12 Stühle mit dito beschlagen.“. Vgl: StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Michael von Mallens, 1721). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Hermann Heinrich Crassens, 1785).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
81
Nicht nur die Anzahl, sondern auch die Fertigungsmaterialien der einsitzigen Möbel änderten sich zwischen dem 17. und dem ausgehenden 18. Jahrhundert grundlegend. Waren die Stühle und Hocker zunächst in fast allen europäischen Ländern hauptsächlich aus dem stabilen Eichenholz gefertigt, wurden mit der Einführung neuer Herstellungstechniken auch andere Hölzer verwendet. Nadelhölzer und vor allem Nussbaumholz und Mahagoni, aber auch andere Edelhölzer wurden in die Produktion mit einbezogen. Aus den Inventaren lassen sich zu den verbauten Hölzern leider kaum hinreichende Aussagen treffen, da in den meisten Fällen lediglich die Bezüge beschrieben, die Holzart aber nicht genannt wurde. Ähnliches stellte schon Corina Heß bei ihren Untersuchungen der Danziger Nachlässe fest. 72 Die Polsterung der Seiten- beziehungsweise Rückenlehnen und die Bezugsstoffe wie Reeten, Juchten, „mit Leder bezogen“, „mit Lack überzogen“ erwiesen sich für die das Inventar aufnehmenden Personen als bedeutend wichtiger. Die mit Reet beflochtenen Stühle bestanden aus einer hölzernen Rahmenkonstruktion der Sitz- und der Rückenflächen, die mit Rohr oder Stroh fest ausgeflochten wurden. Die meisten Stühle und Hocker in den bürgerlichen Haushalten entstanden bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entweder ohne Bespannung oder erhielten nur einen einfachen Lederüberzug. Auch Juchtenleder, ein sehr feines Kalbsleder, das speziell gegerbt und mit Birkenteeröl wasserdicht gemacht wurde, fand besonders häufig Verwendung. Erst mit der Verfeinerung der Polsterungen und den inspirierenden Modeschöpfungen an den königlichen und fürstlichen Höfen kamen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts Stoffsitzflächenbespannungen auf. So wurden unter anderem Leinen und Baumwollstoffe und sogar Seidenstoffe und deren unterschiedlichen Mischgewebe verwendet. Von besonderem Interesse erweist sich in diesem Zusammenhang das Testament von T. N. von Canriwitz von 1793 aus Riga. Hier wurden bei der Beschreibung der Sitzmöbel nicht nur die Holzarten, sondern auch die verschiedenen Stoffbespannungen erwähnt: „ein halb dutzend Mahoni Stühle, wie auch Lehn Stuhl; ein Eck-Stuhl von eschen Holtz mit rothen Ras überzogen; [...]; ein Eckstuhl von eschen Holtz mit rothen Plüsch überzogen; [...]; ein halb dutzend Stühle mit rothen Plüsch überzogen.“ 73 Um sich einen Eindruck von der Feinheit der Bearbeitung der Sitzflächen machen zu können, sind in der Abbildung zwei Stühle abgebildet, wie sie 1740 im Kopenhagener Schloss Christiansborg standen. Nicht nur die Rahmen wurden sehr dekorativ gearbeitet, sondern vor allem die Sitz- und Rü-
72
73
HESS: Die materielle Wohnkultur Danzigs, S. 85; KLONDER, Andrzej: Gantzer Verlassenschaft in Gott seelig ruhenden. Zum Sachbesitz einfacher Bewohner von Elbing und Danzig im 17. Jahrhundert (Studia i materialy z historii kultury materialnej, Pod Redakcja Jerzego Kruppé, Tom LXVIII) Warschau 2000, S. 163; YATES: Illustrierte Geschichte der Möbel. Stühle, S. 13. StA Riga, Waisengericht Nr. 1380-5-576 (Inventar des T. N. von Canriwitz, 1793).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
ckenbespannungen weisen filigrane und künstlerisch wertvolle farbliche Gestaltungen auf.
Abbildung 2: Stühle aus dem Schloss Christiansborg von 1740, Kopenhagener Nationalmuseum
Ähnlich wie bei den einsitzigen Möbeln setzten sich auch bei den mehrsitzigen Möbeln im Verlauf des 18. Jahrhunderts tief greifende Veränderungen durch. Besaßen die Liegen eine besondere Bedeutung in der Antike, so ging ihr Gebrauch im Mittelalter stark zurück. Sie fanden lediglich entweder in Form von fest an den Wänden angebauten Bänken, die oftmals nur aneinander gereihte Bretter waren, oder aber als transportable Stücke Verwendung, wobei sie dann entweder zerlegbar waren oder als Truhe fungierten. Oft wurden diese Liegen und Bänke auch als Schlafplätze einzelner Familienmitglieder, beispielsweise der Kinder, genutzt. Erst mit Beginn des 17. Jahrhunderts gewannen die Liegen und Bänke immer mehr Popularität. Nicht nur der Adel stellte sie oft an einen Ehrenplatz in seinen Residenzen, auch das Bürgertum entdeckte die Sitzgelegenheit am Ende des 17. Jahrhunderts als repräsentatives Möbelstück für die eigene Wohnung. Wie bereits bei den Tischen und Stühlen beschrieben, begann auch bei den Liegen und Bänken zum Ende des 17. Jahrhunderts ein rascher Formen- und Funktionswandel. Sowohl die unterschiedlichen Polsterungen und Verzierungen wurden angebracht als auch verschiedene edle Materialien zur Herstellung verwendet. Die einzelnen Stücke wurden dann speziellen Funktionen und sogar einzelnen Räumlichkeiten zugeordnet. Um sich schließlich die Verteilung der mehrsitzigen Ruhemöbel in den Haushalten Kopenhagens, Stralsunds und Rigas besser vor Augen führen zu
83
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
können, ist im Diagramm drei die durchschnittliche Anzahl der einzelnen Stücke grafisch dargestellt. 7
6
5
Anzahl
4
3
2
1
0
Kopenhagen
Stralsund
Riga
Diagramm 3: Durchschnittliche Anzahl der mehrsitzigen Ruhemöbel in Kopenhagen, Stralsund und Riga
Zwischen 1681 und 1700 befanden sich nach den Inventaren in einem durchschnittlichen Kopenhagener Haushalt etwas über zwei mehrsitzige Ruhemöbelstücke, bis dann kurz nach der Jahrhundertwende die Anzahl sprunghaft auf zunächst vier und zwischen 1751 und 1760 schließlich auf sogar fast sechs Stücke je Haushalt anwuchs.74
74
So wurden im Nachlass des Peder Nielsen 1681 lediglich „een eege bænck [eine eichene Bank]“ und „een fod bænck [eine Fußbank]“ und bei Knud Crone Michelsen im selben Jahr „3 egen bænke [3 eichene Bänke]“ verzeichnet. Vgl: Landsarkivet for Sjælland, LollandFalster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Jens Nielsen, 1681) und Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Knud Michelsen Crone, 1681).
84
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahm die absolute Anzahl der Ruhemöbel in den Kopenhagener Haushalten ein wenig ab. Durchschnittlich konnten aber immer noch zwischen vier und fünf dieser Möbel je Haushalt gezählt werden. Einzig in Qualität der Verarbeitung beziehungsweise in Durchsetzung neuer innovativer Sitz- und Ruhemöbelformen unterscheiden sich die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts voneinander. Auch die Abstimmung der verschiedenen, in einem Raum stehenden und zu einem Ensemble zusammengestellten Möbelstücke verbesserte sich in zunehmendem Maße. So befanden sich etwa Ende des 18. Jahrhunderts im privaten Haushalt von Johan Lorentz Pallast bereits: „Een gammel bænk med læder [eine alte Bank mit Leder bezogen]; tree Stoole med dito [drei Stühle mit dito]; [...]; een bænk med Trippes overtreck [eine Bank mit Triepenüberzug]; een Stoole med dito [ein Stuhl mit dito]; [...]; een bla overtrektt Sofa [ein blau überzogenes Sofa]; tree dito Stoolee [drei dito Stühle]“ 75 und schließlich bei Anne Birgitte Sörensdatter 1796 sogar: „Een sofaa med guligk Tiepes overtreck [ein Sofa mit gelbem Triep bezogen]; too Stoole med dito [zwei Stühle mit dito]; [...]; een blalig bænk med Trippe overtreck [eine blaue Bank mit Triep bezogen]; tree Stoole med dito [drei Stühle mit dito]; [...]; een bla bænk [ein blaue Bank].“76 In der Abbildung drei ist eine dänische Ruhebank abgebildet, wie sie am Ende des 18. Jahrhunderts gebaut wurde. Sie besitzt eine Polsterung, ist mit karmesinroter Damast-Seide überzogen und stellt somit ein recht luxuriöses Möbelstück dar. In Stralsund befand sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts nach den Inventaren durchschnittlich nicht einmal eine Bank in jedem Haushalt. So wurde etwa bei Hanß Fettericken „ein alt Bank“ 77 erwähnt. Erst seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wuchs die Anzahl der Ruhemöbel kontinuierlich an, bis schließlich in der Zeit zwischen 1731 und 1760 mit über vier Bänken je Haushalt der Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht wurde. Danach nahm die Anzahl wieder ab, um sich schließlich zum Ende des Jahrhunderts auf annähernd zwei mehrsitzige Ruhemöbel je Haushalt einzupendeln. Besonders in der Zeit des 18. Jahrhunderts unterlagen das Aussehen und die Formen der Ruhemöbel starken Wandlungen. Die Bauformen reichten von 75
76
77
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar des Johan Lorentz Pallast, 1781). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 21, 1795-1796 (Inventar der Anne Birgitte Sörensdater, 1796). StA HST, Rep. 30, Stralsunder Kramerkompanie und Stralsunder Amt der Haken, Nr. 167 (Inventar des Hanß Fettericken, 1635).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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den einfachen Bänken aus Holz über mit Stoffen und Leder überzogenen Bänken bis hin zu mit wertvollen Polsterungen versehenen und exklusiv gearbeiteten Sofas und Kanapees. Diese aufwendig gefertigten Sitzmöbel waren zwar zunächst für adelige Residenzen bestimmt, hielten aber vereinzelt seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und schließlich zum Ende des Jahrhunderts dann vermehrt Einzug in viele bürgerliche Haushalte. 78
Abbildung 3: Ruhebank, Ende des 18. Jahrhunderts, mit karmesinroter Damast-Seide überzogen, Nationalmuseum Kopenhagen
Die Funktion der Bänke, die im deutschsprachigen Raum zunächst die Stühle ersetzen sollten, wandelte sich zusehends. Die Zierfunktion, die sie bereits seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich und an den auf Repräsentation bedachten europäischen Fürstenhöfen eingenommen hatten, war noch nicht bis in die bürgerlichen Haushalte vorgedrungen. So lesen wir im Nachlassinventar des Stralsunders Hinrich Boldten 1704 von „1 langen bancke hinter dem Tisch“ und von „einer Küchentischbank“. Lediglich die „zwei Schlaffbencke“ dürften nicht kontinuierlich an Tischen gestanden haben. 79 Im besonders reich ausgestatteten Haushalt des Advocaten Hercules, welcher 1775 aufgenommen wurde, befanden sich schließlich nicht nur eine große Anzahl mehrsitziger Möbel, sondern auch die unterschiedlichsten Bauformen von Stühlen:
78
79
PARAVICINI, Werner (Hg.): Luxus und Integration. Materielle Hofkultur Westeuropas vom 12. bis zum 18. Jahrhundert, München 2010. StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704).
86
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
„In der zweyten Hinterstube. 8 Stück Stühle und Sopfa mit blauen Plüß; 2 lehn, 4 andere Stühle mit Cartun Lein; [...] Oben auf dem Kemmladen. 6 Stück mit jucht bezogene Stühle; 4 Stück rohr Stühle; 1 großer Lehn Stuhl; [...] Hierbei an 1. Stube. [...]; 4 rohr Stühle; 2 Lehn Stühle; [...] Auf dem Unterstall Boden. [...]; 1 Kinder Stuhl; [...]; 1 Liege; [...]; 1 Kanapeen; 1 Wasch Stuhl; [...]; 3 Nacht Stühle; [...] Im Stall. [...]; 3 dito [Wasch] Stühle; [...] In der Stube unten im hause Rechter Hand. 7 Stück rohr Stühle; 1 Canapee und 2 Lehn Stühle mit rothe Plüß Küssen; [...] In der stube neben an. [...]; 6 rohr Stühle; 1 Canape; [...] In der Stube Linker Hand. [...]; 1 Schlafbanck; [...]; 5 höltzerne Stühle; [...] Aufm Comtoir. [..]; 6 Stück Stühle.“ 80 Interessant ist hier nicht nur das gleiche Design beispielsweise des Kanapees und zweier Lehnstühle sowie des Sofas und der acht Stühle, sondern die bereits große Anzahl der gepolsterten mehrsitzigen Ruhemöbel. So standen vier Sofas und Kanapees gegen eine Liege und eine Schlafbank, wobei sich heute nicht mehr feststellen lässt, ob diese gepolstert waren. Ein weiterer interessanter Aspekt an diesem Inventar ist die Wahl der jeweiligen Begriffe. Die aufnehmende Person konnte die einzelnen Stücke nicht eindeutig unterscheiden. Neben dem ersten gab es ein zweites Inventar, welches nur wenige Wochen später von derselben Person aufgenommen wurde. Während die Anzahl der einzelnen Stücke in beiden Inventaren übereinstimmt, variiert die Begrifflichkeit. Standen laut erster Niederschrift „In der Stube unten im hause Rechter Hand“ noch „1 Canape und 2 Lehn Stühle mit rothe Plüßen Küssen“, so befand sich dort „In der 1.sten Stube rechter Hand“ jetzt, laut Aussage aus dem zweitem Inventar, „1 Sopha mit roth gebl. Plüsch beschlagen, 2 Lehnstühle dito dito.“81 Der hier deutlich werdende Trend zu den zusammengehörenden Sitzgruppenensembles setzte sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts weiter fort. Als Beispiel dafür sei hier der Nachlass des Regierungsrates Dr. Johann Arnold Joachim von Pommeresche aus dem beginnenden 19. Jahrhundert genannt. Er besaß noch Einzelstücke wie „1 bank“, die aber in der Vorratskammer stand. „Im Saal“ war schließlich „1 Sopfa mit 18 Stühlen mit schwarz bombarsin Überzug“ 80 81
StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
87
aufgestellt, wo allerdings keine weiteren Sitzmöbel mehr aufgestellt waren. Ebenso wie „Im vordern Zimmer“, wo lediglich „1 Sopha mit 12 Stühlen mit grün bombasin und Kattunen Überzügen“ stand. 82 Zu ähnlichen Ergebnissen kommen nicht nur die meisten Forscher in deutschsprachigen Untersuchungsgebieten, sondern auch jene in anderen europäischen Ländern. 83 Auch in Riga wurden, ähnlich wie in Kopenhagen und Stralsund, zum Ende des 17. Jahrhunderts nach den Inventaren circa zwei Ruhemöbel im Haushalt verzeichnet. So befanden sich zunächst im Nachlass des Marten Barbrams von 1763 lediglich „1 feuern Schlafbanck“ und „1 alt Eichen-Banck.“84 Im Haushalt der Frau Meyschen wurde 1677 sogar nur „eine alte Sitzbankk“ 85 vorgefunden. Zur Mitte des 18. Jahrhunderts stieg dann die Anzahl der einzelnen Ruhemöbel in den Rigaer Haushalten kontinuierlich an. Die meisten sind, mit einem durchschnittlichen Wert von 4,3, in den Jahren zwischen 1751 und 1760 in Riga belegt. Hans Grothe beispielsweise besaß zu Lebzeiten etwa nicht nur einen beträchtlichen Teil an Stühlen und Schemeln, sondern auch seine mehrsitzigen Ruhemöbel trugen bereits einen beträchtlich Anteil zu seiner Wohnungseinrichtung bei: „10 alte Stühle mit niedrigen Lehnen; 2 Lehnstühle mit schwartzen Leder überzogen; [...]; 1 große Schlaffbäncke von eichen Holtz angestrichen; [...]; 2 kleine Dischbänke; [...]; 2 Schemmell; [...]; 2 kleine Schlafbänke mit Leder überzogen.“86 Der Trend zu relativ vielen Ruhemöbeln in den Rigaer Haushalten hielt lange an. Immerhin waren nach den Aussagen in den Inventaren zwischen 1700 und 1780 durchschnittlich mindestens drei Ruhemöbel in den Haushalten aufgestellt. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts pegelte sich die Anzahl auf durchschnittlich zwei dieser Möbelstücke ein. Einher ging diese Entwicklung jedoch mit einer Steigerung der Qualität. So findet man nicht mehr nur einfache 82 83
84 85 86
Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 871 (Inventar des Regierungsrates Dr. Johann Arnold Joachim Pommeresche, 1817). BAULANT, Micheline; SCHUURMAN, Anton J.; SERVAIS, Paul (Hgg.): Inventaries aprèsdécès et ventes de meubles. Apports à une histoire de la vie économique et quotidienne (XIVe-XIXe siècle), Louvain-la-Neuve 1988, S. 113ff.; GREEN CAR, Lois: Emigration and the standards of living: the eighteenth-century Chesapeake, in: SCHUURMANN, Anton J.; WALSH, Lorena S. (Hgg.): Material Culture: Consumption, Life-Style, standard of living, 1500-1900, Milan 1994, S. 83-94, hier S. 72ff.; GRIPPER, Helmut: Sessel oder Stuhl? Ein Beitrag zur Bestimmung von Wortinhalten im Bereich der Sachkultur, in: SCHMIDT, Lothar (Hg.): Wortfeldforschung. Zur Geschichte und Theorie des sprachlichen Feldes (Wege der Forschung CCL), Darmstadt 1973, S. 28ff.; HESS: Die materielle Wohnkultur Danzigs, S. 72; HÖHER: Konstanz und Wandel, S. 325ff.; JEDDING: Das schöne Möbel, S. 154ff.; KING: Illustrierte Geschichte der Möbel. Sofas, S. 7; MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 95f.; VOSKUIL, J. J.: Innovation und Mentalitätsgeschichte in den Niederlanden, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Band 55), Münster 1987, S. 251-274, hier S. 263ff. StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Marten Barbrams, 1663). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar der Frau Meyschen, 1677). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Hans Grothen, 1711).
88
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Bänke erwähnt, sondern auch die gepolsterten und reichlich verzierten Luxusmöbel hatten Einzug in die bürgerlichen Wohnungen gehalten, wie etwa 1793 bei Johann Christoph Teubler, wo „zehn Stühle nebst 2 Lehnstühlen und een Soppha mit rassisch Lein Überzug“ und „een Kanappen von roth Leinenüberzug“ 87 vorhanden waren. Auch bei Johann George Lehmann waren 1797 hauptsächlich exquisite und zu Ensembles zusammenstellbare Sitzmöbel vorhanden: „1 Sopha mit blauen Überzug; 2 Fauteile mit dito; [...]; 5 große Lehnstühle mit schwarz Leder; 1 Schlafffbänkk mit dito; [...]; 1 Sopffa braun gelblicht 3 Fauteilles mit dito.“88 Abschließend kann man sowohl zu den Sitz- als auch zu den Ruhemöbeln im Bereich neuer Trends und Modeströmungen zu einem ähnlichen Schluss kommen wie bereits bei den im vorangegangenen Kapitel behandelten Tischen. Sowohl in Bezug auf die Anzahl als auch die modische Ausstattung mit Verzierungen und Neuerungen wie Polstern stand die Residenzstadt Kopenhagen an erster Stelle. In der weiteren Verteilung nimmt Riga den zweiten Platz ein und Stralsund bildet das Schlusslicht, wenngleich sich diese beiden Städte sowohl in der Verteilung der absoluten Möbelstücke als auch bei innovativen Neuerungen zahlenmäßig sehr stark annähern.
4.4.
Schlaf- und Bettenmöbel
„Wie man sich bettet, so schläft man.“ Dieser Spruch hat für das menschliche Dasein eine besondere Bedeutung, denn schließlich verbringen wir gut ein Drittel unseres Lebens schlafend. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass den Betten immer schon ein hoher Stellenwert bei der Einrichtung eines Haushaltes zukam. Nicht nur, dass man im Bett schlief beziehungsweise seine Ruhephasen verbrachte, man wurde dort geboren, durchlitt Krankheiten und Schwächezeiten, zeugte die eigenen Kinder und starb schließlich in den meisten Fällen auch dort. 89 87 88 89
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Johann Christoph Teublers, 1793). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-94 (Inventar des Johann George Lehmann, 1797). MANNHEIMS, Hildegard: drei Wochen krank gewesen … nichts verdient. Vom Bett und vom Kranksein in Stapelholm 1759-1831, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 115-130, hier S. 116ff.; PINTSCHOVIUS, Hans-Joska: Zauberbetten – Bettenzauber, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 187-194, hier S. 192f.; WOLF, Jörn Henning: Zum Bett des Menschen in seiner lebensgeschichtlichen Bedeutung als Ort von Schlaf und Traum, Krankheit und Tod, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 107-114.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
89
Bereits aus dem Neolithikum sind aufgrund archäologischer Ausgrabungen feste Lagerstätten bekannt, die oft mit Fellen, Stroh, Moos oder Reisig ausgekleidet waren und als Rückzugsmöglichkeit für die Nacht und für Ruhezeiten genutzt wurden. Aus dem alten Ägypten sowie der römischen und griechischen Antike kennen wir schließlich die Liegen, auf denen nicht nur geruht oder gegessen wurde, sondern die auch – dann mit Decken versehen – als Schlafstätte dienten. In den darauf folgenden Jahrhunderten entwickelten sich die unterschiedlichen Bettenformen besonders in den Hochkulturen weiter. Die einfache Bevölkerung schlief weiterhin auf Stroh- beziehungsweise Reisigmatten und deckte sich mit einfachen Decken zu. In wenigen Fällen diente ein einfaches Gestell als Abgrenzung beziehungsweise Erhöhung über den Boden. 90 Die mittelalterlichen Bettgestelle bestanden zumeist aus einem Bettkasten, der mit weichem Material – zumeist Heu oder Stroh – gefüllt war. Der Bettkasten selbst war aus massivem Material gefertigt, denn er musste oftmals die ganze Familie beherbergen. Lediglich der Adel oder besonders reiche Bürger konnten sich den Luxus eines eigenen Bettes leisten. Aber auch Betten mit einer dünnen Auflagefläche fanden im Mittelalter Verwendung. Hier wurden auf die Unterkonstruktion lediglich dünne Decken beziehungsweise dünne Lagen aus Stroh oder Heu gelegt, so dass man zwischen einem ausgeprägten Bettkasten und einer Liege unterscheiden kann. Diese beiden Bauformen wiesen nicht nur im Komfort, sondern auch in der Anschaffung einen preislichen und auch besonders einen prestigeträchtigen Unterschied auf. 91 Im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert kam an Königs- und Fürstenhöfen dem Prunkbett besondere Bedeutung zu. Die liegend abgehaltenen Audienzen waren, da man sie aus Frankreich kannte, modern, denn so konnte man sich mit aller Lässigkeit präsentieren. Aber auch in den privaten Haushalten gesellte sich zur eigentlichen Funktion des Bettes besonders seit dem 18. Jahrhundert ein Repräsentationsbedürfnis. Das Himmelbett beispielsweise spielte zwar in vielen durchschnittlichen Haushalten des Ostseeraumes – allein wegen des hohen Anschaffungspreises – keine herausragende Rolle, vereinzelt trat es aber doch auf und wurde in den Inventaren dann explizit erwähnt. Zumeist standen diese Arten von Betten in Haushalten der gehobenen und finanzkräftigeren Schichten. 92 90
91 92
STÜLPNAGEL, Karl-Heinrich von: Frühformen des Bettgestells, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 25-42. STÜLPNAGEL: Frühformen des Bettgestells, S. 37ff. HENNING, Nina: Nur noch ein Viertelstündchen. Einleitende Bemerkungen, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 11-16; MEHL, Heinrich: Bettgeschichte(n) im Museum, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 195-206.
90
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Häufig befanden sich in den Haushalten des 17. und 18. Jahrhunderts einfache Bettgestelle, die lediglich angestrichen oder mit Schnitzmustern versehen waren. Auch die Schlafbänke gewannen seit dem Ende des 17. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung in den bürgerlichen Schichten der Städte. Sowohl in den Städten als auch in den Dörfern spielten nicht nur die Anschaffungspreise, sondern auch der Platzbedarf und die Funktionalität eine große Rolle. Die Liege- und Schlafbänke verbanden das Sitzmöbel für den Tag mit der Möglichkeit, in der Nacht darauf zu schlafen, ohne größere Umbaumaßnahmen durchführen zu müssen. Es wurden lediglich ein paar Decken, Laken und Kissen beziehungsweise eine Matratze auf die Bank gelegt und schon stand ein vollständiges Bett zur Verfügung.93 3,5
3
2,5
Anzahl
2
1,5
1
0,5
0
Kopenhagen
Stralsund
Riga
Diagramm 4: Durchschnittliche Anzahl der Betten in den Haushalten der Städte Kopenhagen, Stralsund und Riga
Besonderen Einfluss hatte die seit der Renaissance einsetzende Intimisierung auf das „Schlafen“. Schlief man im Mittelalter beispielsweise mit mehreren Personen in einem Raum, versuchten diejenigen Bevölkerungsschichten, die es sich 93
DRÖGE, Kurt: Ländliche Schlafkultur in Pommern, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 235-252, hier S. 237ff.; HAHN: Das Bett der Mägde zu Langenburg.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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leisten konnten, eigene Schlafräume zu schaffen, die dann häufig als Schlafraum und auch als Ankleidezimmer fungierten. Vor allem seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts findet sich in den Quellen zum städtischen Bürgertum in zunehmendem Maße die Erwähnung separater Schlafräume, wie sie etwa ein Teil des Adels und eine sehr begrenze Anzahl von Vertretern der bürgerlichen Schicht bereits im Mittelalter vorweisen konnten. 94 Wie im Diagramm vier zu erkennen ist, stieg die Anzahl der Betten in den hier untersuchten Inventaren je Haushalt vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts stetig an. Während in Stralsund und Riga im 17. Jahrhundert noch relativ niedrige absolute Zahlen von ein bis zwei Betten je Haushalt nachzuweisen sind, befanden sich in Kopenhagen in diesem Zeitraum bereits durchschnittlich drei Betten in jedem Haushalt. 95 Nach dem Erreichen von Höchstzahlen geht in allen drei Städten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Anzahl der durchschnittlich vorhandenen Betten je Haushalt zwar zurück, aber es wurden für Stralsund immerhin noch Werte von 2,4 bis 2,6 Betten, für Riga noch durchschnittliche Zahlen zwischen 2,4 und 2,7 und für Kopenhagen sogar Werte von 2,9 bis 3,2 Betten erreicht. In Kopenhagen wurde im Vergleich zu Stralsund und Riga schon in den beiden letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts ein durchschnittlich hoher Anteil von Bettenmöbeln in den Nachlassinventaren verzeichnet. Im Jahrzehnt zwischen 1681 und 1690 finden wir beispielsweise absolute Zahlen von 2,4 Betten je verzeichnetem Haushalt vor. Zur selben Zeit standen in Stralsunder Haushalten lediglich 1,7 und in Riga 1,8 Betten. Darüber hinaus belegen die Inventare Kopenhagener Haushalte bereits für das 17. Jahrhundert das Vorhandensein von Bettwäsche sowie Bett- und Schlafaccessoires. Beispielsweise besaß Jens Nielsen zum Zeitpunkt seines Todes 1681 nicht nur drei Bettgestelle, sondern dazu auch eine große Anzahl von Bettlaken, Bettdecken, Kissen und sonstigem Schlafzubehör. „Sengekleder [Bettwäsche] 1 underdyme [1 unterdecke]; 1 dito; 1 oferdyme [1 oberdecke]; 1 Underdyme; 1 dantziger dundyme [1 Danziger Daunendecke]; 2 hofeddyme [1 Kopfdecke]; 2 stribede puder [2 gestreifte Kissen]; 1 Vnderfyld [1 Unterpfühl]; 2 hofedpude [2 Kopfkissen]; 1 dyme [1 Decke]; 1 dyme; 1 hofeddyme [1 Kopfdecke]; 1 hofeddyme; 1 underdyme [1 Unterdecke]; […] 94
95
DRÖGE, Kurt: Plädoyer für eine Entwicklungsgeschichte der Schlafstätte in den letzten 200 Jahren, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 43-58, hier S. 44ff. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Danzig. Auch dort stand im 17. Jahrhundert durchschnittlich ein Bett in jedem Haushalt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts stieg dann deren Anzahl auf einen Wert von durchschnittlich 2,4 Betten an, um schließlich zum Ende des 18. Jahrhunderts wieder auf ein Bett je Haushalt zurückzufallen. Vgl: HESS: Die materielle Wohnkultur Danzigs, S. 91.
92
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Trawahre […]; 1 fuire Himmel Sengk [1 feuern Himmelbett]; […] Cammer 1 Himmel Seng [1 Himmelbett]; […]; 1 himmel Seng.“ 96 Ein ähnlicher Befund ergibt sich auch aus dem Inventar des Thoer Nielsen aus demselben Jahr. Hier standen den drei Betten 27 sonstige Schlaf- und Bettutensilien gegenüber. „Sengklaeder [Bettwäsche] 2 Blaastribt Underdyme [2 blaugestreifte Unterdecken]; 1 dito; […]; 1 Blaastribt dundyme [1 blaugestreifte Daunendecke]; 1 dito; 1 Blaastribt Hoffenddyme [1 blaugestreifte Kopfdecke]; 1 dito; 2 Pude [ 2 Kissen]; 2 Hoffed Pude [2 Kofpkissen]; 1 stribt dito [1 gestreiftes dito]; […]; 2 Puder [2 Kissen]; 2 blaastribt Puder [2 blaugestreifte Kissen]; 2 Dun Puder [2 Daunenkissen]; 2 Vugge Puder [2 Wiegenkissen]; 2 hoffeddyme [2 kopfdecken]; 1 BlaastribtVnderdyme [1 blaugestreifte Unterdecke]; 1 dito; 1 Blaastribt Dundyme [1 blaugestreifte Daunendecke]; 1 Lang Stribt Hoffed Pude [1 lang gestreift Kopfkissen]; 1 dito; […] Thravahre […]; 1 fyredeng [1 feuern Bett]; […]; 1 liden Seng [1 kleines Bett]; […]; 1 ege Seng [1 Eichenbett].“ 97 In den darauf folgenden Jahrzehnten, besonders aber seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts, wuchs die durchschnittliche Anzahl der Bettstellen in Kopenhagen immer weiter an. Auch der Besitz der Bettwäsche hielt sich auf einem ähnlich hohen Niveau. Schließlich kam es zwischen 1731 und 1770 zu einem durchschnittlichen Bettenbestand von 3,2 Schlafmöbeln je verzeichnetem Inventar in Kopenhagen. Im Haushalt des Peder Dreyers befand sich zum Zeitpunkt seines Todes 1730 zwar mit „1 fuere himmel Seng med forhang [1 feuernes Himmelbett mit Gardinen]“98 nur ein verzeichnetes Bett, die Liste der Bettdecken, -laken und Kissen ist im Vergleich dazu aber trotzdem recht lang: „Senge Klaeder 2 smal stribt underdyme [1 schmal gestreifte Unterdecke]; 1 dito; 1 dito; 1 over dito [1 Oberdecke]; 2 Lange hoved pude [2 lange Kopfkissen]; 2 olde hoved dito [2 alte Kopfkissen]; 1 stribed Underdyme [1 gestreifte Unterdecke]; 1 dito; 2 Overdyme [1 Oberbett]; 1 smal stribed Pude [1 schmal gestreiftes Kissen]; 3 hoved Pude [3 Kopfkissen]; 1 Underdyme [1 Unterdecke]; 2 stribede hoved pude [2 gestreifte Kopfkissen] 96 97 98
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Jens Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Thoer Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Peder Dreyer, 1730).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
93
Omheng [Vorhänge] 8 Senge Gardinen [8 Bettgardinen].“99 Im Inventar des Friderick Lafonts aus dem Jahre 1751 wurden schließlich wieder drei Bettstellen verzeichnet, was in diesem Fall dem durchschnittlichen Wert von 3,2 Betten der untersuchten Inventare dieses Jahrzehntes entspricht. Auch die restlichen Bett- und Schlafutensilien waren hier auf dem bereits bisher ermittelten besonders hohen Niveau vorhanden. „2 pude [2 Kissen]; 1 Matras [1 Matratze]; […]; 2 Puder [2 Kissen]; […]; 1 gammel Seng [1 altes Bett]; […]; Een Seng [ein Bett]; Een gammel kattunen Seng Omhong [1 alter baumwollener Bettumhang]; […]; 1 gammel Pude [ 1 altes Kissen]; […]; 3 Blaastribt dunndymme [3 blaugestreifte Daunendecken]; 1 gammel ditto; […]; 1 feuren Seng [1 feuernes Bett]; 2 Overdymme [2 Oberbett]; […]; 4 stribed Pude [4 gestreifte Kissen]; 3 stribbed Lagen [ 3 gestreifte Laken]; 1 Underdyme [1 Unterdecke]; […]; 1 hoved Pude [1 Kopfkissen]; 2 ditto; […]; 2 Underdyme [2 Unterdecken]; […]; 6 lagen [6 Laken]; 8 gammel dito [8 alte Laken]; […]; 1 hovved Pude [1 Kopfkissen].“ 100 In Stralsund fielen die absoluten Zahlen zwar etwas geringer aus, ein stetiger Anstieg von zunächst durchschnittlich einem auf fast vier Betten je Haushalt war aber auch hier zu verzeichnen. Im Jahr 1604 etwa wurden im gesamten Nachlass des Johann Graßelenn lediglich 37 Gegenstände verzeichnet und neben „1 Kiste“, „1 kleine kiste“ und „ein Stuhl“, gehörte auch „1 aldtt schalffbedtt“ zu seinen Hinterlassenschaften. 101 Ein Jahrhundert später befanden sich im Haushalt des Hinrich Boldten 1704 in „Der Kammer: 1 Feuern Bettstede mit wullen Gardinen“ und in der „Oberstube nach der Straßen hin“ nicht nur „1 Bettstede mit lacken von betten worin Er mit der Frawen schlaft“, sondern noch „1 wiege mit dem wiegen Zeuge worin das Kind lieget“. Auch „1 volcks betten mit schlechter zu behör“ stand „auffm boden“ 102, welches hier wohl als Besucherbett gebraucht beziehungsweise für eventuell vorhandene Angestellte verwendet wurde. Seit dem 18. Jahrhundert wurden auch in den Stralsunder Inventaren vermehrt Bettwäsche, Kissen und sonstige Schlafaccessoires in Zusammenhang mit den Bettenmöbeln angeführt. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ist schließlich eine deutliche Zunahme von Bettwäsche in den Haushalten zu verzeichnen. Darüber hinaus finden sich in den Inventaren zahlreiche Differenzie99
100
101 102
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Peder Dreyer, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 49; 1750-1751 (Inventar des Friderick Lafont, 1751). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5072 (Inventar des Johann Graßelenn, 1604). StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
rungen hinsichtlich der Qualität und Quantität der Bettwäsche, was deutlich macht, dass dieser ein besonderer Wert im Haushalt zugesprochen wurde. So befanden sich in dem bereits erwähnten Nachlass des Johann Graßelenn beispielsweise „1 Schwartt pedt decke, 1 schwartt decke, 1 lanckes laken, 2 Blaw pettdeck lacken, 1 pettlaken“ 103 und bei Hinrich Boldten: „ auß der Stuben in die Kammer, worin. [...]; 1 p [paar]. feine bettlacken; [...]; 8 p. heden vnd flechsen bettlacken; 12 küßenbühren; [...]; 8 kleiner vnd großer Küssen mit parchamß vnd andern überzug; 4 pfühle mit blawen schmalen streiffen; 4 große unterbett mit drellwerck blau stripen vnd leinen überzügen; [...] auff der haußdiele [...]; 1 p aldte bettelacken; 1 p alte decken; 1 weiße küssen vnd etwas leinen zeugk zum gebrauche.“104 Bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde sehr wenig über die eigentliche Beschaffenheit der Betten beziehungsweise deren Aufbau und Verzierungen in den Inventaren niedergeschrieben. So lassen sich spezifische Bauformen nur sehr schwer nachvollziehen und rekonstruieren. Auch die Verwendung eventueller Schnitzereien und die genaue Farbgestaltung finden nur in wenigen Fällen Erwähnung. Zum Ende des Jahrhunderts sollte sich dieser Sachverhalt nur sehr sporadisch ändern, wie uns das Beispiel des Altermanns Hendrick aus dem Jahr 1793 deutlich zeigt: „1) Oben in der Stube und Kammer nach vorn 1 Korb Bettstelle mit 1 Oberbett, 1 Unterbett, 4 Pfühle, 3 Küßen, 1 paar Flechsen Bettlacken, 1 Bettdecke; 1 Korb Bettstelle worin Kinderbeten, 1 Oberbett, 1 Unterbett, 4 Pfühle, 2 Küßen, 1 paar Bettlacken, 1 Bettdecke; 1 Korb Bettstelle, 1 Ober-, 2 kleiner Unterbett, 1 Pfühle, 3 Küßen, 1 paar heeden Bettlacken, 1 Bettdecke; 1 kleines Oberbett, 2 kleine Unterbetten, 2 Küßen, 1 paar Bettlacken, 1 Bettdecke; [...] 2) Oben nach Hinten in der Stube 1 Bettstelle worin 1 Ober-, 3 Unterbetten, 3 Pfühle, 2 Küßen, 1 paar Bettlacken, 4 Beutel mit Schlaffedern; [...] 3) In den Kammern [...]; 1 Kopb Bettstelle, 2 Unterbetten, 1 Oberbett, 2 Pfühle, 2 Küßen, 2 alte Bettdecken; 2 Beutel mit Federn; [...] 5) In der Kammer 1 Ober-, 1 Unterbett, 1 Pfühl, 1 Küßen, 1 paar Bettlacken; [...] 103 104
StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5072 (Inventar des Johann Graßelenn, 1604). StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704). Beispielhaft für die differenzierte Aufnahme von Bettwäsche ist auch das Inventar von Gertrud Schmidten, des Baltzer Klüsen und des Johann Dircksen aus dem Jahr 1725. Hier werden wir ebenfalls über Qualität und Quantität der Wäsche unterrichtet.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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7) Unten in der Vorstube [...]; 1 blau und weiße Barchent Oberbett Bühr; 1 roth, grün und weiße dito dito; 2 schmal gestreifte Unterbetts Bühren; [...]; 1 gestreift Lein Bettstellen Bezug; 1 Blau und weiß Lein gewürffelte Küßenbühr; 1 Cattun Bettstellen Bezug; 1 dito Bettdecke; [...]; 6 paar heeden Bettlacken; [...]; 9 heeden Küssen Bühren; [...]; 2 paar fein Flechsen Bettlacken; 5 paar Flechsen Betlacken; 2 paar dito dito; 4 paar flechsen Bettlacken; 16 Stück dito küssen Bühren; 1 Bettlacken von Bielefeldter Lein; [...]; 5 flechsen Küßenbühren; 1 Feder Bühr; [...]; 1 schatten und Licht Lein Küssen Bühr; 1 Sitzen Betts Bühre; [...]; 1 alte Lein Küßenbühr; [...]; 1 paar heeden Bettlacken; 1 Standt Mädgens Betten bestehend in 1 Ober-, 1 Unter Bett, 2 Pfühle, 1 Küßen, 1 paar Heeden Bettlacken 9) Auf dem Boden [...]; 1 Korb Bettstelle.“105 Wie bereits in den vorangegangenen Ausführungen zu den Tisch- und Sitzmöbeln bemerkt, lassen sich in Riga ähnliche Tendenzen wie in Kopenhagen und Stralsund feststellen. Standen laut den ersten überlieferten Inventaren aus der Mitte des 17. Jahrhunderts noch relativ wenig – die absoluten Zahlen liegen hier bei durchschnittlich 1,4 – Betten in den einzelnen Haushalten, so stieg deren Anzahl bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts kontinuierlich an. Im Jahrzehnt zwischen 1711 und 1720 ereichten die absoluten Zahlen durchschnittliche Werte von 2,8 Betten, fielen dann allerdings in den folgenden beiden Jahrzehnten wieder etwas ab, um schließlich zwischen 1741 und 1750 den absoluten Höchststand von durchschnittlich 2,9 zu erreichen. Zum Ende des 18. Jahrhunderts hin fielen diese absoluten Zahlen dann schließlich leicht ab, um sich in den beiden letzten Jahrzehnten auf durchschnittliche 2,6 Bettstätten je Haushalt einzupegeln. Ähnliche Tendenzen waren auch bei der Bettwäsche beziehungsweise sonstigen mit den Betten und dem Schlafen zusammenhängenden Accessoires zu verzeichnen. So befanden sich beispielsweise im Haushalt von Ludert Engelken 1670 lediglich „Bettzeug 5 unter pfühle; 3 haupt pfühle; 2 kinder pfühle; 6 ohr küssen; 3 kinder küssen; 1 grün raschen gardin mit decke; 2 decken; 1 alte küssen; [...] in der stuben [...]; 1 betstedt eichen hell; 1 weiß beth“106 und im Inventar von Balthasar Schormann von 1687 sogar nur „ein gelb kameelhaaren bettdecke, ein blau tuchen schlechte decke mit schaaffellen gefüttert, ein bettküssen, [...], 1 schlecht bette“ 107.
105 106 107
StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5565 (Inventar des Altermanns Hendrick, 1793). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Ludert Engelken, 1670). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Balthasar Schormann, 1687).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Bereits zwölf Jahre später wurden immer mehr Betten und Bettenzubehör in den Inventaren verzeichnet. So besaß Daniel Baren zum Zeitpunkt seines Todes 1696 nicht nur 1 klein Tisch, darunter eine Schlaffbancke; 2 Schlafbäncke in der Stube und; 1 dito in der Küche“108, sondern ebenfalls „Meßing 1 Bett Warmer; […] Bettzeug 6 Unterpfühlen; 1 oberpfühl; 5 haubtpfühlen; 8 ohr Küssen; 1 weiß gestriepte decke; 1 weiße dito; 3 stücke weiße Gardinen; 1 grüne decke Leinen-Zeug […]; 8 Bettlaacken; 1 paar heeden Bettlaaken; […]; 6 paar Küssen bühren.“109 Die im Jahrzehnt zwischen 1711 und 1720 erstmals erreichten Spitzenwerte im durchschnittlichen Besitz von Bettenmöbeln von 2,8 spiegeln sich auch im Nachlassinventar von Johann Kroenens wider. Er besaß nicht nur unterschiedliche Arten von Bettgestellen und Schlafgelegenheiten, auch die Anzahl der Bettwäsche beziehungsweise der zusätzlichen Bett- und Schlafaccessoires war im Vergleich zu den voran gegangenen Jahrzehnten um eine erhebliche Anzahl gestiegen. „An Siel-Zeug […]; 1 grüner Bettsack; 2 Eichene Bettstellen worunter eins mit schwarz gedreheten Pfeilern; 1 dito von schlechtem Holz; 3 weise Betten; […]; 1 Eichen Bettstelle; […] An Leinen Zeug und zwar an Bettlackens 4 Paar feine Bettlackens; 1 Paar dito etwas gröber; 7 Paar dito noch gröber; 4 paar dito; […] An tischtücher 2 Paar fein Küssenbühren worunter 1 Paar mit breiten Spitzen; 2 Paar dito etwas gröber; […] An bettzeug 1 blaue überpfühle mit weißen bluhmen; 5 unterpfühlen; 2 Haupt-Pfühlen; 7 Haubt Küssen; 7 dito kleines mit Cattun überzogen; 1 Matratze mit roht leder überzogen; 3 bettdecken von gedrückt bunt leinen; […]; 1 Grau viereckten Futter zu einem Manns schlaffrock; 1 dito zu einem frauens schlaffrock; […]; 1 eichene Wiege mit Nusbaumen Holtz ausgelegt.“110 Neben solchen umfangreichen Inventaren finden sich in jener Zeit auch weniger reichhaltige. Michael Kroyer besaß mit sechs Bettstellen in seinem Haushalt überdurchschnittlich viele Betten, allerdings fiel das Zubehör im Vergleich zu anderen Inventaren dieses Zeitraumes deutlich geringer aus. Dabei stellt sich an 108 109 110
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Daniel Baren, 1696). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Daniel Baren, 1696). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Johann Kroenen, 1711).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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dieser Stelle wieder die eingangs im Kapitel zwei aufgeworfene Problematik der Vollständigkeit der aufgenommenen Inventare. Vielleicht wurde in diesem konkreten Fall die Gesamtheit der Bettwäsche als nicht relevant erachtet, sodass nur die direkt auf dem Bett gelagerten Utensilien aufgenommen wurden. So lassen sich im Haushalt von Michael Kroyer also nur „An allerhand Sachen […]; Eine Nußbaumene Bett Stelle mit grün Lackens Gardinen; Eine Bettpfühle; Eine dito dito; Eine Haupt-Pfühle; Eine schlechte Bett-Stelle mit halb-seydenen alten Gardinen; […]; Ein altes Reise-Bett; […]; Eine alte wollene Bettdecke; Zwo BettStellen von Feuren Holtz; […]; Eine Schlaffbanck“ 111 nachweisen. Zum Ende des 18. Jahrhunderts sank die durchschnittliche Anzahl der Betten in den Haushalten etwas ab und pegelte sich in den Jahren zwischen 1761 und 1800 auf einen absoluten Wert von durchschnittlich 2,6 ein. So besaß beispielsweise Peder Behrendt 1785 drei Bettgestelle und entsprach damit also diesem Durchschnitt. Gleichzeitig wurde eine große Menge Bettwäsche in seinem Nachlass verzeichnet: „An Wäsche Vierzehn feine Bettlacken; […]; Neun grobe Bettlacken; […]; Vierzehn kißen Bühren; […]; Fünfzehn neue feine Bettlacken; acht feine neue kißen bühren; zehn grobe kißen Bühren; […]; sechs baumwollene Schlafmützen; […] An Bettzeug Eine Oberpfühle mit Cattun überzogen; Eine Hauptpfühle mit Perchen überzogen; Fünf große und drey kleine Kopfkissen mit bühren Zeug überzogen; Eine Unterpfühle; Eine große Madratze; Eine kleine dito; Zwey hauptkißen; Zwey Kopfkissen; Eine weiße wollene Decke; Eine Madratze mit Leder überzogen; Ein lederner überzug zu einer Madratze; Vier Madratzen mit Bührenzeug überzogen; Eine Cattune Bettdecke; Drey Bett Madratzen; Grün englisch Estoffen Bett Gardinen; […] An Meublen […]; Eine braun gebeitzte Schlafbank von Feuren holz; […]; An Kupfer und Messing und thee geräth […]; Ein meßingner bettwärmer; […] An diverse Sachen […]; Zwo schlechte bettstellen.“112 Auch anhand des Nachlasses des Heinrich Schilders aus dem darauf folgenden Jahr 1786 lässt sich diese Tendenz bestätigen. Den drei verzeichneten Bettgestellen stehen insgesamt 44 Bettaccessoires gegenüber. Im Zusammenhang mit den Schlafgelegenheiten wurden sogar noch zwei Schlafbänke genannt, von 111 112
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Michael Kroyer, 1728). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Peder Behrendt, 1785).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
denen eine den Kindern zugeteilt war. Es stand in diesem Haushalt wahrscheinlich also lediglich ein klassisches Bett: „An Wäsche […]; Zwey Schlaf-Röcke; […]; Fünf paar Bett-Lacken; eine Cattune Bett-Decke; […]; sieben paar Bettlacken; Eilf paar Kissen Biehren; […] An Betten Ein Unterpfühl; zwey kleine pfühle; drey hauptpfühle; eine Taftene Bett-Decke; eine Baumwollene Bett-Decke; zwey Cattunen Bett-Decken; eine Matratze; eine hauptpfühl; zwey Unterpfühl; drey küssen; eine Cattune Bett Decke An Meublen Eine Schlaf Banck denen Kinder gehörig; Eine grüne Bettstelle; […]; Eine Schlaf Banck.“ 113 Zieht man um Vergleich die Stadt Danzig heran, so zeigen sich ähnliche Untersuchungsergebnisse wie in Stralsund und Riga, denn dort lag die durchschnittliche Anzahl der Betten zwischen 1711 und 1740 bei 2,4 je Haushalt. 114 Wie oben bereits herausgestellt wurde, lagen in Stralsund und Riga die absoluten Werte in einer dementsprechenden Höhe. Nur Kopenhagen sticht aus diesem Vergleich mit einem absoluten Wert von durchschnittlich 3,1 Betten etwas heraus. Verringern sich in den darauf folgenden Jahrzehnten die absoluten Zahlen in den drei in dieser Untersuchung betrachteten Städten nur mäßig – der durchschnittliche Bettenbesitz lag immer noch bei über zwei je verzeichnetem Haushalt –, kam es laut der Untersuchungsergebnisse von Corina Heß in Danzig zu einem starken Einbruch der absoluten Anzahlen auf durchschnittlich ein Bett je Haushalt. Daran wird deutlich, dass Kopenhagen, Riga und Stralsund anderen Einflussfaktoren als das hier herangezogene Danzig unterlagen sowie die hier ermittelten Zahlen nicht auf beliebige Städte des Ostseeraumes übertragbar sind. Wichtige und hier nicht zu vergessene Bettmöbel stellen die Kinderbetten und Wiegen dar. Diese breiteten sich im Laufe der Frühen Neuzeit in immer mehr Haushalte verschiedener Bevölkerungsschichten aus. Wenngleich die Wiege als so genannte Trogwiege, die aus einem ausgehöhlten Baumstamm gefertigt wurde, schon seit der Antike bekannt war, wurde sie in Mittelalter und Früher Neuzeit jedoch ausschließlich von Adligen und wohlhabenden Bürgern genutzt. Aufgrund der im 18. Jahrhundert einsetzenden Intimisierung schliefen die Kinder häufig nicht mehr in den Betten der Eltern, sondern bekamen eigene Schlafplätze zugewiesen, die sie sich allerdings in den meisten Fällen mit ihren Geschwistern teilen mussten. Den Luxus, jedem Kind ein eigenes Bett zur Ver-
113 114
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Heinrich Schilder, 1786). HESS: Die materielle Wohnkultur Danzigs, S. 91.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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fügung zu stellen, konnten sich jedoch weiterhin nur wenige Personenkreise leisten. 115 0,9 0,8 0,7 0,6
Anzahl
0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 1661- 1671- 1681- 1691- 1701- 1711- 1721- 1731- 1741- 1751- 1761- 1771- 1781- 17911670 1680 1690 1700 1710 1720 1730 1740 1750 1760 1770 1780 1790 1800 Kopenhagen Stralsund Riga
Diagramm 5: Durchschnittliche Anzahl der Wiegen und Kinderbetten in Kopenhagen, Stralsund und Riga
In Kopenhagen befand sich seit 1681 durchschnittlich in jedem zweiten Haushalt eine Wiege oder ein Kinderbett. So standen 1681 bei Maren Christensdatter „1 füre barneseng [1 feuriges Kinderbett]“116 und im Haushalt des Thoer Nielsen im gleichen Jahr „een gammell vugge [eine alte Wiege]“ 117. In den darauf folgenden Jahrzehnten stieg die Anzahl der Kinderbetten und Wiegen je Haushalt leicht an, so dass schließlich seit den 1730er Jahren durchschnittlich zwischen 0,7 und 0,8 115
116 117
BECHER, Jutta: Auf Kufen und Rädern – Zur Geschichte der Wiege und des Kinderwagens, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 59-70; ZIESSOW, Karl-Heinz: Geburtsbett und Wiege: Die Freiheit in der Horizontalen, in: HENNING, Nina; MEHL, Heinrich (Hgg.): Bettgeschichte(n). Zur Kulturgeschichte des Bettes und des Schlafens (Arbeiten auf dem Lande, Band 5), Heide in Holstein 1997, S. 71-84, hier S. 72ff. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar der Maren Christensdatter, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Thoer Nielsen, 1681).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
dieser Kinderschlafmöbel aufzufinden waren. Es gibt jedoch weder Hinweise auf die verwendeten Materialien, noch auf eine genauere Ausstattung. Lediglich die farbliche Gestaltung ist bei einigen Stücken überliefert, wie beispielsweise im Nachlass des Niels Bysteds von 1755, in dessen Haushalt „een blalig barnesenk [ein bläuliches Kinderbett]“ 118 stand, oder im Nachlass von Peder Werner Bisgaard von 1763, worin ein „en gamell fyere vugge [eine alte feurige Wiege]“ 119 verzeichnet wurde. In Stralsund zeigen sich ähnliche Tendenzen wie in Kopenhagen. Besaßen hier zu Beginn des 17. Jahrhunderts die in dieser Studie untersuchten Haushalte deutlich unter 0,1 Wiegen oder Kinderbetten, so steigerte sich deren Anzahl zum Ende des Jahrhunderts auf über 0,1 Stück. Bis 1740 kam es auch in Stralsund zu einem kontinuierlichen Anstieg der Anzahl der Kinderschlafmöbel, so dass dann durchschnittlich in jeden zweiten Haushalt eine Wiege oder ein Kinderbett vorzufinden war. Ähnlich wie in Kopenhagen lassen sich auch für Stralsund kaum nähere Angaben zur Bauweise beziehungsweise zu Besonderheiten der Kinderbettstellen machen. Lediglich Aussagen wie „eine alte Wiege“ 120, „1 Wiege nebst Betten“121 oder „1 Kinder bedtstelle“ 122 konnten den Stralsunder Inventaren entnommen werden. In vielen Haushalten, in denen keine Kinderschlaffstätten verzeichnet wurden, gibt es trotzdem deutliche Hinweise auf eigene Kinderschlafutensilien. So wurden in der Wohnung des Marten Quinnes 1711 „5 kleine bunte Kinderküssen“ 123 verzeichnet und im Inventar des Haushaltes der Gertrud Schmidten, des Baltzer Klüsen und des Johann Dircksen 1725 „3 kleine Kinderküssen“124 aufgenommen. In Riga sahen die Entwicklungen bezüglich der Verteilung der Wiegen in den Haushalten ähnlich wie in Kopenhagen und Stralsund aus. Zwischen 1661 und 1750 kam es zu einem stetigen Anstieg der Anzahlen von 0,1 auf 0,6 Kinderbetten und Wiegen. Bis 1800 stabilisieren sich die Werte dann schließlich auf einem recht hohen Niveau, sodass in jedem zweiten Haushalt ein Kinderbett 118
119
120 121 122 123 124
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 111 (Inventar des Niels Bysted, 1755). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 214 (Inventar des Peder Werner Bisgaard, 1763). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5385 (Inventar des Abraham Ehrenfried Richters, 1738). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5468 (Inventar des Herrn Wallis, 1775). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5364 (Inventar des Marten Quinn, 1711). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5367 (Inventar der Gertrud Schmidten, des Baltzer Klüsen und des Joahnn Dircksen, 1725).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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oder eine Wiege anzutreffen war. Auch die Differenzierung, etwa nach speziellen Formen, Farben, Schnitzereien und spezifischen Herstellungsmaterialien innerhalb dieser Kategorie der Möbelstücke, wurde bei der Verzeichnung der einzelnen Inventare ähnlich spärlich vorgenommen wie bereits in Kopenhagen und Stralsund. So wurden im 17. Jahrhundert bei Jacob Weckens lediglich „eine alte Wiege“125 und bei Peter Meeshen „ein Kind Bett Stelle“ 126 genannt. Nur im zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufgenommenen Inventar zum Haushalt von Heinrich Mocken erhalten wir die Information, dass „2 Wiegen von Eichenholtz worunter 1 mit schwartz Holtz ausgeleget“ 127 vorhanden waren. Bei Barbara Margaretha Gatt wurde 1706 mit „ein gelb angestrichen Kind-Bett“128 eine der wenigen Angaben zur farblichen Gestaltung gemacht. Schließlich wurden zum Ende des 18. Jahrhunderts bei Michael Weysenbreyer wieder nur „1 ord. Wieg“129 und bei Elisabeth Wilhelmina Kröger nur „eine alte Wieg“130 erwähnt. Abschließend kann man feststellen, dass auch in Bezug auf die Schlaf- und Bettenmöbel Kopenhagen quantitativ und qualitativ vor den beiden anderen hier untersuchten Städten liegt. Riga folgt an zweiter Stelle und verweist Stralsund auf den letzten Platz, ohne dass jedoch eklatante Unterschiede zwischen diesen beiden Städten deutlich werden. Gemeinsam ist allen drei Städten ein kontinuierlicher Anstieg der absoluten Zahlen vom Beginn des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts und ein anschließendes leichtes Absinken dieser Werte. Ähnliche Ergebnisse wies die Untersuchung der Wiegen und Kinderbetten auf, wenngleich es hier nach der Mitte des 18. Jahrunderts nicht zu einem Absinken, sondern zu einer Stagnation der Zahlen kommt.
4.5.
Verwahrmöbel
Bereits in der Antike wurden Kisten, Kästen und Laden in unterschiedlichster Form als Verwahrmöbel genutzt. 131 Während im Mittelalter vorwiegend Kastenmöbel in privaten Haushalten genutzt wurden, setzte mit dem Beginn der Frühen Neuzeit eine starke Differenzierung ein. Daher lassen sich die einzelnen Bauformen der in den Inventaren verzeichneten Kastenmöbel nicht immer begrifflich zuordnen, insbesondere sind Kisten und Kästen, aber auch Laden 125 126 127 128 129 130 131
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Jacob Weckens, 1665). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Peter Meeshen, 1692). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Heinrich Mocken, 1702). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar der Barbara Margaretha Gatt, 1706). StA Riga, Landvogteigericht Nr. 1379-1-1027 (Inventar des Michael Weysenbreyer, 1782). StA Riga, Waisengericht Nr. 1380-5-576 (Inventar der Elisabeth Wilhelmina Kröger, 1793). JEDDING: Das schöne Möbel, S. 15f.; MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 60ff.
102
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
und Truhen nicht in allen Fällen eindeutig von einander abzugrenzen. Auch die Bezeichnung „Koffer“ als mobiles Möbelstück, das heutzutage hauptsächlich zu Reisezwecken verwendet wird, lässt sich nicht immer eindeutig nachweisen. Man kann aber als grundlegendes Unterscheidungsmerkmal annehmen, dass die Kisten und Kästen in den meisten Fällen offen und die Koffer, Laden und Truhen geschlossen, das heißt mit einem Deckel versehen waren. Bei den zu Beginn des 18. Jahrhunderts vermehrt aufkommenden Kommoden lässt sich wiederum relativ leicht eine Abgrenzung zu den restlichen Kastenmöbeln vornehmen. Diese Möbelstücke waren nicht nur häufig verziert und in aufwendigen Grundkonstruktionen hergestellt, sondern besaßen zumeist mehrere Schubladen und keinen klappbaren Deckel. 132 Die Schränke und Schapps lassen sich einfach von den restlichen Verwahrmöbeln abgrenzen. Zumeist mit großen Türen versehen, aber auch mit Schubladen ausgestattet, standen sie bereits im Mittelalter in großen Stückzahlen als so genannte Dielenschränke in den Hansestädten.133 Bei den Regalen handelte es sich in den meisten Fällen um offene Möbelstücke, in denen hauptsächlich jene Dinge des täglichen Bedarfs gelagert wurden, die einer ständigen Nutzung unterlagen. So standen zum Beispiel die Küchenutensilien häufig in Regalen. Aber auch das Aufstellen von Büchern ist anhand der Inventare im 17. und 18. Jahrhundert nachweisbar. Besonders im 18. Jahrhundert kam schließlich die Bezeichnung des Repositoriums für Bücherregale auf. Aufgrund ihrer relativ geringen Benutzung und Beanspruchung ist bei den einzelnen Verwahrmöbeln davon auszugehen, dass sie – anders als beispielsweise bei den Stuhl- oder Tischmöbeln, die einer starken Beanspruchung ausgesetzt waren mit Bezeichnungen wie „alt“ oder „zerbrochen“ näher charakterisiert wurden – oft über einen sehr langen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten in Benutzung waren. Eines hatten aber alle Verwahrmöbel gemeinsam: Sie dienten dazu, die persönlichen Dinge der in einem Haushalt lebenden Personen zu verstauen und eine gewisse Ordnung in der Wohnung zu schaffen. Besonders im 18. Jahrhundert kam es dann schließlich mit der immer weiter voranschreitenden Differenzierung der einzelnen Bereiche der Wohnung auch bei den Verwahrmöbeln zu einer Spezialisierung. So entstanden beispielsweise Bauformen wie Küchenoder Kleiderschränke, der Reisekoffer oder das Briefrepositorium.
132
133
DOLBER: Barock-Möbel, S. 138; FRITSCH: Möbel, S. 237f.; NEUMANN, Siegfried: Lade und Koffer im bäuerlichen Mobiliar Westmecklenburgs, in: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 11 (1965), S. 123-136. MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 70ff.; MOSLER-CHRISTOPH, Susanne: Die Materielle Kultur in den Lüneburger Testamenten 1323 bis 1500, Dissertation, Göttingen 1998, S. 165ff.; SCHÄFER, Karl: Hanseatische Schapps (Niedersächsische Kunst in Einzeldarstellungen, Band 10), Bremen 1925.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
4.5.1.
103
Koffer, Kisten, Laden und Kommoden
Das im Mittelalter gebräuchlichste Verwahrmöbelstück war die Truhe. Sie wurde nicht nur zu Verwahrzwecken genutzt, sondern fungierte oft auch als Tisch, Stuhl oder als Schlafgelegenheit. 134 Zwar kam die Bezeichnung „Truhe“ in den hier untersuchten Inventaren aus den Städten Kopenhagen, Stralsund und Riga erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts beziehungsweise zu Beginn des 18. Jahrhunderts vor; die eigentliche Bauform eines rechteckigen Kastens mit einem Deckel findet sich aber auch unter der Bezeichnung „Lade“ und häufig bei einem mit „Koffer“ betitelten Möbelstück wieder. Ähnliche Probleme bei der Begriffsdefinition lassen sich für andere Regionen im deutschsprachigen Raum ebenfalls feststellen. So versuchte Bernward Denecke in Braunschweig und Umgebung die Koffer oder Runddeckeltruhen genauer zu differenzieren. Eine einhundertprozentige Zuordnung der einzelnen Bauformen zu den in den hier untersuchten Nachlassinventaren aus Kopenhagen, Stralsund und Riga genannten Möbelstücken lässt sich allerdings nicht vornehmen. 135 Nach der Blütezeit in der Formenvielfalt der Truhen während der Renaissance, als die Truhen nicht nur zahlenmäßig in den privaten Haushalten in großen Mengen vertreten waren, sondern auch in vielen unterschiedlichen Bauformen mit reichhaltigen Verzierungen auftauchten, erfolgte ein stetig andauernder Abwärtstrend in der Bedeutung als Möbelstück. Ähnlich wie bei den anderen hier untersuchten Möbelstücken kam es zu teilweise grundlegenden, modebedingten Veränderungen.136 Der größte Nachteil der truhenförmigen Möbelstücke ist, dass man nach dem Öffnen stets die oben liegenden Gegenstände herausnehmen muss, um an die darunter Liegenden zu gelangen. Um dieser Unbequemlichkeit vorzubeugen, entwickelte sich aus der grundsätzlich rechteckigen Form der Truhe die Kommode, die als „modernes“ Möbelstück besonders im 18. Jahrhundert mit unterschiedlichen stilistischen Ausformungen immer mehr an Bedeutung gewann. Die in einer Kommode verbauten Schubladen – dieses Element kennzeichnete den Unterschied zu den klassischen Truhen, Laden, Kisten und Kästen – ermöglichten es fortan, die zu verstauenden Utensilien zu sortieren und somit den Komfort beim Aufbewahren zu erhöhen. Bereits im Barock werden die Bauformen der Kommoden den gerade favorisierten Moderichtungen ange134 135
136
DOLBER: Barock-Möbel, S. 138ff.; JONGE: Holländische Möbel und Raumkunst, S. 150ff. DENECKE: Bauernmöbel, S. 161; JEDDING: Das schöne Möbel, S. 15f.; MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 44f.; WISWE, Mechthild: Bemalte volkstümliche Möbel aus dem südöstlichen Niedersachsen. Truhen – Schränke – Betten – Wiegen. Der Bestand des Braunschweigischen Landesmuseums ergänzt durch einige Beispiele in Privatbesitz (Veröffentlichungen des Braunscheigischen Landesmuseums, Nr. 38), Braunschweig 1983, S. 10. DOLBER: Barock-Möbel, S. 138.
104
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
passt, aber erst im darauf folgenden Rokoko wurden die typischen verspielten Stilelemente der Epoche verarbeitet. 137 Während im Rokoko in Südeuropa die Grundform des Kastens beim Bau der Kommoden fast vollständig aufgelöst wurde, blieb eben diese rechteckige Grundform im deutschsprachigen Gebiet erhalten. Lediglich die zumeist nachträglich angebauten Zierelemente und die Ausformung der Bauchigkeit der Seitenwände entsprachen dem gerade modernen Geschmack und der Mode der Zeit. Auch die Verzierung mit edlen metallenen Beschlägen und Malereien sowie die Verarbeitung wertvoller Intarsien waren besonders typisch für diese Epoche. 138 Aus der beschwerlichen Transportierbarkeit der Truhen resultierend entwickelte sich der Koffer. Dieser unterschied sich, wie oben bereits angesprochen, zunächst nur durch leichte Bauformveränderungen – etwa durch einen gewölbten Deckel – von den restlichen Truhenmöbeln. Seit dem 18. Jahrhundert hatte er schließlich immer mehr den Zweck eines Reisehilfsmittels zu erfüllen. So taucht in den unterschiedlichen Inventaren der Städte Kopenhagen, Stralsund und Riga immer wieder die Bezeichnung „Reisekoffer“ auf, die einen deutlichen Hinweis auf diese Benutzungsart gibt.139 Die meisten der im Rahmen dieser Untersuchung aufgenommenen Kisten und Kästen sind weder mithilfe der Angaben in den Inventaren, noch anhand einer typischen Bautechnik zu unterscheiden. Ruth E. Mohrmann vermutet einen direkten Zusammenhang zwischen dem Kasten und der Kastentruhe beziehungsweise der Kiste und der Stollentruhe. 140 Diese Vermutung lässt sich auf Grundlage der Inventare aus Kopenhagen, Stralsund und Riga nicht bekräftigen, da in einigen Inventaren sowohl Kisten und Kästen in größerem Umfang genannt wurden, als auch Laden und später sogar Truhen. Selbst der Verschluss der Kisten und Kästen mit Deckeln ist meiner Meinung nach nicht immer eindeutig gegeben, da beispielsweise im Nachlass der Frau Carnien aus Stralsund 1781 „ein kleiner Kasten; noch ein dito; noch einer“ und „ein Kasten mit Deckeln; [...]; ein Kist und dekkel“141 genannt werden. Auch für Riga sind ähnliche Beispiele verzeichnet. Im Nachlassinventar des Ernst Gotthard Hellmanns von 1788 wurden sowohl „Ein Theekästchen von mahagony Holtz nebst Deckel; [...]; ein hölzern Kiste mit ein deckell“ als auch „zwey alde Kisten ohn Dekkel; [...]; zwey braun angemahlet Kasten;
137 138
139 140 141
DOLBER: Barock-Möbel, S. 147; JONGE: Holländische Möbel und Raumkunst, S. 153ff.; NORTH: Genuss und Glück, S. 82f. BAUER; MÄRKER; OHM: Europäische Möbel von der Gotik bis zum Jugendstil, S. 63; SCHMITZ: Deutsche Möbel des Barock und Rokoko, S. L; JEDDING: Das schöne Möbel, S. 16f. HESS: Mobiliar und Wohnungsauskleidung Danzigs, S. 136. MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 60. StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar der Frau Carnien, 1781).
105
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
noch ein grün angemahlet kaste; noch ein grün dito“142 ermittelt. Schließlich lassen sich ebenso für Kopenhagen solche Aussagen treffen. Bei der Niederschrift des Nachlasses der Magdalena Bensdatter Möller wurden 1783 neben „1 gammel kase uden däksel [1 alter Kasten ohne deckel]“ auch „1 kase med decksel [1 Kasten mit Deckel]; [...]; 1 gammel kasse med däksel [1 alter Kasten mit Deckel]“ 143 vorgefunden. Das Nachlassinventar des Peter Anton Möller von 1790 weist neben „een kasse [Ein Kasten]; [...]; een fueren gammel Kasse [ein feuerner alter Kasten]; [...]; een blaa kase [ein blauer Kasten]“ auch die Verzeichnungen von „een füren kasse og däksell [1 feuerner Kasten und Deckel]; [...]; een blaw kasse med daekksell [ein Kasten mit Deckel]; een fueren dito dito [ein feuerner Kasten mit Deckel“144 auf. 2,5
2
Anzahl
1,5
1
0,5
0
Koffer
Kisten und Kästen
Laden und Truhen
Kommoden
Diagramm 6: Durchschnittliche Anzahl der Kastenmöbel in Kopenhagen
Für Kopenhagen lässt sich ein homogener Verlauf bei der Zunahme beziehungsweise Abnahme der Nutzung der unterschiedlichen Kastenmöbel vom 17. 142 143
144
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Ernst Gotthard Hellmann, 1788). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar der Magdalena Bensdatter Möller, 1783). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 21, 1795-1796 (Inventar des Peter Anton Möller, 1790).
106
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
zum 18. Jahrhundert feststellen. Besonders deutlich wird dies, wenn wir beispielsweise die Abnahme des Vorkommens der Kisten und Kästen in den Inventarverzeichnungen betrachten. Hier sank die Zahl von durchschnittlich zwei Möbelstücken zwischen 1681 und 1690 auf fast die Hälfte zwischen 1791 und 1800 mit nur noch einem absoluten Wert von 1,1. Waren etwa 1681 bei Peder Nielsen noch „1 kasse [1 Kiste]; [...]; 2 gammel fueren Kass [2 alte feuerne Kisten]; [...]; 1 füre kase [1 feuerne Kiste]“ 145 vorhanden, so stand beispielsweise 1778 im Haushalt des Peder Hoppe lediglich „een gammel kasse [1 alte Kiste]“ 146. Eine ähnliche Abnahme ist auch für die Benutzung der Laden beziehungsweise der Truhen festzustellen – eine genaue begriffliche Zuordnung kann auf Grundlage der Nachlassinventare nicht erfolgen. Bei diesen Möbelstücken fiel der prozentuale Anteil von durchschnittlich 0,7 zwischen 1681 und 1690 auf durchschnittlich 0,1 im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, was in diesem Fall einen Rückgang auf 15 Prozent des ursprünglichen Wertes bedeutet. Das heißt, dass von einer zunächst vorhandenen Präsenz in durchschnittlich fast jedem Haushalt in Kopenhagen die Laden und Truhen auf ein Vorkommen von einem Stück in jedem zehnten Haushalt zurückgingen. So seien hier die Beispiele aus den Nachlässen von Lorentz Mohr aus dem Jahr 1681 mit „een Kist [eine Truhe/Lade]; […]; een gaml fueren Kist [eine alte feuerne Truhe/Lade]; […]; een smaa gaml Kist [eine kleine alte Truhe/Lade]“ 147 und des Isach Jacobsen aus dem selben Jahr mit „1 fuerenn Kiste [1 feuerne Truhe/Lade]; [...] 1 Kist [1 Truhe/Lade]“148 genannt. Zum Ende des 18. Jahrhunderts lassen sich nur vereinzelte Hinweise auf das Vorkommen von Truhen und Laden nachweisen, so beispielsweise im Nachlassinventar von Peder Hoppe von 1778 mit „een Kist [1 Truhe/Lade]“ 149 und bei Anne Brigitte Sörensdatter 1796 mit „1 fueren gammel Kistte [1 feuerne alte Truhe/Lade]“ 150. Die häufig offenen sowie zumeist monofunktionalen Bauarten der Kisten und Kästen beziehungsweise die einfachen Laden und Truhen verloren den Inventaren aus Kopenhagen zufolge vom Ende des 17. zum Ende des 18. Jahrhunderts also immer mehr an Bedeutung und wichen den Kommoden.
145 146
147 148 149 150
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Peder Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 6, 1780 (Inventar des Peder Hoppe, 1778). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Lorentz Mohr, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Isach Jacobsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm (Inventar des Peder Hoppe, 1778). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm (Inventar der Anne Birgitte Sörensdater, 1796).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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In der Abbildung vier ist eine mit reichhaltigen Intarsienarbeiten ausgestattete Lade oder Truhe aus Kopenhagen der Zeit zwischen 1620 und 1640 dargestellt. Diese Art von Kastenmöbeln stand in diesen Jahrzehnten in vielen Kopenhagener Haushalten.
Abbildung 4: Truhe mit Intarsienarbeiten, um 1630, Nationalmuseum Kopenhagen
Zu einem Zuwachs der durchschnittlichen absoluten Zahlen in Kopenhagen kam es besonders im Bereich der Kommoden. Lassen sich zwischen dem Ende des 17. Jahrhunderts durchschnittlich 0,1 Kommoden in jedem Kopenhagener Haushalt nachweisen, so waren es zum Ende des 18. Jahrhunderts bereits 0,4 – ein Anstieg auf das Vierfache. Der Höchststand im Besitz von Kommoden in den Kopenhagener Haushalten war allerdings nicht im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts zu verzeichnen, sondern bereits zwischen 1741 und 1780. Zum Ende des Jahrhunderts fiel die absolute Zahl dieser Möbelstücke wieder etwas ab. Christian Claudi besaß zum Zeitpunkt seines Todes 1681 bereits „een Kommod [eine Kommode]; [...]; een fürenn Komod [eine feuerne Kommode]“ 151 und nahm damit die Rolle des Spitzenreiters in Bezug auf den Besitz von Kommoden in dieser Zeit ein. Die beiden Kommoden „1 Kommode [1 Kommode]; [...]; een gullig Komode [1 gelbliche Kommode]“ 152 von Thomas von Recken, die 1750 verzeichnet wurden, stellten zu diesem Zeitpunkt dann keine große Besonderheit mehr dar. 151 152
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Christian Claudi, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm (Inventar des Thomas von Recken, 1750).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Ähnliche Zahlen lassen sich auch in anderen Inventaren nachweisen, beispielsweise 1751 bei Hans Michelsen Ludsinsky, der mit „een fuierren Komod [eine feuerne Kommode]; [...]; een gammel füren Kommod [1 alte feuerne Kommode]“ 153 ebenfalls zwei Kommoden in seinem privaten Haushalt besaß. Bei den Koffern sind ähnliche Trends wie bei den Kommoden festzustellen. Auch hier ist ein gleichmäßiger Zuwachs vom Ende des 17. Jahrhunderts, mit durchschnittlich 0,1 Koffer je Haushalt, bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts, mit durchschnittlich 0,4 Koffer zu verzeichnen. Wurden in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts lediglich vereinzelt Koffer in den Inventaren genannt. 154 Stieg deren Anzahl bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts stark an. Im Nachlassverzeichnis von Isaak Olsen Lethau von 1751 wurden mit „een gammel füren Kuffertt [1 alter feuerner Koffer]“ und „een sort egen Kuffertt [ein schwarzer eichener Koffer]“ 155 bereits zwei Koffer verzeichnet. Vier Jahre später fanden sich im Nachlass von Peder Larsen mit „en sort gammel Kufert [1 schwarzer alter Koffer]; [...]; een gammel sort eggenn Kufertt [ein alter schwarzer eichener Koffer]; [...]; en blaalig Kufert [ein bläulicher Koffer]“ 156 sogar drei Koffer. Zum Ende des 18. Jahrhunderts fielen die absoluten Zahlen der in den Inventaren verzeichneten Koffer dann wieder etwas ab und lagen schließlich bei durchschnittlich 0,3 Koffermöbeln je verzeichnetem Haushalt. Beim Vergleich der absoluten Zahlen fällt auf, dass es deutlich mehr Kisten, Kästen und Laden in einem Haushalt des ausgehenden 17. Jahrhunderts gab als Koffer, Truhen und Kommoden am Ende des 18. Jahrhunderts. Diese Beobachtung erklärt sich daraus, dass die Möbelstücke, die mit verschiedenen Schubladen oder einzelnen Schranktüren ausgestattet waren, größer waren als beispielsweise Kisten und Kästen, in denen sich deutlich weniger Utensilien unterbringen ließen. Dem besonders im 18. Jahrhundert in den Inventaren verzeichnete zahlenmäßige Zuwachs des Besitzes unterschiedlicher Dinge des täglichen Bedarfs – etwa Kleidung und Geschirr – wurde demzufolge innerhalb der einzelnen privaten Hausstände Rechnung getragen. 153
154
155
156
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 53; 1751-1752 (Inventar des Hans Michelsen Ludsinsky, 1751). Wie etwa 1681 bei Christian Claudi „een egen kuffert [ein eichener Koffer]“ und im Nachlass des Otto Povisk 1684 „een fuerren kufert [1 feuerner Koffer]“; vgl.: Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm (Inventar des Christian Claudi, 1681) und Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Otto Povisk, 1684). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 53; 1751-1752 (Inventar des Isaac Olsen, Lethau, 1751). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 111 (Inventar des Peder Larsen, 1755).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
2,5
2
Anzahl
1,5
1
0,5
0
Koffer
Kisten und Kästen
Laden
Truhen
Kommoden
Diagramm 7: Durchschnittliche Anzahl der Kastenmöbel in Stralsund
Ähnlich wie in Kopenhagen ist auch in Stralsund im Bereich der einfachen Kastenmöbel im Untersuchungszeitraum ein deutlicher Rückgang festzustellen. Zwischen 1600 und der Mitte des 17. Jahrhunderts kam es in der Benutzung der Kisten, Kästen und der Laden zunächst zu keinem nennenswerten Rückgang. Das Vorkommen der Kisten und Kästen stieg in der Mitte der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sogar noch etwas an. In dem 1604 verzeichneten Haushalt von Johann Graßelenn und in dem Nachlass von Martin Siemensdorff von 1621 wurde beispielsweise jeweils nur „1 Kiste“ 157 genannt. Hans Fettericken besaß 1635 als Kastenmöbel lediglich „2 alte kisten.“158 Seit dem Jahrzehnt zwischen 1681 und 1690 verringerte sich – ähnlich wie in Kopenhagen – die Anzahl der Laden in den verzeichneten Inventaren zwischen 1791 und 1800 von 0,5 auf 0,1. Im Bereich der Kisten und Kästen begann diese Rückentwicklung rund ein Jahrzehnt später, setzte sich dann aber 157
158
StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5072 (Inventar des Johann Graßelenn, 1604); StA HST, Rep. 3, Nr. 5081 (Inventar des Martin Simensdorff, 1621). StA HST, Rep. 30, Nr. 167 (Inventar des Hanß Fettericken, 1635).
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
mit der gleichen Kontinuität fort. Der Bestand der Kisten und Kästen sank demnach im gesamten hier beleuchteten Untersuchungszeitraum auf 77 Prozent des ursprünglichen Bestandes. Die Laden verringerten ihren Anteil in den Haushalten sogar um 22 Prozent. Trotzdem lassen sich in manchen Haushalten auch in der Mitte des 18. Jahrhunderts unzählige Kisten und Kästen nachweisen, wie das Beispiel von Abraham Ehrenfried Richters zeigt: „ein mit schwartzem Leder bezogener und mit Messing beschlagener Coffre; […]; ein eichen Coffre mit eisen beschlage; […]; noch ein mit eisen beschlagener alter Coffre von feuern Holtz; […]; ein eichener mit grün angemalter mit eisen beschlagener Coffre; […]; 3 große Kisten mit Betten; eine kleinere dito; […]; eine ledige Kiste; […]; noch eine ledige Kiste; noch eine dito; noch eine; […]; eine ledige Kramkiste.“ 159 Die Untersuchung der Truhen, Kommoden und Koffer zeigte ähnliche Tendenzen wie in Kopenhagen. Wurden die Koffer beispielsweise in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nur sehr sporadisch genannt und kamen nach den Angaben in den Inventaren lediglich in jedem zwanzigsten Haushalt vor, wurden die Truhen und Kommoden in diesem Zeitraum überhaupt nicht erwähnt. Die ersten Hinweise auf den Besitz von Kommoden in den Nachlässen finden sich erst kurz vor der Jahrhundertwende zum 18. Jahrhundert. Das erste Verzeichnen einer Truhe erfolgte sogar erst in den 1720er Jahren. Im Nachlass von Herrn Mehlen aus dem Jahr 1726 finden neben unzähligen Textilien lediglich vier dieser Möbelstücke Erwähnung: „ein alt großer Kasten; eine Schrage, eine Truhe; eine alte Bestelle“160. Den Höhepunkt des Besitzes von Koffern und Kommoden in Stralsund bildete auch hier, ähnlich wie in Kopenhagen, die Mitte des 18. Jahrhunderts. So besaß beispielsweise Hinrich Boldten zum Zeitpunkt seines Todes 1704 nicht nur „1 klein Lädchen schloßfest“161, eine größere Menge Schränke und Schapps zu denen ich in einem späterem Kapitel genauere Ausführungen machen werde, sondern auch „1 auff gleiche ahrt gemachter Kuffer [aus Eichenholz], schloßfest, gleicher größe welcher eingedrückett, vol mit schwartzem leinen zeuge; […]; 1 Eich guht beschlagen schloßfester Kuffer; […]; 1 groß braun Küffer; […]; 1 großer schloßfester Kuffer voller Acten.“162 Aber auch im 1775 verzeichneten Haushalt von Advokat Hercules ist neben den Koffern, Laden und Truhen bereits eine größere Anzahl der teureren und repräsentativen Kommoden vorhanden. Anhand dieses Inventars lassen sich darüber hinaus sehr gut die Größe und der genaue Verwendungszweck der einzelnen Verwahrmöbel feststellen. Die einfachen und nicht besonders reprä-
159 160 161 162
StA HST, Rep. 3, Nr. 5385 (Inventar des Abraham Ehrenfried Richters, 1738). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5367 (Inventar des Herrn Mehlen, 1726). StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704). StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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sentativen Koffer wurden hier für alle Arten von Textilien genutzt. Zu jedem Koffer wurden die darin gelagerten Utensilien verzeichnet: „1 ausgefegter großer Cofre mit 1 Wachstüchern deckel, darin: 52 ½ Ellen feine holländisch Leinen; 1 drellen Tischlacken; 2 heedenTischlacken; 18 Stück heeden Servietten; 12 dito flechsen dito; 12 dito dito dito; 6 dito dito dito; 6 dito dito dito; 13 dito dito dito; 12 dito dito dito; 6 dito dito dito; 2 Tischlacken Brettspiel Muster; 12 Stück heeden Servietten; 4 dito dito handtücher; 1 flechsen Tischlacken; 1 heeden dito mit 8 Servietten rösten Muster; 4 flechsen handtücher; 1 dito Tischlacken; 1 dito dito; 1 dito dito; 1 heeden dito; 1 paar flechsen Bettlacken, 2 Küßenbühren; 1 dito dito dito; 1 dito dito dito; 1 dito dito dito; 1 dito dito dito; 1 dito dito dito; 1 dito dito dito; 3 handtücher; 1 Tischlacken mit 12 Servietten; 4 Stück Manns Hemder; 1 heeden Tischlacken; 8 Stück heeden Servietten Ein nußbaumen ausgelegter Coffer, darinnen: die decke; 8 tt flechsen Garn; 7 tt dito dito; 1 ½ tt weiß flechsen Garn; 7 tt heeden Garn; 1 rothgewürfelte Bettdecke, 2 Gardinen, 1 Kranz; 5 Ell. Cartun; 1 Stoffen Schlafrock und Futterhemd; roth taften Windel und Kinderzeug; 4 fenster Gardinen; 1 überzeug auf einen Nachttisch; 1 Tuch worinn verschiedene Kleinigkeiten; 1 paar Warnendorfer Bettlacken, 2 Küßenbühren; 1 paar flechsen dito, 2 Küßenbühren; 1 dito dito dito dito; 2 alte Tischlacken; 2 dito dito; 1 dousine Servietten; 1 dito dito; 1 dito dito; 1 alt Tischlacken, 1 dousine Servietten; 2 alte drellen Tischlacken; 1 drellen dito; 1 alte dito; 1 dousine Servietten; 2 kleine Tischlacken; 12 heeden Servietten; 1 klein Tischlacken, 9 Servietten; 4 heeden Handtücher; 1 paar flechsen Bettlacken, 2 Küßenbühren; 1 dito heeden dito, 1 dito; 1 dito dito, 1 dito; 1 dito dito, 1 dito; 1 heeden Tischlacken; 51 Ell 6/4 breit flechsen Lein; 42 Ell 5/4 El breit dito dito; Rauchwerck zum Pellin; 3 Stück küßenüberzüge; 20 Ell rantigt Lein; 1 grün seiden Bettlacken Ein grüne Eichne beschlagener Coffre nebst decke, darinnen 16 Ell. 1 ½ Ell breit flechsen Lein; 1 drellen Tischlacken; 1 flechsen dito mit 18 Servietten; 15 Ell. 5/4 breit drell; 1 Tischlacken 7 Ell. Lang; 20 Ell. 1 ½ Ell. breit drellen; 6 ½ Ell 7 ½ Ell. breit dito; 1 drellen Tischlacken 18 Servietten; 3 Ell. Drell; 19 Ell. Drell; 12 Ell. Drell; 19 Ell drell; 33 Ell. heeden drell; 31 Ell. gransaugen drell; 9 Ell. dito dito; 8 Ell. dito dito; 4 Ell drell; 1 klein dito Handtuch; 1 drellen Tischlacken; 1 dito dito, 14 Servietten Ein grüner eichen beschlagener Coffre, darinn: Ein wachstuchen Decke; 2 gransaugen Tischlacken; 2 dito dito; 2 dito dito; 3 Handtücher; 3 gransaugen dito; 1 paar heeden Bettlacken, 2 Küßenbühren; 1 dito dito, 2 Küßenbühren; 5 heeden Handtücher; 1 groß Tafellacken nebst 12 Servietten; 1 paar flechsen Bettlacken, 2 Küßenbühren; 1 dito dito dito, 2 dito; 1 dito dito dito, 2 dito; 1 dito dito dito, 2 dito; 1 paar flechsen Bettlacken, 1 Küßenbühr; 1 dito dito, 2 dito; 6 Stück heeden Servietten; 2 flechsen Tischlacken mit 17 Servietten; 8 Stück drellen Servietten; 5 dito heeden dito; 1 drellen Tischlacken; 1 heeden dito; 4 flechsen Handtücher; 1 dousine flechsen Servietten; 1 Tischlacken, 6 Servietten; 5 Stück heeden dito; 9 Stück flechsen dito; 4 alte Handtücher; 1 heeden unterbett, 2 Pfühle überzügen; 1 dito dito, 2 Küßen di-
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Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
to; 1 dito dito, 2 dito dito; 1 dito dito, 1 ober Bett, 1 Pfühl dito; 39 Ell. Bührenzeug; 38 Ell. breit gestreift dito; 27 Ell. Bührenzeug; [...] 1 Schwartzer Coffre, darinnen: 9 rothe Bettgardinen, 11 Kränse mit seiden litzen; 3 paar heeden Bettlacken; 3 heeden gransaugen Tischlacken; 4 dito dito; 3 dito dito handtücher; 5 dito dito dito; 2 Plättlacken, 1 Küßenbühr; 14 Stück Frauens Hemder; [...] 1 reise Coffre, darinnen: 1 fein drellen Tischlacken mit 21 Servietten; 2 dammasten Tischlacken mit 30 Servietten; 1 flechsen drellen dito mit 9 dito; 2 heeden Tischlacken mit 17 Servietten; 1 flechsen dito mit 10 dito; 1 heeden dito mit 11 dito; [...] 1 kleiner feuern Coffre, darin: 2 stk. gestreift unter, 1 oberbett, 1 Pfühl, 1 Parchamsch, 1 rautig Küssen.“163 Zu den Truhen und Kommoden waren beim Advokat Hercules keinerlei Inhaltsangaben genannt. Sie wurden lediglich als einzelne Möbelstücke verzeichnet. „In der hinter Stuben [...]; 1 feuern Kommod; [...] In der zweyten Hinterstuben [...]; 1 Truhen; [...] Oben auf dem Kemladen [...]; 1 Tragkasten; [...] Hierbey an 1 Stube [...]; 1 alte Lade; [...] Auf dem unterstall Boden [...]; 1 alter Kasten; [...]; 1 Kasten; [...]; 1 Lade; [...]; 4 Kasten; [...]; 1 Schifskasten In der Stube unten im Hause Rechter Hand [...]; 1 blechern Teekasten; [...] In der Stube neben an [...]; 1 Truhe; [...] Auf der Diele [...]; 1 Kasten.“164 Abbildung fünf zeigt eine besonders aufwendig gearbeitete Kommode aus der Zeit um 1760. Nicht nur die typisch geschwungenen Rokokoformen mit den gewölbten Seitenteilen fallen hier auf, sondern auch die reichhaltigen Intarsienarbeiten und die verzierten Beschläge, wobei sowohl die Schlosseinfassungen und Griffe wertvoll gearbeitet als auch die Füße und Seitenkanten mit Schmuckelementen versehen sind. Zum Ende des 18. Jahrhunderts hin nahm die Anzahl der Koffer und Kommoden in den Stralsunder Inventaren wieder ab und pegelte sich schließ163 164
StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
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lich auf einen niedrigeren Wert ein, so dass nun in jedem fünften Haushalt durchschnittlich ein Koffer beziehungsweise eine Kommode anzutreffen war. Lediglich bei den Truhen kam es zu einem kontinuierlichen Anstieg in den einzelnen untersuchten Jahrzehnten. In den letzten zehn Jahren des 18. Jahrhunderts lag die durchschnittliche in den Inventaren verzeichnete Anzahl der Truhen bei 0,1 Stück je Haushalt.
Abbildung 5: Kommode um 1760, norddeutsche oder skandinavische Arbeit, Kulturhistorisches Museum Stralsund
Das bedeutet demnach, dass die Koffer, Truhen und Kommoden im Verlauf der zwei hier beleuchteten Jahrhunderte immer mehr an Bedeutung gewannen, die Anzahl der Kisten, Kästen und Laden aber deutlich höher lag. Der durchschnittliche Stralsunder Bürger besaß als Kastenverwahrmöbel also häufiger die altbewährten Stücke und verzichtete darauf, sich die neueren und teurer verarbeiteten Modemöbel anzuschaffen. In Riga kam es vom Ende des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ebenso wie in Kopenhagen und Stralsund zu einem allmählichen Absinken der absoluten Anzahl der Kisten und Kästen innerhalb der in den Inventaren verzeichneten Haushaltsnachlässe. Auch bei den als Lade bezeichneten Möbelstücken wurde ein leichter Rückgang in der Bedeutung beziehungsweise dem Gebrauch in den privaten Haushalten festgestellt. Bei diesen beiden Kastenmöbelstücken war der Rückgang des Vorkommens in den Nachlässen allerdings nicht so deutlich zu beobachten wie etwa in Stralsund und in Kopenhagen. Die Kisten und Kästen gingen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lediglich auf knapp 80 Prozent ihres ursprünglichen Vorkommens in den Haushalten zurück und bei den Laden verringerte sich die Anzahl sogar nur auf 88 Prozent
114
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
des ursprünglichen Wertes. So befand sich im 1672 verzeichneten Nachlass von Johan Opdenohl nicht nur „eine alte kisten ohne deckel; [...]; zwey schwarz bemalte kisten; [...]; ein zerbrochen alte kisten“, sondern auch „eine einfache Lade.“ 165 Auch im zwölf Jahre später verzeichneten Nachlass von Conrad Wittendorff befanden sich „eine grüne Kist; [...]; ein alter Kasten; [...]; einen feuren Kisten“ und „ein ladgen mit deckell; [...]; noch ein ladgen.“166 2,5
2
Anzahl
1,5
1
0,5
0
Koffer
Kisten und Kästen
Laden
Truhen
Kommoden
Diagramm 8: Durchschnittliche Anzahl der Kastenmöbel in Riga
Auch im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts lassen sich noch zahlreiche Erwähnungen von Kästen, Kisten und Laden finden, so auch bei David Ludwig Gabain, dessen Nachlass 1783 inventarisiert wurde und bei dem neben „1 Kiste für Leinen; [...]; noch 1 Kiste für Lein; [...]; 1 Teekasten“ auch „1 alte Lade; [...]; 1 rot gemalt Lad“167 vorgefunden wurden. Ähnlich wie in Kopenhagen und Stralsund gewannen seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und insbesondere seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts die Koffer immer mehr an Bedeutung. Befanden sich in der Mitte des 17. Jahrhunderts in den einzelnen Haushalten lediglich durchschnittlich 0,1 Koffer, so wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts bereits die doppelte Anzahl dieses Möbelstücks verzeichnet. In der Mitte des 18. Jahrhunderts fanden sich in den 165 166 167
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Johann Opdenohl, 1672). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Conrad Wittendorff, 1684). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des David Ludwig Gabain, 1783).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
115
untersuchten Inventaren durchschnittlich 0,3 Koffer je Haushalt. So auch 1733 bei Paul Wagler, bei dem „ein alter grüner Kofer; [...]; noch ein alter Kofert“ 168 vorhanden waren. Diese Zahlen fielen schließlich bis zum letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts auf durchschnittliche 0,2 Exemplare je Haushalt. Im Nachlass von Johann George Lehmann wurde 1797 beispielsweise lediglich „ain Rayskuffert“169 verzeichnet. Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wurden Kommoden und Truhen in den Inventaren häufiger erwähnt. Während zwischen 1701 und 1710 durchschnittlich nur in jedem zwanzigsten Haushalt eine Kommode festgestellt werden konnte, erhöhte sich deren Anzahl bis zur Mitte des Jahrhunderts deutlich. So befand sich 1706 im Haushalt der verstorbenen Barbara Margaretha Gatt „eine Kommod“170 und im Nachlass von Paul Brockhansen 1712 standen „ein feuren Kommode mit 3 Schiebblahden“ und „1 blaawlig Lade“171. Im Inventar des Rigaer Kaufmanns Anton Hulsen aus dem Jahr 1787 lassen sich deutlich der dekorative und repräsentative Charakter sowie die Bedeutung der Kommoden innerhalb der jeweiligen Wohnungseinrichtung erkennen, denn neben den Kommoden 172 wurden auch noch: „Sechs braungebeitzte Stühle, mit Cattun überzogen; Ein runder braungebeitzter Tisch; [...]; Zwei braungebeitzte Lombre Tisch, worauf drey Decken von grünem Rasch befindlich; [...]; Ein braunghebeitzter Eckschrancken, oben mit einer Glasthüre und einem grün seiden Vorhang; [...]; Ein Pult von mahagony Holtz mit einem mit Schubladen versehenen nußbaumen Fußgestell; [...]; zwey mahagony holtzern Eckschrancken mit Glasthüren dazu“173 genannt, die zusammen mit den Kommoden ein klar definiertes Einrichtungsensemble innerhalb der Räume bildeten. Abschließend lässt sich für die drei hier untersuchten Städte feststellen, dass die wichtigsten Kastenmöbel im 17. und 18. Jahrhundert die Kisten und Kästen waren, wenngleich ihre Bedeutung im Laufe der zwei Jahrhunderte stetig abnahm. Durchschnittlich waren in jedem der untersuchten Haushaltsinventare zu Beginn des betrachteten Zeitraumes mindestens zwei Stücke vertreten und am Ende des 18. Jahrhunderts immer noch mindestens ein Stück dieser Möbelart. 174 168 169 170 171
172
173 174
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Paul Waglers, 1733). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Johann George Lehmann, 1797). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar der Barbara Margaretha Gatt, 1706). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Paul Brockhansen, 1712). „ein braungebeitzte Comoden mit ein porcellainen Puppen darauff; […]; ein mahagony holtzern Commod; […]; Eine gebeitzte Nachtkommode“; vgl.: StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Anton Hulsen, 1787). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Anton Hulsen, 1787). Ähnliche Tendenzen lassen sich vergleichend auch in Danzig feststellen. Lediglich in den Untersuchungen zu Greifswald ergeben sich andere Ergebnisse. Dort waren die
116
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Die Kommoden begegnen uns in den hier untersuchten Haushaltsinventaren selten. Während sie zum Ende des 17. Jahrhunderts sowie zu Beginn des 18. Jahrhunderts erstmals auftraten, vermehrte sich ihre Anzahl in den Inventaren zwar stetig, erreichte zum Ende des 18. Jahrhunderts aber nur einen Anteil von einem Stück in jedem zweiten Haushalt in Kopenhagen, jedem vierten Haushalt in Riga und schließlich jedem fünften untersuchten Haushaltsinventar in Stralsund.
4.5.2.
Schränke und Schapps
In den Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts ist der Unterschied zwischen Schränken und Schapps nur sehr schwer auszumachen. 175 So begegnen uns in ein und denselben Inventaren sowohl Schränke als auch Schapps, wie zum Beispiel in der Verzeichnung des Stralsunder Nachlasses des Hofrates Ike von 1776: „An Meublen und Haußgeräth auf der Diele 1 groß Schapp; 1 groß Schapp; 1 groß Schapp mit 4 thüren; 1 klein Schapp; 1 Schapp In der Vorstube [...]; 1 klein Schapp mit Fuß; [...] Im 2ten Hinterzimmer 1 Kleiderschapp mit 2 Thüren; 1 Schapp mit 1 Fuß; 1 Schapp mit 1 Fuß lackiert; 1 Schapp mit 1 Fuß; [...] Im 3ten Hinterzimmer 1 Schapp mit 3 Thüren; 1 klein Schapp […] An Meublen und Haußgeräth auf der Diele 1 klein Eckschrenke; [...] In der Hinterstube
175
Laden von weitaus größerer Bedeutung, was zum einen der nicht immer eindeutigen Begrifflichkeit geschuldet sein mag, zum anderen aber auch mit der relativ dünnen Quellenlage begründet werden kann. Belegen in Greifswald die Kisten und Kästen den zweiten Platz bei der Häufigkeit in den überlieferten Inventaren, so sind es in Kopenhagen, Stralsund und Riga – ebenso wie in Danzig – während der gesamten Untersuchungsphase die Laden. Die Koffer, die erst seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in Danzig, Kopenhagen, Stralsund und Riga immer mehr in Gebrauch kamen, gewannen stetig an Bedeutung, so dass schließlich zum Ende des 18. Jahrhunderts in circa jedem vierten bis fünften Haushalt ein solches Möbelstück vorkam. Für Greifswald lässt sich für den Zeitraum um 1800 sogar in durchschnittlich jedem Haushalt ein Koffer nachweisen. Vgl.: DRIESNER: Materielle Kultur in Greifswald, S. 41 und HESS: Die materielle Wohnkultur Danzigs, S. 109. DUNKEL, Heinz: Mittelalterliche Schränke in den Lüneburger Frauenklöstern, Dissertation, Köln 1995; MOSLER-CHRISTOPH: Die Materielle Kultur in den Lüneburger Testamenten, S. 165ff; SCHMIDT-WIEGAND, Ruth: Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung, Berlin-New York 1981.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
117
[...]; 1 Eckschrenke; [...] Im 2ten Hinterzimmer [...]; 1 klein Schranckgen; 1 Kleiderschrank; [...] Im 4ten Hinterzimmer 1 Kleiderschrank mit 2 Thüren“.176 Ähnliche Schwierigkeiten in der semantischen Zuweisung werfen auch die Inventare aus Riga auf. Beispielsweise besaß Christian Abraham Major zum Zeitpunkt seines Todes 1783 neben Kleiderschapps auch Kleiderschränke, ohne dass ein Unterschied in Funtionsweise oder Erscheinungsbild deutlich wird.177 Ruth E. Mohrmann und Uwe Meiners sind in ihren Untersuchungen zur Wohnkultur in anderen Regionen ebenfalls auf diese Begriffsproblematik gestoßen, so dass im Allgemeinen konstatiert werden kann, dass die Begriffe nur schwer abzugrenzen waren und teilweise synonym gebraucht werden. 178 Seit dem 15. Jahrhundert, besonders aber im 17. und 18. Jahrhundert kam es zu zahlreichen Änderungen und Neuerungen im Bereich der Schrank- und Schappmöbel. Seit der Renaissance bildete sich der klassische zweitürige Dielenschrank in Norddeutschland heraus. Er besaß nicht nur die Funktion eines Verwahrmöbels, sondern nahm ebenfalls als repräsentatives Element einen hervorgehobenen Platz in der bürgerlichen Wohnungseinrichtung ein. Wie schon bei den oben untersuchten Möbelstücken festgestellt, spielten in diesem Kontext exklusive Furniere, Bemalungen und wertvolle Schnitzereien eine besonders wichtige Rolle. Die seit der Spätgotik gewohnte traditionelle Bauweise der Schränke und Schapps blieb in Norddeutschland – ähnlich wie in den Niederlanden, die auch bei dieser Möbelart eine wichtige Trend setzende Region darstellten – noch bis weit ins 18. Jahrhundert erhalten. Lediglich die Beschläge und Verzierungen wurden variiert und der aktuell üblichen Mode angepasst. 179 Besonders an den Fürstenhöfen wurden im Rokoko die französischen Schrankmöbel als Vorbilder kopiert. In den bürgerlichen Schichten im Norden des Reiches blieben jedoch zunächst die alten Formen, beispielsweise des zweitürigen Kleiderschrankes beziehungsweise des viertürigen Schrankes, bestehen. Es gab lediglich kleinere Veränderungen in der Gestaltung der äußeren Zierelemente und einzelne Variationen in der Art der Beschläge, was auf neue Entwicklungen in der Mode hinweist. 180 Neben den klassischen großen Dielenschränken entwickelten sich in Norddeutschland, vom französischen Rokoko beeinflusst, neue und kleinere 176 177 178 179 180
Vp LA HGW, Rep 73, Nr. 185 (Inventar des Hofrats Ike, 1776). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Christian Abraham Major, 1783). MEINERS; MOHRMANN; ROTH: Inventare als Quellen, S. 103ff.; MOHRMANN: Alltagswelt im Land Braunschweig, S. 43. JEDDING: Das schöne Möbel, S. 18ff.; JONGE: Holländische Möbel und Raumkunst, S. 75ff., 105ff.; FEULNER: Kunstgeschichte des Möbels, S. 208. BAUER; MÄRKER; OHM: Europäische Möbel von der Gotik bis zum Jugendstil, S. 63ff.
118
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
Schranktypen. Das Raumempfinden und das Möbelensemble sollten auf diese Weise nicht durch die großen und wuchtigen Schränke und Schapps gestört werden. In der Folge fanden sich in immer größeren Stückzahlen kleine Eckschränke, Kabinettschränkchen, Spiegelschränke und Anrichten in den Wohnungen der einzelnen Schichten der Stadtbevölkerung von Kopenhagen, Stralsund und Riga. 181 4,5 4 3,5
Anzahl
3 2,5 2 1,5 1 0,5 0
Kopenhagen
Stralsund
Riga
Diagramm 9: Durchschnittliche Anzahl der Schränke und Schapps in Kopenhagen, Stralsund und Riga
Die durchschnittliche Verteilung der Schrankmöbel in Kopenhagen steigerte sich in kürzester Zeit von einem relativ niedrigen auf ein sehr hohes Niveau. Die zunächst zwischen 1681 und 1690 durchschnittlich verzeichneten 1,6 Stücke verdreifachten sich etwa bis in die 1720er und 1730er Jahre. Zwischen 1741 und 1750 kam es zu einem kleinen Einbruch beim Besitz der Schrankmöbel in Kopenhagen. Zum Ende des Jahrhunderts stabilisierte sich deren Anzahl in den Kopenhagener Haushalten dann wiederum auf durchschnittlich fast vier Schränke in jedem durch ein Inventar verzeichneten Nachlassinventar.
181
DOLBER: Barock-Möbel, S. 90; JEDDING: Das schöne Möbel, S. 20; SCHMITZ: Deutsche Möbel des Barock und Rokoko, S. XVff.
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
119
Wurden 1681 im Inventar des Jens Nielsen lediglich von „een Skapp [1 Schrank]; [...]; en gamell Skap [1 alter Schrank]“ 182 berichtet und bei Peder Nielsen im selben Jahr auch nur „1 füren Skabb [1 feuerner Schrank]“183 vorgefunden, so wurde 19 Jahre später bei Elisabeth Sontmann bereits fünf verschiedene Schränke bei der Inventarisierung des Nachlasses aufgenommen. 184 Im Nachlass der Anna Andersdatter von 1730 wurden erstmals Hängeschränke erwähnt. Auffällig ist hier allerdings, dass sie in der Wohnung gleich in mehrfacher Anzahl vorgefunden wurden; so hieß es unter anderem: „1 licht Henge skab [1 heller Hängeschrank]; [...]; 2 Hengeskabe [2 Hängeschränke]; [...]; 1 licht Conthoirskab [1 heller Kontorschrank]; [...]; 1 Madskab med 2 döre [1 Essenschrank mit 2 Türen]; 1 dito med 1 döre [1 dito mit 1 Tür].“185 Vom Ende des 18. Jahrhunderts ist ein an Schrank- und Kastenmöbeln besonders reichhaltiges Inventar aus Kopenhagen überliefert. In diesem Nachlass von Johan Lorentz Pallast, welcher 1781 inventarisiert wurde, fanden sich unter anderem: „en indlagt Dragkiste paa Fod [eine Truhe auf Füßen mit Einlegearbeiten]; [...]; en grou malet Chatoll og Skab med Skuffe [eine grau bemalte Schatulle und Schrank mit Schubladen]; [...]; en indlagt Dragkiste paa Fod [eine Truhe auf Füßen mit Einlegearbeiten]; [...]; en Klederskab [ein Kleiderschrank]; [...]; en laqueret Theeskab [1 lackierter Teeschrank]; [...]; en indlagt Dragkiste paa Fod [eine Truhe auf Füßen mit Einlegearbeiten]; [...]; en füren Commode [eine feuerne Kommode]; [...]; en perle malet Skab med 4re Döre [1 perlenbemalter Schrank mit 4 Türen]; [...]; en blaa Commode [eine blaue Kommode]; [...]; en brun malet Klaederskab [1 braun bemalter Kleiderschrank]; [...]; en gammel Egekiste [1 alte Eichenkiste]; [...]; en Kistebaenk [1 Truhenbank]; [...]; en fueren malet Skab med 4re Döre [1 feuern bemalter Schrank mit 4 Türen].“ 186 In Stralsund kam es ebenso wie in Kopenhagen zwischen der Mitte des 17. und der Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem Anstieg der in den Nachlassinventaren verzeichneten Schränke und Schapps. Im Gegensatz zu Kopenhagen verlief hier der Anstieg nicht so sprunghaft, sondern weitgehend kontinuierlich. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war in jedem zweiten bis dritten Haushalt
182 183 184
185
186
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm (Inventar des Jens Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm (Inventar des Peder Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 1699-1700 (Inventar der Elisabeth Sontnmann, 1700). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Anna Andersdatter, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm (Inventar des Johan Lorentz Pallast, 1781).
120
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
jeweils ein Schrankmöbel vorhanden, wie etwa bei Hanß Fettericken 1635 „1 schapff mit 1 Thüre“187 und bei Jochim Ladewaß 1639 „1 Altes Schapf“ 188. Seit den 1650er Jahren stieg schließlich die Verbreitung der Schränke- und Schapps in den Stralsunder Haushalten stetig an. So besaß zwischen 1671 und 1680 durchschnittlich jeder Haushalt mindestens ein Schrankmöbel. In den folgenden Jahren steigerte sich diese Anzahl derart, dass im Jahrzehnt zwischen 1751 und 1760 erstmals durchschnittlich mehr als drei Schränke oder Schapps pro Haushalte verzeichnet wurden. In der Erbstreitigkeit des Schiffers Hans Klopstock wurden beispielsweise 1755 „ein Schenck Schapf mit einer gläsernen thüre; [...]; 1 Schapff mit einen Kannbrett“189 genannt. Im reichhaltigen Nachlass des Advokaten Hercules aus dem Jahr 1775 wurde schließlich eine große Anzahl der unterschiedlichsten Schrankmöbel überliefert: „Ferner noch auf der Diele: [...]; 1 groß eichen Kleider Schapp mit 2 Thüren; 1 dito feuern dito mit 2 dito; 1 dito ausgelegtes Schapp; [...]; 1 Schapp; [...] Hierbey an 1 Stube. 1 nußbaumen ausgelegter Schapp; [...] Auf dem unterstall Boden. [...]; 1 Eckschenck; [...] In der Stube unten im hause Rechter Hand. [...]; 1 Eckschenck; [...] In der Stube Lincker Hand. [...]; 1 Schapp; [...] Aufm Contoir. [...]; 1 Briefschapp; [...]; 1 groß eichen Kleider Schapp; [...] Im Keller. [...]; 1 alt Schapp.“190 In diesem Haushalt befanden sich also elf verschiedene Schränke und Schapps. Auffällig ist an diesem Inventar, dass sich die meisten der Schränke – vor allem die größeren – auf der Diele und in den Nebenräumen befanden. Lediglich einige wenige Schapps standen in den Stuben. In Riga gestaltete sich die Entwicklung der durchschnittlichen Schrankund Schappanzahl in den Haushalten ähnlich wie in Stralsund. Zwischen 1661 und 1670 wurde auch in Riga noch durchschnittlich ein Schrank oder Schapp verzeichnet, so im Nachlass von Bendt Serentano aus dem Jahr 1668 „ein alt feuren Schapp“191 und im Nachlass des Ludert Engelken von 1670 „1 klein 187 188 189 190 191
StA HST, Rep. 30, Nr. 167 (Inventar des Hanß Fettericken, 1635). StA HST, Rep. 30, Stralsunder Kramerkompanie und Stralsunder Amt der Haken, Nr. 167 (Inventar des Jochim Ladewaß, 1639). StA HST, Rep. 3, Nr. 5429 (Inventar des Schiffers Hans Klopstock, 1755). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Bendt Serentano, 1668).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
121
Schapp“ 192. Diese Anzahl stieg in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich an und erreichte ihren Höhepunkt in der Zeit zwischen 1751 und 1760. Zu diesem Zeitpunkt standen in den Rigaer Haushalten durchschnittlich 3,8 Schränke oder Schapps. Ein repräsentatives Beispiel dieser Zeit ist der Nachlass des Diederich Regen von 1753 mit „Ein aichen Danziger Dielenschapp; Ein dito mit nus Baumen furniert; [...]; Ein Schreibschrank mit Mahony; [...]; ein eichen Speise Schränckgen“193.
Abbildung 6: Danziger Dielenschrank, Eiche und Nussbaum, 17. Jahrhundert, Rigaer Stadtmuseum
Abbildung sechs zeigt einen Danziger Dielenschrank aus dem 17. Jahrhundert aus Riga, wie er im Haushalt des Diederich Regen noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts gestanden haben könnte. Ähnlich zu den im Inventar angegebenen Werkstoffen sind sowohl die Grundholzart Eiche als auch die Furnierarbeiten mit Nussbaumholz. Seit den 1760er Jahren sank die Anzahl der Schränke und Schapps in den Haushalten schließlich wieder ab und zum Ende des 18. Jahrhunderts standen noch durchschnittlich drei dieser Möbelstücke in jedem Haushalt. Dennoch waren auch für diesen Zeitraum noch vereinzelte besonders reichhaltige Nach-
192 193
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Ludert Engelken, 1670). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Diederich Regen, 1753).
122
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
lässe vorzufinden, wie das Beispiel des Heinrich Schilders aus dem Jahr 1786 verdeutlicht: „Ein dames Schrank Bireaux mit sechs Schubladen; Ein Schranck mit Schub Laden; Ein Contoir Schranckgen von Mahony Holz; [...]; ein Mahony Thee Contoir Schranck; [...]; Ein gebeitzt Kleider-Schranck mit doppelten Thüren; [...]; ein alter Schranck mit doppelten Thüren; [...]; ein eichener und Nus Baum holz fournirter Schrancken; [...]; Ein Schrancken mit Abtheilungen; Ein KüchenSchrancken; [...]; Ein Schrancken mit zwey Spiegel Thüren; [...]; Ein Schänck Schrancken; Ein Speise Schrancken.“194 Wie oben angeführt, war es stets modern verschiedene Möbelstücke und Einrichtungsgegenstände miteinander zu kombinieren. War beispielsweise im Nachlass von Heinrich Schilder von „Ein Schrancken mit zwey Spiegel Thüren“195 die Rede, so repräsentiert diese Bauform deutlich die Mode zum ausgehenden 18. Jahrhundert. Das Modell in Abbildung sieben stammt aus dieser Zeit und entsprach mit dem Spiegel und den seitlich angebrachten Regalteilen, den Schubladen, der gewölbten Form mit den edlen Beschlägen und aufwendig gearbeiteten Einlegearbeiten durchaus der zu dem Zeitpunkt aktuellen Mode.
Abbildung 7: Spiegelschrank, Ende des 18. Jahrhunderts, Rigaer Stadtmuseum 194 195
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Heinrich Schilder, 1786). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Heinrich Schilder, 1786).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
4.5.3.
123
Regalmöbel
Ein weiterer hoher Stellenwert im Bereich der Verwahrmöbel kommt den Regalen zu. In ihnen wurden die unterschiedlichsten – zumeist zum täglichen Gebrauch bestimmten Utensilien – offen und schnell zugänglich gelagert. Oft waren die Regale an den Küchenwänden angebracht, wo sie häufig einen rein funktionalen Charakter hatten. Aber auch zu Repräsentationszwecken bestimmte Wandregale sind mittels der Nachlassinventare nachzuweisen. So wurde zum Beispiel besonderes Geschirr auf ihnen platziert und beim Blick in die Küche fiel die Aufmerksamkeit des Betrachters sofort auf diese Stücke.196 Das Nachlassinventar von Carl Schoeder aus Riga aus dem Jahr 1721 ist hierfür eine schönes Beispiel: „In der Küchen; [...]; Ein Präsentier Regall mit allerhand Porcellaine.“197 Auch in den Essstuben kam den Regalen eine ähnliche Repräsentationsfunktion zu. In Jacob Mittbertz’ Haushalt befanden sich 1725 in der Essstube sogar mehrere Repräsentierregale „In der Es Stubbe oben Lincker hand Im Hause: [...]; Ein Regall mit 5 angemallt Porcellain Teller; Noch ein dito mit 3 messingernen Kanenn; [...]; Ein feuren Regall; [...]; Ein Regal mit 3 Präsentierteller.“ 198 Bei den Regalmöbeln kam es im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts zu einem relativ konstanten Anstieg der in den Nachlassinventaren verzeichneten Stücke. In den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts besaßen etwa die Kopenhagener Haushalte – anders als bei den anderen bisher bearbeiteten Möbelstücken – deutlich weniger Regale als Stralsunder und Rigaer Haushalte. Zwischen 1681 und 1690 verweisen die Inventare hier in lediglich durchschnittlich jedem fünften Haushalt auf Regale. So wurde zum Beispiel im Nachlass von Kristoffer Ranchis 1690 „1 kökkenreoll [1 Küchenregal]“ 199 und im Nachlass von Laurids Wendelin aus demselben Jahr „een smal reol [ein kleines Regal]“200 verzeichnet. In den folgenden Jahren kam es aber zu einem stetigen Anstieg der Regalmöbel in den Kopenhagener Haushalten und ab dem Beginn des 18. Jahrunderts besaß bereits durchschnittlich jeder zweite Haushalt ein Regal.
196
197 198 199
200
KASPAR, Fred: Bauen und Wohnen in einer alten Hansestadt. Zur Nutzung von Wohnbauten zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, dargestellt am Beispiel der Stadt Lemgo, Bonn 1985, S. 162ff. StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Carl Schoeders, 1721). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Jacob Mittbertz, 1725). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Kristoffer Ranchis, 1690). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Laurids Wendelin, 1690).
124
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
1,2
1
0,8
Anzahl
0,6
0,4
0,2
0 1600-1611-1621-1631-1641-1651-1661-1671-1681-1691-1701-1711-1721-1731-1741-1751-1761-1771-1781-17911610 1620 1630 1640 1650 1660 1670 1680 1690 1700 1710 1720 1730 1740 1750 1760 1770 1780 1790 1800
Kopenhagen
Stralsund
Riga
Diagramm 10: Durchschnittliche Anzahl der Regale in Kopenhagen, Stralsund und Riga
Zum Ende des 18. Jahrhunderts konnte schließlich in durchschnittlich jedem der verzeichneten Kopenhagener Haushalte ein Regal nachgewiesen werden. Allerdings stechen bestimmte Inventare mit einer Vielzahl einzelner Regalmöbelstücke aus diesem Durchschnitt deutlich hervor, so beispielsweise der Haushalt des Peder Hoppe von 1778. Hier fand man nach dem Tode des Besitzers: „en koeken reol [ein Küchenregal]; [...]; en bog reoll [ein Bücherregal]; [...]; en bla reol [ein blaues Regal].“201 Auch im Nachlass des Johan Lorentz Pallast von 1781 fanden sich überdurchschnittlich viele Regale. Hier wurden die einzelnen Küchenregale gleich den darin befindlichen Utensilien zugeordnet: „en Klaede Reol med 2 Gardiner [ein Kleiderregal mit 2 Gardinen]; [...]; en Reol [ein Regal]; [...]; en koekken reol med [ein Kücheregal mit]; en messing tallerken [ein Teller aus Messing]; en smal dito [ein kleiner dito]; en Bradpande [1 Bratpfanne]; en dito; [...] en füren koekenreol med [1 feuern Kücheregal mit]: en Caffe Mölle [eine Kaffee-
201
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 6, 1780 (Inventar des Peder Hoppe, 1778).
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
125
mühle]; en tee Sigtte [1 Teesieb]; en dito; en Brad Pande [1 Bratpfanne]; [...]; en füren boog reol med en Gardin [1 feuern Bücherregal mit einer Gardine].“202 In Stralsund zeichnete sich bei der Entwicklung der Regalmöbel vom 17. zum 18. Jahrhundert ein ähnlicher Trend wie in Kopenhagen ab. Waren in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts durchschnittlich nur in jedem vierten bis fünften Haushalt Regale anzutreffen, steigerte sich deren Anzahl ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich. Um die Jahrhundertwende standen bereits in fast jedem zweiten Haushalt Regalmöbel. Diese Anzahl erhöhte sich langsam aber kontinuierlich weiter und erreichte im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts mit durchschnittlich 0,7 Regalen je Haushalt seinen Höhepunkt. Eine Sonderform bei den Regalen bildeten die so genannten Repositorien und Bücherregale. Handelte es sich bei den meisten Küchenregalen um einfache Bretter, die mittels einer Abstützung an der Wand befestigt waren, so standen die Repositorien und Bücherregale in der Regel auf eigenen Füßen auf dem Boden. Hierin ähnelten sie den Schränken, besaßen allerdings keine Schubfächer oder Türen. Solche Stücke sind aus Stralsund bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt. Abraham Ehrenfried Richters besaß in seinem Haushalt „ein brief repositorium“ 203, beim Advokaten Hercules befanden sich 1775 „aufm Comtoir“ sogar „1 grün Repositorium; 1Brief dito“ 204 und im Nachlass des Kaufmanns Cratzins 1781 ebenfalls „1 Repositorium.“205 Auch in Riga lassen sich ähnliche Tendenzen erkennen. Im Jahrzehnt zwischen 1661 und 1670 lag die durchschnittliche Anzahl der Regale in jedem Haushalt bei 0,2 – also unter den aus Stralsund bekannten Werten. Aber bereits zwei Jahrzehnte später besaßen die Rigaer Haushalte mehr Regale als die Haushalte in Kopenhagen oder Stralsund. Ein Beispiel ist der Haushalt des Johan Georg Schlingers, der 1692 neben „ein Küch Regallmed 3 Teller“ auch „ein Kleidter regal mit zwey Gardinnenn“ besaß. 206 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts ging die durchschnittliche Anzahl der Regale in den Haushalten schließlich etwas zurück, um dann bis zum Ende des Jahrhunderts wiederum kontinuierlich anzusteigen. Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts standen durchschnittlich 0,6 Regalmöbel in jedem Rigaer Haushalt. Aber auch hier bestachen einzelne Haushalte durch ihre Regalmöbelvielfalt, so wurden etwa im Nachlass des Chirurgen Johann Erdmann von 1788:
202
203 204 205 206
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845, Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar des Johan Lorentz Pallast, 1781). StA HST, Rep. 3, Nr. 5385 (Inventar des Abraham Ehrenfried Richters, 1738). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar des Kaufmanns Cratzins, 1781). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Johan Georg Schlingers, 1692).
126
Vergleichende Betrachtungen zu ausgewählten Möbelarten
„In der Küchen [...]; ein Kannenbrett; ein grün dito; [...] In der 1ten Stuben [...]; ein feuren Kleiderbord; [...] In der 4ten stuben [...]; ein Brieff repositorium; [...]; ein Bücher bord“ 207 verzeichnet.
207
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Johann Erdmann, 1788).
5.
Betrachtungen zur Wohnungsauskleidung
5.1.
Spiegel und Bilder
Seit dem ausgehenden Mittelalter gewannen unzählige Accessoires zur Verschönerung der Wohnung im privaten Bereich immer mehr an Bedeutung. Neben Tapeten, kleinen dekorativen Porzellanfigürchen und Fayencen, Wandteppichen, Gardinen und Leuchtern, fanden sich dort auch Spiegel und Bilder. Gerade diese – oft als Kleinigkeiten verkannten – Gegenstände gestatten uns einen Einblick in die soziale Stellung, den Wohlstand und den Lebensstandard ihrer Besitzer. 1 Spiegel sind uns bereits aus der ägyptischen Antike bekannt. Auf Hochglanz polierte Kupfer- beziehungsweise Silberspiegel etwa dienten nicht nur der täglichen Schönheitspflege, sondern waren ein Indiz des Wohlstandes und der gehobenen sozialen Stellung. Stellten venezianische Glasbläser im 14. Jahrhundert erstmals Handglasspiegel her, so gelang es erst dem französischen Glasmacher Bernard Perrot 1687 durch ein neues Verfahren auch größere Spiegel zu fabrizieren. Große Stand- und Wandspiegel erlaubten erstmals ein unverzerrtes Abbild des Betrachters. 2 1
2
BRUIGNAC, Véronique de: Arabesken und Allegorien: dekorative Tapeten aus Frankreich 1700-1850, in: HOSKIS, Lesley (Hg.): Die Kunst der Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994, S. 76-93; COLLET, Dominik: Die Welt in der Stube. Begegnungen mit Außereuropa in Kunstkammern der Frühen Neuzeit, Göttingen 2007; DOLBER: Barock-Möbel, S. 156; DRIESNER: Materielle Kultur in Greifswald, S. 57; HOSKIS, Lesley (Hg.): Die Kunst der Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994; JACQUÉ, Bernard: Der absolute Luxus: die Hochblüte der französischen Papiertapete 1730-1870, in: HOSKIS, Lesley (Hg.): Die Kunst der Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994, S. 56-75; JAQUES, Renate: Deutsche Textilkunst, Krefeld 1953; MACGREGOR, Arthur: Die besondere Eigenschaft der “Kunstkammer”, in: GROTE, Andreas (Hg.): Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800, Opladen 1994, S. 61-106; PEIBST, Swantje; MAUTER, Horst (Hgg.): Barock-Fayencen. Kurmärkische Manufakturen. Entstehung Höhepunkt und Niedergang eines Gewerbes, Berlin 1994; SCHIRMER, Lisa: Porzellan des galanten Zeitalters, Leipzig 1991; THÜMMLER, Sabine: Die Geschichte der Tapete. Raumkunst aus Papier (Aus den Beständen des Deutschen Tapetenmuseums Kassel), Eurasburg 1998. NOUVEL-KAMMERER, Odile: Der weite Himmel: Bildtapeten aus Frankreich, in: HOSKIS, Lesley (Hg.): Die Kunst der Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994, S. 94-113; NYLANDER, Richard C.: Jenseits des Ozeans: Amerikas Eintritt in den Tapetenhandel, in: HOSKIS, Lesley (Hg.): Die Kunst der Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994, S. 114-131; PANATI, Charles: Universalgeschichte der ganz gewöhnlichen Dinge, München 1998, S. 243ff.; SAUNDERS, Gill: Der Handel mit dem
128
Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
Gab es bei der Herstellung der Spiegel an sich lediglich zwei Methoden – das so genannte Gieß- und die Herstellung im geblasenen Verfahren – so gab die jeweils aktuelle Mode der Gestaltung des Rahmens vielfältige Möglichkeiten. Neben den klassischen Einfassungen mit verschiedenen Hölzern finden sich auch unterschiedliche Metallarten, aber auch die Verwendung von Elfenbein, Edelsteinen und Perlmutt war anzutreffen. Der Spiegel gewann sogar bald so stark an Bedeutung, dass in manchen adeligen Residenzen sogenannte Spiegelkabinette angelegt wurden, die schließlich der Freizeitgestaltung dienten und den ursprünglich Charakter des sich Spiegelns nur nebenbei erfüllten. 3 Neben den Spiegeln gewannen auch die Bilder seit der Renaissance einen immer höheren Stellenwert. Auffällig ist, dass sich diese beiden Ausstattungsgegenstände nicht gegenseitig in den Wohnungen verdrängten, sondern meistens gleichzeitig nebeneinander vorhanden waren. Häufig ist es anzutreffen, dass ein Haushalt mit vielen Spiegeln auch viele Bilder aufwies. Bei diesen Bildern reichte die Bandbreite von einfachen Papierzeichnungen bis hin zu wertvollen Gemälden oder aufwendig gearbeiteten Kupferstichen bekannter Künstler. 4 Auf dem europäischen Markt waren es die niederländischen Bilder, die im ausgehenden 17. und im Verlauf des 18. Jahrhunderts am häufigsten gehandelt wurden. Nicht nur Frankreich und England, sondern auch Italien und die deutschsprachigen Gebiete wurden von den niederländischen Malereien geradezu überflutet. Die Frage nach deren Rezeption im Ostseeraum ist bereits in vielfacher Weise beantwortet worden, wobei an dieser Stelle lediglich den Inventaren bisher kein großer Stellenwert beigemessen wurde. Nur vereinzelte Vorkommen und die genaue Betitelung in ausgewählten Nachlässen beleuchtete die Forschung bisher partiell. 5
3 4
5
Fernen Osten: chinesische handgemalte Tapeten, in: HOSKIS, Lesley (Hg.): Die Kunst der Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994, S. 42-55; WEISS, Gustav: Glas, in: WEISS, Gustav; DENNINGER, Edgar; STRATMANN-DÖHLER, Rosemarie; STRÄSSER, Edith M. H.; GALL. Günter (Hgg.): Glas, Keramik und Porzellan, Möbel, Intarsie und Rahmen, Lackkunst, Leder (Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken, Band 3) Stuttgart 2002, S. 7-68, hier S. 19. DOLBER: Barock-Möbel, S. 256. BURKE, Peter: Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen, Berlin 2001; KOSCHIER, Ilse: Die Bilder im Klagenfurter Bürgerhaus des 18. Jahrhunderts, Wien 1979; LOECK, Gottfried: Ein Hauch von großer Welt – Bildergalerie des kleinen Mannes in sächsischen Monatsschriften, in: Baltische Studien. Pommersche Jahrbücher für Landesgeschichte, Neue Folge 88, Band 134 (2002), S. 66-80; NORTH: Genuss und Glück, S. 90. BOK, Marten Jan: New Perspektives on Eighteen-Century Dutch Art Production and Collecting, in: NORTH, Michael (Hg.): Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 47-53; NORTH, Michael: Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln 2001; NORTH, Michael: Der Hamburger Kunstmarkt und seine Beziehungen in den Nord- und Ostseeraum, in: KRIEGER, Martin; NORTH, Michael (Hgg.): Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit, Köln-Weimar-Wien
Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
129
Die meisten bisherigen Untersuchungen beziehen sich auf gehobene soziale Schichten beziehungsweise auf Personen in exponierten Stellungen. Zumeist wurden adlige Kunstsammlungen untersucht und ausgewertet. Aber auch die Sammlungen von Klerikern, Kaufleuten und bedeutenden Ratsherren großer Städte standen vereinzelt bereits im Fokus der Forschung. Partielle Untersuchungen liegen auch zu Bildersammlungen einzelner Handwerker vor. Aufgrund der relativ geringen Anzahl der einzelnen Stücke stellte sich aber bisher kaum ein größeres Forschungsinteresse ein. 6 Im Zuge dieses Kapitels sollen nun auch die Bilder und kleinen Bildersammlungen der unteren sozialen Schichten näher untersucht werden. Bei der Inventarisierung der Bilder spielte ebenfalls der Rahmen eine wichtige Rolle. Es finden sich wieder Hinweise auf unterschiedliche Holzsorten, Metalle oder aber mit reichlich Beiwerk verzierte Bildumrahmungen. Die tatsächliche Größe der Bilder muss dem subjektiven Empfinden des Inventarschreibers und unserer heutigen Interpretation der Vokabeln „groß“ und „etwas größer“ beziehungsweise „klein“ und „etwas kleiner“ überlassen bleiben. Die Motive der inventarisierten Bilder wurden nur sehr selten verzeichnet. Lediglich Portraits lassen sich häufiger hinter dem oft genannten Begriff „Konterfei“ antreffen, wobei es nicht nur in den Hansestädten des 17. und 18. Jahrhunderts sehr modern war, den Hausherren in der Blüte seines Lebens abzubilden und so
6
2004, S. 77-89; NORTH: Genuss und Glück, S. 125ff.; NORTH, Michael (Hg.): Kunst und Kommerz im Goldenen Zeitalter, Köln-Weimar-Wien 1992; NORTH, Michael: Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert: Frankfurt und Hamburg im Vergleich, in: NORTH, Michael (Hg.): Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 85-103; O/(Ľ6.$, Anna: Im Herzen des südlichen Ostseeraums: Danzig als Kunstzentrum und Vermittler fremder Einflüsse in Polen im Zeitalter des Barock, in: KRIEGER, Martin; NORTH, Michael (Hgg.): Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit, Köln-Weimar-Wien 2004, S. 91-108; THIEME, Gisela: Der Kunsthandel in den Niederlanden im 17. Jahrhundert, Köln 1959; WEGENER, Ulrike: Künstler, Händler, Sammler. Zum Kunstbetrieb in den Niederlanden im 17. Jahrhundert, Hannover 1999. DRIESNER; RIEMER: Spiegel und Bilder in den Nachlassinventaren, S. 178ff.; REICHSTEIN, Renate: Schildereyen und Conterfeite, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 62 (1982), S. 215-225; SCHLÖGL, Rudolf: Geschmack und Interesse. Private Kunstsammlungen zwischen ästhetischen Idealen und sozialer Repräsentation, in: NORTH, Michael (Hg.): Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 55-68.
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Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
im Laufe mehrerer Generationen eine Ahnengalerie zu schaffen. 7 Hinweise auf Künstler lassen sich in den Nachlassverzeichnissen nicht nachweisen. 8 30
25
20
Anzahl
15
10
5
0 16811690
16911700
17011710
17111720
17211730
17311740 Spiegel
1741- 17511750 1760 Bilder
17611770
17711780
17811790
17911800
Diagramm 11: Durchschnittliche Anzahl der Spiegel und Bilder in Kopenhagen
Selten in den Inventaren vorkommend, aber trotzdem in vielen Städten des Ostseeraumes vorhanden, waren Wand- und Deckenmalereien. Sie gehörten zwar nicht zum mobilen Inventar einer Wohnung, dienten aber trotzdem zur Verschönerung des Innenraumes. Diese Arten der Malerei konnten in den hier untersuchten Inventaren in keinem Fall nachgewiesen werden. 9 7
8 9
BAUMBACH, Gabriele; BISCHOFF, Cordula (Hgg.): Frau und Bildnis 1600-1750. Barocke Repräsentationskultur an europäischen Fürstenhöfen, Kassel 2003; HAAK, Christina: Das barocke Bildnis in Norddeutschland. Erscheinungsform und Typologie im Spannungsfeld internationaler Strömungen (Schriften zur bildenden Kunst, Band 9), Frankfurt am Main-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien 1999, S. 16ff.; REICHSTEIN: Schildereyen und Conterfeite, S. 215-225. NORTH: Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert, S. 87. BROCKOW, Thomas: Mittelalterliche Wand- und Deckenmalereien in Lübecker Bürgerhäusern, in: EICKHÖLTER, Manfred; HAMMEL-KIESOW, Rolf (Hgg.): Ausstattungen Lübecker Wohnhäuser. Raumnutzungen, Malereien und Bücher im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (Häuser und Höfe in Lübeck. Historische, archäologische und baugeschichtliche Beiträge zur Geschichte der Hansestadt im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Band 4), Neumünster 1993, S. 41-152; BROCKOW, Thomas: Spätmittelalterliche Wandmalereien in Bürgerhäusern der hansischen Ostseestädte, in: MÖHLENKAMP, Annegret; KUDER, Ulrich; ALBRECHT, Uwe (Hgg.): Geschichte in Schichten. Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnungsbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Symposium 2000 in Lübeck (Denkmalpflege in Lübeck 4),
Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
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Ähnlich wie schon bei einer Vielzahl der vorangegangenen Untersuchungen zu einzelnen Möbeln ist auch bei den Spiegeln und Bildern in den Kopenhagener Nachlassinventaren von der zweiten Hälfte des 17. bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts ein starker Aufwärtstrend zu verzeichnen. Waren zwischen 1681 und 1690 durchschnittlich lediglich 1,3 Spiegel, aber bereits 11,3 Bilder in den Haushalten vorhanden, so gab es fünf Jahrzehnte später sogar durchschnittlich 6,8 Spiegel und überragende 24,3 Bilder. Im Jahrzehnt zwischen 1741 und 1750 wurden schließlich durchschnittlich 7,7 Spiegel inventarisiert. Im Jahr 1681 verzeichnete man in Kopenhagen im Nachlass des Jens Nielsen zwar „1 4kandtet Speijl [1 vierkantiger Spiegel]“ 10, aber keinerlei Bilder. Im Nachlass des Peder Nielsen aus demselben Jahr hingegen waren sowohl „1 Spejl [1 Spiegel]“, als auch „6 Conterfey [6 Portraits]“11 anzutreffen. Auch Jens Clausen besaß 1687 zum Zeitpunkt seines Ablebens „een forgyldt spejel [ein vergoldeter Spiegel]; en fort speil [ein verlorener/blinder Spiegel“ und „3 Conterfeiy [3 Portraits]; 1 dito; [...]; 6 billedd [6
10 11
Lübeck 2002, S. 66-82; GRAMATZKI, Rolf: Dornse, Diele und Paradiesgärtlein. Malereien in bürgerlichen Wohnhäusern Lübecks des 16. bis 18. Jahrhunderts, in: EICKHÖLTER, Manfred; HAMMEL-KIESOW, Rolf (Hgg.): Ausstattungen Lübecker Wohnhäuser. Raumnutzungen, Malereien und Bücher im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (Häuser und Höfe in Lübeck. Historische, archäologische und baugeschichtliche Beiträge zur Geschichte der Hansestadt im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Band 4), Neumünster 1993, S. 153-268; MÖHLENKAMP, Annegret: „Geschichte in Schichten“. Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnungsbau des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Einführung in das Tagungsthema am Beispiel Lübeck, in: MÖHLENKAMP, Annegret; KUDER, Ulrich; ALBRECHT, Uwe (Hgg.): Geschichte in Schichten. Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnungsbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Symposium 2000 in Lübeck (Denkmalpflege in Lübeck 4), Lübeck 2002, S. 11-21; REINHARDT, Holger: Dekorationsmalerei – ein Stiefkind der kulturhistorischen Forschung, in: MÖHLENKAMP, Annegret; KUDER, Ulrich; ALBRECHT, Uwe (Hgg.): Geschichte in Schichten. Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnungsbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Symposium 2000 in Lübeck (Denkmalpflege in Lübeck 4), Lübeck 2002, S. 145-150; ROETTGEN, Steffi: Die italienische Wandmalerei und der Norden, in: MÖHLENKAMP, Annegret; KUDER, Ulrich; ALBRECHT, Uwe (Hgg.): Geschichte in Schichten. Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnungsbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Symposium 2000 in Lübeck (Denkmalpflege in Lübeck 4), Lübeck 2002, S. 220-242; STRUPULE, Vija: Interieurmalerei in den Bürgerhäusern Rigas, 16.-18. Jahrhundert, in: MÖHLENKAMP, Annegret; KUDER, Ulrich; ALBRECHT, Uwe (Hgg.): Geschichte in Schichten. Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnungsbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Symposium 2000 in Lübeck (Denkmalpflege in Lübeck 4), Lübeck 2002, S. 171-179. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Jens Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Peder Nielsen, 1681).
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Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
Bilder]; [...]; 3 landskabb [3 Landschaften]“. 12 Die stetige Erhöhung der Anzahl der inventarisierten Spiegel und Bilder lässt sich anhand der Nachlässe aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts sehr leicht nachvollziehen. Mette Catarina Christensdatter besaß 1730 etwa: „1 Speil, forgylt Ramme mes Messing [1 Spiegel, vergoldeter Rahmen mit Messing]; 7 dito; [...]; 1 Speil, forgylt Ramm [1 Spiegel, vergoldeter Rahmen]; [...]; 1 speil, forgylt Rame [1 Spiegel, vergoldeter Rahmen]; [...]; 1 speil [1 Spiegel]; [...]; 13 smaa styche [13 kleine (Kupfer-)Stiche]; [...]; 4 Conterfeyedt [4 Portraits]; 7 dito.“13 Eine etwas herausgehobene Stellung in Bezug auf seinen Spiegelbesitz bekleidete der unverheiratete Schneider Hendrich Jensen zum Zeitpunkt seines Todes 1744. Er besaß mit 21 Stück eine deutlich überdurchschnittliche Zahl an Spiegeln, allerdings ohne dabei besonders ausgefallene Exemplare zu besitzen: „1 Speill med forgylt Rahme [1 Spiegel mit vergoldetem Rahmen]; 1 dio; [...]; 1 small Speill med forgylt Rahme [1 kleiner Spiegel mit vergoldetem Rahmen]; 2 dio; [...]; 1 Speill in brunn Rahme [1 Spiegel mit braunem Rahmen]; [...]; 1 forgyldt Speill [1 vergoldeter Spiegel]; [...]; 1 Speill; [...]; 1 Speill in brunn Rahme [1 Spiegel mit braunem Rahmen]; [...]; 1 Speill [1 Spiegel]; [...]; 1 gammel Speill in forgylt Rahmee [1 alter Spiegel mit vergoldetem Rahmen]; 1 dito med dito; [...]; 1 Speill in brunn Rahme [1 Spiegel mit braunem Rahmen]; [...]; 1 Speill [1 Spiegel]; [...]; 1 Speill [1 Spiegel]; [...]; 1 Speill [1 Spiegel]; [...]; 1 sma Speill [1 kleiner Spiegel]; [...]; 1 Speill; [...]; 1 sma forgyldt Speill [1 kleiner vergoldeter Spiegel]; [...]; 1 sma Speill [1 kleiner Spiegel]; [...]; 1 Speill [1 Spiegel].“ 14 Auch im Nachlass des Frederick Lafonts aus dem Jahr 1751 sind zahlreiche Spiegel und Bilder anzutreffen: „1 Speiyl i Glas Ramme [1 Spiegel im Glasrahmen]; [...]; 1 brun Ramme Speiyl [ein Spiegel mit braunem Rahmen]; [...]; 4 handspeijl [4 Handspiegel]; [...]; 6 gammel smaa Skildereyen [6 alte kleine Bilder]; 11 dito; [...]; 1 gammel Speiyl [1 alter Spiegel]; 2 dito; [...]; 4 forgyldt Conterfeyt [4 vergoldete Portraits]; 2 gammell dito; [...]; 1 Speiyl [1 Spiegel].“15 12
13
14
15
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Jens Clausen, 1687). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar der Mette Catarina Christensdatter, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 35; 1744-1745 (Inventar des Hendrich Jensen, 1744). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 49; 1750-1751 (Inventar des Friderick Lafont, 1751).
Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
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Bei den Spiegeln blieb dieser Trend ab der Mitte des 18. Jahrhunderts relativ konstant. So waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stets durchschnittlich zwischen sechs und sieben Spiegel in den einzelnen Haushalten vorhanden. Bei den Bildern verringerte sich deren Anzahl bis zum Ende des Jahrhunderts wieder und sank im letzten Jahrzehnt auf 65 Prozent des höchsten Wertes zwischen 1731 und 1740. Es waren also nur noch durchschnittlich 15,9 Bilder in jedem Kopenhagener Haushalt vorhanden. Dieser Schnitt durch das Spiegel- und Bilderinventar der Kopenhagener Haushalte wurde annähernd durch das Inventar der Andrea Maria Nyegaard von 1778 erfüllt. Sie besaß unter anderem: „en stort Speil i laquened Ramme [ein großer Spiegel mit lackiertem Rahmen]; 2 ditto i forgyldte Ramme for Egge [2 große Spiegel in vergoldetem Rahmen aus Eiche]; [...]; 12 gammel billede i brun Ramme [12 alte Bilder in braunem Rahmen]; [...]; 1 Landskapb i ditto Ramme [1 Landschaft in braunem Rahmen]; [...]; en Speiyl in brun Ramme [ein Spiegel mit braunem Rahmen]; en stort ditto [ein großer Spiegel mit braunem Rahmen]; [...]; en lome Speiyl [1 Taschenspiegel]; [...]; 3 smaal Skildereiye [3 kleine Bilder]; 3 gammel ditto [3 alte kleine Bilder].“ 16 In Stralsund sahen die Entwicklungstendenzen des Spiegel- und Bilderbesitzes anders als in Kopenhagen aus. Zwar besaßen die Stralsunder Einwohner in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit 0,1 bis 0,3 nur sehr wenige Spiegel, diese Anzahl steigerte sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts aber stetig. Um 1700 etwa besaß jeder Haushalt durchschnittlich etwas mehr als einen Spiegel, zwischen 1731 und 1740 waren es sogar schon fast drei Stück. So konnte Hinrich Boldten 1704 „1 großer Spiegel mit 1 schwartzen rahm; […]; 1 schwartze mittelmeßige Spiegel am Fenster“ 17 sein eigen nennen und in Marten Quinns Bude befanden sich 1711 „2 Spiegel“18. Im Nachlass des Diedrich Meyers Weyland wurden 1738 ebenfalls zwei Spiegel verzeichnet. 19 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konnten in Stralsund durchschnittlich sogar vier und zum Ende des Jahrhunderts fast fünf Spiegel nachgewiesen werden. Im Nachlass des Advokaten Hercules von 1775 waren mit sieben Spiegeln und einem Spiegeltisch eine große Anzahl dieser Utensilien verzeichnet. 20 Auch die Demoiselle Lichtenfeldten besaß zum Zeitpunkt ihres Ablebens 1781 trotz eines in der Gesamtheit recht bescheidenen Nachlasses immerhin drei Spiegel: „1 ord. 4eckter Spiegel; 1 dito dito
16
17 18 19 20
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 6, 1780 (Inventar der Andrea Maria Nyegaard, 1778). StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5364 (Inventar des Marten Quinn, 1711). StA HST, Rep. 3, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775).
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mittelm.; 1 dito dito klein […] 1 klein Eichen Spiegeltisch“.21 Im Haus des Kaufmanns Cratzins war die zu diesem Zeitpunkt die durchschnittliche Menge an Spiegeln vorhanden: „1 Spiegel mit vergoldetem Rahm; 1 kleiner Handspiegel; [...]; 1 zerbrochener Spiegel; [...]; 1 Spiegel mit schwartzem Rahm“ 22. 14
12
10
Anzahl
8
6
4
2
0
Spiegel
Bilder
Diagramm 12: Durchschnittliche Anzahl der Spiegel und Bilder in Stralsund
Bei den Bildern kam es in den Stralsunder Haushalten vom Beginn des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zwar ebenso zu einem Zuwachs, dieser verlief allerdings nicht so konstant wie es bei den Spiegeln der Fall war. Zwischen 1600 und 1610 war durchschnittlich in jedem zweiten Haushalt ein Bild anzutreffen und im darauf folgenden Jahrzehnt hatte sich deren Anzahl bereits verdoppelt. Die Werte steigerten sich derart stark, dass zwischen 1691 und 1700 bereits durchschnittlich 8,4 und zwischen 1701 und 1710 sogar 10,6 Spiegel in den Stralsunder Haushalten nachgewiesen werden konnten. Im Haushalt des Hinrich Boldten fanden sich neben den zwei Spiegeln auch unzählige Bilder „2 langliche Schildereyen in schwartzem rahme; 5 Schilderey personen; […]; 10 größe Gibß 21 22
StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar der Demoiselle Lichtenfeldten, 1781). StA HST, Rep. 3, Nr. 5505 (Inventar des Kaufmanns Cratzins, 1781).
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bilder; 4 kleinere; […]; 5 st. Schildereyen personen aldt; […]; 5 gipßbilder; […]; 4 Schildereyen im hause.“ 23 Bei Marten Quinn wurden neben den zwei Spiegeln hingegen nur zwei Bilder aufgeführt, deren Motive allerdings genauer beschrieben wurden: „Ein klein gemählte von Früchten; Ein dito mit einem Glase“. 24 Diedrich Meyer Weyland besaß eine Vielzahl Bilder neben den beiden Spiegeln: „9 bilder in Rahmen; […]; 5 höltzerne Geschnitzte Bilder; […]; 5 große Schildereyen mit Feder- und andern Viehe bemahlet; 1 klene Schilderey im Rahmen; […]; 11 kleine Schildereyen; 8 Stück Schildereyen etwaß größer.“ 25 Im darauf folgenden Jahrzehnt kam es zu einem kurzzeitigen Einbruch der absoluten Zahlen, die an dieser Stelle leicht durch eine uneindeutige Quellenlage beziehungsweise die Auswirkungen des Nordischen Krieges begründet werden können. Denn zwischen 1741 und 1750 erreichte der Bilderbesitz in Stralsund seinen Höhepunkt mit einem Wert von durchschnittlich 12,6 Bildern je Haushalt. In den folgenden Jahrzehnten nahm der Bilderbesitz schließlich wieder etwas ab, erreichte um 1800 aber immerhin noch einen Wert von durchschnittlich elf Bildern. Beim Advokaten Hercules waren neben den sieben Spiegeln auch zwölf Bilder im Haus vorhanden: „Ferner noch auf der Diele […]; 1 großer Spiegel; […]; 7 Stück Bilder In der hinter Stuben […]; 1 Spiegel mit silbern Rahm; […] In der zweyten Hinterstuben […]; 1 großen Spiegel mit verguldeten Rahm; […] Oben auf der Kemmladen […]; 1 Spiegel mit verguldeten Rahm; […]; 2 Bilder; […] Hierbey an 1 Stube […]; 1 klein Spiegel; […] Auf dem unterstall Boden […]; 1 Spiegel Tisch; […]; 1 groß Bild In der Stube unten im hause Rechter Hand […]; 1 Spiegel mit verguldeten Rahm; […] In der stube nebenan […]; 1 Spiegel mit glas Rahm; […] In der Kammer oben nach vorn […]; 2 Bilder.“26 Bemerkenswert ist, dass sich in dem angeführten Haushalt des Advokaten Hercules in fast jedem Raum der Wohnung mindestens ein Spiegel oder Bild be23 24 25 26
StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704). StA HST, Rep. 3, Nr. 5364 (Inventar des Marten Quinn, 1711). StA HST, Rep. 3, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775).
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fand. In der Diele hingen sogar drei Bilder und ein großer Spiegel. Auffällig ist außerdem, dass bei den meisten Spiegeln in diesem Inventar eine Angabe zum Rahmen gemacht wurde, wohingegen die Bilder entweder keinen Rahmen besaßen, oder es nicht für wichtig erachtet wurde, ihn zu erwähnen. Der Nachlass des Kaufmanns Cratzins verzeichnete mit: „6 Bilder; [...]; 8 Bilder“27, einen zu diesem Zeitpunkt für Stralsund durchschnittlichen Bilderbesitz. Frau Bernincken konnte im selben Jahr zum Zeitpunkt ihres Todes nur einen recht kleinen Nachlass vorweisen. Sie besaß keinerlei Spiegel aber immerhin „17 Bilder und Gemählde“. 28 18 16 14 12 Anzahl
10 8 6 4 2 0 1661- 1671- 1681- 1691- 1701- 1711- 1721- 1731- 1741- 1751- 1761- 1771- 1781- 17911670 1680 1690 1700 1710 1720 1730 1740 1750 1760 1770 1780 1790 1800 Spiegel
Bilder
Diagramm 13: Durchschnittliche Anzahl der Spiegel und Bilder in Riga
Die Entwicklung beim Besitz von Spiegeln und Bildern in Riga stellt sich im 17. und 18. Jahrhundert anders als in Kopenhagen und Stralsund dar. So kam es zwar – ähnlich wie in den anderen beiden Städten – bei den Spiegeln zwischen dem Ende des 17. und der Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem starken Anstieg des Vorkommens, danach fielen die Werte zum Ende des 18. Jahrhunderts jedoch sehr stark ab. Gab es beispielsweise zwischen 1661 und 1670 lediglich durchschnittlich in jedem zweiten Rigaer Haushalt einen Spiegel, so waren zwischen 1701 und 1710 bereits 1,9 Spiegel vorhanden. Im 1668 aufgenommenen Nachlass des Johann Beudts befand sich „ain zerbrochen Spaigell“29, wohingegen im Haushalt der Barbara Margaretha Gatt 1706 bereits „1 klein Spiegell; ein groß dito“ 30 genannt wurden. In den 1720er und 1730er Jahren befanden sich dann 27 28 29 30
StA HST, Rep. 3, Nr. 5505 (Inventar des Kaufmanns Cratzins, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar der Frau Bernincken, 1781). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Johann Beudts, 1668). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar der Barbara Margaretha Gatt, 1706).
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circa fünf Spiegel in den Rigaer Haushalten. So besaß Samuel von Böhm 1732 zum Zeitpunkt seines Todes „Ein Nacht Tisch-Spiegel mit einem gläsernen Rahmen; [...]; Zwei kleine Handspiegel; [...]; Ein zerbrochen kleiner Spiegel; Ein dito noch kleiner“31 und bei Johann Meyer konnte im darauf folgenden Jahr „1 kleine Spigell mit braun Rahm, schon fasst blindt; […]; 1 klein Spiegel mit feuern Rahm; […]; 1 Taschenspigell; 1 dito zerbrochen; […]; 1 groß Spigell mit silber Rahm“ 32 verzeichet werden. Die entsprach in etwa dem Durchschnitt. Zwischen 1761 und 1770 steigerte sich die Anzahl der in den Rigaer Haushalten vorkommenden Spiegel sogar auf durchschnittliche zwölf. Wie uns das Beispiel von Martin Bruberg zeigt, konnten manche Haushalte in dieser Zeit schon auf eine beträchtliche Anzahl von Spiegeln verweisen. Er selbst besaß zu Lebzeiten beachtliche 26 Spiegel, wobei sich allerdings dabei nach den zur Verfügung stehenden Angaben kein besonderes Stück befunden haben kann. Alle Stücke genügten lediglich dem normal gebräuchlichen Standard: „1 klein Wandspigel; […]; 1 klein Wandspigel im silbern Rahmm; 1 etwas größerr dito im silbern Rahmm; […]; 1 Spigell im braun Rahmm; […]; 1 Spigell im feuern zerbrochenn Rahmm; […]; 1 Spiegel im braun Rahmm, bald blindt; […]; 2 kleine Spigell; […]; 1 Taschenspigell mit Bein; Noch 1 dito, auch mit Bein; Noch 1 dito mit dito; […]; 1 Nachttischspigell so zum auffstellenn; […]; 2 mittelgroße Spigell mit silbern Rahmm; Noch 1 dito mit braun Rahmm; […]; 1 braun RammSpigell; […]; 1 Spigell ohne Rahmm; 1 dito; […]; 1 zerbrochen Spigel mit feuern Rahmm; 1 dito mit silbern Rahmm; […]; 1 klein Spigell mit blawen Rahmm; [...]; 2 klein Taschenspigell; [...]; 1 Spigell; [...]; 1 Spigell mit silbern Rahmm; [...]; 1 ganß klein Spigell.“33 Aber auch Nicolaus Wiedern besaß 1769 mit 18 Spiegeln eine beachtliche Sammlung: „1 Speigell ohn Ram; [...]; 1 Speigell mid brun Ram; [...]; 1 Speigel ohn Rahm; 1 dito; [...]; 1 klein Speigell; [...]; 1 klein Speigell mit schwartz Rahm; [...]; 1 groß Speigell; [...]; 1 groß Speill mit schwartzen Rahm; [...]; 1 groß Speill ohn Rahm; [...]; 3 Taschenspeigel, recht klein; [...]; 1 Speigel mit silbern Rahm; 1 dito etwas kleiner mit dito; 1 dito noch etwas kleiner mit dito; [...]; 1 Speigell mit feuern Ram; [...]; 2 kleine Speigell mit feuern Ram.“34 Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts fiel der Besitz der Spiegel in den durch Nachlassinventare repräsentierten Rigaer Haushalten auf einen durchschnittlichen Wert von 3,8 ab. So besaß beispielsweise David Ludwig Gabain 1783 „Zwej große Spiegel in Nußbaumen Ramen; [...]; Ein kleiner Spiegel; Ein dito noch kleiner.“ 35 Im Bereich der Bilder sah die Entwicklung ähnlich aus. Gab es zwi31 32 33 34 35
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Samuel von Böhm, 1732). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Johann Meyer, 1733). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Marthin Bruberg, 1763). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Nicolaus Wiedern, 1769). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des David Ludwig Gabain, 1783).
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Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
schen 1661 und 1670 in Riga durchschnittlich 1,9 Bilder, so waren bereits zwei Jahrzehnte später mit durchschnittlich 9,5 Exemplaren deutlich mehr Bilder in den Haushalten vorhanden. Im Haushalt des Johann Beudts wurde beispielsweise „ain papieren Bildgen; [...]; ain Bildergen“ 36 aufgefunden. Im 1695 verfassten Rigaer Nachlassinventar des Jürgen Borgentreich befand sich nicht nur eine überdurchschnittliche Anzahl von Spiegeln – „2 große Spiegel mit einer schwartzen Ramm in der Stube; 1 kleiner acht kantige dito“37, sondern auch besonders viele Bilder: „Schildereien In der Stube: 3 große holländische mit schwartzem Rahmen; 4 kleine dito; 3 noch kleiner dito In dem Contoir: 2 albaßerne und 4 kleine dito In der Schlafkammer: 8 holändische, worunter eine große In der Jungfer Kammer: 8 kleine, worunter 3 mit Glaß vorgemacht und 1 albasterne In dem Vorhause: 7 große und 1 kleine.“38 Im Gegensatz zu den in den Rigaer Haushalten zwischen 1691 und 1700 durchschnittlich verzeichneten 9,5 Bildern, wurden also bei Jürgen Borgentreich sogar 40 Bilder verzeichnet. In den 1730er Jahren steigerte sich die durchschnittliche Anzahl der Bilder auf fast 15 je Haushalt. So etwa auch bei Paul Wagler, der 1733 „Zwey mittelmäßige Contrefaits ohne Rahmen; Drey kleine dito mit schwartz gebeitzten Rahmen; Sieben Nürnberger Bilder mit verguldeten Rahmen; Drei ausgeschnittener dito mit einem Rahmen von Eichen Holtz“ 39 sein eigen nannte. Eine herausgehobene Stellung im Bereich des Bilderbesitzes stellt das Inventar des Handwerksmeisters Martin Hayden von 1745 dar. In seinem Fall kann man mit 45 Exemplaren bereits von einer stattlichen Sammlung sprechen, wenngleich aus den Inventarangaben lediglich die Anzahl der Bilder, sowie einzelner Motive hervorgehen. Die Künstler und die genaueren Beschreibungen der Bilder bleiben uns die inventaraufnehmenden Schreiber leider schuldig: „3 kleine Bildergenn; 2 noch kleinere dito; [...]; 1 Bild in Nußbaumenn Ramenn; [...]; 1 Schilderey in vergoldetem Ramenn; [...]; 2 Landschaften; noch 3 dito; [...]; 1 Bild mit Vögeleinn; [...]; 1 Conterfey des seel. Herrnn; 1 dito; [...]; 4 papijrne Schildereyenn; Noch 2 dito; [...]; 2 Kupferbildgenn; [...]; 2 Schildereyenn mitt silbern Ramenn holländisch Manier; 2 kleiner dito mit dito; [...]; 3 Schildereyenn mit feuern Ramenn; [...]; 1 Bildergenn; 1 dito; 1 dito; [...]; 1 Conterfey in braunn Ramenn; 2 dito; [...]; 1 Landschaft in braunenn Ramenn so holländisch; [...]; 1 noch eine Landschaft ohne Ramenn; [...]; 1 stilles Stück mit silbern Ramenn; [...]; 2 Conterfeys in vergyldt Ramenn; [...]; 1 papijrn Bildgen; [...]; 2 Schildereyen; [...]; 1 Bild.“40 36 37 38 39 40
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Johann Beudts, 1668). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Jürgen Borgentreich, 1695). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Jürgen Borgentreich, 1695). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Paul Wagler, 1733). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Martin Hayden, 1745).
Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
139
In den Jahren zwischen 1760 und 1780 sank das durchschnittliche Bildervorkommen in Riga auf unter neun Bilder je Haushalt, um dann schließlich in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wieder leicht auf neuneinhalb Bilder anzusteigen. David Ludwig Gabain besaß 1783 beispielsweise „Sechs diverse Schildereyen in Rahmen; Vier bunte Landschaften in Ramen unter Glaß“41. Im darauf folgenden Jahr konnte bei Herrn Beggerow sogar eine Sammlung von 33 Bildern inventarisiert werden: „Zwej Portrais unter Glaß, in schwartzen Rame; Zwej große Kupferstiche unter Glaß in schwartzem Rame; Zwej Bildgen unter Glaß in schwartzem Rame; Zwej gemahlte Landschaftten in schwartzem Rame, ohne Glaß; Ein Kupferstich von Berlin unterGlaß, in schwartzen Rame; Vierzehn Kupferstiche von mittler größe unter Glaß, in schwartrzen Ramen; Sechs kleine Gemälde unter Glaß, in schwartzen Ramen; Zwej noch kleiner Kupferstiche unter Glaß, in schwartzen Ramen; Ein optisches Gemälde, in einen schwartzen Ramen; Ein Portrait in Kupferstich mit der Unterschrift le Garcon for selel.“ 42 Abschließend ist festzuhalten, dass in den drei untersuchten Städten sowohl die Anzahl der in den Haushalten vorhandenen Spiegel und Bilder, als auch deren Verteilung innerhalb des 17. und 18. Jahrhunderts teilweise stark differierten. So gab es in Spitzenzeiten des Bilderbesitzes in Kopenhagen doppelt so viele Bilder wie in Stralsund und Riga. Demzufolge verlief die Entwicklung in Stralsund und Riga ähnlich. Bei den Spiegeln sah die Entwicklung etwas anders aus. Sowohl in Kopenhagen, als auch in Stralsund spielten sie zwar eine wichtige Rolle, durchschnittlich konnten aber für Kopenhagen lediglich acht Spiegel und für Stralsund sogar nur weniger als fünf Spiegel je Haushalt nachgewiesen werden. In Riga waren in Spitzenzeiten durchschnittlich fast zwölf Spiegel in einem Haushalt vorhanden.
5.2.
Leuchter und Blaker
Wie bereits bei den voran gegangenen Untersuchungen zu den Möbeln und Wohnaccessoires, gab es auch bei den Beleuchtungsmitteln eine große Bandbreite an Formen und Materialien. Lediglich die Funktion des Beleuchtens einzelner kleiner Raumteile bis hin zu ganzen Sälen und Wohnungen blieb stets gleich. Wie schon bei den anderen Einrichtungsgegenständen vollzog sich auch bei den Kerzenständern und Leuchtern seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts
41 42
StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des David Ludwig Gabain, 1783). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Herrn Beggerow, 1784).
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Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
ein Wandel vom einfachen Gebrauchsmittel bis hin zum kunstvoll gearbeiteten Repräsentationsgegenstand. 43 Auch bei den Leuchtern, Kerzenständern und Blakern gab es unterschiedliche Bezeichnungen, die nicht immer klar die verschiedenen Gegenstände voneinander abgrenzten, sondern ein und dasselbe Utensil bezeichnen konnten. So gab es beispielsweise den Wandkerzenleuchter, der wie ein einfacher Kerzenständer gearbeitet war, aber an der Wand befestigt wurde. Als ein weiterer hauptsächlich an der Wand befestigter Kerzenhalter ist der Blaker zu betrachten. Der Unterschied zum einfachen Kerzenleuchter ist der, dass an der Wandseite ein blankes Metallstück zur Reflexion angebracht war. In manchen Nachlässen finden sich schließlich Aussagen wie „ein Wandtkerzenständerr mit Schirm“ 44, womit zweifelsohne ein Blaker gemeint war – lediglich die klare begriffliche Unterscheidung nicht vorgenommen wurde. Aber auch sogenannte „Tischblakker“ 45 finden sich in den Quellen, wobei noch im selben Jahrzehnt in einem anderen Nachlassinventar von einem „Tischleucht mit Schirmm“ 46 berichtet wurde. Hiermit ist zweifelsohne ein Leuchter mit Reflexionsschirm, also ein Blaker gemeint. 47 Im Diagramm 14 ist die durchschnittliche Anzahl der Leuchter und Blaker in den Städten Kopenhagen, Stralsund und Riga dargestellt. In Kopenhagen kam es vom Ende des 17. bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem stetigen Anstieg der durchschnittlichen Leuchteranzahlen in den Haushalten. Waren etwa zwischen 1681 und 1690 noch durchschnittlich drei Leuchter in den Haushalten vorhanden, wie beispielsweise 1681 bei Peder Nielsen: „1 lüsestager [1 Kerzenständer]; 2 Mesing Stager [2 Ständer aus Messing]“ 48 und im Nachlass von Hendrich Johansen aus demselben Jahr welcher: „2 kaaber Lysestager [2 Kerzenständer aus Kupfer]; [...]; 1 Mesing Stager [1 Ständer aus Messing]“ 49 besaß. Weiterhin gab es bereits in diesem Jahrzehnt vereinzelte Ausnahmen in denen große 43
44 45 46 47
48 49
BAUR, Veronika: Kerzenleuchter aus Metall. Geschichte, Formen, Techniken, München 1977, S. 9ff.; MÖLLER, Renate: Lampen, Lüster und Leuchter, München-Berlin 2000, S. 23ff. StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Johann George Lehmann, 1797). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Marthin Bruberg, 1763). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Nicolaus Wiedern, 1769). GROBER-GLÜCK, Gerda: Unterschiede zwischen Nord- und Süddeutschland dargelegt am Beispiel von Redensarten und verwandten sprachlichen Kategorien, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Nord-Süd-Unterschiede in der städtischen und ländlichen Kultur Mitteleuropas (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 40), Münster 1985, S. 345-365; HÄHNEL, Joachim: Stube. Wort- und sachgeschichtliche Beiträge zur historischen Hausforschung, Münster 1975; KLUGE, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 2002. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Peder Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Hendrich Johansen, 1681).
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Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
Mengen dieser Utensilien in einzelnen Haushalten vorhanden waren, wie das Beispiel des Jens Nielsen ebenfalls aus dem Jahr 1681 mit seinen überdurchschnittlichen neun Leuchtern und Kerzenständern zeigt: „1 runde thin LyseStager [1 runder Kerzenständer aus Zinn]; [...]; 6 Mesing Lysestage [6 Kerzenständer aus Messing]; [...]; 2 Thin wandlysefad [2 Wandkerzenhalter aus Zinn]“ 50. Bereits vier Jahrzehnte später zwischen 1721 und 1730 wurden in den Kopenhagener Haushalten doppelt so viele Leuchter und Kerzenständer verzeichnet. Zwar besaß Jost Johann Ohagen 1730 lediglich „2 Meßing Lysestager [2 Kerzenständer aus Messing]“ 51, aber Caspar Hansen Schöller konnte im gleichen Jahr „6 smaa Lampetter [6 kleine Wandleuchter]“ 52 in seinem Besitz verzeichnen. 8 7 6
Anzahl
5 4 3 2 1 0
Kopenhagen
Stralsund
Riga
Diagramm 14: Durchschnittliche Anzahl der Leuchter und Blaker in Kopenhagen, Stralsund und Riga
Die beiden Jahrzehnte zwischen 1731 und 1750 bilden in Kopenhagen eine Ausnahme. In dieser Zeitspanne brach laut meinen Untersuchungsergebnissen 50 51
52
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Jens Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Jost Johan Ohagen, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Caspar Hansen Schöller, 1730).
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Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
die Anzahl der überlieferten Leuchter, Kerzenständer und Blaker auf fast die Hälfte der vorherigen Werte ein. An dieser Stelle wird es sich um eine den Quellen geschuldete unklare Überlieferungssituation handeln. So wurden die Beleuchtungsmittel in diesen beiden Jahrzehnten wahrscheinlich nicht in allen Fällen aufgenommen oder nur die besonders wertvollen Stücke verzeichnet. Zu beobachten ist auch, dass in manchen Nachlassinventaren nicht mehr die einzelnen Gegenstände ihrem Gebrauch zugeordnet, sondern lediglich als Sammelgewicht nach Metallen sortiert, gewogen und taxiert wurden. Ab 1751 stieg die Anzahl der verzeichneten Leuchter wieder leicht an und hielt sich bis zum Ende des 18. Jahrhundert auf gleich hohem Niveau von etwa sieben Stück je Kopenhagener Haushalt. So gab es beispielsweise 1755 im Nachlass von Niels Bysted: „Eet Messing Stager [ein Ständer aus Messing]; [...]; Eet smaa Lysestager [ein kleiner Kerzenständer]; [...]; Eet Messing LyseStager [ein Kerzenständer aus Messing]; eet dito; [...]; Eet Messing Lysestager [ein Kerzenständer aus Messing]; eet thin LyseStager [ein Kerzenständer aus Zinn.“ 53 Im Jahr 1778 wurden schließlich im Nachlass von Peder Hoppe mit: „1 Missing Lampetter [1 Wandleuchter aus Messing]; 2 dito; [...]; 2 Kobber Lysestager [2 Kerzenständer aus Kupfer]; [...]; 1 Lampetterr [1 Wandleuchter]; [...]; 1 Thinn lyseStager [1Kerzenständer aus Zinn]“ 54 sieben Kerzenständer verzeichnet. In vereinzelten Haushalten tauchten auch eine besonders große Anzahl an Kerzenständern und Leuchtern auf, wie etwa bei Michael Börgesen, der im Jahr 1771 allein 25 dieser Beleuchtungsutensilien in seinem Kopenhagener Haushalt vermelden konnte: „8 Stager [8 Ständer]; [...]; 1 LyseStager, mißing [1 Kerzenständer aus Messing]; [...]; 2 Lampetterr, Missing [2 Wandleuchter aus Messing]; [...]; 1 Stager [1 Ständer]; 2 dito; [...]; 1 Lyssestager, kobber [1 Kerzenständer aus Kupfer]; [...]; 3 Lyssestage, Thin [3 Kerzenständer aus Zinn]; [...]; 3 Lampeter, thinn [3 Wandleuchter aus Zinn]; [...]; 1 Stager [1 Ständer]; 1 dito; [...]; 1 Stager, thinne [1 Ständer aus Zinn]; 1 dito.“55 Auch bei Johan Lorentz Pallast wurden im Jahr 1781 mit: „2 sölw Lysestager [2 Kerzenständer aus Silber]; en dito; 3 adskillige dito [drei verschiedene dito]; [...]; 2 Lysestager [2 Kerzenständer]; [...]; en Metall Lampetter [ein
53
54
55
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 111 (Inventar des Niels Bysted, 1755). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 6, 1780 (Inventar des Peder Hoppe, 1778). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 336 (Inventar des Michael Börgesen, 1771).
Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
143
Wandleuchter aus Metall]; en dito; [...]; 8 Missing LyseStager [8 Kerzenständer aus Messing]; 2 Thinne dito [2 dito aus Zinn]; 3 Kobber dito [3 dito aus Kupfer]“ 56 besonders viele Kerzenständer und Leuchter verzeichnet. In Stralsund kam es erst zum Ende des 17. Jahrhunderts zu einem Anstieg der Anzahl der Kerzenständer und Leuchter in den Haushalten. In den ersten sieben Jahrzehnten befand sich durchschnittlich ein Kerzenständer in jedem privaten Haushalt. Um 1700 waren schließlich bereits durchschnittlich zwei Kerzenständer und Leuchter in den Stralsunder Haushalten anzutreffen und in den folgenden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts kam es zu einem stetigen Anstieg der in den privaten Haushalten verzeichneten Kerzenständer, Leuchter und Blaker, so dass schließlich um 1750 in durchschnittlich jedem Stralsunder Haushalt mehr als drei dieser Utensilien vorhanden waren, wie der Nachlass von Nicolaus Wiedemann mit „an Zinn: 2 Leuchter; eine Lampe […] an Messing: ein alter Martanscher Leuchter.“ 57 zeigt. In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts blieben die durchschnittlichen Blaker-, Kerzenständer- und Leuchteranzahlen in den Stralsunder Haushalten annähernd gleich. So befanden sich circa drei bis vier in jedem Haushalt, wie auch der Nachlass von Johann Friedrich Kempe aus dem Jahr 1781 deutlich macht, der zu Lebzeiten: „2 Leuchter; [...]; 1 Leuchter; [...]; 1 Laternen“ 58 in seinem Eigentum verzeichnen konnte, oder der Frau des Altermanns Müller, die 1793 zum Zeitpunkt ihres Todes: „4 dito [silbern] Leuchter“ 59 besaß. Auch der 1796 verstorbene Kapitän von Latzow hatte „1 kleine Lampe; [...]; 1 Gänglatern; [...]; 1 alt Latern“60 in seinem Haushalt, ebenso wie im 1797 aufgenommenen privaten Nachlass vom Maurer Johann Joachim Groth „2 dito [zinnerne] Leuchter; 1 dito Lampe“ verzeichnet wurden. Aber auch in Stralsund gab es einzelne Haushalte, die mit besonders vielen Leuchtern, Kerzenständern und Blakern aufwarten konnten, wie anhand des Nachlasses vom Goldschmiedealtermann Darchow aus dem Jahr 1776 gezeigt werden soll: „An Messing: 2 Leuchter, 2 Leuchterfüße; [...]; 1 meßings Blacker; 1 do; 1 do; 1 do; 2 do; 2 do; 1 do; 1 do; 1 Latern; 1 groß Blacker; 1 do; 1 do; 1 do; 1 do; 1 do; 1
56
57 58 59 60
Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845, Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar des Johan Lorentz Pallast, 1781). Vp LA HGW, Rep. 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 884 (Inventar der Kinder des Nicolaus Weidemann, Altermann der Bäcker in Stralsund 1739-1749). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar des Johann Friedrich Kempe, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5565 (Inventar der Frau des Altermanns Müller, 1793). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5590 (Inventar des Kapitäns von Latzow, 1796).
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do; 1 do.“61 Auch der Besitzer der Stralsunder Fayencefabrik, Kammerrat Joachim Ulrich Giese, besaß 1780 eine große Zahl zum Teil wertvoller Leuchter: „An Silber: 2 Armleuchter, jeder mit 3 Armen; 4 Armleuchter, jeder mit 2 Armen; 5 Leuchter; [...]; 6 ordinaire Leuchter An Messing: 1 Scheinlampen Plate An Mobilien: 4 Paar grgossene messingerne Armleuchter; [...]; 2 messingerne Leuchter; [...]; 2 Scheinlampen.“62 In Riga sahen die Entwicklungstendenzen beim Besitz von Leuchtern, Kerzenständern und Blakern ähnlich wie in Stralsund aus. So besaß der durchschnittliche Rigaer Haushalt in der Mitte des 17. Jahrhunderts etwa ein und zum Ende des 17. Jahrhunderts circa zwei dieser Gegenstände. Axel Johann von Gildenfelt konnte 1664 „eine grosse Leuchterr“63 in seinem Haushalt nennen und Bendt Serentano besaß 1668 „1 Blacker von Missing“64. Im Nachlass von Johann Georg Schlingers wurden 1692 dann bereits „ainn Leutergen von mißing; [...]; ain läuchter von zin“ 65 vermeldet und Jürgen Borgentreich besaß 1695 „1 Messingerne Wandleuchter; [...]; 1 messingerner Kronenleuchter mit 12 Armen“ 66. Im Nachlass von Daniel Baren schließlich verzeichneten die Inventarschreiber 1696 nicht nur die intakten Leuchter, sondern auch die zerbrochenen: „3 zerbrochen tisch Leuchter; 2 ganze dito; 2 rund dito.“ 67 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war schließlich ein deutlicher Aufwärtstrend im Leuchterbesitz in Riga zu verzeichnen, so dass um 1750 durchschnittlich vier bis fünf Leuchter, Kerzenständer oder Blaker in den Haushalten vorzufinden waren. Paul Wagler besaß 1733: „Zwo Meßingene WandBlaker; [...]; Zweene zinnerne Leuchter“ 68 und Martin Hayden konnte 1745 sogar „1 Leuchtergen vonn Zinn; [...]; 1 Wandleuchterr von Messing; 1 kleiner dito; [...]; 1 Leuchter von Kubferr“ 69 in seinem Besitz verzeichnen. In der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts war kein nennenswerter Aufwärtstrend beim Leuchterbesitz in Riga mehr zu verzeichnen, so dass schließlich durchschnittlich fünf in jedem Haushalt vorhanden waren. Michael Weysenbreyer etwa besaß 1782: „An Silber: 1 Silb. Leuchter; [...]; 1 Silb. Lampe […] An
61 62 63 64 65 66 67 68 69
StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5473 (Inventar des Goldschmiedealtermanns Darchow, 1776). Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 363 (Inventar des Herrn Kammerrates Joachim Ulrich Giese, 1780). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Axel Johann Gildenfelt, 1664). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Bendt Serentano, 1668). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Johan Georg Schlingers, 1692). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Jürgen Borgentreich, 1695). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Daniel Baren, 1696). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Paul Waglers, 1733). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Martin Hayden, 1745).
Betrachtung zur Wohnungsauskleidung
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Kupfer: 2 Leuchter […] An Messing: 1 Meß versilb. Leuchter; [...]; 1 ord. Leuchter.“70 Auch Elisabeth Wilhelmina Kröger konnte zum Zeitpunkt ihres Todes 1793: „2 ordinaire Leuchter von messing; [...]; 1 Blaker, klein von Kupfer; [...]; 2 Leuchter von Kupfer“ 71 ihr eigen nennen. Ähnlich wie bereits in Kopenhagen und Stralsund konnten auch in Riga einzelne Haushalte eine besonders große Anzahl an Leuchtern, Kerzenständern und Blakern verzeichnen, wie zum Beispiel im Nachlass von Hans Grothen, der 1711 ganze 20 dieser Gegenstände hinterließ „An Zinnzeug: 2 Leuchter; [...]; 3 Blaker […] An Kupfer: 4 TischLeuchter; 3 kleinere dito; 2 noch kleinere dito geschlagen Messing: 1 Tischleuchter; 2 dito versetzt; [...]; 1 Blakker; [...]; 2 Blakker an der Wandt.“72 Aber auch David Samuel von Böhm besaß 1732 eine große Anzahl an Leuchtern, Kerzenständern und Blakern in seinem Haushalt in Riga: „Drei paar versilberte Wand-Platen; [...]; Zwey paar Wand-Platen von Kupfer; Zwey Leuchter von Kupfer; [...]; Zwey Laternen von Meßingk; Noch drey dito; [...]; Ein Meßingerner KerzenStänder; [...]; Vier meßingerne Kerzenständerr; [...]; zwey Laternen von Blech; Noch ein dito; [...]; Zwey Wand Platen von Blech; Eine ganz kleine dito.“73 Abschließend ist festzustellen, dass – ähnlich wie bereits bei den voran gegangenen Teiluntersuchungen – Kopenhagen im Bereich der Leuchter, Kerzenständer und Blaker die Vorreiterrolle vor Riga und Stralsund spielte. Ähnlich ist aber für alle drei Städte zu konstatieren, dass zwischen dem Ende des 17. Jahrhunderts und der Mitte des 18. Jahrhunderts die Beleuchtungsmittel immer mehr an Bedeutung gewannen. Zusammengenommen lässt sich feststellen, dass die grundlegenden Entwicklungen im 17. und 18. Jahrhundert in den Städten Stralsund und Riga recht ähnlich verliefen und zum Ende des 18. Jahrhunderts in diesen Städten durchschnittlich zwischen drei und fünf dieser Beleuchtungsutensilien in jedem Haushalt vorhanden waren. Lediglich das durchschnittliche Kopenhagener Nachlassinventar beinhaltete zum Ende des 18. Jahrhunderts circa sieben Kerzenständer, Leuchter oder Blaker.
70 71 72 73
StA Riga, Landvogteigericht Nr. 1379-1-1027 (Inventar des Michael Weysenbreyer, 1782). StA Riga, Waisengericht Nr. 1380-5-576 (Inventar der Elisabeth Wilhelmina Kröger, 1793). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Hans Grothen, 1711). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Samuel von Böhm, 1732).
6.
Musikinstrumente
Nicht nur in der Kultur der Adeligen, sondern auch jener des Bürgertums gewann die Musik im 18. Jahrhundert einen immer höheren Stellenwert. Neben dem neu aufkommenden Veranstaltungstyp des Konzerts, bei dem sich – ob öffentlich oder privat organisiert – eine Vielzahl Menschen zum gemeinsamen Musikhören und Unterhalten trafen, entwickelte die Kammermusik eine eigenständige bedeutende Kultur. Bereits zum Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich an den Fürstenhöfen eine Konzertkultur entwickelt und förderte damit eine Vielzahl von Komponisten und Musikern, die mit ihren Fähigkeiten und Werken auch die kulturelle Nachfrage der städtischen bürgerlichen Schichten bedienten. 1 Bevor die Musikkultur die zum Ende des 18. Jahrhunderts ausgeprägte Ausformung erhalten hatte, mussten – den verschiedenen neuartigen Anforderungen entsprechend – neue Musikinstrumente entworfen oder alte Instrumente umgebaut und in wichtigen Teilen verändert werden. Die Bandbreite der einzelnen Musikinstrumentengattungen erhöhte sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts sprunghaft. 2 Schließlich gelangten auch größere Instrumente in die privaten Haushalte und wurden hier im Zuge einer differenzierteren Freizeitgestaltung zu Kammermusikzwecken genutzt. Bei den verschiedenen Musikinstrumenten, angefangen bei Blas-, über Schlag- bis hin zu Tasteninstrumenten, gab es in der Frühen Neuzeit eine unterschiedliche Verbreitung innerhalb der Bevölkerungsschichten. So ist auch vorstellbar, dass besonders die Kleininstrumente – wie etwa die Flöte – in breiten Bevölkerungsgruppen vertreten war. Dieses bereits aus der Steinzeit bekannte Musikinstrument war und ist in seinen unterschiedlichen Ausformungen nicht nur weltweit bekannt, seine Herstellung ließ sich mit einfachsten Mitteln schnell und an fast jedem Ort unter nur sehr geringem Materialaufwand bewerkstelligen. 3 Auch die Schlaginstrumente gehören zu den ältesten Instrumenten der Menschheitsgeschichte. Zu ihnen zählen beispielsweise die Trommeln und Pauken, deren Bestand in den privaten Haushalten des 17. und 18. Jahrhunderts nur sehr schwer vorstellbar ist, da ihre Benutzung zumeist großen Veranstaltun1 2
3
NORTH: Genuss und Glück, S. 148f. WOLTERS, Klaus: Das Klavier. Eine Einführung in Geschichte und Bau des Instruments und in die Geschichte des Klavierspiels, Mainz-London-Madrid-New York-Paris-Tokyo-Toronto 1993, S. 9ff. MUNROW, David: Musikinstrumente des Mittelalters und der Renaissance, Celle 1976, S. 20ff.; RUF, Wolfgang (Hg.): Lexikon der Musikinstrumente, Mannheim-Wien-Zürich 1991, S. 138f.
Musikinstrumente
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gen vorbehalten war. Ihre Anwendung fanden sie sowohl beim Militär als auch in Konzerten. In der Kammermusik des 18. Jahrhunderts wurde ihnen kaum eine Rolle zugesprochen. 4 Das erste Tasteninstrument stammt aus Griechenland und wurde bereits 270 v. Chr. als sogenannte Wasserorgel konstruiert. In den folgenden Jahrhunderten war es dann auch lediglich die Orgel, die in verschiedenen Bauformen das einzige Tasteninstrument darstellte. Durch ihre Größe und die komplizierte Herstellung kam ihr besonders im sakralen Bereich große Bedeutung als Kircheninstrument zu und ihr Vorkommen in privaten Haushalten ist bis zum Beginn der Frühen Neuzeit weitestgehend auszuschließen. 5 Erst im späten Mittelalter wurde mit den sogenannten besaiteten Tasteninstrumenten eine Instrumentengruppe geschaffen, welche sich derart verkleinern ließen, dass sie schließlich in Wohnräumen unterzubringen waren. Im 14. Jahrhundert entstanden die beiden wichtigen Haupttypen des Klaviers. Ebenso aus dieser Zeit stammen die ersten Dokumente, die das Tastenspiel überliefern. In den folgenden Jahrhunderten entwickelten sich die unterschiedlichsten Bauaber auch Klangformen aus diesen ursprünglichen, besaiteten Tasteninstrumenten. Es entstanden Instrumente wie das Klavichord, das Virginal, das Cembalo und das Spinett. 6 Um 1700 fertigte der italienischer Klavierbauer Bartolomeo Christofori das erste Hammerklavier. Bereits der berühmte Zeitzeuge und bedeutende Komponisten und Musikkritiker Johann Mattheson umjubelte diese Erfindung, wie etwa in seinem 1725 erschienenen Bericht: „Ungeachtet nun dieser Veränderung und Verschiedenheit des Tons worin unter andern die Instrumenten, die man mit dem Bogen streicht, vortrefflich sind, das Clavissein gänzlich beraubt ist, und man es jedem für eine eitle Einbildung auslegen würde, der sich ein solches zu verfertigen in den Kopf setzte, das diese besondere Gabe haben sollte: so ist doch in Florenz von Herrn Bartolomeo Christofori, einem bey dem Groß-Herzog in Diensten stehenden Clavir-Macher, aus Padua gebürtig, diese so kühne Erfindung nicht weniger glücklich ausgedacht, als mit Ruhm ins Werck gesetzt worden.“ 7 Im Verlauf des 18. Jahrhunderts verdrängte das neue Hammerklavier, durch ein während des Barock aufkommendes neues Klangideal, die alten Tasteninstrumente wie das Cembalo oder das Spinett.8 4 5 6
7 8
MUNROW: Musikinstrumente, S. 51ff.; RUF: Lexikon der Musikinstrumente, S. 450f. EDLER, Arnfried: Gattungen der Musik für Tasteninstrumente, Teil 1: Von den Anfängen bis 1750 (Handbuch der musikalischen Gattungen, Band 7,1), Laaber 1997, S. 7ff. BATEL, Günther: Handbuch der Tasteninstrumente und ihrer Musik, München 1991, S. 15ff.; BEURMANN, Andreas: Historische Tasteninstrumente. Cembali, Spinette, Virginale, Clavichorde, München-London-New York 2000; EDLER: Gattungen der Musik für Tasteninstrumente, S. 15ff.; WOLTERS: Das Klavier, S. 9ff. MATTHESON, Johann: Critica musica, Band 2, Hamburg 1725, S. 335. BATEL: Handbuch der Tasteninstrumente, S. 59ff.; WOLTERS, Das Klavier, S. 9ff.
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Musikinstrumente
Auch der Familie der Streichinstrumente gehören zahlreiche Instrumente an. Bereits im Mittelalter waren Frühformen der uns heute bekannten Instrumente besonders beliebt. Sehr gebräuchlich war schließlich in der Frühen Neuzeit die Geige, die oft als Synonym für die Fidel, die Bratsche oder die Violine gebraucht wurde. Die grundsätzliche Bauweise der einzelnen Vertreter dieser Instrumentenfamilie festigte sich im 17. Jahrhundert und hat sich bis heute fast nicht verändert. 9 Eine ständig wachsende Bedeutung und Verbreitung innerhalb immer breiterer Bevölkerungsschichten gewannen sie mit dem Aufkommen der Kammermusik im 18. Jahrhundert. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass einzelne dieser Musikinstrumente – wenn auch nicht immer unter der richtigen fachlichen Bezeichnung genannt – in den Nachlassinventaren der Bewohner der Städte Kopenhagen, Stralsund und Riga auftauchen. Wenden wir uns nun den in den Nachlässen verzeichneten Instrumenten zu. In den Inventaren finden sich zu den Kleinmusikinstrumenten nur vereinzelte Hinweise. Trotz der recht umfangreichen Quellen zu Kopenhagen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, ist es nicht möglich, eine befriedigende grafische Darstellung der Verteilung der einzelnen Musikinstrumente vorzunehmen. So sind in den ausgewerteten Quellen für Kopenhagen des 17. und 18. Jahrhunderts lediglich neun Flöten nachzuweisen, die sich in ihrem Vorkommen allerdings fast gleichmäßig durch die beiden Jahrhunderte verteilten. Christian Claudi besaß 1681: „een smaa flöjte [eine kleine Flöte]“ 10, wohingegen Jost Johan Ohagen 1730 ganze zwei Stück dieser Musikinstrumente in seinem Besitz verzeichnen konnte: „en flöijtte [eine Flöte]; […]; en smaa flöijt [eine kleine Flöte]“ 11. Auffällig ist hier allerdings, dass sich diese neun in Kopenhagen nachweisbaren Flöteninstrumente stets im Besitz von Männern befanden beziehungsweise stets in den Männerinventaren angegeben wurden. Bei den Schlaginstrumenten sah der Besitz nach den Angaben aus den Inventaren noch mangelhafter aus. So konnte für den gesamten Zeitraum des 17. und 18. Jahrhunderts nicht ein Schlaginstrument nachgewiesen werden. Vereinzelte Tasteninstrumente lassen sich in Kopenhagen dann besonders im 18. Jahrhundert wieder recht regelmäßig nachweisen. Eine für die hier untersuchten Nachlassinventare allgemeingültige Grafik zu diesen Instrumenten lässt sich aufgrund der dürftigen Überlieferungssituation nicht verbindlich erstellen. Die Tasteninstrumente tauchten etwa seit 1730 in den unterschiedlichen hier untersuchten Nachlässen auf. Je Jahrzehnt sind etwa ein bis zwei Tasteninstrumente vertreten. Im Haushalt von Hendrich Jensen befanden sich 1744 mit: „1
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RUF: Lexikon der Musikinstrumente, S. 554ff. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Christian Claudi, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Jost Johan Ohagen, 1730).
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Klaverr [1 Klavier]; […]; 1 klaver“ 12 sogar zwei Tasteninstrumente. Weitere dieser Instrumente konnten in diesem Jahrzehnt nicht nachgewiesen werden. In den folgenden Jahren tauchten immer wieder vereinzelte Stücke wie etwa bei Isaac Olsen 1751: „en nye klaverr [ein neues Klavier]“ 13 und bei Peder Werner Bisgaard 1763: „een Klawerr [ein Klavier]“ 14 auf. Lediglich zum Ende des 18. Jahrhunderts verdichtete sich die Anzahl der verschiedenen Tasteninstrumente in den privaten Haushalten, wie die drei folgenden Beispiele aus dem Jahr 1793 aus den Nachlassinventaren von Erich Westermann: „1 klaver [1 Klavier]“ 15, von Johann Zeep: „een gammel sorte klawerr [ein altes schwarzes Klavier]“ 16 und von Peder Jensen: „een smaall orgell [eine kleine Orgel]“ 17 deutlich zeigen. Auch die Tasteninstrumente sind lediglich in Nachlässen von Männern nachweisbar. Für die Streichinstrumente sind für die durch die Nachlassinventare repräsentierten privaten Haushalte nur sehr beschränkte Aussagen zu treffen. Lediglich sieben Nennungen lassen sich für das 17. und 18. Jahrhundert in Kopenhagen nachweisen. Für das Jahr 1699 wurden im Nachlassinventar von Ester Jensdatter „en Violinn [eine Geige/Violine]“ 18 verzeichnet. Das Nachlassinventar von Ester Jensdatter ist auch das einzige der an dieser Stelle untersuchten Kopenhagener Inventare, in welchem eine Frau im nachgewiesenen Besitz eines Musikinstrumentes war. In den darauf folgenden Jahrzehnten sind keine weiteren Nennungen nachweisbar. Erst seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, etwa bei Peder Werner Bisgaard 1763 mit: „Enn sortt violinn [eine schwartze Gei-
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Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 35; 1744-1745 (Inventar des Hendrich Jensen, 1744). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 53; 1751-1752 (Inventar des Isaac Olsen, Lethau, 1751). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 214 (Inventar des Peder Werner Bisgaard, 1763). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Københavns Skiftekommission 1771-1797, Nr. DC007, 5M-102 (Inventar des Erich Westmann, 1793). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Københavns Skiftekommission 1771-1797, Nr. DC007, 5M-102 (Inventar des Johan Zeep, 1793). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Københavns Skiftekommission 1771-1797, Nr. DC007, 5M-102 (Inventar des Peder Jensen, 1793). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 1699-1700 (Inventar der Ester Jensdatter, 1699).
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ge/Violine]“ 19 und bei Peder Hoppe mit „1 gammell brunne violinne [1 alte braune Geige/Violine]“ 20 wurden wieder vereinzelte Streichinstrumente in den Nachlässen genannt. Auch Peter Anton Möller besaß 1790: „1 Violinn [1 Geige/Violine]“ 21 und Peder Jensen besaß 1793 neben dem oben bereits angesprochenen Tasteninstrument auch: „Eenn Brunn Violinne [eine braune Geige/Violine]“. 22 In Stralsund sah die Nennung der einzelnen Musikinstrumente in den Nachlassinventaren bedeutend spärlicher als in Kopenhagen aus. Nur sehr vereinzelt wurden sie in den Inventaren erwähnt. Die erste Nennung eines Blasinstruments fällt auf das Jahr 1755, in welchem die Inventarschreiber im Haushalt des Schiffers Hans Klopstock „1 stück versilbertt Flöette“ 23 vorfanden. Ansonsten konnte lediglich im Nachlass von Johann Friedrich Kempe aus dem Jahr 1781: „Eine kleine handtFlöt“ 24 nachgewiesen werden. Weitere Nennungen von Blasinstrumenten lassen sich in Stralsund nicht finden. Ebenso wie in Kopenhagen kamen auch in Stralsund in den Nachlassinventaren während der gesamten untersuchten Zeitspanne vom 17. und 18. Jahrhundert keine Schlaginstrumente vor. Einzig die Tasteninstrumente fanden eine Erwähnung, wobei dies erst relativ spät, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, erfolgte. Interessant ist hier, dass diese Instrumente zwar sehr selten genannt wurden, in den Haushalten, in denen sie dann allerdings vorhanden waren, gleich mehrfach auftauchten, wie etwa die Beispiele vom Hofrat Ike und vom Kammerrat Joachim Ulrich Giese deutlich zeigen. Ike besaß zum Zeitpunkt der Aufnahme seines Haushaltes im Jahr 1776 nicht nur: „1 Clavier“, sondern auch: „1 Orgel; 1 kleine Orgel“. 25 Auch im Nachlass von Giese lassen sich mehrere Tasteninstrumente nachweisen: „1 Flügel; […]; 1 Fortepiano“. 26 Der Altermann Hendrick besaß in seiner Konkursmasse von 1793 lediglich: „1 alter
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Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 214 (Inventar des Peder Werner Bisgaard, 1763). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 6, 1780 (Inventar des Peder Hoppe, 1778). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 21, 1795-1796 (Inventar des Peter Anton Möller, 1790). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Københavns Skiftekommission 1771-1797, Nr. DC007, 5M-102 (Inventar des Peder Jensen, 1793). StA HST, Rep. 3, Nr. 5429 (Inventar des Schiffers Hans Klopstock, 1755). StA HST, Rep. 3, Nr. 5505 (Inventar des Johann Friedrich Kempe, 1781). Vp LA HGW, Rep. 73, Nr. 185 (Inventar des Hofrats Ike, 1776). Vp LA HGW, Rep. 73, Nr. 363 (Inventar des Joachim Ulrich Giese, 1780).
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Flügel.“ 27 Weitere Tasteninstrumente konnten auf Grundlage der vorliegenden Quellen in den Nachlassinventaren für Stralsund nicht nachgewiesen werden. Bei den Streichinstrumenten lassen sich im gesamten hier untersuchten Zeitraum lediglich zwei Nennungen in den privaten Stralsunder Haushalten nachweisen – beide fallen auf das Ende des 18. Jahrhunderts. Die erste Erwähnung taucht im Haushalt vom Kaufmann Cratzin aus dem Jahr 1781 auf. Er besaß mit: „4 Violinen“ 28 sogar eine größere Anzahl dieser Instrumente. Die zweite Erwähnung fand sich im Haushalt vom ehemaligen Rats- und Achtmanndieners Schumacher aus dem Jahr 1796. Er konnte: „1 Violin“ 29 in seinem Besitz vermelden. Auch für Riga lassen sich nur, ebenso wie für Kopenhagen und Stralsund, sehr sporadische Nennungen von Musikinstrumenten feststellen. Die Blasinstrumente – auch in Riga wurden im 17. und 18. Jahrhundert lediglich die Flöten vereinzelt erwähnt – fanden sich in nur vier Haushalten. Im Nachlass von Axel Johann Gildenfelt wurde im Jahr 1664 „ein klein Flött“ 30 und im Haushalt von Paul Brockhansen 1712 „Eine Höltzernn Flöette“ 31 inventarisiert. Lediglich in den Nachlässen von Hermann Heinrich Crassens aus dem Jahr 1785 und von Johann Hermann von 1788 wurden schließlich mehrere dieser Blasinstrumente erwähnt. Hermann Heinrich Crassens besaß: „Ein klein Flött; [...]; noch ein klein Flött“ 32 und Johann Hermann konnte drei Jahre später sogar „eine Flöte von Holz; [...]; ein hölzern flöte, recht altt; [...]; ein flöttinstrumente, sehr gebraucht“ 33 in seinem Besitz verzeichnen. Weitere Blasinstrumente konnten in den für diese Untersuchung zur Verfügung stehenden Rigaer Nachlassinventaren nicht nachgewiesen werden. Ähnliches trifft auch für Schlaginstrumente zu. Lediglich in einem Fall wurde von: „eine kleine Trommel von Blech gemacht“ 34 gesprochen. Sie befand sich im privaten Nachlassinventar von Nicolaus Wiedern aus dem Jahr 1769. Bei den Tasteninstrumenten sah es in Riga im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts recht spärlich aus. Für das 17. Jahrhundert sind keine Tasteninstrumente belegbar und auch erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts finden sich vereinzelte Beispiele. So besaß etwa Peder Behrendt im Jahr 1785: „Ein
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StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5565 (Inventar des Altermanns Hendrick, 1793). StA HST, Rep. 3, Nr. 5505 (Inventar des Kaufmanns Cratzins, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5589 (Inventar des Ratsund Achtmanndieners Schumacher, 1796). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Axel Johann Gildenfelt, 1664). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Paul Brockhansen, 1712). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Hermann Heinrich Crassens, 1785). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Johann Erdmann, 1788). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Nicolaus Wiedern, 1769).
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Clavier“. 35 Heinrich Schilder konnte im darauf folgenden Jahr sogar zwei dieser Instrumente als in seinem Besitz befindlich bezeichnen: „Ein Forte piano; [...]; Ein Clavier“. 36 Ähnliche Ergebnisse liegen auch für den Haushalt von Johann Christoph Teublers aus dem Jahr 1793 vor, der sehr musikalisch gewesen sein muss, denn neben: „Ein Clavier, stark benutzett; [...]; Noch ein Clavier“ ist auch: „Ein Violin“ 37 als zum Hausstand gehörig verzeichnet. Weitere Tasteninstrumente konnten leider in Riga nicht nachgewiesen werden. Bei den Streichinstrumenten lassen sich für Riga keine zufriedenstellenden Aussagen aus den Nachlassinventaren treffen. Lediglich fünf dieser Instrumente wurden verzeichnet. Neben der bereits angesprochenen Violine im Haushalt von Johann Christoph Teubler, ließen sich in nur zwei weiteren Haushalten Streichinstrumente finden. Zum einen besaß Beggerow zum Zeitpunkt seines Todes 1784: „Eine Recht Altt Geige“ 38, zum anderen konnte im Nachlass von Michael Weysenbreyer 1782 mit gleich drei Streichinstrumenten ein recht hoher Bestand dieses Instruments vorgefunden werden: „Eine Geige; [...]; Eine Violine; [...]; Noch Eine violine, so aber die Sayten zerrissen“.39 Zusammenfassend lassen sich zur Verteilung der unterschiedlichen Musikinstrumente in den Haushalten von Kopenhagen, Stralsund und Riga im 17. und 18. Jahrhundert nur sehr sporadische Aussagen treffen. Die Quellenlage ist entweder sehr dünn, oder aber die Verbreitung der einzelnen Instrumente ist noch nicht so weit fort geschritten, dass sich zuverlässige Aussagen treffen lassen. Interessant bleibt lediglich, dass, wenn Musikinstrumente in einem Haushalt auftauchten, sie oft gleich in einer größeren Stückzahl genannt wurden, wie uns die oben angeführten Beispiele deutlich zeigen.
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StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Peder Behrendt, 1785). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Heinrich Schilder, 1786). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Johann Christoph Teublers, 1793). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Herrn Beggerow, 1784). StA Riga, Landvogteigericht Nr. 1379-1-1027 (Inventar des Michael Weysenbreyer, 1782).
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Wertangaben innerhalb der Nachlassinventare
Die einzelnen dieser Arbeit zu Grunde liegenden Nachlassinventare lassen sich bezüglich ihrer Werte nicht tiefgreifend analysieren. Weder kann dies im Vergleich zwischen den Städten, noch innerhalb einer einzelnen Stadt oder gar einer sozialen Schichtung erfolgen. Lediglich vereinzelte Ansätze lassen sich in diese Richtung verfolgen, die aber jeder Vollständigkeit entbehren. Um diesbezüglich die Fragestellung nach durchschnittlichen Hauhaltswerten in erschöpfender Weise auswerten zu können, müssen andere Quellen zu Rate gezogen werden. Nicht nur, dass sich die Nominalwerte im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts stellenweise grundlegend innerhalb der hier untersuchten Städte veränderten, auch die einzelnen verzeichneten Angaben sind weder in jedem Fall vollständig noch genau verzeichnet. 1 Bei den Taxierungen innerhalb der Nachlassinventare sind nach genauer Prüfung eindeutige Fehler aufgetreten, die die endgültigen Ergebnisse in Bezug auf die wertspezifische Einordnung des Nachlasses teilweise grundlegend beeinflussen. In Kopenhagen wurden beispielsweise im Nachlassinventar von Johan Lorentz Pallast aus dem Jahr 1781 die „2 sölw Lysestager [2 Kerzenständer aus Silber]“ 2 auf zwei Rigsdaler taxiert, wohingegen die im selben Inventar vorkommenden „2 Thinne dito [LyseeStager] [2 Kerzenständer aus Zinn]“ 3 mit dem dreifachen Wert taxiert wurden. Weitere Hinweise auf Besonderheiten der Kerzenständer aus Zinn sind in diesem konkreten Fall nicht überliefert. Auch für Stralsund sind solche Beispiele offensichtlicher Fehler bei den Taxierungen der einzelnen Haushaltsgegenstände klar zu erkennen, so etwa im Inventar von der Ehefrau des Tischlers Boneck aus dem Jahr 1782. Hier wurden unter anderem „4 Paar flächsene Bettlacken“ 4 mit einem Wert von 19 Reichstalern inventarisiert, der „1 Dammasten Mantel mit Grauwerck gefüttert“ 5 mit lediglich 16 Reichstalern bewertet. Bei Dorothea Hanlichs sind 1800 ähnlich offensicht-
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North, Michael (Hg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845, Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar des Johan Lorentz Pallast, 1781). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845, Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar des Johan Lorentz Pallast, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5509 (Inventar der Ehefrau des Tischlers Boneck, 1782). StA HST, Rep. 3, Nr. 5509 (Inventar der Ehefrau des Tischlers Boneck, 1782).
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Wertangaben innerhalb der Nachlassinventare
lich falsche Zahlen zu lesen. Hier wurden „2 cattun Tücher“ 6 mit acht Reichstalern taxiert, „1 Schapp“ 7 hingegen nur mit zwei Reichstalern. In Riga sind ähnliche Ungenauigkeiten bei den Wertangaben wie in Kopenhagen und Stralsund festzustellen. Heinrich Schilder besaß zu Lebzeiten 1786 beispielsweise „Ein Schrancken mit zwey Spiegel Thüren“ 8, der mit drei Reichstalern zu Buche schlug. Die im selben Inventar verzeichneten „drei heeden Tücher mit blauem Rhande“ 9 wurden hingegen auf die unglaubliche dreifache Summe von neun Reichstalern festgesetzt. In den meisten Fällen wird dies an der Unkenntnis der jeweiligen Inventaraufnehmer über die tatsächlichen Werte gelegen haben, aber auch kleinere Korrekturen sind denkbar, um etwa aus fiskalischen Gründen einen reichhaltigen privaten Nachlass als nicht so wertvoll erscheinen zu lassen. Auch die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der mit Wertangaben versehenen Inventare war in allen drei Städten sehr unterschiedlich. So gibt es in manchen Jahrzehnten in Kopenhagen, Stralsund und Riga keinerlei Taxierungsangaben. In Kopenhagen sind beispielsweise die Hälfte der 298 an dieser Stelle beleuchteten Nachlassinventare mit Wertangaben versehen, das reicht von einzelnen Nachlässen, in denen die jeweiligen Gegenstände sehr detailliert aufgelistet und mit einem genauen Geldbetrag taxiert wurden, über Zusammenfassungen der gesamten Silber-, Zinn- oder Messinggegenstände, die gewogen und schließlich der reine Metallwert angegeben wurde, bis hin zur Gesamttaxierung vereinzelter Nachlässe. Wenn man allerdings die verschiedenen angegebenen Werte zusammenrechnet und die einzelnen Inventare miteinander vergleicht fällt auf, dass beispielsweise um 1700 die Inventare in ihrem Gesamtwert und in ihrem Umfang im Gegensatz zu den Angaben vom Ende des 18. Jahrhunderts zwar ärmer sind, die einzelnen vorhandenen Stücke aber einen deutlich höheren Wert hatten. So kostete ein Schrank beispielsweise um 1700 rund drei bis vier Reichstaler, um 1790 etwa nur ein bis zwei Reichstaler. Auch bei anderen Einzelobjekten ist dieser Trend zu beobachten. Der Reichstaler war innerhalb dieser einhundert Jahre nicht dasselbe wert, um aber eine bessere Vergleichbarkeit zu gewähren, sind vom Autor die jeweils angegebenen Werte in den Nominalwert des Reichstalers aus der Zeit um 1800 umgerechnet worden. 10
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StA HST, Rep. 12, Nr. 1043 (Inventar der Dorothea Hanlichs, 1800). StA HST, Rep. 12, Nr. 1043 (Inventar der Dorothea Hanlichs, 1800). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Heinrich Schilder, 1786). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-945 (Inventar des Heinrich Schilder, 1786). KLIMPERT, Richard: Lexikon der Münzen, Maße, Gewichte, Zählarten und Zeitgrößen aller Länder der Erde, Graz 1972; NORTH: Von Aktie bis Zoll; NORTH, Michael: Von der atlantischen Handelsexpansion bis zu den Agrarreformen (1450-1815), in: NORTH, Michael (Hg.): Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, München 2000, S. 107-191; RITTMANN, Herbert: Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, Mün-
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Lag der Gesamtwert eines Nachlasses um 1700 beispielsweise bei einem Kopenhagener Handwerker noch zwischen 100 und 150 Rigsdaler, so hatte sich dieser Wert zum Ende des 18. Jahrhunderts verdoppelt. Das durchschnittliche Inventar der Ärmsten lag um 1700 deutlich unter den angegebenen 100 Rigsdalern. Hindrich Pohlman Hermansen zum Beispiel besaß 1703 einen Nachlass in einem Gesamtwert von neun Rigsdalern, welcher auch den niedrigsten in den Inventaren angegebenen Wert in dieser Zeit darstellt. 11 Vereinzelte Nachlässe aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zeigen ähnlich niedrige Tendenzen. Bei den ärmeren Bevölkerungsschichten lassen sich keine klaren Wertgrenzen nach unten finden, wohingegen die Haushaltswerte der gehobenen sozialen Schichten nach oben ebenso keine Grenzen zu besitzen scheinen. Auch diese Angaben sind stets mit Vorbehalt zu betrachten, da sich, wie bereits beschrieben, die tatsächlichen Werte der damaligen Nachlässe nie mit absoluter Sicherheit ermitteln lassen. In Stralsund ist der Umfang der Wertangaben noch geringer als in Kopenhagen. Hier wurde lediglich ein Drittel der 319 für diese Arbeit untersuchten Nachlässe bewertet. Die restlichen zwei Drittel lassen sich also lediglich aufgrund ihrer Objektfülle nur vorsichtig einschätzen. Trotz einer teilweise eigenständigen Währung in Stralsund 12, sind die meisten Angaben in den Inventaren in Reichstalern gemacht, beziehungsweise durch den Autor umgerechnet worden. Ähnlich wie schon in Kopenhagen zeigt sich auch in Stralsund die Bandbreite von den ärmeren Inventaren mit vereinzelten wertvollen Stücken aus dem 17. Jahrhundert, bis hin zu den reichhaltig ausgestatteten, aber kaum noch mit besonderen und teuren Ausstattungsgegenständen versehenen Haushalten des 18. Jahrhunderts. Ein einfaches Inventar um die Mitte des 17. Jahrhunderts, wie etwa das von Conrad Munster von 1645, hatte einen Gesamtwert von rund 153 Reichstalern. 13 Der Advokat Hercules konnte 130 Jahre später 1775 auf einen Nachlass im Wert von 1.460 Reichstalern 14 verweisen, wohingegen Frau Carnien, die ein an Umfang deutlich kleineres Inventar ihres Hausstandes geben konnte, 1781 lediglich eine Gesamtwertsumme von 16 Reichstalern 15 erreichte. Ihr wertvollstes Stück war „1 Ober-
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chen 1975; SPRENGER, Bernd: Das Geld der Deutschen. Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart, Paderborn-München-Wien-Zürich 1995. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 4; 1700-1711 (Inventar des Hindrich Pohlman Hermansen, 1703). VERDENHALVEN, Fritz: Alte Mess- und Währungssysteme aus dem deutschen Sprachgebiet. Was Familien- und Lokalgeschichtsforscher suchen, Neustadt an der Aisch 1993, S. 102. StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5187 (Inventar des Conrad Munster, 1645). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). StA HST, Rep. 3, Nr. 5505 (Inventar der Frau Carnien, 1781).
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bett“ 16, welches mit vier Reichstalern verbucht wurde. Das Bett: „1 Bettstelle mit Cartunen Gardinen und Bettdecken“ 17 des Advokaten Hercules wurde hingegen mit 25 Reichtalern taxiert. Entgegen dem allgemeinen Trend dieser Zeit konnte er auf ein paar einzelne besonders wertvolle Stücke in seinem Haushalt verweisen, was besonders seiner gehobenen sozialen Stellung geschuldet war. So wurden etwa Silberbesteckteile: „9 Stück dito [silbern] Esslöffel 37 ¾ Loth“ mit 22 Reichstalern, das „Canape und 2 Lehn Stühle mit rothe Plüßen Küßen“ mit acht Reichstalern, „1 roth Sammeten Peltz und Muffe mit Hermelin“ sogar mit 60 Reichstalern und schließlich „1 neue Kutsche“ mit 40 Reichstalern bewertet. 18 Bei dem mit 60 Reichstalern taxierten Pelzmantel ist allerdings von einem Fehler des Inventarschreibers auszugehen, da es ziemlich unwahrscheinlich erscheint, dass der Pelzmantel deutlich mehr wert war als eine neue Kutsche. Ein noch diffuseres Bild ergibt sich für Riga. Aus den dieser Untersuchung zur Verfügung stehenden 311 Nachlassinventaren sind lediglich 15 Nachlässe mit Wertangaben versehen – also lediglich fünf Prozent der gesamten untersuchten Rigaer Haushaltsinventare lassen sich anhand ihrer Taxierungen genauer einordnen. Eine befriedigende Analyse der Werte innerhalb dieser Nachlassinventare lässt sich daher nicht sicherstellen. Trotz der relativ ungenauen Quellenaussagen ist abschließend festzuhalten, dass sowohl in Kopenhagen als auch in Stralsund vom 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Gesamtwerte durchschnittlicher Nachlassinventare – in Bezug auf die Geldwerte, aber auch auf die Anzahl der aufgenommenen Stücke – zunahmen, einzelne wertvolle Stücke hingegen immer seltener wurden. Das muss nicht allein daran liegen, dass der Wunsch nach besonders ausgefallenen und teuren Stücken im privaten Besitz nachließ, sondern vielmehr daran, dass durch die immer stärker werdende Nachfrage nach den verschiedenen Konsumgütern auch die Preise der einzelnen Einrichtungsgegenstände fielen, wie auch schon an anderer Stelle in der Forschung festgestellt wurde. 19
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StA HST, Rep. 3, Nr. 5505 (Inventar der Frau Carnien, 1781). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). StA HST, Rep. 3, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). BREWER, John; PORTER, Roy (Hgg.): Consumption and the World of Goods, LondonNew York 1994, S. 98ff.
8.
Die Sozialstruktur der ausgewerteten Nachlassinventare
Von besonders großer Bedeutung ist die Sozialstruktur der Besitzer der in der vorliegenden Arbeit untersuchten Nachlässe, wobei hier nicht nur die Verteilungen der einzelnen sozialen Schichten der Städte Kopenhagen, Stralsund und Riga stehen sollen, sondern auch auf die geschlechtliche Zuordnung und den Familienstand der Inventargeber eingegangen wird.
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Männer ohne Angaben zum Familienstand verheiratete Frauen unverheiratete Frauen Frauen ohne Angaben zum Familienstand
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Diagramm 15: Verteilung der Geschlechter in den untersuchten Kopenhagener Inventaren in Prozent
Im Diagramm 15 wird die Geschlechterverteilung innerhalb der untersuchten Inventare aus Kopenhagen deutlich. Es fällt auf, dass circa zwei Drittel der Nachlässe von Männern stammen gegenüber nur einem Drittel Frauenanteil. Diese Auswahl bildet einen repräsentativen Schnitt durch die gesamten Quellenbestände der Kopenhagener Archive. Mit über 40 Prozent stellen die verheirateten Männer den größten Anteil der untersuchten Geschlechtergruppen. Lediglich acht Prozent waren nicht verheiratet und zu 22 Prozent der Männer lagen keine Angaben zum Familienstand vor. Bei den Angaben zu den Frauen zeichnet sich ein etwas anderes Bild ab. Mit 25 Prozent war der größte Teil der Frauen verheiratet und nur zwei Prozent unverheiratet. Lediglich bei drei Prozent der Frauen wurden keine weiteren Angaben zum Familienstand überliefert. Bei den Werten „ohne Angabe zum Familienstand“ ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Personen während ihrer gesamten Lebzeit nicht verheiratet waren,
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Die Sozialstruktur der ausgewerteten Nachlassinventare
denn auch bei verwitweten Eheleuten finden sich sehr häufig Hinweise auf den bereits verstorbenen Partner. Erstaunlich ist, dass der Anteil der unverheirateten Männer im Vergleich zu den unverheirateten Frauen ungleich größer ist. Es lebten also deutlich mehr Männer unverheiratet beziehungsweise ist für sie eine Ehe heute schlechter nachzuweisen, als es bei den Frauen der Fall war. Die Einteilung 298 Kopenhagener Inventare erweist sich als schwierig. Zu etwa der Hälfte der Inventare sind entweder keine Berufsbezeichnungen oder die Werte nicht klar und eindeutig überliefert. Oft wurden nur Gewichtsangaben gemacht oder die Wertschätzungen zu den einzelnen Objekten nicht niedergeschrieben. Die restlichen Nachlässe unterteilen sich in die drei Kategorien der Unter-, Mittel- und Oberschichtinventare. Mit 43 Prozent bildete die Mittelschicht der Händler und Handwerker den größten Anteil der zu dieser Untersuchung herangezogenen Nachlassinventargeber, mit 42 Prozent dicht gefolgt von der Unterschicht, der Bettler, Hausierer und einfachen Angestellten, wie etwa Dienstleute oder Tagelöhner, aber auch Studenten angehörten. Den mit 15 Prozent weitaus geringsten Anteil bildete die Kopenhagener Oberschicht. Hier waren nicht nur die Großkaufleute, sondern auch ein großer Anteil Adliger und königlicher Gesandter vertreten, die am Kopenhagener Hof ihren Dienst versahen. Diese Aufteilung spiegelt allerdings nicht die tatsächlichen gesellschaftlichen Strukturen wider, sondern nur die Verteilungen, wie sie sich aus den hier untersuchten Nachlassinventaren für Kopenhagen ermitteln lassen. Auch für Stralsund lassen sich keine eindeutigen und klaren Ergebnisse zu den Sozialstrukturen der durch die Nachlassinventare repräsentierten Stadtbewohner treffen. Der Anteil der Inventare, die mit den Werten der jeweiligen aufgenommenen Güter versehen wurden, ist noch geringer als in Kopenhagen. In Stralsund wurden lediglich bei einem Drittel der Nachlässe Wertschätzungen vorgenommen. Diese Taxierungen sind allerdings nach genauerer Prüfung mit Fehlern behaftet, die die Ergebnisse in Bezug auf die soziale Schichtung sehr leicht beeinflussen können. Die Verteilung der Geschlechter innerhalb der zu dieser Untersuchung herangezogenen Inventare gestaltet sich in Stralsund wie folgt: Mit circa zwei Dritteln der vertretenen Inventargeber stellen die Männer die größte Gruppe dar. Davon waren 25 Prozent verheiratet, in 14 Prozent der Fälle konnte kein Familienstand ermittelt werden und sogar 19 Prozent der durch die Nachlassinventare verzeichneten Männer waren in Stralsund nicht verheiratet. Bei den Frauen zeichnet sich hier ein ganz anderes Bild ab. Zwar bildete mit 19 Prozent die Gruppe ohne Angaben zum Familienstand den größten Anteil, 18 Prozent waren aber immerhin verheiratet und lediglich fünf Prozent der Frauen gehörten keiner ehelichen Gemeinschaft an. Der Anteil der nachweislich unverheirateten Männer war also erneut deutlich höher als der Anteil der unverheirateten Frauen.
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Die Sozialstruktur der ausgewerteten Nachlassinventare
verheiratete Männer
19 25
unverheiratete Männer Männer ohne Angaben zum Familienstand verheiratete Frauen
5
unverheiratete Frauen
18
19
Frauen ohne Angaben zum Familienstand 14
Diagramm 16: Verteilung der Geschlechter in den untersuchten Stralsunder Inventaren in Prozent
Von den 319 untersuchten Stralsunder Nachlassinventaren ließen sich lediglich 37 Prozent zu genaueren Untersuchungen zur Sozialstruktur heranziehen. Entweder waren keine entsprechenden Angaben in den Inventaren vorhanden, oder der jeweils ausgeführte Beruf wurde nicht näher bezeichnet. Bei den auswertbaren Nachlässen gehörten circa 38 Prozent der Inventargeber der städtischen Unterschicht an. Vertreten waren Tagelöhner und Dienstmädchen, aber auch Bettler, Hausierer und Studenten. Mit 51 Prozent Anteil gehörte die Mittelschicht Stralsunds zur größten Gruppe der hier untersuchten Nachlassgeber der Handwerker und Händler, der aber auch Gerichtsdiener und Notare angehörten. Die kleinste Gruppe bildete die städtische Oberschicht der Stadt. Mit lediglich elf Prozent waren die Ratsherren und Großkaufleute in dieser Kategorie vertreten. Aber auch vereinzelte Adelige, die in Stralsund ihren Wohnsitz hatten, wurden auf Grundlage der vorhandenen Quellen zu diesen Untersuchungen herangezogen. In Stralsund kann man bei dieser, durch die Nachlassinventare wiedergegebenen gesellschaftlichen Struktur nicht davon ausgehen, dass sie den tatsächlichen Verhältnissen in der Stadt entsprach. Die prozentuale Verteilung der Geschlechter sieht in den zu Riga untersuchten Inventaren anders als in Kopenhagen aus, ähnelt aber sehr stark der von Stralsund. So sind etwa zwei Drittel der untersuchten Inventare von Männern hinterlassen worden. Dabei bildet mit 23 Prozent die Kategorie der verheirateten Männer die größte Gruppe, mit 21 Prozent dicht gefolgt von der Gruppe ohne Angaben zum Familienstand. Eine ähnlich große Bedeutung wie diese beiden ersten Gruppen spielten nach den Angaben aus den Inventaren diejenigen Männer, die nicht verheiratetet waren – immerhin 17 Prozent. Ein Inventar aus Riga konnte keinem Geschlecht zugeordnet werden, da kein Name, sondern
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Die Sozialstruktur der ausgewerteten Nachlassinventare
lediglich ein Datum mit einem vollständigen Nachlassinventar niedergeschrieben wurde.
16
verheiratete Männer
23
unverheiratete Männer
4
Männer ohne Angaben zum Familienstand verheiratete Frauen 19 17
unverheiratete Frauen Frauen ohne Angaben zum Familienstand
21
Diagramm 17: Verteilung der Geschlechter in den untersuchten Rigaer Inventaren in Prozent
Bei den Rigaer Frauen bildete die Gruppe der verheirateten in den hier untersuchten Nachlassverzeichnissen mit 19 Prozent immer noch eine große Rolle, mit 16 Prozent dicht gefolgt von den Frauen ohne Angaben zum Familienstand. Die nicht verheirateten Frauen spielten mit vier Prozent der untersuchten Fraueninventare keine bedeutende Rolle, lassen aber interessante Schlüsse auf das soziale Gefüge zu. Im Rahmen dieser Quellengrundlage gab es also deutlich mehr unverheiratete Männer als unverheiratete Frauen. Außerdem wurden sowohl in Stralsund und Kopenhagen als auch in Riga deutlich mehr Inventare von Männernachlässen anfertigt als von Frauen. Aus dem Rigaer Archiv standen 311 Nachlässe für diese Untersuchung zur Verfügung. Der größte Anteil der Inventargeber gehörte dabei der städtischen Mittelschicht mit 46 Prozent an, die in Riga hauptsächlich von einer deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe bestimmt wurde. Zu dieser Mittelschicht gehörten zum größten Teil Kaufleute und Händler, aber beispielsweise auch Gerichtsangestellte und Notare. Die zweite große Gruppe bildet mit 23 Prozent die Oberschicht. Nicht nur Altermänner oder Ratsmitglieder, sondern auch besonders reiche Kaufleute und vereinzelte Adelige gehörten ihr an. Anders als in Kopenhagen und Stralsund spielten die Angehörigen der städtischen Unterschicht in den untersuchten Nachlassinventaren in Riga mit 19 Prozent eine geringe Rolle. Hier waren es wieder vereinzelte Bettler und Hausierer oder aber Tagelöhner und Dienstgesinde, aus deren Hab und Gut nach dem Tod ein Besitzprotokoll angefertigt wurde.
Die Sozialstruktur der ausgewerteten Nachlassinventare
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Für Riga gilt, ähnlich wie schon für Kopenhagen und Stralsund, dass diese Informationen zur sozialen Schichtung, die aus den Inventaren gewonnen werden, nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprachen. Die Wahrscheinlichkeit, dass für einen Angehörigen der Ober- oder Mittelschicht ein Nachlassinventar ausgefertigt wurde war bedeutend größer, als dies für einen Vertreter der Unterschicht zu erwarten ist. In vielen Buden, Kellern und einzelnen Räumen wurden entweder keine Inventare angefertigt, da es nichts zu erben gab, oder die Aufzeichnungen wurden nach kurzer Zeit entsorgt, da mit eventuellen Rechtsstreitigkeiten nicht gerechnet werden musste. Bei manchen Nachlässen der Ober- und Mittelschicht zeichneten sich dagegen noch viele Jahre nach Ableben des Inventargebers Streitigkeiten ab. Die Frage nach ausländischen Bewohnern, deren eigenen materielle Kultur und Einfluß auf bestimmte Modetrends innerhalb einer der drei hier untersuchten Städte muss zunächst unbeantwortet bleiben, da keine klar zuzuordnenden Nachlässe aufgefunden werden konnten. Entweder sind die Hausstände dieser Ausländer nicht erfasst worden, oder sie waren in ihrem Modebewusstsein und materiellen Kultur bereits so weit assimiliert, dass kaum noch Unterschiede zur einheimischen Bevölkerung festzustellen waren. Die innovativste Gruppe im Bereich der materiellen Kultur stellte die städtische Oberschicht dar. Hier trafen die neuen Modetrends aus anderen Regionen zuerst auf und wurden rezipiert. Der Fernhandelskaufmann, der etwa aus einer anderen südeuropäischen Stadt nach Riga kam, brachte ein neuartiges Polstermöbel mit, welches zugleich in die eigene Wohnung integriert, durch Freunde und Bekannte besichtigt und bewertet wurde. Gefiel das Stück, konnte es gut sein, dass er beauftragt wurde weitere dieser Dinge zu beschaffen oder einheimische Handwerker bekamen den Auftrag dieses Möbelstück nachzubauen. Von der städtischen Oberschicht gingen die Trends mit einer kurzen zeitlichen Verzögerung auf die Mittelschicht über, die sich dieser Mode bediente und eigene billigere Möbelstücke baute und die eigene Wohnung damit einrichtete. Auch bei der Unterschicht in den Städten sind gewisse Innovationen zu erwarten, wenngleich sie bedeutend geringer ausfielen oder kaum als Neuerung wahrgenommen wurden, wie uns verschiedene Beispiele von Bildern und Spiegel in Nachlassinventaren aus ärmsten Verhältnissen zeigen. Es ist direkte Abhängigkeit von der sozialen Stellung der jeweiligen Inventargeber und den Umfang und Inhalt des Nachlassinventars festzustellen.
9.
Bedeutung der einzelnen Räumlichkeiten
Wie bereits oben angesprochen, gewannen seit der Renaissance die Wohnung und die einzelnen Wohnräume als Zentrum des privaten Lebens immer mehr an Bedeutung. Nicht nur die Möbel und Wohnungsauskleidungen spielten eine wichtige Rolle, sondern auch die immer stärkere Differenzierung der einzelnen Lebensbereiche innerhalb eines Haushaltes. Letztere wurden mit spezifischen Möbeln, aber auch mit individuellen Raumverzierungen – wie etwa Tapeten, Wandbemalungen oder Paneelen – versehen. Zunächst waren diese Entwicklungen nur in adligen Residenzen, seit dem Ende des 17. Jahrhunderts auch in immer stärkerem Maße in bürgerlichen Familien zu beobachten. Der Trend ging zu differenzierteren Wohnungen mit der Stube als Zentrum des Wohnens. Hier waren schließlich die modernen und komfortablen Möbelstücke untergebracht, die nicht nur wahllos in den Raum gestellt wurden, sondern als Ensemble sowohl stilistisch, als auch farblich gestaltet zueinander passten. 1 1
BÜTTNER, Horst; MEISSNER, Günter: Bürgerhäuser in Europa, Leipzig 1981; DÜLMEN, Richard van: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. Das Haus und seine Menschen, Band 1, München 1990; FOUQUET, Gerhard: „Annäherung“: Große Städte – Kleine Häuser. Wohnen und Lebensformen der Menschen im ausgehenden Mittelalter (ca. 1470-1600), in: DIRLMEIER, Ulf (Hg.): Geschichte des Wohnens. Band 2: 500-1800 Hausen Wohnen Residieren, Stuttgart 1998, S. 347-501, hier S. 436ff.; FRIEDHOFF, Jens: „Magnificence“ und „Utilité“. Bauen und Wohnen 1600-1800, in: DIRLMEIER, Ulf (Hg.): Geschichte des Wohnens. Band 2: 500-1800 Hausen Wohnen Residieren, Stuttgart 1998, S. 503-788, hier S. 634ff.; GIERL, Irmgard: Die Einrichtung der Weilheimer Bürgerhäuser von 1650-1724, in: Bayrisches Jahrbuch für Volkskunde (1969), S. 120-124, HÄHNEL: Stube, S. 25ff.; HAMMEL-KIESOW, Rolf: Quellen und Methoden zur Rekonstruktion des Grundstücksgefüges und der Baustruktur im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Lübeck, in: HAMMEL-KIESOW, Rolf (Hg.): Wege zur Hausforschung städtischer Häuser und Höfe. Beiträge zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit am Beispiel Lübecks im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, (Häuser und Höfe in Lübeck. Historische, archäologische und baugeschichtliche Beiträge zur Geschichte der Hansestadt im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Band 1), Neumünster 1993, S. 39-152, hier S. 45ff.; HAUSEN, Karin: Das Wohnzimmer, in: HAUPT, Heinz-Gerhard (Hg.): Orte des Alltags. Miniaturen aus der europäischen Kulturgeschichte, München 1993, S. 131-141, hier S. 133ff.; MOSER, Oskar: Anmerkungen zum Nord-Süd-Vergleich in Hausbau, Wohnung und Gerät, in: WIEGELMANN, Günter (Hg.): Nord-Süd-Unterschiede in der städtischen und ländlichen Kultur Mitteleuropas (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 40), Münster 1985, S. 63-72; NENADIC, Stana: Household possessions and the modernising city: Scotland, c. 1720 to 1840, in: SCHUURMANN, Anton J.; WALSH, Lorena S. (Hgg.): Material Culture: Consumption, Life-Style, standard of living, 1500-1900, Mailand 1994, S. 147-160; PELUS-KAPLAN: Raumgefüge und Raumnutzung, S. 18ff.; PRASCHL-BICHLER: Alltag im Barock, S. 151ff.; SANDGRUBER, Roman: Alltag und Materielle Kultur. Städtischer Lebensstil und bürger-
Bedeutung der einzelnen Räumlichkeiten
163
Auch die weiteren Zimmer innerhalb eines Haushaltes wurden ihren immer stärkeren Differenzierungen entsprechend ausgestattet und somit die Funktionalität der einzelnen Räume von der Diele über die Küche und die einzelnen Wohnräume bis hin zu den Kammern der Dienstboten und etwa dem Keller oder Dachboden angepasst. 2 Besonders in den Hansestädten hatte die Diele vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine vornehmlich repräsentative Rolle zu erfüllen. Hier wurde der Besuch zunächst empfangen und sozusagen in die eigentliche Wohnung geleitet. Die massiven Kleider- und Dielenschränke waren hier ebenso zu finden wie repräsentierende Leuchter und Bilder. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts war die Küche in vielen Hansestädten noch ein Bestandteil der Diele. Erst seit dieser Zeit bildete sich ein eigenständiger Raum heraus. Beide Räume wurden funktional voneinander klar abgegrenzt und auch mit jeweils eigenständigen Möbeln ausgestattet. 3 Auch die weiteren Stuben und Zimmer einer Wohnung wurden ihren Funktionen entsprechend ausgestattet. In der Schlafstube oder Schlafkammer standen beispielsweise nicht nur die Betten, sondern – wenn nicht gerade separate Ankleidezimmer vorhanden waren – auch große Kleider- und Wäscheschränke. Weiterhin reichte die Ausstattung von kleinen Beistelltischchen über vereinzelte Stühle oder Hocker bis hin zu Leuchtern, Spiegeln und natürlich Toilettenartikeln. Auch Bücher und Schreibutensilien waren vereinzelt in den Schlafstuben vorhanden. 4 Wenn man nun die einzelnen privaten Wohnungen der Stadtbewohner näher in Augenschein nimmt und sich zu diesem Zweck der Nachlassinventare bedient, kommt man nicht immer zu einem befriedigenden Ergebnis. So wur-
2
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liche Wohnkultur am Beispiel zweier oberösterreichischer Städte des 16. Jahrhunderts, in: KOHLER, Alfred; LUTZ, Heinrich (Hgg.): Alltag im 16. Jahrhundert. Studien zu Lebensformen in mitteleuropäischen Städten (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Band 14), Wien 1987, S. 23-44; SANDGRUBER, Roman: Zwischen Tanzhaus und Spital: Komponenten des städtischen Alltags. Alltag und materielle Kultur. Städtischer Lebensstil und bürgerliche Wohnkultur am Beispiel zweier oberösterreichischer Städte des 16. Jahrhunderts, in: KOHLER, Alfred; LUTZ, Heinrich (Hgg.): Alltag im 16. Jahrhundert. Studien zu Lebensformen in mitteleuropäischen Städten (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Band 14), Wien 1987, S. 23-44; WELLS-COLE, Anthony: Velours-, Blumen- und Phantasietapeten: englische Papiertapeten zwischen 1680 und 1830, in: HOSKIS, Lesley (Hg.): Die Kunst der Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994, S. 22-41. BECHER, Ursula A. J.: Die Küche, in: HAUPT, Heinz-Gerhard (Hg.): Orte des Alltags. Miniaturen aus der europäischen Kulturgeschichte, München 1993, S. 142-149, hier S. 143ff.; RENONCIAT, Annie: Das Kinderzimmer, in: HAUPT, Heinz-Gerhard (Hg.): Orte des Alltags. Miniaturen aus der europäischen Kulturgeschichte, München 1993, S. 150160, hier S. 151ff. PELUS-KAPLAN: Raumgefüge und Raumnutzung, S. 16f. PELUS-KAPLAN: Raumgefüge und Raumnutzung, S. 20ff.
164
Bedeutung der einzelnen Räumlichkeiten
den die Nachlässe durch die inventaraufnehmenden Schreiber nicht zwangsläufig nach einzelnen Räumen gegliedert aufgenommen, sondern häufig nach Herstellungsmaterialien oder Funktionen geordnet niedergeschrieben. In vielen Fällen ist überhaupt keine klare Gliederung zu erkennen, sondern die einzelnen Stücke wurden einfach nacheinander ohne erkennbare Ordnung niedergeschrieben. 5 Sehr gute Beispiele für diese Art der Inventarniederschrift finden sich in Kopenhagen. In nicht einem der hier untersuchten Nachlassinventare wurde auf eine Raumeinteilung näher eingegangen. Auch weitergehende Untersuchungen zu dieser Fragestellung konnten nicht befriedigend beantwortet werden. So mögen im 17. und 18. Jahrhundert in Kopenhagen die einzelnen Wohnungen immer differenzierter geworden sein und sich die monofunktionale Bedeutung einzelner Räumlichkeiten immer mehr herausgeprägt haben, in den Nachlassinventaren spiegeln sich diese Tendenzen in keinem Fall wieder. Die Unterteilung, nach der in den Nachlässen die einzelnen Gegenstände aufgenommen wurden, bezieht sich in den meisten Fällen auf eine Einteilung in die Herstellungsmaterialien. Als Beispiel sei an dieser Stelle das Inventar von Sören Andersen Mahling aus dem Jahr 1730 genannt, das wie folgt eingeteilt war: „Sölv [Silber]; [...]; Tind [Zinn]; [...]; Kober og Mesing [Kupfer und Messing]; [...]; Jeren [Eisen]; [...]; Steentöy [Steingut]; [...]; Tra Vare [Holzware]“ 6. Die restlichen mobilen Gegenstände innerhalb der Wohnungen wurden schließlich nach ihren spezifischen Funktionen geordnet eingeteilt. So finden sich bei Sören Andersen Mahling genauere Differenzierungen in: „Gang Klaeder [Gang-/Ausgehkleidung]; [...]; Lintoy [Leinenzeug]; [...]; Senge Klaeder [Bettkleidung]; [...]; Sengetoy [Bettwäsche]“ 7. Für Stralsund sah die Unterteilung innerhalb der Inventare etwas anders als in Kopenhagen aus. Zwar wurde auch hier im 17. Jahrhundert zunächst lediglich nach Herstellungsmaterialien, Funktionen oder beispielsweise Aufbewahrungsbehältnissen, wie etwa „1 Kiste, darin:“ 8 oder „Vorrath; [...]; Getreide; [...]; An Pferden; [...]; Horne Vieh; [...]; Schweine; [...]; Gense; [...]; Hausgeräthe; [...]; Baurgeschir; [...]; Victualien; [...]; An Sahmen; [...]; Keßell; [...]; Kleidung; [...]; Fewrung“ 9 eingeteilt, aber vereinzelt tauchten bereits die ersten Einteilungen von Räumlichkeiten innerhalb der Wohnungen auf. Ein Beispiel ist im Nachlassinventar von Conrad 5 6
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PELUS-KAPLAN; EICKHÖLTER: Lübecker Inventare des 16.-18. Jahrhunderts, S. 279ff.; PELUS-KAPLAN: Raumgefüge und Raumnutzung, S. 12. Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Sören Andersen Mahling, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Sören Andersen Mahling, 1730). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5081 (Inventar des Martin Simensdorff, 1621). StA HST, Rep. 30, Nr. 167 (Inventar des Hanß Fettericken, 1635).
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Munster aus dem Jahr 1645 zu finden, denn zwischen der bewährten Einteilung in: „Bahrgelde; [...]; Silber; [...]; Brieffe und Handschrifften; [...]; Klahr Zinn; [...]; Manchguht; [...]; Mißingk; [...]; In einem Sacke“, findet sich auch der Hinweis: „Auffm Boden“. 10 Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts lassen sich schließlich immer häufiger Hinweise auf komplexere Raumstrukturen nachweisen, wobei weiterhin die meisten Nachlassinventare nach der altbewährten Methode aufgenommen wurden. Den Inventarschreibern wurde es anscheinend immer wichtiger, die Nachlässe nicht mehr nur nach Materialien und Funktionen, sondern auch nach einzelnen Räumen gegliedert aufzunehmen. Bei Hinrich Boldten finden wir 1704 beispielsweise eine Mischform der Inventaraufnahme. Zunächst wurden die größeren Möbelstücke nach den einzelnen Räumen inventarisiert: „Die Unter Vorder Stube nach der straßen, worin:; [...]; Hiernegst über die haußdiele gangen zum großen hintterstube, worin:; [...]; auß der Stuben in die Kammer, worin:; [...]; der sohl nach dem Hoffe über die hinterstube, worin:; [...]; hierbey noch ein Cämmerchen, worin:; [...]; hiebey noch 1. Cammerch, worin:; [...]; hiebey den Stallboden, woselbst:; [...]; die oberstube nach der straßen, worin:; [...]; auf der Stuben auff dem gange:; [...]; auff der haußdiele; [...]; im Hoffe:; [...]; im Stall:; [...]; in der Küchen:; [...]; auffm unterbohden:; [...]; im Keller:; [...]; auff dem Bohden:“ 11, und schließlich die restlichen Dinge, wie etwa die Küchengeräte, nach ihren Materialien sortiert: „Messing; [...]; kupfer; [...]; zinnen“ 12. Interessant ist auch, dass beispielsweise in vereinzelten Wohnungen die Einteilung der Güter nach ihren Herstellungsmaterialien vorgenommen und lediglich ein, vornehmlich Repräsentationszwecken dienender Raum, mit seinem genauen Funktionsnamen benannt wurde. Als Beispiel sei hier das Nachlassinventar von Diedrich Meyers Weyland genannt, bei dem die Schreiber neben: „Mobilien: 1. An Gold, Silber und Gelde; [...]; 2. An Kupffer; [...]; 3. An Meßing; [...]; gegossen Messing; [...]; 4. Zinn; [...]; 5. Küchengeräth; [...]; 6. Leinen; [...]; Leinen im Gebrauch; [...]; 7. Betten; [...]; Mägde Betten; [...]; 8. Kleider; [...]; 9. HaußGeräth; [...]; 10. Bücher; [...]; 11. Wein Geräth; [...]; 12. Nomina Activa nebst handlungs-bücher und brieffschafften“ 13 lediglich „Auff der Caffe-Stube“ 14 als Raumbezeichnung als wichtig erachteten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren circa 50 Prozent der Nachlassinventare in einer einheitlichen Form verfasst worden. Zunächst wurden die wertvollen Utensilien aus den teuren Materialien, wie Gold, Silber oder 10 11 12 13 14
StA HST, Rep. 3, Nr. 5187 (Inventar des Conrad Munster, 1645). StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704). StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704). StA HST, Rep. 3, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738). StA HST, Rep. 3, Nr. 5384 (Inventar des Diedrich Meyers Weyland, 1738).
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Bedeutung der einzelnen Räumlichkeiten
Perlen niedergeschrieben, dann die billigeren Materialien genannt, wie Kupfer, Zinn und Messing, danach die einzelnen Stoffe von Seide, über Baumwolle bis hinzu Leinen erwähnt, dann kam die Einteilung nach den Räumlichkeiten der Wohnung und schließlich wurden die Gegenstände in den Nebengelassen, wie dem Keller, dem Dachboden oder dem Hof, aufgenommen. Die restlichen Inventare waren so arm an Gegenständen, dass eine strukturierte Einteilung nicht vorgenommen werden musste. In Riga kam den einzelnen Räumlichkeiten in den Wohnungen bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine immer stärkere Bedeutung zu. So finden sich zwar größtenteils in den Inventaren wahllose Aneinanderreihungen der einzelnen mobilen Gegenstände, die umfangreicheren Nachlässe wurden aber bereits nach Räumen gegliedert, wie das Beispiel einen Nachlasses, dessen Geber nicht namentlich genannt wurde, aus dem Jahr 1665 deutlich zeigt: „In dem Schachtelchen in der Stube hinterm Tisch; [...]; In dem Stübchen die trep hinauf außm hause; [...]; In der Cammer neben diesem Stübchen; [...]; In dem Packhause im Hofe.“ 15 Auch in den darauf folgenden Jahren blieb diese Form der Inventaraufnahme eher eine Seltenheit, häufte sich aber zum Ende des 17. Jahrhunderts immer mehr. Die meisten Nachlässe wurden, wie bereits aus Kopenhagen und Stralsund bekannt, lediglich nach den verschiedenen Herstellungsmaterialien beziehungsweise dem Gebrauch entsprechend sortiert aufgenommen. Vereinzelt finden sich sogar Inventare, die ausschließlich nach Räumlichkeiten sortiert niedergeschrieben wurden, wie uns das Beispiel von Georg Heinrich Meyer aus dem Jahr 1692 deutlich zeigt „In der Stube; [...]; Bücher in der Stube; [...]; In der Schlaffkammer; [...]; In der Kammer; [...]; Oben in der Ersten Kammer; [...]; In der andern Kammer; [...]; In dem dritten Ober Gemach; [...]; Im Vorhause; [...]; Im Keller; [...]; Auff dem Boden; Im Stall.“ 16 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat sich die generelle Einteilung der Inventare nach den Räumen in der Wohnung noch nicht umfassend durchgesetzt. Es überwogen immer noch die Einteilungen nach den Herstellungsmaterialien, wie bereits aus dem 17. Jahrhundert bekannt. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts finden sie sich immer häufiger und schließlich, zum Ende des Jahrhunderts in fast einem Drittel der Nachlassinventare Hinweise auf die monofunktionale Nutzung von Räumlichkeiten. Abschließend ist zu konstatieren, dass obwohl zu Kopenhagen in Bezug auf die Bedeutung der einzelnen Räumlichkeiten keine befriedigenden Ergebnisse zu erzielen sind, zumindest in Stralsund und Riga diese Bedeutung besonders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stetig zunahm. Nicht nur die Differenzierung der einzelnen Wohnräume innerhalb der privaten Haushalte wurde immer stärker, sondern auch spezifische Ausstattungsmerkmale passten sich stärker dem Zweck der Räumlichkeiten an.
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StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar ohne Angabe des Namens, 1665). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Georg Heinrich Meyer, 1692).
10.
Schlussbetrachtung
Ziel der vorliegenden Studie war es, das Vorhandensein einer eigenständigen Wohn- und Sachkultur für die Städte Kopenhagen, Stralsund und Riga im 17. und 18. Jahrhundert nachzuweisen und einzelne Aspekte vergleichend zu betrachten. Nicht nur Gegenstände des täglichen Gebrauchs, sondern auch Luxusartikel wurden dabei beleuchtet. Die Vermögenswerte ausgewählter Inventare unterlagen einer näheren Analyse und wurden mit anderen Regionen des Ostseeraumes und verschiedenen Regionen des restlichen Europas verglichen. Fragen zum kulturellen Austausch – hier lag der Schwerpunkt besonders auf den Trends im Bereich der Gebrauchs- und Luxusgegenstände – wurden aufgegriffen und beantwortet. Auch die Nutzung einzelner Räumlichkeiten und deren Wandel sowie die damit einhergehenden Veränderungen der Lebensgewohnheiten bildeten einen Aspekt dieser Studie. Die Nachlassinventare, die zur Beantwortung der einleitend angesprochenen Fragestellungen als Quellen herangezogen wurden, ließen nicht nur einen interessanten Einblick in die jeweiligen Haushalte zu, sondern erlaubten auch quantifizierende und repräsentative Aussagen. Als ein wesentliches Ergebnis ist dabei zu betonen, dass die meisten Innovationen im Bereich der materiellen Kultur erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts auftraten. Wie anhand einzelner Beispiele aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachgewiesen werden konnte, sind davor keine tief greifenden Neuerungen beziehungsweise Trend setzenden Innovationen zu verzeichnen. Die Fragen nach den kulturellen Einflüssen in Kopenhagen, Stralsund und Riga konnten – unter Zuhilfenahme spezifischer Sekundärliteratur – durch die Auswertung der Nachlassinventare umfassend beantwortet werden. Die meisten neuen Trends und Modeströmungen stammten in ihren ursprünglichen Formen zunächst aus den italienischen, hauptsächlich aber aus den französischen Gebieten. Nachdem sie in vielen Fällen durch britische und niederländische Künstler und Handwerker rezipiert wurden, gelangten sie schließlich in den Ostseeraum, wo sie mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung eine umfangreiche Verbreitung fanden. Lediglich vereinzelte Einrichtungsgegenstände und deren Einfluss auf die Ausstattung der privaten Haushalte, wie etwa die niederländische Kunst und Malerei, kamen direkt aus ihren Ursprungsländern an die Ostseeküsten und wurden dort aufgenommen und stellenweise kopiert. Die auftretenden zeitlichen Verzögerungen sowie die quantitativen Unterschiede in einzelnen Jahrzehnten lassen sich zumeist mit kriegerischen Auseinandersetzungen wie etwa dem Dreißigjährigen Krieg oder dem Nordischen Krieg begründen.
168
Schlussbetrachtung
Von besonderer Bedeutung ist, dass sich die allgemeinen Trends der Wohn- uns Alltagskultur zunächst von der Residenzstadt Kopenhagen über die Handels- und Kaufmannstädte Riga und Stralsund verbreiteten. Das heißt jedoch nicht, dass diese Güter auch diesen beschriebenen Weg genommen haben, sondern lediglich diese zeitliche Abfolge in der Rezeption erkennbar ist. Sowohl in der Verbreitung der einzelnen Tisch-, Sitz- und Ruhemöbel als auch der Betten und Schrankmöbel sowie der Bilder und Spiegel ist diese Entwicklung festzustellen. Ausschließlich einzelne und ausgewählte Innovationen lassen sich – zumeist auch nur durch ein Jahrzehnt voneinander getrennt – in einer anderen Reihenfolge verfolgen. Als Beispiel sei hier der Teegenuss genannt, der sich in Riga anhand der Nachlassinventare bereits fast zwanzig Jahre vor Kopenhagen und gar vierzig Jahre vor der ersten Stralsunder Erwähnung nachweisen lässt. Auch bei der Verwendung der verschiedenen Herstellungsmaterialien ist eine Entwicklung vom 17. zum 18. Jahrhunderts zu erkennen. Die zunächst verbauten heimischen und in großer Anzahl vorhandenen billigen Hölzer wichen in immer stärkerem Maße teuren und importierten Holzarten. Auch dabei kam der Residenzstadt Kopenhagen wiederum eine Funktion als Vorreiter zu, denn bereits für das 17. Jahrhundert ließ sich bei manchen Möbelarten die Tendenz zu luxuriöseren Materialien nachweisen. Besonderes Augenmerk wurde denjenigen Luxusartikeln gewidmet, die nur beiläufig einen funktionalen Charakter zu erfüllen hatten und durch ihre Repräsentativität das Lebensgefühl der Besitzer steigerten beziehungsweise der persönlichen Erbauung derselben dienten. Zu diesen Luxusgegenständen gehörten in besonderem Maße die vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts immer häufiger verzeichneten Spiegel und Bilder. Zwar wichen Anzahl und Verteilung der Spiegel und Bilder im 17. und 18. Jahrhunderts in den Städten Kopenhagen, Stralsund und Riga teilweise sehr stark voneinander ab, gewisse Grundtendenzen sind jedoch trotzdem deutlich zu erkennen. Beispielsweise besaß ein durchschnittlicher Kopenhagener Haushalt gemäß den Inventaren zufolge doppelt so viele Bilder wie ein durchschnittlicher Haushalt in Stralsund oder Riga. Die Tendenz einer wachsenden Bedeutung dieser Luxusgüter ist jedoch in allen drei Städten, wenn auch zeitlich teilweise verzögert, zu verzeichnen. Ähnliche Ergebnisse liegen für die Verbreitung von Spiegeln vor. In Bezug auf Musikinstrumente konnten weder zu Kopenhagen noch zu Stralsund oder Riga erschöpfende oder grafisch darstellbare Entwicklungen im 17. und 18. Jahrhundert aufgezeigt werden. Lediglich ein allgemeiner Trend zu immer größeren Musikinstrumenten, die der Kammermusik dienten – wie etwa dem Klavier –, lässt sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vereinzelt feststellen. Während die Anzahl der in den Inventaren verzeichneten Gegenstände in allen drei untersuchten Städten im Laufe der zwei Jahrhunderte deutlich anstieg, sank die Verbreitung reich verzierter und individueller Möbelstücke bezie-
Schlussbetrachtung
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hungsweise Schmuckgegenstände jedoch zum Ende des 18. Jahrhunderts immer weiter ab. Das einzelne exklusive Möbelstück, Gemälde oder aber Schmuckstück war immer seltener anzutreffen. Dies ist durch eine stetig wachsende Produktion der meisten Gebrauchsgegenstände zu begründen, da damit nicht nur ihr Preis sank, sondern auch immer breitere Bevölkerungsschichten sich diese Stücke leisten konnten. So erfassten die unterschiedlichen Modebewegungen, die zunächst von Adeligen und einzelnen wohlhabenden Bürgern adaptiert wurden, schließlich zum Ende des 18. Jahrhunderts auch die breiteren Bevölkerungsschichten in den Untersuchungsregionen. Von bedeutendem Interesse ist, dass anhand der Inventare deutlich nachgewiesen werden kann, dass die Rezption innovativer Trends nicht ausschließlich zuerst von Adligen ausging. Die gesamte städtische Oberschicht – zu der auch Adlige gehörten – nahm sowohl in Kopenhagen als auch in Stralsund und Riga die neuen Modetrends auf, interpretierte sie und erzeugte neue Nuancen. Von hier breiteten sich die neuen Moderichtungen schließlich auf die städtische Mittelschicht und in stark abgeschwächter Form auch auf Teile der Unterschicht aus. Die Frage, ob sich über die alleinige Auswertung der Nachlassinventare genauere Aussagen zur sozialen Schichtung in den jeweiligen Städten treffen lassen, muss verneint werden. Inventare können lediglich als illustrative Quelle herangezogen werden, denn aufgrund einer nicht einheitlichen Inventaraufnahme, der oft sehr subjektiv erscheinenden Bewertung einzelner Gegenstände in den Haushalten und schließlich der heterogenen Quellenüberlieferung ist es nicht möglich, wissenschaftlich eindeutige Aussagen zu treffen. So lassen sich bei vielen Nachlässen nur aufgrund von subjektiven Eindrücken Einschätzungen zum Stellenwert des Hausstandes innerhalb des sozialen Gefüges einer Stadt treffen, da weder Nachlasswerte noch Berufsstand des Inventargebers angesprochen werden. Zu den Städten Kopenhagen und Stralsund sind daher nur vorsichtige Aussagen möglich, lediglich Riga lässt sehr sporadische Ergebnisse zu, die jedoch nur im Zusammenhang mit anderen Quellen als hinreichend repräsentativ betrachtet werden können. Die Frage, ob die politische Entwicklung einen Einfluss auf die Ausprägung prägnanter Trends im Bereich der materiellen und immateriellen Kultur hatte, ist hingegen leichter zu beantworten. Nach der Auswertung der Quellen und der Darstellung dieser Ergebnisse in den verschiedenen Grafiken und Diagrammen kann aufgrund der relativ homogenen Grafikverläufe in allen drei hier untersuchten Städten festgestellt werden, dass kleinere kriegerische Auseinandersetzungen oder gar die Besetzung der Städte über einen längeren Zeitraum keinen nennenswerten Einfluss auf die Verbreitung der materiellen Kultur in Kopenhagen, Stralsund und Riga hatten. In allen drei Städten setzten sich die Modeentwicklungen in ähnlichem Maße während des 17. und 18. Jahrhunderts fort. Dieses Ergebnis kann allerdings durch die etwas größer gewählte Untersuchungseinteilung in Zehnjahresschritten beeinflusst sein, denn gerade hier glei-
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Schlussbetrachtung
chen sich manche Höhen und Tiefen einzelner Jahrgänge aus und ergeben abschließend ein homogeneres Bild. Ein weiteres Augenmerk lag in dieser Untersuchung auf der Bedeutung der einzelnen Räumlichkeiten. Konnten zu Kopenhagen kaum befriedigende Antworten aus den ausgewählten Nachlassinventaren gewonnen werden, so ergaben sich zu Stralsund und Riga recht interessante Ergebnisse. In beiden Städten spielten die seit dem 17. Jahrhundert stetig zunehmende Differenzierung der Wohnungen und der Trend zu monofunktionalen Räumlichkeiten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. Im Zuge der Unterteilung der einzelnen Lebensbereiche wurde auch die Anpassung der verschiedenen Möbelstücke und Ausstattungsutensilien an die neuen funktionsorientierten Räume vorgenommen. Aus dem einfachen Schrank, der in jedem Raum untergebracht werden konnte, wurde etwa der Küchen-, Schreib- oder Kleiderschrank. Es wurden spezielle Tee- oder Kaffeetische gebaut, die in den hauptsächlich der Freizeitgestaltung dienenden Tee- oder Kaffeestuben untergebracht waren. Hier fanden sich schließlich auch andere Gegenstände, die den schönen Dingen im Leben gewidmet waren; als Beispiele seien an dieser Stelle die Musikinstrumente und die Spieltische genannt, die besonders zum Ende des 18. Jahrhundert vermehrt in einzelnen Nachlassinventaren der hier untersuchten Städte auftauchten. Parallel zur monofunktionalen Raumnutzung sind der zahlenmäßige Anstieg und die zunehmende Differenzierung der Möbelstücke und der Wohnungsauskleidung festzustellen. Besonders in der Zeit zwischen 1700 und 1770 ist in fast allen hier untersuchten Städten und auch in den anderen zu Referenzzwecken herangezogenen Städten des Ostseeraumes eine beträchtliche Anzahl sämtlicher Haushaltsgegenstände zu verzeichnen. Sowohl bei den Sitz- und Ruhemöbeln als auch bei den Tischen, den Schränken, den Betten und den Spiegeln und Bildern sind in den Nachlässen durchschnittlich besonders hohe Zahlen verzeichnet. Die Spitzenwerte liegen in den meisten Fällen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Zum Ende des Jahrhunderts gehen die absoluten Zahlen wieder etwas zurück und pendeln sich dann schließlich in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts auf gleichmäßige Werte ein. Spitzenreiter bei den absoluten Zahlen ist hauptsächlich Kopenhagen. Es folgen dann Riga und Stralsund, wobei hier in den meisten Fällen Riga vor Stralsund liegt. Betrachtet man abschließend alle Ergebisse in ihrer Gesamtheit, so wird deutlich, dass Kopenhagen, Stralsund und Riga als Orte mit intensiven Kontakten sowohl in den Ostseeraum als auch ins restliche Europa betrachtet werden müssen. Nicht nur der Transfer von Handelsgütern, sondern auch die Verbreitung von Modetrends und den damit einhergehenden kulturellen Ideen fand im 17. und besonders im 18. Jahrhundert stetig statt. Es erfolgte ein reger Austausch, der sich schließlich auch im privaten Haushalt sowie in dessen materiellen Kultur widerspiegelt und sich anhand der Nachlassinventare für uns heute
Schlussbetrachtung
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sehr gut nachweisen lässt. Der Ostseeraum ist, wie Thomas DaCosta Kaufmann bereits feststellte, als einheitliche Kulturregion erkennbar. 1
1
DACOSTA KAUFMANN: Der Ostseeraum als Kunstregion, S. 9-21.
Anhang
I. HGBl HGW HST PUB Rep RKG StA Vp LA VSWG ZGS
II.
Abkürzungsverzeichnis Hansische Geschichtsblätter Hansestadt Greifswald Hansestadt Stralsund Pommersches Urkundenbuch Repositur Reichskammergericht Stadtarchiv Vorpommersches Landesarchiv Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Zeitgeschichtliche Sammlung
Quellen- und Literaturverzeichnis
II.1. Verzeichnis der ungedruckten Quellen zu Kopenhagen: Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Jens Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar der Maren Christensdatter, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Thoer Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Peder Nielsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Lorentz Mohr, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Isach Jacobsen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Christian Claudi, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Knud Michelsen Crone, 1681).
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Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Skiftekomission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 2-II (Inventar des Hendrich Johansen, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar der Liszebet Willumsdatter, 1681). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Otto Povisk, 1684). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Jens Clausen, 1687). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Kristoffer Ranchis, 1690). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Laurids Wendelin, 1690). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1684-1692 (Inventar des Laurids Eskildsen, 1691). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 16991700 (Inventar der Ester Jensdatter, 1699). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 16991700 (Inventar des Mogens Jensen, 1699). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 16991700 (Inventar des Hans Prytz, 1699). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 3; 16991700 (Inventar der Elisabeth Sontnmann, 1700). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1740 Originale skiftebreve Nr. 4; 17001711 (Inventar des Hindrich Pohlman Hermansen, 1703). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1708-1710 (Inventar des Jörgen Thormöhlen, 1708). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Register til konceptskifter og skiftbreve 1708-1710 (Inventar der Barbara Hedevig Dragsteden, 1709). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 35; 1744-1745 (Inventar des Hendrich Jensen, 1744).
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Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Caspar Hansen Schöller, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar der Mette Catarina Christensdatter, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Peder Dreyer, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar der Anna Andersdatter, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1681-1776, Konceptskifter Nr. 49 (Inventar des Jost Johan Ohagen, 1730). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 49; 1750-1751 (Inventar des Thomas von Recken, 1750). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 49; 1750-1751 (Inventar des Friderick Lafont, 1751). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 53; 1751-1752 (Inventar des Hans Michelsen Ludsinsky, 1751). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781 Originale skiftebreve Nr. 53; 1751-1752 (Inventar des Isaac Olsen, Lethau, 1751). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 111 (Inventar des Niels Bysted, 1755). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 111 (Inventar des Peder Larsen, 1755). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 214 (Inventar des Peder Werner Bisgaard, 1763). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1683-1781, Originale skiftebreve Nr. 336 (Inventar des Michael Börgesen, 1771). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 6, 1780 (Inventar der Andrea Maria Nyegaard, 1778). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 6, 1780 (Inventar des Peder Hoppe, 1778).
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Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845, Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar des Johan Lorentz Pallast, 1781). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar der Maren Pedersdatter, 1782). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 10, 1783-1784 (Inventar der Magdalena Bensdatter Möller, 1783). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 21, 1795-1796 (Inventar des Peter Anton Möller, 1790). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Byting; Københavns Skiftekommission 1771-1845; Bevillinger og samfrændeskiftbreve (kopier) Nr. 21, 1795-1796 (Inventar der Anne Birgitte Sörensdater, 1796). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Københavns Skiftekommission 1771-1797, Nr. DC007, 5M-102 (Inventar des Erich Westmann, 1793). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Københavns Skiftekommission 1771-1797, Nr. DC007, 5M-102 (Inventar des Johan Zeep, 1793). Landsarkivet for Sjælland, Lolland-Falster & Bornholm, Københavns Hofretten og Borgretten; Københavns Skiftekommission 1771-1797, Nr. DC007, 5M-102 (Inventar des Peder Jensen, 1793).
zu Stralsund: StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5072 (Inventar Johann Graßelenn, 1604). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5078 (Inventar Jobst Stein, 1607). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5081 (Inventar Martin Simensdorff, 1621). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5187 (Inventar Conrad Munster, 1645). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5364 (Inventar Marten Quinn, 1711). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5367 (Inventar Gertrud Schmidten, des Baltzer Klüsen und des Johann Dircksen, 1725). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5367 (Inventar Herrn Mehlen, 1726). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5384 (Inventar Diedrich Meyers Weyland, 1738).
des des des des des der des des
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Anhang
StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5385 (Inventar des Abraham Ehrenfried Richter, 1738). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5429 (Inventar des Schiffers Hans Klopstock, 1755). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5435 (Inventar der Juliana Bracher, Witwe des David Rosenow, 1764). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5468 (Inventar des Advokaten Hercules, 1775). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5468 (Inventar des Herrn Wallis, 1775). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5473 (Inventar des Goldschmiedealtermanns Darchow, 1776). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar der Frau Carnien, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar der Demoiselle Lichtenfeldten, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar des Kaufmanns Cratzin, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar der Frau Bernincken, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5505 (Inventar des Johann Friedrich Kempe, 1781). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5509 (Inventar der Ehefrau des Tischlers Boneck, 1782). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5565 (Inventar des Altermanns Hendrick, 1793). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5565 (Inventar der Frau des Altermanns Müller, 1793). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5589 (Inventar des Rats- und Achtmanndieners Schumacher, 1796). StA HST, Rep. 3, Das Gerichtswesen der Stadt Stralsund, Nr. 5590 (Inventar des Kapitäns von Latzow, 1796). StA HST, Rep. 12, Nr. 1043 (Inventar der Dorothea Hanlichs, 1800). StA HST, Rep. 30, Stralsunder Kramerkompanie und Stralsunder Amt der Haken, Nr. 167 (Inventar des Hanß Fettericken, 1635). StA HST, Rep. 30, Stralsunder Kramerkompanie und Stralsunder Amt der Haken, Nr. 167 (Inventar des Jochim Ladewaß, 1639). StA HST, Rep. 30, Stralsunder Kramerkompanie und Stralsunder Amt der Haken, Nr. 167 (Inventar des Krämerboten Zillmer, 1763). StA HST, Rep. 37, Nr. 199 (Inventar des Hinrich Boldten, 1704). Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 185 (Inventar des Hofrats Ike, 1776). Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 363 (Inventar des Herrn Kammerrates Joachim Ulrich Giese, 1780).
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Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 467 (Inventar des Generalmajors Grafen von Bohl von Platen, 1780). Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 480 (Inventar aus den Vormundschaftakten über die Chronhelmschen Kinder, 1783). Vp LA HGW, Rep 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 871 (Inventar des Regierungsrates Dr. Johann Arnold Joachim Pommeresche, 1817). Vp LA HGW, Rep. 73, Hofgericht Greifswald, Nr. 884 (Inventar der Kinder des Nicolaus Weidemann, Altermann der Bäcker in Stralsund 1739-1749).
zu Riga: StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Marten Barbrams, 1663). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Jochen Garfeltspfand, 1664). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Axel Johann Gildenfelt, 1664). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar ohne Angabe des Namens, 1665). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Hans Mechsen, 1665). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Johannes Benschendorff, 1665). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Jacob Weckens, 1665). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Bendt Serentano, 1668). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Johann Beudts, 1668). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Ludert Engelken, 1670). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Johann Opdenohl, 1672). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar der Frau Meyschen, 1677). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Conrad Wittendorff, 1684). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-934 (Inventar des Balthasar Schormann, 1687). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Isaack Buhls, 1692). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Peter Meeshen, 1692). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Georg Heinrich Meyer, 1692). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Johan Georg Schlingers, 1692). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Jürgen Borgentreich, 1695). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Daniel Baren, 1696). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar der Barbara Margaretha Gatt, 1706). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Hans Grothen, 1711). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Johann Kroenens, 1711). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-935 (Inventar des Paul Brockhansen, 1712). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Philip Jacob Gronans, 1713). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Michael von Mallens, 1721). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Carl Schoeders, 1721). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Jacob Mittbertz, 1725). StA Riga, Vogteigericht Nr. 1378-1-936 (Inventar des Michael Kroyers, 1728).
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