Beweiswürdigung und Beweislast bei Aufklärungspflichtverletzungen im Bankrecht [1 ed.] 9783428479733, 9783428079735


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Beweiswürdigung und Beweislast bei Aufklärungspflichtverletzungen im Bankrecht [1 ed.]
 9783428479733, 9783428079735

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FRANK

BRÜSKE

Beweiswürdigung und Beweislast bei Aufklärungspflichtverletzungen im Bankrecht

Schriften zum Prozessrecht Band 118

Beweiswürdigung und Beweislast bei Aufklärungspflichtverletzungen im Bankrecht

Von Frank Brüske

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Brüske, Frank: Beweiswürdigung und Beweislast bei AufklärungspflichtVerletzungen im Bankrecht / von Frank Brüske. — Berlin : Duncker & Humblot, 1994 (Schriften zum Prozessrecht; Bd. 118) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1992/93 ISBN 3-428-07973-6 NE: GT

D 6 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-07973-6

Dem Andenken meines Vaters

Vorwort

Die vorliegende Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 1992/93 als Dissertation vor. Für die Drucklegung wurde die bis September 1993 veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung berücksichtigt. Das Thema geht auf eine Anregung von Herrn Prof. Dr. H. Roth zurück, der die Entwicklung meiner Untersuchung mit großem Interesse und hilfreichem Rat gefördert hat. Hierfür danke ich ihm herzlich. Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. H. Kollhosser für die Erstellung des Zweitgutachtens. Schließlich möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. J. Schmidt bedanken, der immer ein offenes Ohr für seinen Wissenschaftlichen Mitarbeiter hatte und mir zahlreiche wertvolle Hinweise gab. Mein Dank gilt weiterhin meiner Frau Angelika, die in steter Diskussion und mit viel Geduld zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Münster, im Herbst 1993 Frank Brüske

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

Die Kausalität der Informationspflichtverletzung im Bankrecht — Ein Beweisproblem 15 § 1 Einführung in die Problematik

§2

15

I.

Bankhaftungsrecht und Informationsbedürfnis

II.

Grundlagen der Bankenhaftung

15 16

III. Begriff der Informationspflicht

17

IV. Kausalität der Informationspflichtverletzung als Beweisproblem

18

1.

Die Kausalitätsfeststellung mittels der conditio sine qua non-Formel

20

2.

Das Problem des „informationsgerechten Verhaltens"

21

Überblick über Tendenzen in der Rechtsprechung zur Problemlösung I.

II.

22

Übergang von Beweiswürdigungs- zu Beweislastentscheidungen

22

1.

Ausgangspunkt der Rechtsprechung: Erfahrungssätze

22

2.

Zwischenstadium: Beweislastumkehr wegen „tatsächlicher Vermutung"

23

3.

Endpunkt: Beweislastumkehr bei Verletzung von Aufklärungspflichten

24

Gang der Darstellung

25

2. Kapitel

Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion § 1

Das Regelbeweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit

28

I.

Die Lehren von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit

28

1.

Das „Överviktsprincip"

28

2.

Die vom englisch-amerikanischen Zivilprozeß beeinflußten Ansichten

30

3.

Das Entscheidungsmodell von Mötsch

32

II.

§ 2

26

Kritik am Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit

32

1.

Ausländisches Recht als Lösungshilfe für die Beweismaßproblematik

33

2.

Quantitative Beweislast

33

3.

Das Alles- oder Nichts-Prinzip und das geltende Regelbeweismaß

35

Reduzierung des Beweismaßes bei der Kausalitätsfeststellung

37

10

Inhaltsverzeichnis I.

II.

Annahme eines flexiblen Beweismaßes

37

1.

Mehrere Regelbeweismaße

37

2.

Feststellung des Beweismaßes nach dem Evidenzgefühl des Richters

38

a)

Die Ansicht Gottwalds

38

b)

Die Auffassung Rommés

40

Fallgruppenabhängige Reduktion des geltenden Regelbeweismaßes

41

1.

Herleitung einer fallgruppenspezifischen Beweismaßreduktion

41

2.

Teleologische Auslegung des Kausalitätsmerkmals

III. Zusammenfassung

44 45

3. Kapitel

Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen § 1 Anerkannte Voraussetzungen des Anscheinsbeweises

§ 2

46

I.

Überzeugungskräftiger Erfahrungssatz

47

II.

Typische Geschehensabläufe

48

1.

Verhältnis von Geschehensablauf und Erfahrungssatz

49

2.

Merkmale eines typischen Geschehensablaufes

50

Ausschluß des Anscheinsbeweises bei individuellen Willensentschlüssen I. II.

§ 3

46

52

Keine Anwendung des Anscheinsbeweises zur Bestimmung von Willensentschlüssen

53

Der Kausalzusammenhang zwischen Täuschungshandlung und Willensentschluß bei § 123 Abs. 1 BGB

54

Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

55

I.

56

Beispiele aus der Rechtsprechung 1.

BGH W M 1959, 1458 ff. - Guter Status-Fall

56

2.

BGH W M 1981, 869 f. - Waschsalon-Fall

57

3.

BGH W M 1962, 1110 ff. - Reißverschlußfabrik-Fall

57

4.

BGH W M 1979, 548 ff. - Hotelbau-Fall

58

5.

OLG Nürnberg W M 1986, 124 ff. - II-Fonds-Fall und BGHZ 84, 141 ff. Emissionsprospekt-Fall

58

a)

OLG Nürnberg W M 1986, 124 ff.

59

b)

BGHZ 84, 141 ff.

59

6. II.

BGHZ 80, 80 ff. - Londoner Optionsprämie-Fall

60

Qualifizierung der Erfahrungssätze

61

1.

Motiv und Informationspflichtverletzung

61

2.

Erfahrungsgrundsätze bei typisierten Motiven

64

Inhaltsverzeichnis 3.

Ermittlung typisierter Motive

66

III. Verhältnis von Anscheinsbeweis und Beweislastumkehr 1.

68

BGH W M 1987, 1455 ff. - Globalaktie-Fall

68

2.

Optionsgeschäfte

69

3.

Zivilrechtliche und spezialgesetzliche Prospekthaftung

70

a)

Umkehr der Beweislast in Fällen zivilrechtlicher Prospekthaftung

71

b)

Anscheinsbeweis bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung

71

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse

74

4. Kapitel

Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

75

§ 1 Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO in der Kausalfrage

76

I.

Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität

77

II.

Die Abgrenzungsfrage in Rechtsprechung und Literatur

77

1.

Unanwendbarkeit des § 287 ZPO bei der Kausalfrage

77

2.

Feststellung des gesamten Kausalzusammenhangs nach § 287 ZPO

79

a)

Die Ansicht Gottwalds

80

b)

Die Auffassung Maassens

81

3.

§ 2

Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO auf die haftungsausfüllende Kausalität

81

a)

Begründung für eine ausschließliche Anwendung des § 287 ZPO auf die haftungsausfüllende Kausalität in der Rechtsprechung des BGH

82

b)

In der Literatur vertretene Begründungen

82

Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO im Kausalzusammmenhang mittels Auslegung — Eigener Lösungsansatz

85

I.

85

Auslegung des § 287 ZPO 1.

Die Auslegung des § 287 ZPO im Wege grammatischer und genetischer Interpretation

85

Die Auslegung des § 287 ZPO nach dem Normzweck

87

Bestimmung des Anwendungsbereichs nach dem Normzweck

87

2. II.

1.

2.

Analyse der Beweisnot bei der Kausalitäts- und Schadensfeststellung

88

a)

Allgemeines Beweisrisiko

88

b)

Definitorisches Beweisrisiko bei der Schadens- und Kausalitätsfeststellung

88

Ungerechtfertigte Begünstigung des Schädigers

89

a)

§ 287 ZPO und das allgemeine Beweisrisiko

90

b)

Definitorisches Beweisrisiko

90

aa)

90

Vergleich der Risiken

12

Inhaltsverzeichnis bb) Ungerechtfertigte Begünstigung des Schädigers

§ 3

92

Die Abgrenzung der Beweisrisiken in der Kausalfrage I.

93

Abgrenzung der Beweisrisiken und Konsequenzen für die bisherige Diskussion . . . 93 1.

Ablehnung der Verknüpfung der Abgrenzungsfrage mit dem materiellen Recht

93

a)

Eingriffstatbestände

94

Verhaltensnormtatbestände

95

aa)

96

b)

BGH NJW 1983, 998 f. - Vertragsverletzung

bb) BGHZ 29, 393 ff. - Amtshaftung

II.

98

2.

Generelle Anwendung des § 287 ZPO auf den gesamten Kausalzusammenhang 98

3.

Ausweitung der Haftungsnormen

§ 287 Abs. 1 S. 1 ZPO als Problemlösung bei Informationspflichtverletzungen

99 . . 100

III. Zusammenfassung

101

5. Kapitel

Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten § 1

102

Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten (ohne Arzthaftung) . . 103 I.

Aufklärungspflichten in der Rechtsprechung 1.

Die Leitentscheidung BGHZ 61, 118 ff.

103

2.

Folgeentscheidungen

105

3.

a)

BGHZ 64, 46 ff. - Haartonikum-Fall

105

b)

BGH NJW 1978, 41 f. - Sickerbrunnen-Fall

106

c)

BGH NJW 1983, 1665 f. - Lohnzahlungs-Fall

106

Ratschlags- und Selbstentscheidungs-Aufklärung als Differenzierungskriterium der Rechtsprechung 108 a)

b) II.

103

Annahme einer Beweislastumkehr unter besonderer Berücksichtigung des Bankhaftungsrechts

108

aa)

108

Berufshaftung beratender Berufe

bb) Entscheidungen aus dem Bankhaftungsrecht

111

Ablehnung einer Beweislastumkehr

112

Begründungsversuche in der Literatur

113

1.

114

2.

Problemlösungen außerhalb der Beweislastfrage Die Umkehr der Beweislast als Ausfluß des Normzwecks

116

a)

Erhalt des Pflichtcharakters durch Beweislastumkehr

116

b)

Materielle Korrektur der Haftungstatbestände im Kausalitätsmerkmal . . .

119

c)

Das beweisrechtliche Risiko als Inhalt des Normzwecks

120

d)

Die Privatautonomie als Schutzobjekt

III. Der Anscheinsbeweis als Teilbereichslösung

122 123

Inhaltsverzeichnis 1. 2.

3.

§2

123

Anwendungsbereich einer besonderen Beweislastregel

126

a)

Gefahrerhöhungslehre

126

b)

Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO

127

Abgrenzung der Informationspflichten - Erster Teil des eigenen Problemlösungsansatzes

128

a)

Geltungsanspruch der Norm

129

b)

Abwendung von Beweisnot als Norminhalt

130

IV. Zusammenfassung

133

Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht

134

I.

II.

§ 3

Beweislastumkehr als Problemlösung

Die ärztliche Aufklärungspflicht als beweisrechtlicher Sonderfall einer Informationspflicht

135

1.

135

Sicherungs- und Selbstbestimmungsaufklärung

2.

Rechtmäßiges Alternativverhalten

136

3.

Gesteigerte Substantiierungslast

137

Umkehr der Beweislast bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers

138

1.

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Beweislastsonderregel

138

2.

Ratio der Beweislastregel im Lichte der Rechtsprechung

140

3.

Kritische Stellungnahmen im Schrifttum zur Annahme einer Beweislastsonderregel bei groben Behandlungsfehlern 142 a)

Annahme einer Beweislastsonderregel bei grobem Behandlungsfehler . . .

142

b)

Entbehrlichkeit eines qualifizierten Behandlungsfehlers

144

c)

Entbehrlichkeit einer Beweislastumkehr

146

III. Zusammenfassung

147

Anwendung einer Beweislastsonderregel bei grober Verletzung der Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung — Fortsetzung des eigenen Problemlösungsansatzes

148

I.

II.

Notwendigkeit einer Differenzierung im Rahmen der Selbstentscheidungs-Aufklärung

148

1.

Anscheinsbeweis bei Selbstentscheidungs-Aufklärung

148

2.

Gedanke einer gerechten Interessenabwägung

149

3.

Funktionswandel bei den Verkehrspflichten

150

Ratio der Beweislastsonderregel

152

1.

Sicherungsaufklärung und der ärztliche Behandlungsfehler

152

2.

Rechtfertigung der besonderen Beweislastregel aus dem spezifischen Beweisrisiko

153

III. Die qualifizierte Informationspflichtverletzung als Differenzierungskriterium

....

153

1.

Kritik am Merkmal des „groben" Behandlungsfehlers

154

2.

Interessengerechte Verteilung des speziellen Beweisrisikos

155

14

Inhaltsverzeichnis a)

Grundsatz der Waffengleichheit

155

b)

Interessengerechte Verteilung des speziellen Beweisrisikos bei der Verletzung von Informationspflichten

156

aa)

156

Abwägung der widerstreitenden Interessen

bb) Erfordernis einer gesteigerten Substantiierungslast des Kunden . . . . 3.

Anwendung der Problemlösung im Bankhaftungsrecht

IV. Zusammenfassende Darstellung der vertretenen Problemlösung

157 159 160

Zusammenfassung

162

Literaturverzeichnis

167

1. Kapitel

Die Kausalität der Informationspflichtverletzung im Bankrecht — Ein Beweisproblem

§ 1 Einführung in die Problematik I. Bankhaftungsrecht und Informationsbedürfnis D i e Gerichte haben sich immer häufiger m i t Fällen zu befassen, in denen der Bankkunde Schadensersatzansprüche wegen fehlender oder falscher Information durch die Bank 1 geltend macht 2 . So wandte ein Kunde gegen den Darlehensrückzahlungsanspruch der Bank ein, diese habe ihn bei der Darlehensgewährung im Rahmen eines steuersparenden Bauherrenmodells nicht darüber informiert, daß bei seinem Eintritt das Objekt bereits überzeichnet war 3 . In einem Fall zum Einlagengeschäft 4 verlangte der Bankkunde den ihm in Form einer Steuerzahlung entstandenen Schaden ersetzt. Der Kunde hatte bei der Bank einen steuerbegünstigten Sparvertrag abgeschlossen und übertrug diesen auf ein anderes Bankunternehmen. Die beklagte Bank versäumte es, den Kunden auf eine Gesetzesänderung hinzuweisen, wonach die von ihm vorgenommene Übertragung des Vertrages zum Verlust der Steuervorteile führte. Kunden, die bei Aktien- und Aktienindex-Optionsgeschäften oder WarenterminOptionsgeschäften 5 Verluste erlitten haben, verlangen diese häufig vom Vermittler

1

Im folgenden wird der Begriff umfassend, also gleichbedeutend mit Kreditinstitut verstanden.

2

Vgl. nur BGH ZIP 1991, 90 (Kreditgeschäft); W M 1988, 1031 (Anlagegeschäft); W M 1987, 1455 (Emissionsgeschäft); NJW 1964, 2058 (Einlagengeschäft); NJW 1979, 1595 (Bankauskunft); W M 1977, 638 (Diskontgeschäft); BGHZ 23, 222 (Girogeschäft). 3

BGH W M 1986, 995.

4

BGH NJW 1964, 2058.

5

Dabei handelt es sich nicht um Bankgeschäfte i.S.d. § 1 I 2 Nr. 1-9 KWG. Der Problemkreis der Optionsgeschäfte wird dennoch mitbehandelt, da die Aufzählung in § 1 I 2 KWG lediglich Grundlage der Bankenkonzession und der Bankenaufsicht ist und die hier interessierende Problematik bei diesen Geschäften ebenfalls gegeben ist.

16

1. Kapitel: Die Kausalität der Informationspflichtverletzung im Bankrecht

der Option mit der Begründung ersetzt, sie seien nicht über die Bedeutung der Optionsprämie für das eingegangene Risiko aufgeklärt worden 6.

Im Ergebnis hält der Kunde der Bank vor, sie habe ein bei ihm bestehendes Informationsbedürfnis nicht bzw. nicht ausreichend befriedigt. Daß die Mittlerstellung, die die Bank infolge der arbeitsteiligen Spezialisierung einnimmt 7 , mit einem gesteigerten Informationsbedürfnis des Kunden einhergeht, bedarf keiner weiteren Vertiefung 8. Damit stellt sich aber die Frage nach der Haftung der Banken, wenn sie dem Informationsbedürfnis des Kunden nicht Rechnung tragen.

II. Grundlagen der Bankenhaftung Entgegen dem in § 676 BGB vorgezeichneten Modell einer Haftung für Rat und Empfehlung, wonach der Rat- oder Empfehlungsgeber gerade nicht zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstandenen Schadens verpflichtet ist, wird allgemein eine Haftung der Bank in diesen Fällen bejaht9. Dabei steht die vertragliche Haftung aus positiver Forderungsverletzung und die Haftung aus culpa in contrahendo im Vordergrund 10. Zwar kommt im Grundsatz auch eine Haftung aus unerlaubter Handlung nach §§ 823, 826 BGB in Betracht 11, diese spielt im Bankhaftungsrecht aber nur eine untergeordnete Rolle. So können die regelmäßig auftretenden primären Vermögensschäden nicht über § 823 I BGB liquidiert werden. Auch wird sich die Haftung der Bank im Bereich der fahrlässigen Vermögensschädigung bewegen und damit dem Anwendungsbereich des § 823 I I BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. des

6 Vgl. BGH ZIP 1991, 87 für Aktien- und Aktienindex-Optionen und BGH W M 1986, 734 für Warentermin-Optionen. 7

Besonders deutlich zeigt sich diese Stellung im Zahlungsverkehr, der ohne die Mitwirkung von Banken gar nicht mehr denkbar ist. Aber auch infolge des eingeschränkten Zugangs zu nationalen und internationalen Finanzmärkten ist der Kunde in aller Regel auf die Mitwirkung von Banken angewiesen. 8

AK-BGB / Teubner, § 242 Rdnr. 73.

9

Nach Hopt, FS Fischer, 1979, S. 237, 252 stellt § 676 BGB praktisch nur noch einen Kristallisationspunkt für Kommentierungen zur Frage einer Haftung für Rat und Empfehlung dar. 10 Die Frage, ob es einen allgemeinen Bank vertrag als eigenständigen Vertragstyp gibt, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Beantwortung. Vgl. zu dem Meinungsstreit Canaris , Bankvertragsrecht, Rdnr. 2 ff. u. Hopt, Kaptitalanlegerschutz, S. 383 ff., beide mit einer Übersicht über den Meinungsstand. 11 Nach Köndgen, Bankhaftung, S. 133, 140 geht es bei der deliktischen Bankhaftung allein um die Außenwirkung beruflicher Tätigkeit, die sich in der Schädigung von Nichtkunden niederschlägt.

§ 1 Einführung in die Problematik

17

§ 826 BGB entzogen sein12 . Von nicht unerheblicher Bedeutung ist demgegenüber die sog. Prospekthaftung, der auch Banken unterliegen können. Dabei ist zwischen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung, die ihre Grundlage in den §§ 45, 46 BörsG, 20 KAGG und 12 AuslInvestmG findet, und der zivilrechtlichen Prospekthaftung, deren dogmatische Grundlage wohl als ungeklärt anzusehen ist 13 , zu unterscheiden.

III. Begriff der Informationspflicht Trägt die Bank dem Informationsbedürfnis des Kunden nicht Rechnung, so stellt sich im Rahmen der nachfolgend im Mittelpunkt der Erörterung stehenden Haftung aus culpa in contrahendo und aus positiver Forderungsverletzung die Frage, ob die Bank gegenüber ihrem Kunden eine Informationspflicht traf. Voraussetzung einer Informationspflicht ist, daß die Bank im Besitz einer für den Bankkunden bedeutsamen Information ist, weil sie ihm eine Entscheidung auf besserer Informationsgrundlage bietet. Diese bewußt sehr allgemein gehaltene Beschreibung der Informationspflicht zeigt bereits, daß sie übergreifend zu den von Canaris 14 herausgearbeiteten vier Kategorien allgemeiner Verhaltenspflichten, die eine Bank treffen, zu verstehen ist: Das Bankgeheimnis verpflichtet die Bank zur umfassenden Geheimhaltung des Geschäftsverkehrs mit dem Kunden 15 . Wird seitens der Bank über einen Kunden eine Bankauskunft erteilt, so muß diese vollständig und richtig sein 16 . Bei allen Bankgeschäften können zugunsten des Kunden Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten bestehen sowie sonstige Verhaltenspflichten, wie Treupflicht, Gleichbehandlungspflicht, Kontroll- und Überwachungspflicht, Organisationspflicht 17.

So liegt eine Informationspflichtverletzung vor, wenn der Bankkunde sich, nachdem ihm eine falsche Bankauskunft über die Lage eines Unternehmens erteilt worden ist, an dem Unternehmen beteiligt 18 . Die Fälle der Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichtverletzung haben ebenfalls Informationen der Bank

12

Vgl. Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 185.

13

Soergel / Wiedemann , BGB, Vor § 275 Rdnr. 338. Demgegenüber gehen z.B. Pleyer / Hegel, ZIP 1985, 1370 von einer Haftung auf Grundlage einer weiterentwickelten c.i.c. aus. 14

Bankvertragsrecht, Rdnr. 118 ff.

15

Baumbach / Duden / Hopt, HGB, (7) BankGesch I, Anm. 4 A.

16

Heymann /Horn,

HGB, Anh § 372 Rdnr. 60.

17

Canaris , Bankvertragsrecht, Rdnr. 118 ff.

18

So lag der Fall in BGH W M 1962, 1110.

2 Brüske

18

1. Kapitel: Die Kausalität der Informationspflichtverletzung im Bankrecht

zum Gegenstand, die den Kunden veranlassen können, eine andere Entscheidung zu treffen. Verletzt die Bank sonstige Verhaltenspflichten, kann das Informationspflichten betreffen: So hat das OLG Hamm die Pflicht der Bank zur unverzüglichen Mitteilung der Nichtausführung eines Überweisungsauftrages aus der Treupflicht hergeleitet 19. Die Kontroll- und Überwachungspflicht kann eine Informationspflicht zur Folge haben, wenn z.B. ein Mitarbeiter der Bank die dem Kunden im Rahmen eines Darlehens zum Effektenerwerb überlassene Darlehensvaluta auf sein Privatkonto überweisen läßt 20 . Die Informationspflicht bildet demnach keine eigene Pflichtenkategorie neben den vier genannten. Sie bezeichnet aber eine bestimmte Qualität von Banken treffende Verhaltenspflichten und erfaßt zugleich einen erheblichen Teil des von Banken zu beachtenden Pflichtenspektrums. Der Begriff der Informationspflicht ist zudem insofern vorzugswürdig, als die Verletzung von Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten eng mit der Beweislastumkehr als Beweiserleichterung verbunden ist.

IV. Kausalität der Informationspflichtverletzung als Beweisproblem Macht der Bankkunde einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Informationspflicht geltend, so hat er nach der herrschenden Normentheorie 21 alle Voraussetzungen der den Anspruch begründenen Norm darzulegen und notfalls zu beweisen22. Dabei sind die Tatsachen, die nach Ansicht des Kunden eine Informationspflichtverletzung begründen, regelmäßig unstreitig; es geht allein um die Rechtsfrage, ob eine Pflichtverletzung vorliegt 23 . Durch § 278 BGB und die analoge Anwendung des § 282 BGB ist dem Kunden der Verschuldensnachweis erheblich erleichtert. Gleiches gilt für den Schadensnachweis, der durch § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO erleichtert wird. Allein der Nachweis der Kausalität der Informationspflichtverletzung stellt den Kunden

19 W M 1984, 1222. Vgl. dazu auch Canaris , Bankvertragsrecht, Rdnr. 119, der die Treupflichtterminologie für die Beratungs- und Aufklärungspflichten beim Effektengeschäft für passend hält. 20

Vgl. BGH W M 1988, 895.

21

Rosenberg, Beweislast, S. 99 ff.; Thomas / Putzo, ZPO, § 284 Vorb. 7 e; Zöller / Stephan, ZPO, Vor § 284 Rdnr. 15. 22 23

Rosenberb / Schwab / Gottwald,

ZPR, § 117 I I 2, S. 671.

Im Lastschrift-Fall war der Zeitpunkt der Absendung der Mitteilung ebenso unstreitig wie das sonstige Verhalten der Bank; vgl. BGH NJW 1989, 1671.

§ 1 Einführung in die Problematik

19

vor erhebliche Beweisprobleme, wie der vom OLG Saarbrücken 24 im Jahre 1989 entschiedene Fall zeigt: (Lastschrift-Fall): Als die beklagte Bank erfuhr, daß der Kläger seine Ausbildungsstelle aufgegeben hatte,sperrte sie an einem Montag das debitorisch geführte Konto des Klägers. A m Mittwoch gab die Bank eine Lastschrift auf das Konto des Klägers mangels Deckung zurück. Die Lastschrift betraf die Erstprämie einer Lebens- und Unfallversicherungskombination einer Versicherungsgesellschaft. A m darauffolgenden Sonntag erlitt der Kläger infolge eines Verkehrsunfalls eine Querschnittlähmung. Die Versicherungsgesellschaft lehnte den Versicherungsschutz mangels Einlösung der Erstprämie ab. Der Kläger verlangte von der beklagten Bank den Ersatz der ihm entgangenen Versicherungsleistungen.

Nachdem der BGH 2 5 die zunächst in dieser Sache ergangene Entscheidung des OLG Saarbrücken 26 aufgehoben und mit der Begründung zurückverwiesen hatte, eine Pflichtverletzung der Bank läge wegen der nicht gleichzeitig mit der Rückgabe der Lastschrift erfolgten Information des Klägers vor, hatte das OLG u.a. darüber zu befinden, ob die unterlassene Mitteilung der Bank ursächlich für den Schaden des Klägers war 27 . Das OLG hielt den Kläger in vollem Umfang dafür darlegungs- und beweispflichtig, daß er bei gehöriger Unterrichtung durch die Bank so rechtzeitig die noch offenstehende Erstprämie eingezahlt hätte, daß die Versicherung sich nicht auf Leistungsfreiheit gem. § 38 I I V V G berufen konnte 28 . Diesen Beweis sah das OLG im Ergebnis nicht als erbracht an. Vielmehr war es davon überzeugt, daß der Kläger auch bei rechtzeitiger Information die Erstprämie nicht bis zum Samstag überwiesen hätte. Dabei stellte der Senat darauf ab, daß der Kläger „sich die Zeit vertrieb", was mit Kosten verbunden sei und daß auch das bevorstehende Wochenende mit seinen Aktivitäten finanziert sein wollte.

24

NJW 1989, 2758 ff.

25

NJW 1989, 1671 = EWiR § 675 BGB 1 / 89, 565 {Koller)

= WuB I D 2.-4.89 (Reiser).

26

W M 1988, 1227 = EWiR § 242 BGB 8 / 88, 1061 (Zotz) = WuB A. Nr. 14 AGB-Banken 3.88 (Terpitz). 27 OLG Saarbrücken NJW 1989, 2758. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Nach H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 517 Fn. 14 hat der BGH die Annahme der Revision gegen das Urteil des OLG Saarbrücken abgelehnt. 28

OLG Saarbrücken NJW 1989, 2758, 2759.

20

1. Kapitel: Die Kausalität der Informationspflichtverletzung im Bankrecht

7. Die Kausalitätsfeststellung

mittels der conditio sine qua non-Formel

Ein Verhalten des in Anspruch genommenen ist kausal, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß damit der Erfolg entfiele 29. Die Handlung muß, um ursächlich zu sein, eine „conditio sine qua non" des Erfolges darstellen. Erteilt die Bank dem Kunden eine falsche Bankauskunft, indem sie dem nachfragenden Kunden die finanzielle Situation des Betreibers eines Anlageobjekts besser darstellt, als sie tatsächlich ist30, so beruht der Verlust des vom Kunden eingebrachten Kapitals nur dann kausal auf der Informationspflichtverletzung, wenn der Kunde sich ohne die falsche Bankauskunft nicht am Anlageobjekt beteiligt hätte. Im Falle des Unterlassens kann kein wirklicher, sondern nur ein normativer Zusammenhang festgestellt werden 31. Eine Unterlassung bedingt daher eine Schadensfolge äquivalent kausal, wenn sie durch das entgegengesetzte (regelmäßig das geschuldete) positive Tun vermieden worden wäre 32 . Im Lastschrift-Fall 33 ist die Informationspflichtverletzung für die Nichterl angung der Versicherungsleistung kausal, wenn der Kunde bei ordnungsgemäßer Information die Erstprämie vor Eintritt des Versicherungsfalles gezahlt hätte. Da der Ursachenzusammenhang selbst nicht beobachtbar ist, weist die Kausalitätsfeststellung hypothetischen Charakter auf,weshalb der Beweisführer auf den Indizienbeweis beschränkt ist. Allein dieser Umstand hat in Rechtsprechung und Literatur zu der Einsicht geführt, daß die Beweisanforderungen für den Kausalzusammenhang sachgemäß vermindert werden müssen. Umstritten ist nur die Art und Weise, wie dieses Ergebnis zu erreichen ist 34 . Bei Informationspflichtverletzungen werden diese Beweisschwierigkeiten noch dadurch verstärkt, daß die hypothetische Feststellung einen Willensentschluß betrifft.

29

MünchKomm / Grunsky, BGB, Vor § 249 Rdnr. 36.

30

BGH W M 1979, 548.

31

Ein Unterlassen kann ontologisch keine Ursache darstellen; Esser / Schmidt, SchuldR I, § 33 I 2, S. 527. 32 BGH VersR 1963, 683; Lange, Schadensersatz, § 3 XI, S. 156 f.; Soergel /Merten, BGB, Vor § 249 Rdnr. 117. 33

OLG Saarbrücken NJW 1989, 2758 ff.

34

Gottwald,

Karlsruher Forum 1986, S. 13.

§ 1 Einführung in die Problematik

2. Das Problem des „ informationsgerechten

21

Verhaltens"

Bestreitet die Bank den Kausalzusammenhang zwischen der Informationspflichtverletzung und dem Willensentschluß des Kunden, so zwingt sie diesen zum Nachweis eines „informationsgerechten Verhaltens" 35 . Der Kausalnachweis ist nicht bereits erbracht, wenn der Bankkunde darlegt und beweist, daß er sich aufgrund der veränderten Entscheidungsgrundlage irgendwie anders verhalten hätte36. Vielmehr muß der Bankkunde beweisen, daß die ordnungsgemäße Information ihn gerade zu einem nicht schadenswirksamen Willensentschluß veranlaßt hätte. Das bedeutet in letzter Konsequenz, daß er die hypothetischen Motive darlegen muß, die ihn zu einem informationsgerechten Verhalten veranlaßt hätten. Die Problematik eines solchen Beweises wird deutlich, wenn man bedenkt, daß ein Willensentschluß unter Abwägung verschiedener, zum Teil widerstreitender Interessen gefaßt wird. Vielfach lassen sich ebensoviele Motive für den behaupteten nicht schadenswirksamen Entschluß finden wie gegen ihn. Wie schwierig, wenn nicht gar unmöglich der dem Bankkunden abverlangte Beweis zur Überzeugung des Gerichts i.S. des § 286 ZPO sein kann, zeigt der Lastschrift-Fall deutlich. So hat Koller in seiner Anmerkung zu der Entscheidung des OLG Saarbrücken zutreffend darauf hingewiesen, daß eine Lastschrift typischerweise in Fällen zurückgegeben wird, in denen das Konto überzogen und der Kunde aus Sicht der Bank kreditunwürdig ist 37 . Da ein solcher Kunde häufig auch sonst nur über geringe Kapitalmittel verfügt, kann er kaum jemals ausreichend Indizien vortragen und beweisen, aus denen sich die für § 286 ZPO notwendige Wahrscheinlichkeit eines „informationsgerechten Verhaltens" ergibt 38 . Die Beweisprobleme beim Kausalitätsnachweis der Verletzung von Informationspflichten beruhen demnach nicht allein auf dem hypothetischen Charakter der Kausalitätsfeststellung, sondern auch auf der Schwierigkeit, unter mehreren entscheidungserheblichen Motiven gerade dasjenige zu beweisen, das den Kunden zu einem informationsgerechten Verhalten veranlaßt hätte. Mehr noch als die Beweisprobleme infolge der Feststellung eines hypothetischen Geschehensablaufes gebieten diese Beweisschwierigkeiten, die Beweisanforderungen

35

H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 526.

36

So im Ergebnis aber Rödig, Die Denkform der Alternative, S. 125 und Schmiedel, Deliktsobligationen, S. 91. 37

Koller, OLG Saarbrücken EWiR § 282 BGB 1 / 89, 1177, 1178.

38

Koller a.a.O.; ähnlich H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 526.

22

1. Kapitel: Die Kausalität der Informationspflichtverletzung im Bankrecht

sachgemäß zu senken. Wie das geschehen kann, soll im folgenden untersucht werden.

§ 2 Überblick über Tendenzen in der Rechtsprechung zur Problemlösung I. Übergang von Beweiswürdigungs- zu Beweislastentscheidungen Die Rechtsprechung zur Informationspflichtverletzung stellt überwiegend auf Sätze der Lebenserfahrung oder eine Beweislastsonderregel ab. Daneben findet sich vereinzelt noch der Begriff der „tatsächlichen Vermutung".

1. Ausgangspunkt der Rechtsprechung: Erfahrungssätze Mit dem Kausalitätsnachweis bei Verletzung bankrechtlicher Informationspflichten hatte sich der BGH 3 9 — soweit ersichtlich — erst relativ spät, nämlich im Jahre 1959, im Rahmen eines Falles zu befassen, in dem die Bank einem privaten Kreditgeber eine falsche Auskunft über den Status des Kreditsuchenden erteilt hatte. Die Mitursächlichkeit der falschen Auskunft für den Entschluß zur Kreditgewährung begründete der BGH mit der allgemeinen Lebenserfahrung. In einem ähnlich gelagerten Fall, einer falschen Bankauskunft im Rahmen eines Beteiligungserwerbs 40, stellte der BGH ebenfalls auf einen Erfahrungssatz ab, obwohl der Bankkunde erklärt hatte, daß die Bankauskunft ihm als Grundlage für seine Beteiligung noch nicht genügt und er noch weitere Erkundigungen für erforderlich gehalten habe. Nach Ansicht des VII. Senats war die falsche Bankauskunft mit ursächlich für den Entschluß des Kunden, da nach der Lebenserfahrung anzunehmen sei, daß der Kunde bei ordnungsgemäßer Information seine Beteiligungsabsicht gänzlich aufgegeben hätte41. Die Anwendung von Erfahrungssätzen blieb nicht auf Fälle falscher Bankauskünfte beschränkt. In einer Entscheidung im 47. Band stellte sich dem BGH

39

BGH W M 1959, 1458.

40

BGH W M 1962, 1110.

41

BGH W M 1962, 1110 re. Sp.

§ 2 Überblick über Tendenzen in der Rechtsprechung zur Problemlösung

23

die hier interessierende Problematik im Rahmen eines finanzierten Abzahlungskaufs 42: Bei ordnungsgemäßer Information des Kunden über das mit der Aufspaltung des Abzahlungskaufes in einen Kauf- und Darlehensvertrag verbundene Risiko ist nach Ansicht des BGH anzunehmen, daß der Käufer sich informationsgerecht verhalten und seine Unterschriftsleistung auf dem Darlehensantrag von der Übernahme des Pkw und dessen Eigentumsübertragung abhängig gemacht hätte 43 .

Letztmalig stellte der BGH im 84. Band auf die Lebenserfahrung bei der Frage ab, ob ordnungsgemäße Prospektangaben den Kläger vom Beitritt zu einer Publikums- und Abschreibungsgesellschaft abgehalten hätten44. Der BGH bejahte einen Ursachenzusammenhang zwischen den falschen Prospektangaben und dem Beitritt des Klägers. Dem Landerwerb und der ordnungsgemäßen Planung sei bei der Duchführung des Objekts eine überragende Bedeutung zugekommen und es entspreche der Lebenserfahrung, daß der Kläger ohne die Täuschung durch die falschen Prospektangaben das mit dem Beitritt verbundene Risiko nicht eingegangen wäre 45. Eine entsprechende Begründung findet sich in der Entscheidung des OLG Nürnberg vom 17.4.1985, die ebenfalls einen Fall zivilrechtlicher Prospekthaftung betraf 46: Nach der Lebenserfahrung hätten Anlageinteressenten, die einen Emissionsprospekt aufmerksam und kritisch zur Kenntnis nehmen und überlegt handeln, bei Kenntnis der wirtschaftlichen Verflechtungen die Beteiligung mit Sicherheit nicht gezeichnet.

2. Zwischenstadium:

Beweislastumkehr

wegen „tatsächlicher Vermutung "

Im Globalaktie-Fall 47 begründete der BGH die Umkehr der Beweislast mit dem Bestehen einer „tatsächlichen Vermutung". Die beklagte Bank hatte die klagende Bank, die den Erwerb von jungen Aktien zwischenfinanziert und zur Sicherheit eine Globalaktie erhalten hatte, nicht über deren Nichtigkeit aufgeklärt.

42

BGHZ 47, 207.

43

Eine bedenkliche Annahme, wenn man berücksichtigt, daß der Käufer unstreitig die Vorlage des Kfz-Briefes nicht verlangt hatte. 44

BGHZ 84, 141.

45

BGHZ 84, 141, 148.

46

OLG Nürnberg W M 1986, 124, 129 unter 11.

47

BGH W M 1987, 1455, 1456 re. Sp.

24

1. Kapitel: Die Kausalität der Informationspflichtverletzung im Bankrecht

Die Verletzung der Aufklärungspflicht begründete nach Ansicht des II. Senats eine tatsächliche Vermutung für einen Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Deshalb treffe den Aufklärungspflichtigen die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, weil sich der Geschädigte über den Rat oder den Hinweis hinweggesetzt hätte.

3. Endpunkt: Beweislastumkehr

bei Verletzung

von Aufklärungspflichten

Seit einer Entscheidung des BGH im 61. Band 48 geht die Rechtsprechung im Falle der Verletzung von Aufklärungspflichten von einer Umkehr der Beweislast aus49. (Werbeagentur-Fall): Eine Werbeagentur hatte ihre Auftraggeberin nicht darüber aufgeklärt, daß der ausgeschriebene Bastelwettbewerb wegen des mit der Teilnahme verbundenen Kaufzwanges wettbewerbswidrig war.

Diese Rechtsprechung fand auch Eingang in das Bankhaftungsrecht. So erlegte der III. Senat im Jahre 1978 der klagenden Bank die Beweislast dafür auf, daß der Beklagte auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung den Darlehensvertrag abgeschlossen hätte, um sich an der von seinem Arbeitgeber propagierten Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand beteiligen zu können50 . In zivilrechtlichen Prospekthaftungsfällen, in denen der BGH ursprünglich auf einen Satz der Lebenserfahrung abstellte, wendet er nunmehr die Beweislastsonderregel an. (Jungaktien-Fall): Bei der Emission junger Aktien durch ein Bankenkonsortium, dem die Beklagte angehörte, wurde u.a. mit falschen Prospektangaben geworben. Der Kläger, der bei der Beklagten ein Aktienpaket zeichnete, verlangte von der Beklagten Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzung und falscher Prospektangaben, da die Aktien ein Jahr nach der Emission wertlos geworden waren.

Nach Auffassung des BGH im Jungaktien-Fall51 ist derjenige, „der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, dafür beweispflichtig, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Aufklärungspflichtigen

48

BGHZ 61, 118 ff.

49

Der BGH hat zwar schon in NJW 1971, 241, 242 (Unterlassene Aufklärung über unzureichende hygienische Bedingungen in einem Krankenhaus) eine Beweislastumkehr bei Verletzung von Aufklärungspflichten angenommen, diese aber erst in BGHZ 61, 118 näher begründet. 50

BGHZ 72, 92, 106.

51

BGH W M 1988, 1031.

§ 2 Überblick über Tendenzen in der Rechtsprechung zur Problemlösung

25

eingetreten wäre, der Geschädigte also den Rat oder Hinweis nicht befolgt hätte" 52 . Bestätigt wird diese Entwicklung der Rechtsprechung durch ein Urteil des VII. Senats aus dem Jahre 1990, das sich ebenfalls mit der zivilrechtlichen Prospekthaftung beschäftigt 53.

II. Gang der Darstellung Unverkennbar beschränkt der BGH die Problemlösung im wesentlichen auf im Rahmen der Beweiswürdigung zu beachtende Sätze der Lebenserfahrung 54 und die Umkehr der Beweislast. Dem Prozeßrecht sind aber noch weitere Beweiserleichterungen bekannt. Zu denken ist dabei an den Anscheinsbeweis, der gerade beim Nachweis des Kausalzusammenhanges einen bedeutsamen Anwendungsbereich findet. Zwischen Anscheinsbeweis und der von der Rechtsprechung bevorzugten Beweislastsonderregel finden sich die Beweiserleichterungen der §§ 287 I ZPO, 252 S. 2 BGB, die dem Richter ein Ermessen bei der Tatsachenfeststellung einräumen. Bevor auf diese Beweiserleichterungen einzugehen ist, stellt sich aber die Frage nach dem geltenden Beweismaß. Denn alle Beweiserleichterungen leiten ihre innere Berechtigung daraus ab, daß die h.M. in § 286 I 1 ZPO die sehr hohe Wahrscheinlichkeit der zu beweisenden Tatsache als Regelbeweismaß festgeschrieben sieht55.

52

BGH W M 1988, 1031.

53

BGH ZIP 1990, 928, 932.

54

Sü / Leipold, ZPO, § 286 Rdnr. 7.

55

SÜ / Leipold, ZPO, § 286 Rz. 4; Zöller / Stephan, ZPO, § 286 Rz. 13; Prutting, Gegenwartsprobleme, S. 59 ff., 73 ff. Zum Meinungsstand siehe auch MünchKomm / Prutting, ZPO, § 286 Rz. 31 ff. Zu Recht weist Prutting daraufhin, daß die von der Rechtsprechung verlangte Überzeugung von der Wahrheit nur als Grenzwert für das Vorliegen sehr hoher Wahrscheinlichkeit verstanden werden kann.

2. Kapitel

Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion Die Erörterung möglicher Beweiserleichterungen beim Kausalbeweis von Informationspflichtverletzungen hat nicht allein beim Begriff der Beweislastumkehr und den Erleichterungen bei der Beweisführung anzusetzen. Wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung ausführt, einer Partei könnten Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugute kommen, dann schließt das grundsätzlich auch die Senkung des Beweismaßes ein 1 . Das Beweismaß bestimmt diejenigen Anforderungen, bei deren Vorliegen der Richter eine Tatsache im Prozeß feststellen darf 2. Nach § 286 I 1 ZPO ist eine tatsächliche Behauptung bewiesen, wenn das Gericht nach seiner freien Überzeugung die Behauptung für wahr erachtet. Damit spricht sich das Gesetz gegen eine absolute Gewißheit bei der prozessualen Sachverhaltsfeststellung aus3. Eine andere Wertung ließe die Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit unberücksichtigt und hätte für die beweisbelastete Partei ein nahezu unerreichbares Beweismaß zur Konsequenz4. Prütting hat zutreffend auf die Dreiteilung der Fragestellungen und Gesichtspunkte innerhalb der Beweismaßproblematik hingewiesen5. Neben der Feststellung des personalen Ziels des Beweises und dem Inhalt der Überzeugung des Beurteilers steht die Feststellung des Objekts der Überzeugung 6. Daß allein die

1 Baumgärtel, FS Universität Köln, S. 165, 175; teilweise anders Musielak / Stadler, Grundfragen, Rdnr. 264. 2 Prütting, W M 1980, 815. Vgl. zur Diskussion um den Begriff „Beweismaß" Prütting, wartsprobleme, S. 59. 3

Rosenberg / Schwab / Gottwald,

4

Zöller / Stephan, ZPO, § 286 Rdnr. 13.

5

Gegenwartsprobleme, S. 63.

6

Gegen-

ZPR, § 115 II 1, S. 659.

Leipold, Beweismaß, S. 5, hält zwei Problemkreise bei der Beweismaßfrage für bedeutsam: 1. Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit ist für die Überzeugungsfindung des Richters erforderlich? 2. Ist die richterliche Überzeugung als subjektives oder als objektives Kriterium zu verstehen? Die von Leipold vorgeschlagene Fragestellung ist allerdings insofern ungenau, als sie der Ansicht

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

27

Überzeugung des Richters maßgebend sein kann, ist schon nach dem Wortlaut des § 286 I 1 ZPO nicht zweifelhaft 7. Welchen Inhalt man der Überzeugung gibt (rein subjektives Meinen oder Glauben, eingeschränktes subjektives FürWahr-Halten, objektives Für-Wahr-Halten) 8 hat für die Frage einer Beweiserleichterung keine Bedeutung. Demnach ist allein die Feststellung des Objekts der Überzeugung, also die Frage nach dem Grad des Beweismaßes der entscheidende Ansatzpunkt für etwaige Beweiserleichterungen im Rahmen des Beweismaßes9. Da § 286 I 1 ZPO keine absolute Gewißheit verlangt, stellt sich die Frage nach dem Grad des Beweismaßes als eine solche nach dem für die Annahme der tatsächlichen Behauptung erforderlichen Wahrscheinlichkeit dar. Je nachdem, wie hoch bzw. wie niedrig der Grad der Wahrscheinlichkeit, der für die zu beweisende Behauptung durch Beweismittel zu erbringen ist, angesetzt wird, erschwert bzw. erleichtert sich der von der beweisbelasteten Partei zu erbringende Beweis. Nun geht die h.M. für § 286 I 1 ZPO von einem Regelbeweismaß10 der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit aus11. Bei einem derart hohen Wahrscheinlichkeitsgrad liegt es nahe, der beweisbelasteten Partei den Beweis durch eine generelle Absenkung des Beweismaßes zu erleichtern (dazu sogleich unter § 1). Variationsreichere Problemlösungen gestalten demgegenüber das Beweismaß flexibel oder senken es — ausgehend vom hohen Regelbeweismaß der h.M. — dort ab, wo die materielle Gerechtigkeit es gebietet (dazu unter § 2).

skandinavischer Prozeßrechtler widerspricht, die die Überzeugung als Beweismaßkriterium ablehnen, vgl. Bolding, Sachaufklärung, S. 57 f. 7 8

Vgl. Prutting,

Gegenwartsprobleme, S. 63 f.

Vgl. dazu Prütting, a.a.O., S. 64 f. und das Drittkontrollmodell von Walter, digung, S. 132 ff., insb. S. 165 ff.

Freie Beweiswür-

9

Nach Prütting, a.a.O., S. 66 handelt es sich dabei um das Kernproblem des Beweismaßes. Der vieldiskutierten Problematik um das Verständnis des Kriteriums der richterlichen Überzeugung kommt demgegenüber keine Bedeutung bei der Frage nach Beweiserleichterungen zu. Sowohl die objektive als auch die subjektive Beweismaßtheorie setzen nämlich die Bestimmung des Grades des Beweismaßes voraus; eingehend zum Meinungsstand Huber, Beweismaß, S. 56 ff. m.w.N. 10

Korrekt wäre der Begriff „RegelWahrscheinlichkeitsmaß". Da in der Literatur aber der Begriff Beweismaß auch in dem hier zu erörternden Problemkreis allgemein verwandt wird, soll vorliegend daran festgehalten werden. 11 BGHZ 53, 245, 255 f. („Anastasia"); 61, 169; Zöller / Stephan, ZPO, § 286 Rdnr. 13; Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 115 II 1, S. 659; ähnlich, StJ / Leipold, ZPO, § 286 Rdnr. 1.

28

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

§ 1 Das Regelbeweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit Das Beweismaß der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit findet sich nicht nur im deutschen, sondern auch im französischen Recht 12 . Im angelsächsischen Rechtskreis gilt dagegen in Zivilsachen das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit 13. Auch im schwedischen Recht finden sich Abstufungen beim Beweismaß14.

I. Die Lehren von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit Mit Blick auf das anglo-amerikanische und schwedische Prozeßrecht wird in der Literatur eine Reduzierung des Regelbeweismaßes auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit propagiert 15. Andere gelangen zu einer Beweismaßreduktion in der Verfolgung eigener erkenntnistheoretischer Ansätze16. Neuerlich in die Diskussion gelangte dieser Lösungsansatz beim Nachweis immissionsbedingter Schäden17.

1. Das „Överviktsprincip" Der schwedische Gesetzgeber regelt häufig im Zusammenhang mit der Frage, zu Lasten welcher Partei die Nichterweislichkeit eines Tatbestandsmerkmals geht, das geltende Beweismaß mit. Dabei kennzeichnet er unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsgrade durch die jeweilige Wortwahl 18 . Ekelöf hat das

12

Coester-Waltjen,

Internationales Beweisrecht, Rdnr. 358.

13

Vgl. Maassen, Beweismaßprobleme, S. 39 u. Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rdnr. 358. Nach Habscheid, FS Baumgärtel, 1990, S. 105, 115 ist eine Qualifizierung des Beweismaßes in diesem Sinne nicht unbedenklich. 14

Vgl. Musielak, FS Kegel, 1977, S. 451; Ekelöf.\

ZZP 75 (1962), 289, 290.

15

So Ekelöf; ZZP 75 (1962), 289 ff.; Bolding, Burden of Proof, S. 9 ff.; der s., Sachaufklärung, S. 57 ff.; Bruns, ZPR, Rdnr. 168 ff.; Kegel, FG Kronstein, 1967, S. 321 ff. 16 Maassen, Beweismaßprobleme; S. 5 ff.; Mötsch, GS Rödig, S. 334; ders., Beweis, S. 82 ff; Grunsky, Grundlagen, § 41 III 2 a, aa, S. 429. 17 Fikentscher, SchuldR, § 51 IV, S. 312 f.; Hager, NJW 1986, 1961, 1967 f.; vgl. auch Gmehling, Beweislastverteilung, S. 204 ff. m.w.N. zum Diskussionsstand in dieser Frage. 18

Musielak, FS Kegel, 1977, S. 451.

§ 1 Das Regelbeweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit

29

abstrakt dahin formuliert: „Wenn A ist, so gilt B, es sei denn, daß C gewiß, resp. vermutlich, wahrscheinlich oder offenbar sei" 19 . Bei Fehlen einer solchen gesetzlichen Regelung muß der Richter das Beweismaß und die Beweislast durch teleologische Gesetzesauslegung ermitteln. Bei der Ermittlung dieser Beweislastregeln hat der Richter z.B. bestehende Beweisschwierigkeiten 20 oder die Schwere der Folgen eines Fehlurteils 21 zu berücksichtigen. Am Ende der Auslegung steht die Feststellung des sog. Beweislastpunktes. Dessen Lage läßt sich graphisch auf einer Wahrscheinlichkeitsskala abbilden, auf der die möglichen Wahrscheinlichkeitsgrade abgebildet sind 22 . Da die Skala für beide Parteien gilt, ist sie doppelseitig zu denken23. Im Rahmen der Beweisaufnahme ermittelt der Richter dann den Beweiswertpunkt, d.h. den Wahrscheinlichkeitswert, der für das Tatbestandsmerkmal festgestellt werden konnte. Sind Beweiswertpunkt und Beweislastpunkt deckungsgleich oder ist ersterer von größerer Wertigkeit, ist die Tatsache bewiesen, ansonsten nicht 24 . In Fällen, in denen sich keine Beweislastregel zugunsten einer Partei ergibt, ist auf die objektive Beweislast, die als Streitrisiko verstanden wird, zu rekurrieren 25. Das Streitrisiko wird im Grundsatz als beide Parteien im gleichen Maße belastend verstanden26. Dieses Gleichgewicht werde durch die Skalenmitte dargestellt, deren Wert 50% bzw. „wahrscheinlich" betrage. Fehlt eine Beweislastregel, so verändert der Beweislastpunkt seine Ausgangsposition in der Skalenmitte nicht 27 . In diesem Fall findet das „Överviktsprincip", das Überwiegensprinzip, Anwendung, wonach eine Tatsache als bewiesen gilt, wenn auch nur ein geringes Wahrscheinlichkeitsübergewicht für ihr Vorliegen spricht 28. Daraus wird weiter

19

Ekelöf.;

20

Ekelöf

21

Bolding , Burden of proof, S. 25.

ZZP 75 (1962), 289, 298. a.a.O., S. 297 f.

22

Ob man diese Wahrscheinlichkeitswerte numerisch oder wie Ekelöf FS Baur, 1981, S. 343, 352 begrifflich darstellt, bleibt sich gleich. 23 Siehe dazu das Schema der Wahrscheinlichkeitsgrade bei Bruns, ZPR, Rdnr. 168 d und Ekelöf ZZP 75 (1962), 289. Siehe dazu auch Bolding, Sachaufklärung, S. 61. 24

Daß die Tatsache auch bei Deckungsgleichheit als bewiesen gilt, wird nicht ausdrücklich vermerkt, folgt aber aus dem Gesamtzusammenhang. 25

Bruns, ZPR, Rdnr. 169 a.

26

Bruns, a.a.O., Rdnr. 170; Ekelöf

27

Ekelöf

ZZP 75 (1962), 289, 298.

a.a.O., S. 297 f.; Bolding, Sachaufklärung, S. 62.

28 Ekelöf a.a.O., S. 298; Bruns, a.a.O., Rdnr. 170 a; Musielak., FS Kegel, 1977, S. 451, 452; alle jeweils mit Nachweisen zur schwedischen Prozeßrechtsliteratur. In FS Baur, 1981, S. 343, 351 f. wendet sich Ekelöf allerdings gegen das Überwiegensprinzip als generelle Beweislastregel. Siehe

30

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

gefolgert, daß in diesem Fall keine Partei eine Beweislast trage 29. Letztlich sehen die Vertreter des Överviktsprincips die Aufgabe der freien Beweiswürdigung nicht in der Gewinnung einer Überzeugung von der Wahrheit, sondern betrachten sie als eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, mit der das Vorliegen relevanter Fakten beurteilt wird 30 .

2. Die vom englisch-amerikanischen

Zivilprozeß

beeinflußten Ansichten

Zugunsten der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß haben Kegel 31 und Maassen32 unter Hinweis auf den englisch-amerikanischen Zivilprozeß Stellung bezogen33. Kegel gelangt auf zwei Argumentationssträngen zur Annahme der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß. Die Analyse der Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis zeige, daß dieser auch für seltene Fälle gelte, wenn nur der behauptete Geschehensablauf wahrscheinlich sei. Die für den Anscheinsbeweis geforderte Typizität sei daher nicht mit Häufigkeit, sondern mit Wahrscheinlichkeit gleichzusetzen34. Der dem Anscheinsbeweis zugrunde liegende „typische Geschehensablauf 4 begründe demnach nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% 35 . Die Diskrepanz im Beweismaß von Vollbeweis (=sehr hohe Wahrscheinlichkeit) und Anscheinsbeweis ^überwiegende Wahrscheinlichkeit) sei durch eine Ausdehnung des Anscheinsbeweises zu lösen; es gebe nur einen Beweis, die überwiegende Wahrscheinlichkeit

auch Ekelöfs Beitrag „Schweden und das deutsche Zivilprozeßrecht" in: Das deutsche Zivilprozeßrecht und seine Ausstrahlung auf andere Rechtsordnungen, 1990, S. 214 ff., wo er ein allgemeines Prinzip der Beweislastverteilung ablehnt. 29

Ekelöf

a.a.O., S. 298.

30

Bolding, Sachaufklärung, S. 57. Bolding weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß das schwedische Gesetz den Begriff „Überzeugung" in der Bestimmung über die freie Beweiswürdigung nicht kennt. Vgl. auch die Nachweise bei Huber, Beweismaß, S. 26 Fn. 128 f. 31

FG Kronstein, 1967, S. 321.

32

Beweismaßprobleme, S. 54 ff.

33

Die Einordnung der Kegel'sehen Ansicht unter diesen Punkt ist nicht ganz unbedenklich, da Kegel einen eigenen Begründungsansatz entwickelt und nur beiläufig auf den englisch-amerikanischen Zivilprozeß Bezug nimmt; vgl. Kegel, FG Kronstein, 1967, S. 321, 335. 34

Kegel, a.a.O., S. 333.

35

Kegel, a.a.O., S. 334.

§ 1 Das Regelbeweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit

31

genüge —von besonderen Gründen der Beweislastverteilung abgesehen — immer. In einem zweiten Ansatz fragt Kegel nach dem Grund für die Verteilung der Beweislast, wie die Normentheorie sie vornimmt 36 . Den Grund vermeint er hauptsächlich37 in der Wahrscheinlichkeit zu sehen: jeder müsse die Tatsachen beweisen, die ihm günstig, aber unwahrscheinlicher als ihr Gegenteil sind. Demgemäß sei es ein Gebot der Gerechtigkeit, wenn man nicht größtmögliche Wahrscheinlichkeit erreichen kann, dem recht zu geben, der wahrscheinlich recht hat, als dem, der wahrscheinlich unrecht hat 38 . Einen völlig anderen Ansatz verfolgt Maassen, wenn er auf der Grundlage der mathematischen Entscheidungstheorie ein in der amerikanischen Rechtswissenschaft entwickeltes entscheidungstheoretisches Beweismaßmodell auf den deutschen Zivilprozeß überträgt 39. Nach diesem Beweismaßmodell ist optimales Beweismaß der Wahrscheinlichkeitswert, der die tatsächlichen Kosten fehlerhafter Tatsachenfeststellung minimiert 40 . Sind die Kosten fehlerhafter Feststellung und Nichtfeststellung gleich, so kann eine Tatsache nur dann als bewiesen festgestellt werden, wenn für sie eine mehr als 50%ige Wahrscheinlichkeit spricht. Bei Kostengleichheit sei demnach die überwiegende Wahrscheinlichkeit das opimale Beweismaß. Kostengleichheit sei regelmäßig im Zivilprozeß gegeben; das prozessuale Unterliegen infolge fehlerhafter Tatsachenentscheidungen treffe beide Parteien regelmäßig gleich hart, da die verfolgten Interessen in der Regel gleichwertig seien. Maassen schlägt deshalb die überwiegende Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß vor 41 . Bestehe aber für eine Partei die Möglichkeit der Schadensstreuung (z.B. wegen Versicherungsschutzes), so sei das Beweismaß zu Lasten dieser Partei weiter herabzusetzen und die Beweislast umzukehren 42. Das Prinzip der Kostenminimierung ist nach Maassen allerdings dann unbrauchbar, wenn bei Kostengleichheit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit zugunsten einer Partei feststellbar ist. In diesem Fall sei zuungunsten der Partei zu entscheiden, die den Status quo zu ihren

36

Kegel, a.a.O., S. 336.

37

Daneben sieht er u.a. in der Leichtigkeit der Beweiserbringung und dem Strafgedanken Gründe für die Beweislastverteilung, vgl. Kegel, a.a.O., S. 339 ff. 38

Kegel, a.a.O., S. 335 und 344 (Ergebnis).

39

Maassen, Beweismaßprobleme, S. 5 ff.

40

Maassen, a.a.O., S. 7.

41

Maassen, a.a.O., S. 55.

42

Maassen, a.a.O., S. 160.

32

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

Gunsten zu verändern sucht43. Für den Kausalitätsnachweis modifiziert Maassen diesen Grundsatz dahin, daß eine Schadensteilung nach Wahrscheinlichkeit vorzunehmen sei, wobei die Verpflichtung zum Schadensersatz sich auf den Wert der vernichteten Chance beschränke 44.

3. Das Entscheidungsmodell

von Mötsch

Ebenso wie Maassen versucht Mötsch im Wege mathematischer Ableitung das optimale Beweismaß, die Entscheidungsgrenze „e" in der Diktion von Mötsch, zu finden 45 . Dazu setzt er die Schädlichkeit von Fehlentscheidungen in Relation. Da die Schädlichkeit einer falschen Entscheidung im Zivilprozeß für beide Parteien gleich sei, liege die Entscheidungsgrenze bei 1 / 2 , so daß die überwiegenden Wahrscheinlichkeit das Regelbeweismaß darstelle 46. Anders als Maassen will Mötsch im Falle gleicher Schädlichkeit und gleicher Wahrscheinlichkeit den Tatbestand und damit die beantragte Rechtsfolgenfeststellung bejahen47. Auch entfalle bei seinem Entscheidungsmodell die Notwendigkeit einer Beweislastentscheidung, da nur eine streng zweigliedrige Entscheidungsalternative (Verneinung oder Bejahung der Rechtsfolgenfeststellung) nach § 286 ZPO bestehe.

II. Kritik am Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit Mit den Lehren von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß haben sich Greger 48, Walter 49 und Prütting 50 eingehend — und im Er-

43

Massen, a.a.O., S. 10.

44

Maassen, a.a.O., S. 170 f.

45

Mötsch, Beweis, S. 82 ff. und GS Rödig, 1978, S. 334 ff.

46

Mötsch, Beweis, S. 86.

47

Mötsch, GS Rödig, a.a.O., S. 338.

48

Beweis, S. 101 ff.

49

Freie Beweiswürdigung, S. 173 ff., der seine ablehnende Ansicht insb. mit der ansonsten zu beobachtenden Ausuferung der Anspruchsgrundlagen begründet (S. 181 ff.). 50

Gegenwartsprobleme, S. 66 ff.

§ 1 Das Regelbeweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit

33

gebnis ablehnend — auseinandergesetzt. Eine erneute Darlegung und Zusammenfassung der zutreffenden Kritik erscheint im vorliegenden Zusammmenhang müßig. Einige Gesichtspunkte sind allerdings noch nicht bzw. nicht ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt worden; dem dienen die nachfolgenden Ausführungen.

7. Ausländisches Recht als Lösungshilfe für die Beweismaßproblematik Die juristische Methodik erlaubt es, im Wege der Rechtsvergleichung ausländisches Recht für inländische Sachprobleme nutzbar zu machen, allerdings nicht als Rechtsquelle51. Eine so verstandene Rechtsvergleichung setzt die vergleichende Analyse der verschiedenen, in den zu vergleichenden Rechtssystemen gefundenen, Problemlösungen voraus 52. Gerade daran fehlt es bei den Ausführungen von Ekelöf, Bolding und Bruns 53 . Es steht sogar zu vermuten, daß eine Vergleichbarkeit nicht gegeben ist. Dem deutschen Recht ist eine Verbindung der Beweislastregelung mit der Beweismaßfrage im Sinne eines gestuften Beweismaßes fremd 54 . Eine methodisch saubere Begründung für eine Problemlösung durch das „Överviktsprincip" ist daher immer noch vakant 55 .

2. Quantitative Beweislast Als ein Argument für die überwiegende Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß wird angeführt, es entspreche eher der Gerechtigkeit, der Partei Recht zu geben, die wahrscheinlich Recht habe, als ein Beweislasturteil zu fällen, das nur zufällig richtig sein könne 56 . Unter einem Regelbeweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit wird der Bereich der Entscheidungen aufgrund von Beweiswürdigung zu Lasten des Be-

51

Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 386; Larenz, Methodenlehre, S. 232 jeweils unter Ablehnung rechtspositivistischen Denkens. Vgl. auch die Zielbestimmung einer funktionellen Rechtsvergleichung bei Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 27. 52

Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, § 3 VI, S. 47.

53

Dieser Kritikpunkt richtet sich nicht gegen Mötsch und Maassen, die ein eigenes erkenntnistheoretisches Modell entwickelt haben. 54

Huber, Beweismaß, S. 31.

55

Vgl. auch H Roth, ZHR 154 (1990), 513, 520.

56

Kegel, FG Kronstein, 1967, S. 321, 344; Mötsch, GS Rödig, 1978, S. 334, 339.

3 Brüske

34

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

reichs der Beweislastentscheidungen erweitert 57 . Das bedeutet aber nicht, daß der Richter keine bzw. — lediglich in den seltenen Fällen der Nichtfeststellung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit — wenige Beweislasturteile fällen muß 58 . Angenommen, der Richter hätte durch teleoloische Auslegung oder unter Anwendung der von Maassen bzw. Mötsch abgeleiteten Formeln den Wahrscheinlichkeitsgrad, ab dem die Tatsache als bewiesen anzusehen ist, festgestellt; für die am Ende des Prozesses zu treffende Entscheidung ist damit noch nichts gewonnen. Das Beweismaß als solches ist indifferent, es kann sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten gelten. Zu klären ist folglich noch, welche Partei mit ihren Beweisen das Beweismaß erreichen muß. So läßt sich mit dem Beweislastpunkt von Ekelöf nur arbeiten, wenn man weiß, ob dieser Punkt sich links oder rechts vom Skalenmittelpunkt oder auf diesem befindet. Gleiches gilt bei Anwendung der Formeln von Maassen und Mötsch. Die errechneten Werte (unterstellt, eine Berechnung wäre möglich 59 ) können zwar einen Wert von 0% bis 100% einnehmen. Damit ist aber noch keine Aussage über die mit dem Beweismaß zu belastende Partei getroffen. Die Beweislast ist demnach notwendig für die „Lokalisierung" des Beweismaßes zwischen den Parteien 60. Ist das Beweismaß (der Beweislastpunkt, die Entscheidungsgrenze) für eine Partei festgesetzt, so muß dieses mit dem durch die Beweisaufnahme erzielten konkreten Beweiswert 61 verglichen werden. Wird das erforderliche Beweismaß nicht erreicht, ist das streitige Tatbestandsmerkmal als nicht gegeben zu betrachten und zu Lasten der beweisfällig gebliebenen Partei zu entscheiden. Aber warum ist gerade so zu entscheiden?. Mötsch beantwortet die Frage mit dem Hinweis auf eine dem Richter (von Mötsch) vorgegebene Entscheidungsalternative 62. Dieser Gedanke überzeugt nicht. Die Entscheidungsalternative ist nicht vorgegeben, sie ist einem so verstandenen Beweismaß immanent. Entscheidend ist allein, ob der notwendige Beweismaßwert erreicht ist. Damit entfällt aber nicht die Notwendigkeit einer Beweislastentscheidung,

57

Baumgärtel, FS Universität Köln, 1988, S. 165, 171.

58

Bis auf Mötsch, GS Rödig, 1978, S. 334, 338 f. halten alle Verfasser eine Beweislastentscheidung im Falle des non-liquet für erforderlich, vgl. nur Maassen, Beweismaßprobleme, S. 10 f.; Kegel, FG Kronstein, S. 321, 344. 59

Das bejaht Schreiber, Theorie des Beweisweites, S. 40 f. (Ergebnis).

60

Das ziehen auch die Verfechter des Überwiegensprinzips nicht in Zweifel. Abweichend wohl Prütting, Gegenwartsprobleme, S. 72 f., dem zuzugeben ist, daß die Begrifflichkeit bei Ekelöf widersprüchlich ist. Ekelöf differenziert aber zwischen „Beweislastpunkt" und Beweislast. 61

Vgl. Ekelöf

62

Mötsch, GS Rödig, 1978, S. 334, 335; ders., Beweis, S. 83.

ZZP 75 (1962), 289, 290.

§ 1 Das Regelbeweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit

35

sie wird nur vorverlegt. Mit der Bestimmung des Beweismaßes hat man Inzident die Entscheidung getroffen, was zu geschehen hat, wenn der Beweiswert der beigebrachten Beweismittel das Beweismaß nicht erreicht. Auch bei Annahme der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß trifft der Richter eine Beweislastentscheidung und zwar in allen Fällen, in denen der Beweismaßwert nicht erreicht wird. Dieser Umstand wird nur deshalb von den Verfechtern der Lehre von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht gesehen bzw. geleugnet63, weil er durch die von ihnen vorgenommene Quantifizierung der Beweislast verdeckt wird.

3. Das Alles- oder Nichts-Prinzip

und das geltende Regelbeweismaß

Greger hat zutreffend ausgeführt, daß das Konzept der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß zu einer quotenmäßigen — entsprechend den ermittelten Wahrscheinlichkeiten — Zusprechung der Klageforderung führen müßte64. Diese Konsequenz ziehen auch die Verfechter des Regelbeweismaßes überwiegende Wahrscheinlichkeit. So formuliert Kegel: „Wer „volle richterliche Überzeugung" (=sehr hohe Wahrscheinlichkeit) für den Beweis fordert, verlangt von dem, der recht hat, viel: er muß die Tatsachen, die ihm günstig sind, nicht nur überwiegend, sondern sehr hoch wahrscheinlich machen. Wer sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begnügt, mag dem, der in Wirklichkeit unrecht hat, zu leicht ans Ziel helfen. Beides vermeidet, wer nach der Wahrscheinlichkeit teilt: er kennt keinen vollen Sieg und keine volle Niederlage, sondern nur den Kompromiß" 65 . Daß die Ergebnisteilung nach Wahrscheinlichkeit mit dem geltenden Alles- oder Nichts-Prinzip unvereinbar ist, bedarf keiner näheren Begründung 66. Beachtenswert ist aber der Zusammenhang zwischen Regelbeweismaß und Ergebnisteilung bzw. Alles- oder Nichts-Prinzip. Spricht man dem Kläger, der seine Klageforderung mit nur überwiegender Wahrscheinlichkeit bewiesen hat, die gesamte Forderung zu, so widerspricht es dem Gerechtigkeitsempfinden, die weiterhin bestehenden erheblichen (49%) Zweifel unberücksichtigt zu lassen67. Dem Begehren des Klägers mag man in

63

So Mötsch, a.a.O., S. 338 f.

64

Greger, Beweis, S. 109.

65

Kegel FG Kronstein, 1967, S. 321, 337 f.

66

So auch Kegel, a.a.O., S. 338.

36

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

vollem Umfang nur deshalb entsprechen, weil für seinen Vortrag (fast) alles und für den Beklagtenvortrag (fast) nichts spricht. Die für den Beklagten gravierende Entscheidung rechtfertigt sich aus der durch das hohe Beweismaß erzeugten geringen Fehlerquote. Das geltende Regelbeweismaß der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit korrespondiert folglich mit dem Alles- oder Nichts-Prinzip. Solange das eine gilt, muß auch das andere gelten. Diese wechselseitige Abhängigkeit wird von den Fürsprechern der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß zwar gesehen, aber nicht systemgerecht aufgelöst: In der Literatur 68 ist immer wieder eine Schadensteilung nach Wahrscheinlichkeit vorgeschlagen worden. Den Zusammenhang mit der Beweismaßfrage stellte aber erst Kegel heraus; allerdings nur unter Befürwortung einer Schadensteilung nach Wahrscheinlichkeit de lege ferenda 69 . Als einziger Verfechter der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß hat sich Maassen mit der Frage der Schadensteilung nach Wahrscheinlichkeit auseinandergesetzt70. Er vermeint aus dem von ihm vertretenen Ansatz den Schluß ziehen zu können, daß der Schädiger schon dann zum Ersatz des vollen Schadens verpflichtet ist, wenn die fahrlässige Verursachung des Schadens durch ihn überwiegend wahrscheinlich ist 71 . Sind dagegen nur geringere Wahrscheinlichkeiten feststellbar, solle eine Schadensteilung nach Wahrscheinlichkeit erfolgen 72. Schon die Inkonsequenz dieses Lösungsansatzes begründet seine Verwerfung. Die Konzeption des Beweismaßes der überwiegenden Wahrscheinlichkeit verlangt in letzter Konsequenz eine Schadensteilung nach Wahrscheinlichkeit, und zwar generell. Es ist nicht einzusehen, warum derjenige, der mit 51% Wahrscheinlichkeit seine Schädigung beweist, 100% seines Schadens erhalten soll, während der Geschädigte, der nur eine 49%ige Wahrscheinlichkeit erzielt, mehr als die Hälfte seines Schadens selbst tragen soll.

67

Ähnlich formuliert Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rdnr. 359 unter Bezugnahme auf Walter, Freie Beweiswürdigung, S. 182 f.: „Das Erfordernis des höchsten Wahrscheinlichkeitsgrades wird...mit dem Anspruch des Beklagten auf ein richtiges und nicht nur ein möglicherweise richtiges Urteil begründet." 68 Vgl. nur Bydlinski, Schadensverursachung, S. 86 ff.; sowie die Nachweise bei Maassen, Beweismaßprobleme, S. 165 Fn. 1. 69

FG Kronstein, 1967, S. 321, 337 f.

70

Beweismaßprobleme, S. 165 ff.

71

Maassen, a.a.O., S. 166.

72

Maassen, a.a.O., S. 168 ff.

§ 2 Reduzierung des Beweismaßes bei der Kausalitätsfeststellung

37

Ein Eintreten für die überwiegende Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß verlangt notwendig nach der argumentativen Ablösung des Alles- oder NichtsPrinzips durch das Prinzip der Ergebnisteilung nach Wahrscheinlichkeit.

§ 2 Reduzierung des Beweismaßes bei der Kausalitätsfeststellung Kann man die überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht als optimales Regelbeweismaß ansehen, so fehlt es doch nicht an Versuchen, das Beweismaß flexibler zu gestalten, um so Beweisprobleme einer Partei, die einer gerechten Entscheidung entgegenstehen, zu vermeiden. Die vertretenen Ansichten reichen von einer generellen Flexibilisierung bis hin zur Absenkung des Beweismaßes in einzelnen Fallgruppen.

I. Annahme eines flexiblen Beweismaßes Am weitesten geht der Vorschlag, das Beweismaß generell flexibel zu gestalten. Regelbeweismaß soll danach das im jeweiligen Einzelfall geltende Beweismaß sein.

7. Mehrere Regelbeweismaße Bender 73 schlägt eine Abstufung des Regelbeweismaßes in vier Stufen vor: (1) (2) (3) (4)

Die Die Die Die

Überzeugung von der Wahrheit hohe Wahrscheinlichkeit überwiegende Wahrscheinlichkeit geringe Wahrscheinlichkeit

>99,8% >75% >50% >25%.

Nach Ansicht von Bender entspricht der Anscheinsbeweis der zweiten Stufe. Die Fälle der von der Rechtsprechung entwickelten Beweislastumkehr (grobe Verletzung von Berufspflichten, Verletzung von Aufklärungspflichten und schuldhafte Beweisvereitelung) versteht er als Reduzierung des Beweismaßes auf geringe Wahrscheinlichkeit 74.

73

FS Baur, 1981, S. 247 ff.

74

A.a.O., S. 266.

38

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

Die Annahme eines gestuften Regelbeweismaßes kann nicht überzeugen: § 2861 1 ZPO geht seinem Wortlaut nach von einem einzigen Regelbeweismaß aus. Entgegen Bender geht es bei den Fällen der Beweislastumkehr nicht darum, daß der Beweispflichtige lediglich ein geringeres Wahrscheinlichkeitsmaß mit seinen Beweismitteln erreichen muß. Die Beweislage kann sich nämlich so verschlechtern, daß auch die überwiegende Wahrscheinlichkeit als Beweiserleichterung nicht mehr ausreicht, um das materielle Recht zu verwirklichen 75 . Besonders deutlich wird das in Fällen der Beweisvereitelung. Dort rechtfertigt sich die Beweislastumkehr aus dem Fehlen von Beweismitteln als Folge der Vereitelungshandlung. Mit der Reduktion des Beweismaßes allein ist dem Schuldner nicht geholfen. Nur eine Beweislastumkehr führt zu gerechten Ergebnissen im Einzelfall.

2. Feststellung des Beweismaßes nach dem Evidenzgefühl

des Richters

Gottwald 76 und Rommé 77 leugnen die Existenz eines Regelbeweismaßes und wollen das Beweismaß im jeweiligen Einzelfall ad hoc durch den Richter bestimmen lassen78.

a) Die Ansicht Gottwalds Aus der Befugnis des § 286 I 1 ZPO zur freien Beweiswürdigung folgert Gottwald, daß der Richter Beweisfragen aufgrund unterschiedlich sicherer Indizien nach common sense zu entscheiden habe79. Der Richter bestimme das Beweismaß nach Fallgruppen selbst unter Berücksichtigung der generellen Beweisbarkeit bestimmter Vorgänge, aber auch der sozialen Bedeutung der Entscheidung80. Eine Bindung erfolge lediglich an Denkgesetze, wissenschaft-

75

Vgl. Walter,

76

Schadenszurechnung, S. 186 ff.

Freie Beweiswürdigung, S. 244 ff.

77

Anscheinsbeweis, S. 86 ff.

78

Ebenso AK-ZPO / Rüßmann, § 286 Rdnr. 20.

79 Schadenszurechnung, S. 201 f.; ders., Karlsruher Forum 1986, S. 3, 13; ders., in: Rosenberg / Schwab, ZPR, § 115 II 2, S. 660. Dem folgend Gmehling, Beweislastverteilung, S. 30 f. 80

Gottwald,

Karlsruher Forum 1986, S. 3, 13.

§ 2 Reduzierung des Beweismaßes bei der Kausalitätsfeststellung

39

liehe Erkenntnisse und sonstige Erfahrungssätze mit allgemein anerkanntem Beweis wert 81 . Der von Gottwald gewählte Begründungsansatz, in dem Begriff „freie Überzeugung" die Ermächtigung des Richters zu sehen, nach Einzelfallermessen zu entscheiden82, ist schon kurz nach Entstehung der ZPO vertreten worden 83 . Die Entstehungsgeschichte des § 286 ZPO spricht jedoch eher dafür, daß der Richter mittels der nunmehr postulierten freien Beweiswürdigung von den vormals geltenden Beweisregeln befreit werden sollte 84 . Die von Gottwald als Positivum seines Ansatzes herausgestellte „elastischere Bindung an die Lebenserfahrung" 85 ist aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen. Eine Verfahrensordnung muß darauf bedacht sein, gleichliegende Fälle auch möglichst gleich zu entscheiden86. Die Lebenserfahrung — jedenfalls soweit sie sich nicht in allgemeinen Erfahrungssätzen ausdrückt — stellt kein feststehendes Maß dar, sondern schwankt von Richter zu Richter. Die sich daraus zwangsläufig ergebenden Divergenzen würden das bereits bestehende Maß divergierender Entscheidungen um ein Vielfaches erhöhen 87. Daran ändert auch die von Gottwald zur Absicherung der vom Richter vorzunehmenden induktiven Schlüsse vorgesehene, für Dritte nachvollziehbare Begründung 88 nichts. Gerade in den hier zur Diskussion stehenden Fällen ist jedes Ergebnis begründbar. Die von Gottwald vertretene Ansicht führt darüber hinaus zu einer nicht akzeptablen Verminderung revisibler Entscheidungen89. Wird die Feststellung des geltenden Beweismaßes als Überzeugungsbildung i.S.d. § 286 I 1 ZPO verstanden, so ist diese wegen der in § 549 I ZPO und § 561 Π ZPO getroffe-

81

Gottwald,

Schadenszurechnung, S. 201.

82

Prütting, Gegenwartsprobleme, S. 84 hält die Annahme eines relativen Beweismaßes mit § 286 ZPO generell für nicht vereinbar. 83 Vgl. die Nachweise bei Heescher, Untersuchungen zum Merkmal der freien Überzeugung, S. 57 ff. 84

Kollhosser, ZZP 96 (1983), 270, 276; Walter,

85

Schadenszurechnung, S. 244 unter 2.

86

Bender, FS Baur, 1981, S. 247, 251.

87

Freie Beweiswürdigung, S. 7 ff., 84 f. (Ergebnis).

Ähnlich Huber, Beweismaß, S. 97 u. Musielak, FS Kegel, 1977, S. 451, 464, beide auf der Grundlage einer objektiven Beweismaßtheorie. Siehe dazu auch Bender, FS Baur, 1981, S. 247, 251. 88

Schadenszurechnung, S. 200.

89

Vgl. Huber, Beweismaß, S. 97 f.

40

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

nen Beschränkung der Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts nur sehr eingeschränkt überprüfbar. Die Beweismaßkontrolle reduziert sich auf die Fallgruppe überspannter Beweisanforderungen 90.

b) Die Auffassung Rommés Auch Rommé setzt bei seiner Argumentation am Begriff der freien Überzeugung an. Nach seiner Auffassung korrespondieren Beweiswürdigung und Wahrheit derart, daß der Richter durch die Beweiswürdigung notwendig zugleich darüber befindet, was im konkreten Fall als wahr (bzw. nicht wahr) zu gelten hat 91 . Mit der im Rahmen der Beweiswürdigung erfolgenden Bestimmung, ob der Beweis gelungen ist, sei auch darüber entschieden, wann der Beweis gelungen ist 92 . Auch sei die Bestimmung des Regelbeweismaßes mittels Wahrscheinlichkeit nicht praktikabel, da eine Fixierung des Wahrscheinlichkeitsgrades unmöglich sei 93 . Nach Rommé hängt das Gelingen des Beweises von der individuellen Persönlichkeit des zur Entscheidung berufenen Richters ab 94 , d.h. er überläßt die prozessuale Sachverhaltsfeststellung der richterlichen Willkür 9 5 . Daraus folgen nicht zwangsläufig willkürliche — im negativen Sinne — Entscheidungen, aber auch hier erhöht sich das bereits bestehende Maß divergierender Entscheidungen um ein Vielfaches. Mit dem Verlust eines abstrakt-generellen Beweismaßes geht zudem die Revisibilität richterlicher Entscheidungen verloren. Das Beweisrecht unterliegt dem Gebot der Rechtssicherheit, soll aber auch bei seiner Anwendung auf den Einzelfall flexibel sein 96 . Diesen ambivalenten Anspruch an das Beweisrecht löst Rommé einseitig zu Lasten der Rechtssicherheit auf 97 .

90

Gottwald,

91

Anscheinsbeweis, S. 87 f.

Schadenszurechnung, S. 238.

92

Rommé, a.a.O., S. 87.

93

Rommé, a.a.O., S. 88.

94

Das erkennt auch Rommé, a.a.O., S. 90.

95

Prütting y Gegenwartsprobleme, S. 90.

96

Prütting,

97

Ablehnend auch Prütting,

KF 1989, 3, 5. KF 1989, 3, 8.

§ 2 Reduzierung des Beweismaßes bei der Kausalitätsfeststellung

41

Gegen die Auffassungen von Gottwald und Rommé spricht entscheidend die Tatsache, daß unser Recht in einer Vielzahl von Fällen vom Regelbeweismaß der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit abweicht 98 . Erfolgt die Bestimmung des Beweismaßes nach dem Evidenzgefühl des Richters — aber auch generell nach dem Überwiegensprinzip — so sind die im geltenden Recht bereits vorgesehenen Abweichungen vom Regelbeweismaß nicht erklärbar 99. Beide Begründungsmodelle, das von Gottwald und jenes von Rommé, können daher nicht überzeugen.

II. Fallgruppenabhängige Reduktion des geltenden Regelbeweismaßes Neuerdings findet eine auf Walter 100 zurückgehende Ansicht in der prozeßrechtlichen Literatur zunehmende Verbreitung. Ausgehend vom geltenden Regelbeweismaß der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, wird als Problemlösung eine Beweismaßreduktion bei bestimmten Fallgruppen vorgeschlagen101. Eine dieser Fallgruppen stellt der Kausalitätsbeweis dar.

7. Herleitung einer fallgruppenspezifischen

Beweismaßreduktion

Walter 102 und Huber 103 halten eine Beweismaßreduktion bei Vorliegen folgender Voraussetzungen für erforderlich: (1)

Es muß sich um einen Sachverhalt handeln, der seiner Natur nach einer vollen Aufklärung nicht oder nur sehr schwer zugänglich ist.

(2)

Gesichtspunkte des materiellen Rechts fordern, daß die Schwierigkeiten der Aufklärung nicht zu Lasten des Normbegünstigten gehen.

98

Vgl. die umfassenden Nachweise bei Prütting,

99

Prütting,

Gegenwartsprobleme, S. 79 ff.

KF 1989, 3, 7.

100

Freie Beweiswürdigung. Walter baut auf den von Musielak, Grundlagen, S. 120 ff. gefundenen Ergebnissen auf. 101 Musielak, FS Kegel, S. 467, 470; Musielak / Stadler, Grundfragen, Rdnr. 266 ff., insb. Rdnr. 273; Huber, Beweismaß, S. 136; Baumgärtel, FS Universität Köln, 1988, S. 165, 180; Kollhosser, ZZP 96 (1983), 270, 276 f.; Peters, AcP, 180 (1980), 527, 528. 102

Freie Beweiswürdigung, S. 233.

103

Beweismaß, S. 136.

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

42

Während Huber diese Voraussetzungen beim Nachweis der Kausalität regelmäßig erfüllt sieht 104 , liegen nach Walter die Voraussetzungen nur im Fall der hypothetischen Kausalität vor 105 . Sowohl Walter als auch Huber gelangen argumentativ über den Anscheinsbeweis zu diesem Ergebnis. Nach ihrer Ansicht zeigt die Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis, daß durch diesen lediglich die Beweisanforderungen, also das Beweismaß herabgesetzt wird 1 0 6 . Während Huber eine Stufung in „sehr wahrscheinlich" und „überwiegend wahrscheinlich" vorschlägt 107 , geht Walter von einer Beweismaßherabsetzung auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit aus 108 . Genügt diese Reduktion des Beweismaßes als Sanktion für den Pflichtenverstoß nicht, so will Walter die Beweislast umkehren 109 . Im Ergebnis hält Walter den Anscheinsbeweis und § 287 ZPO nicht für geeignete Mittel, um das bei bestimmten Fallgruppen bestehende Bedürfnis nach einer Beweismaßsenkung zu befriedigen 110. Die von Walter und Huber propagierte Abschaffung des Anscheinsbeweises kann nicht überzeugen. Denn bereits die Analyse der Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis läßt wesentliche Punkte unberücksichtigt. Neben Entscheidungen, die das Beweismaß mittels des Anscheinsbeweises reduzieren, finden sich solche, die trotz Anwendung des Anscheinsbeweises das Beweismaß unverändert lassen111. Die generalisierende und damit leicht handhabbar erscheinende Lehre von Walter und Huber weist gerade wegen dieser Eigenart ein gewisses Manko auf: sie kann den Anscheinsbeweis nicht in seiner ganzen Bedeutung erfassen. So findet der Anscheinsbeweis bei der Kausalitätsfeststellung Anwendung, beschränkt sich dabei aber nicht allein auf die Fälle der hypothetischen Kausalität. Gerade das sieht Walter aber für sein Modell vor 112 . Aber auch die

104

Beweismaß, S. 137.

105

Freie Beweiswürdigung, S. 195 ff., 202.

106

Walter,

107

Beweismaß, S. 136.

108

Freie Beweis Würdigung, S. 248.

a.a.O., S. 206 ff.; Huber, a.a.O., S. 135 für den Anscheinsbeweis der Kausalität.

109

A.a.O.

110

A.a.O., S. 258. Für Anscheinsbeweis ebenso Huber, Beweismaß, S. 141.

111

Prütting,

112

a.a.O.

Freie Beweiswürdigung, S. 195 ff., 202. Walter relativiert sein Lösungsmodell zudem erheblich, wenn er in besonders gelagerten Fällen über die Fälle der hypothetischen Kausalität hinaus eine Beweismaßreduktion aus Gesichtspunkten des materiellen Rechts zulassen will (vgl. insb. S. 202).

§ 2 Reduzierung des Beweismaßes bei der Kausalitätsfeststellung

43

weitergehende Auffassung Hubers 113 kann die Ablösung des Anscheinsbeweises nicht begründen. Beispielhaft sei das am Verstoß gegen Beleuchtungsvorschriften, der prima facie den Schluß auf die Ursächlichkeit für den Zusammenstoß zuläßt 114 , dargestellt. Daß in einem solchen Fall der Kausalnachweis regelmäßig einen Sachverhalt betrifft, der seiner Natur nach einer vollen Aufklärung nicht oder nur sehr schwer zugänglich ist, ist unbestreitbar. Aber gebietet § 17 StVO, daß die Schwierigkeiten der Aufklärung nicht zu Lasten des anderen Fahrzeugführers gehen? Den Leitgedanken, die der StVO zugrunde liegen, läßt sich das wohl nicht entnehmen115. Auch würde ein solches Verständnis dem Schutzzweck der Beleuchtungspflicht nicht entsprechen, die dem eigenen Schutz des Verkehrsteilnehmers wie dem des fließenden und ruhenden Verkehrs dient 116 . Neben der Feststellung, daß Walter und Huber nicht die Entbehrlichkeit des Anscheinsbeweises begründen können, spricht gegen deren Auffassungen die Unbestimmtheit der Voraussetzungen, an die die Absenkung des Beweismaßes geknüpft wird. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit wird besonders deutlich in den abweichenden Auffassungen beider Autoren in der Frage der Beweismaßsenkung beim Kausalnachweis. Mögen die Auffassungen beider Autoren in den konkreten Ergebnissen sich kaum von denen der h.M., die von einem differenzierten System von Beweiserleichterungen ausgeht, unterscheiden 117, ist die Auffassung der h.M. vorzugswürdig, weil sie als klarer gefaßte Problemlösung den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs besser gerecht werden kann 118 .

113

Beweismaß, S. 137.

114

BGH VersR 1964, 296; OLG Düsseldorf VersR 1971, 377; 1974, 143.

115

Vgl. die Begründung des Bundesverkehrsministers zur Straßenverkehrsordnung VB1. 1970, 795. 116

Jagusch / Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 17 StVO, Rdnr. 13.

117

So ausdrücklich Walter,

118

Freie Beweiswürdigung, S. 258.

Ähnlich H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 521. Im Ergebnis auch Prütting, S. 109.

Gegenwartsprobleme,

2. Kapitel: Beweiserleichterung durch Beweismaßreduktion

2. Teleologische Auslegung des Kausalitätsmerkmals Einen wesentlich radikaleren Ansatz verfolgen Greger und Prütting, die durch eine sinngerechte Auslegung des Kausalitätsmerkmals den Nachweis der Kausalität erleichtern wollen 119 . Die Entwicklung, die der Nachweis der Kausalität in Rechtsprechung und Literatur genommen habe, zeichne sich durch das Bestreben aus, den Beweis mittels Beweismaßsenkung, Anscheinsbeweis, § 287 ZPO oder Beweislastumkehr zu erleichtern 120 . Entsprechende Lösungsansätze kämen aber nicht ohne dogmatische Friktionen aus bzw. seien zu unflexibel 121 . Zudem seien in vielen Fällen des Kausalitätsnachweises an den Beweis schon aus Gründen des materiellen Rechts geringere Anforderungen zu stellen 122 . Folgerichtig erscheine eine entsprechende teleologische Auslegung des Kausalitätsmerkmals gerechtfertigt, zumal so praktikablere Ergebnisse erzielt würden. Grundlegend differieren Greger und Prütting aber im Ergebnis ihrer teleologischen Auslegung. Während Prütting 123 das Kausalitätsmerkmal dahin auslegen will, daß sein Nachweis nur überwiegende Wahrscheinlichkeit verlangt, legt Greger 124 die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit als Maßstab fest 125 . Ob diesem materiellrechtlichen Lösungsansatz letztlich zugestimmt werden kann, kann und soll erst am Ende dieser Untersuchung entschieden werden 126 . Zuvor ist zu klären, ob die prozessualen Beweiserleichterungen, wie von Prütting und Greger behauptet, keine adäquate Problemlösung darstellen. Festzuhalten ist aber, daß die Ansicht Gregers im Ergebnis zu keiner Beweiserleichterung führt. Das Erfordernis, den Nachweis der Kausalität mit an Sicherheit grenzen-

119

Greger, Beweis, S. 180 ff.; Prütting, ZPO, § 286 Rdnr. 46. 120

Greger, Beweis, S. 178 ff.

121

Prütting,

Gegenwartsprobleme, S. 109; MünchKomm / Prütting,

Gegenwartsprobleme, S. 109.

122

Prütting, a.a.O, S. 108 bezieht sich insoweit auf die Ausführungen von Bydlinski, Schadensverursachung, S. 65 ff, 95 ff.; Greger, Beweis, S. 148 ff. Ebenso Gottwald, Schadenszurechnung, S. 49 ff., 99 ff. und Walter, Freie Beweiswürdigung, S. 195 ff. 123

Gegenwartsprobleme, S. 109.

124

Beweis, S. 182 f.

125

Das verkennt Prütting, Gegenwartsprobleme, S. 109 offensichtlich. Gregers Standpunkt wird verständlich, wenn man berücksichtigt, daß er allein die „Überzeugung von der Wahrheit" als Beweiskriterium gelten lassen will und dem Wahrscheinlichkeitsbegriff im Grundsatz jede Relevanz für die Bestimmung des allgemeinen Beweiskriteriums abspricht (vgl. Greger, Beweis, S. 121 ff.). 126

Siehe unten Kap. 5, § 3 IV.

§ 2 Reduzierung des Beweismaßes bei der Kausalitätsfeststellung

45

der Wahrscheinlichkeit zu erbringen, hat die Rechtsprechung und die Literatur gerade dazu veranlaßt, prozessuale Beweiserleichterungen zu suchen127.

III. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß die überwiegende Wahrscheinlichkeit mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren ist. Aber auch einer Reduzierung des Regelbeweismaßes bei der Kausalitätsfeststellung stehen so gravierende Bedenken entgegen, daß letztlich am geltenden Regelbeweismaß der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzuhalten ist.

127

Vgl. Gottwald,

Karlsruher Forum, S. 3, 13.

3. Kapitel

Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen Der einer gesetzlichen Grundlage entbehrende und von der Rechtsprechung1 ausgebildete Anscheinsbeweis spielt in der gerichtlichen Praxis gerade beim Kausalitäts- und (mehr noch beim) Verschuldensnachweis eine bedeutende Rolle 2 . Erstmalige Erwähnung fand der wohl seinem Ursprung nach dem common law entstammende Anscheinsbeweis3 in einer Entscheidung des I. Senats des RG vom 27.6.19004. Trotz seines frühzeitigen Eingangs in die zivilgerichtliche Rechtsprechung zählt der Anscheinsbeweis „zu den ungeklärten und schwierigsten Fragen des Beweisrechts" 5. So werden die unterschiedlichsten Meinungen zum Verständnis des Anscheinsbeweises vertreten 6 und ist die Abgrenzung zum Anzeichen- oder Indizienbeweis unklar. Gerade im Zusammenhang mit der Verletzung von Informationspflichten spielt zudem die Frage eine erhebliche Rolle, ob der Anscheinsbeweis bei individuellen Willensentschlüssen überhaupt anwendbar ist 7 . Es erscheint daher angebracht, sich der Frage, ob der Anscheinsbeweis beim Nachweis der Kausalbeziehung zwischen der Informationspflichtverletzung und dem Willensentschluß des Kunden Anwendung findet, von den Grundlagen des Anscheinsbeweises her zu nähern.

§ 1 Anerkannte Voraussetzungen des Anscheinsbeweises Der Anscheinsbeweis ermöglicht dem Tatrichter, von einem entscheidungserheblichen Merkmal auszugehen, wenn Umstände festgestellt sind, mit denen

1

Vgl. nur RGZ 130, 359; BGHZ 2, 1, 5.

2

Vgl. insoweit die umfassende Zusammenstellung der Anwendungsfälle des Anscheinsbeweises bei Greger, VersR 1980, 1091 ff. 3

Weitnauer,

4

RGZ 21, 104,110.

5

Prütting,

6

Eine Übersicht über den Meinungsstand gibt Prütting,

7

H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 521 f.

KF 1966, 3, 13; Hainmüller,

Anscheinsbeweis, S. 1 m.w.N.

Gegenwartsprobleme, S. 94. Gegenwartsprobleme, S. 95 ff.

§ 1 Anerkannte Voraussetzungen des Anscheinsbeweises

47

dieses Merkmal typischerweise auftritt 8. Grundlage des induktiven Schlusses ist ein überzeugungskräftiger Erfahrungssatz 9, wobei darunter überwiegend ein Satz der Lebenserfahrung, der sich aus einem sich häufig wiederholenden typischen Geschehensablauf ergibt, verstanden wird 10 .

I. Überzeugungskräftiger Erfahrungssatz Erfahrungssätze sind nicht allein für den Anscheinsbeweis bedeutsam, sondern allgemein für die Beweiswürdigung und im besonderen für den Indizienbeweis 11 . Da aber nur der Anscheinsbeweis zu einer Beweiserleichterung führt, stellt sich die Frage nach der Abgrenzung von Anscheins- und Indizienbeweis. Erschwert wird diese Feststellung nicht allein durch die Anwendung von Erfahrungssätzen bei beiden Beweisen, sondern auch durch ihre Strukturgleichheit. Sowohl Anscheins- als auch Indizienbeweis schließen mittels Erfahrungssätzen von indizierenden Tatsachen auf ein Tatbestandsmerkmal 12. Diese Strukturgleichheit hat zwangsläufig zur Folge, daß die Abgrenzung von Anscheins- und Indizienbeweis allein am im jeweiligen Einzelfall zur Anwendung gelangenden Erfahrungssatz anknüpfen muß. Daher wird üblicherweise die Abgrenzung über die Überzeugungskraft oder die Beweisstärke des Erfahrungssatzes versucht. Dem liegt die Prämisse zugrunde, daß den im Rahmen der Beweiswürdigung zur Anwendung gelangenden Erfahrungssätzen unterschiedliche Beweisstärken zukommen13. Im Gegensatz zum Indizienbeweis verlange der Anscheinsbeweis einen Erfahrungssatz mit so starkem Beweiswert, daß der Erfahrungssatz allein geeignet ist, eine tatsächliche Vermutung für ein bestimmtes Geschehen zu begründen 14. Für die praktische Abgrenzung ist mit dieser Formulierung wenig gewonnen: ein unbestimmter Begriff wird lediglich durch einen anderen, den der tatsächlichen Vermutung 15 , ersetzt. Die Formulierung des BGH legt es allerdings nahe, als Gradmesser für die Beweisstärke auf die Zahl der ver-

8

AK-ZPO / Rüßmann, § 286 Rdnr. 22.

9

BGHZ 82, 85; A. Blomeyer, ZPR, § 72 III, S. 385; Kollhosser, Anscheinsbeweis, S. 75.

10

Arens / Luke, ZPR, Rdnr. 279 ; a.A. Prölss, Beweiserleichterungen, S. 20.

11

E. Schneider, Beweis, S. 80; Kollhosser, Anscheinsbeweis, S. 75.

12

A. Blomeyer, ZPR, § 72 III 1, S. 385.

13

A. Blomeyer, Gutachten, S. 16.

14

BGHZ 2, 82, 85.

15

Nicht zu verwechseln mit der Beweiserleichterung „tatsächliche Vermutung"; siehe dazu unten § 3 III 1.

48

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

wandten Erfahrungssätze abzustellen. Der Anscheinsbeweis bliebe auf solche Fälle beschränkt, in denen zum Schluß auf das Tatbestandsmerkmal nur ein einziger Erfahrungssatz verwendet wird 16 . Dieses klare Unterscheidungsmerkmal hat die Rechtsprechung mittlerweile aufgegeben. Marksteine in dieser Entwicklung hin zum sog. Individualanscheinsbeweis17 sind insoweit die LuesFälle I 1 8 und Π 1 9 sowie der Nichtschwimmer-Fall 20 . Gegenstand dieser Entscheidungen21 waren Sachverhalte, in denen neben dem Erfahrungssatz, der zur Hauptsache die Entscheidung trug, auch noch andere — teils unterstützende, teils widersprechende — Erfahrungssätze bedeutsam wurden. Der Begriff des überzeugungskräftigen Erfahrungssatzes eignet sich damit nicht als Abgrenzungsmerkmal 22. Es bleibt aber festzuhalten, daß wenn ein solcher Erfahrungssatz festgestellt werden kann, die Annahme eines Anscheinsbeweises naheliegt.

II. Typische Geschehensabläufe Häufig wird die Anwendung des Anscheinsbeweises mit dem Bestehen eines typischen Geschehensablaufes begründet. Ein solcher setze voraus, daß der Geschehensablauf einen allgemeinen Charakter in dem Sinn aufweist, „daß nach den Erfahrungssätzen des Lebens von einem allgemein üblichen Verlauf auch ein Schluß auf den Verlauf der Dinge im einzelnen Fall möglich erscheint, daß die Schlußfolgerung aus der Gleichmäßigkeit des Ablaufs der Dinge auch auf den Einzelfall gerechtfertigt erscheint" 23. Die Rechtsprechung 24 und ihr fol-

16

Musielak, Grundlagen, S. 130 sieht darin das einzige klare Abgrenzungsmerkmal.

17

Der Begriff geht auf eine Abhandlung Kegels in der Festgabe für Kronstein mit dem Titel „Der Individualanscheinsbeweis und die Verteilung der Beweislast nach überwiegender Wahrscheinlichkeit" zurück. 18

BGHZ 11, 227 ff.

19

BGH VersR 1957, 252.

20

BGH NJW 1954, 1119.

21

Vgl. zu diesen und weiteren Fällen die kritischen Stellungnahmen von Rommé, Anscheinsbeweis, S. 79 ff. u. Musielak, Grundlagen, S. 120 ff. 22

Musielak, Grundlagen, S. 131 hält die Abgrenzung sogar für undurchführbar.

23

BGH L M Nr. 11 zu § 286 (C) ZPO.

24

Vgl. nur BGH VersR 1982, 1145; NJW 1984, 360, 361.

§ 1 Anerkannte Voraussetzungen des Anscheinsbeweises

49

gend die überwiegende Literatur 25 begrenzen den Anwendungsbereich des Anscheinsbeweises auf Erfahrungssätze über typische Geschehensabläufe und versuchen dadurch den Anscheinsbeweis vom Indizienbeweis abzugrenzen. Da Kausalbeziehungen immer auch Geschehensabläufe sind, könnte dieses Unterscheidungskriterium für den Beweis des Kausalzusammenhangs bei Informationspflichtverletzungen Bedeutung erlangen. Denn bei unbefangener Betrachtung liegt die Annahme nahe, daß die hypothetische Entscheidung eines Informationsberechtigten häufig vorhersehbar und typisch ist.

1. Verhältnis

von Geschehensablauf und Erfahrungssatz

Dem Begriff des typischen Geschehensablaufes kommt aber nur dann eine Funktion als Abgrenzungskriterium zu, wenn das Merkmal gegenüber den Erfahrungssätzen eine eigenständige Bedeutung besitzt. Das verneint Kollhosser, nach dem die Formel vom typischen Geschehensablauf auf den überzeugungskräftigen Erfahrungssatz als Voraussetzung verweist 26 . Den Grund hierfür sieht Kollhosser in der Definition des Begriffs „typisch": Typisch sei, was der Erfahrung des Üblichen und Gewöhnlichen entspreche, weshalb Typizität und durch Lebenserfahrung begründete überzeugungskräftige Wahrscheinlichkeit identisch seien. Kollhosser ist zuzugeben, daß die Typizität von Geschehensablauf und Erfahrungssatz aufs engste miteinander verbunden sind. Dennoch ist zwischen beiden eine klare Trennung möglich. Die Anwendung eines Erfahrungssatzes bedeutet immer die Durchführung eines Vergleichs. Der hinter dem Begriff Erfahrungssatz stehende typisierte Sachverhalt wird mit dem Geschehensablauf des konkreten, zur Entscheidung stehenden Falles verglichen 27. Weist der Geschehensablauf die Merkmale, die denen des typisierten Sachverhalts entsprechen, auf, so kann der Erfahrungssatz auch auf den konkreten Fall angewandt werden. Prima-facie spricht für einen Kausalzusammenhang, wenn es in zeitlichem und räumlichen Zusammenhang mit Schweißarbeiten zu einem Brand kommt 28 . Der Erfahrungssatz gilt aber nicht nur für Schweißarbeiten, sondern ist viel allgemeiner

25 SÜ / Leipold, ZPO, § 286 Rdnr. 88; Zöller / Stephan, ZPO, § 286 Rdnr. 16; BL / Hartmann, ZPO, Anh § 286 Anm. 3 B a; Thomas / Ρutzo, ZPO, § 286 Anm. 4 a; Wieczorek, ZPO, § 282 Anm. D II a 1; Α. Blomeyer, ZPR, § 72 III, S. 385; E. Schneider, Beweis, S. 81. 26

A.a.O., S. 90.

27

Prölss, Beweiserleichterungen, S. 14 ff.; Schönke / Kuchinke, § 56 III 1, S. 255.

28

Vgl. BGH VersR 1974, 750; 1980, 532; MDR 1984, 221.

4 Brüske

50

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

gefaßt: Kommt es in zeitlichem und räumlichen Zusammenhang mit offenem Feuer zu einem Brand, dann spricht der erste Anschein für eine Ursächlichkeit des offenen Feuers. Der Unterschied im konkreten Fall, wo Schweißarbeiten ausgeführt wurden, rechtfertigt keine andere Bewertung. Geschehensablauf und der dem Erfahrungssatz zugrunde liegende Lebenssachverhalt sind gleich, der Erfahrungssatz läßt den Schluß auf den Kausalzusammenhang auch im konkreten Fall zu.

Das Beispiel zeigt, daß Geschehensablauf und Erfahrungssatz zwei verschiedenen Welten angehören und dementsprechend auch die Typizität bei Geschehensablauf und Erfahrungssatz zu unterscheiden ist.

2. Merkmale eines typischen Geschehensablaufes Kommt der Begriff des typischen Geschehensablaufes als Abgrenzungskriterium in Betracht, so stellt sich zwangsläufig die Frage, was einen Geschehensablauf zu einem typischen macht. Zum Teil wird auf Gesichtspunkte wie „häufig" 29 oder „allgemein üblich" 30 zur nähreren Beschreibung abgestellt. Die Entwicklung hin zum Individualanscheinsbeweis hat aber gezeigt, daß man den Begriff „typisch" nicht in diesem Sinne verstehen kann 31 . Wann ein typischer Geschehensablauf vorliegt, läßt sich nur negativ dahin bestimmen, daß dem Geschehensablauf keine individuellen Verhaltensweisen zugrunde liegen dürfen bzw. diese in ihrer Bedeutung hinter die typisierten Umstände zurücktreten 32. Musielak 33 und Prölss 34 halten eine solche Begriffsbestimmung allerdings nicht für möglich, da die Vorgehensweise der Rechtsprechung beim Individualanscheinsbeweis dem Begriff des typischen Geschehensablaufs einen relativen auf den Einzelfall bezogenen Inhalt gegeben habe. Das bedeutet aber nicht, wie der Begriff des Individualanscheinsbeweises suggeriert, daß der Anscheinsbeweis auf individuelle Geschehensabläufe Anwendung findet. Musielak und Prölss übersehen, daß der Geschehensablauf erst durch den Vergleich mit dem typisierten Sachverhalt des Erfahrungssatzes einer

29

So z.B. BGHZ 100, 214, 216\ Arens / Lühe, ZPR, Rdnr. 279; Diederichsen, VersR 1966, 211, 213; E. Schneider, Beweis, S. 81. 30

Thomas / Putzo, ZPO, § 286 Anm. 4 a.

31

Vgl. Kegel, FG Kronstein, 1967, S. 321, 333; Kollhosser, Anscheinsbeweis, S. 91 f.; Musielak, Grundlagen, S. 102; Prölss, Beweiserleichterungen, S. 20. 32

Vgl. BGHZ 104, 256, 259; 100, 214, 216.

33

Grundlagen, S. 131.

34

Beweiserleichterungen, S. 20 f.

§ 1 Anerkannte Voraussetzungen des Anscheinsbeweises

51

Typisierung zugeführt wird 35 . Beispielhaft mag dies der vom BGH entschiedene HIV-Fall 3 6 , dem vereinfacht folgender Sachverhalt zugrunde lag, verdeutlichen: Anläßlich einer Operation wurde der Klägerin eine HIV-kontaminierte Blutkonserve verabreicht. Nachdem das beklagte Krankenhaus von der HlV-Infizierung des Blutspenders erfuhr, veranlaßte es eine Untersuchung der Klägerin, bei der eine AidsInfektion festgestellt wurde. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sprach der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die Aids-Infektion der Klägerin Folge der Transfusion HIV-kontaminierten Blutes durch die Beklagte war, da die Klägerin weder zu den HIV-gefährdeten Risikogruppen gehörte noch durch die Art ihrer Lebensführung einer gesteigerten Infektionsgefahr ausgesetzt war 37 . Die Revision rügte, daß damit sich der Typisierung entziehende individuelle Verhaltensweisen beurteilt würden, auf die der Anscheinsbeweis keine Anwendung finde. Der BGH ließ diesen Einwand nicht gelten, da das Berufungsgericht dem Anscheinsbeweis keine Aussage über den individuellen Lebenswandel der Klägerin zugrunde gelegt habe38.

Daß dem BGH in vollem Umfang zuzustimmen ist, zeigt sich, wenn man den Fall abwandelt. Unterstellt, die Klägerin gehörte als tätige Prostituierte einer Risikogruppe an, so fände der Erfahrungssatz des Ausgangsfalles keine Anwendung. Der konkrete Geschehensablauf wiese dann nicht die Umstände auf, die den typisierten Sachverhalt des Erfahrungssatzes auszeichnen. Weist die Klägerin der Abwandlung nun nach, daß ein vor der Operation gemachter HIV-Test negativ war und eine spätere Infizierung durch Freier bis zu ihrer Kenntniserlangung von der Infizierung ausgeschlossen ist, so lassen diese Umstände ebenfalls den Schluß darauf zu, daß die Infizierung auf die kontaminierte Blutkonserve zurückzuführen ist. Dieser Schluß rechtfertigt sich aber nicht aus einem typischen Geschehen, sondern aus dem individuellen Lebenswandel der Klägerin. Obwohl ein Erfahrungssatz den Schluß auf den Kausalzusammenhang rechtfertigt, liegt doch kein typischer Geschehensablauf vor. Für die Richtigkeit dieser Feststellung spricht auch die unterschiedliche Wirkungsweise der in beiden Fällen angewandten Erfahrungssätze. In der Abwandlung muß die Klägerin alle Indizien, die gegen eine anderweitige Infizierung sprechen, darlegen und gegebenenfalls beweisen, erst dann rechtfertigt sich der Schluß auf den Ursachenzusammenhang. Im Ausgangsfall muß die Klägerin demgegenüber nur darlegen und notfalls beweisen, daß die Voraussetzungen des

35

Vgl. auch Kollhosser, Anscheinsbeweis, S. 90.

36

NJW 1991, 1948 ff.

37

BGH NJW 1991, 1948, 1949 re. Sp.

38

NJW 1991, 1948, 1949 re. Sp.

52

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

typisierten Sachverhalts in ihrer Person vorliegen, d.h. sie zu keiner Risikogruppe gehörte und ihr Lebenswandel sie keiner gesteigerten Infektionsgefahr aussetzte. Der Nachweis dieser typisierten Umstände ist bedeutend einfacher, als der von der Klägerin der Abwandlung zu erbringende Nachweis. Von einer Beweiserleichterung kann man nur im Ausgangsfall sprechen. Der Anscheinsbeweis unterscheidet sich demnach vom Indizienbeweis dadurch, daß ein Erfahrungssatz über einen typischen Geschehensablauf zur Anwendung gelangt. Im Anschluß an Hainmüller 39 werden diese überzeugungskräftigen Erfahrungssätze als Erfahrungsgrundsätze bezeichnet40. Dieser Terminus soll auch nachfolgend verwandt werden, um zum Ausdruck zu bringen, daß für den Anscheinsbeweis nicht jeder Erfahrungssatz ausreicht, sondern ein solcher über typische Geschehensabläufe vorausgesetzt ist 41 .

§ 2 Ausschluß des Anscheinsbeweises bei individuellen Willensentschlüssen Die Erleichterung des Kausalnachweises bei Informationspflichtverletzungen mittels Anscheinsbeweis erfordert, daß der Erfahrungsgrundsatz den Schluß von der Verletzung der Informationspflicht auf einen nicht schadenswirksamen Willensentschluß zuläßt. Vielfach wird nun angenommen, daß individuelle Willensentschlüsse dem Anwendungsbereich des Anscheinsbeweises entzogen sind, da Willensentschlüsse von jedem Menschen nach verschiedenen Gesichtspunkten gefaßt werden und es demnach schon an einem Erfahrungssatz über typische Geschehensabläufe fehle 42 . Eine Ausnahme macht der BGH allerdings

39

Anscheinsbeweis, S. 31.

40

Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 115 III 1, S. 661; A. Blomeyer, Gutachten, S. 17; MünchKomm / Prütting, ZPO, § 286 Rdnr. 56 f. 41 Zur Unterscheidung von deterministischen und statistischen Erfahrungssätzen und deren Bedeutung für die Erfahrungssätze des Anscheinsbeweises vgl. Rommé, Anscheinsbeweis, S. 13 ff. 42

BGHZ 31, 351, 357; BGH NJW 1951, 70; Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 115 III 2 e, S. 663; Greger, Beweis, S. 198 f.; Hainmüller, Anscheinsbeweis, S. 30 f., 196 ff.; a.A. Prölss, Beweiserleichterungen, S. 32; E. Schneider, MDR 1971, 535, 538; ders., MDR 1975, 444, 448; Walter, TZ) Ρ 90 (1977), 270, 278; ders., JZ 1978, 112, 114 f.; Musielak, Grundlagen, S. 129 f.; MünchKomm / Grunsky, Vor § 249 Rdnr. 136; Bender, FS Baur, 1981, S. 247, 265; Vollkommer, FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 592, anders aber noch in Anwaltshaftungsrecht, Rdnr. 511. Differenzierend Henke, JR 1961, 48, 50.

§ 2 Ausschluß des Anscheinsbeweises bei individuellen Willensentschlüssen

53

in den Fällen, in denen der individuelle Willensentschluß die Reaktion auf die Warnung vor der Übernahme besonderer Risiken betrifft 43 .

I. Keine Anwendung des Anscheinsbeweises zur Bestimmung von Willensentschlüssen Den Anscheinsbeweis für unanwendbar erklärte erstmalig der II. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 25. 3. 195344, der folgender Leitsatz voransteht: „Die Grundsätze vom Beweis des ersten Anscheins finden dann keine Anwendung, wenn es sich um die Feststellung des individuellen Willensentschlusses eines Menschen handelt, der erfahrungsgemäß von jedem Menschen nach verschiedenen, ihm besonders eigenen Gesichtspunkten gefaßt wird." In der Entscheidung des BGH ging es um die Frage, welchen Entschluß ein Mensch angesichts seiner zerrütteten Ehe getroffen hätte. In Brandstiftungsfällen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BGH, daß der Nachweis einer vorsätzlichen Brandstiftung durch den Versicherungsnehmer nicht im Wege eines Anscheinsbeweises zu führen ist 45 . Gleiches gilt für die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch vorsätzliche Selbsttötung, wo der BGH eine Anwendung des Anscheinsbeweises auf den Nachweis der Selbsttötungsabsicht vielfach verneint hat 46 , wenngleich nach eigener Einschätzung des BGH 4 7 die Frage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang keine einheitliche Antwort gefunden hat 48 . Die Rechtsprechungsbeispiele 49 betreffen die Frage, ob der Nachweis des Vorsatzes oder sonstiger individueller Willensentschlüsse mittels Anscheinsbeweis möglich ist. Letztlich ist Gegenstand der Diskussion, ob der Anscheinsbeweis über seinen unstreitigen Anwendungsbereich beim Kausalitäts- und Verschuldensnachweis hinaus auch auf andere Fälle Anwendung finden kann 50 . Eine pauschale Übernahme der Rechtsprechung des BGH auf Kausalzusammenhänge mit Bezug zu individuellen

43

BGH VersR 1960, 905, 906; 1974, 782; 1975, 540.

44

L M Nr. 11 zu § 286 (C) ZPO.

45

BGH VersR 1951, 165; 1956, 84; 1978, 74, 75 (offenlassend); BGHZ 104, 256, 259 ff.

46

So z.B. BGH VersR 1967, 269.

47

MDR 1981, 738.

48

Vgl. die Entscheidungsnachweise in BGH VersR 1978, 74, 75 re. Sp.

49

Vgl. auch die Zusammenstellung der Rechtsprechung durch Schneider in MDR 1971, 535 f.

50

Zum Streitstand vgl. Walter,

ZZP 90 (1977), 270 ff.; E. Schneider, M D R 1971, 535 ff.

54

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

Willensentschlüssen berücksichtigt demnach nicht, daß der Erfahrungssatz in den dort entschiedenen Fällen den Schluß auf einen individuellen Willensentschluß als Tatbestandsmerkmal ermöglichen sollte 51 . Soll aber, wie in den Fällen der Informationspflichtverletzung, auf den Kausalzusammenhang geschlossen werden, so bedarf es einer näheren Begründung, warum der durch den Kausalzusammenhang mit der Pflichtverletzung verknüpfte Willensentschluß zur Folge hat, daß auch in bezug auf das Kausalitätsmerkmal der Anscheinsbeweis unanwendbar ist.

II. Der Kausalzusammenhang zwischen Täuschungshandlung und Willensentschluß bei § 123 Abs. 1 BGB Eine der Informationspflichtverletzung vergleichbare Problematik findet sich im § 123 I BGB bezüglich des Kausalnachweises zwischen Täuschungshandlung und Willensentschluß. Auch dort ist ein Willensentschluß Endpunkt einer möglichen Kausalbeziehung. Die Rechtsprechung zeichnete sich anfänglich durch eine große Uneinheitlichkeit aus. So wandte der VIII. Senat in seinem Urteil vom 12.11.1957 den Anscheinsbeweis auf den Beweis der Ursächlichkeit einer arglistigen Täuschung an 52 , während der II. Senat im Urteil vom 10.04.195853 und der V. Senat im Urteil vom 20.09.196854 dies verneinten. Beide Senate bezogen sich dabei — der Π. Senat sogar ausdrücklich — auf die Rechtsprechung zur Bestimmung von Willensentschlüssen, ohne allerdings die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung zuvor dargelegt zu haben. Mittlerweile folgt der V. Senat der Ansicht des VIII. Senats55 und bejaht die Möglichkeit des Anscheinsbeweises bei § 123 BGB 5 6 . Auch die Literatur hält den Anscheinsbeweis bei arglistiger Täuschung für

51 Das verkennt BGH NJW 1958, 177: Dort ging es um die Frage, ob eine Täuschungshandlung kausal für einen bestimmten Willensentschluß des Getäuschten war. Der BGH bejahte dieses und grenzte seine Entscheidung ausdrücklich zur Entscheidung des II. Senats (LM Nr. 11 zu § 286 (C) ZPO) damit ab, daß es sich dort um einen höchstpersönlichen Entschluß gehandelt habe. 52

NJW 1958, 177.

53

W M 1958, 991, 992.

54

NJW 1968, 2139.

55

Vgl. auch NJW 1967, 1222, 1223.

56

W M 1976, 111, 113 re. Sp.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

55

anwendbar 57. Die Irritationen bei der Anwendung des Anscheinsbeweises auf den Nachweis der Kausalbeziehung zwischen Täuschungshandlung und Willensentschluß des Getäuschten beruhen demnach allein auf der unreflektierten Übernahme der Rechtsprechung, die den Anscheinsbeweis bei der Bestimmung von Willensentschlüssen für unanwendbar hält 58 . Letztlich kann von niemandem bezweifelt werden, daß der Anscheinsbeweis auch dann uneingeschränkt Anwendung findet, wenn die festzustellende Kausalbeziehung einen menschlichen Willensentschluß mit einer Verletzungshandlung verknüpft. Die vom BGH als Besonderheit herausgestellten Fälle, in denen der individuelle Willensentschluß die Reaktion auf die Warnung vor der Übernahme besonderer Risiken betrifft 59 , sind dafür ein Beleg 60 .

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen Um dem Bankkunden den Nachweis der Kausalität der Informationspflichtverletzung zu erleichtern, stellt die Rechtsprechung häufig auf die Lebenserfahrung ab. So finden sich Formulierungen wie „es entspricht der Lebenserfahrung" 61, „es ist anzunehmen"62 oder „es besteht eine tatsächliche Vermutung" 63 . Ob es sich bei diesen Erfahrungssätzen um Erfahrungsgrundsätze handelt, dem Bankkunden also die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises zustatten kommt, oder nicht, kann nur eine Untersuchung der einschlägigen Rechtsprechung zeigen.

57

MünchKomm / Kramer, BGB, § 123 Rdnr. 9; Staudinger / Dilcher, BGB, § 123 Rdnr. 41; Jauernig / Jauernig, BGB, § 123 Anm. 4; Palandt / Heinrichs, BGB, § 123 Rdnr. 24; einschränkend Erman/Brox, BGB, § 123 Rdnr. 53. Soergel / Hefermehl, BGB, § 123 Rdnr. 58 sprechen undifferenziert vom Bestehen einer Vermutung für die Kausalbeziehung. 58

Vgl. insoweit Erman / Brox, BGB, § 123 Rdnr. 53.

59

VersR 1960, 905, 906; 1974, 782; 1975, 540.

60

Vgl. auch Vollkommer,

FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 592.

61

BGH W M 1962, 1110; 1959, 1458; 1979, 550; OLG Nürnberg W M 1986, 124, 129.

62

BGH W M 1981, 869, 870; BGHZ 47, 207.

63

BGH W M 1987, 1455, 1456 re. Sp.

56

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

I. Beispiele aus der Rechtsprechung 1. BGH WM 1959, 1458 ff.

64

- Guter Status-Fall

Der Beklagte stellte mehrere Wechsel aus, die der Kaufmann F. akzeptierte. Die Wechsel wurden bei der Klägerin, der Hausbank des F., diskontiert und der Diskonterlös vereinbarungsgemäß dem Konto des F. gutgeschrieben. Bei einer Besprechung des Beklagten mit der Klägerin, die die Wechselausstellung zum Gegenstand hatte, erklärte die Klägerin unzutreffend, F. habe einen guten Status. Nachdem F. die Wechsel nicht bezahlte und in Konkurs fiel, nahm die Klägerin den Beklagten als Aussteller in Anspruch. Dieser machte dagegen die Verletzung der Informationspflicht geltend.

Das Berufungsgericht verneinte einen Kausalzusammenhang zwischen der Informationspflichtverletzung und der Entscheidung des Beklagten, die Wechsel auszustellen. Hierfür sei vielmehr die Überzeugung des Beklagten maßgebend gewesen, die Klägerin werde F. weiteren Kredit nicht versagen, weil sie ihm bereits einen größeren Kredit gewährt habe und deshalb an dem Weiterbestehen des Betriebes interessiert sei 65 . Demgegenüber führt der BGH zu der Frage, ob der Beklagte bei ordnungsgemäßer Information F. keinen Kredit gewährt hätte, aus: „Ist ein Kreditgeber unschlüssig, ob er einem Kreditsuchenden Kredit gewähren soll, macht er seine Entschließung von der Besprechung mit der Bank des Kreditsuchenden abhängig und erklärt die Bank in dieser Besprechung, der von ihr eingeholte Status ihres Bankkunden sei günstig, so entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, daß die Erklärung der Bank über den günstigen Status in der Regel mitursächlich für die Entscheidung des Kreditgebers ist, dem Kreditsuchenden den Kredit zu gewähren" 66 .

Die Besonderheit der Entscheidung besteht darin, daß der II. Senat für die Anknüpfung des Erfahrungssatzes auf einen Geschehensablauf abstellt, der sich aus drei indizierenden Tatsachen zusammensetzt: Neben der Informationspflichtverletzung kommt der Unschlüssigkeit des Beklagten und seiner Absicht, seine Entscheidung von der Besprechung mit der Klägerin abhängig zu machen, entscheidende Bedeutung zu.

64

Vgl. auch die Entscheidung des BGH in W M 1965, 150, wo es um weitere vom Beklagten ausgestellte Wechsel ging. 65

BGH W M 1959, 1458, 1460 li.Sp.

66

BGH W M 1959, 1458, 1460 Ii. Sp.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

2. BGH WM 1981 869 f. - Waschsalon-Fall

57

67

Die klagende Bank finanzierte dem Beklagten den Kaufpreis für einen von ihm erworbenen Waschsalon. Der Beklagte beabsichtigte, aus dem durch den Betrieb des Waschsalons erzielten Gewinn die Darlehensraten und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Obwohl der Klägerin die Umstände bekannt waren, klärte sie den Beklagten nicht darüber auf, daß mit dem realistisch zu erwartenden Gewinn die vereinbarten Darlehensraten nicht zu bestreiten waren.

Der BGH bejahte eine Kausalbeziehung zwischen dem Unterlassen der Aufklärung über die tatsächliche Ertragslage und der Entscheidung des Beklagten, die Darlehensverpflichtung einzugehen. Es sei anzunehmen, daß der Beklagte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung über das einzugehende Wagnis Gewißheit über die Ertragslage des Waschsalons verschafft und sodann davon abgesehen hätte, sich zur Zahlung von Raten zu verpflichten, die er aus dem zu erwartenden Gewinn gar nicht bestreiten konnte 68 . Im Unterschied zum „guten Status-Fall" zieht das Gericht hier allein die Tatsache der Informationspflichtverletzung für die Anknüpfung des Erfahrungssatzes heran.

3. BGH WM 1962, 1110ff. - Reißverschlußfabrik-Fall Der Kläger, der an einer sicheren und gewinnbringenden Anlage interessiert war, beabsichtigte, sich an einer Reißverschlußfabrik als stiller Gesellschafter zu beteiligen. Die eingeholte Auskunft der beklagten Bank stellte die Entwicklung und die wirtschaftliche Lage des Betriebes unzutreffend als günstig dar. Der Kläger beteiligte sich als stiller Gesellschafter am Unternehmen und übernahm Bürgschaften für den Inhaber des Unternehmens. Dieser fiel später in Konkurs.

Der Nachweis der Kausalbeziehung zwischen der falschen Auskunft und der Kreditgewährung stellte sich in diesem Fall deshalb als schwierig dar, weil dem Kläger unstreitig die Auskunft noch nicht als Grundlage für eine Kreditgewährung genügte, und er noch weitere Erkundigungen für erforderlich hielt 69 . Dennoch nahm der BGH nach der Lebenserfahrung an, daß der Kläger bei ordnungsgemäßer Information seine Beteiligungspläne aufgegeben hätte, zumal er eine verhältnismäßig sichere und gewinnbringende Kapitalanlage suchte70.

67

Sachverhalt leicht vereinfacht.

68

BGH W M 1981, 869, 870 Ii. Sp.

69

BGH W M 1962, 1110 re. Sp.

70

BGH a.a.O.

58

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

4. BGH WM 1979, 548 ff. - Hotelbau-Fall Die Klägerin, die an einer möglichst gewinnbringenden Anlage interessiert war, beteiligte sich an einem Anlageobjekt, der Errichtung eines Hotelneubaus. In der schriftlichen Auskunft der beklagten Bank zu diesem Objekt wurde die finanzielle Situation des Investors unrichtig dargestellt. So wurde der Eindruck vermittelt, zwei Sanatoriengrundstücke stünden als zusätzliche Haftungsgrundlage zur Verfügung, obwohl beide Grundstücke bis an die Grenze des Möglichen dinglich belastet waren. Daß vom Investor akzeptierte Wechsel zu Protest gegangen waren oder prolongiert werden mußten, wurde ebenfalls nicht erwähnt. Im Konkurs des Investors fiel die Klägerin aus.

Der BGH bejahte die Kausalität der falschen Auskunft, weil nach der Lebenserfahrung anzunehmen sei, daß die Klägerin dem Investor „das Darlehen nicht gewährt hätte, wenn die Beklagte ihr eine ungünstige Auskunft über dessen Vermögen Verhältnisse erteilt hätte, wie es nach den Feststellungen der objektiven Sachlage entsprochen hätte" 71 . In anderem Zusammenhang, nämlich bei der Frage nach der Unrichtigkeit der Auskunft, führt der II. Senat aus, daß das Ausmaß der dinglichen Belastung des Grundbesitzes des Darlehensnehmers für einen Darlehensgeber ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung zur Darlehenshingabe sei. Gleiches gelte für Umstände wie Wechselprotesterhebung und Prolongation 72.

5. OLG Nürnberg WM 1986, 124ff. - II-Fonds-Fall und BGHZ 84, 141ff. — Emissionsprospekt-Fall Beide Entscheidungen betreffen Fälle zur zivilrechtlichen Prospekthaftung. Die spezialgesetzlich geregelte Prospekthaftung in §§ 45, 46 BörsG, 20 KAGG und 12 AuslInvestmG nimmt demgegenüber eine Sonderrolle ein, da diese Regelungen zwischen Vertrags- und Deliktsrecht angesiedelt sind 73 und daher ein gewisses Eigendasein führen.

71

BGH W M 1979, 548, 550.

72

BGH W M 1979, 548, 549 re. Sp.

73

Schwark, BB, 1979, 897, 902 Ii. Sp.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

59

a) O L G Nürnberg W M 1986, 124 f f . 7 4 Die beklagte Bank vermittelte dem Kläger die Beteiligung am II-Immobilienfonds. Das dem Kläger übergebene Emissionsprospekt war u. a. deshalb unvollständig und unrichtig, weil der Eindruck vermittelt wurde, die Errichtung der Immobilienobjekte sei wirtschaftlich gesichert, obwohl die am Objekt und seiner Durchführung beteiligten Gesellschaften vom Initiator des Fonds beherrscht waren und von dessen wirtschaftlicher Bonität abhingen und unzutreffend behauptet wurde, eine Großbank habe zur Finanzierung von Beteiligungen am II-Fonds ein Kreditprogramm aufgelegt. Nach Ansicht des O L G Nürnberg waren die unvollständigen und unrichtigen Angaben i m Emissionsprospekt kausal für die Beteiligung des Klägers am I i Fonds. Bei ordnungsgemäßer Information hätte der Kläger die Beteiligung nicht gezeichnet. Das entspreche der Lebenserfahrung bei Anlageinteressenten, die einen Emissionsprospekt aufmerksam und kritisch zur Kenntnis nehmen und überlegt handeln 7 5 .

b) B G H Z 84, 141 ff. Der Kläger beteiligte sich an einer Publikums- und Abschreibungsgesellschaft, die auf die Errichtung eines Ferienobjekts gerichtet war. Die Angaben im von der Gesellschaft herausgegebenen Emissionsprospekt waren falsch, da der Prospekt den unzutreffenden Eindruck vermittelte, der erforderliche Grunderwerb sei gesichert und die Planungen für das Gesamtobjekt seien im wesentlichen abgeschlossen. Nach dem Konkurs der Gesellschaft nahm der Kläger die Beklagte, die Treuhandkommanditistin der Gesellschaft war 76 , wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten in Anspruch. Der B G H sah die Verantwortlichkeit der Beklagten für die unrichtigen Prospektangaben in Anwendung des § 278 B G B als gegeben an, w e i l sie die Gesellschaft zum Abschluß des zwischen ihr und den Kapitalanlegern zustande gekommenen Treuhandvertrages und zur Führung der damit zusammenhängenden Verhandlungen ermächtigt hatte 7 7 . Den Kausalzusammenhang zwischen den

74

Vgl. auch die Revisionsentscheidung in BGHZ 100, 117 ff., die aber auf die Kausalfrage nicht eingeht. 75

OLG Nürnberg W M 1986, 124, 129 unter 11.

76

Die Beklagte war eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, weshalb kein dem Bankhaftungsrecht zuzuordnender Fall vorliegt. Da es sich aber um einen typischen Fall zivilrechtlicher Prospekthaftung handelt und diese eine Bank ebenso treffen kann, soll der Fall im vorliegenden Zusammenhang erörtert werden. 77

BGHZ 84, 141, 143 ff.

60

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

falschen Prospektangaben und dem Beitritt des Klägers bejahte der B G H , w e i l dem Landerwerb und der ordnungsgemäßen Planung bei der Durchführung des Ferienobjekts eine überragende Bedeutung zukam und es der Lebenserfahrung entspreche, daß der Kläger ohne die schwerwiegenden Täuschungen das m i t dem Beitritt verbundene Risiko nicht eingegangen wäre 7 8 .

6. BGHZ 80, 80 ff. — Londoner

Optionsprämie-Fall

Die Beklagte, die Warenterminoptionen vertrieb, plazierte im Auftrag des Klägers eine Option an der Londoner Börse. Die Beklagte hatte es unterlassen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß die von ihm gezahlte Prämie einen rund 50%igen Aufschlag auf den Londoner Optionspreis enthielt. Der bei Ausübung der Option erzielte Betrag deckte die Prämienzahlung nur zu einem geringen Teil. Nach Ansicht des B G H war die Verletzung der Aufklärungspflicht für die Entscheidung des Klägers, eine Option zu erwerben, kausal, weil nach den U m ständen des Falles davon auszugehen sei, daß der Kläger den Vertrag bei Kenntnis des ungewöhnlich hohen Aufschlags nicht abgeschlossen hätte 7 9 . D i e Bedeutung des Aufschlags für das Warentermingeschäft w i r d deutlich, wenn man sich die Funktionsweise des Warenterminhandels vor Augen führt: Der Käufer einer Option erlangt gegen Bezahlung einer in jedem Fall verlorenen Prämie das Recht, von seinem Vertragpartner innerhalb der Optionsfrist den Abschluß eines Direktgeschäftes zum Basispreis (Strike-Price) zu verlangen. Steigen die Preise entsprechend der Erwartung des Käufers, übt er die Option aus und verkauft die Ware zum Tageskurs (Take-Out-Price). Einen Gewinn erzielt er aber erst, wenn der Differenzbetrag über die bezahlte und insoweit verlorene Prämie hinausgeht. Die Londoner Optionsprämie stellt den Preis für die jeweilige Option dar. Ihre Höhe entspricht den noch als realistisch angesehenen, wenn auch bereits weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels, d.h. sie kennzeichnet den Rahmen eines Risikobereichs, der vom Markt als vertretbar angesehen wird 80 . Jeder Aufschlag auf die Londoner Optionsprämie führt zu einer Verschlechterung der Gewinnaussichten, weil ein höherer Kursanstieg als der vom Börsenfachhandel für realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu gelangen.

78

BGHZ 84, 141, 148.

79

BGHZ 80, 80, 85.

80

BGHZ 80, 80, 83 f.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

61

II. Qualifizierung der Erfahrungssätze Schon aus der Darstellung der Rechtsprechungsbeispiele wird erkennbar, daß die Gerichte ganz überwiegend den Erfahrungssatz allein oder jedenfalls maßgebend an die Informationspflichtverletzung angeknüpft haben. Der „gute StatusFall" bildet dabei die Ausnahme. Ob und wenn ja in welchen Fällen Erfahrungsgrundsätze zur Anwendung gelangt sind, gilt es nachfolgend festzustellen.

1. Motiv und Informationspflichtverletzung Im „guten Status-Fall" zog der BGH neben der Verletzung der Informationspflicht weitere indizierende Tatsachen zur Anknüpfung des Erfahrungssatzes heran. Der Grund für diese Vorgehensweise kann nur darin gesehen werden, daß die Einzeltatsachen zur Anknüpfung nicht geeignet waren. In bezug auf die Unschlüssigkeit des Beklagten und die Besprechung mit der Klägerin ist das leicht einsichtig, gilt aber auch in bezug auf die Informationspflichtverletzung. Die Statusangaben können nämlich nur dann die Entscheidung des Beklagten beeinflußt haben, wenn diese Angaben für ihn bedeutsam waren. Gerade das ließ sich nicht eindeutig feststellen. So ließ der Beklagte sich dahin ein, „er sei nur F. zu Gefallen" zur Klägerin gegangen 81 . Mit der Wechselausstellung ging er bewußt das Risiko einer eigenen Inanspruchnahme ein. Andererseits versprach sich der Beklagte die Einlösung der Wechsel aus dem Verkauf des Warenlagers des F. Der Verkauf hing aber davon ab, daß die Klägerin das Warenlager nicht für sich in Anspruch nahm. Bei einem guten Status des F. war diese Gefahr gering.

Sieht man mit dem BGH die indizierenden Tatsachen im Zusammenhang, so ändert sich das Bild grundlegend. Aufgrund der Unschlüssigkeit des Beklagten kommt der Besprechung bei der Klägerin eine entscheidende Bedeutung zu. Da zudem die falsche Information einen Punkt betraf, der das mit der Wechselhingabe eingegangene Risiko in einem anderen Licht erscheinen ließ, liegt die Annahme nahe, daß der Beklagte auch wegen dieser falschen Information den Kredit gewährt hat 82 . Eine andere Situation findet sich demgegenüber im „Waschsalon-Fall". Der ΙΠ. Senat des BGH knüpft den Erfahrungssatz hier allein an das Unterlassen der

81

BGH W M 1959, 1458, 1459 Ii. Sp.

82

Wegen der Gleichwertigkeit der Ursachen genügt hier die Feststellung der Mitursächlichkeit.

62

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

gebotenen Aufklärung an. War im „guten Status-Fall" die geschuldete Information in ihrer Bedeutung für den Beklagten nicht klar einzuordnen, läßt sich im „Waschsalon-Fall" eine eindeutige Bestimmung treffen. Der Beklagte beabsichtigte, mit dem erwarteten monatlichen Gewinn die monatlichen Darlehensraten und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Höhe des zu erwartenden Gewinns bildete ein wesentliches Motiv des Beklagten für seine Entscheidung, die konkrete Darlehensverpflichtung, so wie geschehen, einzugehen. Ging es dem Beklagten um eine gesicherte Darlehensrückzahlung, so hätte ihm die ordnungsgemäße Information vor Augen geführt, daß entgegen seiner Annahme die Darlehensrückzahlung gerade nicht gesichert war; die Information hätte dem Motiv die Grundlage entzogen. Ebenso verhält es sich in den übrigen Fällen: Der Kläger im „Reißverschlußfabrik-Fall" bezweckte mit seiner Beteiligung eine sichere und gewinnbringende Kapitalanlage, was z.B. Ausdruck in der von ihm verlangten vorherigen Betriebsprüfung durch das Finanzamt fand 83 . Diesem Interesse lief eine Beteiligung an einem desolaten Unternehmen, als das sich die Reißverschlußfabrik später herausstellte, diametral entgegen. Im „Hotelbau-", „Ii-Fonds-" und „Emissionsprospekt-Fall" ist die Sachlage eine etwas andere. In diesen Entscheidungen finden sich keine Angaben zum Motiv der Kläger, d.h. aus welchem Interesse sie sich am jeweiligen Anlageobjekt beteiligten84. Stattdessen stellten die Gerichte auf die Bedeutung der falschen Angaben für den typischen Anleger ab. So ging das OLG Nürnberg im „II-Fonds-Fall" davon aus, daß Anlageinteressenten einen Emissionsprospekt aufmerksam und kritisch zur Kenntnis nehmen und überlegt handeln und rechnete den Kläger zu dieser Anlegergruppe 85. Im „Hotelbau-Fall" entwickelte der BGH die Unrichtigkeit der Auskunft u.a. aus dem Verschweigen der dinglichen Belastungen auf den Sanatoriengrundstücken. Dabei stellte der II. Senat nicht auf ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis der Klägerin ab, sondern auf die Bedeutung dinglicher Belastungen für Darlehensgeber allgemein 86 . Erweckte im „Hotelbau-Fall" die Auskunft den Eindruck, als stünden die Sanatoriengrundstücke den Kreditgebern als weitere Haftungsgrundlage zur

83

BGH W M 1962, 1110 Ii. Sp.

84

Eine Ausnahme bildet insoweit allerdings der Hotelbau-Fall, wo die Klägerin an einer möglichst gewinnbringenden Kapitalanlage interessiert war. Hierauf stellte der BGH aber nicht entscheidend ab. 85

W M 1986, 124, 129 unter 11.

86

W M 1979, 548, 549 re. Sp.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

63

Verfügung, so vermittelten im „Emissionsprospekt-Fall" die falschen Prospektangaben den Eindruck, als seien wesentliche, für das Gelingen des Objekts bedeutsame Phasen ganz oder überwiegend abgeschlossen. In beiden Fällen betraf die Informationspflichtverletzung wesentliche, für den typischen Anleger bedeutsame Punkte, lediglich die Gruppe der Anleger war von unterschiedlicher Größe. Während im „Hotelbau-Fall" auf die große Gruppe der Darlehensgeber abgestellt werden konnte, mußte der BGH im „Emissionsprospekt-Fall" auf die durch das Prospekt anzusprechenden Anleger abstellen. Der BGH behandelt die wichtigen Prospektangaben damit wie ein Motiv des Anlegers 87. Die Vorgehensweise des BGH im „Londoner Optionsprämie-Fall" ähnelt demgegenüber derjenigen im „Hotelbau-Fall". In beiden Entscheidungen wird das Motiv aus dem Geschäft erschlossen. So zeichnen sich Warentermingeschäfte durch ihren spekulativen Charakter als Risikogeschäfte aus, bei denen dem hohen Verlustrisiko die Möglichkeit erheblicher Gewinne gegenübersteht. Betrachtet man nun die Wirkung einer ordnungsgemäßen Information in den vier Fällen, so wird deutlich, daß, wie im „Waschsalon-" und „Reißverschlußfabrik-Fall", die korrekte Information dem Motiv der Anleger die Grundlage entzogen hätte: Die Belastungen auf den Sanatoriengrundstücken disqualifizierte diese als weitere Haftungsgrundlage. Der im „II-Fonds-Fall" erweckte Eindruck, die Errichtung der Immobilienobjekte sei wirtschaftlich gesichert, diente dazu, an einer sicheren Anlage interessierte Anleger anzusprechen. Diesem Interesse der Anleger lief die personelle und wirtschaftliche Verflechtung zuwider, weil dadurch das ganze Objekt von der wirtschaftlichen Bonität des Initiators abhing. Entsprechendes gilt im „Emissionsprospekt-Fall", wo das Motiv der Anleger, sich an einem Projekt zu beteiligen, dessen bedeutsame Startvoraussetzungen als gegeben erschienen, durch die korrekte Information enttäuscht worden wäre. Besonders deutlich wird die Wirkung der korrekten Information im „Londoner Optionsprämie-Fall", wo der Aufschlag eine Höhe erreichte, die die Gewinnchance gegen Null tendieren ließ. Da jeder Aufschlag die Grundlagen des Risikogeschäfts verändert 88, gestaltete der von der Beklagten erhobene Aufschlag das vermeintliche Risikogeschäft in ein Verlustgeschäft um.

Vergleicht man die von der Rechtsprechung herangezogenen Erfahrungssätze, so zeigt sich, daß alle Erfahrungssätze gleich überzeugungskräftig sind und zwar unabhängig davon, aus wieviel indizierenden Tatsachen sich der Geschehensablauf zusammensetzt. Bei näherer Betrachtung der Geschehensabläufe

87

Auf die vergleichbare Situation bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung wird später einzugehen sein. 88

BGH W M 1987, 7.

64

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

wird allerdings deutlich, daß der Geschehensablauf „Verletzung einer Informationspflicht" nur dann für sich gesehen einen überzeugungskräftigen Erfahrungssatz begründet, wenn die Informationspflichtverletzung sich auf ein Motiv des Informationsberechtigten bezieht, die ordnungsgemäße Information dem Motiv also die Grundlage entzogen hätte. In diesen Fällen gilt der Satz, daß nach allgemeiner Lebenserfahrung niemand bewußt ein Geschäft abschließt, von dem er weiß, daß es seinen Interessen zuwiderläuft. Damit stellt sich die weitere Frage, ob dieser Erfahrungssatz sich über typische Geschehensabläufe verhält.

2. Erfahrungsgrundsätze

bei typisierten

Motiven

In der Behandlung des „Emissionsprospekt-Falles", aber nicht nur dort, deutete sich eine Typisierung von Anlegermotiven an. Deshalb liegt der Gedanke nahe, in diesen Fällen auch von typischen Geschehensabläufen zu sprechen. Ein Geschehensablauf ist typisiert, wenn ihm keine individuellen Verhaltensweisen zugrunde liegen bzw. diese in ihrer Bedeutung hinter die typisierten Umstände zurücktreten 89. Die Geschehensabläufe, auf die der BGH im „guten Status-Fall" und im „Waschsalon-Fall" abstellt, heben sich von den übrigen Fällen durch ihren individuellen Einschlag ab. Die indizierenden Tatsachen im „guten Status-Fall", Unschlüssigkeit über Kreditgewährung und Absicht, die Entschließung von der Besprechung mit der Klägerin abhängig zu machen, sind derart auf das individuelle Verhalten des Beklagten bezogen, daß eine Typisierung ausscheidet. Es läßt sich nicht behaupten, daß andere Kreditgeber ein ebensolches Verhalten an den Tag legen. Daß die Person des Beklagten als solches austauschbar ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen. Denn diese Austauschbarkeit beruht auf der Erfahrungssätzen immanenten Typizität. Typischerweise stellt eine Person, die sich in der Situation des Beklagten befindet, bei ordnungsgemäßer Information die Wechsel nicht aus90. Auch im „Waschsalon-Fall" ist der Geschehensablauf durch die individuelle Verhaltensweise des Beklagten geprägt. Das Interesse, die Darlehensraten und den Lebensunterhalt aus dem Gewinn des Waschsalons zu bestreiten, ist eng mit der Person des

89 90

Vgl. BGHZ 104, 256, 259; 100, 214, 216.

Hier zeigt sich nochmals deutlich, daß Typizität des Erfahrungssatzes und Typizität des Geschehensablaufes klar voneinander zu trennen sind.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

65

Beklagten verbunden. Andere Darlehensnehmer mit anderem finanziellem Hintergrund haben auch andere Interessen. Völlig anders stellt sich die Situation dagegen in den übrigen Fällen dar: Das Interesse des Klägers im „Reißverschlußfabrik-Fall" war auf eine sichere und gewinnbringende Kapitalanlage gerichtet. Dieses Motiv beansprucht unzweifelhaft nicht allein Geltung für die Person des Klägers, sondern für eine große Gruppe von Kapitalanlegern. Im „Hotelbau-Fall" bringt der BGH ein entsprechendes Interesse der Klägerin dadurch zum Ausdruck, daß er auf das Interesse von Darlehensgebern an Sicherheiten abstellt. Der Emissionsprospekt des IiFonds stellte die Durchführung des Objekts als wirtschaftlich gesichert dar und vermittelte den Eindruck, eine Großbank stehe hinter dem Fonds. Zudem versprach der Prospekt neben den Immobilienobjekten als weitere Fondsobjekte festverzinsliche, mündelsichere Wertpapiere. Der Prospekt sollte also den Eindruck einer sicheren und gewinnbringenden Kapitalanlage vermitteln. Entprechendes gilt im „Emissionsprospekt-Fall". Ein gegensätzliches Motiv findet sich im „Londoner Optionsprämie-Fall". Der Käufer einer Warenterminoption geht bewußt ein Risikogeschäft ein, weil er auf erhebliche Gewinne spekuliert. Dieses hinter dem Erwerb einer Option stehende Motiv gilt generell und ist typisch für Käufer von Warenterminoptionen, weil diese Geschäftsart gerade darauf abzielt. Die Typizität des von der Informationspflichtverletzung betroffenen Motives führt demnach dazu, daß der Geschehensablauf von der individuellen Verhaltensweise des Informationsberechtigten unabhängig wird; der Geschehensablauf ist typisiert. Die Besonderheit bei Informationspflichtverletzungen besteht somit darin, daß sich die Typizität nicht aus dem verletzenden Verhalten, sondern aus der Typisierung des betroffenen Motivs ableitet: Betrifft die Informationspflichtverletzung ein Motiv des Bankkunden, so begründet das lediglich einen überzeugungskräftigen Erfahrungssatz. Dieser wird aber zu einem Erfahrungsgrundsatz, wenn das Motiv typisiert ist, weil dann der für den Anscheinsbeweis erforderliche Erfahrungssatz über einen typischen Geschehensablauf gegeben ist. Dem Bankkunden kommt demnach der Anscheinsbeweis beim Kausalnachweis zustatten, wenn die Informationspflichtverletzung ein typisiertes Motiv betrifft.

5 Brüske

66

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

3. Ermittlung

typisierter

Motive

Das soeben gefundene Ergebnis ist in der Theorie unproblematisch handhabbar, in praxi stellt sich aber das Problem, typisierte Motive feststellen zu müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Informationsberechtigte die indizierenden Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen muß, bevor ihm die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises zustatten kommt. Der Berechtigte müßte demnach beweisen, daß die Informationspflichtverletzung ein typisiertes Motiv betraf. Gelingt ihm der Beweis, so spricht der erste Anschein für ein informationsgerechtes Verhalten bei ordnungsgemäßer Information. Der Nachweis eines solchen typisierten Motivs gestaltet sich erheblich einfacher als der eines individualisierten Motivs, was besonders an den Prospekthaftungsfällen deutlich wird. Der Prospekt einer Kapitalanlage zielt darauf ab, Anleger für das im Prospekt beschriebene Objekt zu interessieren und sie zur Zeichnung eines Anteils zu bewegen. Da die Anlegergruppe, die der Prospekt ansprechen soll, nicht individuell bestimmt ist, enthält der Prospekt gerade solche Angaben, die Anleger dieser Zielgruppe typischerweise zum Beitritt veranlassen. Diese Prospektangaben sind auf das typische Interesse der anzusprechenden Anleger gemünzt und werden daher im Prospekt besonders herausgestellt. Die Prospektangaben haben motivbildenden Charakter und betreffen Einzelmotive, die von den Anlegern der Zielgruppe verfolgt zu werden pflegen. Das Besondere dieser Einzelmotive ist darin zu sehen, daß sie von vornherein nicht Geltung für alle Anleger der Zielgruppe beanspruchen, ein Gesichtspunkt, der sich anhand der Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft anschaulich darstellt. Das Objekt gliedert sich für den Anleger in zwei Phasen. Die erste Phase, in die insbesondere die Errichtung des Objekts fällt, zeichnet sich durch hohe Verluste aus, die mit anderen positiven Einkünften verrechnet und dadurch zu einer Steuerersparnis führen können. Hat sich das Objekt amortisiert, und darauf zielt das Anlageobjekt regelmäßig, beginnt die Gewinnphase für den Anleger. Nun ist es aber durchaus denkbar, daß in der angesprochenen Zielgruppe ein Teil der Anleger besonderen Wert auf die Steuerersparnis legt, während ein anderer Teil die hohe Gewinnerwartung nach Ende der Verlustphase als entscheidend ansieht.

Trotz der Besonderheit bei diesen Einzelmotiven muß der Anleger nicht darlegen, daß er wegen des von der Informationspflichtverletzung betroffenen Einzelmotivs die Anlage gezeichnet hat. Das Motiv ist typisiert und konnte im Grundsatz für jeden typischen Anleger bedeutsam gewesen sein. Allerdings sind nicht nur die einzelnen Prospektangaben auf typisierte Anlegerinteressen bezogen. Auch das Geschäft als solches spricht einen typisierten Anlegerkreis an. So

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

67

zeichnen sich Anleger, die sich an einem Investmentfonds beteiligen, durch ihr Interesse an einer sicheren Kapitalanlage aus, da das Risiko durch Streuung der Vermögensgegenstände gemindert wird. Besonders deutlich tritt dieses Geschäftsmotiv bei Warentermingeschäften hervor, weil es sich dabei schon konstruktiv um Risikogeschäfte handelt. Die Unterscheidung zwischen Einzelund Geschäftsmotiv läßt sich exemplarisch am „Ii-Fonds-" und „Emissionsprospekt-Fall" darstellen: Der Emissionsprospekt des II-Fonds sollte den Eindruck einer sicheren und gewinnbringenden Kapitalanlage vermitteln und demzufolge solche Anleger ansprechen, die auf eine sichere Anlage besonderen Wert legten. Aus dem typischen Geschäftszweck läßt sich demnach das typischerweise hinter der Anlegerentscheidung stehende Motiv ableiten. Im „Emissionsprospekt-Fall" stellte der BGH demgegenüber nicht auf das typische Geschäftsmotiv der Anleger bei der Anwendung des Anscheinsbeweises ab, sondern auf die einzelne falsche Prospektangabe. Hintergrund für diese Vorgegehensweise war, daß das Projekt zwar unzureichend vorbereitet war, das Projekt aber nicht daran scheiterte, sondern deshalb undurchführbar wurde, weil der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Publikums- und Abschreibungsgesellschaft einen Teil der Beteiligungsgelder zweckentfremdet verwandt hatte. Der BGH brauchte der Frage, ob der typische Geschäftszweck überhaupt zu erreichen war, nicht nachzugehen. Die falschen Prospektangaben betrafen nämlich gerade solche Punkte, die auf die Motivbildung beim potentiellen Anleger abzielten und typischerweise das Motiv für eine Anlageentscheidung bildeten.

Die Unterscheidung von Einzel- und Geschäftsmotiv ist nicht auf Prospekthaftungsfälle beschränkt, da es keinen Unterschied macht, ob die Angaben zu dem Objekt in einem Prospekt, einer schriftlichen Bankauskunft 91 oder mündlich 92 gemacht werden. Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, daß nur in den Fällen, in denen die Informationspflichtverletzung ein typisiertes Kundenmotiv, sei es Einzel- oder Geschäftsmotiv, betrifft, der Beweis des ersten Anscheins für einen Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung der Informationspflicht und dem Schaden des Kunden spricht. In diesem Fall streitet ein Erfahrungsgrundsatz für ein informationsgerechtes Verhalten des Kunden. Wann der Anscheinsbeweis den Kausalnachweis bei Informationspflichtverletzungen erleichtert, ist demnach letztlich eine Frage des Einzelfalls und im Grundsatz unabhängig von der Art des jeweiligen Bankgeschäfts. Allerdings zeigen schon die behandelten Beispiele aus der Rechtsprechung, daß sich typisierte Kundenmotive vornehmlich

91

Siehe insoweit den Hotelbau-Fall, oben I 4.

92

So im Reißverschlußfabrik-Fall (s.o. I 3) geschehen.

68

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

im Anlagegeschäft der Banken finden werden. So sind z.B. im Rahmen des Zahlungsverkehrs und dort insbesondere im Überweisungs- und Lastschriftverkehr die von den Bankkunden verfolgten Motive regelmäßig einer typisierenden Betrachtung nicht zugänglich, da die Bank hier nur abwickelnd tätig wird. Zutreffend ist das OLG Saarbrücken 93 deshalb im Lastschrift-Fall auf eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis nicht eingegangen.

ΠΙ. Verhältnis von Anscheinsbeweis und Beweislastumkehr Hat der Anscheinsbeweis im Bankhaftungsrecht bei der Verletzung von Informationspflichten einen Anwendungsbereich, so verwundert es doch, daß Rechtsprechung und Literatur mittlerweile eine Beweislastumkehr befürworten 94. Die daraus sich ergebenden Konsequenzen sind erheblich, da der Beweis des ersten Anscheins von der Bank lediglich erschüttert werden muß und die Beweislast unverändert beim Kunden verbleibt. Die Beweislastumkehr führt dagegen zur vollen Beweisbelastung der Bank für Umstände, die sich regelmäßig ihrer Kenntnisnahmemöglichkeit entziehen.

7. BGH WM 1987, 1455 ff. - Globalaktie-Fall Im „Globalaktie-Fall" hatte die beklagte Bank die klagenden Bank, die den Erwerb von jungen Aktien durch den Mehrheitsgesellschafter einer AG zwischenfinanziert und zur Sicherheit eine Globalaktie erhalten hatte, nicht über deren Nichtigkeit aufgeklärt. Das Darlehen war später uneinbringlich. Nach Ansicht des BGH begründet die Informationspflichtverletzung eine tatsächliche Vermutung für einen Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Entschluß zur Auszahlung des Darlehens. Wegen dieser Vermutung treffe die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die Klägerin dem Mehrheitsgesellschafter auch dann den Darlehensbetrag überlassen hätte, wenn sie über die Nichtigkeit der Globalaktie aufgeklärt worden wäre95. Hinter der Darlehensgewährung steht als ein wesentliches Motiv die Absicherung des Darlehens durch die Globalaktie. Diesem Motiv hätte die ordnungsgemäße Information die Grundlage entzogen. Das Motiv, ein Darlehen nur bei ausreichenden Sicherheiten zu gewähren, ist für Banken typisch. Daher spricht

93

NJW 1989, 2758 ff.

94

Vgl. insoweit den Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung in Kap. 1 § 2.

95

BGH W M 1987, 1455, 1456 re. Sp.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

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der erste Anschein für einen Kausalzusammenhang, da nach der Lebenserfahrung keine Bank einen ungesicherten (Millionen)Kredit vergibt. Der vom BGH angenommenen Beweislastumkehr hätte es also gar nicht bedurft, zumal auch die Erschütterung des Anscheinsbeweises sich ebenso schwierig gestalten dürfte wie der Gegenteilsbeweis96. Hinzukommt, daß der BGH mit der Kombination „tatsächliche Vermutung" — Beweislastumkehr ohne Not eine Beweiserleichterung zur Anwendung bringt, die in ihrer Voraussetzung dem Anscheinsbeweis entlehnt ist und in der Rechtsfolge die richterrechtliche Beweislastumkehr sieht. Diese Kombination ist aber nicht festgeschrieben, wie Prütting anhand einschlägiger Entscheidungen nachgewiesen hat 97 . So kombiniert die Rechtsprechung den Begriff der „tatsächlichen Vermutung" sowohl mit dem Gegen- als auch mit dem Gegenteilsbeweis98. Die Konsequenzen sind weitreichend, da der Gegenteilsbeweis Hauptbeweis ist, während der Gegenbeweis bereits dann erfolgreich ist, wenn durch ihn die Überzeugung des Richters von der Wahrheit der beweisbedürftigen Tatsache erschüttert wird 99 . Wie der „Globalaktie-Fall" zeigt, bedarf es der Kreation einer Beweiserleichterung „tatsächliche Vermutung" nicht, wenn man sich auf die anerkannten Beweiserleichterungen, und dabei insbesondere auf den Anscheinsbeweis, besinnt 100 .

2. Options geschäfie Auch bei Informationspflichtverletzungen im Rahmen von Warentermin- und Aktien- bzw. Aktienindex-Optionsgeschäften favorisiert die Rechtsprechung die Beweislastumkehr als Erleichterung des Kausalnachweises101. In diesem Zusammenhang ist eine Formulierung des OLG München 102 interessant:

96

Ebenso Wiengarten,

97

Gegenwartsprobleme, S. 50 ff.

98

Vgl. nur BGHZ 2, 82; BGH NJW 1980, 1680, 1681.

99

StJ / Leipold, ZPO, § 284 Rdnr. 6, 7.

Anlegerschutz, S. 84. Vgl. auch v. Bar, Verkehrspflichten, S. 291.

100

Wie hier den Begriff der „tatsächlichen Vermutung" ablehnend Prütting, Gegenwartsprobleme, S. 58; Walter, Freie Beweiswürdigung, S. 214; Musielak, Grundlagen, S. 156 f.; Hainmüller, Anscheinsbeweis, S. 79. 101

Vgl. nur BGH W M 1986, 734, 735; NJW 1984, 1688, 1689; OLG München W M 1990, 1331, 1332, alle zu Warentermingeschäften; BGH ZIP 1991, 87, 90 für Aktien- und Aktienindex-Optionen. 102

W M 1990, 1332, 1332 re. Sp.

70

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

„Regelmäßig ist davon auszugehen, daß der Kunde bei ordnungsmäßiger Aufklärung die angebotenen Geschäfte nicht abgeschlossen hätte. Die Beklagte hätte beweisen müssen, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Kläger also die Option trotz Kenntnis der ungünstigen Umstände erworben hätte. Der Aufschlag von ca. 39% ist nicht so niedrig, daß dem Kläger die Beweislast für die Ursächlichkeit des Schadenseintritts aufgebürdet werden kann."

Wenn das OLG auf den regelmäßigen Geschehensablauf abstellt, so beinhaltet das im Ergebnis die Berücksichtigung von Sätzen der allgemeinen Lebenserfahrung. Die daraus sich ergebende Folge, Umkehr der Beweislast, ist mit der Anwendung von Erfahrungssätzen nicht recht vereinbar. Auch der Hinweis auf die Höhe des Aufschlags macht bei einer Beweislastumkehr keinen Sinn. Denn einzige Voraussetzung der Beweislastumkehr ist die Verletzung der Informationspflicht. Mit der Einbeziehung der Aufschlagshöhe deutet das OLG München eine dritte Entscheidungsvariante an, die es bei der unflexiblen Alles- oder Nichts-Lösung der Beweislastumkehr gerade nicht gibt. Hintergrund für die Vorgehensweise des OLG ist, daß die unflexible Beweislastumkehr-Lösung den Käufer einseitig begünstigt und damit dem spekulativen Charakter des Geschäfts nicht Rechnung trägt. Demgegenüber ist die Problemlösung über den Anscheinsbeweis vorzugswürdig. Anders als bei der Beweislastumkehr folgt dort aus der Informationspflicht als solcher noch nicht die Anwendung des Erfahrungssatzes. Vielmehr ist festzustellen, ob der Aufschlag so erheblich war, daß eine Gewinnerwartung nicht mehr bestand. Erst ab diesem Punkt entspricht es der Lebenserfahrung, daß sich ein Spekulant typischerweise an dem Geschäft nicht beteiligt hätte. Allein diese flexible Lösung ermöglicht eine interessengerechte Risikoverteilung.

3. Zivilrechtliche

und spezialgesetzliche Prospekthaftung

Die hier interessierende Frage nach Beweiserleichterungen beim Kausalnachweis stellt sich auch in den Fällen zivilrechtlicher und spezialgesetzlicher Prospekthaftung, da ein etwaiger Anspruch einen Kausalzusammenhang zwischen den falschen Prospektangaben und der schadenswirksamen Entscheidung des Kunden erfordert. Im vorliegenden Zusammenhang erscheint die Behandlung dieser Fallgruppe deshalb lohnenswert, da in Rechtsprechung und Literatur sowohl die Problemlösung über die Beweislastumkehr als auch über den Anscheinsbeweis gesucht wird.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

71

a) Umkehr der Beweislast in Fällen zivilrechtlicher Prospekthaftung In der Behandlung zivilrechtlicher Prospekthaftungsfälle findet sich ebenfalls die Tendenz der Rechtsprechung, anstelle des Anscheinsbeweises weitergehend eine Beweislastumkehr anzunehmen. Eine Anlagegesellschaft warb mit einem Prospekt für ihr Vorhaben, einen sog. Wohnstift zu errichten und zu betreiben, auf dem Anlagemarkt. Die Prospektangaben waren z.T. falsch und unvollständig. Im Konkurs der Gesellschaft verlor der Kläger den eingesetzten Betrag. Der BGH 1 0 3 sah den Beklagten, den die Anlagegesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Mehrheitsgesellschafter, dafür darlegungs- und beweispflichtig an, daß der Kläger auch bei korrekten Prospektangaben die Anteile gezeichnet hätte 104 .

Die unflexible Beweislastumkehr-Lösung nimmt dem BGH die Möglichkeit, schon bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs die Bedeutung der falschen bzw. unvollständigen Prospektangaben zu würdigen. Ob es sich um für die Beurteilung erhebliche Prospektangaben handelt, ist — bei Annahme einer Beweislastumkehr — erst im Rahmen der Zurechnung, d.h. bei der Frage nach dem Schutzzweck der verletzten Pflicht zu entscheiden105. Wie bei den Optionsgeschäften nimmt der BGH dem Kausalitätsmerkmal damit seine haftungsbegrenzende Funktion, denn der Kausalbeweis ist praktisch nicht zu führen. Die Prüfung des Kausalitätsmerkmals erschöpft sich in der Bestimmung der beweisbelasteten Partei. Während dies in Fällen zivilrechtlicher Prospekthaftung regelmäßig ohne Folgen bleibt, ist die Situation bei Optionsgeschäften eine andere. Bei diesen kann die Höhe des Aufschlages schwerlich im Rahmen des Schutzzweckgedankens Berücksichtigung finden. Daran wird deutlich, daß die Preisgabe von haftungsbegrenzenden Kriterien durch die Rechtsprechung nicht zwangsläufig kompensiert werden kann.

b) Anscheinsbeweis bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung Der bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach §§ 45, 46 BörsG, 20 KAGG, 12 AuslInvestmG erforderliche Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Prospektangaben und dem Anlageentschluß liegt nach allgemeiner

103

ZIP 1990, 928, 932 re. Sp.

104

Ebenso Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 200; Pleyer / Hegel ZIP 1985, 1370, 1373.

105

Vgl. Assmann, Prospekthaftung, S. 360 f.

72

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

Ansicht 106 vor, wenn die Entscheidung des Kapitalanlegers u.a. auch von im Prospekt enthaltenen unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben bewußt oder unbewußt bestimmt wurde und er bei Kenntnis der entsprechenden Umstände eine andere Anlageentscheidung getroffen hätte 107 . Wie bei der zivilrechtlichen Prospekthaftung wird zur Erleichterung des Kausal nach weises vielfach eine Beweislastumkehr angenommen108. Zur Begründung werden zwei Gesichtspunkte angeführt: 1.

Diese Beweislastverteilung ergebe sich aus dem Schutzzweck der Aufklärungspflicht, wobei pauschal auf die Rechtsprechung zur Aufklärungspflichtverletzung 109 verwiesen wird 1 1 0 .

2.

Der Anscheinsbeweis reiche zur Verwirklichung der Prospekthaftung nicht aus, da der Prospekthaftpflichtige in den meisten Fällen die ernsthafte Möglichkeit eines Abweichens vom typischen Geschehensablauf darlegen und damit den Anscheinsbeweis entkräften könne. So könne er beispielsweise darlegen und gegebenenfalls beweisen, daß ausgiebige Verhandlungen stattgefunden haben 111 .

Beide Argumente können letztlich nicht überzeugen. Die Rechtsprechung zur Aufklärungspflichtverletzung 112 kann schon deshalb nicht gegen die Anwendung des Anscheinsbeweises angeführt werden, weil dort gerade keine typischen Geschehensabläufe zu beurteilen waren, der Anscheinsbeweis also von vornherein als Problemlösung ausschied. Auch die im Gegensatz zur Beweis-

106 Die vielfach (vgl. nur Schwark, BB 1979, 897, 898; Pleyer / Hegel, ZIP 1985, 1370, 1373) als abweichende Ansicht zitierte Stellungnahme von Lutter (FS Bärmann, 1975, S. 605, 624) beruht auf der Mißdeutung von BGHZ 34, 206, 215. Die von Lutter in bezug genommenen Ausführungen betreffen nicht die Kausalität als solche, sondern nur das für den Kausalnachweis geltende Regelbeweismaß. 107

BGHZ 84, 141, 148; BGH NJW 1982, 1095, 1096; W M 1984, 1075, 1076 f.; Nirk, FS Hefermehl, 1976, S. 189, 200; Assmann, Prospekthaftung, S. 360; Scholz, Jura 1983, 1, 3; Schwark, BB 1979, 897, 898; Canaris , Bankvertragsrecht, Rz. 2297. 108 Wittmann, DB 1980, 1579, 1586; Pleyer / Hegel, ZIP 1985, 1370, 1373; Hopt, FS Fischer, 1979, S. 237, 255; Scholz, Jura 1983, 1, 3; Baumgärtel /Baumgärtel, § 276 BGB Rdnr. 18; ebenso Canaris , Bankvertragsrecht, Rdnr. 30 auf der Grundlage des von ihm entwickelten Vertrauensmodells; ihm folgend Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 133 u. 139. 109 BGHZ 61, 118, 121 f. (Werbeagentur-Fall); 64, 46, 51 (Haartonikum-Fall); BGH NJW 1978, 41, 42 (Sickerbrunnen-Fall). 1,0

So Wittmann,

DB 1980, 1579, 1586; Scholz, Jura 1983, 1, 3.

111

Pleyer / Hegel, ZIP, 1985, 1370, 1373, die aber unzutreffend den Anscheinsbeweis erst bei einem non liquet eingreifen lassen wollen. 112

Vgl. dazu ausführlich Kap. 5 § 1.

§ 3 Erfahrungsgrundsätze bei Informationspflichtverletzungen

73

lastumkehr geringeren Anforderungen an die Erschütterung des Anscheinsbeweises können diesen nicht als Problemlösung disqualifizieren. Die spezialgesetzliche Prospekthaftung greift nur ein, wenn für die Anlageentscheidung wesentliche Prospektangaben falsch oder unvollständig sind 113 . Liegen diese Voraussetzungen vor, so genügt zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht, daß ausgiebige Verhandlungen stattgefunden haben. Um den Erfahrungssatz zu erschüttern, muß der Prospekthaftungspflichtige vielmehr Gründe darlegen und notfalls beweisen, die dafür sprechen, daß der Kapitalanleger gerade auf die konkrete falsche oder unvollständige Prospektangabe für seine Entscheidung keinen Wert legte 114 . Erst dann ist der Anleger zum vollen Beweis gezwungen. Betrachtet man dieses Wechselspiel von Beweiserleichterung, Gegenbeweis und Beweis, so wird die Vorzugswürdigkeit des Anscheinsbeweises als Problemlösung in Prospekthaftungsfällen — aber nicht nur dort — deutlich. Der Kapitalanleger muß zunächst die Informationspflichtverletzung darlegen und beweisen. Gelingt ihm das, so spricht der erste Anschein für einen Kausalzusammenhang, womit der Anleger des Beweises darüber enthoben wird, daß auch die konkrete Prospektangabe für seinen Entschluß maßgeblich war. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises muß der Prospekthaftpflichtige Gründe dafür darlegen und beweisen, daß es dem Anleger auf die konkrete Prospektangabe bei seiner Entscheidung nicht ankam. Er muß also eine Konkretisierung auf die falsche oder unvollständige Prospektangabe herbeiführen. Gelingt ihm das, so ist es nur recht und billig, daß der Anleger nunmehr darlegt und beweist, daß die konkrete Prospektangabe für seine Entscheidung von Bedeutung war 115 . Insoweit genügt auch der Nachweis der Mitursächlichkeit 116 . Daher ist nach der hier favorisierten Problemlösung, die der Auffassung der h.M. 1 1 7 zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung entspricht, in Prospekthaftungsfällen der Kausalnachweis zwischen den falschen oder unvollständigen

113

§ 45 I BörsG: „...Angaben, welche für die Beurteilung...von wesentlicher Bedeutung sind,..."; §§ 20 I KAGG, 12 I AuslInvestmG: „...Angaben, die für die Beurteilung...von wesentlicher Bedeutung sind,...". 114 Wiengarten, Anlegerschutz, S. 84 sieht im praktischen Ergebnis kaum einen Unterschied zwischen der Problemlösung Beweislastumkehr und Anscheinsbeweis. 115

Ebenso für Fälle von Rechtsanwaltshaftung, Vollkommen

116

Vgl. BGH W M 1959, 1458; 1962, 1110.

117

FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 594.

OLG Düsseldorf W M 1969, 976; Schwark, BörsenG, §§ 45, 46 Rdnr. 9; ders., BB 1979, 897, 898; Beckmann / Scholtz, Investment, 445 § 12 Rdnr. 16 u. 31; Nirk, FS Hefermehl, 1976, S. 189, 200; Baur, InvestmentG, S. 241 ; unklar Assmann, Prospekthaftung, S. 362 f.

74

3. Kapitel: Anscheinsbeweis bei Informationspflichtverletzungen

Prospektangaben und der Anlageentscheidung im Wege des Anscheinsbeweises zu erleichtern.

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse Verletzt die Bank ihre gegenüber dem Kunden bestehende Informationspflicht, so kann dem Kunden der Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Informationspflichtverletzung und dem Willensentschluß im Wege des Anscheinsbeweises erleichtert sein. Voraussetzung dafür ist, daß die Informationspflichtverletzung ein typisiertes Kundenmotiv betrifft. D.h. die geschuldete Information, wäre sie erteilt worden, hätte dem Motiv die Grundlage entzogen. Die Tendenz in Rechtsprechung und Literatur, statt des Anscheinsbeweises in diesen Fällen eine Beweislastumkehr anzunehmen, ist als zu unflexibel und nicht interessengerecht abzulehnen.

4. Kapitel

Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB § 287 I 1 ZPO eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, über die Fragen, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden. Im Gegensatz zu § 286 I 1 ZPO verlangt das Gesetz in § 287 I 1 ZPO nicht die volle Überzeugung des Richters von der Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung. Schon ein Vergleich des Wortlautes beider Vorschriften zeigt, daß mit § 287 I 1 ZPO eine Herabsetzung der Anforderungen an das Beweismaß verbunden ist 1 . Die Ausdehnung des richterlichen Ermessens in § 287 I ZPO eröffnet den Gerichten eine gegenüber den hohen Anforderungen des § 286 I 1 ZPO erleichterte Feststellung2. Der BGH formuliert das zutreffend dahin, nach § 287 ZPO könne das Gericht „schon aufgrund einer von ihm bejahten erheblichen Wahrscheinlichkeit einen ursächlichen Zusammenhang feststellen, wenn sie ihm zur Bildung einer freien Überzeugung ausreiche" 3. Der Erleichterung des Beweises dient auch § 252 S. 2 BGB, wonach als entgangen der Gewinn gilt, „welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen...mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte." Die Vorschrift beinhaltet entgegen einer früher vertretenen Ansicht 4

1 Vgl. RGZ 83, 65; 102, 316; 128, 124; BGH VersR 1976, 437; E. Schneider, Beweis, S. 47; Grunsky, Grundlagen, § 43 II 2, S. 455; Hanau, Kausalität, S. 119; Arens, ZZP 88 (1975), 1, 35. A.A. insoweit Greger (Beweis, S. 132), der eine Kontrolle der Entscheidung nach § 287 ZPO nur im Wege der Regeln über den Ermessensfehlgebrauch für möglich hält. 2

StJ / Leipold, ZPO, § 287 Rdnr. 1.

3

BGH MDR 1963, 122; VersR 1966, 595.

4

Staudinger / Werner, BGB, 10711. Aufl., § 252 Rdnr. 8, 12 ff.; Steindorf, AcP 158 (1958 / 59), 431, 462; Giesen, VersR 1979, 389, 392; weitere Nachweise bei Enneccerus / Lehmann, Bürgerliches Recht II, § 15 III 8, S. 74.

76

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

keine materiellrechtliche Begrenzung des Schadensersatzanspruchs 5. Für die ganz h.M. spricht nicht allein der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 252 BGB 6 , sondern auch der Umstand, daß die im Wege der freien Überzeugungsbildung gefundenen Ergebnisse kaum von dem nach § 252 S. 2 BGB zu treffenden Wahrscheinlichkeitsurteil abweichen dürften 7. Im Unterschied zu § 287 I 1 ZPO beinhaltet § 252 S. 2 BGB eine Beweiserleichterung in Gestalt einer widerlegbaren Vermutung 8 und stellt damit eine weitere Ausgestaltung des § 287 ZPO dar 9, die im praktischen Ergebnis nicht über § 287 ZPO hinausgeht10. Da es somit einer eingehenden Differenzierung zwischen den beiden Vorschriften nicht bedarf, wird nachfolgend auf die Beweiserleichterung des § 287 I 1 ZPO als die Norm mit dem weiteren Anwendungsbereich eingegangen.

§ 1 Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO in der Kausalfrage Da § 287 I 1 ZPO das Beweismaß reduziert, besteht die zwingende Notwendigkeit, den Anwendungsbereich der Norm gegenüber § 286 ZPO abzugrenzen. Gerade bezüglich der hier interessierenden Anwendung des § 287 ZPO auf Kausalitätsfragen findet sich insoweit ein breites Meinungsspektrum. Alle in diesem Zusammenhang vertretenen Ansichten legen die Differenzierung zwischen haftungsbegründender und -ausfüllender Kausalität zugrunde, weshalb kurz auf diese Unterscheidung eingegangen werden soll.

5

BGHZ 29, 393, 397 ff.; 74, 224; BGH NJW 1979, 865, 866; 1983, 758; MünchKomm / Grunsky, BGB, § 252 Rdnr. 9; Soergel / Mertens, BGB, § 252 Rdnr. 1; Staudinger f Medicus, BGB, § 252 Rdnr. 5; RGRK / Alff, BGB, § 252 Rdnr. 6; Palandt / Heinrichs, BGB, § 252 Rdnr. 2; Baumgärtel / Strieder, § 252 Rdnr. 1 ff.; Lange, Schadensersatz, § 6 X 1, S. 341. 6

Enneccerus / Lehmann, Bürgerliches Recht II, § 15 III 8, S. 74.

7

Klauser, JZ 1968, 167, 168; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 184 f.; Staudinger /Medicus, BGB, § 252 Rdnr. 20. 8

MünchKomm / Grunsky, BGB, § 252 Rdnr. 9.

9

BGHZ 29, 393, 399.

10

Vgl. BGH W M 1965, 789, 792; Keuk, Vermögensschaden, S. 206 f.

§ 1 Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO

77

I. Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität Trotz kritischer Stimmen in der Literatur 11 unterscheidet man zwischen dem haftungsbegründenden und dem haftungsausfüllenden Kausalzusammenhang. Erster betrifft den Fall, daß schon der haftungsbegründende Tatbestand einen Kausalzusammenhang zu seinen Voraussetzungen zählt. Letzterer stellt dagegen die Verbindung zwischen dem Haftungsgrund und dem ersten auf der Rechtsfolgenseite stehenden Schaden und daraus resultierenden Folgeschäden dar 12 . Die Abgrenzung der beiden Kausalzusammenhänge richtet sich folglich nach dem Haftungsgrund der jeweils einschlägigen Schadensersatznorm. Probleme ergeben sich daraus, daß die Bestimmung der den Haftungsgrund ausmachenden Tatbestandsmerkmale äußerst umstritten ist 13 .

IL Die Abgrenzungsfrage in Rechtsprechung und Literatur Ein Hauptstreitpunkt im Rahmen des § 287 ZPO ist dessen Anwendbarkeit auf Kausalitätsfragen und damit die Abgrenzung zu § 286 ZPO 14 . Im Streit ist nicht nur die Frage, ob die Vorschrift auch auf die sog. haftungsbegründende Kausalität anzuwenden ist, sondern auch, ob § 287 ZPO überhaupt auf die Feststellung des Kausalzusammenhangs Anwendung finden soll.

7. Unanwendbarkeit

des § 287 ZPO bei der Kausalfrage

Die Feststellung jeglichen Kausalzusammenhangs § 286 ZPO zuweisend, reduziert Prölss den Anwendungsbereich des § 287 I 1 ZPO auf die Feststellung der Schadenshöhe15. Nach seiner Ansicht betrifft die Schadensschätzung, wie § 287 ZPO sie vom Gericht fordere, eine Quantitätsfrage, während es bei der

11 Gottwald, Schadenszurechnung, S. 81; Zimmermann, JZ 1980, 10, 16; MünchKomm / Grunsky, Vor § 249 Rdnr. 39. 12

Staudinger / Medicus, BGB, § 249 Rdnr. 47.

13

Vgl. Gotzler, Rechtmäßiges Alternativverhalten, S. 110 ff.

14

Vgl. AK-ZPO / Rüßmann, § 287 Rdnr. 2.

15

Ebenso schon früh Wach, KritVJ 14 (1872), 329, 360 f. Auch Wahrendorf (Prinzipien, S. 49) will § 287 ZPO auf die Schätzung der Schadenshöhe beschränkt wissen. Anders als Prölss setzt seine Argumentation an der aus seiner Sicht fragwürdigen Differenzierung in haftungsbegründende und -ausfüllende Kausalität an.

78

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

Kausalfrage um die Existenz eines Kausalzusammenhangs gehe16. Die Vordergründigkeit dieses Arguments hat Gaupp17 aufgezeigt, denn auch bei der Schätzung der Schadenshöhe kann es darum gehen, festzustellen, ob ein Schaden entstanden ist 18 . Der Anwendung des § 287 ZPO auf die Kausalfrage stehen nach Prölss erhebliche materiellrechtliche Bedenken entgegen19. Das materielle Recht verlange bei der Feststellung des haftungsausfüllenden Kausalzusammenhangs, daß der Schaden ohne den Unfall aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eingetreten wäre 20 . Bei Anwendung des § 287 ZPO könne eine solche Feststellung nicht getroffen werden. § 287 ZPO finde erst dann Anwendung, wenn sich das Gericht auch unter Heranziehung der Lebenserfahrung keine Überzeugung zu bilden vermöge, ein Anscheinsbeweis also nicht geführt werden könne 21 . Eine solche Lebenserfahrung sei aber Voraussetzung für die materiellrechtliche Feststellung, daß der Schaden ohne den Unfall wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Fände § 287 ZPO dennoch Anwendung, so führe das zu einer Abschwächung der vom materiellen Recht her an das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zu stellenden Anforderungen. Diese Argumentation kann nicht überzeugen, da Prölss nicht klar zwischen den materiellrechtlichen und den beweisrechtlichen Fragen trennt. Die Beschränktheit menschlicher Erkenntnismöglichkeit hat zur Folge, daß der Richter niemals absolute Wahrheit, sondern lediglich einen bestimmten hohen Grad an Wahrscheinlichkeit erlangen kann 22 . Materiellrechtlich müssen die Voraussetzungen der zu prüfenden Norm gegeben sein, für ihren Beweis verlangt der Gesetzgeber aber auch nach § 286 ZPO nicht eine jeden Zweifel ausschließende Gewißheit 23 . Dementsprechend führt weder die Beweiswürdigung nach § 286

16

Prölss, Beweiserleichterungen, S. 55 f.

17

Beweisfragen, S. 27.

18

Ebenso Arens, ZZP 88 (1975), 1, 6.

19 Der von Prölss in Bezug genommene Wortlaut des § 287 ZPO bietet auch nach seiner Ansicht kein tragfähiges Argument. Prölss, Beweiserleichterungen, S. 56 f. (insb. Fn. 168) stellt selbst zutreffend fest, daß der Gesetzgeber auch den „Kausalnexus" von der Beweiserleichterung erfaßt sehen wollte. Daß diese Auffassung nur unvollkommen in § 287 ZPO Ausdruck fand, kann nicht für die von Prölss vertretene Ansicht streiten; vgl. dazu auch Arens, ZZP 88 (1975), 1, 4 f. 20

Prölss, a.a.O., S. 57.

21

Prölss, a.a.O., S. 56.

22

Vgl. BGHZ 7, 120; 53, 254; BGH NJW 1951, 70; MDR 1978, 393.

§ 1 Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO

79

ZPO noch nach § 287 ZPO zu einer Veränderung materiellrechtlicher Voraussetzungen. Selbst wenn man Prölss dahingehend versteht, daß das materielle Tatbestandsmerkmal Kausalität mit einem hohen Beweismaß i.S.d. § 286 ZPO für den prozessualen Kausalnachweis korrespondiert, überzeugt die Ansicht nicht. Denn auch im Rahmen des § 286 ZPO finden sich Reduzierungen des Beweismaßes (z.B. mittels Anscheinsbeweises)24. Zudem leuchtet es nicht ein, daß § 287 ZPO die materiellrechtlichen Anforderungen an einen Kausalzusammenhang abschwächt und die gleichen Bedenken nicht auch bei den an den Schaden zu stellenden Anforderungen bestehen. Auch die These Prölss, ein nach § 287 ZPO „geschätzter" Kausalzusammenhang liege von vornherein außerhalb der Lebenserfahrung 25 und sei daher inadäquat bzw. nicht zurechenbar 26, erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht tragfähig. Prölss verkennt, daß die Frage der Zurechenbarkeit eines Erfolges eine materiellrechtliche ist und offensichtlich nicht durch die Anwendung des § 287 ZPO beeinflußt werden kann 27 . Dementsprechend beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 287 ZPO nicht allein auf die Feststellung der Schadenshöhe, sondern erfaßt auch die Frage des Kausalzusammenhangs.

2. Feststellung des gesamten Kausalzusammenhangs nach § 287 ZPO Gottwald und Maassen wollen unterschiedslos den gesamten Kausalzusammenhang dem Ermessen des Richters unterstellen.

23

Gaupp, Beweisfragen, S. 27 f., spricht insoweit von § 287 ZPO als einer „Ergänzungsnorm", die die materiellen Vorschriften dahin ergänze, daß sie im Prozeß nur wahrscheinlich zu sein brauchen. Diese Begrifflichkeit ist abzulehnen, da es in der Natur des Beweisrechts liegt, Wahrscheinlichkeiten der Entscheidung zugrunde zu legen. Eine „Ergänzung" findet nicht statt. 24

Vgl. Gottwald,

Schadenszurechnung, S. 68.

25

Hier bricht sich erneut die unzutreffende These Bahn, § 287 ZPO lasse mangels einer entsprechenden Lebenserfahrung nur eine Schätzung zu. 26

Prölss, a.a.O., S. 58.

27

Ebenso Arens, ZZP 88 (1975), 1, 6.

80

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

a) Die Ansicht Gottwalds Gottwald will den Anwendungsbereich des § 287 ZPO vom Unrechtstatbestand her abgrenzen. Da er den Haftungsgrund in der schuldhaften Gefährdung des Rechtsgutes sieht 28 , fällt das „Ob" eines konkreten Schadens, also einer ersten Rechtsgutverletzung unter § 287 ZPO 29 . Der Kausalzusammenhang zwischen Handeln und Erfolg sei danach bei allen Haftungstatbeständen nach § 287 ZPO zu beurteilen 30. Schadensprüfung und Kausalitätsprüfung sind nach Gottwald vielfach untrennbar miteinander verbunden 31. Damit fielen aber die haftungsausfüllenden Kausalprobleme vollständig in den Bereich der Bewertung der Schadenshöhe32. Danach würde die Erweiterung des § 287 ZPO auf das „Ob" des Schadens allein den theoretischen Grenzfall betreffen, daß ein kausaler Vermögensschaden nachgewiesen werden kann, und dieser dennoch mit Null zu bewerten ist 33 . Um § 287 ZPO eine darüber hinausgehende Bedeutung zukommen zu lassen, sei § 287 ZPO erweiternd auszulegen: Die Wendung „ob ein Schaden entstanden sei" bezeichne den realen Schaden, die Wendung „wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe" dagegen den Vermögensschaden34. Die Unterteilung des Kausalzusammenhangs kann nach Ansicht von Gottwald zudem keine Bedeutung für das Beweisrecht haben. Die auftretenden Beweisprobleme seien nämlich für den gesamten Kausalzusammenhang, also sowohl für den haftungsbegründenen als auch den haftungsausfüllenden, grundsätzlich gleich 35 . Demgegenüber hält Gottwald die Mitbelastung des Handelnden mit dem Beweisrisiko durch § 287 ZPO dann für gerechtfertigt, wenn eine schuldhafte Gefährdung des tatsächlich verletzten Rechtsgutes nach § 286 ZPO

28 Gottwald, S. 666 f. 29

Gottwald,

Schadenszurechnung, S. 83; ders., in: Rosenberg / Schwab, ZPR, § 116 II 3, a.a.O., S. 88 f.

30

Gottwald, a.a.O., S. 89. Die Differenzierung zwischen haftungsbegründender und -ausfüllender Kausalität hat nach Gottwald weder für das materielle noch für das Prozeßrecht eine sachliche Bedeutung. 31

Ebenso Bydlinsky,

32

Gottwald,

Probleme der Schadens Verursachung, S. 21 f., 111.

a.a.O., S. 79.

33 Allein auf diesen Grenzfall soll sich nach Prölss, Beweiserleichterungen, S. 54, die Formulierung des § 287 ZPO (Ob ein Schaden) beziehen. 34

Gottwald,

a.a.O., S. 80.

35

Gottwald,

a.a.O., S. 81.

§ 1 Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 286 ZPO und § 287

Z P O 8 1

festgestellt sei. Wer die Gefahr eines Schadenseintritts herbeiführe und ein Gefährdungsrisiko eingehe, nehme zugleich das Risiko auf sich, den entstehenden Schaden tragen zu müssen36. Diesem materiellen Gefährdungs- und Schadensrisiko habe das Beweisrisiko zu folgen 37 .

b) Die Auffassung Maassens Auch nach Maassen findet § 287 ZPO auf den gesamten Kausalzusammenhang Anwendung 38 . Zur Begründung beruft Maassen sich auf den Gesetzeswortlaut und die Gesetzesmaterialien. Erster lasse ohne weiteres die Anwendung des § 287 ZPO auf den gesamten Kausalzusammenhang zu, da nach dieser Norm auch über das „Ob" eines Schadens zu entscheiden sei 39 . Bestätigung finde dieses Verständnis in den Gesetzesmaterialien, die ausdrücklich die „Beurtheilung der Frage, ob der Kausalnexus vorhanden sei, dem freien Ermessen des Gerichts" 40 nach § 287 ZPO zuwiesen41. Dementsprechend habe das RG fast den gesamten Kausalverlauf dem § 287 ZPO unterstellt und nur beim Nachweis hypothetischer Schadensursachen eine weitergehende Beweislastumkehr vertreten 42.

3. Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO auf die haftungsausfüllende Kausalität Die wohl h.M. will den Anwendungsbereich des § 287 ZPO auf die haftungsausfüllende Kausalität beschränken 43. Dementsprechend müssen Haftungsgrund

36

Im Ergebnis ebenso Hanau, Kausalität, S. 121.

37

Gottwald,

38

Maassen, Beweismaßprobleme, S. 98.

39

Maassen, a.a.O., S. 91.

a.a.O., S. 83.

40

Vgl. Hahn, Materialien, S. 277.

41

Maassen, a.a.O., S. 97.

42

Massen, a.a.O., S. 91 f.

43

BGHZ 4, 192, 196; JZ 1973, 427; Hainmüller, Anscheinsbeweis, S. 147 f.; Klauser, JZ 1968, 167f.; Weitnauer, KF 1966, 3, 17; SÜ / Leipold, ZPO, § 287 Rdnr. 13; Jauernig, ZPR, § 49 V 2, S. 177; Wieczorek, ZPO, § 286 Anm. Ε I a 3; BL / Hartmann, ZPO, § 287 Anm. 1 B, 2 A a; Blomeyer, ZPR, § 72 IV, S. 390; einschränkend MünchKomm / Prütting, § 287 Rdnr. 12. 6 Brüske

82

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

und Haftungsausfüllung gegeneinander abgegrenzt werden, wobei im einzelnen vieles streitig ist 44 .

a) Begründung für eine ausschließliche Anwendung des § 287 ZPO auf die haftungsausfüllende Kausalität in der Rechtsprechung des BGH Erstmals in einer Entscheidung des BGH im 4. Band verknüpfte das Gericht den Anwendungsbereich des § 287 ZPO mit der Abgrenzung zwischen Haftungsgrund und Haftungsausfüllung 45. Eine Begründung für seine Ansicht gab der BGH — soweit ersichtlich — erst in seinem Urteil vom 28.4.198246, wo er darauf abstellte, daß sich der Schaden in aller Regel nur mittels hypothetischer Überlegungen erfassen lasse und daher einem exakten Beweis nicht zugänglich sei. Diese in der Definition des Schadensbegriffs begründete Beweisnot solle sich aber nach der Intention des § 287 ZPO nicht zugunsten des Schädigers auswirken 47.

b) In der Literatur vertretene Begründungen Zur Begründung der Ansicht, § 287 ZPO finde nur auf die Haftungsausfüllung Anwendung, ziehen Greger und Stoll die Entstehungsgeschichte der Vorschrift heran. Greger 48 weist zunächst auf die Formulierung in den Materialien zum Entwurf der CPO hin: „Die Entscheidung über die Frage, ob der Gegner zur Leistung des Schadensersatzes oder des Interesses verpflichtet sei, wird durch den § 250 49 nicht berührt. Die Thatsachen, auf welche diese Verpflichtung gegründet wird, sind wie die sonstigen bestrittenen Thatsachen zu beweisen"50.

44 Eingehend dazu Gotzler, Rechtmäßiges Alternativverhalten, S. 101 ff.; Arens, ZZP 88 (1975), 1, 7 ff.; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 185; Hanau, Kausalität; S. 121. 45

BGHZ 4, 192, 196.

46

BGH NJW 1983, 998.

47

BGH NJW 1983, 998 unter b).

48

Beweis, S. 129 f.

49

Diese Vorschrift des Entwurfs entsprach nach Erlaß der CPO dem § 260, der seinerseits die Grundlage für den heutigen § 287 ZPO bildete. 50

Vgl. Hahn, Materialien, S. 277.

§ 1 Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO

83

Aus dieser Formulierung ergebe sich, daß § 287 ZPO auf den Haftungsgrund, also die „Schadensersatzverpflichtung als solcher" nicht anzuwenden sei 51 . Auch habe der Gesetzgeber den mehrdeutigen Begriff „Schaden" nicht i.S. von Schädigung bzw. Rechtsgutverletzung verstanden, sondern der Haftungsausfüllung zugeordnet. In den Verhandlungen des 6. Deutschen Juristentages, auf die die Materialien Bezug nehmen, sei schon vor diesem, durch die Unterscheidung zwischen Existenz und Höhe des Schadens naheliegenden „Mißverständnis", gewarnt worden 52 . Zudem weist Greger 53 noch auf die Erörterungen der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB hin. Darin wird die Frage behandelt, ob es dem Richter ermöglicht werden soll, dort, wo „kein eigentlicher Beweis des Schadens, sondern nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu erbringen sei, wo also § 260 C.P.O. nicht ausreiche, auf gebührenden Schadensersatz zu erkennen" 54. Der Antrag, der — wegen des Hinweises auf § 260 CPO — eine erleichterte Feststellung der Rechtsgutverletzung erstrebte 55 , wurde u.a. mit der Überlegung abgelehnt, daß die Rechtsprechung im Gebiete des französischen Rechts häufig vom Nachweis einer Rechtsgutverletzung ganz absehe und der Rechtsverkehr daher „oft nicht mehr wisse, wie weit man gehen dürfe, ohne sich Klagen auszusetzen"56. In die gleiche Richtung zielt das Argument von Stoll, die Anwendung des § 287 ZPO auf den Haftungsgrund führe zu einem „Ausufern" der Haftungsnormen und sei daher abzulehnen57. Aus dem Umstand, daß mit § 260 CPO die Vorschriften über den Schätzungseid aufgehoben wurden, das Gesetz aber immer noch dem Gericht die Möglichkeit einräumte, dem Beweisführer die Leistung eines für das Gericht verbindlichen Schätzungseides nachzulassen, schließt Stoll, dem Richter sei durch § 260 CPO (=§ 287 ZPO) als Ersatz für den Schätzungseid des Beweisführers le-

51

Greger, a.a.O., S. 130.

52

Greger, a.a.O., S.137 f.

53

A.a.O., S. 138.

54

Vgl. Achilles / Gebhard / Spahn, Protokolle, Bd. II, S. 574.

55

Greger, a.a.O., S. 138.

56

Achilles / Gebhard / Spahn, Protokolle, Bd. II, S. 575.

57 Stoll, AcP 176 (1976), 146, 181; ähnlich Hanau, Kausalität, S. 120, nach dem der Haftungsgrund stets voll bewiesen werden muß, da dieser erst die Haftung begründe. Nach Hainmüller, Anscheinsbeweis, S. 148, würde die Anwendung des § 287 ZPO auf die haftungsbegründende Kausalität jeden Haftungsfall schon im Ansatz zu einer reinen Billigkeitssache machen.

84

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

diglich ein Bewertungsermessen eingeräumt worden 58 . Dieses Ermessen müsse der Richter aber auch dann ausüben, wenn er nicht davon überzeugt bzw. es nicht einmal wahrscheinlich sei, daß der zuerkannte Schätzungsbetrag genau dem Schaden entspreche. Eine solche, den Schädiger belastende Schätzung sei aber erst dann gerechtfertigt, wenn ein für den Betroffenen nachteiliger Übergriff in seinen Rechtskreis sowie die Verantwortung des Schädigers für diesen Übergriff, d.h. der Haftungsgrund, feststehe 59. Nach Stoll entspricht die Beschränkung der Anwendung des § 287 ZPO auf die Haftungsausfüllung auch dem Sinn der Vorschrift. Durch den Übergriff würden die sich in der fremden Rechtssphäre vollziehenden Kausalabläufe verändert. Lasse sich die hypothetische Entwicklung ohne das Schadensereignis nicht mit Sicherheit aufklären, so müsse der Schädiger, der den vollen Haftungstatbestand verwirklicht hat, das damit verbundene Risiko tragen. Die Beweisnot des Betroffenen sei gewissermaßen als Bestandteil des vom Schädiger verursachten Schadens anzusehen60. Grunsky 61 leitet die Unanwendbarkeit des § 287 I ZPO auf die haftungsbegründende Kausalität daraus ab, daß es ansonsten keines Anscheinsbeweises bedürfte. Dieser Argumentation kann allerdings nicht beigetreten werden. Bedenklich ist schon der Ausgangspunkt, eine Gesetzesnorm könnte in ihrem Anwendungsbereich durch ein richterrechtliches Institut beschränkt werden. Außerdem dient der Anscheinsbeweis der Kausalität im Ergebnis dazu, die Unzuträglichkeiten, die sich aus der Anwendung des § 286 ZPO auf die haftungsbegründende Kausalität ergeben, zu beseitigen62. Dann kann das Institut des Anscheinsbeweises aber nicht die Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 287 I ZPO rechtfertigen.

58

Stoll, AcP 176 (1976), 146, 183 f.; ders., JZ 1972, 356, 367 re. Sp.

59

Stoll, AcP 176 (1976), 146, 184.

60

Stoll, AcP 176 (1976), 146, 184; ebenso Arens, ZZP 88 (1975), 1, 20 bezüglich Eingriffstatbeständen. 61

Grundlagen, § 43 II 2, S. 455.

62

Gottwald,

Schadenszurechnung, S. 82.

§ 2 Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO im Kausalzusammenhang

85

§ 2 Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO im Kausalzusammmenhang mittels Auslegung — Eigener Lösungsansatz Die Problemlösung der h.M., die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der §§ 286, 287 ZPO über die klare Begrifflichkeit von Haftungsgrund und Haftungsausfüllung zu suchen, wirkt bei oberflächlicher Betrachtung bestechend. Die stark differierenden Ansichten zur Bestimmung des Haftungsgrundes zeigen jedoch, daß die h.M. ein Problem gegen ein anderes eingetauscht hat 63 .

I. Auslegung des § 287 ZPO Während die h.M. den Umweg über das materielle Recht wählt, soll nachfolgend am Gegenstand der Abgrenzung, den §§ 286, 287 ZPO, angeknüpft werden. Im Wege der Auslegung des § 287 ZPO, der seiner Konzeption nach als Ausnahme zur Regel des § 286 ZPO gedacht ist 64 , wird der Anwendungsbereich der Vorschrift bestimmt und eine handhabbare Abgrenzung versucht 65.

7. Die Auslegung des § 287 ZPO im Wege grammatischer und genetischer Interpretation Die Auslegung des § 287 ZPO nach seinem Wortsinn rechtfertigt weder die Annahme, § 287 ZPO finde auf den gesamten Kausalverlauf Anwendung noch die Annahme, der Anwendungsbereich der Norm sei auf die haftungsausfüllende Kausalität beschränkt. Zwar hat der Gesetzgeber im § 287 ZPO dem Gericht die Befugnis eingeräumt, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung darüber zu entscheiden, „ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe". Jedoch ist der Begriff des Schadens zweideutig und läßt sich sowohl i.S.v. Beeinträchtigung eines Rechtsgutes oder

63

Vgl. AK-ZPO / Rüßmann, § 287 Rdnr. 2.

64

Vgl. Hainmüller,

65

Anscheinsbeweis, S. 148.

Auch Arens, ZZP 88 (1975), 1, 20 f., wirft diese Frage auf, meint aber ohne eine Orientierung am materiellrechtlichen Begriff des Haftungsgrundes nicht auszukommen.

86

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

sonstigen Vermögenswertes als auch i.S.v. Beeinträchtigung des Vermögensbestandes verstehen 66. In den Materialien zum Entwurf der CPO findet sich zu § 250 folgende Formulierung: „Die Entscheidung über die Frage, ob der Gegner zur Leistung des Schadensersatzes oder des Interesses verpflichtet sei, wird durch den § 250 nicht berührt. Die Thatsachen, auf welche diese Verpflichtung gegründet wird, sind wie die sonstigen bestrittenen Thatsachen zu beweisen. Dagegen unterliegt die Beurtheilung der Frage, ob der Kausalnexus vorhanden sei, dem freien Ermessen des Gerichts" 67 . Je nachdem, auf welchen Satz man das Schwergewicht bei der Interpretation legt, lassen sich zwei diametral entgegenstehende Standpunkte begründen. So leitet Greger aus dem ersten Satz den Willen des Gesetzgebers ab, § 287 ZPO nicht auf die Feststellung des Haftungsgrundes und damit auch nicht auf die haftungsbegründende Kausalität anzuwenden68. Demgegenüber folgert Maassen aus dem zweiten Satz gerade die Anwendbarkeit des § 287 ZPO auf den gesamten Kausalnexus69. Beide Interpretationen zeigen die Widersprüchlichkeit der Ausführungen des historischen Gesetzgebers auf. Diesem war die auf Mommsen 70 zurückgehende Differenzierung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität seit langem bekannt. Dennoch verwendete der Gesetzgeber die Begriffe Haftungsgrund und Kausalnexus in einem mit dieser Differenzierung unvereinbaren Sinn. "Ebensowenig kann die Behandlung des Schätzungseides eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO begründen. Wie sich aus den Materialien ergibt, differenzierte der Gesetzgeber bewußt zwischen der Existenz des Schadens und seiner Höhe. Der Schätzungseid fand aber nur Anwendung, wenn das Gericht nicht in der Lage war, sich eine Überzeugung über den Betrag des Schadens zu bilden 71 . Die Annahme Stolls, die Schadensschätzung sollte lediglich den Schätzungseid ablösen, ergibt zudem vor dem Hintergrund der

66

Greger, Beweis, S. 124.

67

Hahn, Materialien, S. 277.

68

Beweis, S.130.

69

Beweismaßprobleme, S. 97.

70

Obligationenrecht II, S. 137 ff., 139.

71 Hahn, Materialien, S. 277: „Indem der Entwurf beide Konsequenzen zieht, hat er gleichzeitig zur Beseitigung von Zweifeln dem Gerichte für den Fall, daß es auf Grund der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht im Stande ist, sich eine Ueberzeugung über den Betrag des Schadens zu bilden, die Anordnung gestattet, daß der Beweisführer den Schaden oder das Interesse eidlich schätze."

§ 2 Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO im Kausalzusammenhang

87

Erweiterung der Schätzungsbefugnis auf das „Ob" des Schadens keinen rechten Sinn 72 .

2. Die Auslegung des § 287 ZPO nach dem Normzweck Der historische Gesetzgeber sah sich veranlaßt, eine dem heutigen § 287 ZPO entsprechende Vorschrift zu schaffen, weil der vom Geschädigten bis dato geforderte volle Beweis der Entstehung und der Höhe des Schadens die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen häufig illusorisch machte73. Bewußt beschränkte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Beweiserleichterung nicht auf die Feststellung der Schadenshöhe. Denn ohne die Ausweitung auf die Feststellung der Schadensentstehung hätte die Beweiserleichterung nur in seltenen Fällen Geltung erlangt 74. Der Gesetzgeber sah die Gefahr, daß sich bei einer weniger weitgehenden Regelung die Beweisnot des Geschädigten auf den Kausalnachweis verlagert und der Schädiger auch dann noch durch die Beweisnot des Geschädigten begünstigt wird 75 . Hinter der Regelung des § 287 ZPO steht folglich der Gedanke, daß die Notwendigkeit des vollen Beweises den widerrechtlich Handelnden76 in ungerechtfertigter Weise begünstigen und den Geschädigten benachteiligen würde 77 .

IL Bestimmung des Anwendungsbereichs nach dem Normzweck Der festgestellte Normzweck kann lediglich die Grundlage für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO bilden. Um zu einer handhabbaren Abgrenzung zum Anwendungsbereich des § 286 ZPO zu gelangen, ist der

72

Gottwald,

73

Hahn, Materialien, S. 276 f.

74

Hahn, Materialien, S. 277.

Schadenszurechnung, S. 80.

75

Der Gesetzgeber spricht davon, daß die Frage nach der Schadenshöhe und die nach der Existenz des Schadens häufig nicht zu trennen sei. Diese Formulierung versteht Greger, Beweis, S. 137 miß, wenn er auf eine gedankliche Trennung abstellt. 76 Aus dem Umstand, daß der Anspruchsgegner widerrechtlich gehandelt haben muß, leitet die h.M. ab, daß der konkrete Haftungsgrund nach § 286 ZPO voll bewiesen sein muß, vgl. dazu Arens, ZZP 88 (1975), 1, 2. 77

So die Formulierung in RGZ 6, 356, 357. Werner, Beweiswürdigung, S. 4 formuliert die Ratio des § 287 ZPO so: „Berücksichtigung der Beweisnot der Partei, die eine dem Anwendungsbereich des § 287 ZPO unterfallende Tatsache zu beweisen hat."

88

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

Frage nachzugehen, wann eine Beweisnot des Geschädigten den Schädiger in ungerechtfertigter Weise begünstigt.

1. Analyse der Beweisnot bei der Kausalitäts- und Schadensfeststellung Der Beweisführer befindet sich in Beweisnot, wenn er eine von ihm zu beweisende Tatsache nicht beweisen kann, ein Umstand, der bei jedem Tatbestandsmerkmal eintreten kann. Da der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 287 ZPO auf die Kausalitäts- und Schadensfeststellung beschränkt wissen will, steht zu vermuten, daß die Beweisnot bei diesen eine besondere Qualität aufweist.

a) Allgemeines Beweisrisiko Grund für die Beweisnot kann das Fehlen von Beweismitteln oder nur die Unkenntnis von ihrer Existenz sein. Sie ist rein zufällig, da der Mangel an Beweismitteln allein Folge der zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Handlung ist. Mit jedem tatbestandlichen Handeln wird der Betroffene dem Risiko ausgesetzt, etwaige Ansprüche mangels Beweismitteln nicht beweisen zu können. Dieses Risiko, einen Beweis mangels Beweismitteln nicht führen zu können und deshalb den Prozeß zu verlieren, kann man als allgemeines Beweisrisiko bezeichnen. Es ist unserem zivilprozessualen System immanent.

b) Definitorisches Beweisrisiko bei der Schadens- und Kausalitätsfeststellung Die Feststellung eines Schadens macht regelmäßig hypothetische Erwägungen erforderlich, da die Güterlagen des Geschädigten ohne und nach der Schädigungshandlung verglichen werden müssen78. Hat der Geschädigte den Eintritt eines Schadens zu beweisen, so muß der Beweis auch die — hypothetische — Güterlage ohne die Schädigungshandlung umfassen. Dieser Beweis ist schwierig, da er einen nicht real existierenden

78

Zur Differenzhypothese vgl. Lange, Schadensrecht, § 1 III 4, S. 45.

§ 2 Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO im Kausalzusammenhang

89

Zustand betrifft. Die Definition des Schadensbegriffs bewirkt die beweismäßige Schlechterstellung des Geschädigten79. Bei der Kausalitätsprüfung findet sich gleichfalls ein hypothetischer „Einschlag" 80 . Bei ihr stellt sich immer die Frage nach einem pflichtgemäßen Alternativverhalten 81. Die Feststellung des Kausalzusammenhangs verlangt vom Geschädigten den Beweis eines nicht real existierenden Zustands. Gegenüber dem Schadensbegriff besteht allerdings ein Unterschied: die Bedingungstheorie definiert nicht das Merkmal der Kausalität, sondern dient als juristische Zwecktheorie lediglich der Feststellung, ob ein Kausalzusammenhang besteht oder nicht 82 . Der Unterschied rechtfertigt jedoch keine andere Behandlung. Davon ging auch der historische Gesetzgeber aus, der bewußt auch die Kausalfrage der Anwendung des § 287 ZPO unterstellte, obwohl ihm die auf v.Buri zurückgehende Bedingungstheorie bekannt gewesen sein mußte83. Anders als das allgemeine Beweisrisiko hat dieses definitorische Beweisrisiko seine Grundlage im materiellen Recht und findet sich allein bei der Kausalitätsund Schadensfeststellung. Folgerichtig können sich in der Beweisnot des Geschädigten bei der Kausalitäts- und Schadensfeststellung sowohl das allgemeine als auch das definitorische Beweisrisiko realisieren.

2. Ungerechtfertigte

Begünstigung des Schädigers

Die Ratio des § 287 ZPO verlangt nicht allein das Bestehen einer Beweisnot, sondern darüber hinaus, daß der Schädiger durch die Beweisnot des Geschädigten in ungerechtfertigter Weise begünstigt wird. Da sich in der Beweisnot zwei Beweisrisiken realisieren können, ist der Frage nachzugehen, welches sich realisierende Risiko die Anwendung des § 287 ZPO rechtfertigt, weil es den Schädiger ungerechtfertigt begünstigt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß das definitorische Beweisrisiko, wenn es sich realisiert, immer mit dem Fehlen von Beweismitteln einhergeht, von der Konsequenz her also nicht vom allgemeinen Beweisrisiko zu unterscheiden ist.

79

Vgl. dazu BGH NJW 1983, 998 unter b.

80

So Hanau, Kausalität, S. 35.

81

Walter,

82

Vgl. Lange, Schadensersatz, § 3 III, S. 79 ff.

83

Seine Monographie „Über Causalität und deren Verantwortung" erschien bereits im Jahre 1873.

Freie Beweiswürdigung, S. 201; vgl. auch Rödig, Denkform der Alternative, S. 115.

90

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

a) § 287 ZPO und das allgemeine Beweisrisiko Verwirklicht sich allein das allgemeine Beweisrisiko, so rechtfertigt das nicht die Anwendung des § 287 ZPO. Das allgemeine Beweisrisiko wird im Ergebnis durch die Lehre von der Beweislast auf die Prozeßparteien verteilt. § 287 ZPO führt aber zu einer beweisrechtlichen Belastung des Handelnden, da dem Anspruchsteller der Beweis erleichert wird 84 . Fände § 287 ZPO demnach auf eine Beweisnot Anwendung, in der sich das allgemeine Beweisrisiko realisiert, so liefe das der Verteilung des Beweisrisikos durch die Lehre von der Beweislast zuwider. Bestätigt wird dieser Befund durch die Gesetzesmaterialien. Der historische Gesetzgeber weist ausdrücklich darauf hin, daß die Frage, ob der Prozeßgegner zum Schadensersatz verpflichtet ist, von § 287 ZPO nicht berührt wird 85 . Zudem sieht der Gesetzgeber ein Regelungsbedürfnis allein für die Kausalitäts- und Schadensfeststellung. Eine solche Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO läßt sich nur rechtfertigen, wenn das allgemeine Beweisrisiko die Anwendung des § 287 ZPO nicht begründen soll 86 .

b) Definitorisches Beweisrisiko Nach den vorstehenden Überlegungen liegt es nahe, den Umkehrschluß zu ziehen: Realisiert sich in der Beweisnot das definitorische Beweisrisiko, so findet § 287 ZPO Anwendung. Die Ratio des § 287 ZPO verlangt aber den Nachweis, daß in diesem Fall der Schädiger in ungerechtfertigter Weise begünstigt wird.

aa) Vergleich der Risiken

Im Zuge der Schädigung und ihrer prozessualen Behandlung kann für den Geschädigten eine durch Beweisnot gekennzeichnete Prozeßsituation entstehen.

84

Stoll, AcP 176 (1976), 145, 181 f.

85

Vgl. Hahn, Materialien, S. 277.

86

In die gleiche Richtung zielen die Überlegungen von Gottwald, Schadenszurechnung, S. 83 und Hanau, Kausalität, S. 121, die das Beweisrisiko dem materiellen Gefahrdungs- und Schadensrisiko folgen lassen wollen.

§ 2 Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO im Kausalzusammenhang

91

Verwirklicht sich das allgemeine Beweisrisiko, so fehlen dem Geschädigten Beweismittel, die den vollen Beweis nach § 286 ZPO erbringen. Der Beweis bleibt grundsätzlich möglich, wenn auch bei der Kausalitäts- und Schadensfeststellung nur im Wege des mittelbaren Beweises. Der Verlust von Beweismittel beruht auf dem zufälligen Zusammentreffen von Schädigung und konkreter Situation, die zusammen im Prozeß eine nachteilige Beweislage begründen. Die Situation ist grundlegend anders, wenn sich das definitorische Beweisrisiko in der Beweisnot des Geschädigten realisiert. Die Beweisnot des Geschädigten beruht in diesem Falle nicht auf dem Zusammentreffen von Schädigung und konkreter Situation, sondern auf dem Zusammenspiel von Schädigung und materiellrechtlicher Definition. Die konkrete Situation, in der die Schädigung erfolgt, ist für die Beweislage ohne Bedeutung. Zwei Beispiele mögen das näher belegen: Massenkarambolage-Fall): Die Parteien waren in eine Massenkarambolage verwickelt. Nachdem der Kläger auf den vor ihm befindlichen Pkw aufgefahren war, fuhr der Beklagte auf den Pkw des Klägers auf. Der Kläger erlitt eine Hirnverletzung. Unklar war, ob der Kläger sich die Hirnverletzung bei seinem Auffahren oder bei dem nachfolgenden Auffahren des Beklagten zugezogen hatte87. Das unfallmedizinische Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, daß eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Ursächlichkeit des Aufpralls des Beklagten spreche.

Der Kläger befindet sich in Beweisnot; er kann den Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen dem Auffahren des Beklagten und seiner Hirnverletzung nicht nach § 286 ZPO beweisen. Käme ihm die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zustatten, so wäre der Kausalnachweis wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme erbracht. Zu berücksichtigen ist aber, daß unmittelbar nach dem Auffahren des Klägers die Folgen dieses Unfalls feststanden und einem exakten Beweis zugänglich waren. Das Auffahren des Beklagten, die schädigende Handlung, hatte nur zur Folge, daß der Beweis des Klägers erschwert wurde. Ohne die Handlung des Beklagten hätte ein Sachverständiger ermitteln können, ob der Kläger durch sein Auffahren eine Hirnverletzung erlitten hatte oder nicht. Dieses Beweismittel wird dem Kläger durch die schädigende Handlung des Beklagten im Ergebnis genommen. Die fehlende Beweisbarkeit des Kausalzusam-

87 Der Sachverhalt ist der Entscheidung des BGH vom 21.10.1986 (NJW-RR 1987, 339 ff.) nachgebildet. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger unstreitig durch das Auffahren des Beklagten ein HWS-Schleudertrauma erlitten. Nach Ansicht des BGH lag damit eine kausale Körperverletzung vor und die Frage der Anwendung des § 287 ZPO stellte sich nur in bezug auf die haftungsausfüllende Kausalität. Bedenken bestehen allerdings insoweit, als der Kläger seinen Schaden nicht allein auf das HWS-Schleudertrauma, sondern auch auf eine Gehirnerschütterung und Gehirnprellung zurückführte.

92

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

menhangs beruht auf den zufälligen Gegebenheiten. In der Beweisnot des Klägers realisiert sich lediglich das allgemeine Beweisrisiko; § 287 ZPO findet keine Anwendung. (Gewinnbeteiligungs-Fall): Bei einem vom Beklagten schuldhaft verursachten Autounfall erlitt der Kläger erhebliche Kopfverletzungen. Im Unfallzeitpunkt hatte der Kläger mit einer Diplomprüfung begonnen, die er nach dem Unfall nicht fortsetzte. Stattdessen legte er drei Jahre nach dem Unfall das Examen als Bauingenieur ab. Ohne den Unfall hätte der Kläger nach seiner Behauptung die Diplomprüfung abgeschlossen und wäre zwei Jahre früher in den väterlichen Betrieb eingetreten. In diesen zwei Jahren hätte er dann eine bereits vor dem Unfall vereinbarte Gewinnbeteiligung erhalten 88.

Fraglich war, ob die Verletzung des Klägers überhaupt eine ursächliche Bedingung für den Nichterhalt der Gewinnanteile bildete. Die Feststellung der Kausalbeziehung ist nur im Wege der hypothetischen Erwägung möglich, daß der Kläger ohne die Körperverletzung die Diplomprüfung so rechtzeitig abgeschlossen hätte, daß er in den Genuß der Gewinnbeteiligung gekommen wäre. Der Mangel an Beweismitteln beruht demnach nicht auf zufälligen Umständen im Zeitpunkt der Schädigung, sondern auf der Definition des Kausalbegriffs, da der weitere Verlauf der Diplomprüfung nicht mehr exakt feststellbar ist. Es realisiert sich in der Beweisnot des Geschädigten das definitorische Beweisrisiko.

bb) Ungerechtfertigte

Begünstigung des Schädigers

Verwirklicht sich wie im „Gewinnbeteiligungs-Fall" das definitorische Beweisrisiko, so wirkt sich der im materiellen Recht angelegte Beweisvorteil unmittelbar zugunsten des Schädigers aus, weil ein exakter Beweis nach der Schädigung nicht mehr möglich ist. In diesem Falle ist die Belastung des Schädigers durch die Anwendung des § 287 ZPO gerechtfertigt. Denn § 287 ZPO gleicht nur den beweisrechtlichen Vorteil des Schädigers aus, der sich aus dem materiellen Recht ergibt. Geschähe das nicht, so käme dem Schädiger ohne sachlichen Grund, denn das materielle Recht will nicht die Beweislage verändern, ein Beweisvorteil zu. Die vom Schädiger verursachte Beweisnot würde zu seinem Vorteil ausschlagen, ihn also in ungerechtfertigter Weise begünstigen. Erst die Anwendung des § 287 ZPO stellt die (annähernde) Gleichheit der prozeßrechtlichen Ausgangssituation zwischen Schädiger und Geschädigtem wieder her.

88

BGH NJW 1973, 700 ff.

§ 3 Die Abgrenzung der Beweisrisiken in der Kausalfrage

93

Die Frage der Abgrenzung zwischen § 286 ZPO und § 287 ZPO stellt sich damit als Abgrenzung der sich im jeweiligen Einzelfall realisierenden Beweisrisiken dar. Nur wenn sich in der Beweisnot das definitorische Beweisrisiko verwirklicht, ist dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zuzubilligen. Ansonsten muß es bei den strengen Anforderungen des § 286 ZPO verbleiben. Allein eine in diesem Sinne vorgenommene Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO wird der ratio legis des § 287 ZPO gerecht.

§ 3 Die Abgrenzung der Beweisrisiken in der Kausalfrage Die bisherige Diskussion hat noch nicht alle Argumente berücksichtigt, die bei der Frage der Anwendung des § 287 ZPO auf den Kausalzusammenhang angeführt werden, insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung mit der h.M. 89 , die nach Haftungsgrund und Haftungsausfüllung abgrenzt. Das soll nunmehr nachgeholt werden. Im Anschluß daran wird noch zu erörtern sein, inwieweit § 287 ZPO eine Problemlösung bei Beweisschwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Kausalnachweis bei Informationspflichtverletzungen ermöglicht.

I. Abgrenzung der Beweisrisiken und Konsequenzen für die bisherige Diskussion 7. Ablehnung der Verknüpfung

der Abgrenzungsfrage

mit dem materiellen Recht Versteht man die Abgrenzung der §§ 286, 287 ZPO als eine Abgrenzung der sich im Einzelfall realisierenden Beweisrisiken, so hat das zwangsläufig zur Konsequenz, daß die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO unabhängig von den Kausalitätsformen zu erfolgen hat. Denn das spezielle Beweisrisiko besteht bei jeder Kausalitätsfeststellung 90. Daher erübrigt sich die von der h.M. vorgenommene Belastung des § 287 ZPO mit der Abgrenzungsproblematik von Haftungsgrund und Haftungsausfüllung. Die Richtigkeit dieser Feststellung wird durch die Rechtsprechung zu § 287 ZPO bestätigt, die ent-

89

Vgl. die Nachweise in Fn. 43.

90

Im Ergebnis ebenso Gottwald,

Schadenszurechnung, S. 81.

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

94

gegen der von ihr vertretenen klaren Abgrenzung den Anwendungsbereich von § 286 ZPO und § 287 ZPO nicht einheitlich abgrenzt 91.

a) Eingriffstatbestände Eingriffstatbestände, wie z.B. § 823 I BGB, zeichnen sich dadurch aus, daß das Gesetz die Ersatzpflicht an den Eintritt eines bestimmten Erfolges anknüpft. Dementsprechend sind zwei Kausalbeziehungen zu unterscheiden: diejenige zwischen Handlung und Erfolg (sog. haftungsbegründende Kausalität) und die zwischen Erfolg und Schaden (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO über die Kausalitätsform, wie die h.M. sie vornimmt, müßte bei Eingriffstatbeständen wegen der deutlichen Unterscheidbarkeit der Kausalitätsformen zu eindeutigen Ergebnissen führen. Daß dem nicht so ist, zeigt die Entscheidung des VI. Senats im 58. Band 92 : Eine schwangere Frau erlitt unverschuldet einen Verkehrsunfall. Das einige Monate später geborene Kind litt an spastischen Lähmungen, die auf einem angeborenen Gehirnschaden beruhten. Der BGH hatte allein über die Frage zu entscheiden, ob der Gehirnschaden auf den Unfall der Mutter zurückzuführen war. Das Gericht hielt den Nachweis des konkreten Haftungsgrundes, der Gesundheitsverletzung des Kindes, nach § 286 ZPO durch den Nachweis erbracht, daß das Kind bei dem Unfall als Leibesfrucht „in Mitleidenschaft" gezogen worden war. Die angeborenen Schäden sah der BGH als einen Folgeschaden der Verletzung der Leibesfrucht an, auf den § 287 ZPO unproblematisch Anwendung fand.

Von den Klägern war der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gehirnschaden des Kindes nachzuweisen. Es handelte sich also um den Nachweis des haftungsbegründenden Kausalzusammenhanges. Auf diesen findet § 287 ZPO — nimmt man die h.M. ernst — keine Anwendung. Der BGH half sich, indem er für § 823 I BGB ein „in Mitleidenschaft gezogen sein" ausreichen ließ. Damit gibt der BGH das Erfordernis der Rechtsgutverletzung auf und läßt eine konkrete Verletzungsgefahr genügen93. Die von der h.M favori-

91

Vgl. dazu auch die eingehende Analyse der Rechtsprechung bei Gottwald, S. 49 ff. 92

Schadenszurechnung,

BGHZ 58, 48 ff.

93

Stoll, JZ 1972, 363, 368. Zudem lag nach dem mitgeteilten Inhalt der eingeholten Gutachten die Anwendung des § 286 ZPO nahe (so Stoll, JZ 1972, 363, 367 Ii. Sp. und Arens, ZZP 88 (1975),

1, 12).

§ 3 Die Abgrenzung der Beweisrisiken in der Kausalfrage

95

sierte Abgrenzung mittels der Kausalitätsformen wird demnach nicht konsequent vorgenommen. Der BGH leugnet diese Tatsache, indem er den eindeutigen Gesetzeswortlaut mißachtet. Die Aufrechterhaltung einer Abgrenzungstheorie um diesen Preis ist abzulehnen. Legt man den hier vertretenen Lösungsansatz zugrunde, so findet § 287 ZPO keine Anwendung. Nach Aussage der Gutachter war nämlich die Kausalität der Verletzungshandlung im Grundsatz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar. Daß noch bestehende geringe Zweifel durch die Gutachter nicht ausgeräumt wurden, lag allein daran, daß die beiden noch notwendigen Untersuchungen für das kleine Kind gefährlich und medizinisch nicht gerechtfertigt waren 94. In der vom BGH angenommenen Beweisnot realisierte sich demnach allein das allgemeine Beweisrisiko. Im übrigen hätte es der Annahme einer Beweiserleichterung nicht bedurft. Denn das Gericht konnte schon aufgrund der Sachverständigengutachten die nach § 286 ZPO notwendige Überzeugung vom Bestehen eines Kausalzusammenhangs erlangen 95. Das gilt umsomehr, als der BGH selbst davon ausgeht, daß dem klagenden Kind billigerweise nicht ein Mehr an Beweisen abverlangt werden konnte 96 .

b) Verhaltensnormtatbestände Die pauschale Abgrenzung der Bereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO durch die h.M. begegnet bei Verhaltensnormtatbeständen noch gravierenderen Bedenken. Bei Verhaltensnormtatbeständen knüpft die Haftung an die verletzte Pflicht an. Eine Rechtgutverletzung, wie § 823 I BGB sie verlangt, entfällt im allgemeinen97. Ein Schadensersatzanspruch setzt dementsprechend voraus, daß ein Ursachenzusammenhang zwischen einem bestimmten Verhalten und dem Schaden besteht98. Die Differenzierung der Kausalitätsformen ist bei Verhaltensnormtatbeständen dann aber praktisch nicht mehr durchführbar 99. Die

94

BGHZ 58, 48, 53.

95

So zutreffend Stoll, JZ 1972, 365, 368.

96

BGHZ 58, 48, 55.

97

Allerdings kann auch hier die Pflichtverletzung zunächst zu einer Rechtsgutverletzung und dann zu einem Schaden führen, so wenn die Amts- oder Vertragspflichtverletzung eine Körperverletzung zur Folge hat. 98

Vgl. Lange, Schadensersatz, § 3 II, S. 77 f.

96

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

Probleme, die sich für die auch bei Verhaltensnormtatbeständen an der Abgrenzung nach den Kausalitätsformen festhaltende h.M. ergeben, werden an zwei Fallgestaltungen deutlich.

aa) BGH NJW 1983, 998 f. - Vertragsverletzung (Aktienerwerb-Fall): Um die Aktienmehrkeit an einem Unternehmen zu erwerben, bat der Kläger den Beklagten entsprechende Kontakte zum Mehrheitsgesellschafter herzustellen. Der Beklagte tat dies, stellte aber auch den Kontakt für einen weiteren Interessenten her. Dieser erhielt den Zuschlag zum Preis von 26 Mio. D M vorbehaltlich einer notwendigen Genehmigung durch den Verwaltungsrat. Nachdem der Kläger davon gehört hatte, erwarb er die Aktienmehrheit zum Preise von 36 Mio. DM. Den Mehrbetrag verlangte er vom Beklagten als Schadensersatz, da der Kläger ohne die Herstellung des Kontakts für den anderen Interessenten die Aktienmehrheit zu dem niedrigeren Preis erworben hätte.

Nach der Rechtsprechung gehört bei Schadensersatzansprüchen aus Vertragsund Amtspflichtverletzung der Schadenseintritt (Vermögensschaden) im allgemeinen nicht zum Haftungsgrund. Daraus ergebe sich weiter, daß für den Nachweis der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schadenseintritt die Beweiserleichterung des § 287 ZPO gelte 100 . Der BGH ordnet damit den Kausalzusammenhang der haftungsausfüllenden Kausalität zu 1 0 1 . Die Differenzierung der Kausalitätsformen macht bei einer Vertragspflichtverletzung aber nur dann Sinn, wenn auch tatsächlich zwei Kausalzusammenhänge feststellbar sind. Gerade das ist nicht der Fall 1 0 2 , da die Rechtsprechung die haftungsausfüllende Kausalität nicht als kausale Verknüpfung von Verletzung und Folgeschaden versteht. Dieser Problematik gewärtig, kreierte der BGH im „Aktienerwerb-Fall" erstmals das Kriterium des ,3etroffenseins". Bei Vertragsverletzungen bestehe das geschützte Rechtsgut in dem vertraglich geschützten Interesse des Vertags-

99 Andere wollen die haftungsbegründende Kausalität i.S. eines Zusammenhanges zwischen denjenigen Elementen verstehen, welche die Haftung dem Grunde nach ergeben (so Staudinger / Medicus, BGB, § 249 Rdnr. 47; ihm folgend H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 524). In Fällen, in denen die Pflichtverletzung unmittelbar zum Schaden fuhrt, kann ein solcher Kausalzusammenhang allein zwischen der Handlung und der Pflichtverletzung bestehen. Dieser materiell- und beweisrechtlich unbedeutende Zusammenhang kann schwerlich das Festhalten an den Kausalitätsformen rechtfertigen. Wie hier Lange, Schadensersatz, § 3 II, S. 78. 100

BGH VersR 1975, 540.

101

So ausdrücklich BGH VersR 1975, 540 im zweiten Leitsatz.

102

Im Ergebnis ebenso Arens, ZZP 88 (1975), 1, 26 u. Hanau, Kausalität, S. 121, die allerdings an der Unterscheidung als Abgrenzungsmerkmal festhalten wollen.

§ 3 Die Abgrenzung der Beweisrisiken in der Kausalfrage

97

partners. Nach § 286 ZPO sei daher als Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch der Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Pflicht, durch den der Vertragspartner betroffen worden ist, zu beweisen. Ob und in welcher Höhe aus dem bewiesenen Verstoß des einen Vertragspartners dem davon betroffenen anderen Vertragspartner ein Schaden erwachsen ist, sei dann nach § 287 ZPO zu entscheiden103. Die vom BGH durch die Schaffung des ,3etroffenseins"-Kriteriums erstrebte Grenzziehung zwischen § 286 ZPO und § 287 ZPO bei Vertragsverletzungen mit reinen Vermögensschäden auf der Grundlage der Abgrenzung von Haftungsgrund und Haftungsausfüllung kann nicht überzeugen. Das Kriterium des „Betroffenseins" grenzt allein (wenn überhaupt) den Haftungsgrund von der Haftungsausfüllung ab. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß im Rahmen des Haftungsgrundes ein (haftungsbegründender) Kausalzusammenhang vorausgesetzt ist. Schon diese Überlegung zeigt, daß die Abgrenzung der §§ 286 und 287 ZPO über die Kausalitätsformen nicht zutreffend sein kann. Hinzu kommt, daß das Kriterium des „Betroffenseins" sich nicht zur Abgrenzung von Haftungsgrund und Haftungsausfüllung eignet 104 . Besteht das geschützte Rechtsgut in dem vertraglich geschützten Interesse und entspricht dieses — so der BGH — gerade der übernommenen Pflicht, so wird das Interesse immer durch die Pflichtverletzung „betroffen". Grenzt man die Anwendungsbereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO nach dem sich in der Beweisnot des Geschädigten realisierenden Beweisrisiko ab, so hätte es der Kreation des untauglichen Kriteriums des „Betroffenseins" nicht bedurft. Der Kläger muß nachweisen, daß der Mehrheitsaktionär ohne die Konkurrenz durch den anderen Interessenten mit ihm, dem Kläger, zum gleichen Preis abgeschlossen hätte, wie der Konkurrent ihn ausgehandelt hatte. Der Mangel an Beweismitteln beruht aber nicht auf den zufälligen Gegebenheiten im Schädigungszeitpunkt, sondern auf der Definition des Kausalbegriffs, da die hypothetische Feststellung, daß der Kläger bei den Verhandlungen mit dem Mehrheitsaktionär den gleichen Preis erzielt hätte, wie der andere Interessent ihn erzielt hatte, einem exakten Beweis nicht mehr zugänglich ist. In der Beweisnot realisiert sich das definitorische Beweisrisiko, die Beweiserleichterung des § 287 ZPO kommt dem Kläger zustatten.

103

BGH NJW 1983, 998 f. unter c).

104

So Arens, ZZP 88 (1975), 1, 7 ff.; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 185.

7 Brüske

98

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

bb) BGHZ 29, 393 ff. - Amtshaftung (Weizenimport-Fall): Aufgrund geänderter Ausschreibungsbedingungen für die Einfuhr von Weizen und Mais hatten sich die Importeure wegen der Befrachtung mit der deutschen Frachtentreuhand GmbH in Verbindung zu setzen. Außerdem wurden gewisse Frachtmehrkosten bei der Einfuhr nur unter der Voraussetzung ersetzt, daß der Frachtvertrag durch die Frachtentreuhand GmbH als Agent für den Befrachter gezeichnet und der Einfuhrstelle vorgelegt wurde. Die Klägerinnen, die u.a. die Vermittlung von Schiffsraum für deutsche Importeure von argentinischem Weizen und Mais betrieben, behaupteten, unter den tätig gewordenen Importeuren sei eine Anzahl ihrer Kunden gewesen. Diese hätten wegen der geänderten Ausschreibungsbedingungen von einer Beauftragung der Klägerinnen abgesehen. Unklar blieb, welche der Klägerinnen den jeweiligen Vermittlungsauftrag erhalten hätte.

Nach Ansicht des BGH findet § 287 ZPO Anwendung, da lediglich der haftungsausfüllende Kausalzusammenhang zweifelhaft sei 105 . Wie im Fall der Vertragsverletzung liegt hier aber nur eine Kausalbeziehung vor, so daß § 287 ZPO nicht mit der vom BGH gegebenen Begründung Anwendung finden kann. Die Anwendung des § 287 ZPO rechtfertigt sich allein aus dem sich realisierenden defmitorischen Beweisrisiko. Die hypothetische Erwägung, welcher Auftrag welcher Klägerin erteilt worden wäre, ist einem exakten Beweis nicht zugänglich. Die Amtspflichtverletzung veränderte die bisherige Übung der Importeure. Wie sie sich unter anderen Umständen, also ohne die Amtspflichtverletzung, verhalten hätten, läßt sich im Nachhinein nicht mehr exakt aufklären. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO nicht über die Abgrenzung der Kausalitätsformen erfolgen kann und die h.M. daher abzulehnen ist.

2. Generelle Anwendung des § 287 ZPO auf den gesamten Kausalzusammenhang Grenzt man den Anwendungsbereich der §§ 286, 287 ZPO über das sich im jeweiligen Einzelfall realisierende Beweisrisiko ab, so ist damit die von Gottwald 1 0 6 und Maassen107 vertretene generelle Anwendung des § 287 ZPO auf den gesamten Kausalzusammenhang nicht zu vereinbaren. Während die von

105

BGHZ 29, 393, 398.

106

Schadenszurechnung, S. 88 f.

107

Beweismaßprobleme, S. 97 f.

§ 3 Die Abgrenzung der Beweisrisiken in der Kausalfrage

99

Maassen vorgebrachten Argumente — Wortlaut der Norm und Gesetzesgeschichte — einen solch weiten Anwendungsbereich des § 287 ZPO nicht rechtfertigen, fehlt bisher eine Auseinandersetzung mit den Argumenten von Gottwald. Die von Gottwald vorgeschlagene erweiternde Auslegung des § 287 ZPO 1 0 8 überzeugt nicht, da die Ratio der Vorschrift nicht genügend beachtet wird. So trifft das Argument, die auftretenden Beweisprobleme seien für den gesamten Kausalzusammenhang gleich 109 , zwar den Kern der Sache, allein der von Gottwald daraus gezogene Schluß steht im Wiederspruch zur Ratio des § 287 ZPO. Die Beweisnot kann für sich genommen die Anwendung des § 287 ZPO nicht rechtfertigen. Dafür ist zusätzlich die ungerechtfertigte Begünstigung des Schädigers durch die Beweisnot des Geschädigten erforderlich. Wenn Gottwald den Grund für die Anwendung des § 287 ZPO in der durch den Schädiger geschaffenen Gefährdung sieht, so versucht er über die materiellrechtliche Differenzierung der Kausalitätsformen seinen Ansatz zu begründen. Das steht aber im Widerspruch zu seiner Aussage, der Unterscheidung der Kausalitätsformen komme sowohl materiell- als auch beweisrechtlich keine Bedeutung zu. Entscheidend an Überzeugungskraft büßt der Vorschlag Gottwalds zudem dadurch ein, daß § 287 I ZPO nach seiner Konzeption sachlich überflüssig ist 110 . Gottwald leitet nämlich aus der Formulierung des § 286 ZPO, das Gericht habe nach freier Überzeugung zu entscheiden, die Befugnis des Richters ab, das Beweismaß von Fall zu Fall nach seinem Ermessen unterschiedlich festzulegen 111 .

3. Ausweitung der Haftungsnormen Der von Stoll 112 vorgebrachte Einwand, die Anwendung des § 287 ZPO auf haftungsbegründende Kausalzusammenhänge führe zu einer Ausweitung der

108

Schadenszurechnung, S. 80.

109

A.a.O., S. 81.

110

A.a.O., S. 216 f. und 245.

111 Vgl. Gottwald, a.a.O., S. 186 ff.; dagegen Kollhosser, ZZP 96 (1983), 270, 276; Siehe dazu auch oben Kap. 2 § 2 I 2 a. 112

AcP 176 (1976), 146, 181.

100

4. Kapitel: Beweiserleichterung durch die §§ 287 Abs. 1 ZPO, 252 S. 2 BGB

Haftungsnormen, steht der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Eine solche Gefahr besteht nicht. Zwar wird schon in den Protokollen zum Entwurf des BGB — in etwas anderem Zusammenhang — auf die Gefahr einer Ausweitung der Haftungsnormen infolge der Zulassung erleichterter Feststellung hingewiesen. Dabei hatte die Kommission aber allein die erleichterte Feststellung der Rechtsgutverletzung im Auge 113 . Zudem dürfte sich das definitorische Beweisrisiko nur selten beim Kausalnachweis im Rahmen des Haftungsgrundes realisieren.

II. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO als Problemlösung bei Informationspflichtverletzungen Soll dem durch eine Informationspflichtverletzung geschädigten Bankkunden die Beweiserleichterung des § 287 I ZPO beim Kausalnachweis zustatten kommen, muß sich in der Beweisnot des Kunden das definitorische Beweisrisiko realisieren. Die Beweisnot des Kunden bei der Verletzung von Informationspflichten beruht auf dem zu erbringenden Nachweis informationsgerechten Verhaltens. Der Kunde muß die hypothetischen Motive darlegen und beweisen, die ihn zu dem von ihm behaupteten nicht schadenswirksamen Willensentschluß veranlaßt hätten. Damit wird dem Kunden zwar eine hypothetische Feststellung abverlangt, in der Beweisnot realisiert sich aber allein das allgemeine Beweisrisiko. Daß der Kunde keine Indizien für ein informationsgerechtes Verhalten vortragen kann, ist allein auf die zufälligen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Informationspflichtverletzung zurückzuführen. Im „Jungaktien-Fair 114 mußte der Kläger beweisen, daß er bei korrekten Prospektangaben die jungen Aktien nicht erworben hätte. Daß der Kläger diesen Beweis nicht erbringen konnte, beruhte allein auf dem zufälligen Umstand, daß der Kläger seine Entscheidungsmotive nicht einem Dritten mitgeteilt hatte. Entsprechendes gilt im „Lastschrift-Fall" 115 : Der Kläger befand sich bei dem Nachweis, daß er bei ordnungsgemäßer Information die Erstprämie anderweitig vor Eintritt des Versicherungsfalles gezahlt hätte, in Beweisnot. Diese beruht aber auf

113 Vgl. Achilles / Gebhard / Spahn, Protokolle Bd. II, S. 574 f. Dort wird zwar nur der Begriff Schaden verwandt, gemeint ist aber die Rechtsgutverletzung, da ansonsten § 260 CPO anwendbar gewesen wäre (Greger, Beweis, S. 138). 114

BGH W M 1988, 1031 ff. Der Sachverhalt ist in Kap. 1 § 2 I 3 wiedergegeben.

115

OLG Saarbrücken NJW 1989, 2758. Der Sachverhalt ist in Kap. 1 § 1 IV wiedergegeben.

§ 3 Die Abgrenzung der Beweisrisiken in der Kausalfrage

101

den zufälligen Gegebenheiten, da der Kläger den Beweis hätte erbringen können, wenn er z.B. noch über andere Barmittel verfügt hätte 116 .

Die Situation ist eine andere als im ,Aktienerwerb-" 117 und im „Weizenimport-Fall" 118 . In diesen Fallgestaltungen war der Willensentschluß des Mehrheitsaktionärs bzw. der Importeure infolge der Pflichtverletzung einem exakten Beweis nicht mehr zugänglich. Aufgrund der Pflichtverletzungen machte sich der Mehrheitsaktionär keine Gedanken über den Verkaufspreis des Aktienpakets an den Kläger und die Importeure keine Gedanken über eine Beauftragung der Klägerinnen.

III. Zusammenfassung Die Abgrenzung der Bereiche von § 286 ZPO und § 287 ZPO hat sich allein an dem sich im konkreten Einzelfall realisierenden Beweisrisiko zu orientieren. Nur, wenn sich das definitorische Beweisrisiko in der Beweisnot des Geschädigten realisiert, rechtfertigt sich die Anwendung des § 287 I 1 ZPO bzw. des § 252 S. 2 BGB. In Fällen der Verletzung von Informationspflichten durch eine Bank realisiert sich allein das allgemeine Beweisrisiko, so daß § 287 I 1 ZPO keine Anwendung findet.

116

Insoweit anders Koller, EWiR § 282 BGB 1 / 89, 1177, 1178 unter 4.

117

BGH NJW 1983, 998 f.

118

BGHZ 29, 393 ff.

. Kapitel

Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten „Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr" 1. Mit diesen Worten bringt der BGH treffend zum Ausdruck, daß die Umkehr der Beweislast lediglich ultima ratio zur Behebung von Beweisnot sein kann2. Mangels gesetzgeberischer Aktivitäten 3 ist die Erleichterung des Kausalnachweises mittels Beweislastumkehr generell und bei Informationspflichtverletzungen im speziellen eine Domäne des Richterrechts. Dabei hat die Rechtsprechung auf sehr verschiedenen Feldern dem Geschädigten den Beweis des Kausalzusammenhangs durch Umkehr der Beweislast erleichtert. Zu nennen sind hier die Produzentenhaftung 4, die Haftung für Immissionsschäden5, die Fälle von Beweisvereitelung 6 , wozu auch die unzulängliche ärztliche Dokumentation zu zählen ist 7 , die Haftung bei grober Verletzung von Berufspflichten 8 und die Haftung bei Verletzung von Aufklärungspflichten 9. Für die hier interessierende Fragestellung der Anwendbarkeit einer besonderen Beweislastregel bei Informationspflichtverletzungen, sind naturgemäß nur die zwei letztgenannten Fallgruppen von unmittelbarer Bedeutung. Für die Produzentenhaftung — mit Ausnahme des Instruktionsfehlers — und die Haftung für Immissionsschäden unmittelbar ein-

1

BGHZ 72, 132, 139; 85, 212, 215.

2

Vgl. Baumgärtel, FS Universität Köln, 1988, S. 165, 175.

3 Vgl. dazu das ProdhaftG, das in § 1 IV 1 eine Beweislastumkehr nur bezüglich der Verschuldensfrage vorsieht und in § 1 II Nr. 2 lediglich das Beweismaß der Kausalität senkt (MünchKomm / Prütting, ZPO, § 286 Rdnr. 46). 4

Graf v. Westphalen / Foerste, Produkthaftungshandbuch I, § 30 Rdnr. 83 ff.

5

BGHZ 92, 143 ff. (Kupolofen).

6

BGHZ 6, 224 ff.

7

Baumgärtel / Wittmann, S. 257, 261.

JA 1979, 113, 118; Prütting,

8

Vgl. nur BGH NJW 1962, 959 f.

9

BGHZ 61, 118 ff.

FS Landgericht Saarbrücken, 1985,

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

103

sichtig, gilt das auch für die Beweisvereitelung, da die Bank durch eine falsche oder unterlassene Information nicht auf Beweismittel einwirkt.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten (ohne Arzthaftung) Aufklärungspflichten spielen naturgemäß i m Rahmen der Haftung der beratenden Berufe eine bedeutende Rolle. Neben diesen Fällen liegt ein weiterer Schwerpunkt der Rechtsprechung bei der Verletzung von Aufklärungspflichten durch Ärzte. Beide Aufklärungspflichten erfordern eine getrennte Betrachtung, da die Ordnungsmäßigkeit ärztlicher Aufklärung Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Behandlung ist 1 0 .

I. Aufklärungspflichten in der Rechtsprechung 1. Die Leitentscheidung

BGHZ 61, 118 ff.

Die Entscheidung des V I I . Senats i m 61. Band bildet den Markstein der Rechtsprechung zur Beweislastumkehr bei Aufklärungspflichtverletzungen. (Werbeagentur-Fall): Die klagende Werbeagentur hatte die Werbeberatung und -durchführung für Erzeugnisse der Beklagten übernommen. Die Klägerin schrieb einen Bastei Wettbewerb aus, bei dem die besten aus einer von der Beklagten produzierten Selbstklebefolie hergestellten Arbeiten prämiert werden sollten. Wegen des wettbewerbswidrigen Kaufzwangs für die Folie wurde der Beklagten die weitere Durchführung gerichtlich verboten. Gegen den von der Klägerin geltend gemachten Honorar- und Auslagenanspruch rechnete die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung auf. Während das O L G Stuttgart als Berufungsgericht in Fortführung der Rechtsprechung zum groben Behandlungsfehler die Klägerin dafür beweispflichtig ansah, daß die Werbung in der geschehenen Weise auch dann durchgeführt worden wäre, wenn die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Kaufzwangklausel hingewiesen hätte 1 1 , begründete der B G H die Beweislastumkehr aus dem Gesichtspunkt der Verletzung von Aufklärungspflichten. Die Klägerin habe A u f klärungspflichten verletzt, die dazu bestimmt gewesen seien, den Vertrags-

10

Dazu näher unter § 2.

11

Vgl. BGHZ 61, 118, 119 f.

104

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

partner zu einer eigenen Entschließung über Maßnahmen zu bewegen, durch die ihm möglicherweise Schaden drohte 12. Den Zweck solcher Aufklärungs-, Hinweis- und Beratungspflichten sah der BGH darin, Klarheit darüber zu schaffen, ob der Vertragsgegner, wenn ihm das jeweilige Risiko in seiner ganzen Tragweite bewußt gemacht wird, trotzdem an der ins Auge gefaßten Maßnahme festhalten oder ob er von ihr Abstand nehmen will. Ein Zweck der so verstandenen Aufklärungspflichten ist es demnach, die in dieser Art Fällen häufig auftretende Beweisnot zu beseitigen. Ohne die Umkehr der Beweislast würde der mit der Aufklärungspflicht verfolgte Schutzzweck verfehlt 13 . Der VII. Senat geht davon aus, daß nur eine bestimmte Art von Aufklärungspflicht im Ergebnis eine Beweislastumkehr rechtfertigen kann: Die Aufklärungspflicht muß dazu bestimmt sein, den Vertragsgegner zu einer eigenen Entschließung über möglicherweise schadenstiftende Maßnahmen zu bewegen. Diese Voraussetzung lag im Werbeagentur-Fall vor, denn die ordnungsgemäße Aufklärung durch die Werbeagentur hätte die Beklagte vor die Entscheidung gestellt, die Werbung mittels Bastelwettbewerb nicht weiterzuverfolgen oder aber das Risiko einer gerichtlichen Untersagung mit allen ihren schadenswirksamen Folgen einzugehen und den Bastelwettbewerb so wie geplant auszuschreiben. Allein diese materielle Differenzierung der Aufklärungspflichten ist für den BGH Grund, eine Beweislastsonderregel anzuwenden. Die vom BGH aus der materiellen Differenzierung hergeleitete prozessuale Zweckbestimmung, in Fällen dieser Art die häufig auftretende Beweisnot zu beseitigen, eignet sich dagegen nicht als Differenzierungskriterium. Die Beweisnot ist nicht auf Fälle dieser Art beschränkt, sondern findet sich bei jeder Verletzung von Informationspflichten, da sich in diesen Fällen regelmäßig nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen läßt, wie der Informationsberechtigte bei gehöriger Information gehandelt hätte14. Auch der Schutzzweckgedanke eröffnet keine geeignete Abgrenzungsmöglichkeit. Die Beweisnot des Informationsberechtigten beim Kausalnachweis führt zwangsläufig dazu, daß die Aufklärungspflicht sanktionslos und ihr Schutzzweck verfehlt wird. Im Ergebnis stellt der BGH damit auf den Inhalt der verletzten Aufklärungspflicht ab; die Ausführungen zur Beweisnot und zum Schutzzweck dürfen hierüber nicht hinwegtäuschen.

12

BGHZ 61, 118, 121. Demgegenüber ist der Leitsatz der Entscheidung zu weit gefaßt, da die Aufklärungspflicht dort nicht näher konkretisiert wird. 13

BGHZ 61, 118, 121 f.

14

Heinemann, Beweislastverteilung, S. 170; ders., NJW 1990, 2345, 2348 re. Sp.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

105

2. Folgeentscheidungen In drei Folgeentscheidungen hatten sich der ΠΙ., der VI. und der VIII. Senat des BGH mit den beweisrechtlichen Folgen der Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten zu befassen.

a) BGHZ 64, 46 ff. - Haartonikum-Fall Der Kläger benutzte in seinem Friseurgeschäft ein von der Beklagten hergestelltes Haartonikum. Die Verwendung des Tonikums führte beim Kläger zu einer dauernden polyvalenten Überempfindlichkeit, so daß er seinen Beruf aufgeben mußte. Die Beklagte hatte die sie treffende Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß sie auf die nicht auszuschließende Gefahr einer unbemerkt erfolgenden Entwicklung zu einer irreparablen polyvalenten Überempfindlichkeit nicht hingewiesen hatte.

Das Berufungsgericht sah den Kläger dafür beweispflichtig an, daß er bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Allergiegefahr von der Verwendung des Tonikums überhaupt abgesehen oder jedenfalls von vornherein geeignete Schutzmaßnahmen getroffen hätte15. Demgegenüber sah der BGH unter Berufung auf BGHZ 61, 118 ff. die Beklagte dafür beweispflichtig an, daß der Kläger bei ordnungsgemäßer Information sich aufklärungsrichtig verhalten hätte. Den Zweck der von der Beklagten verletzten Aufklärungspflicht sah der VIII. Senat darin, Klarheit darüber zu schaffen, ob der Vertragsgegner, wenn ihm das jeweilige Risiko in seiner ganzen Tragweite bewußt gemacht wird, trotzdem an der gefaßten Maßnahme (hier Verwendung des Tonikums) festhalten oder von ihr Abstand nehmen will; er solle daher, wenn diese Frage nur hypothetisch zu entscheiden ist, von der ihn typischerweise treffenden Beweisnot entlastet werden 16. Wie im „Werbeagentur-Fall" stellt der BGH zur Differenzierung der Informationspflichten auf den — vermeintlichen — beweisrechtlichen Zweck der Aufklärungspflicht, eine Beweisnot zu verhindern, ab. Daß dieser Gesichtspunkt für die vorzunehmende Differenzierung wenig ergiebig ist, zeigte schon der „Werbeagentur-Fall" und wird im „Haartonikum-Fall" noch deutlicher: Unterläßt ein Informationspflichtiger die ordnungsgemäße Information, so kann die Kausalfrage, ob der Informationsberechtigte sich ansonsten nicht schadenswirksam verhalten hätte, schon aus der Natur der Sache heraus nur hypothetisch ent-

15

BGHZ 64, 46, 51.

16

BGHZ 64, 46, 51 f.

106

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

schieden werden 17. Wie im „Werbeagentur-Fall" hätte die ordnungsgemäße Information des Klägers durch die Beklagte diesen vor die Entscheidung gestellt, ob er das Tonikum ohne Schutzmaßnahmen verwenden und das Risiko einer allergischen Reaktion eingehen oder dieses Risiko durch präventive Schutzmaßnahmen vermeiden wollte.

b) BGH NJW 1978, 41 f. - Sickerbrunnen-Fall Die mit der Förderung und Aufbereitung von Erdöl beschäftigte Beklagte versickerte gegen ein geringes Entgelt ihre Abwässer über speziell angelegte Sickerbrunnen auf dem Grundstück des Klägers, der einen Marschenhof betrieb. Durch später aufsteigende Abwässer wurde der Kläger geschädigt. Unklar war — da vom Berufungsgericht nicht erörtert —, ob die Beklagte die vom Kläger geäußerte Befürchtung, das Abwasser könne seinem Hof schaden, durch wahrheitswidrige Erklärungen zerstreut oder es lediglich unterlassen hatte, auf drohende Gefahren hinzuweisen.

Bezugnehmend auf den „Werbeagentur-" und den „Haartonikum-Fall" will der BGH die Beklagte das Risiko der Unaufklärbarkeit tragen lassen, wenn sich nicht mehr sicher feststellen lasse, ob die unterlassene oder wahrheitswidrige Aufklärung für den Vertragsschluß ursächlich geworden ist 18 . Der Inhalt der die Beklagte treffenden Aufklärungspflicht ging dahin, den Kläger auf solche mit der Abwasserversickerung verbundene Gefahren hinzuweisen, die sie selbst kannte bzw. bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte. Da die Beklagte kein unabhängiger, am Vertragsschluß nicht interessierter Experte war, schuldete sie dem Kläger keine Empfehlung, sich in die eine oder andere Richtung zu entscheiden. Die Beklagte war lediglich verpflichtet, dem Kläger das mit dem Vertragsschluß eingegangene Risiko deutlich zu machen.

c) BGH NJW 1983, 1665 f. - Lohnzahlungs-Fall Der beklagte Rechtsanwalt vertrat den Kläger in einer Kündigungsschutzklage gegen dessen Arbeitgeber. Der Beklagte verabsäumte es, dem Kläger zu empfehlen, neben der Kündigungsschutzklage auch den auf Ersatz des Lohnausfalls gerichteten Anspruch im Klagewege zu verfolgen. Die erst nach Abschluß des Kündigungsschutzklageverfahrens erhobene Klage auf Zahlung des während der Nichtbeschäfti-

17

Auf den Gesichtspunkt der typischerweise bestehenden Beweisnot ist später einzugehen.

18

NJW 1978, 41, 42 re. Sp.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

107

gung entgangenen Lohns wurde abgewiesen, da etwaige Ansprüche wegen einer geltenden tarifvertraglichen Ausschlußfrist verfallen waren.

Nach Ansicht des BGH bestand eine tatsächliche Vermutung für einen dahingehenden erfahrungsgemäßen Ablauf, daß sich der Kläger dem geschuldeten Rat, Klage zu erheben, nicht verschlossen hätte19. Im Vergleich zu den zuvor behandelten Entscheidungen weist der „Lohnzahlungs-FaH" zwei Besonderheiten auf. Der Beklagte schuldete nicht eine Information der Art, daß er den Kläger auf das Risiko des Absehens von einer Klageerhebung hinzuweisen hatte. Der Beklagte mußte vielmehr eine Empfehlung zur Klageerhebung aussprechen, denn aus dem abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag ergab sich für ihn die Pflicht, dem Kläger alle die Schritte anzuraten, die zur Wahrung seiner Rechte erforderlich und geeignet erschienen20. Während im „Werbeagentur-", „Haartonikum-" und „SickerbrunnenFall" der Leistungsinhalt der Aufklärungspflicht sich darin erschöpfte, dem Informationsberechtigten eine Grundlage für die von ihm zu treffende Entscheidung zu schaffen, schuldete der Beklagte im „Lohnzahlungs-Fall" weitergehend einen Ratschlag hin auf die vom Kläger zu treffende Entscheidung. Im Anschluß an Vollkommer 21 kann man die in den erstgenannten Fällen geschuldete Aufklärung als Selbstentscheidungs-Aufklärung und die auf eine Empfehlung gerichtete Aufklärung, wie sie im „Lohnzahlungs-Fall" zu finden war, als Ratschlags-Aufklärung bezeichnen. Die zweite Besonderheit ist aufs engste mit dem festgestellten besonderen Leistungsinhalt verbunden. Bei der Feststellung des Kausalzusammenhangs stellte der VI. Senat ausdrücklich auf zwei Entscheidungen — darunter auch BGHZ 61, 118 ff. — ab 22 , in denen eine Umkehr der Beweislast befürwortet wurde 23 . Im ,Lohnzahlungs-Fall" kehrte der BGH dagegen die Beweislast nicht um. Zwar spricht der BGH vom Bestehen einer tatsächlichen Vermutung, deren beweisrechtliche Einordnung äußerst unklar ist 24 . Daraus aber, daß der BGH weiter ausführte, dem Berufungsgericht nicht darin folgen zu können, der Kläger habe die Schadensursächlichkeit der Pflichtverletzung des Beklagten

19

BGH NJW 1983, 1665, 1666 re. Sp.

20

Vgl. BGH VersR 1969, 849, 850.

21

FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 586.

22

Daneben noch auf BGH NJW 1981, 982 ff.

23

BGHZ 61, 118, 121; BGH NJW 1981, 982, 985.

24

Vgl. die umfassende Darstellung bei Prütting,

Gegenwartsprobleme, S. 50 ff.

108

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

nicht hinreichend dargelegt 25, geht hervor, daß der BGH die Beweislast nicht umkehren wollte.

3. Ratschlags- und Selbstentscheidungs-Aufklärung als Differenzierungskriterium der Rechtsprechung In ihrem Ausgangspunkt geht die Rechtsprechung von einer Exklusivität bestimmter Aufklärungspflichten aus, deren Verletzung eine Beweislastumkehr in der Kausalfrage nach sich zieht. Die zuvor herausgearbeitete Unterscheidung von Selbstentscheidungs- und Ratschlags-Aufklärung könnte ein praktikables Differenzierungskriterium darstellen, um Aufklärungspflichten nach den beweisrechtlichen Folgen im Falle ihrer Verletzung abzugrenzen. Ob dem so ist, soll der nachfolgende Überblick über die im Zusammenhang mit der Beweislastfrage ergangenen Entscheidungen nach Verletzung von Informationspflichten zeigen.

a) Annahme einer Beweislastumkehr unter besonderer Berücksichtigung des Bankhaftungsrechts Die Rechtsprechung hat gerade in Fällen von Berufshaftung, häufig auf die Leitentscheidung im 61. Band bezugnehmend, die Beweislast zugunsten des Informationsberechtigten umgekehrt. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Haftung der beratenden Berufe, aber auch im Bankhaftungsrecht wird auf den Werbeagentur-Fall zur Begründung einer Beweislastumkehr abgestellt.

aa) Berufshaftung

beratender Berufe

Unter Bezugnahme auf BGHZ 61, 118 ff. kehrte der BGH in einer Entscheidung vom 23.6.198126 die Beweislast zuungunsten der beklagten Rechtsanwälte um, die es verabsäumt hatten, den Kläger auf die drohende Verjährung hinzuweisen, wenn kein Beweissicherungsantrag gestellt würde 27 . Entspre-

25

NJW 1983, 1665, 1666 re. Sp.

26

VersR 1981, 982, 985.

27

Ebenso entschied das OLG Stuttgart bei vergleichbarer Sachverhaltsgestaltung in VersR 1978, 652, 653.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

109

chend entschied der BGH in einem Fall, in dem die beklagten Rechtsanwälte pflichtwidrig der Mandantin die Anrufung des unzuständigen Gerichts angeraten hatten28. In beiden Fällen schuldeten die Beklagten eine Empfehlung, wie sich der Informationsberechtigte am für ihn günstigsten verhalten sollte; es handelte sich also um Ratschlags-Aufklärungen. Die letztgenannte Entscheidung ist darüber hinaus deshalb beachtenswert, weil der BGH die — vom Berufungsgericht aufgeworfene — Frage ansprach, ob entsprechend den Fällen der ärztlichen Aufklärungspflichtverletzung die Mandantin eine gesteigerte Substantiierungspflicht traf. Im Ergebnis ließ der BGH die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung offen, da die Mandantin ihrer Substantiierungslast genügt habe und sogar eine tatsächliche Vermutung für ein aufklärungsrichtiges Verhalten bestehe29. Weist ein Steuerberater seine Klienten bei der Umwandlung einer KG in eine GmbH nicht auf die Möglichkeit einer steuerfreien Übertragung von Betriebsvermögen hin, so ist er nach Ansicht des BGH dafür beweispflichtig, daß der Beratene sich nicht an seinen Rat gehalten hätte, wenn der Berater seine Beratungspflicht verletzt hat und feststeht, daß bei ordnungsgemäßer Beratung und Befolgung des Rates der Schaden vermieden worden wäre 30 . Ein Versicherungsmakler unterließ die Mitteilung an die Versicherungsnehmerin, daß die Versicherung den Versicherungsschutz für ein Warenlager abgelehnt hatte. Einen Monat nach der Ablehnung wurde in das Warenlager eingebrochen. Der BGH sah den Makler als dafür beweispflichtig an, daß die Versicherungsnehmerin bei Information über die Ablehnung und gehöriger Aufklärung über das Erfordernis neuen Versicherungsschutzes ihr Verhalten nicht so eingerichtet hätte, daß der eingetretene Schaden vermieden worden wäre 31 . Die vom Makler geschuldete Information beschränkte sich auf die Mitteilung von der Ablehnung und der Notwendigkeit neuen Versicherungsschutzes. Welche Maßnahmen die Klägerin ergreifen sollte, blieb ihr überlassen. Der Makler war nicht zu einer bestimmten Empfehlung verpflichtet, so daß ein Fall einer Selbstentscheidungs-Aufklärung vorlag. In einer Entscheidung des BGH vom 30.9.1981 hatte ein vom Kläger beim Kauf eines Ingenieurbüros hinzugezogener Berater diesem pflichtwidrig nicht

28

BGH W M 1990, 1301, 1303.

29

W M 1990, 1301, 1304.

30

BGH VersR 1985, 265, 266.

31

BGHZ 94, 356, 363 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung seit BGHZ 61, 118 ff.

110

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

vor Abschluß des Kaufvertrages einen Liquiditäts- und Zahlungsplan vorgelegt. Abstellend auf seine ständige Rechtsprechung zur Verletzung vertraglicher Aufklärungs- oder Beratungspflichten hielt der BGH den beklagten Berater dafür beweispflichtig, daß der Kläger auch bei ordnungsgemäßer Beratung den Ankauf getätigt hätte32. Entsprechend dieser Rechtsprechung will der BGH dem wegen einer Wettbewerbswidrigkeit Abgemahnten die Beweislast für die Schadensursächlichkeit auferlegen, wenn der Abgemahnte pflichtwidrig den Abmahnenden nicht über eine einem Dritten gegenüber wegen derselben Verletzungshandlung abgegebenen Unterlassungserklärung informiert 33 . In beiden Fällen war eine Selbstentscheidungs-Aufklärung geschuldet: Der Berater hatte den Kläger lediglich über das mit dem Kauf verbundene Risiko zu informieren, um so die Grundlage für eine Entscheidung des Klägers zu schaffen. Auch dem Abmahnenden wird mit der Mitteilung kein dahingehender Rat erteilt, von gerichtlichen Schritten Abstand zu nehmen. Es bleibt ihm überlassen, ob er solche einleiten will, weil er z.B. die Unterwerfungserklärung als fingiert betrachtet. In zwei neueren Entscheidungen, denen Fälle von Selbstentscheidungs-Aufklärung zugrunde lagen, verlangt der BGH insoweit nunmehr, daß es für den Beratenen nur eine bestimmte Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens gibt 34 . Im ersten Fall hatte der beklagte Steuerberater die Kläger bei der Beratung zu einem Bauherrenmodell nicht auf die bestehende Grunderwerbsteuerpflicht hingewiesen. Die zweite Entscheidung betraf einen Fall, in dem der beklagte Unternehmenssanierer die Klägerin zur Gewährung eines Darlehens an das sanierungsbedürftige Unternehmen veranlaßt hatte, ohne sie darüber aufzuklären, daß er seine Dienstzeugnisse gefälscht hatte, wegen Betrugs vorbestraft war und die eidesstattliche Versicherung geleistet hatte35. Der BGH machte die Umkehr der Beweislast davon abhängig, daß es für die Kläger nur eine bestimmte Möglichkeit „aufklärungsrichtigen" Verhaltens gab, nämlich die Abstandnahme von dem Projekt bzw. die Nichtbeauftragung des beklagten Unternehmensberaters.

32 ZIP 1981, 1213, 1215. In diesem Zusammenhang stellt der BGH entscheidend auf die eintretende Beweisnot ab. 33

MDR 1988, 933 Nr. 8.

34

BGH W M 1990, 681, 683 unter III.; NJW 1990, 1907, 1909. Dabei bezieht der BGH sich auf eine Entscheidung zum Artzhaftungsrecht in NJW 1989, 2320 f. 35

BGH NJW 1990, 1907, 1909.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

111

Dieser kurze Überblick über die Rechtsprechung zeigt bereits, daß der BGH die Annahme einer Beweislastsonderregel im Ergebnis nicht von der Unterscheidung Ratschlags- und Selbstentscheidungs-Aufklärung abhängig macht.

bb) Entscheidungen aus dem Bankhaftungsrecht

Das zuvor gefundene Ergebnis ist auch in der Rechtsprechung zum Bankhaftungsrecht festzustellen. Für den Bereich des Optionshandels geht der BGH und ihm folgend die Instanzgerichte von einer Umkehr der Beweislast zugunsten des Optionserwerbers aus, wenn diesem die Höhe des Aufschlages auf die Optionsprämie nicht offengelegt wird 36 . Die dem Erwerber geschuldete Information ist als Selbstentscheidungs-Aufklärung einzustufen, da der Vermittler der Option den Erwerber lediglich auf das erhöhte Risiko hinweisen muß, ihm aber die Entscheidung für oder gegen das Risikogeschäft nicht angeraten wird. Entsprechendes gilt in den Prospekthaftungsfällen, wo die Gerichte bislang die Anwendung einer Beweislastsonderregel bevorzugen 37. Auch hier stellt sich die geschuldete Leistung als Selbstentscheidungs-Aufklärung dar, da die Prospektangaben dem Anleger Informationen geben sollen, die er für seine Anlageentscheidung benötigt. Mehrfach bejahte der BGH eine Umkehr der Beweislast wegen Verletzung der Aufklärungspflicht bei Kreditgeschäften. Weist die Bank den Kreditnehmer bei den Vertragsverhandlungen nicht auf die spezifischen Nachteile und Risiken der Kombination von Festkredit und Kapitallebensversicherung hin 38 oder klärt sie den Kunden nicht über die mit der Umschuldung verbundenen Nachteile auf 39 , so hat sie zu beweisen, daß der Kunde den Vertrag auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung abgeschlossen hätte. Allen Entscheidungen aus dem Bereich des Kreditgeschäfts ist gemeinsam, daß es sich um Fälle von Selbstentscheidungs-

36 BGH W M 1981, 552, 553; 1984, 961 f.; 1986, 734, 735; NJW 1984, 1688 f.; ZIP 1991, 87, 90; OLG München W M 1990, 1331, 1332; OLG Düsseldorf W M 1988, 566, 570. 37 BGH W M 1988, 1031; 1991, 85, 86; OLG Stuttgart W M 1987, 1260, 1261 f. Lapidar stellt Emmerich, JuS 1991,422 in seiner Besprechung der Entscheidung des BGH vom 27.11.1990 ( W M 1991, 85 ff.) fest: „Es ist klar, daß die Kläger dann (sie: bei ordnungsgemäßer Information) den Zwischenkredit ebenso wie die Beteiligung an dem Bauherrenmodell abgelehnt hätten,...". 38

BGH W M 1989, 665; JZ 1991, 147, 149 m. Anm. Grunewald.

39

BGH NJW-RR 1991, 501, 502 re. Sp.

112

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

Aufklärung handelte, da die Bank dem Kunden ein Risiko bewußt machen mußte, sie aber nicht verpflichtet war, ihm zum Geschäft zu raten bzw. von diesem abzuraten.

b) Ablehnung einer Beweislastumkehr Auch die Entscheidungen, in denen eine Beweislastumkehr verneint wurde, bestätigen die bereits getroffene Feststellung. Ohne sachliche Begründung ging der BGH in einem Anwaltshaftungsfall von der grundsätzlichen Beweislastverteilung aus40. Die Klägerin hatte kurze Zeit nach einer Unterleibsoperation einen Verkehrsunfall erlitten und eine Fleischwunde am Knie davongetragen. Den von den beklagten Rechtsanwälten gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers geltend gemachten Entschädigungsbetrag bot die Versicherung vollständig abzufinden an. Die Abfindungserklärung, die sämtliche Schäden einschließlich etwaiger Zukunftsschäden erfaßte, leiteten die Beklagten der Klägerin zu, ohne sie auf den mit der Unterzeichnung des Vergleichs verbundenen Verlust von Ersatzansprüchen für etwaige Spätfolgen hinzuweisen.

Obwohl die Beklagten ihre gegenüber der Klägerin bestehende Informationspflicht verletzt hatten, hielt der BGH die Klägerin dafür beweispflichtig, daß sie bei ordnungsgemäßer Information die Abfindungserklärung nicht unterzeichnet hätte41. Die Entscheidung steht im krassen Widerspruch zur Rechtsprechung bei Aufklärungspflichtverletzungen 42. Zwar schuldeten die Beklagten keine Ratschlags-Aufklärung, da sie die gesundheitliche Disposition der Klägerin nicht abzuschätzen vermochten. Geschuldet war aber unzweifelhaft eine Selbstentscheidungs-Aufklärung und in diesen Fällen hatte der BGH bis dato eine Umkehr der Beweislast vertreten 43. Bereits zwei Jahre früher war der BGH 4 4 in einem Notarhaftungsfall von seiner bisherigen Rechtsprechungslinie abgewichen. Die Klägerin gewährte einem Dritten ein Darlehen und erhielt zu ihrer Sicherung ein Schuldanerkenntnis, das der Dritte vor dem Beklagten abgegeben hatte und worin der Dritte

40

VersR 1983, 86.

41

Das Berufungsgericht hatte demgegenüber zutreffend bereits die Verletzung einer Beratungspflicht verneint, OLG Koblenz VersR 1983, 450 m. Anm. Baumgärtel. 42

Ähnlich Baumgärtel, VersR 1983, 450, 451.

43

Vgl. nur BGHZ 61, 118 ff. - Werbeagentur-Fall; BGHZ 64, 46 ff. - Haartonikum-Fall.

44

W M 1981, 1309 f.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

113

sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwarf. Der Beklagte unterließ es, die Klägerin darüber zu belehren, daß die von ihm beurkundete Unterwerfungserklärung keine besondere Sicherheit darstellte. Unter Bezugnahme auf BGHZ 61, 118 ff. hielt der BGH eine Umkehr der Beweislast nur dann für möglich, „wenn der Notar es unterlassen hat, eine Warnung zu erteilen, über die sich der Gewarnte vernünftigerweise* 5 nicht hinwegsetzen konnte". Im Streitfall qualifizierte der BGH die vom Notar geschuldete Information als einfache Belehrung, die keine Beweislastumkehr rechtfertige 46. Gerade die letztgenannte Entscheidung macht deutlich, daß der BGH bislang kein stimmiges Konzept in der Beweislastfrage bei Informationspflichtverletzungen gefunden hat. Der Notar schuldete eine Selbstentscheidungs-Aufklärung, deren Nichterbringung nach ständiger Rechtsprechung zur Beweislastumkehr führt. In Anbetracht der Untauglichkeit der Differenzierung ist der BGH bemüht, durch zusätzliche Voraussetzungen, wie die, daß es für den Beratenen nur eine bestimmte Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens gab 47 oder er sich vernünftigerweise über die Warnung nicht hinwegsetzen konnte 48 , ein zusätzliches Differenzierungskriterium

einzuführen. Ob diese

Konzeption zu klaren Abgrenzungen führt, wird noch zu untersuchen sein 49 . Zuvor ist auf die zahlreichen Begründungsversuche in der Literatur einzugehen.

II. Begründungsversuche in der Literatur Im Schriftum fehlt es nicht an Versuchen, die Beweislastumkehr bei der Verletzung von Informationspflichten dogmatisch zu begründen. Während die Kommentarliteratur der Rechtsprechung im Anschluß an BGHZ 61, 118 ff. zustimmt 50 , verfolgen andere Autoren abweichende Begründungsansätze51. Die

45

Hervorhebung durch den Verf.

46

W M 1981, 1309, 1310.

47

BGH W M 1990, 681, 683; NJW 1990, 1907, 1909.

48

BGH W M 1981, 1309, 1310.

49

Siehe dazu unten § 3.

50

Staudinger / Löwisch, BGB, § 282 Rdnr. 14; Soergel / Wiedemann , BGB, Vor § 275 Rdnr. 261 (zu c.i.c.) u. 543 (zu pFV); Jauernig / Vollkommer, BGB, § 282 Anm. 3 c; MünchKomm / Emmerichi, BGB, Vor § 275 Rdnr. 91; RGRK / Alff, BGB, § 276 Rdnr. 146; Palandt / Heinrichs, BGB, § 282 Rdnr. 15. Ebenso zustimmend Lange, Schadensersatz, § 3 X I I I 2 c, S. 164; Larenz, SchuldR I, § 29 IV, S. 518; v. Heymann, NJW 1990, 1137, 1148. 8 Brüske

114

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

beiden Extrempunkte des gesamten Meinungsspektrums bilden die Auffassungen, der Informationsverpflichtete sei schon nach den normalen Beweislastregeln im Hinblick auf den Kausalzusammenhang beweispflichtig bzw. er könne nach Treu und Glauben nicht den Einwand eines nicht informationsgerechten Verhaltens des Berechtigten erheben. Demgegenüber versucht die überwiegende Zahl der Literaturstimmen, eine Beweislastumkehr aus dem — sehr unterschiedlich akzentuierten — Normzweck abzuleiten. In diesem Zusammenhang sei noch folgendes kurz angemerkt: Obwohl die Rechtsprechung vielfach unter § 282 BGB rubriziert wird, läßt sich die Umkehr der Beweislast bei Aufklärungspflichtverletzungen nicht mit dem Gedanken des § 282 BGB begründen. Die Aufklärung als solche stellt zwar einen Erfolg dar, erforderlich ist aber, daß der Nichteintritt einer Rechtsgutverletzung vom geschuldeten Erfolg erfaßt ist. Daran fehlt es, weil der Aufklärungspflichtige keinerlei Einfluß darauf hat, daß der Aufgeklärte der Aufklärung gemäß handelt 52 . Die gleiche Überlegung spricht auch gegen eine Umkehr der Beweislast aus dem Gefahrenbereichsgedanken heraus 53. Der Berechtigte muß nach dieser Theorie 54 darlegen und notfalls beweisen, daß die Schadensursache gerade aus dem Gefahrenbereich des Pflichtigen stammt55. Schadensursächlich ist aber auch der Willensentschluß des Berechtigten, also ein Umstand, der seinem eigenen Gefahrenbereich entstammt. Im Ergebnis liegen sich überschneidende Gefahrenbereiche vor 56 .

7. Problemlösungen außerhalb der Beweislastfrage Eine Problemlösung außerhalb der Beweislastfrage versuchen Joachim Schmidt, Musielak und Hofmann.

51

Kritisch zur Entscheidung in BGHZ 61,118 ff. haben sich u.a. Hofmann, NJW 1974, 1641 ff.; J. Schmidt, JuS 1975,430 ff.; Heinemann, Beweislastverteilung, S. 168 ff. u. Stoll, AcP 176 (1976), 145, 158 f. geäußert. 52

Heinemann, Beweislastverteilung, S. 164.

53

Während die Rechtsprechung bislang eine Übertragung der Theorie auf den Kausalbeweis ablehnt (vgl. BGH VersR 1970, 831, 832; 1975, 466, 467), wird dies in der Literatur z.T. bejaht, vgl. Hainmüller, Anscheinsbeweis, S. 152 ff.; Prölss, Beweiserleichterungen, S. 77 ff. 54

Vgl. dazu allgemein Prölss, Beweiserleichterungen, S. 65 ff.

55

Prölss, a.a.O., S. 82.

56

H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 530. Allgemein gegen eine Anwendung der Theorie auf den Kausalnachweis Musielak, AcP 176, (1976), 465, 478 f.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

115

Während Schmidt 57 in der vom BGH im „Werbeagentur-Fall" angenommenen Beweislastverteilung keine Umkehr der Beweislast, sondern die Anwendung der normalen Beweislastregeln sieht, geht Musielak 58 lediglich von einer Umkehr der Behauptungs- und Beweisführungslast im „Werbeagentur-" und „Haartonikum-Fall" aus. Zur Begründung seiner Auffassung legt Schmidt den seiner Auffassung nach Beratungs- bzw. Hinweispflichten statuierenden Vertrag unter besonderer Berücksichtigung der Interessenlage aus. In Fällen dieser Art gingen die Vertragsparteien davon aus, daß eine mangelnde Aufklärung in aller Regel einen Schaden der informationsberechtigten Partei zur Folge habe, den die Aufklärung gerade verhindern solle. Dieser Regelsatz führe bei Vorliegen eines solchen Schadens und feststehender Verletzung der Aufklärungspflicht dazu, daß der Aufklärungspflichtige die NichtUrsächlichkeit seines Handelns darlegen und beweisen müsse, da er sich auf einen Ausnahmetatbestand berufe 59. Musielak verfolgt demgegenüber eine auf Interessenabwägung gestützte Argumentationslinie. Der Geschädigte dürfe nicht durch die bloße Behauptung, er wäre einem Rat oder Hinweis sowieso nicht gefolgt, zu dem nur schwer zu führenden Beweis gezwungen werden, wie er auf die geschuldete Information reagiert hätte. Eine generelle Beweislastumkehr zu Lasten des Informationspflichtigen gehe aber zu weit. Deshalb sei im Rahmen der Beweiswürdigung in der Regel, nämlich dann, wenn keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme bestehen, davon auszugehen, daß der Geschädigte sich einem richtigen Rat oder Hinweis nicht verschlossen hätte60. Beide Autoren suchen die Problemlösung über Sätze der allgemeinen Lebenserfahrung, also letztlich über den Anscheinsbeweis61. Typischerweise befolgt eine vernünftige Person den ihr von einem von ihr selbst angesprochenen Fachmann erteilten Rat, der auf eine drohende Schädigung hinweist.

57

JuS 1975, 430, 433.

58

Grundlagen, S. 180; Musielak / Stadler, Grundfragen des Beweisrechts, Rdnr. 279.

59

J. Schmidt, JuS 1975, 430, 433. Die von Schmidt in bezug genommene Aufassung von Grunsky, Grundlagen, § 41 III 2 a, aa, S. 429 zielt auf eine Absenkung des Beweismaßes ab. 60 61

Musielak, Grundlagen, S. 180; Musielak / Stadler, Grundfragen des Beweisrechts, Rdnr. 279.

J. Schmidt, JuS 1975, 430,432 verneint zwar ausdrücklich eine Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises. Seine Begründung, individuelle Entschlüsse seien dem Anscheinsbeweis nicht zugänglich, beruht aber auf einer Verkennung der Rechtsprechung des BGH (vgl. insoweit Kap. 3 § 2). Ausdrücklich auf den Anscheinsbeweis stellt Rinsche, Haftung des Rechtsanwalts, Rdnr. I 148 ab.

116

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

Über das Extrem der Beweislastumkehr hinausgehend, will Hofmann den Gegenbeweis bei der Verletzung von Informationspflichten gar nicht erst zulassen, weil das Verbot des venue contra factum proprium dem Informationspflichtigen den Einwand abschneide, es stehe nicht fest, ob der Berechtigte den Rat beherzigt hätte62. Zur Begründung führt Hofmann zwei Gesichtspunkte an: Zum einen werde die Entscheidungsfreiheit des Berechtigten durch die Pflichtverletzung endgültig vereitelt. Zum anderen bestehe kein grundlegender Unterschied zwischen dem zuvor erwähnten Einwand und dem Einwand, der Berechtigte hätte, wenn er sorgfältig genug gewesen wäre, erkennen müssen, daß der ihm erteilte Rat unrichtig war und ihn daher nicht befolgen dürfen, ein Einwand, der wegen des Verbotes des venire contra factum proprium unbeachtlich ist 63 .

2. Die Umkehr der Beweislast als Ausfluß des Normzwecks Ganz überwiegend wird in der Literatur — ebenso wie in der Rechtsprechung — der Normzweck zur Begründung der Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten herangezogen. Schutzzwecküberlegungen stehen insoweit im Mittelpunkt der Diskussion. Trotz des gemeinsamen Begründungsansatzes ist ein breit gestreutes Meinungsspektrum festzustellen.

a) Erhalt des Pflichtcharakters durch Beweislastumkehr Im Schrifttum findet sich eine breite Strömung, die — bei Unterschieden im Einzelnen — bei Verletzung von Verhaltensnormen die Umkehr der Beweislast aus dem Gedanken der Risikoerhöhung herleitet 64. Werde durch die Verletzung einer Verhaltensnorm das Risiko des Schadens erhöht, habe der Verletzer zu seiner Entlastung zu beweisen, daß der Schaden unabhängig von der Verletzung eingetreten ist. Der Zweck der Verhaltensnorm, den Schaden zu verhin-

62

NJW 1974, 1641, 1643.

63

Vgl. insoweit die Nachweise bei Hofmann, NJW 1974, 1641, 1643.

64

Deutsch, Haftungsrecht, S. 247 f.; ders., FS Larenz, 1973, S. 885, 901; ders., FS v. Caemmerer, 1978, S. 328, 335; ders., JZ 1974, 712; ders., NJW 1976, 2289, 2292; v. Bar, Verkehrspflichten, S. 291 ff.; Obwohl Hanau, Kausalität, S. 130 ff. den Gefahrerhöhungsgedanken ausdrücklich ablehnt, rechnet er sich zu den Vertretern dieser Lehre, vgl. MünchKomm / Hanau, BGB, § 276 Rdnr. 133.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

117

dem, verlange nach der Schadenstragung durch den Verletzer, wenn der Schaden in dem Bereich aufgetreten ist, den die Norm ins Auge gefaßt hat. Genauer: Sollte das gebotene Verhalten das Risiko eines bestimmten Schadens herabsetzen, so trage der gebotswidrig Handelnde die Gefahr, wenn nunmehr ein Schaden eintritt 65 . Die Umkehr der Beweislast werde damit zum Essentiale solcher Verhaltenspflichten, bei denen ein Sicherheitsstandard gesetzt werden muß, um im Einklang mit dem Recht zu handeln66. Ohne Beweislastumkehr in der Kausalfrage verlöre die Verhaltenspflicht ansonsten mangels Sanktionierung ihren Charakter als Pflicht 67 . Wahrendorf knüpft bei der Frage einer Umkehr der Beweislast für den Kausalbereich an den „Werbeagentur-Fall" 68 an. Er will auf den Zweck der vertraglichen Aufklärungspflicht abstellen und sieht in ihr eine vertragliche Schutzpflicht, die ihren Grund im Vertrauensgedanken finde 69 . Die Werbeagentur nehme das Vertrauen der Auftraggeberin auf Durchführung einer ordnungsgemäßen Werbekampagne in Anspruch. Das Vertrauensprinzip gebiete aber, dem Schädiger das Risiko der Nichtbeweisbarkeit des Kausalzusammenhangs zuzuweisen70. Ansonsten würden die Schutzpflichten zu einer stumpfen Waffe, da der Schädiger eine Sanktion der Verletzung von Vertrauenspflichten nicht zu fürchten hätte71. Heinemann differenziert zwischen Informationspflichten, die eine Erfolgsverbindlichkeit begründen und solchen, die dies nicht tun. Ob letztere eine Umkehr der Beweislast rechtfertigen, will Heinemann auch aus dem Normzweck ableiten. Unter dem Gesichtspunkt der beweisrechtlichen Einstandspflicht für Erfolgsverbindlichkeiten hält er im „Werbeagentur-Fall" die Agentur schon nach der allgemeinen Beweislastverteilung für die schadenswirksame Entscheidung des Unternehmens beweispflichtig. Das ergebe sich aus der eingegangenen Erfolgsverbindlichkeit, die Agentur habe nicht nur eine originelle, sondern auch

65

Deutsch, JZ 1974, 712; v. Bar, Verkehrspflichten, S. 305.

66

V. Bar y Verkehrspflichten, S. 305.

67

V. Bar, a.a.O., S. 308 schränkt seinen Standpunkt allerdings bei Warn- und Informationspflichten dahin ein, daß Voraussetzung für eine Beweislastumkehr sei, daß zumindest zweifelhaft sein müsse, ob die Warnung ausreiche. 68

BGHZ 61, 118 ff.

69

Prinzipien, S. 111 f.

70

Wahrendorf,\

71

Prinzipien, S. 112.

Wahrendorf \ a.a.O., S. 109. Ähnlich auch Hofmann, Umkehr der Beweislast, S. 101, der die Beweislastumkehr in der Kausalfrage dann befürwortet, wenn die Fallgruppe durch institutionelle Beweisschwierigkeiten gekennzeichnet ist, um so eine Zurechnung der Haftung zu ermöglichen.

118

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

eine durchführbare Werbeaktion geschuldet72. Für die andere Gruppe der Aufklärungspflichten, also die, die keine Erfolgsverbindlichkeit beinhalten, knüpft Heinemann zur Begründung der Beweislastumkehr am Normzweck an, den er in der Befolgung der Norm sieht. Aufgabe der Haftung sei es, diesen Zweck und damit die Norm sicherzustellen. Aus diesem Grunde bedürfe es einer Umkehr der Beweislast, wenn die Haftung regelmäßig an Beweisschwierigkeiten scheitere 73. Die Herleitung einer besonderen Beweislastregel aus dem so verstandenen Normzweck führt im Ergebnis zu einer von der Aufklärungspflicht nicht umfaßten Erfolgshaftung. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Normzweck und unangemessener Haftungsverschärfung will Heinemann durch zwei weitere Erfordernisse ausgleichen: Zum einen müsse die Aufklärungspflicht generell zur Schadensverhütung geeignet sein 74 . Zum anderen müsse mit dem pflichtwidrig geschaffenen Verletzungsrisiko typischerweise das beweisrechtliche Risiko der Unaufklärbarkeit verbunden sein 75 . Zum Beleg der ersten Beschränkung stellt Heinemann auf die Handelsvertreterfälle 76 und die Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht ab: Die rechtzeitige Information des Handelsvertreters von der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses sei generell nicht zur Schadensverhütung geeignet, da der Handelsvertreter nur in die Lage versetzt werde, sich um eine neue Stelle zu bemühen. Demgegenüber sei die Aufklärungspflicht des Arztes geeignet, ihr Ziel, die Vermeidung nicht gebilligter Eingriffe, zu erreichen, da bei wirksamer Einwilligung eine Rechtsverletzung nicht mehr eintreten könne 77 . Auch Schultz sieht im Geltungsanspruch des Rechts den maßgeblichen Grund dafür, dem Informationspflichtigen den Beweis der ihm günstigen hypothetischen Kausalität aufzuerlegen 78. Eine Einschränkung müsse dieser Grundsatz aber bei Informationspflichtverletzungen erfahren, da die hypothetischen Entscheidungen zum Verantwortungsbereich des Entscheidungsträgers gehörten. Eine Beweisbelastung des Informationspflichtigen rechtfertige sich daher nur dann, wenn die geschuldete Information dem Berechtigten bei objektiver Betrachtung der konkreten Entscheidungssituation vernünftigerweise keine Wahl

72

Heinemann, Beweislastverteilung, S. 164 f.

73

Heinemann, a.a.O., S. 170 f.

74

A.a.O., S. 171.

75

A.a.O., S. 172.

76

Z.B. BGH NJW 1974, 795, 796.

77

Heinemann, a.a.O.

78

VersR 1990, 808, 813 re. Sp.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

119

gelassen hätte. Lasse die geschuldete Information dagegen immer noch mehrere Entscheidungen objektiv vernünftig erscheinen, sei der vom geschützten Rechtssubjekt ausgehende objektive Geltungsanspruch nicht stark genug, die Beweislast des Pflichtigen zu begründen 79.

b) Materielle Korrektur der Haftungstatbestände im Kausalitätsmerkmal Eine völlig andere Argumentation findet sich bei Hanau in seiner Göttinger Habilitationsschrift 80. Hanau will den Kausalitätsbeweis zunächst durch die Anwendung des § 287 ZPO erleichtern. Indem er den Haftungsgrund in der Vornahme der pflichtwidrigen Handlung und nicht erst in der Rechtsgutverletzung sieht, erschließt er der Vorschrift einen weiteren Anwendungsbereich als er allgemein angenommen wird 81 . Für den Fall der hypothetischen Kausalität, den er auch in einem Berufen auf ein nicht informationsgerechtes Verhalten sieht, geht Hanau dagegen von der Notwendigkeit einer Beweislastumkehr aus82. Dabei will er die hypothetische Kausalität nicht, wie überwiegend angenommen83, allein bei der Schadensberechnung berücksichtigen, sondern den hypothetischen Ausgang des gebotenen Alternativverhaltens bereits bei der Kausalitätsprüfung beachten84. Da die Haftungstatbestände den Kausalzusammenhang als Einheit konzipieren, seien diese im Wege ergänzender Auslegung zu korrigieren, um so der besonderen Schwierigkeit des Beweises hypothetischer Kausalität Rechnung zu tragen 85. Hanau will deshalb den Kausalverlauf in zwei Phasen mit jeweils unterschiedlicher Beweislastverteilung aufspalten 86. In der ersten Phase gehe es darum, ob das konkrete Schadensereignis von einer Kausalreihe verursacht wurde, die zu verhindern Pflicht des Verpflichteten war; insoweit treffe den Berechtigten die Beweislast. In der zweiten Phase sei festzustellen, ob der geltend gemachte Schaden auch bei pflichtgemäßem

79

Schultz·, VersR 1990, 808, 813.

80

Kausalität, S. 136 ff.

81

Hanau, Kausalität, S. 135 f.

82

A.a.O., S. 136.

83

Vgl. Staudinger / Medicus, BGB, § 249 Rdnr. 98.

84

Hanau, a.a.O., S. 138.

85

Hanau, a.a.O., S. 141.

86

Kausalität, S. 141.

120

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

Verhalten eingetreten wäre. Insoweit liege die Beweislast beim Verpflichteten 87 . Eine solche Auslegung hält Hanau schon de lege lata für zulässig, da sich dieser Rechtsgedanke bereits in den §§ 287, 831 ff., 848 BGB, 565 HGB finde und die dort als vermeintliche Ausnahme formulierte Umkehr der Beweislast bei hypothetischer Kausalität Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens

c) Das beweisrechtliche Risiko als Inhalt des Normzwecks Stoll will, losgelöst von Informationspflichtverletzungen, bei jeder Art von Pflichtverletzung die Beweislast in bezug auf den Kausalzusammenhang zu Lasten des Handelnden umkehren, wenn mit dem pflichtwidrig geschaffenen Verletzungsrisiko typischerweise das beweisrechtliche Risiko der Unaufklärbarkeit des Kausalzusammenhangs verbunden ist. Bei derartigen Konstellationen umfasse der Normzweck auch das Risiko der Unaufklärbarkeit 89. Seine Auffassung hat Stoll später insbesondere in Bezug auf die Verletzung vertraglicher Aufklärungs- und Warnpflichten näher konkretisiert 90. In der abwägendenen Erörterung des „Werbeagentur-" 91 und des „Haartonikum-Falles" 92 gelangt Stoll zur Differenzierung nach erfolgsbezogenen Aufklärungspflichten und solchen Informationspflichten, die der eigenverantwortlichen Selbstentscheidung dienen. Für den „Werbeagentur-Fall" sieht Stoll keine Notwendigkeit, die Umkehr der Beweislast aus dem Zweck der Aufklärungspflicht abzuleiten. Nach seiner Ansicht hatte die Werbeagentur die Kampagne fehlerhaft durchgeführt und hierdurch den Gläubiger geschädigt, weshalb ein objektiver, für den Schaden kausaler Leistungsmangel feststand. Der Einwand der Agentur beziehe sich demnach auf die hypothetische Billigung ihrer mangelhaften Leistung, für die sie nach allgemeinen Regeln die Beweislast trage 93. Im „Haartonikum-Fall" passe der Gesichtspunkt der hypothetischen Rechtfertigung dagegen nicht. Die Umkehr der Beweislast rechtfertige sich hier daraus, daß der Schuldner sich

87

Hanau, a.a.O., S. 142.

88

Hanau, a.a.O., S. 144.

89

Stoll, FS v. Hippel, 1967, S. 517, 553.

90

AcP 176 (1976), 145 ff.

91

BGHZ 61, 118 ff.

92

BGHZ 64, 46 ff.

93

Stoll, a.a.O., 158; zustimmend Heinemann, Beweislastverteilung, S. 164 f.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

121

entlasten müsse, indem er entweder eine gehörige Warnung oder deren Erfolglosigkeit beweise, da Zweck der Aufklärung die Schadensabwendung sei. Erschöpfe sich die Leistungspflicht des Schuldners in der Erteilung einer Auskunft oder in gehöriger Belehrung oder Warnung des Gläubigers, so habe die Leistungspflicht nur den Sinn, dem Gläubiger die Möglichkeit der eigenverantwortlichen Selbstentscheidung zu geben. Wegen der fehlenden Erfolgsverantwortlichkeit sei daher eine Umkehr der Beweislast nicht gerechtfertigt 94. Wie Stoll will Baumgärtel eine Umkehr der Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der Informationspflichtverletzung und dem Schaden bejahen, wenn mit der objektiven Pflichtverletzung typischerweise das beweisrechtliche Risiko der Unaufklärbarkeit des Kausalzusammenhangs verbunden ist 95 . In der Differenzierung der Informationspflichten folgt Baumgärtel Stoll insoweit, als er eine Beweislastumkehr nicht für gerechtfertigt hält, wenn die Aufklärung nur der Information zur freien Entscheidung dient 96 . Ansonsten will er bei der Verletzung von Aufklärungspflichten die Beweislast umkehren, da sich der Schädiger, der den Kausalzusammenhang bestreitet, auf eine Ausnahme berufe. Die Beweislastumkehr folge aus dem allgemeinen Grundsatz, daß deijenige, der sich auf eine Ausnahme beruft, dafür die Beweislast trägt. Mit dieser Auffassung Baumgärtels setzt sich Vollkommer intensiv unter dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung auseinander. Vollkommer nimmt die Zweiteilung Baumgärtels — und letztlich auch Stolls — auf und faßt sie begrifflich als Ratschlags- und Selbstentscheidungs-Aufklärung. Erstere liege vor, wenn die Aufklärungspflicht sich als erfolgsbezogene Leistungspflicht darstelle, d.h. sie dazu diene, Schaden von dem Vertragspartner abzuwenden97. Sei die Aufklärungspflicht verhaltensbezogen, d.h. diene die Aufklärung dazu, dem Vertragspartner die notwendigen Informationen zu geben, um ihm eine selbständige Entscheidung zu ermöglichen 98, liege der Fall einer Selbstentscheidungs-Aufklärung vor 99 . Anders als Baumgärtel und Stoll sieht Vollkommer in der Ratschlags-Aufklärung keinen Anwendungsfall einer Beweislastumkehr, sondern des Anscheinsbeweises. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, daß

94

Stoll, a.a.O., 159 f.

95

Handbuch, Anh. § 282 Rdnr. 75.

96

Handbuch, Anh. § 282 Rdnr. 82, VersR 1983, 450, 451.

97

In diesem Sinne Stoll, AcP 176 (1976), 145, 159; Baumgärtel / Baumgärtel, Handbuch, Anh. § 282 Rdnr. 64. 98

Stoll, AcP 176 (1976), 145, 160 f.; Baumgärtel / Baumgärtel, Handbuch, Anh. § 282 Rdnr. 65.

99

Vollkommer,

FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 586.

122

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

ein einsichtiger Mensch, der einen Fachmann einschalte, typischerweise sich dem Rat oder der Warnung nicht verschließe 100. Die von Baumgärtel angenommene Beweislastumkehr vermische nicht nur Beweiswürdigung und Beweislast, sondern sei auch nicht interessengerecht. Der Informationsberechtigte sei schutzwürdig in Fällen ausgesprochener Beweisnot, habe aber, wenn ernstliche Zweifel an einem aufklärungsrichtigen Verhalten bestehen, kein Recht auf die mit der Beweislastumkehr verbundene Begünstigung, wenn diese allein mit der Lebenserfahrung begründet werde 101 . Eine weitere Besonderheit der Auffassung Vollkommers ist darin zu sehen, daß er die Fälle der Selbstentscheidungs-Aufklärung nicht gänzlich der Beweislastumkehr entziehen will. Zwar verbleibe in diesen Fällen im Grundsatz die Beweislast beim Informationsberechtigten, in Fällen „echter" Beweisnot sei aber eine Ausnahme zu machen. Dabei sei ,3eweisnot" auf die Fälle reiner Pattsituation zu beschränken, so daß bei Bestehen gewisser Anhaltspunkte für die hypothetische Entscheidung in der einen oder anderen Richtung die Anwendung der Beweisnotregel ausscheide 102 .

d) Die Privatautonomie als Schutzobjekt Wie Stoll geht H. Roth davon aus, daß das Vertragsrecht auch das Beweisrisiko festlegt 103 . Auf die Lehre vom Schutzbereich der Norm abstellend, sieht H. Roth die Privatautonomie als Schutzobjekt vertraglicher Aufklärungspflichten an. In welche Richtung die Privatautonomie im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung ausgeübt worden wäre, sei typischerweise unsicher 104 . Ein solches Verständnis hat zwangsläufig zur Folge, daß jede Pflichtverletzung die Umkehr der Beweislast nach sich zieht 105 . Eine Begrenzung des Haftungsumfangs will

100

Vollkommer, FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 592; ders., Anwaltshaftungsrecht, Rdnr. 310 f., wo Vollkommer aber noch nicht von einem Anscheinsbeweis sprechen will, da er unzutreffend auf die Rechtsprechung zur Unanwendbarkeit des Anscheinsbeweises bei individuellen Willensentschlüssen rekurriert. 101

Vollkommer,

a.a.O., S. 594.

102

Vollkommer,

a.a.O., S. 596.

103

ZHR 154 (1990), 513, 531.

104

H. Roth, a.a.O., S. 532.

105

H. Roth, a.a.O., S. 532. Diederichsen, KF 1966, 21, 25 und VersR 1966, 211, 219 f. formuliert ähnlich, wenn er bei objektiver Verletzung einer Verhaltenspflicht dem Täter die Beweislast für die NichtUrsächlichkeit seines Verhaltens auferlegen will und darin eines der wenigen Beweislastprinzipien sieht.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

123

H. Roth im Rahmen der Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Pflicht erreichen 106. Bestätigt sieht H. Roth seine Auffassung durch die Rechtsprechung im „Mehrwegflaschen-" 107 und „Kupolofen-Fall" 108 . Auch deliktische Verkehrssicherungspflichten dienten nunmehr dazu, die bei Verletzung dieser Pflichten auftretenden Aufklärungsschwierigkeiten zu vermeiden 109 .

III. Der Anscheinsbeweis als Teilbereichslösung Die Darstellung der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen macht durch die enorme Bandbreite des Meinungsspektrums die Schwierigkeit einer Problemlösung deutlich. Andererseits zeigen die verschiedenen Auffassungen die Fragen auf, die zur Erlangung einer Problemlösung zu beantworten sind: Zunächst ist zu klären, ob man die Beweiserleichterung mittels Beweislastumkehr oder auf anderem Wege suchen will. Entscheidet man sich für eine besondere Beweislastregel, so ist deren Anwendungsbereich zu klären: Führt jede Informationspflichtverletzung oder führen nur ganz bestimmte Verletzungen zur Umkehr der Beweislast? Verfolgt man eine differenzierte Lösung, so schließt sich zwangsläufig die Frage der Abgrenzung der Informationspflichten an. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, daß der tragende Grund für die besondere Beweislastregel von dem jeweiligen dogmatischen Begründungskonzept abhängt. In kaum einem Fall läßt sich die Abgrenzungsfrage von der verfolgten Konzeption trennen. Dem kann nur dadurch Rechnung getragen werden, daß die Abgrenzungsfrage in den Vordergrund der nachfolgenden Erörterungen gestellt wird.

7. Beweislastumkehr als Problemlösung Die Umkehr der Beweislast als Problemlösung lehnen Musielak, Schmidt und Hofmann ab. Folgte man den Auffassungen von Musielak und Schmidt, würde

106

H. Roth, a.a.O., S. 533.

107

BGHZ 104, 323 ff.

108

BGHZ 92, 143 ff.

109

H. Roth, a.a.O, S. 531.

124

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

sich eine Beweislaständerung erübrigen, weil sich bereits mittels Erfahrungssätzen eine interessengerechte Beweiserleichterung erreichen ließe. Der Auffassung von Schmidt, der BGH habe im „Werbeagentur-Fall" 110 keine Beweislastumkehr angenommen, sondern habe den Vertrag nur interessengerecht ausgelegt, wird spätestens durch die Entscheidung im „HaartonikumFall" 1 1 1 die Grundlage entzogen112. Dort geht der BGH ausdrücklich und unter Bezugnahme auf BGHZ 61, 118 ff. von einer Umkehr der Beweislast aus 113 . Zudem erkennt Schmidt nicht, daß es inhaltlich unterschiedliche Informationspflichten gibt. Beratungs- und Hinweispflichten sind zu verschieden, als daß sie undifferenziert nebeneinander gestellt werden könnten. Letztlich gibt Schmidt auch keine Begründung dafür, weshalb die bei Vertragsschluß bestehende Auffassung der Parteien zur Kausalität — wobei deren Existenz durchaus zweifelhaft ist, da sich wohl niemand auf die beweisrechtlich schwierige Lage einläßt, die NichtUrsächlichkeit einer Informationspflichtverletzung beweisen zu müssen — Maßstab dafür sein soll, wer was zu beweisen hat 114 . Die Annahme von Musielak, im Rahmen der Beweiswürdigung sei davon auszugehen, daß der Geschädigte sich einem richtigen Rat oder Hinweis nicht verschlossen hätte, wenn es keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme gibt, kann ebenfalls nicht überzeugen. Im „Werbeagentur-Fall" mag die Überlegung die Beweiserleichterung noch rechtfertigen können, wobei aber zu bedenken ist, daß eine wettbewerbswidrige Werbekampagne durch ihr gerichtliches Verbot noch größere Werbewirksamkeit erlangen kann. Entgegen Musielak 1 1 5 läßt sich auf diesem Begründungsweg im „Haartonikum-Fall" keine Beweiserleichterung rechtfertigen. Selbst wenn man annimmt, daß die Pakkungsbeilage bei einem Haartonikum in aller Regel vor Verwendung des Tonikums zur Kenntnis genommen wird, so begründet das noch nicht einen Erfahrungssatz, daß der pauschale Hinweis auf eine mögliche allergene Wirkung zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen führt. Ein solches Verhalten wird nur bei einer Person zu finden sein, die bekanntermaßen zu allergischen Reaktionen neigt. Die Entscheidung, wie eine bislang nicht zu allergischen Reaktio-

110

BGHZ 61, 118 ff.

111

BGHZ 64, 46 ff.

112

Schultz, VersR 1990, 808, 809 Fn. 28.

113

BGHZ 64, 46, 51. Diesen Begriff hatte Schmidt im Werbeagentur-Fall vermißt, JuS 1975, 430, 433. 114

Schultz, VersR 1990, 808, 809.

115

Musielak / Stadler, Grundfragen des Beweisrechts, Rdnr. 279 Fn. 152.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

125

nen neigende Person — und dazu zählte der Kläger 116 — auf einen vor möglichen Allergien warnenden Hinweis reagiert, läßt sich nicht mit einem Satz der Lebenserfahrung vorhersagen. Erst wenn eine Person von einer solchen Neigung weiß, spricht die Lebenserfahrung dafür, daß sie durch den Hinweis auf die mögliche allergene Wirkung eines Produkts dazu veranlaßt wird, präventive Schutzmaßnahmen zu ergreifen bzw. das Produkt nicht zu verwenden. Eine Problemlösung ist damit auf der Ebene der Beweiswürdigung nicht zu finden 117 . Der Einwand des Aufklärungspflichtigen, der Berechtigte hätte die ordnungsgemäße Information nicht befolgt, läßt sich entgegen Hofmann nicht aus dem Gedanken des venire contra factum proprium heraus ausschließen118. Daß, worauf Hofmann zur Begründung abstellt, die Entscheidungsfreiheit endgültig vereitelt wird, ist eine Selbstverständlichkeit und in der Natur der Aufklärungspflichtverletzung begründet. Aber auch die Übertragung des Gedankens des venire contra factum proprium 119 vermag nicht zu überzeugen. In den von Hofmann herangezogenen Fällen geht es ausschließlich um die Verschuldensfrage. Der Schädiger wirft dem Geschädigten ein eigenes schuldhaftes Verhalten vor. Ob man insoweit des § 242 BGB als Problemlösung bedarf oder diese über § 254 BGB 1 2 0 zu suchen ist, mag hier dahinstehen, jedenfalls weisen die Rechtsprechungsbeispiele keinen Bezug zur Kausalfrage auf. Entscheidend gegen Hofmanns Auffassung spricht zudem, daß in den Fällen des widersprüchlichen Verhaltens der Schädiger nicht, wie in den Fällen der Verletzung einer Informationspflicht, allein von seinem Recht Gebrauch macht, den Eintritt eines kausalen Schadens zu bestreiten 121, sondern darüber hinaus an ein bestimmtes Verhalten des Geschädigten anknüpfend, eine Pflichtverletzung des Geschädigten behauptet. Das Bestreiten des Eintritts eines kausalen Schadens ist eine im

116 Die in BGHZ 64, 46, 50 wiedergegebenen Ausführungen des Berufungsgerichts sind insoweit allerdings mißverständlich. 117

Schultz, VersR 1990, 808, 809 re. Sp.; Baumgärtel / Wittmann, JA 1979, 113, 116.

118

Ebenso Schultz, VersR 1990, 808, 810, der das Ergebnis eines solchen Ausschlusses, dem Aufklärungspflichtigen bliebe nicht einmal der Gegenteilsbeweis zur Verteidigung, als zu weitgehend ablehnt. 119 Vgl. zu dessen dogmatischer Einordnung unter § 242 BGB Staudinger / J. Schmidt, BGB, § 242 Rdnr. 553 ff. 120 Für eine Interpretation des § 254 BGB als Unterfall des § 242 BGB z.B. BGHZ 34, 355, 363 f.; 56, 163, 169; dagegen Soergel /Mertens, BGB, § 254 Rdnr. 4; MünchKomm / Grunsky, BGB, § 254 Rdnr. 2 jeweils m.w.N. 121

Vollkommer,

FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 591.

126

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

Zivilprozeß zulässige Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch und begründet gerade nicht die von Hofmann behauptete sachliche Unvereinbarkeit des früheren mit dem späteren Verhalten. Ist demnach auch die Auffassung Hofmanns abzulehnen, muß die Problemlösung über eine besondere Beweislastregel gesucht werden.

2. Anwendungsbereich einer besonderen Beweislastregel Geht man mit einem Teil der Literatur von einer Geltung der besonderen Beweislastregel für alle Verhaltenspflichten, also auch Informationspflichten aus, so hat das den unbestreitbaren Vorteil, nicht Arten von Informationspflichten gegeneinander abgrenzen zu müssen, ein Pluspunkt, dessen Bedeutung die unklare und zum Teil widersprüchliche Rechtsprechung nur zu deutlich macht.

a) Gefahrerhöhungslehre Eine so weitgehende Problemlösung bietet die Gefahrerhöhungslehre an, nach der der Verletzer, der durch die Verletzung einer Verhaltensnorm das Risiko des Schadens erhöht hat, zu seiner Entlastung zu beweisen hat, daß der Schaden auch unabhängig von der Verletzung eingetreten wäre. Gegen den Gefahrerhöhungsgedanken läßt sich nicht einwenden, das Kriterium sei untauglich, weil jede Pflichtverletzung mit einer Gefahrerhöhung einhergeht 122. Eine solche Argumentation ist von dem Vorverständnis geprägt, daß die Anwendung der besonderen Beweislastregel von der Art der verletzten Verhaltenspflicht abhängig ist 123 . Gerade das gilt es aber zu belegen. Die Kritik muß stattdessen an der Folge der Theorie anknüpfen. Insbesondere in der strafrechtlichen Literatur wird auf die mit der Gefahrerhöhungslehre verbundene Ausweitung der Haftung hingewiesen, die Verletzungsdelikte contra legem in konkrete Gefährdungsdelikte umdeutet 124 . Entsprechendes gilt im Zivilrecht, das Schäden zu ersetzen sucht und nicht Gefahrerhöhungen sanktionieren will 1 2 5 . Die-

122

So aber Heinemann, Beweislastverteilung, S. 171; Schultz, VersR 1990, 808, 811; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 176. 123

Siehe insoweit auch Hofmann, Umkehr der Beweislast, S. 85.

124

Wessels, StrafR AT, § 6 II 3 m.w.N.

125

Hanau, Kausalität, S. 130; ähnlich Hofmann, Umkehr der Beweislast, S. 84 f.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

127

sem Dilemma kann die Gefahrerhöhungslehre nur begegnen, wenn sie das Maß des zu leistenden Schadensersatzes am Grad der Risikoerhöhung ausrichtet 126, ein wegen des im Gesetz verankerten Prinzips der Totalrestitution nicht gangbarer Weg 127 . Wenn v. Bar in der Anwendung des Anscheinsbeweises beim Beweis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und erstem Schadensereignis durch die Rechtsprechung lediglich eine terminologische Verklärung des de facto vorgenommenen Übergangs zur Beweislastumkehr sieht 128 , so geht dieser Einwand fehl. Ein solcher Schluß läßt sich nicht daraus ziehen, daß in vielen Fällen schon der Gegenbeweis nicht geführt werden kann 129 . Entscheidend ist, daß dem Pflichtigen durch die Anwendung des Anscheinsbeweises die Möglichkeit eröffnet bleibt, nur den Gegenbeweis führen zu müssen. Der Gedanke der Risikoerhöhung stellt demnach keinen geeigneten Problemlösungsansatz dar.

b) Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO Zu einer generellen Umkehr der Beweislast führt auch die Auffassung von Hanau. Die von ihm vorgeschlagene ergänzende Auslegung der Haftungstatbestände kann im Ergebnis jedoch nicht überzeugen. Bereits die Annahme, § 287 S. 2, 2. HS BGB enthalte einen entsprechenden allgemeinen Rechtsgedanken, geht fehl. Zum einen lassen sich mit den §§ 440 I I und 844 I BGB 1 3 0 Vorschriften finden, die Reserveursachen für unbeachtlich erklären. Zum anderen sind die von Hanau aufgezählten — und um §§ 705 HGB, 44 BinnSchG zu ergänzenden — Vorschriften zu speziell, als daß sie einer Verallgemeinerung zugänglich wären 131 . Auch darf nicht übersehen werden, daß es in dem von Hanau konkret herangezogenen § 287 S. 2, 2. HS BGB der Absicht des Gesetzes entspricht, den säumigen Schuldner auch für durch Zufall eintretende Unmöglichkeit haften zu lassen. Die Haftung für Zufall ist aber eine gesetzgeberische Ausnahmeentscheidung. Maßgeblich gegen die Ansicht Hanaus spricht

126

So ausdrücklich Deutsch, Haftungsrecht I, § 16 IV 3, S. 248.

127

Hanau, Kausalität, S. 131.

128

Verkehrspflichten, S. 291 ff.

129

So aber v. Bar, Verkehrspflichten, S. 291.

130

Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, daß der Getötete alsbald gestorben wäre, vgl. MünchKomm / Mertens, BGB, § 844 Rdnr. 15; RGRK / Boujong, BGB, § 844 Rdnr. 22 m.w.N. 131

Staudinger / Medicus, BGB, § 249 Rdnr. 99.

128

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

jedoch, daß der Informationspflichtige sich nicht auf eine Reserveursache — wie für die Annahme hypothetischer Kausalität erforderlich 132 — beruft, sondern den Kausalzusammenhang als solchen bestreitet. Darüber hinaus ist eine generelle Beweislastumkehr bei den hier interessierenden Informationspflichten — unabhängig von spezifischen Kritikpunkten der einzelnen Meinungen — nicht gerechtfertigt. Die Problemlösung muß eine ausgewogene Regelung im Sinne optimaler Berücksichtigung der im Spiele befindlichen Interessen darstellen 133. Dem Anspruch wird eine generalisierende Lösung nicht gerecht. Das Spektrum von Informationspflichten läßt sich beliebig über die drei Kernpflichten — Aufklärungs-, Beratungs- und Hinweispflicht — begrifflich erweitern. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Pflichten. So hat die falsche Beratung durch einen Rechtsanwalt eine ganz andere Qualität als die Verletzung einer Informationspflicht z.B. durch die verspätete Absendung einer Mitteilung über die Rückgabe einer Lastschrift. Diese Unterschiede würden verschüttet, wollte man bei jeder Informationspflichtverletzung eine Beweislastumkehr annehmen. In letzter Konsequenz liefe das auf eine Haftungsverschärfung hinaus, weil dem Schädiger stets das Risiko dafür auferlegt wird, daß die Informationspflicht im konkreten Fall zur Schadensverhütung geeignet war 134 . Die generelle Umkehr der Beweislast ist darüber hinaus mit den bei der Behandlung des Anscheinsbeweises gefundenen Ergebnissen nicht vereinbar. Betrifft die Verletzung der Informationspflicht typisierte Motive des Bankkunden, dann eröffnet der Anscheinsbeweis eine interessengerechte und flexible Lösung eines Teils der anfallenden Beweisprobleme. Daher rechtfertigt nur die Verletzung bestimmter Informationspflichten die Annahme einer Beweislastumkehr.

3. Abgrenzung der Informationspflichten — Erster Teil des eigenen Problemlösungsansatzes Um die Informationspflichten, deren Verletzung eine Umkehr der Beweislast rechtfertigt, von denen abzugrenzen, deren Verletzung solche beweisrechtlichen

132

Vgl. nur Staudinger / Medicus, BGB, § 249, Rdnr. 98.

133

Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 333.

134

Stoll, AcP 176 (1976), 145, 175; siehe dazu auch Heinemann, Beweislastverteilung, S. 167 f. (speziel gegen Hanau) u. Hofmann, Umkehr der Beweislast, S. 84 f. (speziel gegen die Gefahrerhöhungslehre).

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

129

Konsequenzen nicht nachsichziehen, bedarf es eines Unterscheidungskriteriums. Überwiegend wird dieses Kriterium im Normzweck gesucht.

a) Geltungsanspruch der Norm Der naheliegendste Gedanke ist insoweit, den Normzweck im Geltungsanspruch der Norm zu sehen. Zweck jeder Norm ist es, beachtet und befolgt zu werden. Dementsprechend müßte man generell, also nicht nur bei Informationspflichten eine Beweislastumkehr annehmen. Da eine solch weitgehende Umkehr der Beweislast abzulehnen ist, müssen die Vertreter, die auf den Geltungsanspruch als Normzweck abstellen, eine interessengerechte und praktikable Eingrenzung versuchen. So sieht Wahrendorf in den eine Beweislastumkehr rechtfertigenden Aufklärungspflichten vertragliche Schutzpflichten, die ihren Grund im Vertrauensgedanken finden. Der Informationsberechtigte vertraut jedoch immer darauf, daß der Pflichtige ihm die geschuldete Information zukommen läßt und die Information auch korrekt ist. Auch der Begriff der Schutzpflicht ist nicht geeignet, die Weite der aus dem Normzweck abgeleiteten besonderen Beweislastregel sinnvoll zu begrenzen. Ist die Bestimmung von Schutzpflichten schon nicht unproblematisch, so wird die Ineffizienz des Kriteriums gerade im Bankrecht deutlich: Die Informationspflichten, die die Banken treffen, zielen naturgemäß darauf ab, den Kunden vor einem finanziellen Schaden zu bewahren 135. So trifft die Bank bei einem Wissensvorsprung über die finanzielle Situation eines Darlehensnehmers die Pflicht, den Darlehensgeber über diese Umstände 136 oder den Kontoinhaber über die Rücksendung einer Lastschrift unverzüglich zu informieren 137 , um den Kunden vor möglichen finanziellen. Einbußen zu bewahren. Diese Überlegungen machen darüber hinaus deutlich, daß die von Heinemann vorgeschlagene Begrenzung der Beweislastumkehr auf Aufklärungspflichten mit genereller Eignung zur Schadensverhütung, nicht geeignet ist, die durch die besondere Beweislastregel vermittelte Haftungsverschärfung sinnvoll zu beschränken. Zudem handelt es sich bei den von Heinemann insoweit zum Beleg

135

Koller, EWiR § 282 BGB 1 / 89, S. 1177, 1178.

136

BGH W M 1959, 1458 ff. - Guter Status-Fall; LG Frankfurt W M 1985, 224, 225.

137

BGH NJW 1989, 1671.

9 Brüske

130

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

angeführten Handelsvertreterfällen nicht um Sachverhalte, die mit den hier interessierenden Fällen vergleichbar sind. Dort wird zwar eine Aufklärungspflicht durch den Unternehmer verletzt, die Schadenswirksamkeit der Pflichtverletzung hängt aber nicht vom Willensentschluß des Handelsvertreters, sondern vom Entschluß eines anderen Unternehmers ab. Es liegt somit keine Informationspflichtverletzung im hier verstandenen Sinne vor. Vielmehr realisiert sich dann, wenn der Handelsvertreter nicht den Beweis für den hypothetischen Entschluß des Dritten führen kann, das definitorische Beweisrisiko, weshalb ihm die Erleichterung des § 287 I ZPO zustatten kommt 138 . Eine sinnvolle Begrenzung der Haftungsverschärfung findet sich auch nicht im Ansatz von Schultz. Wenn Schultz eine besondere Beweislastregel nur dann für gerechtfertigt hält, wenn die geschuldete Information dem Berechtigten bei objektiver Betrachtung der konkreten Entscheidungssituation vernünftigerweise keine Wahl gelassen hätte, dann macht diese Beschränkung die Umkehr der Beweislast als solche entbehrlich. Dabei kann vorerst dahinstehen, ob § 286 ZPO oder die Grundsätze des Anscheinsbeweises einschlägig sind, jedenfalls wird der Richter in diesen Fällen schon im Rahmen der Beweiswürdigung sich davon überzeugen können, daß die Informationspflichtverletzung kausal für den schadenswirksamen Willensentschluß war 139 . Darüber hinaus ermöglicht das Vernunft-Kriterium keine praktikable Abgrenzung. Schultz selbst hält die Vernachlässigung einer Information dann für unvernünftig, wenn die Chancen, den Saldo aus Rechtsguts- und Vermögensbestand mit einer bestimmten Reaktion zu erhöhen, wesentlich besser sind, als die Aussichten, den Saldo lediglich zu halten oder gar zu verringern 140 . Die Ermittlung des Saldos und seine Bewertung ist im praktischen Fall kaum möglich.

b) Abwendung von Beweisnot als Norminhalt Sieht man in dem typischerweise mit der Pflichtverletzung verbundenen Auftreten von Beweisnot ein Kriterium, um Pflichtverletzungen danach differenzieren zu können, ob sie eine besondere Beweislastregel rechtfertigen oder

138

Vgl. dazu Kap. 4 § 3 I 1 b, aa.

139

H. Roth., ZHR 154 (1990), 513, 528.

140

Schultz., VersR 1990, 808, 813 re. Sp.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

131

nicht 141 , so versagt das Kriterium bei der Verletzung von Informationspflichten, wo eine Beweisnot beim Kausalnachweis typischerweise mit der Pflichtverletzung einhergeht 142. Aus diesem Grunde leiten Stoll und Baumgärtel die besondere Beweislastregel nicht aus dem Gesichtspunkt der Beweisnot, sondern aus dem Inhalt der Aufklärungspflicht ab. Dahinter steht die Überlegung, daß der Vertragszweck eine vernünftige Bemessung des Leistungsrisikos und damit auch des Beweisrisikos erfordert 143. Wenn dabei von Erfolgsverantwortlichkeit gesprochen wird 1 4 4 , so muß man berücksichtigen, daß eine Informationspflicht nicht auf die Herbeiführung eines realen Erfolges gerichtet sein kann, weil es dazu immer noch der Umsetzung der Information durch den Berechtigten bedarf. Gemeint ist vielmehr, daß der Informationspflichtige einen Rat bzw. eine Empfehlung schuldet. Zielt die Informationspflicht dagegen nur auf die Herbeiführung einer besseren Entscheidungsgrundlage — infolge besserer Information — ab, dann besteht keine Erfolgsverantwortlichkeit. In diesem Sinne sind die Begriffe Ratschlags- und Selbstentscheidungs-Aufklärung zu verstehen. Obwohl die Unterscheidung nach dem Inhalt der Aufklärungspflicht eine klare Abgrenzung im Einzelfall ermöglicht, kann die Auffassung von Stoll und Baumgärtel in letzter Konsequenz nicht überzeugen. In Fällen von RatschlagsAufklärung wird der Beweis nicht durch eine Beweislastsonderregel erleichtert, sondern im Rahmen der Beweiswürdigung durch den Anscheinsbeweis145. Wie in den bereits behandelten Fällen des Anscheinsbeweises146 betrifft der falsche oder unvollständige Rat des Informationspflichtigen ein Motiv des Berechtigten, das dieser seinem Willensentschluß typischerweise zugrunde legt. Wendet sich jemand an einen Experten und bittet ihn um Rat, dann entspricht es der Lebenserfahrung, daß der Ratsuchende die Empfehlung befolgt. Wenn Baumgärtel die Beweislastumkehr aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis ableitet, dann stellt er im Ergebnis auf diese Lebenserfahrung ab. Es entspricht der Regel, daß man dem Rat des Experten, um den man nachgesucht hat, folgt, die

141 So Stoll, FS v. Hippel, 1967, S. 517, 553; Baumgärtel / Baumgärtel, Handbuch des Beweisrechts, Anh. § 282 Rdnr. 63. 142 Das erkennt auch Stoll, AcP 176 (1976), 145, 158. A.A. insoweit Vollkommer, 1990, S. 585, 596. 143

Stoll, AcP 176 (1976), 145, 153.

144

So Stoll, a.a.O., S. 159 f.

145

FS Baumgärtel,

A.A. wohl H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 528, der eine Überzeugungsfindung nach § 286 ZPO annimmt. 146

Siehe oben Kap. 3.

132

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

Nichtbefolgung stellt die Ausnahme dar 147 . Die Lebenserfahrung ist aber im Rahmen der Beweiswürdigung und nicht bei der Beweislastfrage zu berücksichtigen 148 . Mit der Anwendung des Anscheinsbeweises in Fällen der RatschlagsAufklärung geht auch keine einseitige Begünstigung des Schädigers einher. Dieser muß zwar nicht mehr den Gegenteilsbeweis führen, aber der Gegenbeweis ist wesentlich schwerer zu führen als in den üblichen Anwendungsfällen des Anscheinsbeweises149, so daß auch bei gravierenden Informationspflichtverletzungen nicht die Gefahr besteht, daß der Pflichtige sich unproblematisch der Haftung durch Erschütterung des Anscheinsbeweises entziehen kann. In Fällen von Ratschlags-Aufklärung ist deshalb nicht von einer Beweislastumkehr auszugehen, sondern die Lösung des beweisrechtlichen Problems beim Kausalnachweis über den Anscheinsbeweis zu suchen150. Nicht zu folgen ist Stoll und Baumgärtel auch in der von ihnen vertretenen pauschalen Ablehnung einer besonderen Beweislastregel in Fällen der Selbstentscheidungs-Aufklärung 151. Daß es auch Fallgestaltungen im Rahmen der Selbstentscheidungs-Aufklärung gibt, die eine besondere Beweislastregel verlangen, zeigen schon der „Werbeagentur-" und der „Haartonikum-Fall", die gerade diese Aufklärungsart betrafen 152. Damit stellt sich aber die ursprüngliche Ausgangsfrage — wenn auch auf einem gegenständlich enger begrenzten

147

Vollkommen

148

Vgl. Rosenberg / Schwab / Gottwald,

FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 593. ZPR, § 115 III 3, S. 663.

149

Man denke nur an die Feststellung v. Bars, Verkehrspflichten, S. 291, es gebe in der veröffentlichten Nachkriegsrechtsprechung auf dem Gebiet gesetzlicher oder richterlicher Gefahrsteuerungsgebote keinen Fall, in welchem dem Inanspruchgenommenen die theoretisch nach Anscheinsgrundsätzen erleichterte Möglichkeit des Widerlegungsbeweises gelungen sei. 150 Ebenso Vollkommer, FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 592, der allerdings zuvor die Lösung in einer angemessenen Beweiswürdigung sah, vgl. Anwaltshaftungsrecht, Rdnr. 510 f. Für Umschuldungsberatung auch Reifner, Handbuch des Kreditrechts, § 38 Rdnr. 71; Rinsche, Haftung des Rechtsanwalts, Rdnr. I 148. 151 Ebenso H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 528; Vollkommer, FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 596. Ein Anscheinsbeweis wird in diesen Sachverhaltsgestaltungen in aller Regel ausscheiden, weil die Informationspflicht nur die Informationslage des Berechtigten verbessern soll, seine Entscheidung z.B. zwischen einem Aktienerwerb und der Zeichnung von Anteilen an einem Investmentfonds aber in aller Regel nicht typisierbar ist. Eine andere Sichtweise hätte die Verlagerung des vom Bankkunden zu tragenden Anlagerisikos zur Konsequenz, siehe dazu auch LG Freiburg W M 1991, 279, 280. 152 Unzutreffend insoweit Stoll, AcP 176 (1976), 145, 158 ff.: Zur Annahme einer Beweislastumkehr im Werbeagentur-Fall wegen hypothetischer Rechtfertigung gilt das zu Heinemann Gesagte. Im Haartonikum-Fall umfaßt der vom Hersteller zu führende Entlastungsbeweis gerade nicht die angebliche Erfolglosigkeit der Warnung, sondern nur deren Ordnungsgemäßheit.

§ 1 Beweislastumkehr bei der Verletzung von Aufklärungspflichten

133

Gebiet — nur in einem neuen Gewände: Soll die besondere Beweislastregel alle 153 oder nur bestimmte Selbstentscheidungs-Aufklärungspflichten 154 erfassen? Bislang kann diese Frage noch nicht abschließend beantwortet werden. Der Annahme von Vollkommer, innerhalb der Fallgruppe SelbstentscheidungsAufklärung sei für Fälle „echter" Beweisnot eine besondere Beweislastregel anzunehmen, wird aber nicht zu folgen sein. Gerade im Falle der Verletzung von Informationspflichten besteht immer eine Beweisnot. Zudem ist der Begriff „echte Beweisnot" konturlos, da die Beschränkung auf Fälle reiner Pattsituationen lediglich eine Umschreibung für die Voraussetzung jeder Beweislastentscheidung, dem non liquet, darstellt.

IV. Zusammenfassung Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, daß die Differenzierung der Informationspflichten nach Ratschlags- und Selbstentscheidungs-Aufklärung eine randscharfe Abgrenzung ermöglicht und für die Frage nach möglichen Beweiserleichterungen nutzbar zu machen ist. Die vorstehenden Überlegungen haben außerdem gezeigt, daß in Fällen von Ratschlags-Aufklärung die Beweiserleichterung nicht mittels Beweislastumkehr, sondern im Wege des Anscheinsbeweises zu erreichen ist. In Fällen der Selbstentscheidungs-Aufklärung ist dagegen eine Problemlösung nur mittels einer besonderen Beweislastregel denkbar. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß Banken in aller Regel dem Kunden gegenüber nicht zu einer Ratschlags-Aufklärung verpflichtet sind, sondern den Kunden lediglich über die Konsequenzen einer von ihm zu treffenden Entscheidung aufzuklären haben. Deshalb kommt der Anwendung des Anscheinsbeweises bei Ratschlags-Aufklärungen im Bankhaftungsrecht nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Das Schwergewicht der Beweisproblematik liegt bei der Verletzung der Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung. Deshalb ist nachfolgend zu klären, ob und wenn ja wie innerhalb der Fallgestaltungen von Selbstentscheidungs-Aufklärung zu differenzieren ist. Zuvor soll allerdings noch auf die besonderen Beweislastregeln im Arzthaftungsrecht eingegangen werden. Dort, insbesondere im Hinblick auf die Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht, finden sich ähnliche Konstellationen wie bei der Verletzung von Informationspflichten. Dort gefundene Abgrenzun-

153

So H. Roth,, ZHR 154 (1990), 513, 532.

154

So Vollkommer,

FS Baumgärtel, 1990, S. 585, 596.

134

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

gen könnten daher auch für die hier interessierende Fragestellung nutzbar gemacht werden.

§ 2 Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht Im Arzthaftungsrecht haben sich drei Fälle echter Beweislastumkehr herausgebildet: Im Falle eines groben Behandlungsfehlers, der geeignet war, einen Schaden, wie den tatsächlich eingetretenen, herbeizuführen, muß der Arzt die Nichtursächlichkeit seines Verhaltens beweisen155. Verletzt der Arzt seine Dokumentationspflicht 156 durch unrichtige oder unvollständige Angaben oder verstößt er in grober Weise gegen die Pflicht zur Befundsicherung, so kann sich die Beweislast umkehren 157 . Kommt der Arzt der ihm gegenüber dem Patienten obliegenden Aufklärungspflicht nicht bzw. nicht ausreichend nach, so muß er die NichtUrsächlichkeit der Pflichtverletzung beweisen158. Die Umkehr der Beweislast bei der Verletzung der ärztlichen Dokumentations- und Befundsicherungspflicht ist letztlich auf den Gedanken der Beweisvereitelung zurückzuführen 159. Die Verletzung einer Informationspflicht ist damit nicht zu vergleichen. Etwas anderes gilt für die Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, da die Rechtsprechung mittlerweile auch andere grobe Verstöße gegen Berufspflichten erfaßt sehen will 1 6 0 .

155 Vgl. nur BGH L M Nr. 15 zu § 287 ZPO; BGH VersR 1962, 960, 961; NJW 1981, 2513, 2514; BGHZ 85, 212. 156 Vgl. insoweit die Entwicklung der Rechtsprechung von BGH NJW 1963, 389 (keine Dokumentationspflicht gegenüber dem Patienten) zu BGH NJW 1978, 2337, 2339, wo der BGH ausdrücklich und unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung eine Dokumentationspflicht des Arztes gegenüber dem Patienten bejaht hat. 157

Eine Verletzung der Dokumentationspflicht führt nicht stets zu einer Beweislastumkehr. Der BGH (NJW 1978, 2337, 2339) hält vielmehr Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr für möglich; vgl. dazu auch Steffen, ZVersWiss 1990, 31, 41. 158

Vgl. nur BGHZ 29, 176, 187; BGH NJW 1959, 2299; 1980, 1333, 1334.

159

Baumgärtel / Wittmann, JA 1979, 113, 118; Baumgärtel, GS Bruns, 1980, S. 93, 99 ff., der im Falle eines non liquet in der Dokumentationsfrage eine Beweislastumkehr nur insoweit zulassen will, wenn der Patient durch die nicht ordnungsgemäße Dokumentation einen Schaden erlitten hat. 160 Vgl. BGH NJW 1962, 541 - Schwimmeister; 1971, 227, 229 - Krankenpflegepersonal; OLG Köln VersR 1970, 229 - Kirmes Verkäufer.

§ 2 Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht

135

I. Die ärztliche Aufklärungspflicht als beweisrechtlicher Sonderfall einer Informationspflicht Die Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht hat eine erhebliche haftungsrechtliche Bedeutung gewonnen 161 , da die Aufklärungspflichtverletzung häufig als Auffangtatbestand genutzt wird, wenn der Patient den Beweis eines groben Behandlungsfehlers nicht erbringen kann 162 .

1. Sicherungs- und Selbstbestimmungsaufklärung Zu unterscheiden sind die Sicherungsaufklärung 163 oder therapeutische Aufklärung 164 und die Selbstbestimmungs- oder Eingriffsaufklärung 165. Erstere hat die Aufklärung über ein therapiegerechtes Verhalten zur Sicherung des Heilerfolges zum Gegenstand und dient dem Schutz des Patienten vor Schäden166. Verletzt der Arzt die Pflicht zur Sicherungsaufklärung, so stellt das einen Behandlungsfehler dar 167 ; es finden die Regeln zur Umkehr der Beweislast bei groben Behandlungsfehlern Anwendung 168 . Die Umkehr der Beweislast bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht betrifft demnach allein den Fall der Selbstbestimmungsaufklärung. Sie zielt nicht darauf ab, den Patienten vor schädlichen Folgen der ärztlichen Behandlung zu bewahren, sondern dem Patienten die Grundlage dafür zu geben, sich bei seiner Einwilligung in die ärztliche Maßnahme entscheiden zu können 169 . Die Pflicht des Arztes zur Selbstbestimmungsaufklärung ist Ausfluß des dem Arzt gegenüber in keiner Weise eingeschränkten Selbstbestimmungsrechts des Patienten über seinen Körper 170 .

161

RGRK / Niißgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 43.

162

Vgl. Laufs, Arztrecht, Rdnr. 424.

163

So z.B. Niißgens, FS Hauß, 1978, S. 287, 288.

164

So Laufs, Arztrecht, Rdnr. 117; Kern / Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, S. 2.

165

RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 45 ff.; Steffen,

166

Nüßgens, FS Hauß, 1978, S. 287, 288.

167

RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 45.

168

Dazu nachfolgend unter II.

169

RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 49.

170

BGHZ 29, 46, 54; OLG Hamm VersR 1981, 686, 687 m.w.N.

Neue Entwicklungslinien, S. 59.

136

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

2. Rechtmäßiges Alternativverhalten Jeder ärztliche Eingriff stellt nach h.M. 1 7 1 eine tatbestandliche Körperverletzung dar 172 , deren Rechtswidrigkeit bei einer wirksamen Einwilligung entfällt 1 7 3 , wobei diese ihrerseits eine ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten voraussetzt. Kann der Arzt, der für das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes Einwilligung beweispflichtig ist, den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht führen, wendet er häufig ein, der Patient hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den vorgenommenen ärztlichen Eingriff eingewilligt 1 7 4 . Für diesen Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens 175 trägt der Arzt die Beweislast. Der Einwand ist mit der Verteidigung des Pflichtigen im Falle der Verletzung von Informationspflichten vergleichbar, da er geltend macht, der Berechtigte hätte sich bei korrekter Information ebenfalls schadenswirksam verhalten. Trotz dieser scheinbaren Entsprechung läßt sich die Beweislastsonderregel für rechtmäßiges Alternativverhalten nicht auf die Verletzung von Informationspflichten übertragen. Dabei bedarf die Frage keiner Beantwortung, ob man diesen Einwand des Arztes überhaupt zulassen soll 176 . Der Arzt behauptet eine hypo-

171 BGHZ 29, 46, 49; 29, 176, 179 f.; BGH NJW 1974, 1422; 1980, 1905, 1906; Soergel/Zeuner, BGB, § 823 Rdnr. 200; MünchKomm / Mertens, BGB, § 823 Rdnr. 373; RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 64; ders., FS Hauß, 1978, S. 287, 288; Deutsch, NJW 1980, 1305, 1306. 172

A.A. Laufs, Arztrecht, Rdnr. 125 f., der in dem eigenmächtigen Eingriff des Arztes keine Körperverletzung, sondern eine Persönlichkeitsrechtsverletzung mit der Folge sieht, daß der Patient das Fehlen der Einwilligung beweisen muß; ebenso F. J. Kaufmann, Beweislastproblematik, S. 59 ff.; Honseil, ZSchwR, NF, Bd. 109 (1990), I. Halbb., S. 135, 145 ff. 173

A.A. Baumgärtel, GS Bruns, 1980, S. 93, 104 ff., der eine Indizierung der Rechtswidrigkeit verneint, da es der Regel entspreche, daß der ärztliche Eingriff mit Einwilligung des Patienten geschehe und daher rechtmäßig sei. Ähnlich Giesen, Arzthaftungsrecht M M L , S. 133; vgl. auch Dunz, Praxis der zivilrechtlichen Arzthaftung, S. 15 f. 174

Vgl. Nüßgens, FS Hauß, 1978, S. 287, 289.

175

A.A. Kleinewefers, VersR 1963, 297, 303, der unzutreffend in dem zweiten Einwand ein Problem der hypothetischen Kausalität sieht. Der Arzt beruft sich aber nicht auf eine Reserveursache, D. Franzki, Beweisregeln, S. 126. 176 Daßr. BGHZ 29, 176, 187; BGH NJW 1976, 365; VersR 1980, 428, 429; Dunz., Praxis der zivilrechtlichen Arzthaftung, S. 17; Nüßgens, FS Hauß, 1978, S. 287, 293 f.; Tempel, NJW 1980, 609, 616; Steffen, Neue Entwicklungslinien, S. 78; Hanau, Kausalität, S. 116 f.; Hofmann, Umkehr der Beweislast, S. 12 f.; D. Franzki, Beweisregeln, S. 128; RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 152 m.w.N. Dagegen: v. Caemmerer, Probleme der überholenden Kausalität, S. 411, 449 f.; Deutsch, Haftungsrecht I, S. 175; Giesen, ArzthaftungsR, S. 118 ff.; Staudinger / Medicus, BGB, § 249 Rdnr. 114.

§ 2 Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht

137

thetische Einwilligung des Patienten, die, läge sie vor, nur den haftungsausfüllenden Zurechnungszusammenhang zwischen der Körperverletzung und dem Behandlungsschaden entfallen ließe 177 . Der tatbestandlich erfüllte Haftungsgrund des § 823 I BGB bleibt von dem Einwand unberührt. Entsprechendes gilt im Vertragsrecht. Auch dort besteht ein Junktim von Behandlungs- und Aufklärungspflicht 178 . Die kausale Verknüpfung der Aufklärungspflichtverletzung mit der Körperverletzung folgt aus dem Verständnis des Heileingriffs als tatbestandliche Körperverletzung. Der Arzt bestreitet also den feststehenden Ursachenzusammenhang mit der Behauptung eines anderen, hypothetischen Verlaufs. Der Einwand des Informationspflichtigen zielt demgegenüber nicht darauf ab, einen bestehenden Kausalverlauf zu widerlegen. Er bestreitet gerade das Bestehen eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Verletzung der Informationspflicht und dem Willensentschluß des Berechtigten.

3. Gesteigerte Substantiierungslast Läßt sich damit die Umkehr der Beweislast bei der Verletzung ärztlicher Aufklärungspflichten nicht auf die Fälle der Verletzung von Informationspflichten übertragen, so ist doch ein Gesichtspunkt in der neueren Rechtsprechung zur Arzthaftung bei Aufklärungspflichtverletzungen beachtenswert: Die Aufklärungspflichtverletzung erlangte im Arzthaftungsrecht den Charakter eines Auffangtatbestandes, da die Beweisposition des Arztes in diesen Fällen denkbar ungünstig ist. Er hat die ordnungsgemäße Aufklärung bzw. wenn er den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens erhebt, den hypothetischen Willensentschluß des Patienten darzulegen und notfalls zu beweisen. Im letztgenannten Fall ist die Beweisnot 179 des Arztes mit der vergleichbar, die denjenigen trifft, der die Ursächlichkeit bzw. NichtUrsächlichkeit einer Informationspflichtverletzung beweisen muß. Im Arzthaftungsrecht trägt der BGH der Beweisnot des Arztes dadurch Rechnung, daß der Patient im einzelnen darlegen muß, daß ihn eine ordnungsgemäße Aufklärung zu einem anderen Verhalten bestimmt hätte 180 . Der Patient hat also substantiiert darzulegen, daß er bei ordnungsgemä-

177

Weber-Steinhaus,

178

Steffen,

Ärztliche Berufshaftung, S. 255 f.

Neue Entwicklungslinien, S. 73 f.

179 Gaupp, Beweisfragen, S. 3 verneint unzutreffend Beweisschwierigkeiten. Dagegen zutreffend D. Franzki, Beweisregeln, S. 120. 180 BGH VersR 1979,1012 1013; 1980, 428, 429 f.; 1982, 147, 149; 168, 169; 1142,1143; 1984, 465, 467; 468, 469; NJW 1982, 700.

138

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

ßer Aufklärung aus seiner Sicht vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, aus dem heraus die von ihm behauptete Ablehnung der ärztlichen Maßnahme verständlich wird 1 8 1 . Ob dieser Gesichtspunkt einer gesteigerten Substantiierungslast auch auf die Verletzung von Informationspflichten übertragbar ist, wird noch zu klären sein. Für eine Übertragbarkeit spricht bereits jetzt, daß die ärztliche Aufklärungspflicht alle Voraussetzungen einer Informationspflicht erfüllt, aber wegen ihrer Bedeutung als Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung aus beweisrechtlicher Sicht eine Sonderstellung einnimmt.

IL Umkehr der Beweislast bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers Anknüpfend an die Rechtsprechung des Reichsgerichts 182, nach der ein Arzt, der einen Kranken „durch unsachgemäße Behandlung bewußt oder leichtfertig einer Gefahr ausgesetzt hat, die den äußeren Umständen nach gerade die Schädigung herbeiführen konnte, die dann eingetreten ist" 1 8 3 , die NichtUrsächlichkeit seines Fehlers beweisen mußte, kehrt der BGH nunmehr in ständiger Rechtsprechung die Beweislast bezüglich des Kausalzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Rechtsgutverletzung zu Lasten des Arztes um 1 8 4 . Mittlerweile hat sich diese Rechtsprechung derart verfestigt, daß von einer tatbestandsmäßig umschriebenen Beweislastsonderregel gesprochen wird 1 8 5 .

1. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Beweislastsonderregel Unterläuft dem Arzt ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der eingetretenen Art herbeizuführen, muß er die NichtUrsächlichkeit seines Fehlers beweisen. In diesem Sinn läßt sich die von der Rechtsprechung

181 Weber-Steinhaus, Ärztliche Berufshaftung, S. 260 f.; Steffen, Neue Entwicklungslinien, S. 126; ders., ZVersWiss 1990, S. 31, 38; RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 327. 182 Vgl. RG HRR 1937, 1301; RG Warn 1941, Nr. 14, S. 29, 33; RGZ 171, 168, 171. Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. auch D. Franzki, Beweisregeln, S. 57 ff. 183

RGZ 171, 168, 171.

184

So ausdrücklich in BGHZ 72, 132, 136.

185

Gaupp, Beweisfragen, S. 70 f.; Baumgärtel / Wittmann, Beweisregeln, S. 60.

JA 1979, 113, 115; D. Franzki,

§ 2 Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht

139

entwickelte Beweislastsonderregel zusammenfassen 186. Neben den Merkmalen „grober Behandlungsfehler" und „Geeignetheit zur Schadensverursachung" begrenzt der BGH den Anwendungsbereich der Beweislastsonderregel auf den Ursachenzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsbeschädigung 187 . Der Beweis der Ursächlichkeit von Folgeschäden ist in der Regel nicht durch den Behandlungsfehler erschwert, weshalb es einer Beweiserleichterung nicht bedarf. Etwas anderes gilt nur, wenn die außer acht gelassene ärztliche Verhaltensregel gerade auch dem eingetretenen Folgeschaden entgegenwirken sollte, weil dieser mit der Primärverletzung typischerweise verbunden ist 1 8 8 oder sich der Behandlungsfehler nicht bereits in der Primärverletzung auswirkt 189 . Ein ärztliches Verhalten stellt einen Behandlungsfehler dar, wenn die nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft gebotene Sorgfalt nicht gewahrt wird und die Behandlung damit unsachgemäß ist oder die Behandlung contra legem artis erfolgt 190 . Wann ein Behandlungsfehler als „grob" einzustufen ist, richtet sich — anders als die Nähe zu § 277 BGB vermuten läßt 191 — nicht nach subjektiven Maßstäben, d.h. den in der Individualität des Handelnden begründeten Umständen, sondern nach objektiven Maßstäben192. Die im Einzelfall zu treffende Wertung obliegt dem Gericht 193 , da es sich im eine juristische Wertung handelt 194 . Als weitere Voraussetzung für die Annahme einer Beweislastsonderregel verlangt der BGH, daß der Behandlungsfehler geeignet war, einen Schaden der

186

Vgl. BGHZ 72, 132, 136; BGH NJW 1974, 1424, 1426; OLG Hamm VersR 1980, 291, 292; RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 297; D. Franzki, Beweisregeln, S. 56; Baumgärtel / Wittmann, JA 1979, 113, 115. 187

BGH NJW 1978, 1683.

188

BGH NJW 1978, 1683, 1684; 1970, 1230, 1231.

189

BGH NJW 1978, 1683, 1684 - fehlerhaft gesetzte Injektion.

190

BGH NJW 1968, 2291, 2292; 1983, 2080; RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 177; MünchKomm / Mertens, BGB, § 823 Rdnr. 415; Staudinger / Schäfer, BGB, Vorbem zu §§ 823 ff. Rdnr. 141; Baumgärtel / Wittmann, JA 1979, 113, 115. 191

Deutsch, Arztrecht und Arzneimittelrecht, Rdnr. 113; ders., VersR 1988, 1, 2.

192

RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 178; Weber-Steinhaus, S. 146; Laufs / Uhlenbruch, Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdnr. 4 ff.

Ärztliche Berufshaftung,

193 Die Darstellung der umfangreichen Kasuistik zum groben Behandlungsfehler ist im Rahmen dieser Arbeit nicht erforderlich. Insoweit sei verwiesen auf die Darstellungen bei Steffen, Neue Entwicklungslinien, S. 117 ff. u. Weber-Steinhaus, Ärztliche Berufshaftung, S. 147 ff. 194

BGHZ 72, 132, 135.

140

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen 195: Es muß die Möglichkeit bestehen, daß der Behandlungsfehler einen Schaden der eingetretenen Art verursacht haben kann 196 . Darüber hinaus nimmt der BGH eine Begrenzung der besonderen Beweislastregel aus dem Schutzzweckgedanken an, wenn eine Behandlungsentscheidung mehrere Verstöße gegen ärztliche Sorgfaltspflichten beinhaltet. Die Beweislastsonderregel findet in diesem Fall nur dann Anwendung, wenn sich gerade das Risiko verwirklicht, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen läßt 197 .

2. Ratio der Beweislastregel

im Lichte der Rechtsprechung

Die von der Rechtsprechung zur Begründung der Beweislastumkehr herangezogenen Argumente werden vielfach mit dem Stichwort Billigkeitserwägungen umrissen 198. Ein wesentlicher Grund, aus dem sich die Umkehr der Beweislast rechtfertigt, wird in den besonderen Schwierigkeiten gesehen, den Zusammenhang zwischen ärztlichem Handeln oder Unterlassen und dessen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus im Einzelfall festzustellen, weshalb es billig erscheint, den Patienten dann von der ihm andernfalls obliegenden, aber zuweilen kaum zu erfüllenden Beweispflicht zu entlasten199. Mit diesem Gesichtspunkt korrespondiert die meistenteils verwandte Formel, der Arzt habe durch den schweren Behandlungsfehler die Lage geschaffen, die nicht mit hinreichender Sicherheit die Feststellung erlaubt, wie der Verlauf bei ordnungsgemäßer ärztlicher Behandlung gewesen wäre 200 . Kürzer: Ohne den

195 Vgl. BGH L M Nr. 25 zu § 286 (C) ZPO; BGHZ 85, 212, 216 f.; BGH NJW 1986, 1540, 1541; 1988, 2303, 2304. 196

BGH NJW 1986, 1540, 1541; 1988, 2303, 2304; RGRK / Niißgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 300; ders., FS Hauß, 1978, S. 287, 298. 197

Weitergehend wohl OLG Oldenburg NJW 1988, 1531; Giesen, Arzthaftungsrecht, S. 226 f.; RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 301; Weber-Steinhaus, Ärztliche Berufshaftung, S. 151 f., die in der Entscheidung des BGH eine Übertragung des Erfordernisses eines Rechtswidrigkeitszusammenhang auf das Beweisrecht sehen. 198 Vgl. Dunz, Praxis der zivilrechtlichen Arzthaftung, S. 30; Nüßgens, FS Hauß, 1978, S. 287, 299; D. Franzki, Beweisregeln, S. 61 mit einem Überblick über die von der Rechtsprechung verwandten begrifflichen Nuancen. 199

BGH NJW 1981, 2513, 2514 re. Sp.; Weber-Steinhaus,

200

Vgl. BGH NJW 1988, 2303, 2304 re. Sp.

Ärztliche Berufshaftung, S. 144 f.

§ 2 Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht

141

Behandlungsfehler stünde fest, wie der weitere Verlauf gewesen wäre. Diese Lage des Geschädigten ist Folge des dem Arzt zurechenbaren Fehlverhaltens 201 . Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt 202, kann der letztgenannte Gesichtspunkt nicht die Annahme einer besonderen Beweislastregel rechtfertigen, da sich der (hypothetische) Kausalverlauf ohne die Pflichtverletzung immer feststellen ließe 203 . Neuerdings stellt der BGH als Sachgrund für die Umkehr der Beweislast darauf ab, daß das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den Behandlungsfehler besonders verbreitert oder verschoben worden ist 204 . In diesem Zusammenhang versucht der BGH den Grad der Aufklärungserschwernis für die Frage einer Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern nutzbar zu machen 205 , wenn er die Schadensneigung des ärztlichen Fehlverhaltens berücksichtigen will 2 0 6 . Je unwahrscheinlicher ein Ursachenzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Gesundheitsschaden sei — ein Umstand der zur Beweislast des Arztes stehe —, desto geringer wirkten sich im Ergebnis die durch den Behandlungsfehler verursachten Aufklärungserschwernisse aus. Ihr Gewicht verringere sich mit der wachsenden Unwahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs207. Ohne an dieser Stelle näher auf den Abwägungsgedanken der Rechtsprechung eingehen zu wollen, muß doch festgestellt werden, daß der Gedanke der Aufklärungserschwernis kein geeignetes Unterscheidungskriterium dafür darstellt, ob im konkreten Fall die Beweislast umzukehren ist oder nicht 208 . Denn jeder Behandlungsfehler setzt eine neue Ursache für den Schaden und erweitert damit das Ursachenspektrum. Die von der Rechtsprechung angenommene besondere Beweislastregel rechtfertigt sich demnach allein aus den besonderen Beweisschwierigkeiten, die mit

201

Vgl. BGH NJW 1988, 2303, 2304 re. Sp.; RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 304.

202

Siehe oben § 1.

203

Vgl. Heinemann, NJW 1990, 2345, 2348.

204 BGHZ 85, 212, 216; BGH NJW 1988, 2949, 2950 re. Sp.; Steffen, S. 117. 205

Neue Entwicklungslinien,

Weitergehend RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 307, der den Grad der Aufklärungserschwernis als ein Maßstab für die Art der vom Gericht zu gewährenden Beweiserleichterung ansieht. 206

BGHZ 85, 212,216; BGH NJW 1988, 2949, 2950 re. Sp.

207

BGH NJW 1988, 2949, 2950 f.

208

Ebenso Weber-Steinhaus,

Ärztliche Berufshaftung, S. 144 Fn. 458.

142

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

der ärztlichen Behandlung notwendig verbunden sind. Demzufolge stellt der BGH nicht auf materiell-rechtliche Gesichtspunkte wie den Normzweck oder die Gefahrerhöhung ab, sondern betrachtet das sich im Arztfehlerprozeß ergebende Beweisproblem als ein rein prozessuales.

3. Kritische Stellungnahmen im Schrifttum zur Annahme einer Beweislastsonderregel bei groben Behandlungsfehlern Fast uneingeschränkte Zustimmung fand im Schriftum der Ansatz der Rechtsprechung, den Kausalnachweis im Arzthaftungsrecht zu erleichtern. Über den Weg, auf dem die beweisrechtliche Besserstellung des Patienten zu erreichen ist, finden sich allerdings von der Rechtsprechung abweichende Äußerungen. Neben dem Versuch, die Rechtsprechung dogmatisch zu untermauern, finden sich auch Stimmen, die die Beweislastumkehr als Problemlösung oder deren Beschränkung auf grobe Behandlungsfehler ablehnen.

a) Annahme einer Beweislastsonderregel bei grobem Behandlungsfehler Die Stimmen in der Literatur, die der Rechtsprechung auch im Hinblick auf das qualifizierte Verschuldenserfordernis uneingeschränkt zustimmen, wiederholen überwiegend die Argumentation des BGH 2 0 9 . Dogmatische Begründungsversuche finden sich selten. Gaupp 210 will die besondere Beweislastregel auf den normativen Grundsatz gerechter Schadenszurechnung und auf das empirische Wahrscheinlichkeitsprinzip zurückführen. Damit ist aber lediglich begründet, daß sich die Beweislastsonderregel als eine im Rahmen des geltenden Rechts haltende Rechtsfortbildung darstellt. Demgegenüber sieht D. Franzki 211 in der von der Rechtsprechung angenommenen Umkehr der Beweislast eine Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen:

209 Palandt / Thomas, BGB, § 823 Rdnr. 170; RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Rdnr. 296; Staudinger / Schäfer, BGB, Vorbem zu § 823 ff. Rdnr. 141; Baumgärtel / Wittmann, JA 1979, 113, 114 ff.; Gottwald, Jura 1980, 303, 308. 210

Beweisfragen, S. 102 ff.

211

Beweisregeln, S. 87 ff.

§ 2 Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht

143

In einer Entscheidung vom 11.4.1967212 habe der BGH die Umkehr der Beweislast mit der Überlegung begründet, der Arzt habe durch den groben Behandlungsfehler die Lage selbst geschaffen, die nicht erkennen lasse, wie der Verlauf bei ordnungsgemäßer ärztlicher Betreuung gewesen wäre 213 . Er sei daher „näher daran", mit dem Beweisrisiko belastet zu werden als der Patient, der kaum etwas zur Aufklärung beitragen könne. Aus dieser Entscheidung will D. Franzki entnehmen, daß die gleichen Gründe, auf die die Gefahrenkreistheorie gestützt werde - Beweisnot des Geschädigten, Schadensnähe des potentiellen Schädigers und Präventivzweck der Haftungsnorm — auch bei ärztlichen Pflichtverstößen vorlägen, die Beweislastumkehr im Arzthaftungsprozeß also letztlich auf den Grundsätzen der Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen beruhe 214 . Die nicht gegebene Übertragbarkeit der Gefahrenbereichstheorie auf die Beweislastsonderregel bei groben Behandlungsfehlern wird erkennbar, wenn man berücksichtigt, daß häufig unaufklärbar bleibt, ob nicht statt des Behandlungsfehlers ein von außen hinzutretender Umstand die eigentliche Ursache der Schädigung darstellt 215 . Die haftungsrechtliche Erfassung auch dieser Umstände 216 wäre mit der abgrenzenden Funktion des Gefahrenbereichsbegriffs nicht zu vereinbaren 217. Die sich aus dem menschlichen Organismus als lebendes System ergebenden Unwägbarkeiten machen im Ergebnis den für die Gefahrbereichstheorie notwendigen Beweis, daß die Schadensursache aus dem Gefahrenbereich des Arztes hervorgegangen ist, unmöglich 218 . Eine andere Bewertung rechtfertigt sich auch nicht daraus, daß Franzki 219 mit dem BGH das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers verlangt, der einen Bereich erhöhter Gefahr begründe. Das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers mag zwar eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang begründen,

212

NJW 1967, 1508 f.

213

Nach der operativen Beseitigung einer Dupuytrenschen Kontraktur eines Fingers, bei der mit Komplikationen gerechnet werden muß, suchte der Arzt erst 32 Stunden nach der Operation den Patienten wieder auf. 214

D. Franzki,

215

Gaupp, Beweisfragen, S. 89.

Beweisregeln, S. 92.

216

In diesem Sinne Kleinewefers S. 175.

/ Wilts,

VersR 1967, 617, 624; dagegen Musielak, Grundlagen,

217

Gaupp, Beweisfragen, S. 89.

218

Vgl. Prölss, Beweiserleichterungen, S. 97; Gaupp, Beweisregeln, S. 89.

219

Beweisregeln, S. 90 f.

144

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

die Gefahrenbereiche bleiben davon aber unberührt, da der Gefahrenbereich des Arztes über die Behandlung mit dem Gefahrenbereich des Patienten aufs engste verbunden ist. Es liegen sich überschneidende Gefahrenbereiche vor.

b) Entbehrlichkeit eines qualifizierten Behandlungsfehlers Die Beschränkung der Beweislastumkehr auf grobe Behandlungsfehler wird im Schrifttum vielfach abgelehnt. Die ablehnende Haltung bei Hanau 220 , Stoll 221 und Deutsch 222 ergibt sich zwangsläufig aus deren dogmatischen Konzeptionen. So bedarf es bei der weitgehenden Anwendung des § 287 ZPO durch Hanau, bei dem Abstellen auf dem Normzweck durch Stoll und bei der Nutzbarmachung des Risikoerhöhungsgedankens durch Deutsch keiner Qualifizierung des Behandlungsfehlers. Während die Auffassungen von Hanau und Deutsch 223 auch im Hinblick auf ärztliche Behandlungsfehler aus den bereits genannten Gründen abzulehnen sind, bedarf die Normzwecküberlegung Stolls noch einer kurzen Betrachtung, da Stoll seine Auffassung im Bereich der Aufklärungspflichtverletzung leicht modifiziert hat. Wenn Stoll den Normzweck ärztlicher Berufspflicht auch darin sieht, das beweisrechtliche Risiko der Unaufklärbarkeit des Kausalzusammenhanges zu vermeiden, falls es sich dabei um ein typischerweise mit dem pflichtwidrig geschaffenen Verletzungsrisiko einhergehendes Beweisrisiko handelt 224 , so kann dem nicht gefolgt werden. Sicherlich ist es zutreffend, daß die vom Arzt geschuldete ordnungsgemäße Behandlung, wäre sie denn erfolgt, jeglichen Zweifel darüber beseitigt hätte, ob dem Patienten wirklich zu helfen war 225 . Dabei handelt es sich aber nur um ein Scheinargument, denn die Vornahme der geschuldeten Handlung beseitigt immer die sich im Zusammenhang mit dem Kausalnachweis ergebenden Schwierigkeiten.

220

Kausalität, S. 132 ff.

221

FS v. Hippel, 1967, S. 517, 553.

222

Haftungsrecht, S. 247.

223

Angesprochen ist die Gefahrerhöhungslehre. Die von Deutsch, NJW 1976, 2289, 2291 f. und NJW 1978, 1657, 1658 vorgeschlagene Gleichsetzung von elementaren ärztlichen Kunstregeln mit Schutz- und Verhaltensvorschriften soll eine Beweislastumkehr nur hinsichtlich der inneren Sorgfalt begründen. Gegen eine Übertragung auf die Kausalitätsfrage D. Franzki, Beweisregeln, S. 82 ff. 224

So Stoll, FS v. Hippel, 1967, S. 517, 551 ff.

225

Stoll, a.a.O., S. 552.

§ 2 Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht

145

Im Gegensatz zu Stoll versucht Prölss 226 nicht den Normzweck, sondern den Gedanken der Beweisvereitelung für den Bereich des ärztlichen Behandlungsfehlers nutzbar zu machen, wobei er ebenfalls eine Qualifizierung des Behandlungsfehlers ablehnt 227 . Nach Auffassung von Prölss rechtfertigt allein die grobe Verletzung von Berufspflichten keine Umkehr der Beweislast. Etwas anderes gelte nur, wenn die schadenstiftende Handlung auch im Hinblick auf die Herbeiführung der Unaufklärbarkeit als schuldhaft zu bewerten sei. In diesem Fall kehre sich die Beweislast aus dem Gedanken der schuldhaften Beweisvereitelung um 2 2 8 . Im erstgenannten Fall sei die Herbeiführung der Beweislosigkeit eine rein zufällige Folge, weshalb es nicht angehe, das Verhalten losgelöst von einem Erfolg über den Umweg einer Beweislastumkehr zu sanktionieren. Ein solches pönales Sanktionsdenken sei dem geltenden Zivilrecht fremd. Eine allein auf die — unverschuldete — Verursachung der Beweisnot abstellende Beweislastsonderregel gehe zu weit und finde keine Stütze im Gesetz. Das geltende Recht sehe nämlich grundsätzlich keinen Ausgleich für nicht schuldhaft verursachte Nachteile vor 2 2 9 . Die Ausführungen Prölss bestätigen die bei der Darstellung der Rechtsprechung zum groben Behandlungsfehler gemachte Feststellung, daß die Beweisnot nicht der eine Beweislastsonderregelung tragende Gesichtspunkt sein kann: Der Klarstellungseffekt tritt nämlich regelmäßig ein, wenn die ärztliche Pflicht erfüllt wird 2 3 0 . Damit ist aber nicht gesagt, daß es nicht andere Gesichtspunkte gibt, aus denen sich die Umkehr der Beweislast rechtfertigt. Markanter Beleg dafür sind die im Schriftum zu findenden dogmatischen Begründungsversuche einer Beweislastsonderregel 231. Zugleich macht die breite Zustimmung, die die Rechtsprechung gefunden hat 232 , deutlich, daß ein Bedürfnis für die besondere Beweisiastregel der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist 233 . Daher ist die

226

Beweiserleichterungen, S. 97 ff.; vgl. aber auch ZZP 82 (1969), 468, 472 ff.

227

ZZP 82 (1969), 468, 474 f.

228

Prölss, a.a.O., S. 98 f.

229

Prölss, a.a.O., S. 98.

230

Heinemann, NJW 1990, 2345, 2348.

231

Vgl. nur Hanau, Kausalität, S. 134 f. und Stoll, FS v. Hippel, 1967, S. 517, 550 ff.

232

Blomeyer, AcP 158 (1959 / 60), 97, 104 ff.; ders., ZPR, § 73 II 2, S. 394; ders., Gutachten, S. 11; Schönke / Kuchinke, § 57 V 1, S. 266; SÜ / Leipold, ZPO, § 286 Rdnr. 128; Soergel/Zeuner, BGB, § 823 Rdnr. 281; Gaupp, Beweisfragen, S. 68 ff. 233

So wohl nunmehr auch Prölss, ZZP 82 (1969), 468, 474 f.

10 Brüske

146

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

zu enge und die Problematik nicht in ihrer Gänze erfassende Auffassung von Prölss abzulehnen.

c) Entbehrlichkeit einer Beweislastumkehr Anders als bei der Verletzung von Aufklärungspflichten sieht Musielak 234 in der Rechtsprechung des BGH zum groben Behandlungsfehler die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises. Verlange der BGH, daß der grobe Behandlungsfehler eine geeignete und naheliegende Schadensursache darstelle, dann entscheide — wie beim Anscheinsbeweis der Kausalität — eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Kausalzusammenhang über die Beweislastumkehr 235 . Seit BGHZ 85, 212 ff. ist geklärt, daß Musielak seine Auffassung nicht auf die Rechtsprechung des BGH stützen kann. Dezidiert hat der BGH dort dargelegt, daß die Umkehr der Beweislast bei groben Behandlungsfehlern auf anderer Grundlage beruht, als diejenige des Anscheinsbeweises236. Der Anscheinsbeweis scheidet als Problemlösung zudem auch aus 237 , wie sich aus der Rechtsprechung zum groben Behandlungsfehler ergibt: Könnten in diesen Fällen immer Erfahrungsgrundsätze zur Anwendung gebracht werden, hätte keine Notwendigkeit für eine besondere Beweislastregel bestanden. Daß die Rechtsprechung neben der Anwendung des Anscheinsbeweises bei Behandlungsfehlern 238 eine Beweislastsonderregel entwickelte, macht die Ungeeignetheit des Anscheinsbeweise zur umfassenden Problemlösung nur zu deutlich. Die Auffassung Musielaks ist daher abzulehnen239.

234

Grundlagen, S. 145 ff., insb. S. 150 ff.

235

Ebenso Schuster, Beweislastumkehr, S. 134 f.

236

BGHZ 85, 212, 217; vgl. auch Nüßgens, FS Hauß, 1978, S. 287, 295 ff., der intensiv auf die von Musielak in Bezug genommene Rechtsprechung eingeht. 237 Das gilt auch dann, wenn man mit Musielak im Rahmen des Anscheinsbeweises der Kausalität die Wahrscheinlichkeitsanforderungen vermindert, vgl. Grundlagen, S. 149. 238 239

Dazu näher D. Franzki,

Beweisregeln, S. 46 ff.

Ebenso, aber mit zum Teil unzutreffenden Begründungen Nüßgens, FS Hauß, 1978, S. 287, 296; Baumgärtel / Wittmann, JA 1979, 113, 116; D. Franzki, Beweisregeln, S. 71 f.; Giesen, Arzthaftungsrecht, S. 222, da Musielak weder von einer Austauschbarkeit der Beweisfiguren Anscheinsbeweis und Beweislastumkehr ausgeht (so aber Baumgärtel / Wittmann und D. Franzki) noch dem Patienten den Nachweis erhöhter Wahrscheinlichkeit auferlegt (so aber Giesen).

§ 2 Die Umkehr der Beweislast im Arzthaftungsrecht

147

Ohne eine besondere Beweislastregel vermeint auch Bydlinski 240 auszukommen. Werde über die Kausalfrage nach Beweislast entschieden, so hafte ein durch die Entscheidung belasteter Schädiger für mögliche Kausalität 241 . Da Bydlinski die Einführung der Haftung für mögliche Kausalität über den Umweg des Beweisrechts als unzureichend ansieht, will er in gesetzeskonformer Fortbildung aus § 830 I 2 BGB die allgemeine Regel entwickeln, daß bereits die mögliche Kausalität ein Haftungselement ist 242 . Die mit einer Haftung für mögliche Kausalität unvereinbare Totalrestitution — ein Gesichtspunkt, der nach Bydlinski die Ungeeignetheit des Beweisrechts als Problemlösung deutlich macht — will Bydlinski durch eine Schadensteilung ersetzen 243. Gerade der letzte Gesichtspunkt macht deutlich, daß die Auffassung Bydlinskis nicht mit dem geltenden Recht vereinbar ist 2 4 4 . Hinzu kommt, daß die Sonderregelung des § 830 I 2 BGB restriktiv auszulegen ist, da die Norm eine Ausnahme von dem im Deliktsrecht grundsätzlich geltenden Verursachungsprinzip darstellt 245 . Eine Verallgemeinerung dieser Sonderregel ist daher abzulehnen 246 .

III. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß die ärztliche Aufklärungspflicht einen beweisrechtlichen Sonderfall darstellt, weshalb die Beweislastsonderregel nicht übertragbar ist. Die Beweisschwierigkeiten im Zusammenhang mit ärztlichen Behandlungsfehlern sind mit Hilfe des Anscheinsbeweises und der Beweislastsonderregel zu lösen.

240

Probleme der Schadens Verursachung, S. 65 ff.

241

Bydlinski,

242

A.a.O., S. 89. Vgl. insoweit auch die zustimmende Äußerung von Prölss, 7ZP 82 (1969),

a.a.O., S. 84.

468, 475. 243

Vgl. insoweit auch Prölss, a.a.O.

244

Vgl. Gaupp, Beweisfragen, S. 78.

245

MünchKomm / Mertens, § 830, Rdnr. 2.

246

Hanau, Kausalität, S. 129; Gaupp, Beweisfragen, S. 78 f.; D. Franzki,

Beweisregeln, S. 73.

148

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

§ 3 Anwendung einer Beweislastsonderregel bei grober Verletzung der Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung — Fortsetzung des eigenen Problemlösungsansatzes Zur Beantwortung der allein noch offenen Frage einer Beweislastsonderregel bei Verletzung einer Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung ist zunächst zu klären, ob von einer generellen Beweislastumkehr auszugehen ist oder nicht. In diesem Zusammenhang ist auf die Auffassung von H. Roth 247 einzugehen, zu der eine kritische Stellungnahme noch aussteht. Sollte sich dabei die Notwendigkeit einer differenzierten Beweislastsonderregel herausstellen, wird der weiteren Frage nach einem geeigneten Differenzierungskriterium nachzugehen sein.

I. Notwendigkeit einer Differenzierung im Rahmen der Selbstentscheidungs-Aufklärung Nach H. Roth erklärt sich die von ihm angenommene uneingeschränkte Anwendbarkeit der Beweislastsonderregel allein aus der Überlegung, Schutzobjekt von vertraglichen Aufklärungspflichten sei die Privatautonomie des Geschädigten. Die daraus folgende generelle Umkehr der Beweislast kann aber aus mehreren Gründen nicht überzeugen.

1. Anscheinsbeweis bei Selbstentscheidungs-Aufklärung Die in dieser Abhandlung getroffene Bestimmung des Anwendungsbereichs des Anscheinsbeweises macht bereits deutlich, daß eine generelle Beweislastumkehr in Fällen von Selbstentscheidungs-Aufklärung nicht gerechtfertigt ist. Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises hängt nämlich nicht von der Einordnung Ratschlags- oder Selbstentscheidungs-Aufklärung ab. Der Anscheinsbeweis findet in Fällen der Ratschlags-Aufklärung nicht deshalb Anwendung, weil die Aufklärung in diesem Sinne einzuordnen ist, sondern weil in diesen Fällen die Informationspflichtverletzung ein typisiertes Motiv des Bankkunden betrifft. Entsprechendes gilt in den Prospekthaftungs- und Options-

247

ZHR 154 (1990), 513, 530 f.

§ 3 Anwendung einer Beweislastsonderregel

149

geschäftsfällen 248, wo unzweifelhaft eine Selbstentscheidungs-Aufklärung geschuldet ist. Nach der hier vertretenen Problemlösung erleichtert bereits der Anscheinsbeweis in einer Vielzahl von Fällen den Kausalnachweis bei Verletzung einer Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung 249. Eine generelle Umkehr der Beweislast geht deshalb im Ergebnis zu weit.

2. Gedanke einer gerechten Interessenabwägung Die Notwendigkeit einer differenzierten Beweislastregel bei der Verletzung einer Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung folgt zudem aus der auch im Beweisrecht vorzunehmenden gerechten Interessenabwägung. Im Arzthaftungsrecht ist unbestritten, daß der Arzt keinen Erfolg, sondern lediglich die kunstgerechte Behandlung schuldet 250 . Käme die Beweislastsonderregel bei jedem Behandlungsfehler zur Anwendung, so liefe das im Ergebnis auf eine Erfolgshaftung bei Behandlungsfehlern hinaus, da der Arzt kaum einmal den Nachweis der NichtUrsächlichkeit erbringen könnte. Entsprechendes gilt bei der Verletzung einer Informationspflicht durch eine Bank. Jedenfalls in den hier interessierenden Fällen der Selbstentscheidungs-Aufklärung schuldet die Bank nicht einen bestimmten Geschäftserfolg, sondern lediglich die Erbringung einer Dienstleistung. Kehrte man die Beweislast bei jeder Verletzung der Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung um, so bedeutete das eine Erfolgseinstandspflicht der Bank. Der Nachweis der NichtUrsächlichkeit der Informationspflichtverletzung brächte die Bank in ebenso, wenn nicht sogar noch größere Beweisnot, wie sie für den Kunden ohne die besondere Beweislastregel bestanden hätte. Das vom Kunden zu tragende Geschäftsrisiko verlagerte sich so auf die Bank und ermöglichte dem Kunden vielfach eine gefahrlose Spekulation. Die beiden Pole zwischen denen sich die Problemlösung bewegen muß, beinhalten demnach zum einen, daß es nicht interessengerecht ist, wenn die Bank sich unproblematisch einer Haftung wegen verschuldeter Informationspflichtverletzung entziehen kann und zum anderen, daß die Abwälzung des vom Kunden zu tragenden Geschäftsrisikos auf die Bank ebenso interessenwidrig ist. Diesem Interessenwiderstreit wird die Annahme einer generellen Beweislastumkehr nicht gerecht.

248

Vgl. dazu Kap. 3 § 3 I I I 2, 3.

249

A.A. H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 521 f.

250

MünchKomm / Soergel BGB, § 631, Rdnr. 49.

150

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

3. Funktionswandel

bei den Verkehrspflichten

Entgegen H. Roth 251 läßt sich aus dem Funktionswandel, den die Verkehrssicherungspflichten insbesondere mit dem Mehrwegflaschenurteil 252 erfahren haben, keine generelle Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Pflichten zur Selbstentscheidungs-Aufklärung ableiten. Im Kupolofenurteil 253 konnte der BGH die Frage des Kausalitätsnachweises zwischen den Schäden an den Pkw und der Staubemmission offenlassen 254. Er hielt es aber für möglich, dem Geschädigten wegen der erheblichen Beweisschwierigkeiten aus dem Gesichtspunkt der Schadensnähe Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugute kommen zu lassen, wenn eine Überschreitung der TA-Luft-Werte festgestellt sei 255 . Ausdrücklich bejahte der BGH demgegenüber eine Umkehr der Beweislast bezüglich des Kausalnachweises im Mehrwegflaschenurteil 256. Dem Kläger war eine Glasflasche mit einem von der Beklagten hergestellten kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränk in der Hand explodiert. Unklar war u.a., ob eine vom Sachverständigen als mögliche Schadensursache bezeichnete Rißschädigung im Glas der Rasche bei Befüllung vorlag oder ob eine solche Schädigung der Flasche erst nach letztmaligem Inverkehrbringen seitens der Beklagten verursacht worden war.

„Wenn die Pflicht des Herstellers zur Gefahrenabwehr gezielt auf die Erhebung zur Aufhellung eines unklaren Zustands oder einer ungeklärten Beschaffenheit des Produkts gerichtet sei, die dem Hersteller zum Schutz der Verwender gerade deshalb aufgegeben sei, ihm durch eine genaue Ermittlung und Sicherung des Status sich rechtzeitig über das Freisein von Produktgefahren zu vergewissern, die typischerweise das Produkt belasten und die nach Inverkehrgabe des Produkts durch den Hersteliier nicht mehr aufzudecken sind", dann soll nach Ansicht des BGH den Hersteller die Beweislast dafür treffen, daß

251

ZHR 154 (1990), 513, 531 f.

252

BGHZ 104, 323 ff.

253

BGHZ 92, 143 ff.: Die Beklagte betrieb eine genehmigte Anlage zum Einschmelzen von Roheisen und Rohstahl (Kupolofen). Die Kläger stellten ihre Pkws auf einem in der Nähe des Kupolofen gelegenen Parkplatz ab. Die Kläger verlangten Schadensersatz für Beschädigungen der Pkws durch Eisenoxydstaub, der aus dem Kupolofen emmittiert sei. 254 Vgl. zur Beweisproblematik bei Industrieimmissionen Gmehling, Beweislastverteilung, S. 115 ff. 255 256

BGHZ 92, 143, 146 f.; weitergehend Marburger / Herrmann, JuS 1986, 354, 358.

BGHZ 104, 323 ff.; bestätigend: BGH NJW 1993, 528 ff. unter Auseinandersetzung mit kritischen Literaturstimmen.

§ 3 Anwendung einer Beweislastsonderregel

151

pflichtgemäße Befunderhebung im Zeitpunkt der Prüfung einen einwandfreien Zustand des Produkts ergeben haben würde 257 . Mit dieser Beweislastsonderregel bei Verletzung einer Befundsicherungspflicht zieht der BGH eine — auch ausdrücklich eingeräumte 258 — Parallele zur ärztlichen Befundsicherungs- und Dokumentationspflicht. Diese beruht aber auf dem Gedanken der schuldhaften Vereitelung einer dem Patienten ansonsten möglichen Beweisführung 259 . Eine völlig andere Situation findet sich dagegen im Falle der Verletzung einer Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung, weil die Bank nicht auf etwaige Beweismittel durch die Pflichtverletztung einwirkt. In der Beweisnot realisiert sich ein besonderes Beweisrisiko, nicht aber die Verletzung vorprozessualer Mitwirkungspflichten, die z.B. analog §§ 427, 444, 446 ZPO eine Beweislastumkehr rechtfertigt 260 . Daneben nimmt der BGH im Mehrwegflaschenurteil eine Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen vor, wenn er die Beweislastsonderregel davon abhängig macht, daß der festgestellte Mangel des Produkts typischerweise aus dem Bereich des Herstellers stammt und der Geschädigte einen Verstoß des Herstellers gegen die Befundsicherungspflicht nachweisen muß 261 . Bei der Verletzung von Informationspflichten ist eine Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen jedoch nicht möglich. Die vorstehenden Überlegungen dürften hinreichend dargelegt haben, daß eine Beweislastsonderregel nicht bereits aus der Verletzung einer Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung folgt 262 , sondern daß darüber hinaus weitere Umstände vorliegen müssen, um eine Beweislastumkehr zu rechtfertigen.

257 BGHZ 104, 323, 334. Obwohl diese Rechtsprechung in erster Linie der Frage gilt, ob ein Produktmangel dem Bereich der Herstellung zuzuordnen ist (Graf ν . Westphalen / Foerste, Produkthaftungshandbuch I, § 30 Rdnr. 87, S. 515), wird sie auf die übrigen Aspekte der haftungsbegründenden Kausalität erstreckt, vgl. Giesen, JZ 1988, 969, 970 Ii. Sp. 258

BGHZ 104, 323, 334 f.

259

Giesen, JZ 1988, 969, 971; ders., Arzthaftungsrecht, S. 232 f.

260

Vgl. Foerste, VersR 1988, 958, 960 Ii. Sp.

261

Giesen, JZ 1988, 969, 970; vgl. insoweit zur ärztlichen Befundsicherungspflicht auch Giesen, Arzthaftungsrecht, S. 234. 262

So aber H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 532.

152

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

Π. Ratio der Beweislastsonderregel Das damit herauszuarbeitende Differenzierungskriterium muß, das haben die verschiedenen Problemlösungen gezeigt, aus der Ratio der besonderen Beweislastregel entwickelt werden. Erst wenn klar ist, warum die Beweislast in bestimmter Weise zu verteilen ist, läßt sich auch das Differenzierungskriterium bestimmen.

7. Sicherungsaufklärung

und der ärztliche Behandlungsfehler

Im Zuge der Darstellung der Beweiserleichterungen im Arzthaftungsrecht konnte gezeigt werden, daß die bei der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht eingreifende besondere Beweislastregel nicht auf Informationspflichtverletzungen im Bankbereich übertragbar ist. Beachtenswert ist aber, daß die Sicherungsaufklärung wie ein Behandlungsfehler beweisrechtlich behandelt wird. Damit gilt die von der Rechtsprechung herausgestellte Ratio der Beweislastsonderregel bei ärztlichen Behandlungsfehlern auch für die Verletzung ärztlicher Informationspflichten. Nach Auffassung der Rechtsprechung rechtfertigt sich die abweichende Beweislastregel aus den besonderen Beweisschwierigkeiten, die sich spezifisch in der Behandlungssituation ergeben: Der Arzt wirkt bei seinen Maßnahmen auf einen lebenden Organismus ein, dessen biologische und physiologische Reaktionen nicht in vollem Umfang berechenbar, vorhersehbar und beherrschbar sind 263 . Wegen der Eigengesetzlichkeit und weitgehenden Undurchschaubarkeit des lebenden Organismus kann ein Fehlschlag oder Zwischenfall nicht allgemein ein Fehlverhalten des Arztes indizieren 264 . Bezogen auf die Sicherungsaufklärung scheinen diese Gesichtspunkte eine Beweislastumkehr nicht zu rechtfertigen. Denn die Aufklärung über ein therapiegerechtes Verhalten dient allein der Sicherung des Heilerfolges durch ein mitwirkendes Verhalten des Patienten. Es geht demnach nicht um biologische oder physiologische Reaktionen des Organismus, sondern um die Entscheidung des Patienten, sich aufklärungsrichtig, also therapiegerecht zu verhalten. Im Ergebnis macht es aber keinen Unterschied, ob die Beweisschwierigkeiten Folge nicht steuerbarer und nicht vorhersehbarer Reaktionen des lebenden Organismus sind oder auf der Nichtfaßbarkeit menschlicher Willens-

263

BGH L M Nr. 25 zu § 286 (C); BGH JR 1978, 61, 62 re. Sp.

264

Vgl. nur BGH JR 1978, 61, 62 m.w.N.

§ 3 Anwendung einer Beweislastsonderregel

153

bildung beruhen. In beiden Fällen geht mit der ärztlichen Pflichtverletzung ein spezifisches und für diese Fallkonstellationen typisches Beweisrisiko einher 265 .

2. Rechtfertigung

der besonderen Beweislastregel

aus dem spezifischen Beweisnsiko Was für die ärztliche Pflicht zur Sicherungsaufklärung gilt, trifft entsprechend im Falle der Informationspflichtverletzung durch eine Bank zu. Hier wie dort geht mit der Verletzung der Berufspflicht eine Beweisnot einher, die ihren Ursprung in der fehlenden Berechenbarkeit der Auswirkungen der ausgeübten Berufspflicht beim Patienten bzw. Kunden hat. Sowohl beim Behandlungsfehler als auch bei der Informationspflichtverletzung kann sich ein spezielles Beweisrisiko realisieren. Dabei handelt es sich nicht um das allgemeine Beweisrisiko, da nicht zufällig Beweismittel nicht zu erreichen sind. Es realisiert sich auch nicht das die Anwendung des § 287 ZPO rechtfertigende definitorische Beweisrisiko. Denn die Beweisnot hat ihren Ursprung nicht in der Definition des Kausalbegriffs, sondern in den spezifischen äußeren Umständen, auf die der Arzt bzw. die Bank durch Ausübung ihrer Berufspflicht einwirken. Die besondere Beweislastregel bei der Verletzung von Informationspflichten — genauer: bei der Verletzung der Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung — rechtfertigt sich allein aus dem speziellen Beweisrisiko und nicht aus materiellrechtlichen Gesichtspunkten. Die als Beweislastumkehr extra legem verstandene Beweislastsonderregel fußt somit allein im Prozeßrecht.

III. Die qualifizierte Informationspflichtverletzung als Differenzierungskriterium Rechtfertigen sich die besonderen Beweislastregeln bei Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers und bei der Verletzung einer Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung aus dem in beiden Fällen sich realisierenden speziellen Beweisrisiko, so liegt es nahe, die vom BGH als Differenzierungskriterium verwandte Qualifizierung des Behandlungsfehlers auch für die Informationspflichtverletzung nutzbar zu machen.

265 Auf diesen Gesichtspunkt hat der BGH im Haartonikum-Fall (BGHZ 64, 46 ff.) gleichfalls abgestellt.

154

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

1. Kritik

am Merkmal des „groben " Behandlungsfehlers

Die Beschränkung der besonderen Beweislage ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen. An dieser Stelle interessiert allerdings nicht die sich aus der jeweils vertretenen Problemlösung ergebende Kritik an dem Qualifizierungserfordernis 266 . Vielmehr geht es um die Koppelung der Beweislastumkehr an das qualifizierte Verschuldenserfordernis Losgelöst von seinem Ansatz wendet Hanau 267 gegen die Qualifizierung des Behandlungsfehlers ein 268 , die Abstufung der Beweisanforderungen nach dem Verschuldensgrad sei systemwidrig, da eine solche Abstufung der materiellen Haftungsordnung fremd sei. Auch sei die Grenzziehung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit nicht unproblematisch, Rechtsunsicherheit die notwendige Folge. Schließlich sei die Grenzziehung zwischen den Arten der Fahrlässigkeit sehr starr. Die Argumentation Hanaus kann letztlich nicht überzeugen. Die Abgrenzung verschiedener Fahrlässigkeitsgrade bereitet naturgemäß Probleme, dennoch sieht die Rechtsordnung diese Abgrenzung in zahlreichen Fällen vor 269 . Auch ist dem Gesetz eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz nicht fremd, was z.B. die §§ 521, 599, 680 BGB zeigen 270 . Demgegenüber kritisieren Kleinewefers / Wilts 2 7 1 das Fehlen einer überzeugenden Begründung für die Koppelung der Beweislastumkehr an ein qualifiziertes Verschulden seitens des BGH. Das gelte umso mehr, als der BGH in Fällen der Verletzung von Dokumentationspflichten kein qualifiziertes Verschulden verlange 272 . Ähnlich argumentiert Walter 273 , wenn er auf die besondere Beweislastregel bei der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht abstellt, wo ebenfalls von der Rechtsprechung kein qualifiziertes Verschulden gefordert wird. Die Tatsache, daß es sich bei der ärztlichen Aufklärungspflicht um einen

266

Siehe dazu oben § 2 II 3 b.

267

Kausalität, S. 133 f.

268

Ablehnend auch Kleinewefers

269

Vgl. nur §§ 521, 599, 680, 968 BGB, § 11 Nr. 7 AGBG, § 430 I I I HGB, § 46 BRRG.

/ Wilts , VersR 1967, 617, 625 (Ergebnis).

270

In diesem Zusammenhang ist auch an die Rechtsprechung zur gefahrgeneigten Arbeit zu erinnern. 271

VersR 1967, 617, 619.

272

A.a.O., 621 f.

273

Freie Beweis Würdigung, S. 245 f.

§ 3 Anwendung einer Beweislastsonderregel

155

beweisrechtlichen Sonderfall handelt 274 , macht deutlich, daß Walter und Kleinewefers / Wilts Fallgestaltungen vergleichen, die nicht gleichgelagert sind. Bei den von der Rechtsprechung im Rahmen der Arzthaftung entwickelten Beweislastgrundsätzen handelt es sich um selbständige Beweislastsonderregeln mit eigenen tatbestandlichen Voraussetzungen. Unbestreitbar ist mit der Koppelung des qualifizierten Verschuldens an die Pflichtverletzung eine gewisse Unschärfe verbunden 275. Die damit einhergehende umfangreiche Kasuistik trägt nicht zur Rechtsklarheit bei. Eine Rechtsordnung kommt aber nicht ohne unbestimmte Rechtsbegriffe aus. Zudem gehen die mit der Begrifflichkeit „grober Behandlungsfehler" verbundenen Schwierigkeiten nicht über die hinaus, die generell mit der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe verbunden sind 276 .

2. Interessengerechte

Verteilung

des speziellen Beweisrisikos

Ist die mit dem Differenzierungskriterium verbundene begriffliche Unschärfe hinnehmbar, so bedarf es noch des Nachweises, daß die Differenzierung nach dem Verschuldensgrad zu einer interessengerechten Verteilung des speziellen Beweisrisikos in der Lage ist.

a) Grundsatz der Waffengleichheit Für das Arzthaftungsrecht hat das BVerfG die von der Rechtsprechung herangezogenen Beweislastsonderregeln als mit dem Grundsatz der Waffengleichheit 277 vereinbar angesehen278. Dieser, sich als eine besondere Ausprägung

274

Siehe oben § 2 I.

275

Über die Unschärfe des Begriffs grober Behandlungsfehler beklagen sich z.B. Giesen, Arzthaftungsrecht, S. 223; Laufs, Arztrecht, Rdnr. 422. 276

Vgl. Weber-Steinhaus,

Ärztliche Berufshaftung, S. 146.

277

Vgl. dazu auch Bötticher, Die Gleichheit vor dem Richter, in: Gleichbehandlung und Waffengleichheit, S. 9 ff. und H. Franzki / D. Franzki, Waffengleichheit im Arzthaftungsprozeß, NJW 1975, 2225 ff. 278 BVerfGE 52, 131, 146. Diese Auffassung wird vom gesamten Senat getragen. Die unterschiedlichen Auffassungen im Senat zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde gegen die vom OLG Stuttgart in einem Arzthaftungsprozeß getroffene Entscheidung entzündete sich an der Frage, ob das OLG von den durch die Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichterungen in rechter Weise Gebrauch gemacht hatte; vgl. insoweit auch RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 288.

156

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes279 im prozessualen Bereich darstellende Grundsatz sieht vor, daß beide Parteien im Prozeß formell gleichgestellt sind, sie dieselben Rechte und Befugnisse haben280. Nach Auffassung des BVerfG ermöglichen die von der Rechtsprechung entwickelten besonderen Beweislastregeln auch im Arzthaftungsrecht in beweisrechtlicher Hinsicht ein faires Verfahren und eine „gerechte Interessenabwägung". Die verfassungsrechtliche Bestätigung der besonderen Beweislastregel zum groben Behandlungsfehler umfaßt auch die Koppelung der Beweislastregel an die qualifizierte Pflichtverletzung und bildet damit ein gewichtiges Argument für eine Differenzierung mittels des Verschuldensgrades.

b) Interessengerechte Verteilung des speziellen Beweisrisikos bei der Verletzung von Informationspflichten Rechtfertigt sich die besondere Beweislastregel bei Verletzung der Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung durch die Bank aus dem sich realisierenden speziellen Beweisrisiko, so muß das Differenzierungskriterium „grobe Informationspflichtverletzung" dieses Beweisrisiko angemessen auf beide Prozeßparteien verteilen.

aa) Abwägung der widerstreitenden

Interessen

Die zwischen Bank und Kunden nach der Verletzung einer Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung bestehende Beweissituation ist dadurch gekennzeichnet, daß die Bank ohne Anwendung der Beweislastsonderregel sich bei jeder Informationspflichtverletzung unproblematisch der Haftung entziehen könnte. Im umgekehrten Fall könnte der Kunde sein Geschäftsrisiko unschwer auf die Bank abwälzen, wenn er ihr eine Informationspflichtverletzung nachweisen kann, da die Bank kaum jemals in der Lage sein wird, die NichtUrsächlichkeit der Pflichtverletzung zu beweisen. Die abgewogene Verteilung des besonderen Beweisrisikos muß zwischen diesen beiden Extremen liegen. Der Kunde, der eine Bank mit der Führung seiner Konten beauftragt, muß mit Fehlleistungen

Kritisch zur Entscheidung des BVerfG äußert sich Stürner, NJW 1979, 2334 ff. 27 9

Zöller / Vollkommer,

280

Arens / Lüke, ZPR, Rdnr. 103; SÜ / Schumann, ZPO, Einl. Rdnr. 506.

ZPO, Einl. Rdnr. 101; SU / Schumann, ZPO, Einl. Rdnr. 506.

§ 3 Anwendung einer Beweislastsonderregel

157

infolge menschlicher Unzulänglichkeit rechnen. Das bedeutet nicht, daß die Bank nicht für die Schlechtleistung haftet, sie rechtfertigt nur keine Beweislastumkehr. In der Informationspflichtverletzung realisiert sich das allgemeine Lebensrisiko, das allein vom Kunden zu tragen ist. Daran ändert auch das sich möglicherweise im Prozeß zudem realisierende spezielle Beweisrisiko nichts. Etwas anderes gilt, wenn die Bank ihre Informationspflichten in grober Weise verletzt. Verbliebe das spezielle Beweisrisiko auch in diesem Falle beim Kunden, liefe die aufgestellte Norm, die Informationspflicht, praktisch leer. Die Rechtsordnung hat aber ein Interesse an deren Einhaltung. Das gilt zwar in Bezug auf jedes Fehlverhalten, also unabhängig vom Verschuldensgrad. Die Rechtsordnung kann aber die Nichtdurchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen geringer Informationspflichtverletzungen eher tolerieren, als das bei groben Pflichtverstößen der Fall ist. Im ersten Fall ist die Pflichtverletzung Ausdruck menschlicher Unzulänglichkeit, wohingegen der zweite Fall sich durch die Gleichgültigkeit auszeichnet, mit der der Schädiger den Sorgfaltsanforderungen der Rechtsordnung begegnet. Daher ist es gerechtfertigt, bei groben Informationspflichtverletzungen die Bank mit dem speziellen Beweisrisiko zu belasten. Das Differenzierungskriterium „grobe Informationspflichtverletzung" ermöglicht demnach im Grundsatz eine interessengerechte Verteilung des speziellen Beweisrisikos auf Bank und Kunden in Fällen der Verletzung der Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung. Dabei richtet sich die Qualifizierung der Informationspflichtverletzung — wie im Arzthaftungsrecht — nach objektiven Maßstäben. Darüber hinaus muß sie geeignet sein, einen Schaden der eingetretenen Art herbeizuführen, was regelmäßig zu bejahen sein wird, da die geschuldeten Informationen überwiegend auf vermögensmäßige Dispositionen des Kunden gerichtet sein werden. Mit der so verstandenen Beweislastregel geht auch nicht die doppelte Sanktionierung der Verletzung berufstypischer Pflichten einher 281 . Vielmehr wird verschiedenen Risiken in angemessener Weise Rechnung getragen.

bb) Erfordernis

einer gesteigerten Substantiierungslast

des Kunden

Ist die hier vertretene Problemlösung auch in Anlehnung an die Rechtsprechung zum groben Behandlungsfehler entwickelt, darf dieser Umstand nicht

281 In diesem Sinne Foerste, VersR 1988, 958, 960 zu der vom BGH im Mehrwegflaschenurteil angenommenen Beweislastumkehr.

158

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

darüber hinwegtäuschen, daß zwischen Behandlungsfehler und Informationspflichtverletzung bei der Bewertung der speziellen Beweisrisiken Unterschiede bestehen282. Im Rahmen der ärztlichen Behandlung ist der Arzt Herr des Geschehens, da der Patient regelmäßig keine Einsichtnahmemöglichkeit in die Behandlung besitz. Im Falle eines Behandlungsfehlers kann der Arzt seinen Wissensvorsprung, z.B. bezüglich der Medikation, der Behandlungsart oder etwaig aufgetretener Komplikationen für den Beweis der NichtUrsächlichkeit seines Behandlungsfehlers nutzen. Dem Patienten fehlt dieses Wissen, weshalb die Rechtsprechung ihm ein Einsichtnahmerecht in seine Krankenunterlagen gewährt 283 . Im Falle der Informationspflichtverletzung durch die Bank liegt demgegenüber das Wissensdefizit bei der Bank. Im Vergleich zur Arzthaftung hat die Bank gerade keine oder nur geringe Möglichkeiten den Beweis zu führen. Welche Überlegungen den Kunden veranlaßt haben, den schadenswirksamen Willensentschluß zu fassen, entzieht sich nämlich regelmäßig der Kenntnis der Bank. Dieses Defizit möglichst auszugleichen, verlangt das Gebot der Waffengleichheit. Als allein taugliches Mittel kommt die von der Rechtsprechung in den Fällen der ärztlichen Selbstbestimmungsaufklärung entwickelte gesteigerte Substantiierungspflicht des Patienten in Betracht 284 . Dem Kunden, aber auch dem Patienten, der die Verletzung der Pflicht zur Sicherungsaufklärung geltend macht, ist die substantiierte Darlegung abzuverlangen, warum er bei korrekter Information sich nicht schadenswirksam verhalten hätte. Er muß also darlegen, daß er bei gehöriger Information aus seiner Sicht vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, aus dem heraus der von ihm behauptete nicht schadenswirksame Willensentschluß verständlich wird.

282 Das verkennt die h.M., wenn sie die Verletzung der Pflicht zur ärztlichen Sicherungsaufklärung unreflektiert dem Behandlungsfehler mit seinen beweisrechtlichen Besonderheiten zuordnet, vgl. für die h.M. RGRK / Nüßgens, BGB, § 823 Anh. II, Rdnr. 45. 283 284

Vgl. nur BGHZ 72, 132, 138; 85, 327; Giesen, Arzthaftungsrecht, S. 234 ff.

Siehe auch W M 1990, 1301, 1303, wo der BGH die Übertragung der gesteigerten Substantiierungspflicht in einem Fall von Selbstentscheidungs-Aufklärung ausdrücklich offengelassen hat.

§ 3 Anwendung einer Beweislastsonderregel

159

3. Anwendung der Problemlösung im Bankhaftungsrecht Abschließend sei noch kurz auf einige Fallgestaltungen des Bankhaftungsrechts eingegangen, die die Vorzugswürdigkeit der hier dargestellten Problemlösung verdeutlichen. Im bereits angesprochenen „Waschsalon-Fall" 285 hatte die Bank den Kunden nicht darüber aufgeklärt, daß seine Gewinnerwartung unrealistisch war und bei realistischer Einschätzung die vereinbarten Darlehensraten nicht aus dem Gewinn zu bestreiten waren 286 . Eine Erleichterung des Beweises im Wege des Anscheinsbeweises kam mangels typisierten Motives nicht in Betracht. Die unterlassene Information verletzt aber die Pflicht der Bank zur Selbstentscheidungs-Aufklärung derart gravierend, daß sich eine Umkehr der Beweislast aus der groben Informationspflichtverletzung rechtfertigt. Entsprechendes gilt im „guten-Status-Fair 287 , wo die Bank dem Kreditgeber gegenüber erklärte, der Kreditnehmer, ein Kunde der Bank, habe einen guten Status, obwohl der Kunde bereits vor der Erklärung zahlungsunfähig war 288 . Zutreffend hat der BGH im „Vermögensbildungs-Fall" 289 eine Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Kunden angenommen290. Die klagende Bank finanzierte im Zusammenwirken mit einem Arbeitgeber Beteiligungen seiner Arbeitnehmer an der Arbeitgeberfirma. Dabei wurde durch die Arbeitgeberseite der Eindruck vermittelt, daß der beklagte Arbeitnehmer keine eigene Verpflichtung einging, sondern die Firma die gesamten Lasten der „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand" tragen sollte. Die Klägerin unterließ eine diesbezügliche Aufklärung des Beklagten ebenso wie den Hinweis darauf, daß weder sie selbst noch eine andere Bank bereit waren, der Firma weiteren langfristigen Kredit zu gewähren. Als die Firma in Konkurs fiel, verlangte die Klägerin die Weiterzahlung der Darlehensraten vom Beklagten.

Die Bank nutzte die durch ihren Erfüllungsgehilfen hervorgerufene Fehlvorstellung des Kunden über das Risiko der Darlehensgewährung aus. Das Unterlassen einer entsprechenden Information verletzte die Pflicht der Bank zur Selbstbestimmungs-Aufklärung in grober Weise. In allen diesen Fällen muß der

285

BGH W M 1981, 869 f.

286

Zum Sachverhalt siehe oben Kap. 3 § 3 I 2.

287

BGH W M 1959, 1458 ff.

288

Zum Sachverhalt siehe oben Kap. 3 § 3 I 1.

289

BGHZ 72, 92 ff.

290

Zum Sachverhalt siehe oben Kap. 5 § 1 3 a, bb.

160

5. Kapitel: Umkehr der Beweislast bei der Verletzung von Informationspflichten

Kunde aber substantiiert darlegen, warum er sich seiner Behauptung nach nicht schadenswirksam verhalten hätte. Auch indiziert die Verletzung einer Informationspflicht der Bank nicht zugleich die Belastung der Bank mit dem Beweis der NichtUrsächlichkeit. In jedem Einzelfall hat der Richter zu prüfen, ob die Verletzung der Informationspflicht nach objektiven Maßstäben als grobe Pflichtverletzung einzustufen ist oder nicht. So stellte die nicht unverzüglich erfolgte Information des Kunden von der Nichteinlösung der Lastschrift im „Lastschrift-Fall" 291 zwar eine Informationspflichtverletzung der Bank dar 292 , dabei handelte es sich aber nicht um eine grobe Pflichtverletzung. Letztlich realisiert sich in der geringen Verzögerung allein ein vom Kunden eingegangenes Risiko, der eine weniger gut organisierte Bank mit der Führung seiner Konten beauftragt hatte. Deshalb kam dem Kläger im Lastschrift-Fall mangels Vorliegen einer groben Informationspflichtverletzung keine Beweislastsonderregel zugute 293 .

IV. Zusammenfassende Darstellung der vertretenen Problemlösung Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, daß dem Bankkunden der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Verletzung der Informationspflicht durch die Bank und einem nicht schadenswirksamen Willensentschluß mittels Anscheinsbeweis und Beweislastumkehr erleichtert werden kann. Der Anscheinsbeweis setzt dabei voraus, daß die Informationspflichtverletzung gerade ein typisiertes Motiv für den Willensentschluß betrifft. Eine Voraussetzung, die in Fällen der Verletzung der Pflicht zur Ratschlags-Aufklärung gegeben ist. In Fällen von Selbstentscheidungs-Aufklärung kann der Anscheinsbeweis ebenfalls Anwendung finden. Für die Anwendung einer Beweislastsonderregel ist in diesen Fällen dagegen das Vorliegen einer groben Informationspflichtverletzung durch die Bank erforderlich. Kompletiert wird das hier entworfene Konzept der Beweiserleichterungen beim Kausalnachweis durch die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 287 ZPO auch auf den haftungsbegründenden Kausalzusammenhang. Damit stellen die

291

OLG Saarbrücken NJW 1989, 2758 ff. Zum Sachverhalt siehe oben Kap. 1 § 1 IV.

292

BGH NJW 1989, 1671.

293

Im Ergebnis ebenso OLG Saarbrücken NJW 1989, 2758, 2759; Terpitz, WuB I D 2. Lastschriftverkehr 5.89; Häuser, W M 1989, 841, 846. A.A. H. Roth, ZHR 154 (1990), 513, 533; Koller, EWiR § 282 BGB 1 / 89, S. 1177, 1178.

§ 3 Anwendung einer Beweislastsonderregel

161

anerkannten prozessualen Beweiserleichterungen entgegen der Auffassung von Prütting und Greger 294 eine adäquate Problemlösung dar. Der von diesen Autoren vorgeschlagenen materiell-rechtlichen Problemlösung durch sinngerechte Auslegung des Kausalitätsmerkmals bedarf es demnach nicht.

294

Siehe dazu oben Kap. 2 § 2 II 2.

11 Brüske

Zusammenfassung 1. Banken treffen gegenüber ihren Kunden Aufklärungs-, Warn-, Beratungs-, Hinweis- und ähnliche Informationspflichten. Kommt die Bank ihrer Pflicht zur Information nicht nach, so stellt sich ihre Position im Schadensersatzprozeß günstig dar. Der vom Kunden zu führende Nachweis, daß die Informationspflichtverletzung kausal für den eingetretenen Schaden war, kann nur sehr schwer erbracht werden. Die in diesem Fällen regelmäßig auftretende Beweisnot des Kunden resultiert letztlich daraus, daß er sein (hypothetisches) informationsgerechtes Verhalten darlegen und notfalls beweisen muß, um den Kausalnachweis zu erbringen. Der Kunde ist gezwungen, die Motive darzulegen, die ihn bei korrekter Information zu einem nicht schadenswirksamen Willensentschluß veranlaßt hätten. Diese Beweisschwierigkeiten des Kunden gebieten es, die Beweisanforderungen sachgemäß zu senken. 2. Als ein Weg, auf dem dieses Ziel zu erreichen ist, wird die Veränderung des Beweismaßes „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" angesehen. So findet sich in einigen ausländischen Rechtsordnungen die überwiegende Wahrscheinlichkeit als Regelbeweismaß. Eine Übertragung dieser Konzeption auf das deutsche Recht ist jedoch nicht möglich. So fehlt es bislang an einer genauen rechtsvergleichenden Analyse, die Voraussetzung für eine Nutzbarmachung ausländischen Rechts ist. Zudem verlangt ein solches Regelbeweismaß nach einer quotenmäßigen Schadensteilung entsprechend der im Prozeß erzielten Wahrscheinlichkeiten. Ein solches Prinzip der Ergebnisteilung nach Wahrscheinlichkeit ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Die daneben vertretene flexible Gestaltung des Beweismaßes bzw. die fallgruppenabhängige Reduktion des geltenden Regelbeweismaßes scheiden ebenfalls als Problemlösung aus. Während der erste Lösungsansatz mit dem Gesetz nicht vereinbar ist, das selbst in einer Vielzahl von Fällen vom geltenden Regelbeweismaß abweicht, und zudem zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt, krankt die zweite Auffassung am Fehlen einer klaren Abgrenzung der Fälle, in denen das Beweismaß reduziert wird, von den Fällen, in denen das nicht geschieht. Die Lösung der Beweisprobleme des Bankkunden ist daher im Rahmen der geltenden Beweiserleichterungen zu suchen.

Zusammenfassung

163

3. Insbesondere im Rahmen des Kausalnachweises kommt dem Anscheinsbeweis eine erhebliche praktische Bedeutung zu. Entgegen einer vielfach geäußerten Auffassung ist die Anwendung des Anscheinsbeweises bei Informationspflichtverletzungen nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beweis bei individuellen Willensentschlüssen mangels einer Typisierung ausscheidet. Denn der Erfahrungssatz über einen typischen Geschehensablauf bezieht sich nicht auf den Willensentschluß des Kunden, sondern auf den Ursachenzusammenhang. Tatbestandlich setzt der Anscheinsbeweis das Vorliegen eines überzeugungskräftigen Erfahrungssatzes über einen typischen Geschehensablauf voraus. In Fällen der Verletzung von Informationspflichten läßt ein Satz der allgemeinen Lebenserfahrung den Schluß auf einen nicht schadenswirksamen Willensentschluß des Kunden zu, wenn die Pflichtverletzung ein Kundenmotiv betrifft, da niemand ein Geschäft abschließt, von dem er weiß, daß es seinen Interessen zuwiderläuft. Ein für die Anwendung des Anscheinsbeweises notwendiger Erfahrungssatz über einen typischen Geschehensablauf, ein sog. Erfahrungsgrundsatz, ist allerdings nur gegeben, wenn die Pflichtverletzung ein typisiertes Kundenmotiv betrifft. Denn nur dann wird der konkret zur Entscheidung stehende Geschehensablauf von der individuellen Verhaltensweise des Kunden unabhängig, mit der Folge, daß der Erfahrungssatz sich über einen typischen Geschehensablauf verhält. Solche typisierten Kundenmotive finden sich vorwiegend im Anlagegeschäft der Banken, weil die zum Anlageobjekt gegebenen Informationen auf eine bestimmte Zielgruppe von Anlegern abgestimmt sind und deren typisierte Motive anzusprechen suchen. Wenn der BGH demgegenüber in diesen Fallgestaltungen die Beweislast umkehren will, so ist das als zu unflexibel und wenig interessengerechte Problemlösung abzulehnen. 4. Ebenso wie der Anscheinsbeweis ist die Beweiserleichterung des § 287 I ZPO auf der Ebene der Beweiswürdigung angesiedelt. Im Unterschied zum Anscheinsbeweis ist die Anwendung des § 287 I ZPO auf Kausalzusammenhänge äußerst umstritten. Die gebotene Abgrenzung zum Anwendungsbereich des § 286 ZPO hat sich am Normzweck des § 287 I ZPO zu orientieren. Dieser geht dahin, dem Geschädigten den Kausalnachweis zu erleichtern, wenn die Notwendigkeit des vollen Beweises den widerrechtlich Handelnden in ungerechtfertigter Weise begünstigen und den Geschädigten benachteiligen würde. Eine solche Begünstigung liegt solange nicht vor, wie der Kausalnachweis allein wegen des zufälligen Fehlens von Beweismitteln nicht erbracht werden kann. In diesen Fällen realisiert sich in der Beweisnot das allgemeine Beweisrisiko, das auf die Parteien durch die Beweislastregel im Grundsatz angemessen verteilt wird. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen sich das definito-

164

Zusammenfassung

rische Beweisrisiko realisiert. Dort beruht die Beweisnot nicht auf den zufalligen Umständen im Zeitpunkt der Schädigung, sondern auf der Definition des Kausalbegriffs, da die dem Geschädigten abverlangten hypothetischen Feststellungen einem exakten Beweis nicht zugänglich sind. Da sich in diesen Fällen allein die in der Definition des Kausalbegriffs begründete Schlechterstellung des Geschädigten niederschlägt, führt die Beweisnot zu einer unangemessenen Begünstigung des Schädigers, deren Ausgleich § 287 I ZPO bezweckt. In Fällen der Verletzung von Informationspflichten durch eine Bank beruht die Beweisnot des Kunden allein auf den zufalligen Umständen im Zeitpunkt der Informationspflichtverletzung, da diese die Beweislage nicht dahin verändert, daß ein exakter Beweis nicht mehr möglich ist. Daher findet § 287 I ZPO beim Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen Informationspflichtverletzung und Schaden des Kunden keine Anwendung. 5. Ultima ratio möglicher Beweiserleichterungen ist die Anwendung einer Beweislastsonderregel zugunsten des Bankkunden bei Informationspflichtverletzungen. Eine solche wird von der Rechtsprechung und der h.L. in Fällen der Verletzung von Aufklärungspflichten angenommen. Dabei lassen sich zwei Arten von Aufklärungspflichten unterscheiden, die Ratschlags- und die Selbstentscheidungs-Aufklärung. Während die erstere auf die Erteilung eines Rates oder einer Empfehlung gerichtet ist, zielt die letztere lediglich darauf ab, dem Vertragspartner die notwendigen Informationen zu geben, um ihm eine selbständige Entscheidung zu ermöglichen. Nach zutreffender Auffassung findet in Fällen der Ratschlags-Aufklärung keine Beweislastsonderregel Anwendung, sondern ist der Kausalnachweis im Wege des Anscheinsbeweises zu erleichtern. Denn der falsche oder unvollständige Rat des Informationspflichtigen betrifft ein Motiv des Berechtigten, das dieser seinem Willensentschluß typischerweise zugrundelegt. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, daß der Ratsuchende, der sich an einen Experten wegen der Erteilung eines Rates wendet, die ausgesprochene Empfehlung befolgt. Im Bankhaftungsrecht kommt dieser Beweiserleichterung allerdings nur eine untergeordnete Bedeutung zu, da die Bank regelmäßig dem Kunden gegenüber nicht zur Erteilung eines Rates verpflichtet ist. Das Schwergewicht der Informationspflichtverletzungen durch Banken liegt daher bei der Verletzung der Pflicht zur SelbstentscheidungsAufklärung. Auf diese besondere Art der Aufklärung kann die im Arzthaftungsrecht entwickelte besondere Beweislastregel bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht übertragen werden. Diese stellt einen beweisrechtlichen Sonderfall dar, da die ordnungsgemäße Aufklärung durch den Arzt notwendige Voraus-

Zusammenfassung

165

Setzung für die Rechtmäßigkeit der ärztlichen Behandlung ist. Das gilt allerdings nicht für die sog. Sicherungsaufklärung, die die Aufklärung über ein therapiegerechtes Verhalten zum Gegenstand hat und deren Verletzung als Behandlungsfehler nicht unter die besondere Beweislastregel bei ärztlicher Aufklärungspflichtverletzung fällt. Da eine besondere Beweislastregel nicht bei jeder Verletzung einer Pflicht zur Selbstentscheidungs-Aufklärung anzunehmen ist, bedarf es einer sachgemäßen Differenzierung. Diese ist in Anlehnung an die Beweislastsonderregel bei groben Behandlungsfehlern in dem Erfordernis einer qualifizierten Informationspflichtverletzung zu sehen. Wie im Arzthaftungsrecht rechtfertigt sich die besondere Beweislastregel daraus, daß sich in der Beweisnot des Kunden ein spezielles Beweisrisiko realisiert. Hier wie dort geht mit der Verletzung der Berufspflicht eine Beweisnot einher, die ihren Ursprung in der fehlenden Berechenbarkeit der Auswirkungen der ausgeübten Berufspflicht beim Patienten bzw. Kunden hat. Das spezielle Beweisrisiko wird interessengerecht zwischen Bank und Kunden mittels des Erfordernisses einer groben Informationspflichtverletzung verteilt. Allein in diesem Falle ist eine Umkehr der Beweislast zu Lasten der Bank beim Kausalnachweis gerechtfertigt, da die qualifizierte Pflichtverletzung Ausdruck einer Gleichgültigkeit ist, mit der die Bank den Sorgfaltsanforderungen der Rechtsordnung begegnet. In den übrigen Fällen hat die Beweislast dagegen beim Kunden zu verbleiben, da die nicht qualifizierte Informationspflichtverletzung Ausdruck menschlicher Unzulänglichkeit ist und sich in ihr das vom Kunden zu tragende allgemeine Lebensrisiko wiederspiegelt. Im Unterschied zur besonderen Beweislastregel bei ärztlichen Behandlungsfehlern erfordert das Gebot der Waffengleichheit, daß den Kunden im Falle einer Informationspflichtverletzung durch die Bank eine gesteigerte Substantiierungslast trifft. Anders als im Arzthaftungsrecht, wo der Wissensvorsprung sich auf Seiten des Arztes befindet, hat die Bank keinen Einblick in die Motivlage des Kunden. Dieses Wissensdefizit ist dadurch auszugleichen, daß der Kunde substantiiert darlegen muß, warum er bei korrekter Information sich nicht schadenswirksam verhalten hätte. Er muß demnach darlegen, daß er bei gehöriger Information aus seiner Sicht vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, aus dem heraus der von ihm behauptete nicht schadenswirksame Willensentschluß verständlich wird. 6. Der Anscheinsbeweis und die besondere Beweislastregel bei grober Verletzung von Informationspflichten ermöglichen es, der Beweisnot des Bankkunden nach einer Informationspflichtverletzung sachgemäß zu begegnen. Die

166

Zusammenfassung

Rechtsprechung zum Bankhaftungsrecht wird sich insoweit auf den Anscheinsbeweis wieder zu besinnen haben und ihre Einwände gegen eine Übertragung der besonderen Beweislastregeln aus dem Arzthaftungsrecht auf andere Berufshaftungsfälle aufgeben müssen.

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