Beweisführung im Sportgerichtsverfahren am Beispiel des direkten und indirekten Dopingnachweises [1 ed.] 9783428546008, 9783428146000

»Presentation in Sports Law in Case of Direct and Indirect Detection of Illicit Drug Use«In this broad-ranging dissertat

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German Pages 361 Year 2015

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Beweisführung im Sportgerichtsverfahren am Beispiel des direkten und indirekten Dopingnachweises [1 ed.]
 9783428546008, 9783428146000

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Beiträge zum Sportrecht Band 45

Beweisführung im Sportgerichtsverfahren am Beispiel des direkten und indirekten Dopingnachweises Von Mario Merget

Duncker & Humblot · Berlin

MARIO MERGET

Beweisführung im Sportgerichtsverfahren am Beispiel des direkten und indirekten Dopingnachweises

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg

Band 45

Beweisführung im Sportgerichtsverfahren am Beispiel des direkten und indirekten Dopingnachweises

Von Mario Merget

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Sommersemester 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-14600-0 (Print) ISBN 978-3-428-54600-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84600-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Papa 11.01.1944 – 09.11.2009

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 26.11.2014 statt. Als ich im Oktober 2009 die Zulassung zur Promotion erhielt, hätte ich nie gedacht, dass ich sechs Jahre später damit beschäftigt bin, mit großer Sorgfalt diejenigen vielen Menschen zusammenzubekommen, die mich auf diesem doch etwas längeren, letztendlich aber sehr erfolgreichen Weg begleitet haben. Selbstverständlich war ich mir auch damals schon der Möglichkeit einer Widmung bewusst, doch war mir nicht klar, dass ich mir mit „Der Beweisführung im Sportgerichtsverfahren in Dopingangelegenheiten“ ein umfangreiches und brandaktuelles Thema ausgesucht hatte, und es mir später auch nur durch die tatkräftige Unterstützung der nun folgenden Personen überhaupt möglich gewesen sein sollte, dieses Thema angemessen zu bewältigen. Mein ganz besonderer, in Liebe verbundener Dank gilt meinen Eltern. Sie haben mich Zeit meines Lebens mit allem unterstützt, was notwendig war und ich jeweils zum Vorankommen benötigte. Keine Promotion ohne Studium, kein Studium ohne Abitur. Auf allen diesen wichtigen Etappen stand ich für sie an erster Stelle mit allem, was ihnen zur Verfügung stand. Besonders ihnen widme ich daher diese Arbeit. Ganz besonders danke ich auch meinem Doktorvater Prof. Dr. Martin Heger, der mir bei meinen Forschungen stets mit großer Unterstützung zur Verfügung stand. Eine auch in wichtigen Momenten von großer Rücksichtnahme geprägte Betreuung, die nicht besser hätte sein können. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Zweitkorrektor Herrn Prof. Dr. Dieter Rössner. Es hat mich wirklich sehr erfreut, einen wahren Experten des Sportrechts für die Korrektur meiner Arbeit gewinnen zu können. Ein sehr großer Dank auch an meinen persönlichen „Lektor“, Kevin Sternberg. Zum Teil habe ich die Korrekturlesung als „anstrengender“ empfunden als das „eigentliche Schreiben“. Gerade deshalb weiß ich es sehr zu schätzen, dass er sich unerschrocken daran gemacht hat, schnell, effektiv und präzise die Gegenkorrektur zu übernehmen. Ebenso danke ich meiner bezaubernden Bürokollegin und sehr guten Freundin Jasmin Finger, die mir jederzeit für Fragestellungen und Anfragen zum Gegenlesen zur Verfügung stand.

6

Vorwort 

Auch ohne meinen besten Freund und langjährigen Mitbewohner Sören Mannschitz hätte es diese Arbeit wohl so nicht gegeben. Er hat mich quasi Zeit meines Studiums auf der juristischen Reise begleitet und hat mir in jeder Phase mit einem „nicht juristischen Ohr“ auf der für die Juristerei typischen Berg- und Talfahrt hilfreich zur Seite gestanden. Dieser spezielle Dank gilt ebenso für meinen guten Freund Isko Steffan. Ich habe nicht nur die alltäglichen gemeinsamen Pausen und Fachgespräche – gerade im Zusammenhang mit der Materie des Sportrechts, was mir oftmals an komplizierten Stellen zu neuen Ansätzen verholfen hat – geschätzt, sondern vor allem, dass er mich mindestens in zwei „brenzligen“ Situation ermutigt hat, dran zu bleiben. Ohne ihn hätte es diese Arbeit definitiv nicht gegeben. In Liebe verbunden danke ich natürlich auch meiner bezaubernden Freundin Janette Hentschel. Gerade in Zusammenhang mit der Disputation hat sie große Geduld bewiesen und mich  – nicht nur dabei  – großartig unterstützt. Es macht mich sehr glücklich, dich an meiner Seite zu haben! Zu guter Letzt möchte ich mich auch bei allen anderen Freunden und Unterstützern sowie Familienangehörigen, namentlich Jessica Wöstenfeld, Heiko ­Jasmer, Dennis Panski, Gregor Conrad, Peter Jablonski, Heiner Pühn sowie meinen beiden „liebsten Zwillingen“  – meiner im Laufe der Arbeit verstorbenen Oma­ Irmgard Uhrlandt und meiner Großtante Waltraud Jahnke  –, bedanken. Ihr alle habt auf eure individuelle Weise wesentlich dazu beigetragen, dass ich immer die nötige Kraft und Konzentration für meine Arbeit zur Verfügung hatte. Berlin, April 2015

Mario Merget

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Teil 1



Einführung in das Beweisrecht

30

A. Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Beweislast und Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Beweisverfahren: Streng- oder Freibeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 D. Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 E. Zusammenfassung von Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 F. Einführung in den Verbandsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Teil 2



Beweisführung im nationalen Verbandsrecht

57

Kapitel 1

Das Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie der Verbände

57

A. Herleitung der Verbandsautonomie aus dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG . . . 57 B. Begrenzung der Selbstverwaltungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Kapitel 2

Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

69

A. Zulässigkeit der Überprüfbarkeit der  Verbandsgerichtsentscheidungen durch staatliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 B. Umfang der Überprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Kapitel 3

Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

109

A. Grundprinzipien des Verbandsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 B. Konkrete Verfahrensausgestaltung der Sportverbände im Hinblick auf die wesentlichen Verfahrensprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

8

Inhaltsübersicht

C. Anforderungen an das Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 D. Fazit zu den Verfahrensprinzipien im Verbands- und Schiedsgerichtsverfahren . . . . . 136 Kapitel 4

Das Dopingsanktionsverfahren

136

A. Die materiell-rechtlichen Prinzipien des Dopingsanktionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . 137 B. Beweissicherung im Dopingverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 C. Einleitung des Dopingsanktionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Teil 3



Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

214

A. Das indirekte Beweisverfahren nach Art. 2.2 WADA-Code/NADA-Code . . . . . . . . . 214 B. Einordnung des „Court of Arbitration for Sport“ (CAS) in historischer und rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 C. Die CAS-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 D. Das indirekte Beweisverfahren nach Art.  2.2 NADA-Code im Zusammenhang mit Blutprofilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 E. Grundsätze der Beweisführung im internationalen Dopingsanktionsverfahren . . . . . 276 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 G. Zusammenfassung von Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Teil 4



Doping und Strafrecht

288

A. Staatliches Strafrecht neben dem Verbandsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 B. Strafbarkeiten im Zusammenhang mit Sportdoping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 C. Verwertung der Erkenntnisse des Dopingsanktionsverfahrens im Strafverfahren . . . 308 D. Doping und beamtenrechtliches Disziplinarrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 E. Zusammenfassung von Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Elektronisches Verzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Teil 1



Einführung in das Beweisrecht

30

A. Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Zielsetzungen des Strafprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

II.

Zielsetzungen des Zivilprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

B. Beweislast und Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I.

Beweiswürdigung im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

II.

Beweislast im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

III. Beweiswürdigung im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Beweislast im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Subjektive Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Objektive Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Behauptungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5. Beweisvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 V.

Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

C. Beweisverfahren: Streng- oder Freibeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I.

Beweisverfahren des Strafprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

II.

Beweisverfahren des Zivilprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

D. Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I.

Beweismittelarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

II.

Der Beweisbegriff und damit zusammenhängende Begrifflichkeiten . . . . . . . . 48

III. Die einzelnen Beweismittel des Zivilprozesses im Überblick . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Der Zeugenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Der Sachverständigenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Der Augenscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Der Urkundenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5. Unzulässigkeit von Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. Das Beweisrecht des Strafprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

10

Inhaltsverzeichnis

E. Zusammenfassung von Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 F. Einführung in den Verbandsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Teil 2



Beweisführung im nationalen Verbandsrecht

57

Kapitel 1

Das Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie der Verbände

57

A. Herleitung der Verbandsautonomie aus dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG . . . 57 B. Begrenzung der Selbstverwaltungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I.

Einschränkungen der Vereinsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Durch das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Sportler und die Berufsfreiheit des Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Sportler im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 und 2 GG . . . . . . . . . . . . 63 c) Sportler im Zusammenhang mit Art. 9 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Aufnahmeanspruch nach Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Aufnahmeanspruch nach Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 d) Geltung des Justizgewährleistungsanspruchs im Verbandsstrafverfahren über die Anwendung des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Durch Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

II.

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Kapitel 2

Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

69

A. Zulässigkeit der Überprüfbarkeit der  Verbandsgerichtsentscheidungen durch staatliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 B. Umfang der Überprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I.

Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

II.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I.

Definition eines „echten Schiedsgerichts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Kriterien eines „echten Schiedsgerichts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Spruchkörpers . . . . . . . . . . . . 78

Inhaltsverzeichnis

11

aa) Bestimmung der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (1) Satzungsmäßige Schiedsgerichtsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . 79 (a) Ausgestaltung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (b) Einseitige und ungleiche Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . 81 (aa) Liberale Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (bb) Strenge Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (cc) Streitentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (c) Zwischenergebnis zum Kriterium der Unabhängigkeit in Zusammenhang mit einer ungleichen Einflussnahmemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (d) Stellungnahme zum Kriterium der Unabhängigkeit in Zusammenhang mit einer einseitigen Einflussnahmemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (2) Alternative: Differenzierung der Anforderungen an die Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (a) Individualrechtliche Schiedsvereinbarung nach Entstehen des Streitfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (b) Individualrechtliche Vereinbarung vor Entstehen des Streitfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (c) Satzungsrechtliche Verankerung nach Entstehen des Streitfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (d) Satzungsrechtliche Verankerung vor Entstehen des Streitfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Schlussfolgerungen hinsichtlich der Unabhängigkeit eines Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d) Endergebnis zu den Charakteristika eines „echten Schiedsgerichts“ . . . 92 II.

Abgrenzung zum „unechten Schiedsgericht“ (Vereins- oder Verbandsgericht) . 93 1. Definition eines „unechten Schiedsgerichts“ (Vereins- oder Verbandsgericht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Vorrang der Vereins-/Verbandsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

III. Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Zusammenhang mit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Einstweiliger Rechtsschutz durch Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Möglichkeit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Vor Konstituierung des echten Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Nach Konstituierung des echten Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Annahme einer parallelen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (2) Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit eines echten Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

12

Inhaltsverzeichnis (3) Exkurs: Die Verfahrensordnung des Deutschen Sportschiedsgerichts im Hinblick auf den einstweiligen Rechtsschutz . . . . . 101 (4) Streitentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 IV. Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Schiedsgerichtsvereinbarung . . . . . . . . . . 104 1. Rechtsnatur der Schiedsgerichtsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Parteianforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Keine Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 V.

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Kapitel 3

Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

109

A. Grundprinzipien des Verbandsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I.

Fairness-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

II.

Recht auf den gesetzlichen Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

III. Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 B. Konkrete Verfahrensausgestaltung der Sportverbände im Hinblick auf die wesentlichen Verfahrensprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I.

DFB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

II.

DEB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

III. DHB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 IV. DTTB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 V.

DSV (Deutscher Schwimmverband) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

VI. DLV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 VII. DSV (Deutscher Skiverband) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 VIII. DBB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 IX. BDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 X.

DESG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

XI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 C. Anforderungen an das Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I.

Gründung des Deutschen Sportschiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

II.

Schiedsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

III. Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 IV. Verfahrensprinzipien vor dem Deutschen Sportschiedsgericht . . . . . . . . . . . . . 129 V.

Verfahrensprinzipien der Schiedsgerichte deutscher Sportfachverbände . . . . . 131

Inhaltsverzeichnis

13

1. DLV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. DSV (Deutscher Schwimmverband) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Das Ständige Schiedsgericht des DEB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4. Schiedsgericht des DHB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 5. Schiedsgerichte des DFB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 D. Fazit zu den Verfahrensprinzipien im Verbands- und Schiedsgerichtsverfahren . . . . . 136

Kapitel 4

Das Dopingsanktionsverfahren

136

A. Die materiell-rechtlichen Prinzipien des Dopingsanktionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . 137 I.

Der Bestimmtheitsgrundsatz im Hinblick auf die Dopingdefinition . . . . . . . . . 137 1. Europarat-Übereinkommen vom 16.11.1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. WADA-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. NADA-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

II.

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

III. Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Anwendung strafrechtlicher Prinzipien im Dopingsanktionsverfahren . . . . . . . 147 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Grundrechtliche Gefährdungslage als Anknüpfungspunkt für die Anwendung strafrechtlicher Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Disqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Sperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Vorläufige Suspendierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Beweissicherung im Dopingverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I.

Beweis des Dopingverstoßes im Sinne von Art. 2.1 NADA-Code . . . . . . . . . . 154 1. Zulässigkeit von Dopingkontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Dopingkontrollen innerhalb und außerhalb eines Wettkampfes . . . . . . . . . . 156 3. Konkrete Durchführung einer Trainingskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Korrekte Probenentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Beweisrelevante Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Nicht beweisrelevante Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5. Korrekte Probenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Analysezuständigkeit für die A-und B-Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Möglichkeit einer C-Proben-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

14

Inhaltsverzeichnis bb) Zwischenergebnis zur Analysezuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Unversehrtheit der Proben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Durchführung der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Zugelassene Analysemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Die A-Proben-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (1) A-Proben-Analyse einer Urinprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (2) A-Proben-Analyse einer Blutprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (3) Auswertung der A-Proben-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 cc) Die B-Proben-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 dd) Auswertung der B-Proben-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 6. Nachweis von Verstößen gegen beweisrelevante Verfahrensvorschriften . . . 174 II. Fazit zu den Grundsätzen und der Beweissicherung im Dopingsanktions­ verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

C. Einleitung des Dopingsanktionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I.

Das Deutsche Sportschiedsgericht als Disziplinarorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

II.

Das Deutsche Sportschiedsgericht als Berufungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

III. Das Deutsche Sportschiedsgericht als Instanz des Einstweiligen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 IV. Das eigentliche Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Grundsätze der Beweisführung im Verbandsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Volle Beweispflichtigkeit des Sportfachverbandes hinsichtlich des Dopingnachweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Umkehr durch Verbandsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Strict liability-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Modifizierte strict liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (1) Die Erschütterung des Anscheinsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (2) Die beweisrechtliche Folge einer Erschütterung . . . . . . . . . . . . 185 2. Anforderungen an die Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren . . . . . 185 a) Anwendung der Unschuldsvermutung im Dopingsanktionsverfahren . . 186 b) Entbehrlichkeit der Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Entbehrlichkeit der Unschuldsvermutung im Rahmen einer Disqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Entbehrlichkeit der Unschuldsvermutung im Rahmen einer vorläufigen Suspendierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 cc) Entbehrlichkeit der Unschuldsvermutung im Rahmen einer Sperre

192

c) Zwischenergebnis: Ablehnung einer strict liability . . . . . . . . . . . . . . . . 193 d) Konsequenz: Befürwortung des Anscheinsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . 194 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Inhaltsverzeichnis

15

3. Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren für Verstöße gegen Art.  2.1 NADA-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Beweismaß einer positive Dopingprobe bezüglich eines exogenen ­ Stoffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Beweismaß einer positiven Dopingprobe bezüglich eines endogenen Stoffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Direkte Nachweismethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Indirekte Nachweismethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 dd) Zwischenergebnis zum Beweiswert einer positiven Dopingprobe bezüglich eines endogenen Stoffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Erschütterung im Disziplinarverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Erschütterung wegen Fehlern in der Dopinganalyse . . . . . . . . . . . . 201 bb) Erschütterung wegen eines unzureichenden Grenzwertes . . . . . . . . 201 cc) Erschütterungsmöglichkeit durch den Nachweis gewöhnlicher Ernährung oder unbewusster Aufnahme von kontaminierter Nahrung 203 (1) Alltäglich vorkommende Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (2) Nicht alltägliche Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 dd) Erschütterungsmöglichkeit durch verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (1) Verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Verunreinigte Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 ee) Erschütterungsmöglichkeit wegen Fremdmanipulation . . . . . . . . . . 209 d) Vollbeweis des Verschuldens des Sportlers durch den Sportfachverband im Falle einer Erschütterung oder einer Beweisvereitelung seitens des Sportfachverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 V.

Fazit zur Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Teil 3



Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

214

A. Das indirekte Beweisverfahren nach Art. 2.2 WADA-Code/NADA-Code . . . . . . . . . 214 B. Einordnung des „Court of Arbitration for Sport“ (CAS) in historischer und rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

II.

Zuständigkeit und anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

III. Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 IV. Verfahrensbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Allgemeine Verfahrensbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Besondere Verfahrensbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

16

Inhaltsverzeichnis

C. Die CAS-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. II.

Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Die CAS Rechtsprechung in Dopingangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Der „Fall Alberto Contador“ – Sachverhalt und Verfahrensgang . . . . . . . . . 220 a) Rechtliche Würdigung durch den CAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Voraussetzungen der Gegenbeweisführung hinsichtlich kontaminierter Nahrungsmittel als Ursache der positiven Dopingprobe . . . . . . . 223 bb) Wahrscheinlichkeit einer Bluttransfusion als Ursache der positiven Dopingprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 cc) Wahrscheinlichkeit der Kontamination von Nahrungsergänzungsmitteln als Ursache der positiven Dopingprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Der „Fall Jan Ullrich“ – Sachverhalt und Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Rechtliche Würdigung durch den CAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Der „Fall Claudia Pechstein“ – Sachverhalt und Verfahrensgang . . . . . . . . 236 a) Rechtliche Würdigung durch den CAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Revision zum Schweizerischen Bundesgericht (BG) . . . . . . . . . . . . . . . 243 c) Schadensersatzklage vor dem Landgericht München . . . . . . . . . . . . . . . 245 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4. Der Fall „Lance Armstrong“ – Sachverhalt und Verfahrensgang . . . . . . . . . 254 a) Rechtliche Würdigung durch die USADA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

D. Das indirekte Beweisverfahren nach Art.  2.2 NADA-Code im Zusammenhang mit Blutprofilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I.

Hintergründe zur Einführung von Blutprofilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

II.

Der Biologische Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

III. Zulässigkeit der Beweisführung anhand von Blutprofilen . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Rechtliche Einordnung dieser Beweismethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Indizienbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Formale Beweisanforderungen an die Erstellung von Blutprofilen . . . . . . . 269 a) Durchführung und Inhalt der Blutentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Lagerung und Transport der Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Analysezuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 d) Durchführung der Blutanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 e) Auswertung der Blutwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 f) Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Materielle Beweisanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Inhaltsverzeichnis

17

4. Gegenbeweisführung beim indirekten Nachweisverfahren . . . . . . . . . . . . . 276 E. Grundsätze der Beweisführung im internationalen Dopingsanktionsverfahren . . . . . 276 I.

Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

II.

Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

III. Dopingnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Formale Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) „Chain of custody“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Materielle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Internationale Beweisführung im Zusammenhang mit Dopingsubstanzen 280 b) Internationale Beweisführungsgrundsätze des indirekten Nachweisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 c) Gegenbeweisführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa) Verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 bb) Verunreinigte Nahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 G. Zusammenfassung von Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Teil 4



Doping und Strafrecht

288

A. Staatliches Strafrecht neben dem Verbandsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 B. Strafbarkeiten im Zusammenhang mit Sportdoping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 I.

Strafbarkeit des Sportlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Strafbarkeit wegen Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Zu Lasten des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Zum Nachteil der Mitkonkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 c) Zum Nachteil der Zuschauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 d) Zum Nachteil des Sponsors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. Strafbarkeit nach den § 298 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 3. Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

II.

Strafbarkeit des Sportlerumfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Körperverletzungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Einfache Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 b) Gefährliche und schwere Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Wirksamkeitserfordernisse der rechtfertigenden Einwilligung . . . . . . . 302 2. Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

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Inhaltsverzeichnis

C. Verwertung der Erkenntnisse des Dopingsanktionsverfahrens im Strafverfahren . . . 308 I.

Einleitung eines Ermittlungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

II. Konsequenzen im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Ermittlungs­ methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Konkrete Ermittlungsmethoden in Zusammenhang mit Dopingstrafbarkeiten . . 310 1. Blutprobenentnahme nach § 81a StPO bzw. § 81c StPO . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. V-Mann-Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 3. Einsatz eines verdeckten Ermittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 4. Telekommunikationsüberwachung und andere Abhörmaßnahmen . . . . . . . 314 IV. Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 1. Die Zeugenstellung des Sportlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 2. Die Beschuldigtenstellung des Sportlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Verwertbarkeit der Erkenntnisse des Dopingsanktionsverfahrens im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Verwertbarkeit von verbandsrechtlich unrechtmäßig gewonnenen Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 aa) Verbandsrechtliches Verwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 bb) Verbandsrechtlich rechtswidrige Beweiserhebung . . . . . . . . . . . . . . 319 b) Verwertbarkeit von verbandsrechtlich rechtmäßig gewonnenen Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 D. Doping und beamtenrechtliches Disziplinarrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 I. II.

Doping als Dienstvergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Einleitung des Disziplinarverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 1. Verwertbarkeit im Disziplinarverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Beweislastregelung im Disziplinarverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

E. Zusammenfassung von Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Elektronisches Verzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Auffassung Abs.  Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis ADC Anti-Doping-Code AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AMG Arzneimittelgesetz Anm. Anmerkung Art. Artikel Allgemeiner Teil AT ATP Allgemeiner Testpool Aufl. Auflage BAG Bundesarbeitsgericht Bay. Vbl. Bayerische Verwaltungsblätter BBG Bundesbeamtengesetz BDG Bundesdisziplinargesetz Bund deutscher Radfahrer BDR BeamtStG Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern Beschluss vom Besch. v. BG Schweizerisches Bundesgericht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ BMI Bundesministerium des Innern BT Bundestag BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise CAS Court of Arbitration for Sport Comité Nacional de Competición y Disciplina Deportiva de la Real FedeCNCDD ración Española de Ciclismo Deutscher Basketballbund DBB Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport DBVG DEB Deutscher Eishockeybund Deutsche Eishockey Liga DEL ders. derselbe DESG Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft DFB Deutscher Fußballbund DHB Deutscher Handballbund DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit

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Abkürzungsverzeichnis

Deutscher Leichtathletikverband DLV DSV – Deutscher Schwimmverband – Deutscher Skiverband DTTB Deutscher Tischtennisbund EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einl. Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention EMRK EPO Erythropoetin EU-GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union e. V. eingetragener Verein evtl. eventuell f. folgend ff. folgende Fédération Internationale de Football Association FIFA Fn. Fußnote FS Festschrift GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht GG Grundgesetz GiD Gen-ethischer Informationsdienst GO Geschäftsordnung GRCh Grundrechtecharta GVG Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWB herrschende Meinung h. M. International Council of Arbitration for Sport ICAS IOC International Olympic Committee Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte IPBPR International Standard for Laboratories ISL IST International Standard for Testing ISU International Skating Union ISU Anti-doping rules ISU ADR ITF International Tennis Federation JA Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau JR JZ JuristenZeitung Karlsruher Kommentar KK Komm. z. GG Kommentar zum Grundgesetz LEV Landeseissport-Verbände LG Landgericht LSG Landessozialgericht MDR Monatsschrift für Deutsches Recht m. E. meines Erachtens MRK Menschenrechtskonvention MünchKommZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung m. w. N. mit weiteren Nachweisen NADA Nationale Anti Doping Agentur Deutschland neue Fassung n. F. NJW Neue Juristische Wochenschrift

Abkürzungsverzeichnis

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Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report NJW-RR Nr. Nummer NTP National Testpool NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht NVwZ-RR OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht Praxishandbuch Sportrecht PHB SportR RFEC Real Federación Española de Ciclismo RGZ Entscheidungen des Reichsgericht in Zivilsachen RO Rechtsordnung Rspr. Rechtsprechung RTP Registered Testpool Rechts- und Verfahrensordnung RVO Rz. Randzeichen S. Seite SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren Schiedsgerichtsordnung für das Ständige Schiedsgericht für den Bereich SGO des DEB Systematischer Kommentar SK Deutsches Sportschiedsgericht SportSchG SportSchO Sportschiedsgerichtsordnung SpuRt Zeitschrift für Sport und Recht StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung StV Strafverteidiger StVÄG Strafverfahrensänderungsgesetz Union Cycliste Internationale UCI UCI ADR UCI Anti-doping rules Urt. v. Urteil vom US Anti-Doping agency USADA USPS US Postal Service Var. Variante VereinsG Vereinsgesetz VereinsR Vereinsrecht Hessischer Verwaltungsgerichtshof VGH vgl. vergleiche Vorbem. Vorbemerkungen VwGO Verwaltungsgerichtsordnung World Anti-Doping Agency WADA WTC World Triathlon Cooperation zum Beispiel z. B. ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Ziff. Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP ZPO Zivilprozessordnung ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung „[Prosecutor]: Colonel Jessep, did you order the Code Red? [Judge]: You don’t have to answer that question! [Defendant]: I’ll answer the question! You want answers? [Prosecutor]: I think I’m entitled to. [Defendant]: You want answers? [Prosecutor]: I want the truth! [Defendant]: You can’t handle the truth! […] You don’t want the truth […]!“ „A few good men“ (1992)1

In den letzten Wochen und Monaten wurden die sportlichen Leistungen in vielen Wettkämpfen und Veranstaltungen durch Schlagzeilen über Doping in den Hintergrund gedrängt. Ob die Dopingfälle der Sprinter Tyson Gay, Asafa Powell und Sherone Simpson – treffend tituliert als „Zweitgrößter anzunehmender Unfall“2-, die kontrovers und mit hoher Intensität geführte Diskussion rund um die Veröffentlichung der Historiker-Studie „Siegen um jeden Preis“ der Humboldt-Universität zu Berlin3 oder der anhaltende, zuletzt gar vehement geführte und sich nunmehr in der Umsetzung befindliche Diskurs über die Schaffung eines strafrechtlichen Anti-Doping-Gesetzes4, der Begriff des Dopings ist in jedermanns Munde und medial omnipräsent. Immer neue Erkenntnisse zeigen, dass Doping offenbar noch viel verbreiteter ist als vermutet und dass Doping auf feste und funktionierende Strukturen zurückgreifen kann. Der Sport ist hierdurch in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten. Wer kann sich noch über Ergebnisse von Wettkämpfen freuen, wenn der endgültige Sieger erst Tage oder Wochen später – nach den Ergebnissen der Dopingkontrollen – feststeht? Wer würdigt noch plötzliche oder erhebliche Leistungssteigerungen ohne den zumindest leisen Verdacht, hier könnte dem sportlichen Erfolg durch unerlaubte Mittel nachgeholfen worden sein?5

1 Auszug aus einem Dialog zwischen Jack Nicholsen (alias „Defendant“ alias „Col. J­ essep“) und Tom Cruise (alias „Prosecutor“ alias „Lt. Kaffee“ ) in „A few good men“ (Deutscher Titel: „Eine Frage der Ehre“), abrufbar unter http://www.imdb.com/title/tt0104257/­quotes. 2 Siehe dazu den gleichlautenden Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 16.7.2013, Ausgabe Nr. 162. 3 Siehe dazu als beispielhafte Auswahl unter vielen den Artikel „Zweckentfremdung, Irreführung, Betrug“ in der Süddeutschen Zeitung vom 5.8.2013, Ausgabe Nr. 179, sowie den Arti­ kel „Der Mann von Seite 719“ in der Süddeutschen Zeitung vom 7.8.2013, Ausgabe Nr. 181. 4 Siehe dazu beispielsweise den Artikel „Parade der Verhinderer“ in der Süddeutschen Zeitung vom 8./9.12.2012, Ausgabe Nr. 284. 5 Prokop, SpuRt 2006, 192 (192).

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Einleitung

Eine solche Glaubwürdigkeitskrise kann rasch dazu führen, die kulturelle Existenzberechtigung des Leistungssports in Frage zu stellen. Doping stellt einen Angriff auf alle gesellschaftspolitischen Funktionen dar, die der Sport aufweist: beginnend von der Vorbildfunktion für die aktive Ausübung sportlicher Betätigungen über die Symbolik für menschliches Leisten auf der Basis von Fair-play bis hin zur Förderung nationaler Gemeinschaft und Identität6. Die Bekämpfung des Dopingmissbrauchs ist daher nicht erst seit kurzem, sondern bereits in den vergangenen Jahren zu einer der zentralen Aufgaben der Sportfachverbände und der Beteiligten geworden, wenn nicht zur wichtigsten überhaupt. Die Glaubwürdigkeit des Sports per se, sein wirtschaftlicher Kontext und nicht zuletzt die Gesundheit der Athleten wird durch Doping tangiert. Die wirtschaftlichen Auswirkungen zeigen sich besonders deutlich am Beispiel des Radsports in Deutschland. Dort haben sich langjährige Sponsoren unter dem Eindruck zahlreicher Dopingfälle vom Verband wie einzelnen Teams zurückgezogen oder ihr Engagement nicht verlängert. Insoweit belegt der Dopingfall des zunächst Drittplatzierten der Tour de France 2008, Bernhard Kohl, exemplarisch, wie schwer es der Analytik trotz umfangreicher Anstrengungen dabei noch immer fällt, verbotene Substanzen in Blut oder Urin direkt nachzuweisen. Der Fahrer konnte erst auf Grund nachträglicher Blutanalysen mittels einer neuen Testmethode überführt werden, nachdem die herkömmliche Urinanalyse zunächst ein negatives Ergebnis erbracht hatte7. Angesichts des späteren Geständnisses des Fahrers, wonach er über mehrere Jahre unter anderem Blutdoping, Testosteron, Insulin und Wachstumshormone eingesetzt habe und trotz mehr als 200 Kontrollen nicht positiv getestet worden sei, wird deutlich, dass nach wie vor Lücken im Kontrollsystem bestehen und wie sicher sich dopende Sportler und ihre Hintermänner anscheinend noch immer fühlen8. Der Sportfachverband – primär zuständig für die Dopingsanktionierung – verfügt lediglich über die Möglichkeit, den Athleten in Wettkampf und Training durch Urin- sowie Blutkontrollen zu überprüfen. Die Grenzen dieses Systems sind schnell erreicht. Angesichts der großen Zahl von erfassten Athleten können nur lückenhafte Kontrollnetze bestehen. Diese Lücken werden in ihrer negativen Wirkung noch durch die Möglichkeiten verstärkt, die zeitlichen Nachweisgrenzen immer weiter zu verkürzen oder Methoden anzuwenden, die sich einem Nachweis durch Blut- oder Urinkotrollen gänzlich entziehen. Kennzeichnend hierfür ist, dass es nach den Ergebnissen staatlicher Ermittlungen in den USA und Spanien Sportlern offenbar über Jahre hinweg gelungen ist, die regelmäßige Anwendung von Dopingmitteln trotz ihrer Einbindung in das Kontrollnetz des Sports zu verbergen9. 6

Prokop, SpuRt 2006, 192 (192). Emanuel, SpuRt 2009, 195 (195). 8 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (195–196). 9 Prokop, SpuRt 2006, 192 (192). 7

Einleitung

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Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass der Sport, der öffentlichkeitswirksam und medientauglich ist, Wettkampfcharakter hat. Es gewinnt der Bessere, und der Bessere ist der Leistungsfähigere. Leistungssteigerung ist ein integraler Bestandteil des Sports10. Durch die Aufladung mit kommerziellen Interessen und durch die Professionalisierung entsteht ein systemimmanenter Druck, der zur Leistungssteigerung mit erlaubten und unerlaubten Mitteln führt. Es ist kaum zu hoffen, dass sich diese Situation grundlegend ändert. Es steht für den Wettkämpfer zu viel auf dem Spiel, als dass er mögliche Wege der Leistungssteigerung einfach ignorieren kann11. Denn die Sportler12 selbst sind Opfer und Täter zugleich. Getrieben sowohl von einer Öffentlichkeit, die nur dem Sieger huldigt, als auch von wirtschaftlichen Vorteilen, die nur den sportlichen Erfolg honorieren, entsteht für die Athleten eine Situation, in der viele der Versuchung des Dopings nicht widerstehen können und die in der Öffentlichkeit nicht immer gerne wahrgenommen werden möchte13. Dergestalt lässt sich auch die eingangs zitierte Dialogszene ver­stehen, in der der Angeklagte darauf verweist, dass der Ankläger stellvertretend für viele andere die Wahrheit gar nicht vertragen könne. Der Kampf gegen Doping kann jedoch weiterhin am effektivsten durch den Sport selbst geführt werden. Mit staatlicher, finanzieller Unterstützung und insbesondere durch internationale Zusammenarbeit müssen mehr und effektivere Kontrollen, vor allem Trainingskontrollen, durchgeführt werden. Die medizinische Forschung muss verstärkt und weiter entwickelt werden, ebenso die Analysemethoden, denn neue, äußerst riskante Methoden zur künstlichen Leistungssteigerung werden schon prognostiziert, zum Beispiel das Gen-Doping14. Es ist jedoch stets zu beachten, dass trotz des verständlichen Willens des Sports, Doping so effektiv wie möglich zu bekämpfen, es auch hierbei keine Wahrheitsfindung um jeden Preis geben darf. Insoweit ist dem absoluten Streben des Anklägers nach dem Erforschen der Wahrheit in „A few good men“ mit Vorsicht zu begegnen. Der Dopingnachweis unter Einbeziehung von neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Beweismethoden muss sich immer an recht(staat)lichen Maßstäben messen lassen können. Zu schwerwiegend wären andernfalls die Folgen einer dann in rechtlicher Hinsicht nicht haltbaren Sanktionierung für den betroffenen Sportler. Denn ein Ersttäter wird in der Regel zwei Jahre, ein Wiederholungstäter lebenslang gesperrt. Schon für den erstmals ertappten Berufssportler bedeutet dies einen sehr schweren Eingriff in seine Berufsfreiheit, der mit dem Verlust von Werbe- und Sponsorengeldern, oft gar rückwirkend, von öffentlichen Zuschüssen für Kaderathleten und von Start- und Preisgeldern einhergeht. Hinzu kommt der erhebliche Ansehensverlust, der den Marktwert auch für die Folgezeit 10

Asmuth, GiD Oktober 2010, Nr. 202, 11 (11). Asmuth, GiD Oktober 2010, Nr. 202, 11 (11–12). 12 Die in dieser Dissertation verwendeten männlichen Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich auf Männer und Frauen im gleichen Maße. 13 Prokop, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 79 (79). 14 Dury, SpuRt 2005, 137 (141). 11

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Einleitung

massiv schädigt15. Diese Wirkung wird noch dadurch verstärkt, dass der Athlet – gemessen an der Dauer einer Berufstätigkeit außerhalb des Sports – nur in jungen Jahren einen kurzen Zeitraum für eine erfolgreiche, aktive Entwicklung und sportliche Karriere hat16. Für einen Berufssportler ist über die eigentliche Verhängung der Wettkampfsperre hinaus der Vorwurf des Dopings in seiner Schwere kaum zu überschätzen, weil er den Vorwurf des in höchstem Maße unsportlichen und unfairen Verhaltens beinhaltet, das mit der Annahme einer planmäßig und systematisch betriebenen manipulativen Leistungssteigerung verbunden ist. Das Ansehen des Sports und seiner Leistungsträger beruht zu einem großen Teil  auf dem Gedanken des Fair-play. Ein des Dopings überführter Berufssportler muss es sich weit über den Zeitraum der Wettkampfsperre hinaus gefallen lassen, bei Wettkämpfen, im Verein und in den Medien als „Dopingsünder“ gebrandmarkt zu werden. Nicht selten wird auch auf Grund der damit verbundenen psychischen Belastungen unter Umständen das Ende einer Sportlerkarriere eingeleitet oder zumindest der Abstieg im Klassement verbunden sein17. Der Sport wird durch die Chancengleichheit symbolhaft zum Idealbild der Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft. Nicht Herkunft, Beziehungen, Hautfarbe, Religion oder Nationalität entscheiden vordergründig über den sportlichen Erfolg, sondern die Summe aus individueller Leistungsfähigkeit, Motivation und Training. Die Wahrung der Chancengleichheit ist so für den Sport existentielle Aufgabe18. Dies muss auch im Rahmen der Dopingverfolgung in etwaigen Sportgerichtsverfahren berücksichtigt werden, damit am Ende des Verfahrens nicht ein Bild präsentiert wird, in dem der betroffene Sportler wie ein „Zwerg einem Riesen von Verband gegenübersteht“ und dessen mehr oder weniger willkürlichen Handlungsweisen ausgeliefert ist19. Ziel der nun folgenden Dissertation soll es sein, die Voraussetzungen einer erfolgreichen sportverbandsrechtlichen Beweisführung im Hinblick auf den Nachweis eines Dopingvergehens anhand eines direkten oder indirekten Beweises darzustellen. Ferner gilt es, die neue Nachweismethode des „biologischen Passes“ insbesondere auf ihre Zulässigkeit zu beleuchten und dabei weiterführende Grundsätze für zukünftige Sportgerichtsverfahren zu bestimmen. Dabei wird vor allem das von Frau Pechstein betriebene Verfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof „Court of Arbitration for Sport“ (CAS) und dessen Urteil sowie die nachfolgende Überprüfung durch das Schweizer Bundesgericht mit einzu­beziehen sein.

15

Dury, SpuRt 2005, 137 (140). Disziplinarausschuss DLV SpuRt 2002, 79 (83). 17 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (75). 18 Prokop, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 79 (83). 19 Prokop, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 79 (80). 16

Einleitung

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Teil 1 dient der Einführung in zwei bekannte Verfahrensarten. Durch die Darstellung des Straf- und des Zivilprozesses und der damit verbundenen wesentlichen Grundbegriffe wie die jeweiligen Zielsetzungen, Beweisgrundsätze, Beweismittel sowie das jeweilige Beweismaß sollen zugleich Kriterien aufgestellt werden, anhand derer eine erste Abgrenzung bzw. Einbettung des Sportgerichtsverfahrens in bekannte Verfahrensarten erfolgen kann. Teil 2 setzt sich im Kern mit der Beweisführung in Dopingangelegenheiten im nationalen Sportgerichtsverfahren auseinander – angefangen von der eigentlichen Beweissicherung über die Verfahrenseinleitung bis hin zur konkreten Beweisführung im Verfahren. Beweisgrundsätze des nationalen Sportgerichtsverfahrens können jedoch nicht dargestellt werden, ohne zuvor die Selbstverwaltungsautonomie der Vereine und Verbände zu betrachten. Denn die Befugnis zu definieren, was Sport ist und die damit verbundenen Folgen für das Regel- und Rechtswerk des Sports macht für den mitgliedschaftlich organisierten Sport die Substanz der grundrechtlichen Vereinigungsfreiheit aus20. Dementsprechend können und müssen sie zur Autonomiewahrung die selbst gesetzten Regeln wie zum Beispiel die Einhaltung der Anti-Doping-Bestimmungen sanktionieren. Ferner sind sie dadurch auch frei, selbst die Art der Beweisführung und Anzahl der zugelassen Beweismittel zu bestimmen. An dieser Stelle zeigt sich zum ersten Mal das Spannungsverhältnis zwischen der Rolle des Sportlers als Verbandsmitglied und Berufsausübender. Denn zur professionellen Berufsausübung muss er entweder Mitglied im jeweiligen Sportfachverband sein oder sich zumindest diesem einzelvertraglich unterwerfen. Dadurch ist er zugleich gezwungen, dessen Regelungen und Repressalien zu erdulden. Angesichts dieser faktischen Monopolstellung müssen auf der anderen Seite dem Sportler Rechte eingeräumt werden bzw. verfassungs- und grundrechtliche Beschränkungen des Verbandsstrafverfahrens beachtet werden. Das grundrechtlich verbürgte Selbstverwaltungsrecht der Verbände ist auch im Zusammenhang mit der Überprüfbarkeit einer gegen den Sportler im nationalen Sportverbandsverfahren ausgesprochenen Sperre von besonderer Relevanz. Einleuchtend ist es, dass die Sportgerichtsbarkeit wegen der Verbandsautonomie das Recht des ersten Zugriffs auf die Interpretation und Durchsetzung des Verbandsrechts besitzt. Es muss jedoch genauer differenziert werden, durch welche Rechtsinstanz dieser Zugriff erfolgt ist. Handelt es sich um ein internes Verbands- oder Vereinsgericht, so ist zumindest nach Abschluss des verbandsinternen Instanzenzuges der Weg zu staatlichen Gerichten begehbar. Die staatliche Justiz beschränkt sich bei der anschließenden Überprüfung vor dem Hintergrund der grundgesetzlich geschützten Verbandsautonomie auf bestimmte Prüfungspunkte21. Etwas anderes gilt wiederum im Zusammenhang mit einem echten Schiedsgericht. Denn das Recht zur Selbstverwaltung beinhaltet auch, die eigene Gerichtsbarkeit auf 20

Steiner, in: Tettinger/Vieweg, Gegenwartsfragen des Sportrechts, 222 (242). Steiner, in: Tettinger/Vieweg, Gegenwartsfragen des Sportrechts, 222 (228).

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eine andere, außerhalb der Verbandswelt liegende Instanz zu übertragen. Sofern die dafür notwendigen Voraussetzungen vorliegen und damit ein Schiedsgericht wirksam bestimmt worden ist, ist die staatliche Gerichtsbarkeit gar gänzlich ausgeschlossen, sofern nicht unverletzliche Belange des ordre public durch den Schiedsspruch missachtet werden22. Diese Erkenntnisse führen zurück zum nationalen Verbandsverfahren, dessen Grundsätze anhand verschiedener Satzungen und Verfahrensordnungen nationaler Sportfachverbände bestimmt werden. Anschließend wird die Frage untersucht, ob nicht bereits eine strafrechtliche Grundrichtung des Verbandsverfahrens erkennbar ist und dadurch strafrechtliche Prinzipien auch im Verbandsverfahren zu beachten sind. Erst danach lassen sich sämtliche Voraussetzungen des direkten Dopingnachweises vollständig bestimmen. Gegenstand von Teil 3 ist die Darstellung der Beweisführungsgrundsätze im internationalen Verbandsverfahren anhand der Aufsehen erregenden Doping-Skandale der jüngeren Vergangenheit: die „Fälle Alberto Contador“, „Jan Ullrich“, „Lance Armstrong“ und „Claudia Pechstein“. Da insbesondere Letzterer sich im Schwerpunkt vor allem als Verfahren vor dem „Court of Arbitration for Sport“ (CAS) darstellt, müssen notwendigerweise dessen maßgebende Verfahrensprinzipien beleuchtet werden. Dabei wird sich nicht nur auf den konkreten Fall bezogen, sondern übergreifend die Rechtsprechung des „CAS“ in Dopingangelegenheiten im letzten Vierteljahrhundert mit einbezogen23. Hierbei wird primär der Frage nachzugehen sein, ob und wo sich Unterschiede in Bezug auf die nationalen Beweis- und Verfahrensgrundsätze ergeben. Sodann folgt der Schwerpunkt der Arbeit, die Frage nach der Zulässigkeit und dem Inhalt der indirekten Beweisführung anhand des „Biologischen Passes“, auf Grund dessen Claudia Pechstein für zwei Jahre gesperrt worden ist. Zwei wesentliche Punkte treten hierbei deutlich hervor, deren Bearbeitung grundlegend für die Zukunft der Dopingverfolgung anhand neuartiger Beweismittel ist. Zum einen muss der Frage nachgegangen werden, welcher objektive Beweiswert der indirekten Beweisführung entnommen werden kann. Zum anderen ist darauf einzugehen, welche Verteidigungsmöglichkeiten konkret für den Sportler gegenüber dieser Art der Beweisführung bestehen und welchen höherrangingen Beschränkungen sie grundsätzlich unterlegen ist. Den Abschluss bildet Teil 4 „Doping und Strafrecht“. Hierbei werden zunächst Grundsatzfragen im Verhältnis von Verbandsrecht und Kriminalstrafrecht wie das Bestehen der Möglichkeit, parallel oder nachfolgend zum Verbandsstrafverfahren ein staatliches Strafverfahren vor dem Hintergrund des Doppelbestrafungsverbots des Art. 103 Abs. 2 GG einleiten zu können, erörtert24. Es folgt eine kurze Darstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bis hin zum Hauptverfahren 22

Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, Grundz § 1025 Rz. 6. Siehe dazu Pfister, Die Rechtsprechung des Tribunal Arbitral du Sport (TAS) von 1986 bis 2003, SpuRt 2002, 177–181; ders., SpuRt 2008, 1–6; 93–97. 24 PHB-SportR-Summerer II 3/345–346. 23

Einleitung

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im Zusammenhang mit Doping. Den Schwerpunkt bildet anschließend die Frage, inwieweit die Mitwirkungspflichten des Sportlers im Verbandsverfahren vor dem Hintergrund des nemo-tenetur-Grundsatzes zu einem Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren führen können. Zur besseren Abgrenzung ist dabei auch das Disziplinarverfahren, welches gegen viele Berufssportler wegen ihrer Zugehörigkeit zur Bundespolizei bei Vorliegen einer Dopingsanktion eingeleitet wird, zu berücksichtigen.

Teil 1

Einführung in das Beweisrecht Der „Fall Claudia Pechstein“ betrifft demnach die rechtliche Zulässigkeit eines neuen Beweismittels innerhalb eines eigenständigen Verfahrens – dem so genannten Verbandsstrafverfahren. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Verbandssanktion, die auf Grund eines im Wege der Verwendung eines neuen Beweismittels festgestellten Verstoßes gegen Verbandsbestimmungen getroffen wird, ist daher die genaue Bestimmung der Verfahrens- und Beweisführungsgrundsätze des Verbandsstrafverfahrens. Dies macht es wiederum für das bessere Verständnis unumgänglich, bekannte Verfahren anderer Rechtsgebiete hinsichtlich der Beweisführung näher zu beleuchten, um eine erste Abgrenzung zum Verbandsstraf­ verfahren bzw. dessen rechtliche Einordnung treffen zu können. Im Folgenden werden daher zunächst der Straf- und der Zivilprozess hinsichtlich der Zielsetzungen, des Beweismaßes, der Beweislast, der Beweiswürdigung, des Beweisverfahrens und der Beweismittel veranschaulicht.

A. Zielsetzungen I. Zielsetzungen des Strafprozesses Der Strafprozess ist vor allem durch das Offizial- und dem Legalitätsprinzip im Sinne von § 152 Abs. 1, 2 StPO gekennzeichnet25. Danach obliegt die Verfolgung eines strafbaren Verhaltens einzig dem Staat und der von ihm dafür eingesetzten Organe. Er besitzt grundsätzlich ein Anklagemonopol (Ausnahme: Privatklage), ist dadurch aber auch zugleich verpflichtet, über die Staatsanwaltschaft im Falle eines entsprechenden Anfangsverdachtes für das Vorliegen einer Straftat zu ermitteln. Es existiert also ein Ermittlungs- und Anklage- bzw. Verfolgungszwang26. Diesem begegnet er, indem er ein förmliches Verfahren – das Strafverfahren – zur Verfügung stellt27. Damit soll der durch die vermutete Straftat erschütterte Rechtsfrieden dadurch wieder hergestellt werden, dass die materielle Wahrheit über einen bestimmten, strafrechtlich relevanten Lebenssachverhalt herausgefunden und die dafür angemessene Kriminalstrafe verhängt wird28. Der Begriff der „materiellen 25

Meyer-Goßner, Einl. Rz. 10. Beulke, Rz. 16. 27 Heinrich, Rz. 43. 28 Kühne, Rz. 1; Joecks, Einl. Rz. 4. 26

A. Zielsetzungen

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Wahrheit“ ist aber sogleich einschränkend dahingehend zu verstehen, dass eine Erkenntniserlangung im Sinne einer objektiven Wahrheit quasi unmöglich ist; selbst die juristische Entscheidungsfindung ist vor subjektiver Falschwahrnehmung nicht gefeilt. Folglich ist mit dieser Definition die Zielsetzung des Strafprozesses noch nicht abschließend erklärt. Dafür muss zusätzlich die übergeordnete verfassungsmäßige Ordnung in die Betrachtung mit einbezogen werden. Das in Art. 20 Abs. 3 GG eingebettete Rechtstaatsprinzip und der damit verbundene Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 48 Abs. 1 GRCh sowie die jeweiligen grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte Beschuldigter und anderer Personen bringen unmissverständlich zum Ausdruck, dass nicht jedes Mittel zur Wahrheitsfindung eingesetzt werden kann und darf29. Vielmehr erlauben diese Garantien und Rechte nur bestimmte Zwangsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen, an die sich Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote unmittelbar anschließen. Folglich begrenzt das Strafprozessrecht die staatliche Machtausübung zum Zwecke der Wahrheitsfindung30. Die eingangs erwähnte Definition ist daher um die Einbettung prozeduraler Gerechtigkeit im Sinne der Verfassungs- und Rechtmäßigkeit der Verfahrensweise zu erweitern31. Der Grundsatz der materiellen Wahrheit wird also insoweit eingeschränkt, als dass es nur um diejenige Wahrheit geht, die prozessordnungsgemäß zustande kam32. Schließlich kann der angestrebte Rechtsfrieden im Sinne von sachlicher Gerechtigkeit auch noch nach § 359 StPO durch die Wiederaufnahme eines Verfahrens zugunsten des Verurteilten beeinträchtigt oder auch erst hergestellt werden, sofern der Betroffene zu Unrecht verurteilt wurde. Zudem kann im umgekehrten Fall, wenn auch nur unter sehr restriktiven Bedingungen, nach § 362 StPO eine Wiederaufnahme zuungunsten des zuvor Freigesprochenen erfolgen33. Demnach verfolgt das Strafverfahren auch das Ziel der Beständigkeit der Entscheidung, wobei jene die Regel und Beschränkungen seitens des Gesetzgebers die Ausnahme sind34. Daraus ergibt sich eine komplexe Zielsetzung für den Strafprozess. Er strebt die Verurteilung des Schuldigen und den Schutz des Unschuldigen an, sichert die Justiz­förmigkeit des Verfahrens und die Rechtsbeständigkeit der Entscheidung. Dies gelingt dadurch, dass die drei genannten Kriterien gegeneinander abzuwägen und rechtliche Maßstäbe dafür einzurichten sind, welchem von ihnen im Einzelfall der Vorrang gebührt35. 29

Kühne, Rz. 2; Beulke, Rz. 5. Kühne, Rz. 2. 31 Kindhäuser, § 1 Rz. 12. 32 Joecks, Einl. Rz. 4. 33 Roxin/Schünemann, § 1 Rz.  4; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rz. 296 ff. 34 Beulke, Rz.  7. Siehe insgesamt zur Wiederaufnahme Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rz. 11 ff. 35 Roxin/Schünemann, § 1 Rz. 3, 6; Kindhäuser, § 1 Rz. 8, 18; Beulke, Rz. 3. 30

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

II. Zielsetzungen des Zivilprozesses Unter einem Zivilprozess ist das gerichtliche Verfahren in „bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten“ zu verstehen36. Er sichert eine der wesentlichen Aufgaben der Zivilrechtspflege, denn er gibt eine Aussage darüber ab, ob ein per Klage geltend gemachter Anspruch besteht oder nicht37. Grundlage eines solchen Prozesses ist ein Streit zweier oder mehrerer Personen über eine materielle Rechtsposition, über die sie sich im Vorfeld nicht einigen konnten38. Musielak sieht in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit richterlicher Mitwirkung bei der Rechtsdurchsetzung darin, dass entweder der Beklagte dem vom Kläger geltend gemachten Recht die Anerkennung verweigert oder aber der Kläger eine Rechtsgestaltung begehrt, die durch einen Richterspruch vorgenommen werden muss39. Dieser Ansatz offenbart zugleich einen wesentlichen Unterschied zum Strafverfahren. Letzteres muss bei hinreichender Tatsachengrundlage wegen des geltenden Legalitätsprinzips eingeleitet werden. Der Zivilprozess tritt demgegenüber aber nur dann in Erscheinung, sofern sich die streitenden Parteien zuvor nicht gütlich einigen konnten und es zu einer entsprechenden Klageerhebung gekommen ist. Das Zivilverfahren verfolgt also keine Durchsetzung einer subjektiven Rechtsposition um jeden Preis. Doch soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zivilprozess im Rechtsleben von fundamentaler Bedeutung ist. Denn durch das Aufstellen einer Zivilrechtsordnung mittels abstrakt formulierter Gesetze und darin enthaltenen Mustern der Konfliktbewältigung gewährleistet der Staat einen begehbaren und „friedlichen“ Streitbeilegungsweg für seine Bürger und schließt zugleich das alternativ bestehende Modell der Selbsthilfe fast vollständig aus40. Demzufolge verfolgt der Zivilprozess wie der Strafprozess die Schaffung bzw. Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens41. Dadurch ergibt sich zugleich aber auch eine staatliche Verpflichtung. Denn sofern der Einzelne seine privaten Rechte nicht „auf eigene Faust“ durchsetzen soll, muss er einen verbürgten Anspruch darauf haben, dass die zuständigen staatlichen Organe, insbesondere die Gerichte, ihm Rechtschutz gewähren42. Ein vergleichbarer Anspruch kann im Rahmen des Strafprozesses nicht gefunden werden; allenfalls im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nach den §§ 172 ff. StPO oder im Zusammenhang mit der Nebenklage nach den §§ 395–402 StPO lassen sich rudimentär Parallelen erkennen. Dieser Unterschied ist jedoch auf das erwähnte Offizialprinzip43 zurückzuführen. Darin liegt eine weitere wesentliche Abweichung. 36

Vgl. § 13 GVG; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Einl. § 1 Rz. 2. Musielak, Rz. 10. 38 Paulus, Teil 1 Rz. 7. 39 Musielak, Rz. 13. 40 Es gibt keinen gänzlichen Ausschluss der Selbsthilfe, denn die Rechtsordnung gewährt diese wenn auch nur im engen Rahmen des § 229 BGB. 41 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Einl. § 1 Rz. 10. 42 Es handelt sich um den so genannten Justizgewährleistungsanspruch; Musielak, Rz. 11; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Rz. 2. 43 Siehe oben, S. 30–32. 37

A. Zielsetzungen

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Denn die Ausgestaltung prozessualer Regeln führt alleine noch nicht zum Zivilprozess. Vielmehr ist eine entsprechende Klage durch die Parteien zu erheben. Folglich besitzen sie die Dispositionsbefugnis über das Verfahren und tragen zudem die Verantwortung über die Beibringung des Prozessstoffes44. Daraus ergibt sich zugleich, dass der Zivilrichter nur diejenigen Tatsachen seiner materiellen Entscheidungen zugrunde legen kann, die auch von den Parteien vorgetragen wurden. Zwar verfolgt auch der Zivilprozess die Verwirklichung materieller Gerechtigkeit auf Grundlage der Wahrheit45, jedoch entscheidet das Gericht auf Grund eines Sachverhaltes, der im Rahmen des Verhandlungsgrundsatzes weitgehend durch die Parteien bestimmt wird46. Im Unterschied zum Strafprozess gilt daher im Zivilprozess das Prinzip der formellen Wahrheit47. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Zivilprozess wie der Straf­ prozess der Herstellung und Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens dient. Durch die geltende Dispositionsmaxime rückt jedoch bei ersterem noch mehr die Qualität der prozessualen Ergebnisgewinnung in den Vordergrund48. Zudem garantiert er die Durchsetzung subjektiver Rechte49und dadurch auch zugleich die Bewährung und Einheit der objektiven Rechtsordnung50. In Bezug auf das noch ausführlich beleuchtete Sportgerichtsverfahren stellt sich daher die Frage, inwieweit dieser sich an den Zielsetzungen dieser beiden Verfahrensarten orientiert. Ist es eher dem Zivilprozess und damit der Dispositionsmaxime angenähert, müssten im Hinblick auf einen konkreten Streitgegenstand die betroffenen Parteien – beispielsweise der Sportler und ein Vereins- bzw. Verbandsorgan – jeweils die aus ihrer Sicht relevanten Tatsachen in das Sportgerichtsverfahren einbringen. Im Gegensatz dazu würde eine Ähnlichkeit mit dem Strafprozess dazu führen, dass auf Vereins- bzw. Verbandsseite eine Verfolgungsinstanz existieren würde, die im Sinne des Untersuchungsgrundsatzes das Sportgerichtsverfahren ein­zuleiten und sämtliche relevante Tastsachen hinsichtlich des Streitgegenstandes zu ermitteln hätte.

44 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Rz. 3, § 4 Rz. 12; Paulus, Teil 1 Rz. 16. Im Strafprozess gilt dagegen der so genannte Untersuchungsgrundsatz, d. h. es müssen von Amts wegen alle be- und entlastenden Tatsachen ermittelt werden. Zwar etabliert sich im Zivilprozess immer mehr die so genannte Kooperationsmaxime, die dem Richter mehr Leitungsbefugnisse zukommen lassen. Doch kann dies keinesfalls mit der Position des Strafrichters verglichen werden. 45 Schilken, Rz. 463. 46 Schilken, Rz. 463. 47 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Rz. 15; Paulus, Teil 1 Rz. 362. 48 MünchKommZPO-Rauscher, Einl. Rz. 17. 49 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Einl. § 1 Rz. 5. 50 MünchKommZPO-Rauscher, Einl. Rz. 10.

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

B. Beweislast und Beweiswürdigung I. Beweiswürdigung im Strafprozess Ausgangspunkt der Beweiswürdigung im Strafprozess ist § 261 StPO. Der erkennende Richter „entscheidet nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung“. Es kommt also entscheidend auf die persönliche Überzeugung des Richters bzw. des Strafgerichts über das Vorliegen eines bestimmten Lebenssachverhalts an51. Eine solche richterliche Überzeugung ist bei der Feststellung einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen, die, basierend auf objektiven Grundlagen, rational den Schluss erlauben, dass der in der Hauptverhandlung festgestellte Lebenssachverhalt der Wirklichkeit entspricht52. Hegt der Richter jedoch vernünftige Zweifel, so dass nicht nur theoretisch die Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes besteht, muss er von einer Verurteilung der oder des Angeklagten absehen53. II. Beweislast im Strafprozess Im Zusammenhang mit dem Strafprozess ergibt sich auf Grund des geltenden Offizialprinzips eine logische Konsequenz für die Beweislastverteilung: Ist die Verbrechensverfolgung allein staatliche Aufgabe, folgt daraus zugleich die Pflicht des Staates zur Ermittlung durch seine Organe. Dies wird auch mit der so genannten Instruktionsmaxime (= Wahrheitsermittlung von Amts wegen)54 umschrieben. Aufgabe ist es dabei, einen Sachverhalt der Vergangenheit aufzuklären. Dazu ist eine Vielzahl an Tatsachen zu ermitteln, um die materielle Wahrheit im Hinblick auf das Tatgeschehen zu erforschen. Die Verpflichtung zur materiellen Wahrheit bewirkt dabei, dass es nicht nur um für den Beschuldigten bzw. Angeklagten belastende Tatsachen gehen kann, sondern auch um entlastende. Die beteiligten Organe müssen also von sich aus jeden Umstand beleuchten. Dieser Untersuchungsgrundsatz gilt für das gesamte Verfahren, trifft also sowohl die Staatsanwaltschaft und die Polizei55 als auch den Ermittlungsrichter und das erkennende Gericht. Letzteres ist im besonderen Maße davon berührt. Denn es ist zum einen weder an die Beweisanträge der anderen Verfahrensbeteiligten noch an ein vermeintliches Geständnis des Angeklagten gebunden. Aus der gerichtlichen Untersuchungspflicht folgt vielmehr, dass es dessen Wahrheitsgehalt sogar überprüfen muss56. Zum anderen kann es auch Beweismittel selbst bei Ausbleiben eines entsprechenden 51

Kühne, Rz. 946; Kindhäuser, § 23 Rz. 54; Meyer-Goßner, § 261 StPO Rz. 11. Kühne, Rz. 947. 53 Dann kommt es zur Anwendung des in dubio pro reo-Grundsatzes; Beulke, Rz. 490. 54 BVerfGE 84, 82 (88). 55 Beulke, Rz. 21. 56 Eisenberg, Beweisrecht, Rz. 15 und 726. 52

B. Beweislast und Beweiswürdigung

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Antrages durch die anderen Verfahrensbeteiligten heranziehen. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass es den Begriff der Beweislast bzw. Beweislastprobleme im deutschen Strafprozess gar nicht geben kann57. III. Beweiswürdigung im Zivilprozess Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gilt auch für den Zivilprozess und bedeutet ebenso wie sein strafrechtliches Pendant58, dass der Richter bei der Feststellung rechtserheblicher Tatsachen an keine Beweisregeln hinsichtlich des Beweiswertes einzelner Beweismittel gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen ist59. Ausgangspunkt der zivilrechtlichen Beweiswürdigung ist § 286 Abs. 1 ZPO. Danach ist eine bestimmte Behauptung als bewiesen anzusehen, wenn das erkennende Gericht voll von der Wahrheit der Behauptung überzeugt ist60. Ebenso wie im Strafprozess muss der erkennende Richter also von der Wahrheit der festzustellenden Tatsache überzeugt sein. Eine solche Überzeugung lässt sich ab einem Grad von an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen61 bzw. wenn ein Grad von Gewissheit erlangt wird, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen62. Eine strittige Behauptung ist demnach bewiesen, sofern sie wahrscheinlich ist und das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist. Eine solche Überzeugung kann wiederum nur angenommen werden, sofern das Gericht keine vernünftigen Zweifel mehr hat63. Dadurch sind die Anforderungen an das Beweismaß in einem deutschen Zivilprozess höher als diejenigen, die im common law existieren, wo eine überwiegende Wahrscheinlichkeit („more likely/probable than not“) ausreicht64. Dieser vermeintliche Unterschied ist zwar eher theoretischer Natur, da eine Grenzziehung für die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten kaum gelingen wird und es somit im Zweifelsfall einzig auf die vernünftige, subjektive Einschätzung des erkennenden Richters ankommen wird65. Jedoch muss auf das Beweismaß einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit an anderer Stelle noch ausführlich eingegangen werden66. Es liegt jedenfalls unter dem

57

Eb. Schmidt, LK I, Rz.  366; Schellhammer Rz.  372; a. A. MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 95. 58 Vgl. dazu die obigen Ausführungen zu § 261 StPO, S. 34. 59 Musielak, Rz. 458, 460; BGHZ 53, 245 (256); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, § 286 Rz. 4. 60 Musielak, Rz. 459. 61 Musielak, Rz. 461; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 113 Rz. 12; Walker, in: Vieweg, Doping, 135 (143). 62 Schilken, Rz. 478. Vgl. dazu das so genannte „Anastasia-Urteil“, BGHZ 53, 245 (256). 63 Schellhammer, Rz. 552. 64 Brinkmann, Das Beweismaß, S. 31. 65 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 113 Rz. 14–15. 66 Siehe diesbezüglich das geltende Beweismaß für einen Dopingnachweis im Sinne von Art. 2.1. NADA-Code; unten, S. 196-200.

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

Maßstab eines Strafprozesses im common law, wo ein „beyond reasonable doubt“ gefordert wird, was eindeutig höher ist67. Abweichend von diesem Regelbeweismaß lassen sich auch geringere Maßstäbe wie die Glaubhaftmachung auf Grund gesetzlicher Anordnung (vgl. dazu §§ 44 Abs. 2, 104 Abs. 2 S. 1, 296 Abs. 4 ZPO) feststellen. In diesen Fällen genügt für die Beweiswürdigung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit68. Ein anderes Beweismaß gilt ferner im Rahmen des so genannten Anscheinsbeweises. Diese Art der Beweisführung verlangt die Anwendung allgemeiner Lebenserfahrung in Bezug auf Vorgänge, die so typisch und häufig sind, dass bei ihrem Vorliegen nach dem ersten Anschein nur auf eine bestimmte, zu beweisende Ursache oder Wirkung geschlossen werden kann und die daher geeignet sind, die volle Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit einer bestimmten Tatsachenbehauptung zu begründen69. Folglich besteht in solchen Fällen zunächst eine tatsächliche Vermutung (erster Anschein) zugunsten der beweisbelasteten Partei70. Der Anscheinsbeweis bewirkt eine Beweiserleichterung für die eigentlich behauptungs- und beweisbelastete Partei, indem mit Hilfe der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete Informationslücken bei der Tatsachenfeststellung überbrückt werden können71. Der gegnerischen Partei obliegt es dann, nicht das Gegenteil, sondern „nur“ die ernsthafte Möglichkeit des Vorliegens einer anderen Ursache oder Wirkung zu behaupten und zu beweisen (=  Erschütterung) und damit die Vermutung zu entkräften. Dies ist vor allem in rechtsstaatlicher Sicht für den Betroffenen zumutbar, weil er regelmäßig der per Anscheinsbeweis zu beweisenden Tatsache und dem damit verbundenen Lebenssachverhalt näher steht als der Beweispflichtige72. Ein bloßes Aufstellen von gegenläufigen Behauptungen genügt dazu jedoch nicht73. Gelingt eine solche Erschütterung, lebt die eigentliche Beweislast wieder auf, bei der die beweisbelastete Partei zum Obsiegen einen anderen unmittelbaren oder mittelbaren Beweis erbringen muss74.

67

Siehe dazu auch Brinkmann, Das Beweismaß, S. 11. Musielak, Rz. 462. 69 Schellhammer, Rz. 519; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 113 Rz. 16; Walker, in: Vieweg, Doping, 135 (144). 70 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 113 Rz. 17. 71 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 113 Rz. 17. 72 BVerfGE 84, 82 (88). 73 BVerfGE 84, 82 (84/85). 74 Schellhammer, Rz. 519. 68

B. Beweislast und Beweiswürdigung

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IV. Beweislast im Zivilprozess Im Zivilprozess gilt grundsätzlich der Verhandlungs- bzw. Beibringungsgrundsatz75. Danach obliegt es einzig den streitenden Parteien, den Prozessstoff zu liefern76. Das Gericht kann also dem Grunde nach nicht wie bei der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes den Sachverhalt unabhängig von den Parteien von sich aus aufklären77. Maßgebend ist daher, welche Partei in welcher Situation einen entsprechenden Beweis zu erbringen hat. Dies korrespondiert mit der Frage nach der grundsätzlichen Beweislastverteilung im Zivilprozess. Diese erlangt jedenfalls dann besondere Bedeutung, wenn es zu einer Situation der Beweislosigkeit in Bezug auf eine entscheidungserhebliche Tatsache kommt78. Sie ermöglicht dem erkennenden Gericht in dieser Situation, eine Entscheidung des Rechtsstreits herbeizuführen, selbst wenn die entscheidungserhebliche Tatsache nicht bewiesen werden kann79, da ihre Anwendung dazu führt, dass der Richter gegen die beweisbelastete Partei entscheiden muss, es also zur einer Klageabweisung kommt80. Damit erklärt sich zugleich auch ihre Notwendigkeit. Denn die Pflicht des Richters zur Entscheidungsfindung81 könnte andernfalls im Falle eines erfolglosen Be­ weisantritts und damit fehlender richterlicher Überzeugung von der Tatsachen­ behauptung nicht wahrgenommen werden82. Die Beweislastverteilung ist aber auch bereits während des Zivilprozesses im besonderen Maße relevant, da sie konkret Aufschluss darüber gibt, welche Partei den Beweisantritt für welche bestimmte Tatsache zu erbringen hat83. Vor diesem Hintergrund wird daher auch zwischen subjektiver und objektiver Beweislast unterschieden. Zudem gilt es die damit zusammenhängenden Begrifflichkeiten der Behauptungslast, der Beweislastumkehr oder der Beweisvereitelung zu präzisieren. 75

Schellhammer, Rz. 340. Paulus, Teil 1 Rz. 314. 77 Diese strenge Anwendung des Beibringungsgrundsatzes lässt sich heutzutage dergestalt weder in der ZPO noch im Prozessalltag wiederfinden. Beispielhaft sei an dieser Stelle die richterliche Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO erwähnt, mit dem der Richter die Parteien zu einem präzisen Sachverhaltsvortrag anhält und somit Einfluss auf den eingebrachten Lebenssachverhalt nimmt. Eine weitergehende Ausführung zur eventuell zugenommenen Einschränkung des Beibringungsgrundsatzes oder gar dessen „Ablösung“ führt jedoch weg vom eigentlichen Dissertationsvorhaben und würde damit auch den im ersten Teil vorgesehenen Rahmen sprengen. Daher wird auf weitere Ausführungen verzichtet. Vgl. dazu auch Musielak, Rz. 417. 78 Schilken, Rz.  499. Dies wird auch als „non liquet-Situation“ bezeichnet; siehe dazu­ Musielak, Rz. 474. 79 Schilken, Rz. 500. 80 Schellhammer, Rz. 374. 81 Diese Entscheidungspflicht ergibt sich in jedem Fall auch aus Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. 82 In einem solchem Fall besteht eine „non liquet-Situation“; vgl. MünchKommZPOPrütting, § 286 Rz. 93. 83 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Rz. 58; Schilken, Rz. 501. 76

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

1. Subjektive Beweislast Unter subjektiver Beweislast ist die Notwendigkeit des Beweisantritts für eine streitige Tatsache zu verstehen, um damit das erkennende Gericht zur Beweis­ aufnahme zu verpflichten84. Sie wird daher auch als Beweisführungslast oder formelle Beweislast beschrieben und bezeichnet die Pflicht, durch eigenes Tätigwerden den Beweis über die streitige Tatsache zu führen85. Daraus folgt, dass im Falle eines Nichtantritts durch die beweisbelastete Partei von der Nichterweislichkeit der Tatsache auszugehen ist und – soweit entscheidungserheblich – von einer Klageabweisung mangels Begründetheit86. In Bezug auf die jeweilige Verteilung der Beweislast gilt grundsätzlich, dass jede Partei die Beweislast für die positiven oder negativen tatsächlichen Voraussetzungen der sie begünstigenden Norm trägt87. Begünstigende Normen sind für den Anspruchssteller – in der Regel der Kläger – die anspruchsbegründenden, für den Anspruchsgegner – in der Regel der Beklagte – die einredebegründenden. Jedoch sind auch hier ausdrückliche Anordnungen bzw. Ausnahmen denkbar, sei es im Wege einer gesetzlichen Regelung wie beispielsweise gemäß § 476 BGB in Bezug auf den Zeitpunkt des Vorliegens eines Mangels beim Verbrauchsgüterkauf oder aber auch im Wege einer durch die Rechtsprechung entwickelten Beweislastumkehr, wie es bei den Produkthaftungsfällen88 der Fall ist. 2. Objektive Beweislast Die objektive Beweislast, auch Feststellungslast oder materielle Beweislast genannt, gibt am Ende des Prozesses Aufschluss darüber, zu wessen Gunsten bzw. Ungunsten im Falle des non liquet – also dem Fehlen einer gesicherten richterlichen Überzeugung von den geltend gemachten Tatsachenbehauptungen trotz Ausschöpfungen aller möglichen und prozessual zulässigen Beweismitteln89 – zu entscheiden ist90. Sie berührt demnach die Frage, wer am Ende des Prozesses die Folgen der Beweislosigkeit trägt und kann demzufolge nur dann Bedeutung erlangen, wenn es zu keiner sicheren Feststellung der Wahrheit oder der Unwahrheit in Bezug auf eine behauptete Tatsache im Prozessverlauf gekommen ist91.

84

Schilken, Rz. 501. MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 98; siehe auch vorhergehend die allgemeine Definition. 86 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Rz. 58. 87 Schilken, Rz. 503; Schellhammer, Rz. 381. 88 Näher zur Produkthaftung Palandt/Sprau, § 823 Rz. 165 ff. 89 MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 93. 90 MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 100; Walker, in: Vieweg, Doping, 135 (147). 91 Schilken, Rz. 502. 85

B. Beweislast und Beweiswürdigung

39

3. Behauptungslast Die Behauptungslast bezeichnet die Obliegenheit, so viele konkrete Tatsachen vorzutragen wie zum Obsiegen benötigt werden bzw. um eine oder mehrere abstrakte Tatsachenbehauptungen der begehrten Rechtsfolge zu erhalten92. Der Beweisvortrag des darlegungspflichtigen Anspruchstellers muss demnach mit ausreichenden Tatsachen angereichert werden, um die Schlüssigkeit der Klage annehmen zu können93. Für den nicht beweisbelasteten Gegner genügt zunächst ein einfaches Bestreiten94, um sich gegen die begehrte Rechtsfolge zur Wehr zu setzen. Unter Umständen besteht in gewissen Situationen aber auch eine gesteigerte Substantiierungspflicht. Maßgebend ist hierfür, wie konkret der Klagevortrag dargelegt wird. Je konkreter und anschaulicher sich dieser gestaltet, desto präziser muss der Beklagte bestreiten und den Lebensvorgang aus seiner Sicht schildern95. Gelingt dies und kann die eigentlich beweisbelastete Partei keinen neuen Hauptbeweis erbringen, lebt die Beweislast der Ausgangssituation auf und der Richter wird letztendlich zu ihren Ungunsten entscheiden. Begrifflich von der Behauptungslast zu unterscheiden ist die so genannte sekundäre Behauptungslast. Darunter ist eine gesteigerte Substantiierungslast für die nicht beweisbelastete Partei zu verstehen. Diese Last soll die gegnerische Partei treffen, sofern die an sich beweisbelastete Partei außerhalb des für ihren Anspruch maßgeblichen Geschehensablaufes steht und dadurch die maßgeblichen Tatsachen nicht kennt, während sie der Gegenseite bekannt sind96. Gelingt ein solcher „substantiierter Gegenbeweis“ nicht oder die aufgestellte Behauptung wird lediglich bestritten, wird über die Fiktion des § 138 Abs. 3 ZPO die Behauptung der beweisbelasteten Partei als wahr angenommen97.

92

MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 134. Schellhammer, Rz. 374. 94 MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 136. 95 Schellhammer, Rz. 309. 96 MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 103 und 136. 97 MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz.  103. Die gesteigerte Substantiierungspflicht ist nicht unumstritten, denn der Grad zu einer nicht vorgesehenen Beweislastumkehr ist sehr schmal; siehe dazu bejahend BGHZ 100, 190 (195/196) und BGH NJW-RR 2002, 1309. Unabhängig von einer bestimmten Streitentscheidung ist sie jedoch eine zivilprozessuale Methode, die unter Umständen auch bei dem „indirekten Beweisverfahren“ im „Fall Claudia Pechstein“ eine Rolle spielt. Daher wird sie an späterer Stelle noch einmal aufgegriffen werden. 93

40

Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

4. Beweislastumkehr Die subjektive Beweislast kann auch von vornherein umgekehrt sein. Dann ist eine so genannte Beweislastumkehr anzunehmen98. Diese kann sich im Rahmen von gesetzlichen Vermutungen ergeben99 oder aber auch im Wege richterlicher Rechtsfortbildung100. Fälle einer Beweislastumkehr sind auf diesem Wege beispielsweise im Zusammenhang mit der Berater-, Produzenten- und Arzthaftung sowie bei der Verletzung eines Schutzgesetzes angenommen worden101. 5. Beweisvereitelung Letztlich kann es zu einer Änderung der Beweislastverteilung auch im Rahmen einer Beweisvereitelung kommen. Eine solche ist anzunehmen, wenn die nicht beweisbelastete Partei durch vorwerfbares Tun oder Unterlassen dem Beweis­ belasteten die Erbringung des Hauptbeweises verhindert oder erschwert und damit dessen Beweisführung zum Scheitern bringt102. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden103. Eine Beweisvereitelung kann sogar bei einem fahrlässigen Unterlassen einer Aufklärung bei einem bereits eingetretenen Schadensereignis liegen, wenn damit die Schaffung von Beweismitteln verhindert wird, obwohl die spätere Notwendigkeit einer Beweisführung dem Aufklärungsberechtigten bereits hätte erkennbar sein müssen104. Die daraus abzuleitende Rechtsfolge kann jedoch nicht eindeutig bestimmt werden105. Vor diesem Hintergrund bietet sich eine Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Beweisvereitelung an. Einleuchtend und dem allgemeinen Rechtsverständnis entsprechend ist bei einer vorsätzlichen Verhinderung der Beweiserbringung dieses Verhalten gegen die vereitelnde Partei zu würdigen. Dies führt konsequenter Weise dazu, dass das Gericht die mit diesem Beweis eigentlich zu belegende Behauptung der anderen Partei als wahr erachtet106. In Zusammenhang mit einer fahrlässigen Beweisvereitelung kann ein solcher drastischer Schritt nicht vollzogen werden. Denn fahrlässiges Verhalten

98 Schellhammer, Rz. 395–396. Auch im ersten Fall kommt es zu einer (normalen) Beweislastumkehr. 99 In Zusammenhang mit gesetzlichen Vermutungen müssen lediglich deren Voraussetzungen bewiesen werden; der Beweis des Gegenteils durch die andere Partei ist der eigentliche Hauptbeweis. Siehe dazu Schellhammer, Rz. 395 ff. 100 Schellhammer, Rz. 399 ff.; Walker, in: Vieweg, Doping, 135 (148). 101 Siehe dazu Schellhammer, Rz. 400–403, sowie Paulus, Teil 1 Rz. 423. 102 Paulus, Teil 1 Rz. 422; MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 80. 103 BGH NJW 1998, 79 (81). 104 BGH NJW 1998, 79 (81). 105 Schellhammer, Rz. 532. 106 Schellhammer, Rz. 532.

B. Beweislast und Beweiswürdigung

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kann verschiedene Ursachen haben, beispielsweise wegen grundsätzlicher Aufgeregtheit in Bezug auf den Rechtsstreit oder einer schweren, im Moment der Vereitelung vorliegenden Lebenssituation. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Folglich ist die Handhabung einer fahrlässigen Verhinderung auch immer Frage einer Einzelfallwürdigung. Jedoch lässt sich eine Tendenz festmachen, die von einer Beweiserleichterung bis hin zur Umkehrung der konkreten Beweislast verläuft107. 6. Zwischenfazit Die Regeln der Beweislastverteilung sind dem materiellen Zivilrecht zuzuordnen. Es finden sich im BGB und in Nebengesetzen nur wenige108 bzw. verstecken sie sich hinter der gesetzlichen Systematik. Jedoch ergibt sich auf der Basis von­ Rationalität und Logik, dass derjenige, der im Prozess eine Rechtsfolge geltend macht, dafür eine vertragliche oder gesetzliche Grundlage benötigt. Diese Grundlage besteht in der Regel aus Tatbestand und Rechtsfolge, wobei Letzteres überhaupt nur in Betracht gezogen werden kann, sofern zuvor die Tatbestandsvoraussetzungen bejaht worden sind. Daher muss die die Rechtsfolge geltend machende Partei dem Gericht nahebringen, dass diese Voraussetzungen auch wirklich vorliegen. Daraus ergibt sich der folgende allgemeingültige Satz über die Beweislastverteilung im Zivilprozess: Jede Partei muss das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen derjenigen Rechtsnormen behaupten und beweisen, deren Rechtsfolgen sie geltend macht109. Diese Definition führt auch dazu, dass die Beweislast auch die eigentlich gegnerische Partei trifft. Denn sofern die Voraussetzungen des Tatbestands bewiesen worden sind und es dadurch zur Anwendung der mit ihr verbundenen Rechtsfolge kommen würde, obliegt es nun der anderen Partei, Einreden und Einwendungen vorzutragen und gegebenenfalls das Erlöschen der Rechtsfolge zu beweisen, um eine für sie negative Verurteilung abwenden zu können. Dafür benötigt sie auch eine entsprechende Grundlage, die wiederum aus Tatbestand und Rechtsfolge besteht und deren tatsächlichen Voraussetzungen bewiesen werden müssen. Demnach muss sie dann in diesem Moment den Hauptbeweis führen. Diese Verteilung kann je nach Rechtsgrundlage und Komplexität des Rechtsstreits ständig variieren und wird daher mit dem Begriff der konkreten Beweisführungslast beschrieben110. Daher lässt sich der zuvor erwähnte, allgemeingültige Satz111 wie folgt vollenden:

107 Musielak, Rz. 471; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 115 Rz. 20; Schellhammer, Rz. 532. Eine schuldhafte Beweisvereitelung kann auch dazu führen, dass sich nicht auf den Anscheinsbeweis berufen werden kann. Siehe BGH NJW 1998, 79. 108 Vgl. die §§ 179 Abs. 1, 345, 363, 2336 Abs. 3 BGB sowie die damit gleichzusetzenden Vermutungsregeln der §§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4, 311a Abs. 2 S. 2 BGB. 109 Schellhammer, Rz. 381. 110 MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 103. 111 Siehe oben, S. 38.

42

Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

Wer ein Recht geltend macht, muss die rechtsbegründenden, wer sich gegen ein solches Recht stellt, die rechtsfeindlichen Tatsachen beweisen112. Demzufolge stehen die Begriffe der Behauptungs- und Beweislast in einem Deckungsverhältnis, welches sich jeweils auf die andere Partei übertragen lässt113. Derjenige, der etwas behauptet, muss es auch beweisen. Die belastete Partei hat hierzu grundsätzlich den Hauptbeweis zu erbringen. Damit soll das Gericht im Sinne von § 286 ZPO überzeugt werden, dass die streitige Behauptung wahr ist. Demzufolge ist der Hauptbeweis der Beweis, der das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der anzuwendenden Rechtsnorm ergeben soll114. Logischerweise obliegt der gegnerischen Partei dann der Gegenbeweis. Dieser zielt auf die Verhinderung des Hauptbeweises ab115, ist aber nicht am Maßstab der vollen richterlichen Überzeugung zu messen. Vielmehr ist der Hauptbeweis verhindert, sofern der Beweisvortrag der den Gegenbeweis führenden Partei Zweifel beim Richter sät116. Sofern nun dem Sportgerichtsverfahren eine strafrechtliche Nähe attestiert werden würde, obläge es zunächst einzig dem vorgesehenen Anklageorgan, sämtliche Tatsachen vorzutragen, bei deren Vorliegen eine Vereinsstrafe ausgesprochen werden könnte. Der Sportler müsste sich nicht beteiligen, sondern allenfalls darauf konzentrieren, die Beweisanträge der Anklage anzugreifen. Für den Fall, dass die Angriffe geeignet sein sollten, Zweifel beim erkennenden Richter des Sportgerichtsverfahrens hervorzurufen, müsste jenes unter der Voraussetzung einer strafrechtlichen Orientierung daraufhin zu einem Freispruch für den betroffenen Sportler führen, weil es an notwendigen richterlichen Überzeugung von der Schuld des Sportlers fehlen würde. Bei der Anwendung zivilverfahrensrechtlicher Grundsätze wäre indes der Sportler unter Umständen angehalten, im Sinne einer subjektiven Beweislast den Vollbeweis für diejenigen Tatsachen zu führen, auf Grund derer beispielsweise seine Schuld ausgeschlossen und damit zugleich keine Strafe ausgesprochen werden kann oder zum Beispiel die Voraussetzungen für das Eingreifen einer Verjährung angenommen werden können. Zudem ist es denkbar, dass das Sportgerichtsverfahren Beweislastumkehrungen bzw. Beweiserleichterungen vorsieht, die zu für den Sportler widerlegbaren Vermutungen führen und im Falle einer erfolglosen Gegenbeweisführung bewirken, dass eine Vereinsstrafe ausgesprochen werden kann, selbst wenn das erkennende Verbands- oder Vereinsgericht nicht mit an Sicher­heit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Schuld des Sportlers überzeugt sein sollte.

112

Adolphsen, Zivilprozessrecht, § 23 Rz. 62–63; Schellhammer, Rz. 312. Schellhammer, Rz. 298, 375. 114 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110, Rz. 12. 115 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110, Rz. 13. 116 Schellhammer, Rz. 376; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 13. 113

B. Beweislast und Beweiswürdigung

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V. Beweisverwertungsverbote Die Beweiserbringung im Strafprozess verfolgt wegen des geltenden Untersuchungsgrundsatzes das Ziel, sämtliche erreichbaren Beweise in die Hauptverhandlung als Grundlage der richterlichen Beweiswürdigung einzubringen. Dies korrespondiert mit der Zielsetzung der materiellen Wahrheitsfindung117. Jedoch gibt es keine Wahrheitserforschung um jeden Preis118. Vielmehr dürfen nur rechtsstaatlich und grundrechtskonform gewonnene Beweismittel verwendet werden119. Diesem Prinzip zuwider laufende Beweisgewinnungen enden daher in der Regel in sogenannten Beweisverboten. Jene lassen sich in Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote unterteilen. Erstere lassen sich wiederum in Beweisthema-, Beweismittel- und Beweismethodenverbote gliedern120. Ein Beweisthemaverbot ist gegeben, wenn die Aufklärung bestimmter Sachverhalte untersagt ist121. Beweismittelverbote untersagen die Verwendung ganz bestimmter Beweismittel, wobei die Aufklärung des Sachverhalts mit anderen Beweismitteln zulässig bleibt122. Endlich schließen Beweismethodenverbote bestimmte Arten der Beweisgewinnung wie beispielsweise den Einsatz unzulässiger Vernehmungsmethoden im Sinne von § 136a Abs. 1, 2 StPO aus123. Beweisverwertungsverbote führen dazu, dass bestimmte Ergebnisse der Beweisgewinnung nicht im Urteil Berücksichtigung finden dürfen. Dies kann einerseits im Wege eines unselbstständigen Beweisverwertungsverbotes geschehen, sofern das Beweisergebnis einem Beweiserhebungsverbot unterliegt124. Andererseits kann nach rechtmäßiger Beweiserhebung einzig die Verwertung unzulässig sein. In dieser Konstellation ist von einem selbstständigen Beweisverwertungsverbot auszugehen125. Auf Grund des Fehlens ausdrücklicher Bestimmungen zu Beweisverwertungsverboten sind indes keine einheitlichen Voraussetzungen vorhanden, bei deren Vorliegen mit Sicherheit von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werden kann126. Vielmehr ist diese Frage höchst umstritten127. Vertretbar  – wenn auch nicht gänzlich frei von Kritik128 – dürfte es sein, das staatliche Interesse an einer Strafverfolgung im Einzelfall gegen das Individualinteresse des Betroffe-

117

Siehe oben, S. 30–32. Beulke, Rz. 454; Kühne, Rz. 880. 119 Siehe oben, S. 30–32, sowie Kühne, Rz. 880.1. 120 Beulke, Rz. 455. 121 Kindhäuser, § 21 Rz. 140. 122 Beulke, Rz. 455. 123 Kindhäuser, § 21 Rz. 142. 124 Kühne, Rz. 907.3. 125 Beulke, Rz. 457. 126 Beulke, Rz. 457. 127 Einen Überblick zu den wesentlichen Ansichten geben Beulke, Rz. 458–460, sowie Kühne, Rz. 908–910. 128 Siehe hinsichtlich weiterer Ansätze auch unten, S. 317–323. 118

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

nen an der Wahrung seiner Rechte abzuwägen, wobei der Schwere des Delikts und der Schwere des Verfahrensverstoßes besondere Bedeutung zukommen129. Der Zivilprozess kennt ebenfalls keine ausdrücklich normierten Beweisverwertungsverbote130. Dies kann einerseits darauf zurückgeführt werden, dass auf Grund von Verfahrensverstößen unzulässige Beweise nur dann nicht im Urteil verwertet werden dürfen, sofern dies nach Maßgabe des § 295 Abs. 1 ZPO von der gegnerischen Partei gerügt worden ist. Andernfalls werden diese Verstöße geheilt, so dass sich dann die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot nicht mehr stellt131. Jedoch verweist § 295 Abs. 2 ZPO darauf, dass eine Heilung nicht immer möglich ist. In diesen Fällen muss sich auch im Zivilprozess mit Beweisverwertungsverboten auseinander gesetzt werden. In diesem Zusammenhang kann ein solches angenommen werden, wenn die Partei oder das Gericht die andere Partei in einem ihr zustehenden Grundrecht verletzt hat132.

C. Beweisverfahren: Streng- oder Freibeweis I. Beweisverfahren des Strafprozesses Der Begriff des Strengbeweisverfahrens bezeichnet ein förmliches Verfahren in Umgang mit den gesetzlichen Beweismitteln133 in Bezug auf den Beweis von Tatsachen im Rahmen der Hauptverhandlung, die die Schuld- und Rechtsfolgenfrage betreffen134. Dieses förmliche Beweisverfahren ist verbunden mit der Beachtung der Prozessmaximen der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit135, die in den §§ 244 ff. StPO geregelt sind. Zudem führt die Geltung der § 244 ff. StPO auch dazu, dass das Gericht Tatsachen, die schon freibeweislich festgestellt wurden, in der Hauptverhandlung nochmals mittels des Strengbeweisverfahrens aufklären muss, sofern sich diese noch für die Entscheidung über Schuld- und Rechtsfolgenfrage als relevant erweisen136.

129

Beulke, Rz. 458, der jedoch berechtigterweise Kritik an diesem Ansatz äußert und nur darauf zurückgreifen möchte, sofern es um die Frage nach einem Verwertungsverbot wegen des Vorliegens einer aus der Verfassung ableitbaren Beweismittelbeschränkung geht. 130 Walker, in: Vieweg, Doping, 135 (141). 131 Schellhammer, Rz. 525. 132 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 24; Schellhammer, Rz. 526; angedeutet in Thomas/Putzo, § 286 ZPO Rz. 7 mit Verweis auf die Rechtsprechung, wonach im Einzelfall die Verwertung auf Grund einer vorzunehmenden Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung sprechenden, geschützten Grundrecht und dem dafür sprechenden Interesse des Beweisführers zulässig sein kann. 133 Kindhäuser, § 21 Rz. 3. 134 Beulke, Rz. 180; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Rz. 3. 135 Löwe/Rosenberg-Becker, § 244 StPO Rz. 17. 136 Löwe/Rosenberg-Becker, § 244 StPO Rz. 17.

C. Beweisverfahren: Streng- oder Freibeweis

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Davon ist das sogenannte Freibeweisverfahren zu unterscheiden. Jenes gilt für die Beweiserhebung ab dem Ermittlungsverfahren bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens in Bezug auf Schuld- und Rechtsfolgenfragen sowie für die gesamte Dauer des Erkenntnisverfahrens in Bezug auf prozessuale Fragen wie das Vorliegen von Verfahrensvoraussetzungen und Verfahrenshindernissen137. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass gerade nicht die strengen Voraussetzungen der §§ 244 ff. StPO hinsichtlich der Beweiserhebung gelten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich das Freibeweisverfahren in einem „voraussetzungs- oder rechtsfreien Raum“ bewegen darf. Zwar gelten die Grundsätze der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit nicht138; jedoch sind weiterhin bestimmte Prinzipien wie die richterliche Aufklärungspflicht, die Wahrung des rechtlichen Gehörs, die Anwendung von Beweisverboten oder die Wahrung von Zeugnisverweigerungsrechten nach den §§ 52 ff. StPO zu beachten139. Im Unterschied zum Strengbeweisverfahren gilt jedoch ein geringerer Grad an Überzeugung für das Gericht im Hinblick auf das Vorliegen einer per Freibeweis eingebrachten Tatsache. Es genügt eine Glaubhaftmachung im Sinne einer „normalen Wahrscheinlichkeit“140, wobei sich das Gericht unter Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens auf beliebige Weise diese Gewissheit verschaffen kann141. Schwierigkeiten können in diesem Zusammenhang entstehen, sofern es sich um eine aufzuklärende Tatsache in der Hauptverhandlung handelt, die nicht eindeutig einer prozessualen Frage oder einer Schuld- und Rechtsfolgenfrage zugeordnet werden kann oder gar beides betrifft142. In einem solchem Fall kommt einer zu ermittelnden Tatsache unterschiedliche rechtliche Bedeutung zu143. Nach wohl noch vorherrschender Auffassung darf sich das erkennende Gericht für seine Feststellung mit dem Freibeweisverfahren begnügen144. Andere Stimmen kommen jedoch in jüngster Zeit zu dem Ergebnis, dass auch eine solche Feststellung im Strengbeweisverfahren zu erfolgen hat145. Für diese Ansicht spricht vor allem, dass für eine Tatsache, welche nur die Schuld- und Rechtsfolgenfrage betrifft, bereits das Strengbeweisverfahren gilt. Dann ist es aber auch nur konsequent, diesen Grundsatz auch dann anzuwenden, wenn jene Tatsache zusätzlich auch noch einen prozessualen Aspekt betrifft. Selbst in einem Fall, bei dem eine Zuordnung nicht eindeutig erfolgen kann und die Tatsache unter Umständen doch nur eine prozessual relevante Tatsache betrifft, erscheint die Anwendung des Strengbeweisverfahrens 137

Beulke, Rz. 180; Kindhäuser, § 21 Rz. 4. Löwe/Rosenberg-Becker, § 244 StPO Rz. 36. 139 Meyer-Goßner, § 244 StPO Rz. 9. 140 Beulke, Rz. 180; Kindhäuser, § 21 Rz. 4. 141 Kühne, Rz. 760. 142 Es handelt sich dann um eine so genannte „doppelrelevante Tatsache“. Siehe dazu auch die Anmerkung von Eisenberg in JR 2001, 258 ff. 143 Eisenberg, JR 2001, 258 (258). 144 KK-Diemer § 136a Rz. 43; SK-Rogall § 136a Rz. 101. 145 Meyer-Goßner, § 244 StPO Rz. 8; OLG Hamm StV 1999, 360 (361); Löwe/RosenbergBecker, § 244 StPO Rz. 34; Roxin/Schünemann § 24 Rz. 4; Schlüchter, Rz. 474. 138

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

hinsichtlich der Zielsetzung der Förderung und Wahrung der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens durchaus sinnvoll146. Jedoch gilt allein der Freibeweis, sofern die Beweisaufnahme zunächst nur der Entscheidung über das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen dient, selbst wenn absehbar ist, dass die Tatsache auch Bedeutung für den Tatvorwurf hat147. Einer vermeintlichen Umgehung der §§ 244 ff. StPO wird dadurch begegnet, dass die zuvor getroffene Prozessentscheidung dem im Strengbeweisverfahren abweichend festgestellten Beweisergebnis angepasst wird148. II. Beweisverfahren des Zivilprozesses Die richterliche Beweiswürdigung setzt voraus, dass auch entsprechende Beweise von den Parteien in den Zivilprozess eingebracht werden. Dies führt zu der Frage, welche Beweismittel überhaupt verwendet werden können, um den Be­ weisantritt für die im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung maßgeblichen Tatsachen erfolgreich zu gestalten. Auch diesbezüglich lassen sich Parallelen zum Strafprozess finden. Denn nach § 284 S. 1 ZPO gelten für die Beweisaufnahme die §§ 355 bis 484 ZPO, also gesetzlich determinierte Regeln für die Beweisführung. Danach sind Augenschein, Urkunde, Sachverständigengutachten, Zeugen- und Parteivernehmung zulässige Beweismittel149. Folglich gibt es auch im Zivilverfahren ein Strengbeweisverfahren150, welches im Rahmen der Prüfung der materiellrechtlich erheblichen Tatsachen zur Anwendung kommt151. Im Gegensatz dazu bezeichnet das Freibeweisverfahren eine Form der Beweiserhebung mit ungeminderter Überzeugungsstärke bei freier Form der Tatsachenfeststellung152. Es handelt sich um ein formloses Beweisverfahren, das dem Richter freie Hand lässt, welcher Beweismittel er sich bedient, und welches Verfahren er einschlagen möchte153. Somit wird durch die Zulassung des Freibeweises der

146 Diese Problematik ist besonders im Rahmen eines Verstoßes gegen § 136a StPO bedeutsam geworden. Die Rspr. [BGH NJW 1995, 2904 (2905)] wendet dort das Freibeweisverfahren an und begründet dies damit, dass es zwischen Art und Inhalt eines evtl. unter Verstoß gegen § 136a StPO zustande gekommenen Geständnisses zu differenzieren gilt. Dadurch handelt es sich beim Zustandekommen um eine Verfahrensfrage. Andere Stimmen in der Literatur wollen den Strengbeweis eben wegen des „Doppelcharakters“ und wegen der fundamentalen Bedeutung des § 136a StPO für die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gelten lassen. Siehe hierzu auch Kindhäuser, § 21 Rz. 5. 147 Meyer-Goßner, § 244 StPO Rz. 8. 148 Löwe/Rosenberg-Becker, § 244 StPO Rz. 34. 149 Schellhammer, Rz. 509. Siehe dazu auch ausführlicher unten, S. 50-53. 150 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 7. 151 Thomas/Putzo, Vorbem. § 284 Rz. 4, 6. 152 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 8, 10. 153 Schellhammer, Rz. 510.

C. Beweisverfahren: Streng- oder Freibeweis

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Maßstab der richterlichen Überzeugungsbildung gerade nicht herabgesetzt. Das Freibeweisverfahren stellt den Richter freier, ohne jedoch die Anforderungen an das Beweismaß zu mindern154. Somit müssen auch hier die entscheidungserheblichen Tatsachen zur vollen richterlichen Überzeugung bewiesen werden; eine Abstufung z. B. dergestalt, dass eine Glaubhaftmachung grundsätzlich ausreichen würde, kann nicht angenommen werden. Vergleichbar mit dem Strafprozess findet das zivilrechtliche Freibeweisverfahren ebenfalls im Zusammenhang mit der Feststellung der allgemeinen Prozessvoraussetzungen, der Zulässigkeitsvoraussetzungen von Rechtsmitteln und sonstigen von Amts wegen zu prüfenden Tatsachen Anwendung155. Darüber hinaus besteht aber noch nach § 284 S. 2 ZPO die Möglichkeit im Wege des Einverständnisses der streitenden Parteien jegliche Beweise in der Form des Freibeweises zu führen156. Diese vermeintlich den gesetzlichen Anforderungen zuwider laufende Form der Beweisführung lässt sich eben über das Einverständnis der Parteien legitimieren und entspricht dem im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz. Schließlich findet das Freibeweisverfahren auch in jenen Verfahren Anwendung, wo keine mündliche Verhandlung vorausgesetzt wird, wie beispielsweise im Rahmen eines zivilprozessualen Beschwerdeverfahrens157. Im Vergleich zwischen dem Zivil- und dem Strafprozess in Bezug auf die Geltung des Streng- bzw. des Freibeweisverfahrens lässt sich als Gemeinsamkeit festhalten, dass (1) in beiden Verfahrensarten diese Beweisführungsarten anerkannt und zugelassen sind und (2) das Freibeweisverfahren in der Regel der Feststellung der Prozessvoraussetzungen dient. Abweichungen ergeben sich deutlich in Bezug darauf, (1) dass das Freibeweisverfahren im Zivilprozess über den Weg des § 284 S.  2 ZPO auch für das Vorliegen sämtlicher Tatsachen verwendet werden kann und (2) der Zivilprozess im Hinblick auf die Behandlung doppelrelevanter Tatsachen im Gegensatz zum Strafprozess keine Problematik in Bezug auf die Einordnung in die eine oder andere Beweisführungsart kennt. Letzteres lässt sich vor allem damit erklären, dass wegen der Einführung des § 284 S. 2 ZPO im Zweifel wohl eine Freibeweisführung vereinbart werden kann. Zudem ist wegen der besonderen Bedeutung eines Strafprozesses für den Beschuldigten, der damit verbundenen Auswirkungen, der nach Art.  6 Abs.  2 EMRK, 154

BGH NJW 2008, 1531 (1533); BGH MDR 2000, 290 (290). Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 8; BGH NJW 1990, 1735 (1736). 156 Thomas/Putzo, § 284 ZPO Rz. 11. 157 BGH NJW 2008, 1531 (1533). 155

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

Art. 48 Abs. 1 GRCh geltenden Unschuldsvermutung und wegen der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes eine eindeutige Zuordnung zum Strengbeweisverfahren sinnvoll, wenn nicht gar im höchsten Maße angebracht.

D. Beweismittel I. Beweismittelarten Das Strafverfahrensrecht kennt als zulässige Beweismittel den Zeugen-, Sachverständigen-, Urkunden- und den Augenscheinsbeweis158. Dabei lassen sich die ersten beiden als Personal- und die letzten beiden als Sachbeweis zusammenfassen. Diese gesetzlich normierten Beweismittel kommen im Rahmen des so genannten Strengbeweisverfahrens zur Anwendung159. Auch der Angeklagte selbst kann Beweis erbringen, denn das Gericht muss sich mit seinen Aussagen aus­ einander setzen, sofern dieser nicht von dem ihm zustehenden Schweigerecht Gebrauch macht160. Der Zivilprozess basiert ebenfalls auf diesen vier Beweismitteln, kennt jedoch auch noch die Parteivernehmung, die hier mit der Rolle des Angeklagten im Strafprozess korrespondiert, sowie weitere. Hier sind elektronische Dokumente im Sinne von § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO zu nennen, auf die hinsichtlich ihrer Vorlage die Vorschriften des Urkundenbeweises Anwendung finden161. Ferner erkennt die Zivilprozessordnung noch amtliche Auskünfte von Behörden oder Beamten oder dem gleichgestellte dienstliche Äußerungen von Beamten sowie behördliche Zeugnisse als Beweismittel an162. II. Der Beweisbegriff und damit zusammenhängende Begrifflichkeiten Der Begriff des Beweises163 und damit auch der des Beweismittels ist ein vielsichtiger. Gegenstand des Beweises ist regelmäßig eine Tatsachenbehauptung oder aber auch ein Erfahrungssatz164. Tatsachen sind vergangene oder gegenwärtige Geschehnisse und Zustände der Außenwelt oder des menschlichen Seelenlebens, die das objektive Recht zur Voraussetzung der begehrten Rechtswirkung macht165. 158

Beulke, Rz. 179. Siehe oben, S. 44–46. 160 Kühne, Rz. 792, 793. 161 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 19. 162 Siehe dazu die Erwähnungen in §§ 118 Abs. 2 S. 2, 273 Abs. 2 Nr. 2 und § 358a S. 2 ZPO. 163 Schellhammer, Rz. 506. 164 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 111 Rz. 1; Beulke, Rz. 435. 165 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 111 Rz. 3. 159

D. Beweismittel

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Sofern auf allgemeine Regeln der Lebenserfahrung und Bildung oder aber auf Regeln einer besonderen Fach- und Sachkunde in Kunst, Wissenschaft, Gewerbe oder Handel abgestellt werden soll, ist ein Erfahrungssatz Gegenstand des Beweises166. Der Beweis wird durch das Gericht erhoben und setzt in der Regel voraus, dass die Tatsache beweisbedürftig ist und die beweisbelastete Partei diesbezüglich ordnungsgemäß den Beweis angetreten hat167. Ein ordnungsgemäßer Beweisantritt erfordert sowohl die Benennung des jeweiligen Beweismittels als auch die genaue Bezeichnung des Beweisthemas168 und ist zumindest unabdingbare Voraussetzung des Zeugenbeweises169. Unter dem Beweisthema ist die streitige, erhebliche Parteibehauptung zu verstehen170. Ferner muss zwischen einem unmittelbaren Beweis und einem Indizienbeweis differenziert werden. Ein unmittelbarer Beweis ist geführt, sofern die beweisende Partei den vollen Beweis für das Vorliegen einer Anspruchs- oder Einwendungsvoraussetzung (= Haupttatsache) liefert171. Er richtet sich folglich auf Tatsachen, die unmittelbar ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal als vorhanden oder als nicht vorhanden ergeben sollen172. Dagegen ist „nur“ ein mittelbarer Beweis geführt worden, sofern Hilfstatsachen bewiesen werden, die darauf schließen lassen, dass die eigentlich zu beweisende Haupttatsache vorliegt173. Diese so genannten Hilfstatsachen werden auch als Indizien bezeichnet, so dass der mittelbare Beweis auch als Indizienbeweis zu verstehen ist174. Sein Kern bezieht sich auf den an der Indiztatsache anknüpfenden Denkprozess, kraft dessen auf das Gegebensein der rechtserheblichen weiteren Tatsachen geschlossen werden kann175. Der Indizienbeweis kann sowohl für den Beweis von äußeren als auch von inneren Haupttatsachen herangezogen werden, jedoch kommt er wegen der Schwere der Beweisbarkeit gerade in Zusammenhang mit Letzteren zur Anwendung176. Grundsätzlich müssen bei der Bewertung der jeweiligen Indizien sämtliche Umstände des Einzelfalls herangezogen werden, um den Schluss auf die Brauchbarkeit für den Beweis der Haupttatsache vollziehen zu können. Zudem muss stets die Frage vorangestellt werden, ob Grundlegendes der Logik und der allgemeinen Lebenserfahrung einen solchen Schluss überhaupt zulassen. Denn nur dann empfiehlt sich eine solche Beweisführung177. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das erkennende Gericht zunächst 166

Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 111 Rz. 11. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 35. 168 Musielak, Rz. 416; Beulke, Rz. 435–437. 169 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 30–31. Einen Augenscheins-, Sachverständigenoder Urkundenbeweis kann das Gericht auch von Amts wegen erheben. 170 Schellhammer, Rz. 542. 171 Schellhammer, Rz. 513; BGHZ 53, 245 (260). 172 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 15. 173 BGHZ 53, 245 (260); Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 15; Kühne, Rz. 755. 174 Schellhammer, Rz. 513. 175 BGHZ 53, 245 (261). 176 Schellhammer, Rz. 513. 177 Schellhammer, Rz. 514, 515. 167

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

die Schlüssigkeit der Indizienkette für die zu beweisende Haupttatsache zu prüfen. Sodann muss es – die Richtigkeit der Indizien unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugt sein178. III. Die einzelnen Beweismittel des Zivilprozesses im Überblick Die soeben vorgenommene Differenzierung führt zurück zu der Frage, mit welchen Beweisen entweder der unmittelbare Beweis oder der Indizienbeweis überhaupt geführt werden kann. 1. Der Zeugenbeweis Unter dem Begriff des Zeugen ist diejenige Person zu verstehen, die ihre Wahrnehmungen über vergangene Tatsachen und Zustände wiedergeben soll179. Dies setzt voraus, dass die Person auch eine Zeugnisfähigkeit besitzt. Zeugnisfähig sind grundsätzlich Dritte, die weder Partei noch streitgenössischer Nebenintervenient sind oder aber auch Parteien und gesetzliche Vertreter, die nicht zur Parteivernehmung zugelassen werden180. Der Zeuge hat grundsätzlich die Pflicht, entsprechend der Ladung zu erscheinen, die Fragen zu seiner Person zu beantworten und zur Sache im Zusammenhang mit dem Beweisgegenstand auszusagen, sofern ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht zur Seite steht181. Die Vernehmung eines Zeugen kann nur durch einen Beweisantritt der beweisbelasteten Partei erfolgen, indem er mit ladungsfähiger Anschrift für eine bestimmte, zu beweisende Tatsache benannt wird und die Vernehmung daraufhin vom Gericht angeordnet wird182. Hinsichtlich der Würdigung des Aussagegehalts der jeweiligen Zeugenaussage ist der Richter frei183. 2. Der Sachverständigenbeweis In Abgrenzung zum Zeugen ist ein Sachverständiger diejenige Person, die dem Richter dessen fehlende Kenntnis von Erfahrungssätzen vermittelt oder auf Grund von Erfahrungssätzen aus einem feststehenden Sachverhalt Schlussfolgerungen zieht oder auf Grund seiner besonderen Sach- und Fachkenntnis Tatsachen fest-

178

Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 16. Siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 120 Rz. 1. 180 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 120 Rz. 5, 8; Schellhammer, Rz. 599. 181 Musielak, Rz. 432; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 120 Rz. 16, 20 ff. 182 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 120 Rz. 35–37; Schellhammer, Rz. 603, 613. 183 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 120 Rz. 54; ausführlicher zur praktischen Würdigung der Zeugenaussage siehe Schellhammer, Rz. 618–645. 179

D. Beweismittel

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stellt184. Im Gegensatz zum Zeugen, der meist in einer zufälligen Beziehung zum Einzelfall steht, jedoch seine persönliche Wahrnehmung schildert, die ihn zugleich auch unersetzbar macht bzw. in der er nicht vertreten werden kann, gibt der Sachverständige Wissen wieder, welches auf allgemein zugänglichen Erfahrungen und Kenntnissen basiert, die sich auch der Richter aneignen bzw. bereits angeeignet haben kann185. Daher kann das Gericht bei Letzterem auch die Hinzuziehung unterlassen, sofern es dargelegt hat, dass es selbst über die notwendige Sachkunde verfügt186. Sachverständiger kann jeder Dritte sein, dem das Gericht die nötige Sachkunde zutraut187. Der Sachverständigenbeweis erfolgt entweder durch den Beweisantritt einer Partei oder von Amts wegen. Bei ersterem hat die beweisbelastete Partei die zu begutachtenden Punkte nach Maßgabe des § 403 ZPO anzugeben, da die konkrete Sachverständigenauswahl nach § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts liegt188. 3. Der Augenscheinsbeweis Unter dem Begriff der Inaugenscheinnahme ist jede unmittelbare Sinneswahrnehmung des Gerichts über Eigenschaften oder Zustände von Personen und Sachen oder über Äußerungen, die in einer Schallaufnahme festgehalten sind, zu verstehen189. Der Augenscheinsbeweis betrifft damit immer einen bestimmten Gegenstand  – dem Augenscheinsobjekt190. Er erfolgt entweder durch Beweisantritt einer Partei gemäß § 371 ZPO oder vom Amts wegen durch das Gericht gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO und kann nach § 372 ZPO entweder durch das Gericht selbst oder durch einen beauftragten oder ersuchten Richter erfolgen191. Das konkrete Ergebnis einer Inaugenscheinnahme unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung192.

184

Siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 120 Rz. 2, § 121 Rz. 1; Schellhammer, Rz. 646. Schellhammer, Rz. 598; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 121 Rz. 10. 186 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 121 Rz. 21. 187 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 121 Rz. 16; Schellhammer, Rz. 647. 188 Siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 121 Rz.  18–20; Thomas/Putzo, § 404 ZPO Rz. 3. 189 Musielak, Rz. 426; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 118 Rz. 1. 190 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 118 Rz. 5. 191 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 118 Rz. 21–22; Thomas/Putzo, § 372 ZPO Rz. 1–2. 192 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 118 Rz. 23. 185

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

4. Der Urkundenbeweis Eine Urkunde bezeichnet jede Verkörperung eines Gedankens durch übliche oder vereinbarte Schriftzeichen im Original193. Es kann sich dabei um öffentliche Urkunden oder Privaturkunden handeln. Erstere sind nach der Legaldefinition des § 415 ZPO solche Schriftstücke, die von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihrer sachlichen Zuständigkeit in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind194. Privaturkunden sind demnach alle anderen Schriftstücke, die diese Anforderungen nicht erfüllen195. Beide Urkundenarten erlangen jedoch nur eine prozessual relevante Beweiskraft, sofern sie echt sind. Diese Echtheit ist gegeben, wenn die Urkunde in ihrer gegenwärtigen Erscheinungsform und ihrem Inhalte nach von demjenigen herrührt, den der Beweisführer oder bei Anordnung des Beweises von Amts wegen die durch den Inhalt der Urkunde begünstigte Partei als den Aussteller behauptet196. Im Zusammenhang mit öffentlichen Urkunden wird die Echtheit nach § 437 Abs. 1 ZPO vermutet197. Bei privaten Urkunden gilt dies nur, falls die gegnerische Partei die Echtheit nicht bestreitet198. Andernfalls muss sie nach Maßgabe des §§ 439 Abs. 1, 440 ZPO in Verbindung mit § 138 ZPO von der beweisbelasteten Partei, oder bei einem Antrag von Amts wegen von der durch den Inhalt der Urkunde begünstigten Partei bewiesen werden199. Hinsichtlich der durch die Echtheit begründeten Beweiskraft muss hervorgehoben werden, dass sie die freie Beweiswürdigung des Gerichts einschränkt, denn bei einer öffentlichen Urkunde im Sinne von § 415 ZPO erbringt diese den vollen Beweis des behaupteten Vorgangs, so dass nur der Beweis der Fälschung oder der einer unrichtigen Beurkundung nach § 415 Abs. 2 ZPO zulässig ist200. Private Urkunden begründen nach § 416 ZPO den Beweis dafür, dass der Aussteller die Erklärung willentlich in den Verkehr gebracht hat201. Bei Privaturkunden beweist die Vermutungsregel des § 416 ZPO demnach lediglich, dass die Erklärungen abgegeben worden sind. Ihre inhaltliche Richtigkeit im Sinne einer materiellen Beweiskraft unterliegt hingegen der freien richterlichen Beweiswürdigung202. Der Beweisantritt erfolgt ebenfalls entweder durch die beweisbelastete Partei nach Maßgabe der §§ 421–423, 428–431, 432 ZPO, jeweils in Relation dazu, in wessen Besitz sich die Urkunde befindet, oder von Amts we-

193

Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 1; Schellhammer, Rz. 581. Siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 5; Thomas/Putzo, § 415 ZPO Rz. 1–3. 195 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 7; Schellhammer, Rz. 588. 196 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 11; Schellhammer, Rz. 582. 197 Schellhammer, Rz. 584; Thomas/Putzo, § 437 ZPO Rz. 2. 198 Musielak, Rz. 448; Schellhammer, Rz. 588. 199 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 15; Thomas/Putzo, § 440 ZPO Rz. 1–2. 200 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 18; Thomas/Putzo, § 415 ZPO Rz. 6. 201 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 25; Schellhammer, Rz. 590. 202 Siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 29. 194

D. Beweismittel

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gen203. Die Beweisaufnahme vollzieht sich durch Vorlage unter Bezugnahme auf ihren Inhalt sowie Einsichtnahme des erkennenden Gerichts204. Es ist nun denkbar, dass das Sportgerichtsverfahren in ähnlicher Weise nur bestimmte Beweismittel zulässt und explizite Regelungen bereithält, wie diese in das Verfahren eingebracht werden dürfen. Dann würde auch dort ein Strengbeweisverfahren zur Anwendung kommen. Möglich ist aber auch, dass wegen der Eigenart des Sports und der jeweiligen Sportart teilweise noch auf weitere Beweismittel zurückgegriffen werden kann, die im Zivil- oder Strafprozess unbekannt oder unzulässig sind. 5. Unzulässigkeit von Beweismitteln Die Zivilprozessordnung enthält keine ausdrücklichen Regelungen zur Ab­ lehnung von Beweisanträgen. Sie wendet daher § 244 Abs. 3 StPO an205. Jedoch regelt sie im Wege des Strengbeweisverfahrens nach den §§ 355–484 ZPO die Zulässigkeit von Beweisen206. Ein Beweis ist demnach unzulässig, wenn er die darin genannten Anforderungen nicht erfüllt. Zudem stellt auch das Begehren, in der Beweisaufnahme die zur Konkretisierung des Prozessvortrages benötigten Tatsachen in Erfahrung zu bringen  – der sogenannte Beweisermittlungsantrag207  –, einen unzulässigen Beweisantrag dar208. Ferner kann ein Beweisantrag zudem wegen seiner Unerheblichkeit abgelehnt werden209. Maßgebend ist hierfür nach dem Schlüssigkeitsprinzip, inwieweit die mit dem Beweisantrag zu beweisende Tat­ sache überhaupt die Voraussetzung der für die begehrte Leistung notwendigen Anspruchsgrundlage auszufüllen vermag210. Schließlich kann ein Beweis auch wegen Überflüssigkeit oder Wertlosigkeit abgewiesen werden. Ersteres ist gegeben, wenn das Gericht bereits von der Wahrheit des Beweisthemas überzeugt ist211. Wertlos ist eine Beweiserhebung, wenn sie von vornherein ungeeignet ist, die Entscheidung zu beeinflussen212.

203

Siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 31–42; Schellhammer, Rz. 592. Siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 119 Rz. 48. 205 Schellhammer, Rz. 536. Siehe dazu zugleich unten, S. 54–55. 206 Schellhammer, Rz. 524. 207 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 116 Rz. 14. 208 Schellhammer, Rz. 537; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 116 Rz. 12. 209 Schellhammer, Rz. 538. 210 Schellhammer, Rz. 360. 211 Schellhammer, Rz. 539. 212 Schellhammer, Rz. 540; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 116 Rz. 8. 204

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

IV. Das Beweisrecht des Strafprozesses Im Strafprozess werden die Beweismittel genauso definiert wie im Zivilprozess, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann213. Wegen der analogen Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO für einen Beweisantrag im Zivilprozess ist es hingegen angezeigt, diese ein wenig ausführlicher zu beleuchten. Nach § 244 Abs. 3 S. 1 StPO ist ein Beweisantrag zwingend abzulehnen, sofern die Beweiserhebung unzulässig ist. Dies ist regelmäßig der Fall, sofern das begehrte Beweismittel einem Beweismittel- oder einem Beweiserhebungsverbot unterfällt214. Beweisanträge bezüglich Tatsachen, die entweder allgemeinkundig oder gerichtskundig und damit offenkundig sind, können ebenfalls vom Gericht gemäß § 244 Abs. 3 S. 2 StPO zurückgewiesen werden215. Gerichtskundigkeit liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn das Gericht von der Tatsache in amtlicher Eigenschaft bereits in anderen Verfahren Kenntnis erlangt hat216. Ferner ist ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit abzulehnen, der darauf abzielt, eine Tatsache einzubringen, die in keinem Zusammenhang mit dem abzuurteilenden Vorgang steht und damit selbst im Falle ihres Erwiesenseins die Entscheidung in keiner Weise beeinflussen würde217. Zudem ist ein Beweisantrag zurückzuweisen, sofern die begehrte Tatsache bereits positiv erwiesen ist218. Endlich erfolgt die Ablehnung eines Beweisantrages, bei dem nach sicherer Lebenserfahrung feststeht, dass das in Aussicht gestellte Ergebnis mit dem angegebenen Beweismittel nicht erreicht werden kann219. Diese Ungeeignetheit des Beweismittels wird ergänzt durch den Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit. Danach kann einem Beweisantrag nicht stattgegeben werden, wenn sämtliche, der Bedeutung des Beweismittels entsprechenden Bemühungen des Gerichts es herbeizuschaffen, erfolglos geblieben sind220. Eine Ablehnung kann zudem noch erfolgen, sofern die Beweisaufnahme nichts Sachdienliches zu Gunsten des Angeklagten bringt, die begehrte Beweisaufnahme den Verfahrensabschluss erheblich hinauszögern würde, gerade dies einzig vom Antragssteller begehrt wird und somit von einer Verschleppungsabsicht ausgegangen werden kann221. Endlich ist ein Beweisantrag abzulehnen, wenn die erhobene, den Angeklagten entlastende Tatsache als wahr unterstellt werden kann und eine weitere Klärung des Sachverhalts nicht mehr möglich ist222. 213 Siehe oben, S. 50–53. Siehe zu den Beweismitteln im Strafprozess Beulke, Rz. ­179–205; Kühne, Rz. 792–879. 214 Beulke, Rz. 440. 215 Beulke, Rz. 441. 216 Beulke, Rz. 404; Kühne Rz. 773. 217 Beulke, Rz. 442; Kühne, Rz. 780. 218 Beulke, Rz. 443; Kühne, Rz. 775. 219 Beulke, Rz. 444; Kühne, Rz. 782. 220 Beulke, Rz. 445; Kühne, Rz. 783. 221 Beulke, Rz. 446. Ausführlicher zur Prozessverschleppung, Kühne, Rz. 784–786. 222 Beulke, Rz. 447.

E. Zusammenfassung von Teil 1

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E. Zusammenfassung von Teil 1 1. Beide Verfahrensarten dienen der Schaffung und Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens. 2. Der Zivilprozess ist geprägt vom Beibringungsgrundsatz, so dass dort im Gegensatz zum Strafprozess, wo die materielle Wahrheit im Vordergrund steht, der Begriff der prozessualen Wahrheit vorherrschend ist. 3. Sowohl der Zivil- als auch der Strafprozess sehen jeweils ein Frei- und Strengbeweisverfahren vor. Im Gegensatz zum Strafverfahren, wo die Feststellung der schuld- und rechtsfolgenrelevanten Tatsachen im Rahmen der Hauptverhandlung stets mit Hilfe des Strengbeweisverfahrens erfolgen muss, unterliegt die Anwendung von selbigem im Zivilverfahren nach § 284 S. 2 ZPO der Dispositionsbefugnis der Parteien. 4. Eindeutige Übereinstimmungen lassen sich im Hinblick auf die Verwendung der klassischen Beweismittel und die Grundsätze der Ablehnung von Beweismitteln finden. 5. Indes bildet die Behandlung von Beweisverwertungs- und Beweiserhebungsverboten im Strafverfahren einen größeren Schwerpunkt. 6. Dem gegenüber ist im Zivilverfahren der Beweislastverteilung besondere Bedeutung zuzusprechen, bei der im Grundsatz davon ausgegangen werden kann, dass derjenige, der einen bestimmten Rechtsanspruch verfolgt, auch die dafür notwendigen Voraussetzungen beweisen muss. Gelingt dies nicht, ist auf Grund der dadurch eingetretenen Situation eines non liquet eine entsprechende Klage abzuweisen. 7. Für den vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Strafprozess sind Regelungen der Beweislast hingegen nicht notwendig. Es ist allein Aufgabe des Staates, für den Angeklagten belastende und entlastende Tatsachen zu erforschen und in das Verfahren einzubringen, um einen Schuldspruch zu erreichen.

F. Einführung in den Verbandsprozess Sport und dessen Ausübung ist nicht immer nur mit dem Streben nach körperlicher und damit gesundheitsfördernder Tätigkeit verbunden. Gerade im profes­ sionellen Bereich, aber auch im Amateurbereich kommt es immer wieder zu zahlreichen Streitigkeiten, die einer rechtlichen Lösung bedürfen. Dafür sieht jeder Verein bzw. Verband in der Regel eigene Gremien vor, die für Entscheidungen dieser Streitigkeiten zuständig sind (= Verbandsprozess)223. Die mit diesem Verbands­ prozess verfolgten Ziele erweisen sich dabei als vielschichtig. Der „klassische Ver 223

PHB SportR-Summerer II 4/376.

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Teil 1: Einführung in das Beweisrecht

bandsprozess“ beschäftigt sich mit der Verletzung von Mitgliedspflichten eines Mitgliedes eines Vereins oder Sportverbandes und verfolgt dadurch das Ziel der Disziplinierung und die Einhaltung mitgliedschaftlicher Pflichten224. Die in diesem Zusammenhang vom zuständigen Gremium verhängten Ordnungsmaßnahmen sind auch bei Vorliegen von Streitigkeiten im Verhältnis eines Verbandes zum nationalen Dachverband oder aber auch im Verhältnis eines nationalen Dachverbandes zum internationalen Dachverband sowie zwischen einzelnen Verbänden möglich225. Da sich diese Pflichten in der Regel aus der Satzung ergeben, verfolgt der einzelne Verein bzw. Verband in vergleichbarer Weise wie der Staat im Strafprozess die Wahrung des materiellen Rechts (Strafgesetze bzw. Satzung) bzw. nach einem Verstoß die Wiederherstellung des dadurch beeinträchtigten Rechtsfriedens226. Im Unterschied zum Strafverfahren gibt es aber bis auf wenige Ausnahmen beispielsweise keine eigene Anklageinstanz227. Schließlich liegt es auf der Hand, dass auch im Vereins- bzw. Verbandsverfahren bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ordnungsgemäß Beweise als Grundlage einer späteren Entscheidung erhoben werden können. Insbesondere Letzteres wird der nachfolgende Teil zeigen, indem zunächst die Rechtsgrundlagen des Verbandsverfahrens und die davon betroffenen Rechte der Beteiligten beleuchtet werden. Anschließend wird die gängige Praxis der Verlagerung der verbandseigenen Sanktionsgewalt auf Schiedsgerichte mitsamt der dafür notwendigen Voraussetzungen veranschaulicht. Den Abschluss bildet das eigentliche Dopingsanktionsverfahren, bei dem zunächst die Beweisgewinnung im Hinblick auf den Dopingtatbestand im Vordergrund steht und anschließend in die damit zusammenhängende Verfahrensführung übergeleitet wird. Endlich wird eine Einordnung des Verbandsverfahrens im Hinblick auf dessen Zielsetzungen, die Beweisführung, die Beweismittel, die Beweislastverteilung und die Beweiswürdigung möglich sein.

224

Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 967. PHB SportR-Summerer II 4/376. 226 Siehe oben, S. 30–32. 227 PHB SportR-Summerer II 4/376. 225

Teil 2

Beweisführung im nationalen Verbandsrecht Kapitel 1

Das Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie der Verbände Professionelle, wettkampfbezogene Sportausübung folgt dem Leitsatz der Chancengleichheit. Sie ist prägendes Wesensmerkmal und ihre Wahrung existentielles Charakteristikum des Sports228. Dies kann aber nur insoweit Geltung beanspruchen, als dass zusätzlich einheitliche und gleiche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für jeden Sportausübenden gleichermaßen gelten. Dazu muss es den nationalen und internationalen Sportfachverbänden erlaubt sein, den organisierten Sportbetrieb und die Verfahren zu dessen Einhaltung umfassend regeln zu können229. Eine solche Regelungsbefugnis zur Selbstbestimmung230 setzt national wiederum eine entsprechende innerstaatliche Kompetenznorm voraus. Diese ist für nationale Sportfachverbände in Art. 9 Abs. 1 GG zu suchen.

A. Herleitung der Verbandsautonomie aus dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG Unter den von Art.  9 GG geschützten Begriff der Vereinigung ist gemäß § 2 Abs. 1 VereinsG jede Assoziation zu verstehen, zu der sich eine Mehrheit natürlicher und juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat231. Damit reicht der Schutzbereich von der losen Bürgerinitiative über den Sportverein bis hin zum hoch aggregierten Spitzenverband wie dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Grundsätzlich schützt Art. 9 GG die Freiheit des Einzelnen (Sportler) zum Zusammenschluss mit anderen zu beliebigen selbstgewählten Zwecken in Verbänden, Vereinen und Assoziationen jeglicher Art232 und damit 228

Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 213. Haas/Prokop, JR 1998, 45 (45). 230 Haas/Prokop, JR 1998, 45 (45). 231 Bauer, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 9 Rz. 38. 232 Bauer, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 9 Rz. 19; Höfling, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 9 Rz. 8. 229

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Teil 2, Kap. 1: Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie 

zugleich dessen freie Entfaltung der Persönlichkeit in und durch Vereinigungen. Für die vorliegende Thematik ist es jedoch von größerer Bedeutung, dass über dieses Individualgrundrecht hinausgehend die Vereinigungsfreiheit nach der „Lehre vom Doppelgrundrecht“ den Schutz der Vereinigung als solche in ihrem Entstehen und Bestehen gewährleistet233. Damit umfasst der Schutzbereich die fortlaufende Organisationsautonomie und die interne Betätigungsfreiheit eines Vereines234 bzw. eines Verbandes235, so dass insbesondere staatliche Eingriffe in den Kernbereich des Vereins- bzw. Verbandsbestandes und deren zweckgerichteten Tätigkeiten Art.  9 GG zuwider laufen würden. Aus der Kompetenz zur Aufstellung autonomer Regelungen folgt wiederum, dass auch Bestimmungen geschaffen werden müssen, wie zu verfahren ist, sofern besagte Regeln nicht beachtet werden236. Daher müssen Vereine und Verbände auch mit einer Verbandsstrafgewalt im Sinne einer Straf- und Ordnungsgewalt ausgestattet sein237. Diese berechtigt sie im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsautonomie238, die von ihnen per Satzungsbeschluss selbstgesetzten Ordnungen mittels Sanktionen gegenüber ihren Mitgliedern oder den vertraglich unterworfenen Sportlern auch durchzusetzen239. Diesbezüglich sind der förmliche Verweis (Rüge, Verwarnung, Abmahnung etc.), die Zahlung einer Geldbuße oder Geldstrafe, die Einschränkung oder der Entzug von Mitgliedschaftsrechten (z. B. der Ausschluss von der Benutzung von Vereinseinrichtungen), der Entzug des aktiven oder passiven Wahlrechts für Vereinsämter, der Entzug des Stimmrechts, der Verlust einer Organ- oder Ehren­stellung im Verein, der Entzug einer durch den Verein erteilten Lizenz, der zeitweilige Verlust sämtlicher Mitgliedschaftsrechte (Suspendierung) und schließlich als „schwerste Vereinsstrafe“ die einseitige Beendigung der Mitgliedschaft durch den Verein (Ausschluss) zu nennen240, die zu den häufigsten Fällen juristischer Auseinandersetzungen zu zählen ist241. Dass eine solche Sanktion oder auch eine Suspendierung bzw. Sperre empfindlich in einen grundrechtsrelevanten Bereich – Letztere

233 Damit ist die so genannte kollektive Vereinigungsfreiheit gemeint. Vgl. Bauer, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 9 Rz. 34; Höfling, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 9 Rz. 26; Scholz, in: Maunz/Düring, Komm. z. GG, Art. 9 Rz. 24, der von einem „Verbandsgrundrecht“ ausgeht. Der Verfasser lässt in diesem Zusammenhang die Frage unberücksichtigt, ob sich dieser Grundrechtsschutz nicht eher aus Art. 19 Abs. 3 GG ableiten lässt. 234 Bauer, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 9 Rz. 44 und 48; Höfling, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 9 Rz. 17; Steiner, in: Tettinger/Vieweg, Gegenwartsfragen des Sportrechts, 127 (127). 235 Scholz, in: Maunz/Düring, Komm. z. GG, Art. 9 Rz. 54. 236 Buchberger, SpuRt 1996, 122 (122). 237 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 111; BGH JZ 1995, 461 (462); Scholz, in: Maunz/Düring, Komm. z. GG, Art. 9 Rz. 110; Röhricht, in: Sportgerichtsbarkeit, 19 (21). 238 Scholz, in: Maunz/Düring, Komm. z. GG, Art. 9 Rz. 68, 69 und 81 ff. Siehe ausführlich zum Begriff der „Verbandsautonomie“ sowie zu ihren Grundlagen im deutschen Recht, Vieweg, Normsetzung, S. 143 ff., 150 ff. 239 Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, 8 (12). 240 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 127. 241 Röhricht, AcP 189 (1989), 386.

B. Begrenzung der Selbstverwaltungsautonomie

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gar in das von Art. 12 GG geschützte Berufsleben eines Sportlers – eingreift, steht außer Frage242. Doch ist es dem Sportler wegen seiner Mitgliedschaft im sanktionierenden Verband und dem daraus resultierenden Treueverhältnis bzw. wegen einer vertraglichen Vereinbarung regelmäßig verwehrt, sofort auf staatliche Hilfe im Wege eines vor ordentlichen Gerichten geltend zu machenden Abwehranspruches zurückzugreifen. Vielmehr müssen wegen der besagten Autonomie zunächst die vereins- bzw. verbandsinternen Rechtschutzmöglichkeiten durchlaufen werden243. Es zeigt sich somit bereits an dieser Stelle das für die vorliegende Thematik maßgebende und sich an verschiedenen Stellen hervorhebende Spannungsverhältnis: Die Sportler sind seitens der Vereine bzw. Verbände Repressalien ausgesetzt, die sie zwangsweise (zunächst) erdulden müssen, da sie zur Berufsausübung in der Regel Mitglied im sanktionierenden Verband oder diesem vertraglich unterworfen sein müssen244.

B. Begrenzung der Selbstverwaltungsautonomie Die Selbstverwaltungsautonomie erlaubt also dem Verein bzw. dem Verband, seine eigene Organisation und die Rechtsverhältnisse seiner Mitglieder in verbindlicher Weise selbst zu regeln245. Dies ist über §§ 21 ff. BGB246 und Art. 9 GG zivilrechtlich bzw. verfassungsrechtlich verankert. Doch bewegen sie sich dabei keinesfalls im staats- oder rechtsfreien Raum247. Vielmehr ist zwingendes staatliches Recht auch für die Vereine und Verbände maßgeblich und beansprucht im Konfliktfall gegebenenfalls Anwendungsvorrang248. Folglich interessiert, welchen Einschränkungen die Selbstverwaltungsautonomie grundsätzlich (I.) und in konkreten Konfliktsituationen (II.) ausgesetzt ist. Jene führen aber keinesfalls dazu, dass die Selbstverwaltungsautonomie und die in Bezug auf Sportvereine und -verbände maßgeblichen, sporttypischen Charakteristika gänzlich unbeachtet bleiben. 242

PHB SportR-Fritzweiler I 1/8. Zur „Primärkompetenz“ der Sportfachverbände siehe auch Kühl, Zur Zulässigkeit von Blut-/Urin-Dopingtests, 31 (33), sowie Vieweg, Normsetzung, S. 182; ausführlicher zudem unten, S. 94–95. 244 Die Mitgliedschaft ist nicht zwingend Voraussetzung zur Berufsausübung. Auch ein Nichtmitglied kann in eigener Regie seine Wettkämpfe bestreiten. Jedoch wird die Starterlaubnis für einen bestimmten (nationalen oder internationalen) Wettkampf nur erteilt, sofern der Sportler eine Individualvereinbarung mit dem austragenden Verband eingeht, die wiederum zu einer Unterwerfung unter dessen satzungsmäßigen Bestimmungen führt. Dadurch kann er dann genauso wie ein Mitglied den Verbandsrepressalien ausgesetzt werden. 245 PHB SportR-Summerer II 1/3. 246 PHB SportR-Summerer II 1/3. 247 Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 194; PHB SportR-Summerer II 1/13, der auf ein Zitat des ehemaligen „Chefanklägers“ des DFB verweist, der behauptete, „Sportrecht gehe dem ordentlichen Recht vor“. 248 PHB SportR-Summerer II 1/13; Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 129; Röhricht, in: Sportgerichtsbarkeit, 19 (22). 243

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Teil 2, Kap. 1: Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie 

I. Einschränkungen der Vereinsautonomie Einschränkungen der Vereinsautonomie können sich aus dem Grundgesetz, im speziellen durch die Freiheitsrechte der Sportler, durch völkerrechtliche Bindungen, durch die Europäischen Grundfreiheiten und durch einfachgesetzliches Recht ergeben. 1. Durch das Grundgesetz Im Zusammenhang mit dem Grundgesetz kommt vor allem den Grundrechten eine besondere Bedeutung zu. Jene waren in ihrer Konzeptionierung lange Zeit als Abwehr- und Freiheitsansprüche gegenüber dem Staat ausgelegt worden249. Das sind sie heute in erster Linie immer noch250. Jedoch ist der Aussagegehalt der Grundrechte mittlerweile weiterentwickelt und vor allem in Bezug auf Sportverbände der modernen Zeit angepasst worden251. Denn der einzelne Sportler ist nicht nur dem mächtigen Staat, sondern auch dem „übermächtigen“ Sportfachverband ausgesetzt, der mittlerweile wegen des geltenden Ein-Platz-Prinzips252 im wirtschaftlichen und sozialen Bereich eine überragende Machtposition inne hat253. Daher reichen reine Abwehrrechte gegenüber dem Staat eben nicht mehr aus, sondern es muss auch einen grundrechtlichen Mindestschutz in und gegenüber Sport­ verbänden geben254. Dies geschieht, indem auf den objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte abgestellt wird und sich daraus „objektivrechtliche Wertentscheidungen der Verfassung ergeben, die für alle Bereiche der Rechts­ordnung“ und somit auch für das Verbandsrecht gelten255. Dem einzelnen Sportler stehen die Grundrechte im Verhältnis zum Verband demnach zur Verfügung, sofern sie für den Sport Wirkungen entfalten. Dies kann über die Anwendung von zivilrechtlichen Generalklauseln, aber auch im Wege einer grundrechtlichen Korrektur bei strukturellen Ungleichgewichtslagen erfolgen256.

249 Sachs, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, vor Art. 1 Rz. 42–43; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Rz. 183. 250 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Rz. 157. 251 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 51. 252 Siehe dazu ausführlich Vieweg, Normsetzung, S. 61 ff.; ferner PHB SportR-Summerer II 2/156; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 42–44. 253 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 51; Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 128. 254 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 51; PHB SportR-Fritzweiler I 1/18. 255 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  51–52; Buchberger, SpuRt 1996, 122, (123). 256 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 99, mit weiteren Nachweisen.

B. Begrenzung der Selbstverwaltungsautonomie

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a) Sportler und die Berufsfreiheit des Art. 12 GG Art.  12 Abs.  1 GG schützt sowohl die Berufs- und Ausbildungswahl (Satz 1) als auch die freie Berufsausübung (Satz 2). Unter Beruf ist nach gängiger Definition jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zu verstehen, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient257. In Zusammenhang mit Profi-Sportlerinnen und -Sportlern kann vor diesem Hintergrund unschwer angenommen werden, dass ihnen dieser Schutz zugutekommt, denn diese erhalten in der Regel im Wege vertraglicher Vereinbarungen unmittelbar eine Gegenleistung nach der Ausübung sportlicher Leistung. Beispielhaft können an dieser Stelle das vom Verein gezahlte Gehalt, Siegprämien durch den Verein oder den austragenden Verband oder aber auch grundsätzliche Förderung durch Verbände oder auch den Staat genannt werden. Dieser Schutz gilt selbstredend für deutsche Sportler, aber auch für Sportler aus anderen Mitgliedsländern der EU258. Zweifelhaft kann die Schutzwirkung des Art. 12 GG allenfalls in Bezug auf die Phase vor dem Start der Profi-Karriere, in der es noch keine Preisgelder etc. als Einnahmequellen gibt, und in Bezug auf Amateure sein. Jedoch lässt sich zumindest bei ersterem die Schutzwirkung der Berufsfreiheit auch auf diese Vor-Phase ausweiten. Denn bereits der Wortlaut schließt die Wahl der Ausbildungsstätte mit ein (Satz 1). Zudem wird nach einheitlicher Meinung die gesamte Phase der beruflichen Ausbildung geschützt259, selbst wenn damit kein von öffentlichen Stellen vorgegebener Ausbildungsabschluss angestrebt wird260. Einziges einschränkendes Kriterium ist, dass der betriebene Aufwand nachweislich eine gezielte und tatsächliche Vorbereitung auf die spätere berufliche Laufbahn darstellt261. Problematischer erweist sich hingegen die Rolle des Amateur-Sports in Zusammenhang mit der Berufsfreiheit. Zunächst gilt es eine genaue Differenzierung vorzunehmen. Zu fragen ist, ob allein durch die bloße Bezeichnung von Athleten in bestimmten Sportklassen als Amateure262 jene vom Schutzbereich des Art. 12 GG ausgeschlossen werden können, weil sie die für die Einstufung als Beruf im Sinne von Art. 12 GG maßgebenden materiellen Vorteile nur über persönliche Sponsoren erhalten, obwohl zugleich nicht abgestritten werden kann, dass sie tägliches Training und regelmäßige Wettkampfteilnahme be 257

BVerfGE 54, 301 (313). An dieser Stelle kann dahingestellt bleiben, ob sich der Schutz für EU-Bürger direkt aus Art. 12 GG oder durch dessen Einstrahlungswirkung über Art. 2 Abs. 1 GG ergibt. Denn es herrscht jedenfalls Einigkeit darüber, dass ihre berufliche Tätigkeit grundgesetzlich geschützt ist. Vgl. dazu Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 53. 259 J. Wieland, in: H.  Dreier, Grundgesetzkommentar, Art.  12 Rz.  64; Scholz, in: Maunz/ Düring, Komm z. GG, Art. 12 Rz. 24 und 25; PHB SportR-Fritzweiler I 1/16. 260 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 57; PHB SportR-Fritzweiler I 1/16 . 261 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 57. 262 Zumindest früher sind nach den Internationalen Wettkampfbestimmungen des DLV Wettkämpfe nach IAAF-Regeln auf Amateure beschränkt gewesen. Siehe Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 56. Diese Bestimmung lässt sich insoweit jedoch nicht mehr in den aktuellen Internationalen Wettkampfbestimmungen wiederfinden. Jene sind abrufbar unter https:// www.leichtathletik.de/service/downloads/. 258

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Teil 2, Kap. 1: Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie 

treiben und sich dabei in der Ausübung „ihres Berufs“ sehen. Eine rein formale Bezeichnung als Amateur kann jedoch nicht automatisch dazu führen, dass die Betroffenen aus dem Schutzbereich des Art. 12 GG herausfallen. Maßgebend ist vielmehr, welcher Aufwand betrieben wird und ob der Sportler für seine Tätigkeit ein nicht unwesentliches Entgelt erhält, das zur Schaffung einer wirtschaftlichen Existenz zumindest beiträgt263. Damit verbleiben diejenigen Sportler, die vorrangig aus Spaß und zur Förderung der eigenen Gesundheit Sport betreiben. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Denn den „reinen Amateur“, der sich einmal in der Woche mit seinen Sportskameraden trifft und mehr Zeit auf die gesellschaftliche Betätigung im Anschluss als auf die Sportausübung davor verwendet, gibt es so nicht mehr. Vielmehr zeigt sich auch hier die Tendenz mehrmaligen Trainings, häufiger und regelmäßiger Wettkämpfe und einer Ausschüttung von Prämien und sonstigen Zahlungen, die weit über bloße Aufwandsentschädigungen hinausgehen264. Diese Entwicklung hat auch bereits dazu geführt, dass höchstrichterlich Vertragsamateuren der damaligen Fußball-Regionalliga der Schutz der Berufsfreiheit zugesprochen worden ist265. Es zeigt sich somit, dass die genaue Einordnung einer sportausübenden Person keiner pauschalen Antwort zugänglich ist, sondern – mit Ausnahme eindeutiger Fälle266 – stets eine Frage des Einzelfalls ist. Es lässt sich damit festhalten, dass sich sowohl semi-professionelle Sportler als auch AmateurSportler auf den Schutz der Berufsfreiheit berufen können. Schließlich ist vor diesem Hintergrund noch die Frage zu beantworten, ob auch Sportler, die eine bestimmte Sportart in professioneller Art und Weise trainieren und betreiben auch in den Genuss der Berufsfreiheit gelangen, wenn dieser bestimmte Sport mangels Popularität und fehlender materieller Gegenleistung eben nicht die Erhaltung einer Lebensgrundlage ermöglicht267. Gegen eine Ausweitung des Schutzes der Berufsfreiheit auf diese Art von Sportausbildung und -ausübung spricht vor allem die eingangs erwähnte Definition des Berufs. Jedoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch hierfür tägliches Training und regelmäßige Wettkämpfe erforderlich sind. Schließlich darf der Schutz des Art. 12 GG aber auch nicht in ausufernder Weise gebraucht und damit aufgeweicht werden. Richtigerweise ist daher einem Sportler einer Randsportart den Schutz der Berufsfreiheit zuzusprechen, sofern zumindest im Spitzenbereich davon gelebt werden kann. Damit ist dann auch die vorherige Phase der Ausbildung zu diesem Spitzensportler erfasst. Außerhalb dieses Bereiches ist der Schutz der Berufsfreiheit zu versagen, sofern nach erfolgter Einzelfallprüfung feststeht, dass das Trainieren nicht darauf abzielt, später eine ernsthafte berufliche Laufbahn im Sinne eines Spitzensportlers einzuschlagen268. 263 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 100–101; PHB SportR-Fritzweiler I 1/16; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 55. 264 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 55. 265 BGH NJW 1999, 3552. 266 Wie zum Beispiel eine Freizeit-Kegelgruppe, die sich jeden Freitag aus Spaß am Spiel zu einer gemeinsamen Spielrunde trifft. 267 Hier kann zum Beispiel an den Hockey- oder Fechtsport gedacht werden. 268 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 57.

B. Begrenzung der Selbstverwaltungsautonomie

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b) Sportler im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 und 2 GG Nach der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG wird jedes Tun und Unterlassen geschützt, welches nicht bereits Schutz durch eine speziellere Grundrechtsnorm erfährt269. Damit ist die rein sportliche Betätigung des Sportlers geschützt; jedoch nur insoweit, als dass sie nicht gegen verfassungskonforme Gesetze verstößt und nicht anderen Grundwertungen der Verfassung zuwiderläuft. Einen Anspruch auf staatliche Förderung gewährleistet dieser Grundrechtsschutz in der Regel nicht. Weiter ergibt sich über Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem damit verbundenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein Abwehrrecht für Sportler zumindest im Hinblick auf die Verwertung des Rechts am eigenen Bild zu Werbezwecken270. Ferner spielt das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Sportlern z. B. bei der Abgabe von Dopingproben unter Aufsicht einer Kontrollperson und bei deren Verwertung, bei der eine Krankheit festgestellt wird, die nur den Sportler etwas angeht, eine gewichtige Rolle271. Schließlich kann Art. 2 GG im Hinblick auf den so genannten status positivus (Abs. 2) in Zusammenhang mit der Sportausübung in Betracht kommen. Danach hat der Staat die objektiv-rechtliche Pflicht, sich mit Hilfe seine Organe schützend vor seine Grundrechtsträger zu stellen272. Dieser Gesichtspunkt wird in Zusammenhang mit diversen, von den Verbänden getroffenen Schutzmaßnahmen gegenüber ihren jeweiligen Sportlern im Hinblick auf die Dopingproblematik relevant. Dabei besteht mittlerweile überwiegend Einigkeit darüber, dass dieser Schutz vor den gesundheitlichen Gefahren des Dopings mit dem Selbstbestimmungsrecht der Sportler kollidiert und sich zumindest bei volljährigen Sportlern nicht durchzu­ setzen vermag273. c) Sportler im Zusammenhang mit Art. 9 GG Es ist bereits an anderer Stelle erwähnt worden, dass Art. 9 GG das Recht des Einzelnen beinhaltet, sich mit anderen zu einem Sportverein zusammenzuschließen oder aber auch einem bestimmten Verein fernzubleiben274. Dies entspricht allgemeiner Grundrechtsdogmatik. Bedeutsamer ist nun aber die Frage, ob der 269 Steiner, in: Tettinger/Vieweg, Gegenwartsfragen des Sportrechts, 191 (201). Ausgehend von der „Lehre vom Auffanggrundrecht“, der im Hinblick auf eine ansonsten nicht hinnehmbare Verengung des Grundrechtsschutzes durch die Auslegungspflicht der Judikative nach Art. 2 Abs. 1 GG der Vorzug eingeräumt werden muss. 270 Jedoch handelt es sich hierbei um keinen sportspezifischen Aspekt im Hinblick auf die konkrete Grundrechtsrelevanz, so dass dieser Bereich zu vernachlässigen ist. 271 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 104 und S. 263. 272 Murswiek, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 2 Rz. 180. 273 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 185; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 59 274 Siehe oben auf S. 57–59.

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Teil 2, Kap. 1: Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie 

Einzelne (oder auch der Verein) einen Anspruch auf Aufnahme in einen bestimmten Verein bzw. Verband hat. Sie erlangt ihr besonderes Gewicht deshalb, weil Sportlern nur auf Grund bestimmter Mitgliedschaften die Teilnahme an Wettbewerben wie Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften offen steht. So muss der jeweilige Heimat-Verein Mitglied im Landesverband sein, der wiederum dem nationalen Dachverband angehören muss. Sofern dies der Fall ist, wäre eine Teilnahme nach Erreichen der jeweiligen Qualifikationsvorgaben bei Deutschen Meisterschaften möglich. Falls der nationale Dachverband darüber hinaus auch als Mitglied im internationalen Dachverband ist und vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannt wird, kann bei Weltmeisterschaften und vor allem bei Olympischen Spielen teilgenommen werden. Voraussetzung ist also stets die Wahrung des Ein-Platz-Prinzips sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene275. Das Aufnahmeproblem kann auftreten, wenn sich ein weiterer, großer Verband entwickelt hat und seinen Mitgliedern ebenfalls die angesprochene Teilnahme ermöglichen will oder ein Verein nicht in die Verbandshierarchie eingegliedert ist276. In dieser Konfliktsituation kommen nun zwei Handlungsalternativen in Betracht: entweder der alte Dachverband akzeptiert den neuen Verband als alleinigen Spitzen­verband oder er weigert sich. Dann bleibt dem neuen Verband nur die juristische Auseinandersetzung, um sein Aufnahmeziel zu erreichen. Selbiges gilt für den Sportverein, der eine Mitgliedschaft im bestehenden Verband anstrebt. Dann stellt sich selbstredend die Frage nach einer entsprechenden Anspruchsgrundlage, die zunächst im einfachen Recht zu suchen ist. aa) Aufnahmeanspruch nach Kartellrecht Ein solcher Aufnahmeanspruch kann sich aus § 20 Abs. 6 GWB ergeben. Dies setzt voraus, dass der aufnahmebegehrende Verein bzw. Verband als Unter­nehmer anzusehen ist. Unternehmen sind selbstständige Marktteilnehmer, deren Tätigkeit in der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen zu sehen ist277. Hochleistungssportler, die sich und ihre Leistungen vollumfänglich selbst vermarkten, erzielen hohe Einnahmen und können daher als Unternehmer angesehen werden278. Gleiches muss dann auch für Sportvereine und -verbände mit Profiabteilungen angenommen werden, in der diese Sportler eingegliedert sind279. Weitere Voraussetzung ist, dass es sich bei dem die Mitgliedschaft ableh 275

Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 61. PHB SportR-Summerer II 2/157. Vgl. hierzu insbesondere die interessante Auseinandersetzung zwischen dem nationalen Dachverband im Eishockey (DEB) und der Deutschen Eishockeyliga-Betriebsgesellschaft mbH (DEL). Ersterer war (und ist) Mitglied im Weltverband und die DEL begehrte nun die Mitgliedschaft, damit die in den jeweils ihr angehörigen Profivereinen spielenden Mitglieder die Teilnahme an Weltmeisterschaften weiterhin möglich ist. 277 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 165. 278 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 132. 279 PHB SportR-Summerer II 2/158; OLG München SpuRt 1996, 133 (137). 276

B. Begrenzung der Selbstverwaltungsautonomie

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nenden Verband um eine Wirtschaft- oder Berufsvereinigung handelt und die Ablehnung der Aufnahme eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmers im Wettbewerb führen würde280. Eine solche Vereinigung ist dann gegeben, wenn sie sich freiwillig im Wege einer privatrechtlichen Organisation mit der Zielsetzung zusammenschließt, auf Dauer nicht nur Einzelinteressen diverser Unternehmen, sondern umfassend die gemeinschaftlichen Belange der jeweiligen Branche in wirtschaftspolitischer oder berufsstandpolitischer Hinsicht wahrzunehmen281. In der heutigen Zeit kann dies für alle nationalen Dachverbände, die flächendeckend die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder betreiben, angenommen werden282. Demzufolge kann sich beim Vorliegen der beschriebenen Benachteiligung ein direkter, einfachgesetzlicher Aufnahmeanspruch aus § 20 Abs. 6 GWB ergeben283. bb) Aufnahmeanspruch nach Deliktsrecht Ein entsprechender Aufnahmeanspruch kann sich auch wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB ergeben284. Die Sittenwidrigkeit ist in Anlehnung an § 20 Abs. 6 GBW bei einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und damit unbilligen Benachteiligung anzunehmen285. Ferner muss es sich beim ablehnenden Verband um einen mit erheblicher wirtschaftlicher und/oder sozialer Machtstellung handeln sowie ein wesentliches oder grundlegendes Interesse an der Aufnahme bestehen286. Sind diese Voraussetzungen gegeben und ergibt die Abwägung der beiderseitigen Interessen, dass sich die Ablehnung des Bewerbers als unbillig erweist, besteht ein Aufnahmeanspruch gemäß § 826 BGB287. Demzufolge führt die Anwendung einfachgesetzlichen Rechts zumindest in Zusammenhang mit Aufnahmebegehren zu Einschränkungen der Selbstverwaltungsautonomie und konkretisiert damit die von Art. 9 GG gewährte Freiheitsposition.

280

PHB SportR-Summerer II 2/158, 159. Dorß in L/M/R, Kartellrecht, § 20 GWB Rz. 175–177. 282 PHB SportR-Summerer II 2/159; OLG München SpuRt 1996, 133 (137); Petri, in: Kühl/ Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 131. 283 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  64. Siehe im Hinblick auf die weiteren rechtlichen Folgen der unmittelbaren Anwendung des Kartellrechts Petri, in: Kühl/Tettinger/ Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 131–135, sowie vertiefend Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 156–194. 284 BGH NJW-RR 1986, 583. 285 PHB SportR-Summerer II 2/162. 286 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 65. Siehe dort auch Fallbeispiele zu diesem privatrechtlichen Aufnahmeanspruch. Ausführlich auch diesbezüglich PHB SportR-Summerer II 2/162 – II 2/170. 287 PHB SportR-Summerer II 2/162. 281

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Teil 2, Kap. 1: Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie 

d) Geltung des Justizgewährleistungsanspruchs im Verbandsstrafverfahren über die Anwendung des Rechtsstaatsprinzips Schließlich stellt sich gerade vor dem Hintergrund zustehender Aufnahmeansprüche, aber auch in Zusammenhang mit Ausschlüssen und Sperren oftmals die Frage nach einem adäquaten gerichtlichen Schutz der jeweils von diesen Maßnahmen Betroffenen. Der sich auf den ersten Blick aufdrängende Rückgriff auf den Justizgewährleistungsanspruch des Art.  19 Abs.  4 GG kommt nicht in Betracht, da sich dieser auf Individualrechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt bezieht288 und Verbände bzw. Vereine trotz ihrer zum Teil  vorhandenen Monopolstellung nicht dazuzuzählen sind. Jedoch ist an diesem Punkt dem Rechtsstaatsprinzip eine besondere Bedeutung beizumessen. Es garantiert dem Einzelnen auch in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten einen wirksamen gerichtlichen Schutz289, der sich deshalb gerade nicht nur auf die Gewährung irgendeines Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten, sondern vor allem auch auf dessen Effektivität bezieht. Daraus folgt einerseits, dass das Recht gewährt wird, den Streitgegenstand in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfänglich zu prüfen und eine verbindliche Entscheidung durch den staatlichen Richter herbeiführen zu können290. Andererseits kann eine rechtschutzbezogene Effektivität in ihrer Gänze nur erreicht werden, wenn es der von einer Maßnahme der Vereins- oder Verbandsstrafgewalt betroffenen Partei grundsätzlich auch erlaubt ist, sich auf bestimmte Verfahrensgrundsätze zu berufen291. Demzufolge kommt es über das Rechtsstaatsgebot zu Einschränkungen der Selbstverwaltungsautonomie in verfahrensrechtlicher Hinsicht292. Zudem besteht dadurch auch ohne direkten Rückgriff auf den Justiz­ gewährleistungsanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG die geschützte Rechtsposition für die der Strafgewalt Unterworfenen, ein gerichtliches Überprüfungsverfahren hinsichtlich darunter fallendender Maßnahmen herbeiführen zu können. 2. Durch Völkerrecht Weitere Individualansprüche des Sportlers können sich vor allem über die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ergeben. Zwar handelt es sich dabei um einen völkerrechtlichen Vertrag, der grundsätzlich nur die jeweiligen Vertragsstaaten verpflichtet. Jedoch ist der EMRK die Rolle einer objektiven Werte­ 288

Sachs, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 Rz. 115. Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 119; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  135; grundlegend dazu BVerfGE 85, 337, sowie BVerfGE 88, 118 (123), wo auf ein „Prozessgrundrecht“ verwiesen wird, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ergeben würde. 290 BVerfGE 85, 337, (345). 291 Siehe die Ausführungen zu den Verfahrensgrundsätzen im Verbandsverfahren unten, S. 111–127. 292 Im Ergebnis zustimmend Vieweg, Normsetzung, S. 169. 289

B. Begrenzung der Selbstverwaltungsautonomie

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ordnung zuzusprechen, auf die sich Sportler und Sportverbände berufen können293. Dadurch werden Ansprüche gegen den Staat auf Schutz gegen Eingriffe durch Private in die geschützten Freiheiten gewährt294. Sportrechtliche Relevanz sind der Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK295, dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art.  6 EMRK sowie dem nulla-poene-sine-lege-Grundsatz nach Art.  7 EMRK zuzusprechen. Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ist jedermann die Möglichkeit einzuräumen, seine zivilrechtlichen Ansprüche oder eine strafrechtliche Anklage durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht innerhalb einer angemessenen Frist und unter Gewährung rechtlichen Gehörs überprüfen zu lassen296. Dies korrespondiert mit dem aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitenden Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Schutz297. Die in einem Verbandsstrafverfahren gegebenenfalls heranzuziehende Unschuldsvermutung wird über Abs.  2 gewährt298, Abs.  3 garantiert wesentliche Verfahrensrechte wie das Informations- und Stellungnahmerecht des Angeklagten. Schließlich bestimmt Art. 7 EMRK, dass niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden darf, die zur Zeit der Begehung nicht strafbar war, und kann daher mit Art. 103 Abs. 2 GG gleichgesetzt werden. Hierbei ist anzumerken, dass sich das Bestimmtheitsgebot nicht nur auf das materielle Strafrecht erstreckt, sondern auch auf Disziplinarmaßnahmen, deren Verhängung wegen Art und Höhe der Sanktion mit einer strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK gleichgesetzt werden kann299. Inhaltliche, mit Art. 6 EMRK und Art. 7 EMRK übereinstimmende Gewährleis­ tungen lassen sich auch in der EU-Grundrechte-Charta (GRCh) wiederfinden300. Hier sind das Recht auf eine gute Verwaltung gemäß Art.  41 GRCh, das Recht auf Zugang zu Dokumenten gemäß Art.  42 GRCh, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht gemäß Art. 47 GRCh, die Unschuldsvermutung gemäß Art. 48 GRCh sowie die durch Art. 49 GRCh garantierten Grundsätze der Gesetzesmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit in Zusammenhang mit Straftaten und Strafen wie beispielsweise das Bestimmtheitsgebot (Art.  49 Abs. 1 GRCh ) zu nennen. Sie gelten jedoch nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh nur im Rahmen der Durchsetzung von EU-Verordnungen durch die nationalen Verwaltun-

293

Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 99. Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Einf. Rz 39–40. In Deutschland ist die EMRK als einfaches Bundesrecht mit Gesetzesrang einzuordnen. 295 Art. 11 EMRK entspricht inhaltlich Art. 9 GG, ist jedoch bezogen auf den Schutzbereich weiter, weil er nicht nur auf Deutsche beschränkt ist. Vgl. zum weiteren Inhalt Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 101. 296 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 101. 297 Siehe zu dem aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitenden allgemeinen Prozessgrundrecht unten, S. 112. 298 Siehe zur etwaigen Anwendung der Unschuldsvermutung im Verbandsstrafverfahren unten, S. 186-193. 299 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 7 Rz. 11. 300 Streinz, Europarecht, Rz. 773–774. 294

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Teil 2, Kap. 1: Verbandsverfahren als Ausdruck der Privatautonomie 

gen der Mitgliedsstaaten bzw. ihrer Umsetzung von EU-Richtlinien301. Endlich sei noch auf die Grundfreiheiten der Niederlassung (Art. 49 AEUV), der Dienstleistung (Art. 56 AEUV) und der Freizügigkeit (Art. 45 AEUV)302 sowie auf andere internationale Abkommen wie beispielsweise dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte verwiesen303. Diese beinhalten in der Regel jedoch keine besonderen sportspezifischen Regelungen, sondern für jedermann geltende Freiheitsansprüche und Verfahrensrechte. Zudem ist anzumerken, dass in Zusammenhang mit völkerrechtlichen Abkommen einzig die Vertragsstaaten untereinander verpflichtet sind, die über das jeweilige Abkommen gewährten Rechte einzuhalten, selbige jedoch nicht sanktionierbare Individualansprüche für den Einzelnen vorsehen304. II. Ergebnis Diese kurze Darstellung der grundgesetz-, einfachgesetz- und völkerrechtlichen Rechte und Ansprüche von Sportlern, Vereinen und Verbänden verfolgt nicht den Anspruch, umfassend und konkret für jede einzelne Konfliktsituation unter Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen den Vorrang einer bestimmten Rechtsposition zu bestimmen. Sie soll vielmehr aufzeigen, dass die durch Art. 9 GG gewährte Selbstverwaltungsautonomie für Vereine bzw. Verbände nicht grenzenlos gewährt wird, sondern dort in bestimmter Art und Weise zurücktreten müssen, wo schützenswerteren Interessen der Vorzug einzuräumen ist oder die Verbandsautonomie diversen Einschränkungen unterliegt. Dies wird im folgenden Kapitel, aber auch in den weiteren Teilen und Kapiteln in verschiedenen Konstellationen inhaltlich konkret beleuchtet und hervorgehoben werden und zieht sich somit wie ein Leitfaden durch diese Arbeit. Dabei wird sich auch zeigen, dass maßgebliche Interessenabwägungen beispielsweise nicht stets zu Gunsten des betroffenen Sportlers ausfallen müssen. Im nun folgenden Teil, der die zivilprozessualen Auswirkungen der Verbandsautonomie thematisiert, wird dies bereits zum ersten Mal deutlich werden.

301

Streinz, Europarecht, Rz. 751. Vgl. vertiefend zur Anwendung der Grundfreiheiten in Zusammenhang mit dem Sport Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 67–98, sowie Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 105–106 und 155–156, wobei sich beide in ihrer jeweiligen Betrachtung auf die Grundfreiheiten beziehen wie sie noch im EGV niedergelegt waren. 303 Dazu und zu weiteren internationalen Abkommen siehe vertiefender Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 105–109. 304 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 98. 302

A. Überprüfbarkeit der Verbandsgerichtsentscheidungen

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Kapitel 2

Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie A. Zulässigkeit der Überprüfbarkeit der Verbandsgerichtsentscheidungen durch staatliche Gerichte Ein Verein oder Verband trifft über seine jeweils zuständigen Organe diverse Entscheidungen: Teilnahme am Spielbetrieb, Verhängung von Disziplinarmaßnahmen, Tätigkeiten der Bedarfsdeckung, Aufnahme neuer Mitglieder oder deren Ausschluss, Kooperationen mit anderen Vereinen bzw. Verbänden oder gar einen Zusammenschluss usw. Die Vielzahl der Entscheidungen ließe sich beliebig fortführen, ist aber für den grundlegenden Gedanken in Zusammenhang mit diesen Verbandsentscheidungen nicht von Belang. Denn entscheidend ist, dass diese Maßnahmen und Tätigkeiten nicht nach „Gutdünken“ geschehen, sondern nach den jeweils in der Satzung festgelegten Voraussetzungen305. Der Verein oder Verband stellt also bestimmte Regeln auf, um die (rechtsrelevanten) Mitgliederverhältnisse und -pflichten von vornherein und grundlegend zu regeln und bei Verstößen zu sanktionieren306. Dies deckt sich mit der erwähnten Selbstverwaltungsautonomie307 im Rahmen der Vereinigungsfreiheit. Dieser ist aber im Rahmen einer praktischen Konkordanz nur insoweit der Vorzug einzuräumen, als dass zugleich ein internes Überprüfungsverfahren für die Maßnahmen und der davon Betroffenen bereitgestellt wird. Denn besagte Autonomie garantiert gerade nicht, die Bindung an die eigenen Regeln und deren konkrete Einhaltung zu ignorieren308, insbesondere dann, wenn empfindliche Sanktionen ausgesprochen werden. Selbstverständlich soll damit nicht das Damoklesschwert der Rechtlosigkeit über die Vereine bzw. Verbände und deren Sanktionsfindung erhoben werden. Es muss aber gerade auch vor dem Hintergrund jüngster Entwicklungen309 grundsätzlich möglich sein, Verbandsentscheidungen durch staatliche Gerichte kontrollieren zu können310.

305

Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB Rz. 24. Kröll, ZIP 2005, 13 (13); Soergel/Hadding, § 25 BGB Rz. 37 und 38. 307 Siehe oben, S. 57–59. 308 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 118. 309 So stehen im „Fall Lance Armstrong“ diverse Aufklärungspannen im Raum. Danach soll unter anderem der Weltradsportverband „UCI“ Armstrong jahrelang geschützt haben. Vgl. dazu „Flüche im Hinterzimmer“, Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 24.10.2012, Ausgabe Nr. 246, S. 29. Ähnlich auch der Freispruch für Alberto Contador durch den Exekutivausschuss „CNCDD“ des spanischen Radsportverbandes. Siehe dazu auch die Ausführungen zum „Fall Alberto Contador“ unten, S. 220–228. 310 OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1117 (1118); Haas/Prokop, JR 1998, 45 (45). Die zum Teil  vertretene Ansicht, Verbandssanktionen seien der richterlichen Kontrolle gänzlich ent­ zogen, vermag eindeutig nicht zu überzeugen. Dagegen spricht unabhängig von seiner konkreten Herleitung bereits der verfassungsrechtlich verankerte Justizgewährleistungsanspruch. 306

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Teil 2, Kap. 2: Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

B. Umfang der Überprüfbarkeit Vor dem Hintergrund der autonomen Ordnungsgewalt der Vereine bzw. Verbände ist in Anlehnung an das Prinzip der praktischen Konkordanz bei sich gegenüberstehenden Interessen jedoch zu fragen, welcher Prüfungsmaßstab bei der Überprüfung von Vereins- bzw. Verbandsgerichtsentscheidungen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit anzulegen ist. I. Entwicklung der Rechtsprechung Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging das Reichsgericht (RG) bezüglich einer Entscheidung über den Ausschluss eines Mitglieds aus einer vorwiegend auf die Pflege der Geselligkeit unter ihren Mitgliedern abzielende Gesellschaft davon aus, dass jede inhaltliche Kontrolle durch die staatliche Gerichtsbarkeit untersagt sei. Eine inhaltliche Überprüfung scheitere am Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht der Gesellschaft und an den Vorschriften des BGB, welche gerade kein staatliches Aufsichtsrecht vorsehen würden311. Etwas mehr als 20 Jahre danach nahm das RG bereits eine differenzierende Position ein. Zumindest dann, wenn die von einem Ausschluss betroffene Person auf die Mitgliedschaft zur Schaffung und Aufrechterhaltung des eigenen Lebensunterhalts essentiell angewiesen sei, müsse dem Gericht die Möglichkeit einer fachlichen Nachprüfung des Ausschließungsbeschlusses im Hinblick auf eine offenbare Unbilligkeit zustehen312. In einer weiteren Entscheidung stellte es sodann darauf ab, dass nicht nur geldliche, sondern auch ideelle Belange von so großer Bedeutung sein können, dass eine gerichtliche Überprüfung gerechtfertigt sei, sofern es um die Mitgliedschaft in einem sozial, kulturell oder wirtschaftlich bedeutsamen Verein ginge313. Weniger zurückhaltend zeigte sich der II. Zivilsenat des BGH in einem Urteil vom 20. April 1967, bei dem dieser das Kriterium der Billigkeitskontrolle unabhängig von der wirtschaftlichen oder sozialen Bedeutung des Vereins grundsätzlich auf einen Ausschlussbeschluss für anwendbar erklärte314. Und erneut 20 Jahre später war es wiederum der II. Zivilsenat, der auch vereinsgerichtliche Tatsachenfeststellungen in Zusammenhang mit einem Gewerkschaftsausschluss einer gerichtlichen Kontrolle unterzog. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass mit einem freiwilligen Beitritt gerade nicht im Voraus zugleich ein freiwilliger Verzicht auf die Überprüfung des für das später folgende Disziplinarverfahren maßgeblichen Sachverhalts einhergehen würde315. „Denn 311 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 114; RGZ 49, 150 (151, 155); Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB Rz. 23. 312 RGZ 107, 386 (388). 313 RGZ 140, 23 (24). 314 BGHZ 42, 381 (385). 315 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 162.

B. Umfang der Überprüfbarkeit

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grundsätzlich sei kein Beitretender damit einverstanden, für Tatsachen verantwortlich gemacht zu werden, die er nicht begangen habe“316. Diese Rechtsprechung wurde anschließend dahingehend erweitert, dass der Ausschluss von Mitgliedern aus Monopolverbänden und Vereinigungen mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich stets sachlich gerechtfertigt sein muss. Denn sofern sich diese nicht mit ihrem Selbstbestimmungsrecht gegenüber den Beitrittswilligen wegen ihrer schützenswerteren Interessen durchzusetzen vermögen und dadurch die Aufnahme nicht verhindern können317, ist es ihnen im umgekehrten Fall des Ausschlusses ebenso wenig gestattet, darüber frei zu entscheiden. Selbstverständlich müsse bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung im Hinblick auf die mit der Disziplinarmaßnahme verbundenen Wert- und Zielsetzungen den für die Entscheidung zuständigen Organen ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden. Staatliche Gerichte dürfen also nicht ihre eigenen Wertmaßstäbe an die Stelle derjenigen der Vereinigung setzen318. Andernfalls würde dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Kernbereich der Selbstverwaltungsautonomie darstellen und damit die Gewährleistung des Art. 9 GG ausgehöhlt werden. Bereits in dieser Entscheidung ist darüber hinaus das bis dahin bestehende Credo einer verbotenen Subsumtionskontrolle aufgegeben worden. Denn im besagten Fall prüfte der II. Zivilsenat ausführlich, inwieweit unter anderem das Kandidieren auf einer anderen als der von der Gewerkschaft unterstützen Liste zu einer Verunglimpfung und Schädigung der Gewerkschaft und ihrer im Betriebsrat ansässigen Mitglieder führen kann. Letztendlich vollzog es damit eine Sub­sumtionskontrolle unter die im konkreten Fall maßgeblichen Satzungsbestimmungen. Schließlich wurde diese, den Prüfungsumfang erweiternde Tendenz fortgeführt, indem danach einzelne Regelwerke der Vereinigungen nicht in einer unbilligen, Treu und Glauben widersprechenden Weise ausgestaltet werden durften und somit staatliche Gerichte zur einer Inhaltskontrolle der Satzungsbestimmungen nach § 242 BGB ermächtigt seien319.

316 Soergel/Hadding, § 25 BGB Rz. 59; BGHZ 87, 337 (342–343); Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S.  163; zustimmend auch Walker, in: Vieweg, Doping, 135 (138). 317 Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB Rz. 27 und 26, Letzteres verweist auf BVerfG NJW 1996, 1201 (1202;1203), wo deutlich hervorgehoben wird, dass dem durch die Vereinsautonomie verfolgten Zweck kein weitergehender Schutz zukommt als dem individuell verfolgten Zweck. 318 BGHZ 102, 265 (277); OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (75). 319 BGHZ 105, 306 (318–319); bestätigt durch BGHZ 128, 93 (101) = NJW 1995, 583 (585); BGH NJW 1999, 3552 (3552).

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Teil 2, Kap. 2: Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

II. Zwischenergebnis Als Ergebnis dieser Rechtsprechungsübersicht ist festzuhalten, dass sich in formeller Hinsicht eine gewisse Beständigkeit aufzeigen lässt. Denn schon das RG prüfte, ob das satzungsmäßig bestimmte Ausschlussverfahren eingehalten worden ist320. Dies wurde auch in den Jahren, in denen die Überprüfbarkeit fortlaufend erweitert wurde, dem Grunde nach beibehalten. Es kommt vor allem auf das Vorliegen einer satzungs- bzw. gesetzmäßigen Grundlage der Verbandsentscheidung sowie auf die Einhaltung des für die jeweilige Entscheidung vorgesehenen Verfahrens an321. Materiell-rechtlich können staatliche Gerichte Verbandsstrafen bzw. Verbandsausschlüsse bezüglich der dafür maßgebenden Tatsachenfeststellungen kontrollieren. Dafür spricht vor allem, dass damit kein Eingriff in die Selbstverwaltungsautonomie verbunden ist, weil es sich insoweit um eine bloße Ermittlung von Tatsachen, nicht jedoch um deren Wertung handelt322. Jedoch dürfen im ordentlichen Gerichtsverfahren nur diejenigen Tatsachen herangezogen werden, die auch Gegenstand des verbandsgerichtlichen Verfahrens gewesen sind323. Andernfalls würde es zu einem Eingriff in den unantastbaren Kernbereich der Verbandsautonomie kommen, sofern das staatliche Gericht wegen einer anderen Tatsachengrundlage unter Umständen zu einem anderen Ergebnis kommen würde324. Aber auch im umgekehrten Fall darf der Verband selbst keinen neuen Sachverhalt einbringen, der z. B. einen etwaigen Ausschlussbeschluss nunmehr rechtfertigen könnte325. Denn gerade dafür steht das eigene Verbandsgerichtsverfahren zur Verfügung. Lediglich solche Tatsachen, die zum Beispiel auf Grund der Nichteinhaltung der eigenen Verfahrensbestimmungen nicht Gegenstand des eigentlichen Verbandsverfahrens gewesen sind, können neu in das Verfahren eingeführt werden326. 320

RGZ 49, 150 (152–154); Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB Rz. 24. BGHZ 87, 337 (343); OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1117 (1120); Haas/Adolphsen, NJW 1996, 2351 (2352); Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 126–127; Röhricht, in: Sportgerichtsbarkeit, 19 (26). 322 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 162–163. 323 BGHZ 102, 265 (273); Reichert, VereinsR, Rz. 3376–3377; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 1011; a. A. OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (77) und BGH NJW 1967, 1657 (1659), sofern der anderen Partei die Gelegenheit eingeräumt wird, Stellung gegenüber den neuen Tatsachen beziehen zu können. Eine Beschränkung allein auf die Tatsachen, die Gegenstand des erstinstanzlichen (verbandsgerichtlichen) Verfahrens gewesen sind, erfordere eine satzungsrechtliche Verankerung. 324 Der gängige Fall nicht überprüfbarer Tatsachen bezieht sich auf spielimmanente Tatsachen und darauf basierende Entscheidungen, die der Regeleinhaltung und damit zugleich dem Fluss des Spiels dienen. Vgl. dazu Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 30, und S. 118; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 114 und S. 122–123. Jedoch kann sich auch diesbezüglich eine Überprüfbarkeit ergeben, sofern dadurch ein anderer Grundrechts-Kernbereich tangiert ist (Petri, S. 119) oder es sich um eine besonders schwerwiegende, offenkundige Fehlentscheidung handelt. Siehe zu Letzterem auch PHB SportR-Summerer II 5/417; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 118. 325 BGHZ 102, 265 (273–274); Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 1018. 326 BGHZ 47, 381 (387). 321

B. Umfang der Überprüfbarkeit

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Problematischer erweist sich in diesem Zusammenhang jedoch die von den staatlichen Gerichten teilweise durchgeführte Subsumtionskontrolle unter die re­ levanten Verbandsbestimmungen. Darin wird zum Teil  ein verfassungswidriger Eingriff in die innere Vereinsfreiheit gesehen327. Jedoch kann dies überhaupt nur der Fall sein, wenn der staatliche Richter Verbandswertungen und Rechtsauffassungen außen vor lässt und durch seine eigenen ersetzt. Übernimmt er hingegen die sportspezifischen Vereinswertungen des Verbandsrichters, wird dadurch gerade dessen Autonomie gewahrt. Sofern Letzteres der Fall ist, bleibt als kritischer Anknüpfungspunkt nur der Umstand, dass eine Subsumtionskontrolle überhaupt möglich sein soll. Dies stellt per se aber noch keinen Eingriff dar; die reine Überprüfungsmöglichkeit ist vielmehr notwendig, damit erst gar nicht der Weg für Vereine und Verbände geebnet wird, die selbst gesetzten Bindungsregeln unterschiedlich zu handhaben oder gar zu ignorieren, wobei Letzteres bereits ein Verstoß gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium328 darstellen würde. Dabei kann es auch nicht darauf ankommen, ob es sich um einen sozial mächtigen Verband bzw. Verein handelt oder nicht329. Denn die Mitglieder unterwerfen sich unabhängig von der Größe dessen Strafgewalt stets nur unter der Bedingung, dass diese der Billigkeit entspricht und im Falle einer offensichtlichen Unbilligkeit dies vor staatlichen Gerichten geltend gemacht werden kann330. Daher wäre es sachlich nicht gerechtfertigt, wenn Mitgliedern verschiedengroßer Verbände bzw. Vereine unterschiedliche Rechtsschutzmöglichkeiten zugesprochen werden würden331. Durch eine solche Handhabung, die nach der hier vertretenen Ansicht eine Subsumtionskontrolle umfasst, wird auch kein juristisches Neuland betreten. Vielmehr weist es Parallelen zur Rechtsprechung bezüglich der Überprüfbarkeit von Kommissions- und Prüfungsentscheidungen auf332. Für ein solch umfassendes Prüfungsrecht des staatlichen Richters spricht letztendlich auch, dass eine strikte Trennung dieser Ebenen gerade nicht immer möglich ist. Schließlich muss auch der Umstand berücksichtigt werden, dass zumin-

327

Andernfalls würde die Vereinsordnungsgewalt missachtet werden, vgl. PHB SportR-Summerer II 5/438 und vor allem Röhricht, AcP 189 (1989), 386, (391); ders., in: Sportgerichts­ barkeit, 19 (31). 328 Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rz. 55–56. 329 So auch Vieweg, Normsetzung, S. 242–243. 330 BGH NJW 1967, 1657 (1659). 331 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 136. 332 VGH Kassel NJW 1998, 1426 (1427), Überprüfungsmaßstab hinsichtlich einer Kommissionsentscheidung zur Filmförderungsfähigkeit; BVerfGE 84, 34 (53–55), bei Prüfungsentscheidungen wird wegen des Beurteilungsspielraums der Prüfungskommission vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG geprüft, ob Verfahrensfehler begangen wurden, anzuwendendes Recht verkannt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen wurden oder sich von sachfremden Erwägungen geleitet lassen wurde. Jedoch erweitert sich die gerichtliche Kontrolle in Richtung einer Subsumtions­ kontrolle, sofern es um Prüfungen geht, die den Berufszugang beschränken und Art. 12 GG dadurch einschlägig ist.

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Teil 2, Kap. 2: Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

dest Sportler bei ihrem Vereins- oder Verbandsbeitritt oder bei der Unterzeichnung einer Unterwerfungsvereinbarung unter deren jeweiligen Regeln keine freie Entscheidung treffen, sondern zur Berufsausübung gerade auf den Beitritt angewiesen sind333. Es handelt sich demnach nicht um einen vollständigen privatautonomen Vorgang, der es den Beteiligten freistellt, ihre Verhältnisse fern ab von staatlichen Gerichten zu regeln334. Vielmehr kann das Übergewicht der Vereine und Verbände nur durch das Eingreifen der „staatlichen Legitimität“  – dem staatlichen Richter – kompensiert werden. Demzufolge ist es für den staatlichen Richter möglich zu prüfen, ob die Tat wirklich begangen ist (Tatsachenkontrolle), das vorgeworfene Verhalten wirklich einen satzungsmäßigen Tatbestand erfüllt (Subsumtionskontrolle), die Strafe angemessen und das formelle Satzungsverfahren eingehalten worden ist335. Abschließend lässt sich somit festhalten, dass jedenfalls die gängige Ansicht verfehlt ist, die „mächtigen Sportverbände“ würden sich in einem rechtsfreien Raum bewegen. Vielmehr ist die gegenteilige Tendenz – die Verrechtlichung des Sports336 – immer mehr erkennbar und aus den genannten Gründen auch nachvollziehbar. Demzufolge erfährt die Selbstverwaltungsautonomie in diesem Bereich Einschränkungen. Dies tritt insbesondere dann hervor, wenn verbands- oder vereinsintern getroffene Entscheidungen von staatlichen Gerichten am Maßstab der Billigkeit gemessen werden.

333

Vgl. dazu Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB Rz. 28, wonach ein verschärftes, auch eine Subsumtion umfassendes Prüfungsrecht möglich sein kann, sofern das Mitglied auf die Zugehörigkeit angewiesen ist. 334 Diese Situation zwischen Sportler und Verein/Verband wird auch als gestörte Privatautonomie bezeichnet. 335 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 119; Staudinger/Weick, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB Rz. 41; Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 136–138; Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 197; hinsichtlich der Subsumtionskontrolle zustimmend Vieweg, Normsetzung, S. 242; Buch­berger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S.  133 und S.  167, der eine Subsumtionskontrolle erst bei offensichtlicher Willkür oder Unbilligkeit für angebracht hält sowie Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 48–49, jedoch restriktiver im Hinblick auf die Subsumtionskontrolle. Insoweit zustimmend, jedoch ohne Subsumtionskontrolle Haas/Adolphsen, NJW 1996, 2351 (2352); Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 1010, PHB SportR-Summerer II 5/429 bei nicht sozialmächtigen Vereinen, bei sozialmächtigen Verbänden oder solchen mit Monopolstellung ist hingegen eine Subsumtionskontrolle mit umfasst, II 5/443; ähnlich Reichert, VereinsR, Rz.  3342, der bei sozialmächtigen Vereinen in Richtung einer Subsumtionskontrolle tendiert, vgl. Rz. 3374. Ablehnend hinsichtlich der Subsumtionskontrolle Adolphsen, SpuRt 2000, 97 (101); Röhricht, AcP 189 (1989), 386 (391); LG Hamburg SpuRt 2012, 203 (204, 205), sowie LG Leipzig SpuRt 2005, 209 (210), wonach es wegen einer eingeschränkten Überprüfungskompetenz verboten sei, eine eigene Beweisaufnahme und -würdigung vorzunehmen. Siehe ferner auch zu den Voraussetzungen einer gerichtlichen Kontrolle von Verbandssanktionen Prokop, JA 1995, 353. 336 Steiner, in: Tettinger/Vieweg, Gegenwartsfragen des Sportrechts, 136 (148).

C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit

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C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Autonomie ist es wiederum verständlich, wenn Vereine bzw. Verbände ein gesteigertes Interesse daran haben, die Einflussnahme durch den staatlichen Richter zu minimieren bzw. rechtskonform auszuschließen. Eine solche Möglichkeit kann sich über das Institut der Schiedsgerichtsbarkeit ergeben337. Dadurch findet eine Nachprüfung sportgerichtlicher Maßnahmen durch ein Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO anstelle der staatlichen Gerichte statt338. Deren Überprüfungsmöglichkeit ist dann auf fundamentale Normen beschränkt339; eine „révision au fond“ ist dem staatlichen Gericht grundsätzlich versagt340. Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Schiedsgerichts als Institut der Streitbeilegung unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit ist unproblematisch anzunehmen341, so dass dies keine weitergehende Vertiefung erfordert. Es ist aber eine genaue Präzisierung vorzunehmen, wann ein Schiedsgericht im Sinne des §§ 1025 ff. ZPO oder ein Vereins- oder Verbandsgericht vorliegt342, wird doch dadurch der grundrechtlich geschützte Justizgewährleistungsanspruch berührt343. Zudem erfüllt auch nicht jedes in den Verbandsstatuten als solches bezeichnete Schiedsgericht die Voraussetzungen eines „echten Schiedsgerichts“344. Oftmals handelt es sich trotz dieser Benennung vielmehr um eine rein interne Kontrollinstanz345, was wiederum dem Betroffenen als Teil seines Individualrechtschutzes das Recht einräumt, die vereins- oder verbandsrechtlichen Maßnahmen vor staatlichen Gerichten überprüfen zu lassen346. Folgerichtig sind die Vorausset­zungen für die Annahme eines Schiedsgerichts genau zu bestimmen. Diese sind teilweise umstritten.

337

Kröll, ZIP 2005, 13 (14); Berninger/Theißen, SpuRt 2008, 185 (186). Haas/Prokop, JR 1998, 45 (46). 339 Siehe dazu den Katalog des § 1059 ZPO. 340 Saarländisches OLG SchiedsVZ 2007, 323 (325). 341 Musielak/Voit, § 1025 ZPO Rz.  1; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rz.  3; BAG NJW 1964, 268 (269); Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, 8 (9). 342 So auch Kröll, ZIP 2005, 13 ff. 343 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 3, 16. 344 BGHZ 159, 207 (211); vgl. dazu weiterführend die ausführliche Untersuchung bei Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. ­87–180. 345 So auch schon OLG Frankfurt a. M. NJW 1970, 2250 (2250); Kröll, ZIP 2005, 13 (15). 346 Berninger/Theißen, SpuRt 2008, 185 (185). 338

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I. Definition eines „echten Schiedsgerichts“ Als Schiedsgericht lässt sich grundsätzlich ein Privatgericht bezeichnen, welches sich aus einer oder mehreren Personen zusammensetzt und dem die Entscheidung bürgerlicher oder diesen vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten an Stelle staatlicher Gerichte durch private Willenserklärung übertragen worden ist347. Eine mit der Einrichtung eines solchen Schiedsgerichts verbundene privatrechtliche Vereinbarung wird in diesem Zusammenhang als Schiedsabrede bezeichnet. Alternativ kann noch eine satzungsmäßige Verankerung des Ausschlusses staatlicher Gerichtsbarkeit zugunsten eines Schiedsgerichts – eine so genannte Schiedsklausel348 – den Weg zu selbigem eröffnen. Vor dem Hintergrund, dass eine Streitentscheidung vor einem Schiedsgericht eine „echte Alternative zur staatlichen Justiz“ darstellt, da es im Vergleich mit der staatlichen Gerichtsbarkeit „grundsätzlich einen gleichwertigen Rechtschutz bietet“349, ist maßgeblich, wann ein „echtes Schiedsgericht“ konstituiert worden ist oder ob es sich doch (nur) um ein internes Verbandsgericht handelt („unechtes Schiedsgericht“). Prozessrechtlich wird die Abgrenzung wesentlich in zwei Konstellationen relevant: bei Erhebung einer Klage vor einem staatlichen Gericht gegen eine Verbandsmaßnahme bei gleichzeitiger Geltendmachung der prozesshindernden Einrede der Schiedsvereinbarung durch die andere Partei nach § 1032 Abs. 1 ZPO350 oder im Zusammenhang mit einem Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO, sofern der Antragsteller davon ausgeht, dass sich die aufzuhebende Entscheidung (Schiedsspruch) als eine eines „echten Schiedsgerichts“ darstellt351. In der ersten Variante muss sich das angerufene staatliche Gericht wegen des Fehlens einer ­besonderen Zulassungsvoraussetzung für unzuständig erklären und die Klage abweisen352, sofern es sich um ein „echtes Schiedsgericht“ handelt und dieses wirksam vereinbart bzw. verankert worden ist. Dies ist auch der Ausgangspunkt für die zweite Konstellation; denn sofern es sich nicht um die Entscheidung eines „echten Schiedsgerichts“ handelt, kommt eine Kassation nach § 1059 ZPO grund­sätzlich nicht in Betracht.

347

Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 (228). Die Unterscheidung zwischen Schiedsabrede (vertraglich) und Schiedsklausel (Satzung) dient der Verständlichkeit. Üblich ist, sowohl eine vertraglich vereinbarte als auch eine in die Satzung aufgenommene Schiedsgerichtsbarkeit jeweils als Schiedsklausel zu bezeichnen. Siehe auch PHB SportR-Pfister II 4/377–378. 349 BGH JZ 2008, 358 mit Anm. Mäsch, 359 (360). 350 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1046. 351 BGHZ 159, 207 (210). 352 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 175 Rz. 33. 348

C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit

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1. Kriterien eines „echten Schiedsgerichts“ a) Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit Das erste wesentliche Merkmal eines Schiedsgerichts lässt sich bereits der Legaldefinition des § 1029 Abs.  1 ZPO entnehmen. Danach ist ein Schiedsgericht darauf gerichtet, eine verbindliche Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit herbeizuführen. Verbindlichkeit erlangt ein dann damit einhergehender Schiedsspruch durch die ihm innewohnende Rechtskraft, die sich über § 1055 ZPO ergibt. Ein Schiedsrichter ist somit wie ein staatlicher Richter zur Entscheidung eines Rechtsstreits berufen, in dem er endgültig und bindend ausspricht, was rechtens ist353. Demnach liegt kein Schiedsgericht vor, wenn einem bestimmten Gremium lediglich die Klärung abstrakter Rechtsfragen oder die richtige Tatsachenermittlung übertragen worden ist. Allerdings wird sich in den seltensten Fällen eine solche Trennung vorfinden lassen354. Vielmehr wird einer bestimmten Instanz in der Regel die Klärung aller verbandsrechtlichen Fragen übertragen; dies umfasst damit sowohl die Herbeiführung einer verbindlichen Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit als auch die Behandlung abstrakter Rechtsfragen sowie einfache Streitschlichtung. Dabei kann es sich dann sowohl um ein Schiedsgericht als auch um ein internes Verbandsgericht handeln355. Folglich führt das Kriterium „Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit“ allein im Regelfall nicht zur eindeutigen Annahme eines echten Schiedsgerichts. b) Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges Möglicherweise lässt sich eine präzisere Bestimmung durch das Hinzufügen eines weiteren Merkmals erreichen. Denn vor dem Hintergrund, dass nach § 1055 ZPO einem ergangenen Schiedsspruch die gleiche Rechtskraftwirkung wie bei einem nach § 705 ZPO formell rechtskräftigen Urteil zukommt356, ist eine Schiedsgerichtsvereinbarung zwangsläufig immer darauf gerichtet, den Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges herbeizuführen. Der damit einhergehende, in einer Satzung oder einer Individualvereinbarung enthaltene bloße Wortlaut „Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit“ bzw. die Bezeichnung einer Instanz als „Schiedsgericht“ rechtfertigt für sich alleine allerdings auch noch nicht die Annahme, es würde ein „echtes Schiedsgericht“ vorliegen357. Vielmehr gilt es weiter zu prüfen, ob nicht andere Satzungsbestimmungen dieser Annahme widersprechen, beispielsweise, in dem die Entscheidung des vermeintlich schiedsgerichtlichen Spruchkör 353

BGH JR 2008, 240 mit Anm. Elsing, 242 (243). Nur in einem solchen Fall kann eindeutig auf Verbandsgerichtsbarkeit geschlossen werden. 355 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines Sportschiedsgerichtes, S. 64. 356 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, § 1055 ZPO Rz. 1. 357 Walter, in: FS Schlosser, 1049 (1055); Hofmann, Zur Notwendigkeit eines Sportschiedsgerichtes, S. 79. 354

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pers noch durch andere Vereins- oder Verbandsorgane geändert werden kann358. Maßgebend kann daher nur der durch Auslegung zu ermittelnde Parteiwille sein. Dieser muss eindeutig die Absicht erkennen lassen, einen Rechtswegausschluss herbeizuführen und sich auch in der weiteren institutionellen Ausgestaltung359 im Sinne einer vom Verein bzw. vom Verband unabhängigen Rechtschutzmöglichkeit widerspiegeln360. Folglich lässt die bloße wörtliche Verwendung der Kriterien „Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit“ und „Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges“ im Zusammenspiel noch keinen eindeutigen Rückschluss auf ein „echtes Schiedsgericht“ zu. c) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Spruchkörpers Ein solcher kann sich jedoch durch Einbeziehung des Kriteriums der Unabhängigkeit ergeben. Sofern ein Schiedsgericht an Stelle eines staatlichen Gerichts eine rechtskräftige Entscheidung treffen soll, muss der schiedsgerichtliche Spruchkörper eine zumindest vergleichbare institutionell angelegte Unabhängigkeit gewährleisten, um die Rechtskraftwirkung des § 1055 ZPO überhaupt dogmatisch rechtfertigen und damit gleichzeitig eine echte Alternative zur staatlichen Justiz darstellen zu können. Denn Wesensmerkmal einer jeden richterlichen Tätigkeit ist, dass sie von einem unbeteiligten Dritten ausgeübt wird, der die notwendige Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten vorweisen kann361. Dieser Grundsatz lässt sich in Bezug auf verbandsrechtliche Streitigkeiten in Komponenten der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit gliedern362. Erstere verkörpert den Grundsatz, dass die Entscheidung durch einen unbeteiligten und damit unabhängigen Dritten erfolgen soll, wo hingegen die persönlichen Unabhängigkeit die Personenverschiedenheit zwischen den beteiligten Parteien und dem aufgerufenen Schiedsrichter ausdrücken soll363. Diese Form des Prinzips der richterlichen Neutralität364 gewährleistet dann auch die Gleichheit der Parteien vor und während des Verfahrens365 und ist essentielles Merkmal eines Schiedsgerichts366. 358

Kröll, ZIP 2005, 13 (16). Von einer entsprechenden satzungsmäßigen Ausgestaltung ging bereits das OLG Frankfurt im Beschl. v. 29.7.1970 – 18 W 32/70 in NJW 1970, 2250 (2251) aus. Aus dem Fehlen einer den §§ 1025 ff. ZPO entsprechenden Ausgestaltung des Schiedsverfahrens kann anders als auf S. 2252 m. E. aber nicht der Schluss gezogen werden, es würde sich nur um ein Verbandsgericht handeln. Vgl. dazu unten, S. 80–81. 360 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 19. 361 BGHZ 65, 59 (62); BVerfGE 21, 139 (146). 362 Soergel/Hadding, § 25 BGB Rz. 56. 363 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 66/67. 364 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 19. 365 Oschütz, in: Tettinger/Vieweg, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 28. 366 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 63. 359

C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit

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aa) Bestimmung der Unabhängigkeit Problematisch ist jedoch, wann von einer solchen Unabhängigkeit des Spruchkörpers ausgegangen werden kann, um die Annahme eines „echten Schiedsgerichts“ rechtsfehlerfrei treffen zu können. Es ist bereits erwähnt worden, dass Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und/oder dem Verband bzw. Verein einem Schiedsgericht entweder durch eine Satzungsverankerung oder im Wege einer Individualvereinbarung zugewiesen werden können. Dies kann möglicherweise mit unterschiedlichen Anforderungen an das Kriterium der Unabhängigkeit verbunden sein. (1) Satzungsmäßige Schiedsgerichtsvereinbarung Die folgende Darstellung orientiert sich zunächst an einer satzungsmäßig verankerten Schiedsklausel vor Streitentstehung367. Bei einer satzungsbezogenen Zuweisung ist von einem außervertraglichen Schiedsgericht im Sinne des § 1066 ZPO auszugehen368, für welches die Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO entsprechend gelten. Eine solche abstrakte Schiedsgerichtsvereinbarung kann nun mög­ licherweise zu höheren Anforderungen für die Annahme der Unabhängigkeit eines Schiedsgerichts führen. Denn in einem solchen Fall hat das einzelne Vereins- bzw. Verbandsmitglied gegebenenfalls wenig oder keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Verankerung als solche. Eine geringe Einflussnahme kann sich ergeben, sofern die Schiedsvereinbarung nachträglich in die Satzung aufgenommen werden soll, denn dies muss per Mehrheitsbeschluss auf der Mitgliederversammlung angenommen werden. Hier ist die Situation denkbar, dass das der Einführung eines Schiedsgerichts ablehnend gegenüberstehende Vereins- bzw. Verbandsmitglied im Wege eines Mehrheitsbeschlusses überstimmt und somit wirksam ein auch für dieses Mitglied verbindliches Schiedsgericht verankert wird. Insbesondere ohne Einflussmöglichkeit ist das Mitglied, wenn es überhaupt erst nach einer etwaigen Satzungsverankerung beitritt und auf die Mitgliedschaft in diesem sozialmächtigen Verein oder Verband aus beruflichen Gründen angewiesen ist. In diesen Fällen, bei denen keine Freiwilligkeit hinsichtlich der Verankerung einer Schiedsgerichtsbarkeit gegeben ist, bedarf es einer verfahrensrechtlichen Kompensation. Dies könnte dazu führen, das Vorliegen eines „echten Schiedsgerichts“ nur anzunehmen, wenn jene bereits in der Satzung selbst als eine unabhängige und unparteiliche Stelle organi-

367 Andere, im Zusammenhang mit der Vereinbarung einer Schiedsgerichtsbarkeit einhergehende Konstellationen – insbesondere die der Individualvereinbarung – werden an späterer Stelle untersucht. Siehe dazu unten, S. 86–90. 368 H. M. BGHZ 159, 207 (211), Kröll, ZIP 2005, 13 (14); Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 176 Rz. 5; Musielak/Voit, § 1066 ZPO Rz. 7; a. A. Soergel/Hadding, § 25 BGB Rz. 55.

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siert ist. Jegliche Art der Abhängigkeit oder gar das „Richten in eigener Sache“369 seitens des Vereins führt dann vor diesem Hintergrund dazu, dass keine Schiedsgerichtsbarkeit, sondern vielmehr Organhandeln vorliegt und damit kein echtes Schiedsgericht in die Satzung aufgenommen worden ist370. Eine ordnungsgemäße satzungsrechtliche Verankerung des Grundsatzes der Unabhängigkeit im Sinne eines konstitutiven Merkmals eines Schiedsgerichts könnte es daher erforderlich machen, dass die Parteien paritätisch Einfluss auf die Besetzung nehmen können und dies in der Satzung festgelegt ist371. Demnach läge keine Unabhängigkeit vor, wenn eine Partei einseitig Einfluss auf die Bestellung des Schiedsgerichts im Streitfall nehmen kann372. Somit müsste in einem Streitverfahren zwischen einem Sportler und dem Verband bzw. Verein angenommen werden, dass es sich bei der zur Streitentscheidung berufenen Instanz um kein Schiedsgericht handelt, sofern nur der Verband bzw. Verein die Auswahl der Schiedsrichter treffen kann. (a) Ausgestaltung des Verfahrens Es ist aber zu fragen, ob allein eine satzungsmäßige Ausgestaltung des Grundsatzes der Unabhängigkeit den Schluss zulässt, dass es sich um ein Schiedsgericht handelt. Dagegen kann eingewendet werden, dass eine abstrakt angelegte Gewähr der Unabhängigkeit nicht das entscheidende Kriterium sein kann. Denn jene würde ad absurdum geführt werden, wenn die weitere Verfahrensgestaltung einzig den Schluss auf eine gegenteilige Annahme zulässt373. Denn diese sollte in Zusammenhang mit einem Schiedsgericht einem ordentlichen Gerichtsverfahren vergleichbare Prinzipien enthalten374. Dazu ist vor allem die Gewährung rechtlichen Gehörs375, ein gerechtes Verfahren und ein Ablehnungsrecht gegenüber den Schiedsrichtern zu zählen. Sofern die eigene (Schieds-)Verfahrensordnung diese Vorgaben unberücksichtigt lässt bzw. andersartig regelt, kommt zum Ausdruck, dass der jeweilige Satzungsgeber selbst im Falle einer satzungsmäßig angelegten Unabhängigkeit keine Schiedsgerichtsbarkeit schaffen wollte376. Dagegen ließe sich wiederum anführen, dass eine verfahrensrechtliche Verankerung solcher Grundsätze nicht unbedingt notwendig ist. Denn die Pflicht zur Gestaltung eines fairen und unparteiischen Verfahrens ergibt sich bereits aus § 1042 369

Musielak/Voit, § 1066 ZPO Rz. 10. BGHZ 159, 207 (211/212). 371 BGHZ 159, 207 (212). 372 Oschütz, in: Tettinger/Vieweg, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S.  28–29; Kröll, ZIP 2005, 13 (16); Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 67. 373 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 65–66. 374 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1584. 375 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 179 Rz. 3. 376 OLG Frankfurt a. M. NJW 1970, 2250 (2251). 370

C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit

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Abs. 1 ZPO377. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob diesen Prinzipien zuwiderlaufende Bestimmungen in der Satzung enthalten sind. Ist dies nicht der Fall und ist auch keine eigenen Verfahrensordnung vorhanden, gelten die zwingenden verfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO in Verbindung mit § 1066 ZPO bzw. werden die Verfahrensregeln nach dem freien Ermessen des Schiedsgerichts bestimmt378. Eine fehlende, der staatlichen Gerichtsbarkeit vergleichbare Verfahrensgestaltung seitens des Sportfachverbands lässt demnach noch nicht den Schluss zu, es würde keine Schiedsgerichtsbarkeit vorliegen. Doch auch im umgekehrten Fall, in dem eine solche Verfahrensgestaltung statuiert, jedoch ein einseitiges Bestellungsrecht für den Verband vorgesehen ist, kann dies zumindest bereits an dieser Stelle wegen des aus der Verfahrensordnung ablesbaren Willens, echte Schiedsgerichtsbarkeit herbeizuführen, ebenso wenig zweifelsfrei angenommen werden. Denn eine einseitige Einflussnahme muss nicht zwangsläufig zur Abhängigkeit des dadurch konstituierten Schiedsgerichts führen, vielmehr können auch auf diesem Wege sachlich und persönlich unabhängige Schiedsrichter bestellt werden. Demzufolge lassen sich die einseitige Einflussnahmemöglichkeit oder die fehlende Verfahrensgestaltung allenfalls als Indizien für die endgültige Schlussfolgerung hinsichtlich des Vorliegens eines „echten Schiedsgerichts“ auffassen379. (b) Einseitige und ungleiche Einflussnahme Damit bliebt es weiterhin fraglich, ob eine einseitige Einflussnahme gegen die Annahme eines Schiedsgerichts spricht. Möglicherweise ergibt sich eine Lösung für dieses Problem durch einen Vergleich mit einer ähnlich gelagerten Problemlage, indem daraus Rückschlüsse für das einseitige Bestellungsrecht gezogen werden. Denn es ist auch denkbar, dass zumindest einer Partei eine größere Einflussnahme auf die Besetzung des Schiedsgerichts eingeräumt wird und sie damit gegenüber der anderen Partei ein „bevorzugendes Übergewicht“ aufweist. Beispielsweise kann eine solche Situation entstehen, wenn die Richter eines Schiedsgerichts im Hinblick auf eine zügige Entscheidungsfindung bereits vor der Streitentstehung vom Sportfachverband benannt werden. Dabei können die Sportler, die im Gegensatz zu ihrem Verband über keine eigene und gleich starke Organisation verfügen, kaum an der Benennung mitwirken, so dass dem Sportfachverband eine größere Einflussnahmemöglichkeit zukommt380. Denkbar ist ein Übergewicht zugunsten des Verbandes auch, sofern in dessen Verfahrensordnung vorgesehen 377

Kröll, ZIP 2005, 13 (19). BGH JZ 2008, 358 (359); BGH NJW-RR 2007, 1466 (1467). 379 So zumindest auch Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 19 im Hinblick auf die institutionelle Ausgestaltung des Gremiums. 380 PHB SportR-Pfister II 4/372. 378

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ist, dass er bei einer mit drei Schiedsrichtern zu besetzenden Spruchinstanz zwei dieser Schiedsrichter bestimmen kann, der Sportler hingegen nur einen. Wenn nun bereits in diesen Situationen keine Schiedsgerichtsbarkeit angenommen werden kann381, muss erst recht davon ausgegangen werden, dass im Falle eines einseitigen Bestellungsrechts kein Schiedsgericht vorliegt und damit der Weg vor die staatliche Gerichtsbarkeit gegen die Entscheidung des dann „unechten Schiedsgerichts“ für die Beteiligten weiterhin möglich ist. Andererseits kann es sich auch um ein „echtes Schiedsgericht“ handeln, welches auf einer benachteiligenden, aber wirksamen Schiedsvereinbarung382 basiert, die über den Rechtsbehelf des § 1034 Abs. 2 ZPO383 geheilt werden kann384. In diesem Fall könnten keine Rückschlüsse auf das einseitige Bestellungsrecht und dem Grundsatz der Unabhängigkeit gezogen werden. Dies müsste dann anhand anderer Kriterien entschieden werden. (aa) Liberale Ansicht Dem Wortlaut des § 1034 Abs. 2 S.1 ZPO nach steht einer Partei ein Antragsrecht auf richterliche Bestellung der Schiedsrichter zu, sofern der anderen Partei ein Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts eingeräumt worden ist. Ein „Übergewicht“ bezeichnet in diesem Zusammenhang den Umstand, dass eine Seite auf die Besetzung der Schiedsrichterbank einen größeren Einfluss innehat als die Gegenseite385 und dadurch rein objektiv eine günstigere Aussicht für eine positive Entscheidung geboten wird. Ein bereits in der Schieds­gerichtsvereinbarung angelegtes Übergewicht wie beispielsweise in der zuvor beschriebenen Konstellation dergestalt, dass der Sportler nur einen von drei Schiedsrichtern auswählen kann, hindert demnach nicht die Annahme, dass ein „echtes Schiedsgericht“ vorliegen würde, da mit § 1034 Abs. 2 S.1 ZPO explizit ein Rechtsbehelf für den Fall einer bevorzugenden Einflussnahmemöglichkeit für

381 Dabei handelt es sich um die so genannte „strenge Ansicht“, vertreten insbesondere in BGHZ 159, 207; Lachmann, Handbuch für Schiedsgerichtspraxis, Rz. 317. 382 MünchKommZPO-Münch, § 1034 Rz. 10, 13. 383 § 1034 ZPO: „(1) Die Parteien können die Anzahl der Schiedsrichter vereinbaren. Fehlt eine solche Vereinbarung, so ist die Zahl der Schiedsrichter drei.“ „(2) Gibt die Schiedsvereinbarung einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht, das die andere Partei benachteiligt, so kann die andere Partei bei Gericht beantragen, den oder die Schiedsrichter abweichend von der erfolgten Ernennung oder der vereinbarten Ernennungsreglung zu bestellen. Der Antrag ist spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen, nachdem der Partei die Zusammensetzung des Schiedsgerichts bekannt geworden ist, zu stellen. § 1032 Abs. 3 gilt entsprechend.“ 384 Dabei handelt es sich um die „liberale Ansicht“; vertreten von Kröll, ZIP 2005, 13 (18); Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 75; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 169; Musielak/Voit, § 1034 ZPO Rz. 3, 5. 385 MünchKommZPO-Münch § 1034 Rz. 9.

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eine Partei vorgesehen ist. Dadurch besteht für den Sportler die Möglichkeit, über den nach § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO vorzunehmenden Antrag die Bestellung eines neutralen, weder auf seiner noch auf Seiten des Verbandes stehenden Schiedsrichters herbeizuführen. (bb) Strenge Ansicht Andererseits kann dem entgegen gehalten werden, dass bereits bei einer in der Satzung angelegten Abhängigkeit begrifflich keine Schiedsgerichtsbarkeit, sondern Organhandeln und dadurch Verbandsgerichtsbarkeit vorliegt, weshalb § 1034 ZPO gar nicht zur Anwendung kommen könne386. Danach wäre dieser Rechtsbehelf nur einschlägig, wenn sich erst bei der konkreten Ausgestaltung der Besetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht bildet. Zudem kann es nicht allein auf das Stellen des nach Abs. 2 Satz 2 fristgebundenen Antrags von zwei Wochen durch die unterlegene Partei ankommen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Denn in der Regel wird diese Frist wegen Unkenntnis nicht eingehalten werden387. Vertreter der erstgenannten Ansicht würden in einem solchen Fall weiterhin von einem Schiedsgericht ausgehen, welches bevorzugend zugunsten einer Partei besetzt sein würde. Konsequenterweise wäre dann auch der Weg zu den ordentlichen Gerichten versperrt. Diese Tragweite des Verstreichenlassens der zweiwöchigen Frist erscheint gerade vor dem Hintergrund des letztgenannten Aspektes als zu gravierend, als dass er zu rechtfertigen wäre. Schließlich muss auch Berücksichtigung finden, dass es rechtsdogmatisch bedenklich erscheint, die Wiederherstellung der Unabhängigkeit in die Dispositionsbefugnis der unterlegenen Partei zu legen. Andernfalls hätte dies zur Folge, dass ein hinsichtlich der Benennungsanzahl unterlegener Sportler es selbst in der Hand haben würde, durch eine etwaige Antragsstellung darüber zu entscheiden, ob ein Schiedsgericht vorliegt oder nicht. (cc) Streitentscheidung Es empfiehlt sich jedoch an dieser Stelle, die Hintergründe der Schiedsrechtsnovellierung aus dem Jahre 1998 und die damit einhergehende gesetzgeberische Intention miteinzubeziehen. Diese ging davon aus, dass durch das in § 1042 Abs. 1 S. 1 n. F. ZPO grundsätzlich verankerte Gebot der Gleichbehandlung der Parteien während des Verfahrens die Situation eines nicht hinnehmbaren Übergewichts nur bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts und damit bei einer diesbezüg-

386

BGHZ 159, 207 (212/213). BGH JZ 2008, 358 mit Anm.  Mäsch, 359 (362); Lachmann, Handbuch für Schiedsgerichtspraxis, Rz. 317. 387

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lichen Vereinbarung vor Beginn des Verfahrens auftreten kann388. In dieser Situation verzichtet der Gesetzgeber nun aber ausdrücklich auf die Unwirksamkeitsfolge des § 1025 Abs. 2 a. F. ZPO, indem er sie durch die Ausgleichsregelung des § 1034 Abs. 2 n. F. ZPO ersetzt389. Damit bringt er zum Ausdruck, dass ein bereits angelegtes Übergewicht nicht zwangsläufig dazu führt, dass kein Schiedsgericht angenommen werden kann, weil es aus seiner Sicht an einer grundlegenden Benachteiligung mangelt. Ferner geht der Gesetzgeber zwar davon aus, dass die Parteien grundsätzlich gleichwertig die jeweiligen Schiedsrichter benennen können, eröffnet aber zugleich über die §§ 1034 Abs. 1 S. 1, 1035 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit, zumindest individuelle und damit weniger gleichgewichtige Benennungskonstellationen zu vereinbaren. Dies muss in konsequenter Anwendung des § 1066 ZPO auch für satzungsmäßige Schiedsgerichtsvereinbarungen gelten390. Zudem ist es auch nicht untypisch, dass bei Verträgen zwischen zwei Parteien eine Partei der anderen wirtschaftlich oder sozial überlegen ist und damit ihr eine größere Einflussnahme zukommt. Dies führt in der Regel gerade nicht zur Unwirksamkeit solcher vertraglicher Vereinbarungen391. Daher ist kein Grund ersichtlich, dies im Zusammenhang mit schiedsrechtlichen Individualvereinbarungen anders zu handhaben. Schließlich kann der dagegen gerichtete Einwand, satzungsmäßig und individualrechtlich vereinbarte Schiedsklauseln müssten wegen der unterschiedlichen Art der Einflussnahme anders behandelt werden, zumindest an dieser Stelle durch einen Verweis auf § 1066 ZPO der Boden entzogen werden392. Demzufolge lässt ein satzungsmäßig angelegtes Übergewicht des Verbandes nicht den Schluss zu, dadurch würde schon gar keine Schiedsgerichtsbarkeit vorliegen393. Eine solche Annahme würde dem grundsätzlich privatautonom gebildeten und auf Abschluss einer Schiedsklausel gerichteten Willen der Parteien zu sehr unberücksichtigt lassen394. Ebenso würde es sich im Zusammenhang mit einer satzungsmäßigen Vereinbarung verhalten. Somit erweist sich die liberale Ansicht als vorzugswürdig.

388

BT-Drucksache 13/5742, S. (39). Abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/057/ 1305274.pdf. 389 Vgl. Fn.  383 sowie Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 75; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 169; BGH JZ 2008, 358. 390 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 73. 391 Vgl. dazu auch die Maßstäbe der Rspr. in Zusammenhang mit der Annahme einer Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB, Palandt/Ellenberger, § 138 Rz. 34d ff. 392 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 74. 393 A. A. Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 77. 394 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 (230).

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(c) Zwischenergebnis zum Kriterium der Unabhängigkeit in Zusammenhang mit einer ungleichen Einflussnahmemöglichkeit Somit kann die besagte Überlegung, nach der bereits bei einem teilweisen Übergewicht des Sportfachverbandes im Wege einer größeren Einflussnahmemöglichkeit auf die Schiedsrichterbesetzung die Verankerung eines „echten Schiedsgerichts“ abzulehnen und damit dies erst recht bei einem einseitigem Bestellungsrecht anzunehmen wäre, nicht aufrecht erhalten werden395. Es muss daher entschieden werden, welche anderen Gesichtspunkte in Zusammenhang mit dem einseitigen Bestellungsrecht den Schluss auf die Nichtannahme eines „echten Schiedsgerichts“ zu rechtfertigen vermögen. (d) Stellungnahme zum Kriterium der Unabhängigkeit in Zusammenhang mit einer einseitigen Einflussnahmemöglichkeit Einleuchtend ist zunächst, dass niemand Schiedsrichter in eigener Sache sein kann und darf. Demzufolge führt eine Satzungsbestimmung, in der ein Sportfachverband, sein gesetzlicher Vertreter oder eines seiner Organe zum Schiedsrichter bestellt wird, dazu, dass lediglich interne Verbandsgerichtsbarkeit vorliegt396. Dann kann auch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine neutrale Instanz die jeweilige verbandsrechtliche Streitigkeit entscheiden wird. Dies stellt demzufolge die nicht übertretbare Grenze des Grundsatzes der Unabhängigkeit dar, die nur gewahrt werden kann, wenn vom Sportfachverband unabhängige Personen durch eine neutrale Instanz benannt werden397. Dies kann beispielsweise für den Deutschen Eishockeyverband angenommen werden. Dieser sieht nach Art. 1 Ziff. 2b Schiedsgerichtsordnung des DEB vor, dass der Präsident der Industrie- und Handelskammer München sämtliche Richter des Ständigen Schiedsgerichts des DEB benennt, ohne dass den Parteien ein Vorschlagsrecht eingeräumt wird. Jedoch ist es auch einleuchtend, dass es nicht nur allein auf die Manifestierung objektiver Elemente für die Abgrenzung zwischen einem Schieds- und einem Vereinsgericht ankommen kann. Denn dies führt zu einer Missachtung bzw. einem Übergehen des maßgeblichen Willens der Parteien. Diesem muss dem Grunde 395 Im Ergebnis zustimmend in Bezug auf die Handhabung eines maßgebenden Einflusses Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 10; gänzlich zustimmend sogar Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 178 Rz. 2; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 (230). 396 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 178 Rz.  24 und 26; Kröll, ZIP 2005, 13 (17); kritisch Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 504–506, da er Verbandsgerichte nicht als wesensgleiches Minus eines Schiedsgerichts ansieht, sondern von einem aliud-Verhältnis ausgeht. 397 PHB SportR-Pfister II 4/374; so auch Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, 8 (13).

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nach noch eine stärkere Bedeutung beigemessen werden, denn die Einrichtung eines Schiedsgerichts findet ihre Grundlage gerade in der Privatautonomie398. Davon geht der Leitgedanke der gesetzgeberischen Intention in Zusammenhang mit der Schiedsrechtsnovellierung aus399. Dieser kommt im Rahmen von Individualvereinbarungen jedoch stärker zur Geltung als bei Satzungsbestimmungen, die grundsätzlich dem Mehrheitsprinzip unterliegen. (2) Alternative: Differenzierung der Anforderungen an die Unabhängigkeit Dies kann möglicherweise dazu führen, dass das Kriterium der Unabhängigkeit in Relation zur jeweiligen Vereinbarungskonstellation zwischen Sportler und Verband jeweils unterschiedlich gewichtet werden muss400. Hierbei sind vier Konstellationen denkbar: Abschließen einer individualrechtlichen Schiedsvereinbarung nach (a) oder vor Entstehen des Streitfalls (b) bzw. eine satzungsrechtliche Verankerung nach (c) oder vor Entstehen des Streitfalls (d). (a) Individualrechtliche Schiedsvereinbarung nach Entstehen des Streitfalls Der Fall einer schiedsrechtlichen Individualvereinbarung nach Entstehen eines Streitfalles zeichnet sich dadurch aus, dass im Gegensatz zur einer abstrakten Vereinbarung vor Entstehung des Streitfalls, bei der die Parteien darauf vertrauen, dass zukünftig keine Streitigkeiten entstehen und daher der Vereinbarung nicht die ihr angemessene Bedeutung beimessen, hier der Konflikt bereits entstanden ist. Die Beteiligten wollen sich bewusst einer außerstaatlichen Instanz zur Streitbehebung unterwerfen und kennen dabei auf Grund der konkreten Ausgestaltung etwaige Beziehungen der Schiedsrichter zu einer oder mehreren Parteien. Schließen sie vor diesem Hintergrund gleichwohl eine Schiedsvereinbarung mit einer zu einer Partei beziehungstechnisch verflochtenen Schiedsrichter, darf dies im Hinblick auf die Beachtung der Privatautonomie401 nicht dazu führen, dass mangels Unabhängigkeit des Schiedsrichters von keinem echten Schiedsgericht ausgegangen werden darf402. Dafür spricht vor allem der Umstand, dass der Grundsatz der Unabhängigkeit im schiedsgerichtlichen Verfahren einzig dem Schutz der Parteien 398

BGH JR 2008, 240 mit Anm. Elsing, 242 (242); Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 3; Haas/ Gedeon, SpuRt 2000, 228 (230). 399 Vgl. die Begründung zu § 1034 Abs. 2 ZPO, BT-Drucksache 13/5742, S. (39). Abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/057/1305274.pdf. 400 In diese Richtung tendiert auch Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 (229); angedeutet auch in BGHZ 65, 59 (64). 401 BGH JR 2008, 240 (241). 402 BGHZ 65, 59 (65/66).

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dient und demzufolge nicht von Nöten ist, sofern sie einen solchen Schiedsrichter benennen und dabei die Bedeutung und Tragweite ihrer Vereinbarung klar zu überblicken vermögen403. Daher sind keine übertriebenen Anforderungen an das Kriterium der Unabhängigkeit zu stellen; die Grenze einer unzulässigen Überschreitung ist auch hier am „Richten in eigener Sache“ festzumachen. Die Situation einer nachträglichen Streitentstehung ist beispielsweise denkbar, sofern sich ein Sportler gegen den zuvor erfolgten Vorschlag zur Nominierung eines Konkurrenten durch den Sportfachverband wendet und einen Verstoß gegen die Chancengleichheit geltend macht404. Sofern der Sportfachverband kein eigenes Schiedsgericht vorsieht, ist nach Durchlaufen des verbandsinternen Rechtsweges der Weg vor die ordentliche Gerichtsbarkeit eröffnet. Wegen der besonderen Sachnähe eines Schiedsgerichts zum Sport wie zum Beispiel dem Deutschen Sportschiedsgericht405 würde es sich aber als vorzugswürdig erweisen, nun dessen Zuständigkeit zu vereinbaren. Selbst wenn es sich bei dem Deutschen Sportschiedsgericht um keine klassische, neutrale schiedsgerichtliche Instanz handeln würde406, müssten hier von einem „echten Schiedsgericht“ ausgegangen werden, sofern das Verbot „des Richtens in eigener Sache“ befolgt wird. Denn maßgebende Bedeutung ist hier dem Parteiwillen zuzusprechen. (b) Individualrechtliche Vereinbarung vor Entstehen des Streitfalls Dieser Art der vertraglichen Vereinbarung kommt bei fehlender Mitgliedschaft durch die Teilnahme an den Einrichtungen des Verbandes bzw. an seinem nach bestimmten Regeln ausgeführten Sportbetrieb zustande. Denn für jeden Teil­nehmer müssen besagte Regeln unabhängig von ihrer jeweiligen vereinsrechtlichen Zugehörigkeit gleichermaßen gelten, damit überhaupt ein fairer Wettkampf prinzipiell gewährleistet werden kann407. Dabei sind mehrere rechtlich relevante Situationen denkbar. Entweder meldet sich der Sportler zu einem konkreten Wettkampf und erklärt mit dieser Meldung konkludent oder ausdrücklich, dass er die zum Wettbewerb gehörende Ordnung mitsamt ihren Sanktions- und Streitentscheidungsmechanismen des Verbandes anerkennt (Teilnahme- oder Nominierungs­ 403

BGHZ 65, 59 (66). Vgl. hierzu LG Hamburg, SpuRt 2012, 203, wo es um die Klage einer Seglerin gegen ihren Verband ging, der zuvor eine Mitkonkurrentin in der 470er Bootsklasse zur Nominierung durch das nationale olympische Komitee vorgeschlagen hatte. Hier bestand keine Schiedsgerichtsvereinbarung und wurde auch nach Streitentstehung nicht vereinbart, so dass der Weg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet gewesen ist. 405 Siehe ausführlicher zum Deutschen Sportschiedsgericht und dessen Stellung als „echtes Schiedsgericht“ unten, S.  127–131. Dessen Zuständigkeit ist in der Regel in den jeweiligen Satzun­gen der Sportfachverbände für Dopingangelegenheiten vorgesehen, jedoch selten für sämtliche Verbandsstreitigkeiten. 406 Vgl. hierzu die Überlegungen in BGHZ 65, 59 (65/66). 407 BGH JZ 1995, 461 (462). 404

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vertrag408). Oder aber er beantragt eine generelle Spiel- bzw. Starterlaubnis im Sinne einer Lizenzerteilung409 (Antrag im Sinne von § 145 BGB), bei deren Erhalt (im Sinne einer Annahme) der Sportler verspricht, sich bei seiner sportlichen Betätigung an die sportlichen Regeln des ausstellenden Verbandes zu halten und bei etwaigen Regelverstößen sich dessen Sanktionsgewalt zu unterstellen410. Dabei ist es ausreichend, dass die maßgebenden Regelwerke, wenn sie dem Sportler nicht ausdrücklich bekannt gemacht worden sind, in betreffenden Sportlerkreisen in ihrem wesentlichen Inhalt allgemein bekannt sind411. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, eine solche Vereinbarung explizit durch einen individuellen, schriftlichen Vertragsabschluss zwischen dem Verband und dem Sportler zu treffen412. Im Unterschied zur ersten Variante  – der Vereinbarung nach Entstehen des Streitfalls  – ist dieses Modell dadurch gekennzeichnet, dass dem damit einhergehenden Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit im Vertrauen auf das Aus­ bleiben eines Rechtsstreits regelmäßig keine große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zudem haben die Sportler in der Regel nicht einmal mittelbar die Möglichkeit, auf die Regelsetzung und damit auf dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung Einfluss zu nehmen. Ähnlich zur Handhabung in Bezug auf die Überprüfbarkeit verbandsinterner Maßnahmen sozialmächtiger Vereine kann dieses Defizit nur durch höhere Anforderungen an die Unabhängigkeit kompensiert werden. Demnach ist in diesem Zusammenhang zu fordern, dass der Sportler – wenn schon nicht paritätisch – zumindest in irgendeiner Form Einfluss auf die Besetzung des für ihn maßgebenden Schiedsgerichts nehmen kann, um eine wirksame Statuierung eines „echten Schiedsgerichts“ annehmen zu können413. Jedoch setzte der BGH diesen Maßstab der Unabhängigkeit in einem ebenfalls einer Individualvereinbarung zuzuordnenden Fall herab414, in dem es um die einseitige Bestellung des Schiedsrichters für Streitigkeiten aus dem zuvor geschlos­ senen Bauträgervertrages ging, der eine Schiedsgerichtsvereinbarung enthielt. Er 408

PHB SportR-Summerer II 2/217. PHB SportR-Summerer II 2/217; Röhricht, in: Sportgerichtsbarkeit, 19 (36). 410 BGH JZ 1995, 461 (464) – „Reiterentscheidung“; PHB SportR-Summerer II 2/218. Selbst wenn nur das jeweilige Regelwerk (oder nicht mal dieses) ausdrücklich dem Sportler zugesendet wird, ist es im Wege der Auslegung der jeweiligen maßgebenden Verkehrssitte im Sinne von § 157 BGB Bestandteil des Vertrages geworden. Vgl. dazu die Anm. von Pfister, JZ 1995, 464 (466). Siehe ferner vertiefend auch die Anmerkungen und Besprechungen zur „Reiterentscheidung“ von Vieweg, SpuRt 1995, 97, der im Ergebnis die individualvertragliche Unterwerfung als vorzugswürdig erachtet, und von Fenn, SpuRt 1997, 77, der zu den Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Unterwerfung und einer Unterwerfung im Wege der Wettkampfmeldung Stellung nimmt; hierzu auch Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146. 411 BGH JZ 1995, 461 mit Anm. Pfister, 464 (467). Maßgebend ist die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme z. B. durch Auslegen der Verbands- und Sanktionsregeln beim Verband selbst oder beim Wettkampfveranstalter, vgl. PHB SportR-Summerer II 2/220. 412 BGH JZ 1995, 461 (464). 413 Vgl. hierzu auch die interessante Ausführung des schweizerischen Bundesgerichts zur institutionellen Unabhängigkeit des CAS, BG SpuRt 2004, 38 (39–41). 414 BHG, Urt. v. 1.3.2007 – III ZR 164/06 = BGH NJW-RR 2007, 1466. 409

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berief sich dabei auf den genannten Leitgedanken der Schiedsrechtsnovellierung und entschied, dass auch das einseitige Ernennungsrecht einer Partei nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung führen würde415, sondern vielmehr über § 1034 Abs. 2 n. F. ZPO eine vermeintliche, unzulässige Einschränkung des Ernennungsrechts behoben werden kann. Damit betonte der BGH, dass der Schwerpunkt der Differenzierung zwischen einem Verbandsgericht und einem Schiedsgericht auf dem privatautonom gebildeten Willen der beteiligten Parteien liegt. Die Grenze des Grundsatzes der Unabhängigkeit liegt demzufolge einzig im „Richten in eigener Sache“416, wonach erst dann von Verbandsgerichtsbarkeit ausgegangen werden muss, wenn über das einseitige Ernennungsrecht Verbandsmitglieder oder deren weisungsabhängigen Vertreter berufen werden417. Diese erweisen sich dejure nicht als neutrale Schiedsrichter einer schiedsrechtlichen Streitentscheidung, so dass dadurch begrifflich keine Schiedsgerichtsbarkeit vorliegen kann418. Der Entscheidung des BGH müsste auf Grund des vorangegangenen Ergebnisses dem Grunde nach die Zustimmung versagt werden, weil es überhaupt an einer Einflussnahmemöglichkeit der anderen Vertragspartei mangelt. Jedoch widerspricht sie diesem nur auf dem ersten Blick. In dem Fall ging es um einen individuellen Bauträgervertrag, bei dem die Parteien vor Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt hatten, auf die inhaltliche Gestaltung Einfluss zu nehmen. Diese Option besitzt der Sportler jedoch zumindest bei der Konstellation einer Lizenzerteilung oder dem konkludent erteilten Einverständnis im Rahmen einer Wettkampfmeldung aber nicht. Zwar handelt es sich auch hier um einen Individualvertrag zwischen ihm und dem austragenden Verband bzw. Lizenzgeber. Jedoch hat Letztere die Zuständigkeit des vermeintlichen Schiedsgerichts bereits zuvor in ihrer Satzung verankert, worauf der Sportler wiederum keinen Einfluss gehabt hat. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, für die Annahme eines Schiedsgerichts irgendeine Einflussnahmemöglichkeit auf die Besetzung zu fordern und damit den Maßstab für die Unabhängigkeit zu erhöhen. Bei einer individualvertraglichen Situation, bei der wirkliche Gestaltungsmöglichkeiten für die Parteien bestehen, ist dies jedoch nicht notwendig. Daher können in diesen Fällen an das Kriterium der Unabhängigkeit auch geringere Anforderungen gestellt werden. Somit verbleibt es bei der zuvor gemachten Aussage: Bei individualvertraglichen Vereinbarungen im Rahmen von Lizenzerteilungen oder Wettkampfmeldungen vor Streitentstehung ist ein höherer Maßstab für die Annahme der Unabhängigkeit zu fordern. Lediglich bei „wirklichen“ Individualvereinbarungen verschiebt sich dieser erst wieder in Richtung des Verbots des „Richtens in eigener Sache“.

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BHG NJW-RR 2007, 1466 (1466). Im Ergebnis so auch BGHZ 65, 59 (67), wenn auch bezugnehmend auf eine andere „Vereinbarungskonstellation“. 417 Haas, SpuRt 2000, 228 (229). 418 Kröll, ZIP 2005, 13 (17). Eher ablehnend Mäsch, JZ 2008, 359 (362). 416

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(c) Satzungsrechtliche Verankerung nach Entstehen des Streitfalls Anders verhält es sich jedoch, wenn im Rahmen einer internen, vorprozessualen Auseinandersetzung zwischen einem Mitglied und seinem Verband eine Schiedsklausel durch Mehrheitsentscheidung der Mitgliederversammlung in die Satzung aufgenommen wird, vor allem, wenn das sich streitende Mitglied dieser Änderung nicht zugestimmt hat. In einer solchen Konstellation entschied der BGH419, dass nicht mehr von einem freiwilligen Verzicht auf den Zugang zu staatlichen Gerichten ausgegangen werden kann. Dort ging es um ein Mitglied eines Tierzüchtervereins, welches die Aufnahme einer Schiedsklausel in die Satzung abgelehnt hatte, jedoch mehrheitlich überstimmt worden war. Es hätte nun zwar die Möglichkeit gehabt, freiwillig aus dem Zuchtverband auszutreten, um sich der Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit zu entziehen; ein Verbleiben im Verband bzw. Verein wäre demnach als freiwilliger Verzicht zu werten gewesen420. Diese Möglichkeit stünde nach Ansicht des BGH aber nicht denjenigen offen, die aus wirtschaftlichen, sozialen und faktischen Zwängen auf die Mitgliedschaft im (Monopol-)Verband angewiesen seien. So gestaltete sich aber die Situation beim ablehnenden Mitglied, welches als Züchter die Mitgliedschaft im Tierzucht­ verein benötigte, um weiterhin Deutsche Schäferhunde züchten, an Meisterschaften teilnehmen und mit seinen Hunden Ausstellungen besuchen zu können421. Damit kam für ihn kein Austritt in Frage, aus dem eine Kompensation des Verzichts auf den staatlichen Richter hätte hergeleitet werden können. Somit könne ihm dann auch nicht eine nachträglich eingefügte Schiedsklausel entgegengehalten werden, so dass für dieses Mitglied der Weg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei422. Die Entscheidung des BGH betrifft in erster Linie die Frage der Wirksamkeit einer satzungsmäßigen Schiedsvereinbarung. Jedoch ist auf sie einzugehen. Denn sofern ihr nicht gefolgt werden könnte, müsste das ablehnende Mitglied auf das Schiedsgericht verwiesen werden. Vor dem Hintergrund des damit einhergehenden Zwangs kann dies dazu führen, dass erneut höhere Anforderungen verlangt werden müssen, um ein Schiedsgericht letztendlich annehmen zu können. Daher ist zu fragen, ob die vom BGH vertretene Ansicht in rechtlicher Hinsicht zu befürworten ist. Denn damit werden zwei parallel laufende Zuständigkeiten – die der ordentlichen Gerichtsbarkeit und die der Schiedsgerichtsbarkeit – begründet, vor denen in Relation dazu, ob es sich bei der beteiligten Partei um ein befürwortendes oder ablehnendes Mitglied handelt, eine vereinsrechtliche Streitigkeit auszutragen wäre. Dies erscheint im Hinblick auf den Maßstab der Rechtssicher 419

BGH, Urt. vom 3.4.2000 – II ZR 373/98 = BGHZ 144, 146. BGHZ 144, 146 (149). 421 BGHZ 144, 146 (150). 422 BGHZ 144, 146 (146/151). 420

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heit fragwürdig. Zudem wirft eine solche Handhabung das Problem auf, ob der Leitgedanke der Mehrheitsentscheidung im Vereins- und Verbandsrecht zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Vereine bzw. Verbände dadurch aufrechterhalten werden kann423. Auf Grundlage dieser Entscheidung müsste die weitergehende Frage aufgeworfen werden, wie es sich im Zuge dessen mit anderen auf einer Mitgliederversammlung beschlossenen Satzungsänderungen verhalten würde, die von einzelnen Mitgliedern abgelehnt worden sind. Dieser Rechtsprechung folgend, müssten auch diese Änderungen keine Wirkung für die ablehnenden Mitglieder entfalten dürfen, sofern jene auf ihrer Seite eine grundrechtlich geschützte Position vergleichbar dem Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit verbuchen können. Damit wäre der Verband oder der Verein zwangsläufig seiner Handlungsfähigkeit beraubt. Folgerichtig kann dieser Entscheidung des BGH nicht gefolgt werden. Jedoch muss dies nicht mit einer Minderung des angesprochenen Grundrechts einhergehen. Vielmehr sind in diesem Fall stärkere Anforderungen an das Kriterium der Unabhängigkeit zu stellen. Eine satzungsmäßige Ausgestaltung selbiger in der Form eine Einflussnahme auf die Bestellung der Schiedsrichter sowie die Gewährung eindeutiger und dem staatlichen Gerichtsverfahren vergleichbarer Verfahrensrechte wie sie bereits grundsätzlich in BGH-Urteil vom 4.6.2004424 gefordert worden sind, führen zu einem auch für das ablehnende Mitglied gleichwertigen Rechtsschutz. Sofern die Satzungsänderung diesen Anforderungen nicht gerecht wird, ist davon auszugehen, dass in diesem Fall kein Schiedsgericht vorliegt; mit der Folge, dass dann auch wieder der Weg für alle Mitglieder gleichermaßen zu den staatlichen Gerichten geebnet ist. Für den Fall, dass satzungsmäßig ein Schiedsgericht nach Streitentscheidung einvernehmlich auf der Mitgliederversammlung vereinbart worden ist, sind die Anforderungen an die Unabhängigkeit wiederum herabsetzbar, weil es insoweit an einer Schutzbedürftigkeit vergleichbar mit der Situation einer individualrechtlichen Vereinbarung nach Streitentstehung fehlt425. (d) Satzungsrechtliche Verankerung vor Entstehen des Streitfalls Für die letzte denkbare Konstellation – der satzungsrechtlichen Verankerung vor Entstehung eines Streitfalles – kann zunächst auf die zuvor getätigte Darstellung verwiesen werden426. In Zusammenschau mit den aufgezeigten Vereinbarungskonstellationen und den daraus resultierenden Auswirkungen auf das Kriterium der 423 Zustimmend im Hinblick auf die Möglichkeit, Schiedsgerichte per Mehrheitsbeschluss in die Verbandssatzung aufnehmen zu können, auch Vieweg, Normsetzung, S. 267. Ebenso Haas, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, 43 (54). 424 Siehe oben BGHZ 159, 207 ff. 425 Siehe oben, S. 86–87. 426 Siehe oben, S. 79–85.

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Unabhängigkeit wird auch hier anzunehmen sein, dass zumindest irgendeine Form der Einflussnahme auf die Besetzung des Schiedsgerichts zu fordern ist, um selbiges annehmen zu können. bb) Schlussfolgerungen hinsichtlich der Unabhängigkeit eines Schiedsgerichts Es zeigt sich damit, dass der Maßstab für die jeweils notwendige Unabhängigkeit flexibel zu handhaben ist und die konkreten Anforderungen von der jeweiligen Vereinbarungskonstellation abhängen427. Somit lässt sich ihm allenfalls in seinem Kernbereich eine konstitutive Wirkung zusprechen428. Am höchsten ist er bei einer satzungsmäßigen Vereinbarung nach Streitentstehung, bei der diese vom streitenden Mitglied abgelehnt worden ist und bei einer satzungsmäßigen Vereinbarung vor der eigentlichen Streitentscheidung zu gewichten. Geringer  – und zwar in Richtung des Verbots eines „Richtens in eigener Sache“ – fällt die Gewichtung sowohl bei der Individualvereinbarung nach Streitentstehung als auch bei der einvernehmlichen satzungsmäßigen Verankerung nach Streitentstehung aus. Dies gilt für die letzte verbliebene Konstellation – der Individualvereinbarung vor Streit­ent­ stehung – nur dann, wenn beide Parteien zuvor gleichermaßen Einfluss auf die vertragliche Gestaltung gehabt haben. Diese Differenzierung ist im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip der Rechtssicherheit zwar angreifbar, rechtfertigt aber nicht eine Missachtung des jeweiligen Parteiwillens. d) Endergebnis zu den Charakteristika eines „echten Schiedsgerichts“ Demzufolge kann es dem Grunde nach nur auf eine Gesamtschau429 der für den Einzelfall maßgebenden Kriterien hinauslaufen. Dabei erweisen sich der Wille der Parteien zum Entscheiden einer Rechtstreitigkeit durch den in Frage stehenden Spruchkörper anstelle der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Kernbereich des Unabhängigkeitsgrundsatzes – das Verbot des Richtens in eigener Sache – als die essentialia negotii430 der Abgrenzung, während anderen Kriterien nur eine mehr 427 So dann auch wieder Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 78. 428 In diese Richtung tendiert auch Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S.  506 und S. 508, der auf die verschiedenen Formen mangelnder Unabhängigkeit verweist, trotz derer sowohl die Annahme eines Schiedsgerichts weiterhin zulässig sein kann als auch jene, dass keine Schiedsgerichtsbarkeit vorliegt und infolgedessen die Abgrenzung zwischen Schieds- und Verbandsgerichten anhand einer Gesamtschau zu erfolgen hat. 429 OLG Frankfurt im Beschl. v. 29.7.1970 – 18 W 32/70 in NJW 1970, 2250 (2252); BGHZ 159, 207 (214); Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 508. 430 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 (231) und auch Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 63, dem jedoch aus besagten Gründen nur im Hinblick auf die ersten beiden Merkmale zu folgen ist.

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oder weniger starke Indizienwirkung beizumessen ist431. Zu diesen sind die Benennung des Spruchkörpers, das Vorsehen der ergangenen Entscheidung zur Vollstreckung durch staatliche Gerichte (§ 1060 ZPO) sowie die verfahrensrechtliche Ausgestaltung in der Satzung im Hinblick auf den nominellen, schiedsgerichtlichen Spruchkörper wie z. B. die Gewährung rechtlichen Gehörs zu zählen432. Lässt die Bewertung der konstitutiven Kriterien im Zusammenspiel mit denjenigen, denen einen Indizienwirkung zuzusprechen ist, keinen eindeutigen Schluss auf das Vorliegen einer Schiedsgerichtsbarkeit zu, ist im Zweifel von einem „unechten Schiedsgericht“ und damit einer Verbandsgerichtsbarkeit auszugehen433. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass staatlicher Rechtsschutz damit weiterhin möglich ist, dann auch als die weniger einschneidende Maßnahme434. II. Abgrenzung zum „unechten Schiedsgericht“ (Vereins- oder Verbandsgericht) Sofern die Voraussetzungen eines Schiedsgerichts nicht vorliegen, ist von Vereins- bzw. Verbandsgerichtsbarkeit auszugehen. Diesbezüglich bestehen in prozessualer Hinsicht einige Besonderheiten, auf die ein kurzer Blick zu werfen ist. 1. Definition eines „unechten Schiedsgerichts“ (Vereins- oder Verbandsgericht) Unter einem Vereinsgericht oder Verbandsgericht ist ein Gremium zu verstehen, dessen „Rechtsprechung“ die vereinsinterne Willensbildung in Bezug auf Verwaltungs- und Disziplinarmaßnahmen darstellt435. Jene können demnach einseitig Maßnahmen mit Sanktionscharakter436 gegenüber einem Mitglied im Namen des Vereines oder des Verbandes treffen und halten gegebenenfalls einen mehrstufigen Instanzenzug zur weiteren Überprüfbarkeit dieser Sanktion bereit437. Dies entspricht der nach Art. 9 GG zustehenden Selbstregulierungsbefugnis des Vereines bzw. Verbandes438. Die Zuständigkeit eines Verbandsgerichts und mithin eine Verbandsstreitigkeit ist auch gegeben, wenn es um die Frage der richtigen Anwendung verbandsinterner Reglungen geht439. 431

Kröll, ZIP 2005, 13 (18/19). Vgl. dazu Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 78–83 in ausführlicherer Form und auch Kröll, ZIP 2005, 13 (18–19). 433 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 78–79; Kröll, ZIP 2005, 13 (19–20). A. A. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 504–506. 434 Kröll, ZIP 2005, 13 (20). 435 Kröll, ZIP 2005, 13 (14). 436 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 19. 437 Soergel/Hadding, § 25 BGB Rz. 54. 438 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 179. 439 LG Kassel SpuRt 2012, 76 (77). 432

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2. Vorrang der Vereins-/Verbandsgerichtsbarkeit Prozessual-rechtlich wird die Verbands- bzw. Vereinsgerichtsbarkeit bedeutsam, sofern ein Verband oder ein Verein dem Betroffenen derartige Instanzen zur Verfügung stellt, um die gefällten Entscheidungen und ausgewählten Maßnahmen der eigenen Rechtsorgane auf ihre Vereinbarkeit mit den selbst gesetzten Regelungen zu überprüfen. Diese müssen dann auch vorrangig durchlaufen werden440. Andernfalls würde in unzulässigem Maße in die Vereins- bzw. Verbandsautonomie eingegriffen werden, wenn dem Betroffenen unter Umgehung des internen Instanzenzuges ein direkter Zugriff auf die ordentliche Gerichtsbarkeit gewährt werden würde441. Denn erst mit dessen Ablauf ist die interne Vereins- oder Verbands­ willensbildung endgültig vollzogen442. Daraus folgt, dass erst danach im normalen Klageverfahren vor staatlichen Gerichten die getroffene Maßnahme überprüfbar ist443. Ausnahmsweise ist ein betroffenes Mitglied nicht dazu angehalten, erst den internen Instanzenzug zu bestreiten, sofern ihm dies im Einzelfall nicht zumutbar ist444. Eine solche Unzumutbarkeit ist beispielsweise gegeben, wenn das in der Satzung vorgesehene Rechtsmittel ungebührlich verzögert wird445, die getroffene Maßnahme offensichtlich gesetzes- oder satzungswidrig ist446 oder die Durchführung des Verbandsverfahrens rein aus formalen Gesichtspunkten erfolgen würde447. Schließlich muss das Verbandsverfahren auch nicht durchlaufen werden, sofern der Rechtssuchende einstweiligen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten begehrt. Denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass in der Zwischenzeit Tatsachen geschaffen werden würden, die von einem staatlichen Gericht nicht mehr behoben werden können448. Dies kann aber wiederum nur insoweit gelten, als dass das an sich zuständige Verbandsorgan nicht wirksam einstweiligen Rechtsschutz gewähren kann. Sofern eine solche Möglichkeit jedoch besteht, muss auch hier zunächst das Verbandsverfahren durchlaufen werden, bevor der Weg zum staatlichen Eilrechtsschutz beschritten wird449. 440

Röhricht, in: Sportgerichtsbarkeit, 19 (25). Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 1021. 442 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 221. 443 Kröll, ZIP 2005, 13 (14); Soergel/Hadding, § 25 BGB Rz.  57; Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 44; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 222. 444 Soergel/Hadding, § 25 BGB Rz. 57; Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 45. 445 Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 1021; BGH NJW 1960, 2143 (2144). 446 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 181. 447 Haas/Prokop, SpuRt 1996, 109 (112). 448 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 45. 449 Haas/Prokop, SpuRt 1996, 109 (113). Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 298. Vgl. dazu auch den Verfahrensgang im „Fall Dieter Baumann“, OLG Frankfurt SpuRt 2000, 197 (198), wo zunächst einstweiliger Rechtsschutz beim Rechtsausschuss des DLV beantragt wurde. Siehe hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen des einstweiligen 441

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Gar gänzlich ausgeschlossen ist der Weg zu den ordentlichen Gerichten, sofern versäumt worden ist, innerhalb einer satzungsmäßigen Ausschlussfrist ein internes Rechtmittel einzulegen450. Denn dadurch gibt das betroffene Mitglied zu erkennen, dass es sich der Entscheidung unterwirft. Der Rückgriff auf Ausschlussfristen zur Anrufung der ordentlichen Gerichte dient damit der Rechtssicherheit und der weiteren Gestaltung des Verbandslebens, da die Verbände dadurch wissen, welche Rechtsstreitigkeiten durch die Entscheidung der eigenen Organe als abgeschlossen angesehen werden können451. Ein solcher Ausschluss muss allerdings deutlich aus der Satzung hervorgehen452. Schließlich besteht auch ohne satzungsmäßige Verankerung einer Ausschlussfrist – wenn auch vor dem Hintergrund des nach dem Rechtsstaatsprinzip gebotenen allgemeinen Prozessgrundrechts in engen Grenzen – die Möglichkeit, über das Rechtsinstitut der Verwirkung die staatliche Gerichtsbarkeit auszuschließen453. Dazu muss das von einer Maßnahme betroffene Mitglied in vorwerfbarer Weise versäumt haben, die rechtliche Wirksamkeit der Maßnahme vor einem staatlichen Gericht überprüfen zu lassen454. III. Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Zusammenhang mit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes Neben der Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit staatlicher Rechtsschutz durch ein Schiedsgericht ersetzt werden kann, ist von Bedeutung, ob dies sich auch umfassend vollzieht. Namentlich geht es um die Berechtigung eines Schiedsgerichts, neben der Befassung in der Hauptsache auch einstweiligen Rechtsschutz gewähren zu können. 1. Einstweiliger Rechtsschutz durch Schiedsgerichte Die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes gewährleistet vor allem, dass der Rechtssuchende wirkungsvoll Rechtswege beschreiten kann455. Neben den gängigen Hauptsacheverfahren vor ordentlichen Gerichten ist in der eilbedürftigen Welt des Sports oftmals die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als die einzige für Rechtsschutzes Reichert, VereinsR, Rz.  3407–3418, sowie Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 299–307, allgemein und speziell in Zusammenhang mit vorläufigen Suspendierungen. 450 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 181. 451 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 181. 452 Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 1022; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 223. 453 Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 1023. 454 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 43. 455 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 370.

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den Sportler in Betracht zu ziehende, gewinnversprechende Rechtsschutzmöglichkeit einzuordnen. Mit der Möglichkeit des Ausschlusses der ordentlichen Gerichtsbarkeit in der Hauptsache im Wege der Schiedsgerichtsbarkeit ergibt sich daher die Frage, ob damit zugleich auch der Eilrechtschutz vor staatlichen Gerichten ausgeschlossen werden kann. Sogleich ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Problematik einzig in Zusammenhang mit „echten Schiedsgerichten“ stellt. Denn sofern es bei den „unechten Schiedsgerichten“  – den Verbandsgerichten  – nicht möglich ist, die staatliche Gerichtsbarkeit in der Hauptsache auszuschließen, kann dies auch nicht hinsichtlich des einstweiligen Rechtschutzes gelten456. a) Möglichkeit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Schiedsgerichte Lange war umstritten, ob Schiedsgerichte grundsätzlich berechtigt sind, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren. Für eine solche Möglichkeit wurde insbesondere angeführt, dass der Hauptgrund der Parteien für die Vereinbarung eines Schiedsgerichts  – die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens, um Interna nicht nach außen tragen zu müssen – auch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestehen würde. Dies könnte nicht mehr gewährleistet werden, wenn die Parteien für dieses Verfahren auf staatliche Gerichte angewiesen wären: Selbst bei einer summarischen Prüfung müssten einige Interna dem Richter vorgetragen werden, um eine entsprechende Grundlage für den Erlass einer einstweiligen Verfügung schaffen zu können. Damit würde der besagte Zweck der eigentlichen Vereinbarung konterkariert werden457. Zwar ist die Möglichkeit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Schiedsgerichte vor allem im Rahmen des Gesellschaftsrechts diskutiert worden, wo ein besonderes Interesse an der Nichtöffentlichkeit des Verfahrens besteht. Jedoch besteht auch in der sportrechtlichen Situation zwischen Sportler und Verband das Bedürfnis nach der Vermeidung von Publizität. Hier kann beispielsweise daran gedacht werden, dass ein vorübergehend wegen auffälliger Blutwerte suspendierter Athlet ein Startrecht für den nächsten Wettkampf erwirken möchte, weil aus seiner Sicht dieser Wert medizinisch erklärt werden kann oder ein offensichtlicher Fehler bei den Messung vorgelegen hat. Hier läge es wegen der mit einem Dopingverdacht oftmals einhergehenden öffentlichen Stigmatisierung im besonderen Interesse des Sportlers, das Verfahren bis zur Rücknahme der Suspendierung nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Dagegen sprach in erster Linie der Umstand, dass die Erlangung einstweiligen Rechtschutzes zu langwierig sei458, sofern sich das Schiedsgericht zuvor noch konstituieren muss, und damit dem mit einem solchen Verfahren verfolgten Zweck 456

Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 371. Lindacher, ZGR 1979, 201 (206). 458 Czempiel/Kurth, NJW 1987, 2118 (2122). 457

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zuwiderlaufen würde. Die fehlende Promptheit könnte sogar dazu führen, dass überhaupt kein wirksamer Rechtsschutz mehr gewährleistet werden würde459. Ein Sportler könnte im Streitverfahren über die Kadernominierung, die zur Teilnahme an einen bestimmten Wettbewerb berechtigen würde, Gefahr laufen, dass eine etwaige schiedsgerichtliche Anordnung nicht mehr rechtzeitig ergehen könnte, sofern zum Beispiel die Verfahrensordnung keine Vertretungsregelungen für den Fall zeitweiliger Verhinderung eines Schiedsrichters vorsieht460. Schließlich wäre auch die Vollstreckbarkeit einer durch ein Schiedsgericht gewährten einstweiligen Verfügung problematisch461, wogegen Lindacher jedoch berechtigterweise ein­ wendet, dass eine solche Problematik bei Gestaltungsschiedssprüchen nicht bestehen würde462. Die lange Zeit herrschende Meinung, die sich gegen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Schiedsgerichte aussprach463, sah sich jedoch weiterhin fortlaufender Kritik ausgesetzt464. Entschieden wurde dieser Streit im Zuge der Schiedsrechtsnovellierung und der damit verbunden Einführung des § 1041 ZPO. Nach dessen S. 1 „[…] kann das Schiedsgericht auf Antrag einer Partei vorläufige und sichernde Maßnahmen anordnen, die es in Bezug auf den Streitgegenstand für erforderlich hält“. Damit ist die vor Einführung dieser Regelung kontrovers diskutierte Frage nach einer solchen Möglichkeit obsolet geworden. Dies ist vor allem wegen der der Welt des Sports immanenten Eilbedürftigkeit zu begrüßen465. Gerade im Hinblick auf die für Sportler oftmals einmalige Teilnahme an Olympischen Spielen oder die Teilnahme an maßgebenden Qualifikations-Wettkämpfen gestaltet sich der einstweiliger Rechtsschutz als die einzig realistische Möglichkeit, die jeweilige Startberechtigung noch zu erreichen. Die Voraussetzungen für eine Anordnung im einstweiligen Rechtschutzverfahren orientieren sich dabei an denen, die für den staatlichen einstweiligen Rechtschutz gelten466, und bedürfen daher an dieser Stelle keiner besonderen Ausformulierung. Von Bedeutung ist jedoch die sich daran anschließende Frage, inwieweit bei einer entsprechenden Antragsstellung vor einem Schiedsgericht der Weg zu vorläufigen oder sichernden Maßnahmen eines staatlichen Gerichts verschlossen sein kann, also ob auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit besteht467. Dagegen spricht zumindest auf den ersten 459

Lindacher, ZGR 1979, 201 (210). Lindacher, ZGR 1979, 201 (210). 461 Walter, ZZP 1990, 141 (145). 462 Lindacher, ZGR 1979, 201 (209). 463 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, 56. Aufl., § 1034 Rz. 8; Walter, ZZP 1990, 141 (144); Röhricht, in: Sportgerichtsbarkeit, 19 (37); Czempiel/Kurth, NJW 1987, 2118 (2122) m. w. N. 464 Hilpert, Bay. Vbl. 1988, 161 (170) m.w.N; für eine solche Möglichkeit im Wege einer ausdrücklichen Vereinbarung Lindacher, ZGR 79, 201 (212). 465 Mertens, SpuRt 2008, 140, 180 (182/183). 466 Vgl. dazu Reichert, VereinsR, Rz. 3411–3418. 467 Siehe zur Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit in der Hauptsache oben, S. 76–77. 460

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Blick der Wortlaut des ebenfalls neu eingeführten § 1033 ZPO. Danach „schließt eine Schiedsvereinbarung nicht aus, dass ein Gericht vor oder nach Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens auf Antrag einer Partei eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrechtlichen Verfahrens anordnet“. Trotz dieses Wortlauts kann aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Weg zum staatlichen Eilrechtsschutz nie versagt werden kann. Denn bei einer genaueren Auslegung des Begriffs „Schiedsgerichtsvereinbarung“ kann zumindest in Betracht gezogen werden, dass ein Ausschluss  – wenn schon nicht mittels der eigentlichen Schiedsgerichtsvereinbarung – gegebenenfalls über eine explizite Ausschlussvereinbarung („Exklusivvereinbarung“468) erreicht werden kann469. Folglich ist für die Beantwortung dieser Frage maßgebend, inwieweit von einer Disponibilität des § 1033 ZPO auszugehen ist. Denn dann könnte im Wege einer Exklusivvereinbarung einstweiliger Rechtsschutz exklusiv auf das Schiedsgericht beschränkt sein. Diese Möglichkeit ist jedoch umstritten. b) Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit Noch losgelöst von der eigentlichen Streitentscheidung ist zunächst eine genauere Präzisierung vorzunehmen. Denn staatlicher Eilrechtsschutz kann sowohl vor als auch nach der Konstituierung des Schiedsgerichts in Betracht kommen. Dies hat zugleich Auswirkungen auf die erwähnte Frage eines etwaigen Ausschlusses staatlicher Gerichtsbarkeit. aa) Vor Konstituierung des echten Schiedsgerichts Vor der Konstituierung des echten Schiedsgerichts besteht ein starkes Interesse der Parteien und de facto einzig die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten beantragen zu können470. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der maßgebende Spruchkörper noch nicht gebildet worden, so dass es an einer für den Erlass einstweiliger Maßnahmen zuständigen Person fehlt471. Die damit einhergehende Handlungsunfähigkeit des Schiedsgerichts472 führt quasi zu einer sich am Gedanken eines effektiven Rechtsschutzes orientierenden Pflicht, in diesem Zeitraum einstweiligen Rechtsschutz durch staatliche Gerichte zwingend zur 468

Begriff übernommen von Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 570. Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 357; Berninger/Theißen, SpuRt 2008, 185 (186); so auch angedeutet vom LG Wiesbaden, Urteil vom 18.12.2009 – 13 O 59/09 – zitiert bei juris. 470 MünchKommZPO-Münch, § 1033 Rz. 13. 471 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 358; Mertens, SpuRt 2008, 140, 180 (182). 472 MünchKommZPO-Münch, § 1033 Rz. 13. 469

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Verfügung zu stellen, da es an einem gleichwertigen Schutzniveau beim Schiedsgericht mangelt473. Dadurch wäre ein darauf gerichteter, parteiautonomer Ausschluss zugunsten des (noch nicht konstituierten) Schiedsgerichts selbst im Wege einer Exklusivvereinbarung unwirksam474. bb) Nach Konstituierung des echten Schiedsgerichts Mit der Konstituierung des Schiedsgerichts ist diese Annahme zu hinterfragen. Denn nun besteht ein arbeitsfähiger Ansprechpartner für den Antrag auf einstweilige Maßnahmen mitsamt einer verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des einstweiligen schiedsgerichtlichen Rechtsschutzes, der gegebenenfalls in seiner Qualität an der staatlichen einstweiligen Schutz heranreichen kann und diesen damit theoretisch auch ersetzen könnte475. Dadurch ist die eingangs erwähnte Frage nach der Disponibilität des einer solchen Annahme vermeintlich widersprechenden § 1033 ZPO in dieser Konstellation von besonderer Bedeutung. (1) Annahme einer parallelen Zuständigkeit Es kann in diesem Zusammenhang vertreten werden, dass durch eine Schiedsgerichtsvereinbarung im Sinne einer Exklusivvereinbarung grundsätzlich kein Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes durch ordentliche Gerichte begründet werden kann476. Dies hat zur Folge, dass die Parteien auch nach Beginn des schiedsgerichtlichen Verfahrens nicht gehindert sind, vorläufige oder sichernde Maßnahmen in Bezug auf den Streitgegenstand bei einem staatlichen Gericht zu beantragen und dadurch eine Schiedsklausel im Gegensatz zum Hauptsache­ verfahren einen Eilantrag vor einem staatlichem Gericht nicht unzulässig macht 477. So urteilte jedenfalls das LG Berlin im Fall des Eiskunstlauftrainers Steuer, der im Wege einer einstweiligen Verfügung die Verpflichtung des Nationalen Olympischen Komitees erwirkte, ihn trotz der erhobenen Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit durch die andere Partei für die Olympischen Winterspiele in Turin 2006 zu nominieren478. Neben dem bereits erwähnten Verweis auf den Wortlaut des § 1033 ZPO kann dafür vor allem das verfassungsrechtliche Gebot des effektiven Rechts-

473

OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1117 (1119). Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 358. 475 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 358/359. 476 Beschl. des LSG Hamburg v. 30.1.2009 – L 5 B 3/09 ER AL – zitiert bei juris; Schroth, SchiedsVZ 2003, 102 (104). 477 Mertens, SpuRt 2008, 140, 180 (183); MünchKommZPO-Münch, § 1033 Rz. 17–18. 478 Urt. des LG Berlin v. 6.2.2006 – 5 O 3906 – zitiert bei juris. 474

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schutzes sprechen479. Denn jenes ist grundgesetzlich garantiert und kann daher nicht abbedungen werden480. Auch sei die Durchsetzung von einem Schiedsgericht angeordneter Maßnahmen erheblich umständlicher als Maßnahmen staatlicher Gerichte481. Schließlich kann auch die systematische Stellung des § 1033 ZPO Aufschluss darüber bringen, ob jener abbedungen werden kann. Denn er folgt unmittelbar auf § 1032 ZPO, der Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit, und stellt damit zugleich die Kernaussage der Schiedsgerichtsbarkeit – den Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit  – als solche dar. Indem der Gesetzgeber nun hinter dieses Prinzip ausdrücklich die Möglichkeit des staatlichen, einstweiligen Rechtsschutzes normiert hat, kann dies dahingehend verstanden werden, dass im Falle einer wirksamen Schiedsgerichtsvereinbarung und einer erhobenen Schiedseinrede staatliche Gerichte weiterhin berufen sein sollen, Anträge zu einstweiligen Maßnahmen zu behandeln. Andernfalls hätte die Aussage des § 1033 ZPO systematisch vor § 1032 ZPO eingebaut werden müssen482. (2) Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit eines echten Schiedsgerichts Jedoch kann eine solche Annahme nur aufrechterhalten werden, wenn die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor staatlichen Gerichten auch als immanenter Bestandteil eines effektiven Rechtsschutzes anzusehen ist. Gerade dies kann diesem rechtsstaatlichen Gebot aber nicht ohne weiteres entnommen werden. Unzweifelhaft ist der Aussage zuzustimmen, dass das Gebot effektiven Rechtsschutzes verfassungsrechtlich verankert ist483. Jedoch besagt es nicht, dass jenes bereits in einer dem Grundgesetz zuwiderlaufenden Weise tangiert ist, sofern einstweiliger Rechtsschutz „nur noch“ von einem echten Schiedsgericht nach seiner Konstituierung gewährt werden würde. Denn das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verlangt, dass eine umfassende Sach- und Rechtsprüfung sowie als Ergebnis eine verbindliche und ggf. vollstreckbare Entscheidung garantiert sein müssen, die aus Gründen der Rechtssicherheit in angemessener Zeit zu ergehen haben484. Damit ist aber nicht zugleich festgelegt, dass nur die staatliche Gerichtsbarkeit diesen Anforderungen gerecht werden kann, sondern allenfalls, dass der Gesetzgeber irgendeinen an diesem Maßstab ausgerichteten Rechtschutz zur

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Musielak/Voit, § 1033 ZPO Rz. 1. Berninger/Theißen, SpuRt 2008, 185 (186). 481 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1601. 482 MünchKommZPO-Münch, § 1033 Rz. 18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1033 ZPO Rz.  4; Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 360–361. 483 Sachs, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art.  20 Rz.  162; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rz. 321. 484 Sachs, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rz. 164. 480

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Verfügung zu stellen hat485. Dieser kann gleichwohl auch über ein mit in der Materie des Sports besser vertrautes Schiedsgericht effektiv gewährt werden. Voraussetzung dafür ist zum einen, dass die konkrete verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Schiedsgerichts und seine Verfahrensordnung mit den Maßstäben des staatlichen einstweiligen Rechtsschutzes vergleichbar sind486. Denn dadurch werden eine unzureichende Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes und zugleich eine unverhältnismäßige Belastung des Rechtssuchenden vermieden487. Zum anderen müssen die Parteien ausdrücklich einen Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vereinbaren; eine verallgemeinernde Schiedsgerichtsklausel „für alle Streitigkeiten ist das Schiedsgericht zuständig“ würde in Ermangelung eines expliziten Ausschlusses dem also nicht genügen488. Nur bei Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen ließe sich letztlich die Disponibilität § 1033 ZPO über die Privatautonomie rechtfertigen. (3) Exkurs: Die Verfahrensordnung des Deutschen Sportschiedsgerichts im Hinblick auf den einstweiligen Rechtsschutz Für beide Ansichten sprechen demnach gewichtige Argumente. Vor der eigentlichen Streitentscheidung empfiehlt es sich an dieser Stelle, einen Blick auf die Verfahrensordnung des Deutschen Sportschiedsgerichts489 zu werfen. Möglicherweise bietet dessen praxiserprobte Verfahrensordnung eine argumentative Unterstützung für oder gegen die Annahme der ausschließlichen Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes durch (Sport-)Schiedsgerichte. Dort besteht für Sportfachverbände die Möglichkeit eine Kooperationsvereinbarung mit der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) abzuschließen, die speziell auf Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zugeschnitten ist. Im Rahmen dieser Vereinbarung verpflichtet sich der jeweilige Verband, die für eine schnelle Entscheidung erforderlichen Entscheidungsgrundlagen wie Satzungen und Statuten zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug legt die DIS einen sich am Kalender orientierenden Geschäftsverteilungsplan fest, für den an jedem Tag ein der Schiedsrichterliste der DIS angehörender Schiedsrichter zur Verfügung

485

Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 589. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S.  590; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 358; Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1601. 487 Grzesick, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 20 GG und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit, Rz. 134. 488 In diesem Sinne entschied auch das Urt. des LG Wiesbaden v. 18.12.2009 – 13 O 59/09 – zitiert bei juris. 489 DIS-Sport-Schiedsgerichtsordnung in der Fassung vom 1.1.2008. Abrufbar unter http:// www.dis-sportschiedsgericht.de. Siehe ausführlich zum Deutschen Sportschiedsgericht unten, S. 128–131. 486

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Teil 2, Kap. 2: Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

steht. Damit ist für jeden möglichen Zeitpunkt eine zuständige Person berufen, die über Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes entscheiden kann490. Diese Kooperationsvereinbarung zeichnet sich nun durch die Besonderheit aus, dass dadurch der Weg für die beteiligten Parteien zum einstweiligen Rechtsschutz staatlicher Gerichte bereits vor der eigentlichen Konstituierung des Schiedsgerichts verschlossen ist491. Die damit vermeintlich einhergehende Beeinträchtigung des effektiven Rechtschutzes wird dadurch kompensiert, dass die Spezialverfahrensordnung des Deutschen Sportschiedsgerichts einen umfangreicheren Abschnitt beinhaltet, der einzig den Verfahrensrechten in einem solchen einstweiligen Verfahren gewidmet ist492. Ist das Schiedsgericht bereits konstituiert, ist der einstweilige Rechtsschutz auch ohne Kooperationsvereinbarung gemäß § 20.1 Sportschiedsgerichtsordnung (DIS-SportSchO493) gänzlich ausgeschlossen494. Der Vorteil dieses Modells – insbesondere in der Phase vor der eigentlichen Konstituierung – liegt darin, dass das Schiedsverfahren nicht durch vorläufige Maßnahmen staatlicher Gerichte in diese Vorphase verlagert oder vorentschieden wird, was wiederum den Zweck einer Schiedsabrede konterkarieren würde. Zudem werden dadurch ein „Wettlauf“ bzw. zwei parallele Zuständigkeiten zweier für den einstweiligen Rechtsschutz theoretisch denkbaren Institutionen vermieden. Schließlich zeigt die besondere Ausgestaltung der Verfahrensrechte in diesem Zeitraum, dass bewusst eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Garantie des effektiven Rechtsschutzes vermieden werden soll. (4) Streitentscheidung Dieser „kleine Ausflug“ zum Deutschen Sportschiedsgericht und seiner Verfahrensordnung verdeutlicht, dass das Damoklesschwert des allein durch staatliche Gerichte realisierbaren effektiven Rechtsschutzes nicht wahllos geschwungen werden kann. Vielmehr gibt hier die Rechtspraxis, in der diverse Sportfachverbände eine entsprechende Kooperationsvereinbarung geschlossen haben, den richtigen Weg in Bezug auf den Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes durch staatliche Gerichte vor. Maßgebend ist allein, inwieweit eine ausreichende Verfahrensordnung insbesondere in der vorkonstitutionellen Phase vorhanden ist, die neben der Forderung nach ausreichenden Entscheidungsgrundlagen auch fundmentale Verfahrensrechte gewährleistet. Sofern diese Maßstäbe eingehalten werden und auch für das im einstweiligen Verfahren angerufene staatliche Gericht 490

Mertens, SpuRt 2008, 140, 180 (182). Berninger/Theißen, SpuRt 2008, 185 (186); Mertens, SpuRt 2008, 140, 180 (183);­ Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1599, sowie § 20.2 SportSchO. 492 Mertens, SpuRt 2008, 140, 180 (183). Vgl. § 20.1–20.7 DIS-SportSchO. 493 In der Fassung vom 1.1.2008. Abrufbar unter http://www.dis-sportschiedsgericht.de. 494 Berninger/Theißen, SpuRt 2008, 185 (186); Mertens, SpuRt 2008, 140, 180 (183);­ Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1598. 491

C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit

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nachprüfbar sind, muss jenes bei einer entsprechenden wirksamen Exklusivvereinbarung seine Unzuständigkeit erklären und die Parteien auf den einstweiligen Rechtsschutz durch das Schiedsgericht verweisen495. Andernfalls – ergo bei Vorliegen eines „Schutzgefälles“496 – bleibt es bei der durch § 1033 ZPO normierten Kompetenz staatlicher Gerichte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Eine rein pauschale Betrachtungsweise, die die jeweilige Ausgestaltung außen vor lässt, erweist sich somit als zu oberflächlich und lässt die auch vom Gesetzgeber im Rahmen der Schiedsrechtsnovellierung beabsichtigte Gleichwertigkeit497 zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten unberücksichtigt. Gegen das Argument der schwereren Vollstreckbarkeit einstweiliger Maßnahmen durch das Schiedsgericht spricht vor allem der Umstand, dass die kooperierenden Verbände in der Regel die Durchsetzung angeordneter Maßnahmen freiwillig befolgen dürften und somit eine Zwangsvollstreckung regelmäßig nicht notwendig sein dürfte498. Zudem ist auch von einer leichteren und schnelleren Erreichbarkeit der Schiedsgerichte auszugehen499. Für die Möglichkeit eines Ausschlusses im Wege einer Exklusivvereinbarung spricht schließlich auch folgender Gesichtspunkt: Sofern es möglich ist, den staatlichen ordentlichen Rechtsweg für das Haupt­ verfahren zugunsten eines echten Schiedsgerichts verbindlich über eine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung auszuschließen, muss dies erst recht für das verfahrensrechtliche „Minus“ des einstweiligen Rechtsschutz gelten500; vor allem dann, wenn von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit zwischen echten Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten ausgegangen wird501. 2. Ergebnis Schiedsgerichte können demnach einstweiligen Rechtsschutz gewähren. Liegen die Voraussetzungen einer Exklusivvereinbarung vor und verfügt die in Frage kommende Spruchinstanz über eine entsprechende verfahrensrechtliche Ausgestaltung, erfolgt dies exklusiv und führt zur Unzuständigkeit eines staatlichen Gerichts auch hinsichtlich des Erlasses einstweiliger Maßnahmen. 495 Siehe dazu den Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges für den einstweiligen Rechtsschutz durch § 7 Ziff. 4 Satzung DEB. Im Sinne der hier vertretenen Ansicht erweist sich der Ausschluss staatlicher Gerichtsbarkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als zulässig, weil die Rechts- und Schiedsgerichtsordnung des DEB ein ausreichendes Schutzniveau hinsichtlich der Verfahrensrechte und -stellung der Parteien statuiert. 496 Berninger/Theißen, SpuRt 2008, 185 (187); Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 298–299. 497 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 67; Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, 8 (10). 498 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1601. 499 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1601. 500 So auch Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 373 501 Mertens, SpuRt 2008, 185 (187).

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Teil 2, Kap. 2: Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

IV. Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Schiedsgerichtsvereinbarung Mit der Beantwortung der Fragen, ab dem Vorliegen von welchen Voraus­ setzungen von echter Schiedsgerichtsbarkeit ausgegangen werden kann und inwieweit dadurch die ordentliche Gerichtsbarkeit ausgeschlossen wird, ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen worden, ob das Schiedsgericht zwischen den Parteien auch wirksam vereinbart worden ist. Hierbei gilt es stets eine strikte Trennlinie zu ziehen. Insoweit kann daher Monheim nicht zugestimmt werden, der diese beiden Problemfelder vermischt502. Zustimmung erfährt deswegen Adolphsen, der klarstellt, dass bei einer unwirksamen Schiedsgerichtsvereinbarung die Entscheidungsinstanz weiterhin ein Schiedsgericht bleibt503. Zudem muss nach Pfister die Monopolstellung eines Verbandes, die Monheim argumentativ für die Ablehnung eines Schiedsgerichts wegen fehlender Freiwilligkeit der Vereinbarung heranzieht, nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung führen, sofern die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter gesichert ist504. 1. Rechtsnatur der Schiedsgerichtsvereinbarung Eine Schiedsgerichtsvereinbarung stellt sich als ein materiell-rechtlicher Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen dar505. Ihre Wirksamkeitsvoraussetzungen sind demnach nach materiellem Recht zu bestimmen. Andererseits berührt eine Schiedsgerichtsvereinbarung den Justizgewährleistungsanspruch, so dass sie zugleich einen Vertrag auf prozessrechtlichem Gebiet darstellt. Daher sind diejenigen Anforderungen heranzuziehen, die das Verfahrensrecht an solche Vereinbarungen stellt. Der Schiedsvereinbarung ist damit eine sogenannte Doppelnatur zuzusprechen506. Vor dem Hintergrund, dass sich Verfahrenshandlungen weitgehend nach dem materiellen Recht bestimmen, wirkt sich die Ambivalenz jedoch nur in denjenigen Ausnahmefällen aus, in denen Verfahrensrecht und materielles Recht unterschiedliche Anforderungen stellen507. Dem Grunde nach kann die Beurteilung der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung aber über die Anwendung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre erfolgen508. 502 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 200. Siehe jedoch zu einer etwaigen Unwirksamkeit einer Schiedsgerichtsvereinbarung unten im Rahmen der Darstellung des „Falles Claudia Pechstein“, dort vor allem S. 245–253. 503 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 504. 504 PHB SportR-Pfister II 4/373–374. Siehe dazu auch die obigen Ausführungen zu den Voraussetzungen eines „echten Schiedsgerichts“, S. 76–93. 505 MünchKommZPO-Münch § 1029 Rz. 12. 506 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 3. 507 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 4. 508 MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 14 – 16; Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 3, 4; Stein/ Jonas/Schlosser, § 1029 ZPO Rz. 2.

C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit

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2. Parteianforderungen Die beteiligten Parteien müssen rechts-, geschäfts- und prozessfähig sein. Insbesondere Letzteres ist hervorzuheben, denn mit dem Abschluss einer wirksamen Schiedsvereinbarung wird wie aufgezeigt auf staatlichen Rechtschutz verzichtet509. Daher stellt das Fehlen der Prozessfähigkeit auch einen der wenigen Kassationsgründe vor einem staatlichen Gericht dar (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1a ZPO)510. 3. Einigung Die Parteien müssen sich über einen schiedsfähigen Gegenstand im Sinne von § 1030 ZPO im Wege von Angebot und Annahme einigen511. Ein solcher Gegenstand muss sich auf Streitigkeiten beziehen, die aus einem bestimmten Rechts­ verhältnis hervorgehen können512. Konkret ist unter dem Begriff der Schiedsfähigkeit nach § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO jeder vermögensrechtliche Anspruch im Sinne eines Streitgegenstandes zu verstehen, der sich entweder aus Vermögensrechten ableitet lässt oder auf vermögenswerte Leistungen abzielt513. Ferner können nach Abs.  1 Satz 2 auch nichtvermögensrechtliche Ansprüche Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein, sofern sie vergleichsfähig sind. Vergleichsfähig und damit auch schiedsfähig ist dem Grunde nach alles, was dispositionsfähig ist und daher den Parteien auch nicht von staatlichen Gerichten untersagt werden kann514. Lediglich Streitgegenstände, die keinem Vergleich zugänglich sind, und solche, die den Tatbeständen der § 1030 Abs.  2 S.  1, Abs.  3 ZPO unterfallen, sind einer Schiedsgerichtsvereinbarung entzogen bzw. nur eingeschränkt zugänglich515. Die vertragliche Vereinbarung muss zumindest bei einer Vereinbarung vor Streitentscheidung so hinreichend konkretisiert sein, dass hervorgehen kann, auf welche Fragen sie sich beziehen soll bzw. auf eine individualisierbare Grundlage rückführbar sein516. Diese Forderung basiert auf dem Gedanken, dass die Abweichungen vom allgemeinen Rechtsweg überschaubar gehalten werden sollen517. Nichtsdestotrotz kann die Schiedsvereinbarung umfassend eine Vielzahl von Streitigkeiten regeln. Es kommen sowohl Einzel- als auch Globalstreitigkeiten, gesetzliche oder vertragliche Rechtsverhältnisse und bereits entstandene oder künftige

509

Siehe oben, S. 75–76. Musielak/Voit, § 1029, ZPO Rz. 5. 511 Musielak/Voit, § 1029 ZPO, Rz. 7; MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 17. 512 Stein/Jonas/Schlosser, § 1029 ZPO Rz. 12. 513 MünchKommZPO-Münch, § 1030 Rz. 13. 514 MünchKommZPO-Münch, § 1030 Rz. 9; Musielak/Voit, § 1030 ZPO Rz. 1–3. 515 Beachte dazu die möglichen Ausnahmen in § 1030 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO. 516 Stein/Jonas/Schlosser, § 1029 ZPO Rz. 13; MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 75. 517 MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 73. 510

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Teil 2, Kap. 2: Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

Streitigkeiten in Betracht518. Bei der Bestimmung der jeweiligen Streitgegenstände der Schiedsvereinbarung finden die allgemeinen Auslegungsregeln Anwendung519. 4. Wirksamkeit Die eigentliche Wirksamkeit ist unabhängig von der hauptvertraglichen Situation der Parteien zu betrachten, so dass eine etwaige Unwirksamkeit des Hauptvertrages die Schiedsvereinbarung unberührt lässt (§ 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO)520. Deren Wirksamkeit bestimmt sich in erster Linie nach § 1031 ZPO, wobei dessen Abs. 5 eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Denn gelten ansonsten die weniger strengen Formmodalitäten der Abs. 2–4, die irgendeinen Nachweis der Vereinbarung ausreichen lassen, bedarf es im Falle der Beteiligung eines Verbrauchers der Schriftform im Sinne des § 126a BGB. Danach muss die Vereinbarung in einer Urkunde enthalten sein, die beide Parteien eigenhändig zu unterschreiben haben521. Jedoch können etwaige, nicht den Anforderungen des Abs. 5 genügende Formmängel nach Abs. 6 geheilt werden, sofern sich auf die schiedsgerichtliche Verhandlung zur Hauptsache eingelassen wird522. Ferner finden auf die Schiedsvereinbarung die allgemeinen Nichtigkeitsgründe der §§ 134, 138 BGB, im Zusammenhang mit der Verwendung von Schieds­ klauseln (§ 1029 Abs. 2 S. 2 ZPO) die §§ 305 ff. BGB523 sowie die Anfechtungsgründe der §§ 119, 123 BGB Anwendung. Hier gilt es zweierlei zu beachten. Zum einen ist ein Sittenverstoß nicht schon beim Ausnutzen einer wirtschaftlich überlegenen Position anzunehmen. Denn im Verhältnis der die Schiedsvereinbarung abschließenden Parteien – die Sportfachverbände einerseits und die Sportler andererseits – können erstere immer eine solche Position vorweisen. Ein bloßes Ausreichen einer überlegenen Position würde dann immer zur Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung führen. Sie ist aber gerade in der „Neuzeit des Sports“ ein gängiges und auch notwendiges Mittel der Autonomiewahrung des Sports und wegen der Sachnähe eines Schiedsgerichts zu selbigem auch grundsätzlich für den einzelnen Sportler von Vorteil. Vielmehr muss für die Annahme einer Sitten­ widrigkeit das Ausnutzen der wirtschaftlichen Machtposition ein so anstößiges Maß erreichen524, dass selbst der mit der Schiedsrechtsnovellierung eingeführte Leitgedanke der grundsätzlichen Wirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

518

MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 85–89. MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 105; Stein/Jonas/Schlosser, § 1029 ZPO Rz. 18. 520 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 13; Stein/Jonas/Schlosser, § 1040 ZPO Rz. 3–7. 521 Musielak/Voit, § 1031 ZPO Rz. 10. 522 Musielak/Voit, § 1031 ZPO Rz. 13. 523 MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 22. 524 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 10. 519

C. Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit

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Zum anderen kann sich bei der Anwendung der angeführten Anfechtungsgründe der maßgebende Anfechtungszeitpunkt als problematisch erweisen, sofern erst nach der Einlassung zur Hauptsache vor dem Schiedsgericht die Anfechtung erklärt wird. Es ließe sich in diesem Zusammenhang anführen, dass dadurch der unterlegenen Partei eine nicht vorgesehene Möglichkeit eingeräumt wird, einen sich ihr gegenüber abzeichnenden, negativen Verfahrensverlauf oder einen bereits ergangenen, nachteiligen Schiedsspruch im Wege der Anfechtung nachträglich aus der Welt zu schaffen. Dies wäre gegebenenfalls mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren525 und müsste dann konsequenterweise dazu führen, ein Anfechtungsrecht nach erfolgter Einlassung zur Hauptsache grundsätzlich auszuschließen. Möglicherweise besteht diese vermeintliche Gefahrenlage jedoch nicht in diesem Maße. Es ist zu bedenken, dass eine Anfechtungserklärung zumindest in den Fällen der §§ 119, 120 unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss526. Dadurch besteht de facto das angesprochene Wahlrecht der unterlegenen Partei nicht, denn wegen der kurzen Zeitspanne wird eine Anfechtung in der Regel an der Unverzüglichkeit scheitern. Zudem kann die Geltendmachung der Anfechtung außerhalb des § 121 BGB auch noch an der Präklusionswirkung des § 1027 S. 1 ZPO scheitern527. Folglich ist vom Nichtvorliegen besagter Gefahrenlage auszugehen, so dass ein Anfechtungsrecht nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann. Dies erweist sich gerade vor der Hintergrund, dass der Abschluss einer Schiedsgerichtsvereinbarung im Wege einer arglistigen Täuschung oder einer widerrechtlichen Drohung im Sinne des § 123 BGB zustanden gekommen sein kann, als vorzugswürdig. Denn jene Vereinbarung würde unter einem so schwerwiegenden Mangel leiden, dass es von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden könnte, hier einen Ausschluss des Anfechtungsrechts anzunehmen528. 5. Keine Beendigung Schließlich darf die wirksame Schiedsvereinbarung auch nicht beendet worden sein. Dies kann sich durch Erreichung des mit der Schiedsabrede verbunden Zwecks (§ 1056 Abs. 1, 1.Var. ZPO)529, im Wege einer beiderseitigen Aufhebung530

525

Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 11. Palandt/Ellenberger, § 121 BGB Rz. 3. 527 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 11; MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 19 in Bezug auf die Präklusionsmöglichkeit nach § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO. 528 In diesem Sinne MünchKommBGB/Kramer, § 123, Rz. 1, der vom unbedingten Schutz der freien Selbstbestimmung spricht; im Ergebnis zustimmend, MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 19; Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 11. 529 MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 121. 530 MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 120. 526

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Teil 2, Kap. 2: Zivilprozessualer Aspekt der Verbandsautonomie

oder aber auch durch eine auflösende Bedingung bzw. Befristung ergeben531. Endlich kommen in Zusammenhang mit der Beendigung noch die Rechtsinstitute des Rücktritts und der Kündigung in Betracht. Ein Rücktritt nach § 323 BGB analog kann vor Beginn des Schiedsverfahrens von einer Partei erklärt werden, sofern die anderen Partei ihre verfahrensrechtliche Pflicht zur Förderung des Schiedsverfahrens eklatant verletzt hat532. Ab Beginn des Schiedsverfahrens tritt an die Stelle des Rücktrittsrechts die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB analog533. V. Fazit Es ergibt sich folgendes Zwischenfazit: 1. Schiedsgerichte treten an die Stelle der staatlichen Gerichtsbarkeit. 2. Dies hat zur Folge, dass die staatliche Überprüfbarkeit verbandsrechtlicher Entscheidungen außerhalb des § 1059 ZPO nicht mehr möglich ist. 3. Dieses aus der Sicht der Sportfachverbände attraktive Mittel der Autonomiewahrung wird aber nur erreicht, wenn die Voraussetzungen eines „echten Schiedsgerichts“ auch wirklich vorliegen. 4. Dies muss im Einzelfall anhand einer Gesamtschau sorgfältig geprüft werden. Dabei ist stets die jeweilige Vereinbarungskonstellation zu berücksichtigen. 5. Schiedsgerichte können auch einstweiligen Rechtsschutz gewähren. Diese Möglichkeit besteht sogar exklusiv, sofern das einstweilige Verfahren entsprechend den staatlichen Maßstäben in verfahrensrechtlicher Hinsicht ausgestaltet ist und der staatliche Eilrechtsschutz zuvor exklusiv ausgeschlossen worden ist. 6. Schiedsgerichte müssen stets wirksam vereinbart werden. Dies erfolgt regelmäßig nach materiell-rechtlichen Grundsätzen. Die Unwirksamkeit einer Schiedsgerichtsvereinbarung ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass es sich bei der maßgebenden Institution um ein „echtes Schiedsgericht“ handelt.

531 MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 127; zustimmend im Hinblick auf die Bedingung, Stein/Jonas/Schlosser, § 1029 ZPO Rz. 4. 532 Zustimmend Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 12; ablehnend mit Ausnahme eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts, MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 125. 533 Musielak/Voit, § 1029 ZPO Rz. 12; MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rz. 128 f.

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Kapitel 3

Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens Vor dem Hintergrund, dass verbandsgerichtliche Entscheidungen mittlerweile durch staatliche Gerichte umfassend überprüft werden können, gibt es dem Grunde nach keine besonderen Verfahrensvoraussetzungen, die im Verbandsgerichtsverfahren unbedingt eingehalten werden müssen. Vor allem aber erlaubt es die verfassungsrechtlich gewährleistete Satzungsautonomie den Verbänden ihre Verfahrensordnungen frei zu gestalten. Andererseits ist zu betonen, dass die Verfahrensautonomie dort aufhören muss, wo es nicht mehr um die Verfolgung des Verbandszwecks geht534. Daher sollten gewisse „Mindeststandards“ bestehen; vor allem in den Fällen, in denen vom Verbandsgericht in Bezug auf das betroffene Mitglied grundrechtlich relevante Entscheidungen getroffen werden sollen. Gleichwohl ist zu beachten, dass das Unterworfensein des Einzelnen unter die Spruchgewalt von verbandsinternen Kontrollgremien auf Freiwilligkeit beruht und daher nicht die gleichen rechtsstaatlichen Maßstäbe wie bei staatlichen Gerichten gelten können535. Der grundrechtlich relevante Bereich bildet somit die unterste Grenze, deren unzumutbare Unterschreitung durch eine unzureichende Verfahrensgestaltung auf Grund einer mangelhaften Verfahrensordnung zur Rechtswidrigkeit der getroffenen verbandsinternen Entscheidung führt. Noch losgelöst vom der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung dieser „Mindeststandards“ müssen Verbände ein Interesse daran haben, ihre Verfahrensordnungen dementsprechend zu gestalten, um später eine Kassation ihrer Entscheidung durch ein staatliches Gericht zu vermeiden, sofern keine Schiedsgerichtsbarkeit einschlägig und wirksam vereinbart worden ist. Damit würden sie zugleich einen Beitrag zur eigenen Autonomiewahrung leisten. Denn eine den Grundrechten der Mitglieder entsprechende Verfahrensgestaltung würde zur Vermeidung besagter Kassation führen und damit zugleich der Gefahr entgegen wirken, dass im Falle einer Aufhebung durch ein staatliches Gericht die Wertentscheidung des staatlichen Richters an diejenige des Verbandsorgans treten kann. Folgerichtig darf somit die Schaffung originärer Verfahrensordnungen, die durch die geschützte Selbstverwaltungsautonomie des Art.  9 GG gewährleistet wird, nicht losgelöst von den entwickelten, allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts536 betrachtet werden. Mit anderen Worten: Die Verbände sind in ihrer „Rechtsetzungskompetenz“ frei, müssen aber verfassungsrechtliche Mindeststandards bei der Gestaltung der jeweiligen Verfahrensordnung beachten537. Die-

534

Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 170 mit weiteren Nachweisen. OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (76). 536 Degenhart, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rz. 3, 42. 537 Palandt/Ellenberger, § 25 BGB Rz. 8. 535

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

ses Ergebnis überzeugt vor allem deshalb, weil es dem verfassungsrechtlichen Grundprinzip der Konkordanz zwischen sich gegenüberstehenden, gleichwertigen Interessen entspricht. Dem folgt auch das Bundesverfassungsgericht, indem es über Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit dem Rechtstaatsprinzip einem allgemeinen Prozessgrundrecht den Weg ebnete, welches auch in einem Verbandsverfahren zu beachten ist538. Daraus ergeben sich nun zwei wesentliche Fragen, die im Folgenden dargestellt werden sollen. Einerseits gilt es die verfahrensrechtlichen Mindeststandards im Verbandsgerichtsverfahren zu bestimmen (A.). Zum anderen ist zu klären, wie die verschiedenen nationalen Verbände ihre jeweilige Verfahrensordnung vor dem Hintergrund dieser Grundvoraussetzungen ausgestaltet haben (B.). Dabei werden unter dem Blickwinkel einer besseren Übersichtlichkeit und der Vermeidung einer Uferlosigkeit exemplarisch die Verfahrensordnungen einiger nationaler Sportfachverbände untersucht. Dabei handelt es sich um den Deutschen Fußballbund (DFB), den Deutschen Eishockeybund (DEB), den Deutschen Handballbund (DHB), den Deutschen Tischtennisbund (DTTB), den Deutschen Leichtathletikverband (DLV), den Deutschen Skiverband (DSV), den Deutschen Schwimmverband (DSV), den Deutschen Basketballbund (DBB), den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Der hier getroffenen Auswahl liegen bestimmte sportspezifische Kriterien zugrunde. So ist es unumgänglich, im Rahmen einer sportrechtlichen Bewertung von Sportfachverbänden und deren Satzungsausgestaltungen auf den mitgliedsstärksten deutschen Sportfachverband – den DFB539 – einzugehen. Ebenso zählen der DHB und der DTTB zu den größeren deutschen Sportverbänden540. Große Popularität weisen auch der DBB und der DSV (Deutscher Skiverband) auf. Ferner sind für die folgende Darstellung diejenigen Verbände von besonderer Bedeutung, die Sportarten betreiben, die durch eine hohe Dopinganfälligkeit hervortreten. Dies betrifft den DLV, der vor allem durch die Doping-Fälle „Krabbe“541 und „Baumann“542

538 BVerfG NJW 2011, 591 (592); BVerfG NJW 2008, 2243 (2243); BVerfGE 78, 123 (126); BVerfGE 86, 288 (317); BVerfGE 88, 118 (123); Hilpert, SpuRt 2009, 147 (149). 539 Der DFB weist eine Mitgliederzahl von 6.800.128 auf. Siehe dazu die Mitgliederstatistik zu den 50 größten Deutschen Sportverbänden, abrufbar unter http://de.statista.com/statistik/ daten/studie/172539/umfrage/die-50-mitgliedstaerksten-sportverbaende/. Er ist damit weltweit der größte nationale Sportfachverband. Vgl. dazu auch den Artikel der Sächsischen Zeitung vom 31.3.2008; abrufbar unter http://www.sz-online.de/sachsen/regionalsport/der-groesste-sport verband-der-welt-waechst-weiter-2323999.html. 540 Siehe dazu die Mitgliederstatistik der 50 größten Deutschen Sportverbände, abrufbar unter http://de.statista.com/statistik/daten/studie/172539/umfrage/die-50-mitgliedstaerksten-sport verbaende/. 541 OLG München SpuRt 1996, 133; zum Verfahrensgang siehe Petri, in: Kühl/Tettinger/ Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 8–9. 542 OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 111; Fenn/Petri, Anmerkung zum OLG-Urteil, SpuRt 2000, 232.

A. Grundprinzipien des Verbandsverfahrens

111

gekennzeichnet ist, sowie den DSV (Deutscher Schwimmverband) und den BDR, der national insbesondere durch die Doping-Affäre um Jan Ullrich543 in den Vordergrund gerückt ist und zudem mit dem Radsport diejenige Sportart betrifft, die zumindest in jüngster Zeit am häufigsten in Zusammenhang mit Dopingfällen in Erscheinung getreten ist544. Hierin muss auch die DESG eingeordnet werden, die schon wegen ihrer Verbindung zu Claudia Pechstein und ihrer Doping-Sperre als Ausgangspunkt dieser Arbeit mit einzubeziehen ist. Schließlich ist mit dem DEB ein Sportfachverband aufgeführt, der eine der fortschrittlichsten Rechts- und Verfahrensordnungen aufzuweisen hat545, aber auch in der Vergangenheit für Schlagzeilen mit einer verspäteten Aufnahme des WADA-Codes in die eigenen Statuten gesorgt hatte546. Zugleich wird festgestellt, inwieweit die untersuchten Verbände Verbandsgerichts- oder Schiedsgerichtsbarkeit oder gar beides satzungsrechtlich verankert haben. Anschließend werden die Verfahrensvorschriften eines Schiedsgerichtsverfahrens beleuchtet und den verfahrensrechtlichen Ergebnissen der Verbandsgerichtsbarkeit gegenüber gestellt, so dass sich ein Gesamtbild hinsichtlich der Verfahrensvoraussetzungen der beiden Gerichtsbarkeiten ergibt.

A. Grundprinzipien des Verbandsverfahrens Im Zusammenhang mit den Grundprinzipien des Verfahrens kommt vor allem dem Rechtsstaatsprinzip des Art.  20 Abs.  3 GG Leitbildfunktion zu. Denn unabhängig von der spezifischen Rechtsordnung, in der ein rechtlicher Konflikt im Rahmen eines Streitverfahrens ausgetragen wird, gibt es übergeordnete Maßstäbe, die allgegenwärtige Geltung beanspruchen und deshalb stets zu beachten sind547. Dazu ist sicherlich besagtes Rechtstaatsprinzip zu zählen, aber auch sämtliche andere Wertmaßstäbe, die sich aus den Wirkungen der Grundrechte ergeben548. Zu fragen ist darüber hinaus, inwieweit die klassischen Verfahrensgrundsätze wie zum Beispiel der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, die Unparteilichkeit der zuständigen Richter oder das Recht zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts

543

Zum „Dopingfall Jan Ullrich“ siehe unten, S. 228–236. Zu den in diesem Kontext unbedingt zu nennenden Dopingfällen um Alberto Contador und Lance Armstrong siehe ebenfalls unten, S. 220–228 sowie S. 254–261. 545 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 96. 546 Siehe dazu den Artikel des Tagesspiegels vom 9.12.2008: „Eisbären: Zirkus um Busch“, abrufbar unter http://www.tagesspiegel.de/sport/eisbaeren/doping-eisbaeren-zirkus-um-busch/ v_print/1391460.html. 547 BGH NJW 1995, 583 (587). 548 Hilpert, SpuRt 2009, 147 (148). Dies wird auch als Grundrechtsschutz durch Verfahren bezeichnet. 544

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

im Verbandsverfahren berücksichtigt werden können549. In Zusammenhang mit besonders einschneidenden Verbandssanktionen wie einem Ausschluss oder der Verhängung einer Sperre ergibt sich ferner die Frage, ob nicht trotz der zivilrechtlichen Verankerung des Verbandsrechts auf allgemeine Prinzipien des Strafverfahrensrechts zurückgegriffen werden muss550 oder ob vor dem Hintergrund der zum Teil gravierenden Auswirkungen etwaiger Sanktionen zumindest eine Kongruenz mit den tragenden staatlichen Verfahrensgrundsätzen zu fordern ist551. Im folgenden Abschnitt werden vor diesem Hintergrund daher wesentliche Verfahrensgrundsätze inhaltlich und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf das Verbandsverfahren beleuchtet. Dabei handelt es sich um das Fairness-Prinzip, das Recht auf den gesetzlichen Richter und den Anspruch auf rechtliches Gehör. Die materiellrechtlichen Prinzipien wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Willkürverbot und das Bestimmtheitsgebot, die ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip erwachsen, werden an späterer Stelle – dem Dopingsanktionsverfahren – beleuchtet552. I. Fairness-Prinzip Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist mittlerweile als ein allgemeines, aus dem Rechtstaatsprinzip abzuleitendes Prozessgrundrecht in Verbindung mit Art. 2 Abs.  1, 20 Abs.  3 GG entwickelt worden553. In der „juristischen Neuzeit“ korrespondiert jenes mit Art. 6 Abs. 1 EMRK, in dem der gleichlautende fair-trialGrundsatz verankert ist. Demnach gibt es grundlegende Ansprüche für die Verfahrensbeteiligten, die in jedem Verfahren vor jedem Richter Geltung beanspruchen müssen554. Das Fairness-Prinzip im Sinne eines Gebots natürlicher Gerechtigkeit gilt demnach auch im Verbandsverfahren555. Inhaltlich zählt dazu die Erwartungshaltung, dass sich der Richter nicht widersprüchlich verhalten wird556. Darunter ist beispielsweise zu verstehen, dass nicht urplötzlich von der bisherigen Spruchpraxis abgewichen werden darf, sondern es dafür das Vorliegen eines „besonderen Grundes“ oder neuartiger Umstände bedarf oder zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden muss, sich auf die neue Spruchpraxis rechtzeitig einstellen zu können557. Des Weiteren dürfen aus den dem 549 Vgl. dazu auch die Übersicht zu den gesamten Verfahrensgrundsätzen bei Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 68. 550 Siehe hierzu unten, S. 147–153. 551 PHB SportR-Summerer II 3/358. 552 Siehe unten, S. 136–147. 553 Hilpert, SpuRt 2009, 147 (148); BVerfGE 85, 386 (404/405); Prokop, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 79 (91); Degenhart, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rz. 3, 42. 554 Eschke, die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 56. 555 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 71. 556 Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 70. 557 Hilpert, SpuRt 2009, 147 (148).

A. Grundprinzipien des Verbandsverfahrens

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Richter oder dem Gericht zurechenbaren Versäumnissen keine negative Schlüsse für einen Verfahrensbeteiligten gezogen werden. Schließlich besteht die Pflicht, in jeder Lage des Verfahrens Rücksichtnahme auf die Verfahrensbeteiligten und ihre jeweilige, konkrete Situation zu nehmen558. Dies kann unter Umständen auch dazu führen, dass ein verspätetes Vorbringen nicht zurückgewiesen darf; dies gilt umso mehr, je stärker die Verspätung auf eine unzureichende Verfahrensführung des Richters rückführbar ist559. Daraus folgt wiederum, dass das erkennende Gericht stets dazu angehalten ist, je nach Komplexität und Umfang des Verfahrens sich selbst ausreichend Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit einzuräumen. Der Verbandsrichter soll zudem sich abzeichnende Missstände eindeutig präzisieren, damit den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zur Abhilfe eingeräumt werden kann560. Endlich wird ein faires Verfahren vom Grundsatz der Waffengleichheit und vom Beschleunigungsgebot geprägt, wonach eine Entscheidung in angemessener Zeit zu ergehen hat561. Ersteres tritt besonders im Dopingsanktionsverfahren und dem damit verbundenen Mitwirkungspflichten des betroffenen Sportlers in den Vordergrund562. II. Recht auf den gesetzlichen Richter Unter dem Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist die durch Rechtsatz zu bestimmende Normierungspflicht zu verstehen, den jeweils zuständigen Richter bereits zuvor für eine Vielzahl von in der Zukunft liegenden Fällen abstrakt-generell zu bestimmen563. Eine Verpflichtung zur abstrakten Vorfestlegung des erkennenden Gerichts als Spruchkörper und die zur Entscheidung berufenen Richter besteht jedoch für die Sportfachverbände und deren Gerichtsbarkeit gerade nicht, da sich diese grundgesetzliche Verpflichtung des Art. 101 GG nur auf die staatliche Gerichtsbarkeit und damit nicht auf Verbandsgerichtsbarkeit erstreckt564. In Relation zum Sportrecht und den jeweiligen Verbandsgerichtsverfahren findet dieser Grundsatz aber in der Form Anwendung, dass stets das für ein Streitverfahren zuständige Verbandsorgan handeln muss, welches wiederum zuvor in der Satzung oder im Falle einer Nichtregelung durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung festgelegt worden ist565. Demzufolge lässt sich auf einer 558

BVerfGE, 123 (126). Hilpert, SpuRt 2009, 147 (148); Fn. 11 in diesem Beitrag. 560 BVerfGE 78, 123 (127). 561 Lambertz/Longrée, SpuRt 2012, 143 (145). 562 Siehe ausführlich zum Dopingsanktionsverfahren unten, S. 136–212. 563 Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 101 Rz. 18. 564 Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 101 Rz. 27, Art. 103 Abs. 1 Rz. 18; Degenhart, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 101 Rz. 9; Art. 103 Rz. 8; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 246; Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 76; OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (76). 565 Palandt/Ellenberger, § 25 BGB Rz. 17; PHB SportR-Summerer II 3/357. Im Zweifel entscheidet gem. § 32 Abs.  1 S.  1 BGB die Mitgliederversammlung. Siehe auch Reichert, VereinsR, Rz. 3053; Buchberger, SpuRt 1996, 122 (125) und OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (76). 559

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

normativ niedrigeren Ebene wegen der Pflicht zur Festlegung des zur Entscheidung vorgesehenen Spruchkörpers zumindest eine inhaltliche Übereinstimmung mit dem Grundsatz des Art. 101 GG feststellen566. Wird daher im Folgenden von einer „Übereinstimmung mit den Anforderungen des Rechts auf den gesetzlichen Richter“ gesprochen, ist dies in dem soeben beschriebenen Rahmen zu verstehen. Schwierigkeiten bereitet aber die damit verbundene Frage der Befangenheit des zuständigen Verbandsgerichts567. Auf dem ersten Blick könnte daran gedacht werden, dass dieser fundamentale Grundsatz des richterlichen Neutralitätsgebots wegen seiner Wesentlichkeit auch im Verbandsgerichtsverfahren Anwendung finden müsste. Bei einer genaueren Betrachtung zeigt sich jedoch, dass auf dieses Prinzip wegen der Besonderheiten der Verbandsautonomie nur eingeschränkt zurückgegriffen werden kann. Denn ein Verbandsgericht ist nicht per se vollständig unabhängig von den Parteien Sportler und Verband. In der Regel setzt es sich aus den eigenen Verbandsmitgliedern zusammen, was wiederum auch legitim ist568. Es sollte jedoch zumindest eine bereits in der Satzung eindeutig bestimmte Trennung zwischen dem Verbandsgericht als solchem und dem jeweiligen Anklagorgan festgelegt sein569. III. Anspruch auf rechtliches Gehör Der Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs wird gewährleistet, wenn für die Verfahrensbeteiligten in jedem richterlichen Verfahren und in jeder Instanz die Möglichkeit eingeräumt wird, ausreichend Kenntnis über die Verfahrensvorgänge zu erhalten, sich selbst äußern zu können und dies in der Phase der richterlichen Überzeugungsbildung nicht gänzlich unberücksichtigt bleibt570. Demnach ist eine gerichtliche Entscheidung nur dann als rechtmäßig anzusehen, wenn deren Grundlagen der betroffenen Partei verständlich dargelegt und die fallrelevanten Informationen zur Verfügung gestellt worden sind, was auch ein Recht auf 566

Als interessant, jedoch zumindest für die Maßstäbe des deutschen Verbandsrechts nicht von Bedeutung, erweist sich in diesem Zusammenhang die weitergehende Entscheidung des LG Wien SpuRt 2000, 194 (195), wonach sich die Besetzung des Spruchkörpers am Grundsatz der festen Geschäftsverteilung zu orientieren habe. 567 Vgl. dazu auch Meyer-Goßner, Vor § 22 StPO Rz. 1 ff. 568 Andernfalls wäre jeder Verband gezwungen, das eigene Verbandsgericht mit externen Kräften zu besetzen, was sowohl wegen der damit unter Umständen verbundenen, fehlenden Kenntnis des Verbandsrichters über die spezifische Besonderheit des konkreten Sportbereiches als auch wegen des dadurch bedingten Widerspruchs zur Selbstverwaltungsautonomie des Verbandes eindeutig abzulehnen ist. 569 Vgl. dazu beispielsweise § 13 Ziff. 1 Satzung DFB, bei dem der Kontrollausschuss in der Regel die Verfahren einleitet; ebenso der Kontrollausschuss des DEB gemäß § 10 Ziff. Satzung DEB sowie der Kontrollausschuss des DTTB gemäß § 3 Abs. 1 GO DTTB. So auch LG Wien SpuRt 2000, 194 (195). 570 Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 103 Abs. 1 Rz. 20; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 103 Abs. 1 Rz. 28.

A. Grundprinzipien des Verbandsverfahrens

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Akteneinsicht umfassen kann571. Zudem muss es auch gestattet sein, selbst Beweise einbringen zu können572. Diese Grundsätze finden über das aus Art.  2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Recht auf ein faires Verfahren auch im verbandsgerichtlichen Verfahren Anwendung573. Zur Wahrung der Einbringungs- und Informationsrechte kann es in diesem Zusammenhang unter Umständen auch erforderlich sein, auf anwaltlichen Beistand zurückgreifen zu können. Denn die mittlerweile gut bekannte Aussage „Was nützt das Recht, wenn die Stimme versagt!“574 erlangt in der Sportwelt mit ihren mächtigen Verbänden575 eine besondere Aktualität. Die Gewährung des Rechts der Hinzuziehung einer anwaltlichen Vertretung kann daher möglicherweise auch als ein wesentlicher Verfahrensgrundsatz des Verbandsgerichtsverfahrens klassifiziert werden576. Eine solche Annahme ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn dies in den Verbandsregularien nicht ausdrücklich festgelegt ist. Dann würde die Einordnung als wesentlicher Verfahrensgrundsatz auch in diesen Fällen dazu führen, dass sich ein Verbandsmitglied eines Anwalts bedienen kann. Richtigerweise gilt es hierbei danach zu differenzieren, inwieweit sich der Streitgegenstand als ein komplexes Verfahren darstellt, welches mit drohenden wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist, eine größere Beweisaufnahme erfordert oder eine komplizierte Sach- oder Rechtslage zum Gegenstand hat577. In solchen Fällen ist anwaltlicher Beistand unumgänglich. Weiterer Anknüpfungspunkt kann der Grundsatz der Waffengleichheit im Verfahren sein, sofern dieser durch das Versagen der Hinzuziehung eines Anwalts 571 Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 103 Abs. 1 Rz. 41; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 103 Abs. 1 Rz. 32–33; Degenhart, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rz. 16; Reichert, VereinsR, Rz. 3056. 572 Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 103 Abs. 1 Rz. 68. 573 BGHZ 55, 381 (391); Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S.  269; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 103 Abs. 1 Rz. 90–91; PHB SportR-Summerer II 3/360; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 232; Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 72. 574 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 270. 575 Beispielhaft sei an dieser Stelle der DFB erwähnt, der sich als der größte Einzelsportverband der Welt darstellt. Aktuell sind im DFB 25.000 Vereine, 117 000 Mannschaften und 6,8 Millionen Mitglieder organisiert. Doch die „Macht“ der Verbände spiegelt sich nicht nur in der Mitgliederzahl, sondern auch in finanzieller Hinsicht wieder. Beispielsweise konnte die FIFA allein durch die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika die eigenen Geldreserven um 100 Millionen auf 870 Millionen Euro aufstocken. Abrufbar unter http://www.news.de/ sport/855132402/blatter-durch-wm-870-millionen-euro-an-reserven/1/. 576 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 28–30 bezugnehmend auf den „Fall Ingo Steuer“, bei dem eine nicht ordnungsmäßig durchgeführte Anhörung den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Gunsten des Antragsstellers Steuers auf Akkreditierung bei den olympischen Spielen in Turin rechtfertigte; Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1044; a. A. Palandt/Ellenberger, § 25 BGB Rz. 17. 577 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 29; PHB SportR-Summerer II 3/364; Reichert, VereinsR, Rz. 3077–3078.

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

durch den Verband verletzt werden würde578. Eine derartige Verletzung ist anzunehmen, wenn der Verband sich selbst einer anwaltlichen Vertretung bedient, seinem betroffenen Mitglied dies jedoch verwehrt oder der Verband selbst über eine Anklageinstanz verfügt, deren Aufgabenwahrnehmung in verantwortlicher Position von einem Juristen ausgeübt wird579. Außerhalb dieser Konstellationen kann das Recht auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts vor dem Hintergrund der Verbandsautonomie und dem mitgliedschaftlichen Treueverhältnis jedoch nicht ohne weiteres als ein wesentlicher Verfahrensgrundsatz angesehen werden, sondern muss im Einzelfall in Anlehnung an den Fairness-Gedanken anhand des Grundsatzes der Waffengleichheit im Verfahren beantwortet werden580.

B. Konkrete Verfahrensausgestaltung der Sportverbände im Hinblick auf die wesentlichen Verfahrensprinzipien581 I. DFB Der DFB weist neben seiner eigentlichen (Haupt-)Satzung582 diverse Neben­ ordnungen auf. In der für die vorzunehmende Untersuchung maßgebenden Rechtsund Verfahrensordnung (RVO DFB583) bekennt er sich im Sinne einer „Grundregel“ unter anderem zum Fairnessprinzip (§ 4 Nr. 2). Jedoch spricht der Verweis auf die Einhaltung der damit verbundenen Werte „im und durch den Fußballsport“ eher für eine Verlagerung auf die materielle Ebene des Fußballs und ist daher eigentlich weniger in verfahrenstechnischer Hinsicht zu verstehen. Durch die Einbeziehung sämtlicher Mitglieder und Funktionsträger können diese aber dadurch auch dazu angehalten sein, während der Ausübung ihrer konkreten Verbandsfunktion dieses Fairness-Prinzip zu berücksichtigen. Bei einer solchen Auslegung hätte z. B. der Richter eines DFB-Sportgerichts die eingangs dargestellten Grundsätze eines fairen Verfahrens zu beachten584. In § 3 RVO DFB werden das Sportgericht, 578

BGHZ 55, 381 (391). Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S.  81/82; Buchberger, SpuRt 1996, 157 (158); Reichert, VereinsR, Rz. 3076; Palandt/Ellenberger, § 25 BGB Rz. 17. 580 Grundsätzlich für die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers Rössner, in: FS für Lutz Meyer-Goßner, 741 (745). 581 Die folgenden, sowohl im Text als auch in der dazugehörigen Fußnoten nicht näher bezeichneten Paragraphen sind immer Bestimmungen der Hauptsatzung des jeweils untersuchten Sportfachverbandes. 582 Satzung in der Fassung von 2001 unter Berücksichtigung der Beschlüsse des ordentlichen Bundestages vom 25.10.2013. Abrufbar unter http://www.dfb.de/verbandsservice/verbandsrecht/ satzungen-und-ordnungen/. 583 In der Fassung vom 30.4.2001. Abrufbar unter http://www.dfb.de/verbandsservice/verbands recht/satzungen-und-ordnungen/. 584 Siehe oben, S. 112–113. 579

B. Konkrete Verfahrensausgestaltung der Sportverbände 

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der Kontrollausschuss sowie das Bundesgericht als diejenigen Organe genannt, die jeweils unterschiedlich für die vollständigen Einhaltung der Satzungsbestimmungen zuständig und gemäß § 3 Nr. 2 RVO DFB unabhängig sind. In den §§ 39 Nr.1, 2, 40 Nr. 1, 2 der Satzung des DFB werden ergänzend dazu die Zusammensetzung und Auswahl der zuständigen Richter und Beisitzer der beiden Verbandsgerichte durch den DFB-Bundestag sowie in den §§ 41–43 die Zuständigkeit von Sport- und Bundesgericht geregelt. § 47 regelt die Aufgabe und Zusammensetzung der Ausschüsse585. Demzufolge sind vom DFB umfassend die zuständigen Organe und die konkrete Zusammensetzung in Relation zum Streitgegenstand für die im Streitfall betroffenen Verbandsmitglieder vorab geregelt. Dies korrespondiert nach der hier zugrunde gelegten Auslegung mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Schließlich regelt die allgemeine Verfahrensbestimmung § 16 RVO DFB in Nr. 6 das Frage- und Stellungnahmerecht einer betroffenen Partei, in Nr. 3 das Beweisantragsrecht sowie in § 14 RVO DFB ein Informationsrecht für den jeweils von der Einleitung eines bestimmten Verfahrens Betroffenen. Damit wird umfassend der Anspruch auf rechtliches Gehör statuiert. Schließlich sieht die Satzung des DFB noch ein Schiedsgericht nach § 17 vor, auf welches mitsamt seinen Verfahrensprinzipien an späterer Stelle einzugehen ist586. II. DEB Der DEB hält verschiedene Gremien und Institutionen zur Klärung verbandsrechtlich relevanter Fragen bereit. Es gibt ein Spielgericht (§ 9)587 und einen Kontrollausschuss (§ 10) als verbandsinterne Rechtsorgane sowie ein „Ständiges Schiedsgericht für den Bereich des DEB“ [§ 11 Ziff. 1, 2 in Verbindung mit Art. 11 Rechtsordnung des DEB (RO DEB)588, Art.  1 Schiedsgerichtsordnung (SGO DEB)589 ] und einen Verweis auf die Zuständigkeit des Deutschen Sportschiedsgerichts (§ 11 Ziff. 1, 3). Das „Ständige Schiedsgericht“ ist nach § 7 Ziff. 1.1 zuständig für alle Streitigkeiten zwischen dem DEB und seinen Mitgliedern, bei Verstößen gegen die Satzung sowie als Revisionsinstanz gemäß Art.  11 Ziff.  1 RO DEB für Entscheidungen des Spielgerichts. Damit stellt es die abschließende Rechtsmittelinstanz für das vorangegangene Verbandsgerichtsverfahren dar590. Da 585 Siehe zum Aufgabenbereich und zu den Verfahrensprinzipien des bedeutsamen DFB-Kontrollausschusses auch Hilpert, SpuRt 1996, 50 (51 ff.). 586 Siehe unten, S. 133–135. 587 Satzung in der Fassung vom 19.7.2014. Abrufbar unter http://www.deb-online.de/index. php/satzung.html. 588 In der Fassung vom 19.7.2014. Abrufbar unter http://www.deb-online.de/index.php/ satzung.html. 589 In der Fassung vom 12.7.2008. Abrufbar unter http://www.deb-online.de/index.php/ satzung.html. 590 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 89, 93.

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

es gemäß § 7 Ziff. 2 jedoch erst zuständig ist, sofern der verbandsinterne Rechtsweg durchlaufen worden ist, bleibt es an dieser Stelle außen vor. Daher konzentriert sich die Darstellung auf die für das Spielgericht und dem Kontrollausschuss geltenden Verfahrensprinzipien, weil diese als Verbandsorgane den internen Verbandsrechtsweg ausmachen591. Für das Spielgericht ist eine Besetzung mit drei Mitgliedern (§ 9 Ziff. 3) oder einem Einzelrichter vorgesehen (Art. 8 Ziff. 2, Art. 9 RO DEB), deren konkrete Zusammensetzung sich jeweils nach einem Geschäftsverteilungsplan richtet (Art. 8 Ziff. 2 RO DEB) und im Voraus bestimmbar ist. Der Kontrollausschuss besteht aus einem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und bis zu drei weiteren Mitgliedern, die von der Mitgliederversammlung für die Dauer von vier Jahren gewählt werden (§ 10 Ziff.  5). Damit orientiert sich die verfahrensrechtliche Ausgestaltung dieser beiden Verbandsorgane an den Grundsätzen des Rechts auf den gesetzlichen Richter. Aus Art. 8 Ziff. 1 RO DEB ergibt sich in Zusammenhang mit einem Verfahren vor dem Spielgericht, dass dem Betroffenen stets die Möglichkeit einer Einlassung bzw. Erwiderung zur Verfügung stehen muss. In Art. 8 Ziff. 5 RO DEB ist dieser Anspruch auf rechtliches Gehör explizit noch einmal aufgeführt. Zudem wird in Art. 8 Ziff. 11 RO DEB das damit zusammenhängende Akteneinsichtsrecht gewehrt. § 4 Ziff.  3 statuiert schließlich noch ein allgemeines Informationsrecht aller Verbandsmitglieder. Eine Orientierung am fair-trial-Grundsatz lässt sich der Satzung bzw. der Rechtsordnung des DEB nicht explizit entnehmen. In vereinzelten Passagen wie zum Beispiel Art. 8 Ziff. 1 RO DEB, der die Pflicht zur unverzüglichen Antragsbehandlung für das Verbandsgericht statuiert oder in Art. 8 Ziff. 10 RO DEB, der eine zügige Beibringung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln zur Förderung eines effektiven Verfahrens festlegt, lässt sich jedoch eine gewisse Orientierung an diesem Grundsatz feststellen. III. DHB Der DHB gliedert seine Verbandsgerichtsbarkeit auf Bundesebene in zwei Rechtsinstanzen auf: das Bundes- und das Bundessportgericht (§§ 45, 46)592. Das Bundessportgericht gliedert sich in zwei Kammern, jeweils bestehend aus einem Vorsitzenden sowie sechs Beisitzern (§ 46 Abs. 1 Ziff. a, b). Dopingvergehen werden unter Ausschluss des verbandsinternen Instanzenzuges und des ordentlichen Rechtsweges gemäß § 47 Abs. 1 von einem Schiedsgericht entschieden593. Für das Bundesgericht ist eine Besetzung mit einem Vorsitzenden und neun Beisitzern vorgesehen. Sämtliche Mitglieder werden von den Mitgliedern des Bundestages gewählt (§ 22). In Anlehnung an die Anforderungen zum Recht auf den gesetzlichen 591 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 93. 592 Satzung in der Fassung vom 21.9.2013. Abrufbar unter http://dhb.de/verband/intern/sat zung-und-ordnungen.html. 593 Siehe dazu unten, S. 133.

B. Konkrete Verfahrensausgestaltung der Sportverbände 

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Richter lässt sich weder der Satzung, noch der zugehörigen Rechtsordnung (RO DHB)594 die konkrete Besetzung mittels eines Geschäftsverteilungsplanes entnehmen. Vielmehr ergibt sich über § 48 Abs. 1 RO DHB, dass nach Einleitung des Verfahrens der jeweilige Vorsitzende die Beisitzer bestimmt. Demzufolge lässt sich festhalten, dass im Vorhinein für das Verbandsmitglied nicht gänzlich feststeht, wie sich die konkrete Besetzung des maßgeblichen Spruchkörpers gestaltet. Damit hält sich der DHB mit seiner verfahrensrechtlichen Ausgestaltung an diesem Punkt aber zumindest noch an den im Verbandsrecht geltenden Mindeststandard595. Ausdrückliche Erwähnung findet dagegen der Anspruch auf rechtliches Gehör in § 43 Abs. 3 RO DHB. Zudem wird an diversen Bestimmungen der RO DHB das Informations- und Stellungnahmerecht des Betroffenen hervorgehoben (§ 37 Abs. 8 Satz 1, § 54 Abs. 11, 13 RO DHB). Der fair-trial-Grundsatz wird hingegen nicht ausdrücklich statuiert. IV. DTTB Der DTTB gliedert gemäß § 1 Abs.  1 der Geschäftsordnung für die Rechts­ instanzen (GO DTTB596) seine Verbandsgerichtsbarkeit in ein Sportgericht (§ 57)597, ein Bundesgericht (§ 58) und das Disziplinarorgan „Anti-Doping“598. Im Hinblick auf die konkrete Besetzung dieser Rechtsinstanzen ergibt sich über § 10 Abs. 2 GO DTTB zumindest für das Sport- und das Bundesgericht, dass die Beisitzer auf Grund eines zuvor aufgestellten Geschäftsverteilungsplans herangezogen werden. Damit lässt sich eine Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Rechts auf den gesetzlichen Richter ausmachen. Gemäß § 2 GO DTTB Abs. 1 ist jedem Beteiligten die Gelegenheit zur Stellungnahme im Hinblick auf Entscheidungen der Rechtsinstanzen zu gewähren. Dies gilt sowohl im Vorfeld des jeweiligen Verfahrens (§ 3 Abs. 3 GO DTTB) als auch im Verfahren selbst (§§ 2 Abs. 1, 16 Abs. 4 GO DTTB). Demzufolge ergibt sich für die Verfahrensgestaltung des DTTB, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt wird. Der fair-trial-Grundsatz findet hingegen in der Satzung und der Geschäftsordnung der Rechtsinstanzen keine Erwähnung.

594 In der Fassung vom 21.9.2013. Abrufbar unter http://dhb.de/verband/intern/satzung-undordnungen.html. 595 Siehe oben, S. 113–114. 596 In der Fassung vom 3.6.2012. Abrufbar unter http://www.tischtennis.de/dttb/satzung/. 597 Satzung in der Fassung vom 1.7.2014. Abrufbar unter http://www.tischtennis.de/dttb/ satzung/. 598 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 126.

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

V. DSV (Deutscher Schwimmverband) Der DSV sieht nach seiner Satzung599 bzw. seiner Rechtsordnung (RO DSV)600 keine interne Verbandsgerichtsbarkeit vor. Vielmehr werden nach § 26 Entscheidungen über Verbandsstreitigkeiten von Schiedsgerichten getroffen. Die Verfahrensprinzipien der Schiedsgerichtsbarkeit sind eigentlich nicht Gegenstand der Untersuchung innerhalb dieses Unterkapitels, welches auf die Untersuchung derjenigen Grundsätze abzielt, die im Rahmen der Ausübung der (internen) Verbandsgerichtsbarkeit Anwendung finden. Jedoch ist bereits aufgezeigt worden, dass die bloße Nennung eines Schiedsgerichts in der Satzung nicht ausschlaggebend für die Annahme ist, es würde sich um ein echtes Schiedsgericht handeln601. Fragwürdig im Hinblick auf das Vorliegen einer Schiedsgerichtsbarkeit kann der Umstand sein, dass die Formulierung des § 13 Abs. 2 RO DSV, wonach „die staatliche Gerichtsbarkeit grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung des zuständigen Schiedsgerichts angerufen werden darf“ dahingehend ausgelegt werden könnte, dass damit eben kein umfassender Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit gewährleistet wird und somit Verbandsgerichtsbarkeit vorliegen würde602. Jedoch muss hierbei § 13 Abs. 4 RO DSV miteinbezogen werden, wonach ordentliche Gerichte nach Ablauf des Verfahrens nur einem Aufhebungsantrag bezüglich der ergangenen Entscheidung stattgeben dürfen. Dies entspricht § 1059 ZPO und setzt voraus, dass es sich bei dieser Entscheidung um einen Schiedsspruch handelt. Schließlich spricht auch die weitere Verfahrensgestaltung für die Annahme eines echten Schiedsgerichts. Danach ergibt sich, dass die Mitglieder dieses Schiedsgerichts nach § 17 RO DSV unabhängig und keiner Weisung unterworfen sind und gemäß § 16 Abs.  3 RO DSV nicht Mitglied in einem anderen Verbandsorgan des DSV sein dürfen. Diese Ausgestaltung lässt den Schluss zu, dass es sich um ein echtes Schiedsgericht handelt603. Vor diesem Hintergrund ist daher § 13 Abs. 2 RO DSV dahingehend auszulegen, dass dem Satzungsadressaten vor Augen geführt werden soll, dass die für ihn nunmehr maßgebende echte Schiedsgerichtsbarkeit den Weg zur staatlichen Gerichtsbarkeit versperrt. Da der DSV nach § 24 sämtliche Entscheidungen über Verbandsstreitigkeiten seinen Schiedsgerichten überträgt, fällt er und die Frage nach der verfahrensmäßigen Ausgestaltung der eigenen Verbandsgerichtsbarkeit aus der an dieser Stelle vorzunehmenden Betrachtung heraus604.

599 Satzung in der Fassung vom 10.11.2012. Abrufbar unter http://www.dsv.de/der-dsv/ service/regelwerke/. 600 In der Fassung vom 9.11.2012. Abrufbar unter http://www.dsv.de/der-dsv/service/regel werke/. 601 Siehe oben, S. 77–78. 602 So Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 169. 603 A. A. Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 171. 604 Siehe unten, S. 132.

B. Konkrete Verfahrensausgestaltung der Sportverbände 

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VI. DLV Der DLV übt seine gesamte Sportgerichtsbarkeit mit Ausnahme der im AntiDoping-Code DLV605 (ADC DLV) geregelten Tatbestände gemäß § 11.1606 durch einen Verbandrechtsausschuss aus, dessen Zuständigkeit sich nach § 6 der Rechtsund Verfahrensordnung des DLV (RVO DLV607) richtet. Zuständig in Dopingangelegenheiten ist nach § 11 Abs. 3 der Disziplinarausschuss sowie in Streitigkeiten, die außerhalb der Zuständigkeit des Verbandsrechtsausschusses liegen, die ebenfalls nach § 4 RVO DLV einzurichtenden Rechtsausausschüsse. Bei dem Disziplinarausschuss handelt es sich wegen der Benennung der Mitglieder durch das DLVPräsidium gemäß § 7 Abs. 3 ADC DLV und fehlender Unabhängigkeitsregelungen um ein internes Verbandsgericht, für welches im ADC DLV eigene Verfahrensregelungen vorgesehen sind608. Diese orientieren sich am NADA-Code609, welcher an späterer Stelle ausführlich beleuchtet wird, so dass die darin enthaltenen Verfahrensbestimmungen hier zunächst außen vor bleiben610. Der Verbandsrechtsausschuss besteht aus einem Vorsitzenden und sechs Beisitzern, die gemäß § 10 RVO DLV vom Verbandstag gewählt werden und einem Landesverband angehören müssen. Für eine Streitigkeit vor dem Verbandsrechtsausschuss steht somit von vornherein fest, in welcher Besetzung entschieden wird. Der Rechtsausschuss besteht aus einem Vorsitzenden und sechs Beisitzern, die ebenfalls vom Verbandstag gewählt werden und nach § 11 RVO DLV keinem anderen Organ des Verbandes angehören dürfen. Maßgebend für das gesamte Verbandsrechtsverfahren ist § 3 Abs. 1 RVO DLV, wonach „Entscheidungen nach dieser Ordnung nach ihrer Rechtskraft unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte oder sonstiger außenstehender Stellen endgültig sind.“ Dies kann zu der Annahme führen, dass diese beiden Rechtsorgane als Schiedsgerichte ausgestaltet sind und dementsprechend für die an dieser Stelle vorzunehmende Betrachtung außen vor bleiben müssen. Dagegen spricht jedoch zumindest im Hinblick auf den Verbandsrechtsausschuss, dass dessen Mitglieder jeweils einem Landesverband angehören müssen. Schließlich fehlen auch vergleichbare Regelungen zur Unabhängigkeit, zum Ausschluss oder zur Befangenheit, wie sie für die Rechtsausschüsse in § 4 RVO DLV und § 14 Abs. 1 RVO DLV bzw. § 15 RVO DLV vorgesehen sind. Vor diesem Hintergrund könnte sich ergeben, dass der DLV für sein Verbandsrechtsverfahren eine Zweigliederung vornimmt. Der Verbandsrechtsausschuss 605

In der Fassung vom 22.7.2011. Abrufbar unter https://www.leichtathletik.de/service/ downloads/dlv-satzung-und-ordnungen/. 606 Satzung in der Fassung vom 15./16.11.2013. Abrufbar unter https://www.leichtathletik.de/ service/downloads/dlv-satzung-und-ordnungen/. 607 In der Fassung vom 24.3.2001. Abrufbar unter https://www.leichtathletik.de/service/ downloads/dlv-satzung-und-ordnungen/. 608 Im Ergebnis zustimmend Monheim, Sportlerrecht und Sportgerichte, S. 204. 609 Siehe § 15 ADC DLV. 610 Siehe zu den Verfahrensvorschriften nach dem NADA-Code unten, S. 154–177.

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

würde sich als ein Verbandsgericht darstellen, die Rechtsausschüsse wären als Schiedsgerichte einzuordnen. Gegen dieses mögliche  – wenn auch ungewöhnliche – Ergebnis könnte jedoch § 3 Abs. 2 RVO DLV sprechen. Danach kann ein ordentliches Gericht vor Ausschöpfung des festgelegten Verbandsverfahrens nicht angerufen werden, es sei denn, der Verbandsrechtsausschuss oder ein landesverbandlicher Rechtsausschuss stimmt zu oder die Anrufung ist zur Wahrung einer gesetzlichen Frist notwendig. Daraus ergeben sich zwei Interpretationsmöglichkeiten. Zum einen könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass die Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit nur vor Ablauf des Verbandsrechtsverfahrens unter dem Genehmigungsvorbehalt steht, danach jedoch nicht mehr und der Weg somit eröffnet sein würde. Demzufolge müsste § 3 Abs. 1 RVO DLV dergestalt ausgelegt werden, dass er – entsprechend seiner Überschrift – lediglich den Grundsatz statuiert, dass wegen der Verbandsautonomie und der Sachnähe erst der interne Instanzenzug durchlaufen werden muss. Jedoch würde sich eine solche Auslegung auf Grund des eindeutigen Wortlauts des § 3 Abs. 1 RVO DLV („[…] unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte […] endgültig sind.“) weiterhin Bedenken ausgesetzt sehen. Vorzugswürdiger erscheint hingegen die Interpretation, dass sich § 3 Abs. 2 RVO DLV nur auf den einstweiligen Rechtsschutz bezieht, der nicht bzw. zumindest nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann611 und verhindern soll, dass vor Durchlaufen des nach § 3 Abs. 1 RVO DLV in der Hauptsache abschließenden Verbandsrechtsverfahrens einstweiliger Rechtschutz vor ordentlichen Gerichten gesucht wird, was zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen könnte. Dann würde es bei dem erwähnten Ergebnis bleiben, dass der DLV Schiedsgerichtsbarkeit für seine Verbandsgerichtsbarkeit vorsieht, dies jedoch wegen der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung nur hinsichtlich der Rechtsausschüsse gelungen ist612. Da sich die allgemeinen Verfahrensbestimmungen (§§ 23–36 RVO DLV) sowie die Vorschriften für das Verfahren in erster Instanz (§§ 37–54 RVO DLV) gänzlich am Rechtsausschuss orientieren, sind die Verfahrensvorschriften des DLV an dieser Stelle nicht heranzuziehen. VII. DSV (Deutscher Skiverband) Der DSV (Deutscher Skiverband) hat für die Nachprüfung von Verbandsstrafen und für die Entscheidungen über sämtliche andere Verbandsstreitigkeiten gemäß § 15 Abs. 2 S. 1613 einen Rechtsausschuss installiert. Dieser setzt sich aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern zusammen, die nach § 12 Abs. 3 S. 1 der Rechts-

611

Siehe oben, S. 95–104. Zu diesem Ergebnis hinsichtlich des zuständigen Rechtsausschusses des DLV kam  – wenngleich nicht frei von Zweifeln und mit nicht durchgängig überzeugender Begründung – auch das OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2001, 1078 (1079). 613 Satzung in der Fassung vom 19.10.2013. Abrufbar unter http://www.deutscherskiverband. de/ueber_uns_der_dsv_satzungen_ordnungen_de,468.html. 612

B. Konkrete Verfahrensausgestaltung der Sportverbände 

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und Schiedsordnung [RO DSV (Deutscher Skiverband)614] in Verbindung mit § 10 von der Verbandsversammlung gewählt werden. Zwar statuieren § 2 Abs. 1 S. 2, 3 RO DSV (Deutscher Skiverband) nun in diesem Zusammenhang, dass der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen ist und nach S. 2 in Streitfällen nur die Entscheidungsgremien wie der Rechtsausschuss angerufen werden dürfen. Dies führt indes jedoch nicht zu der Annahme, dass es sich bei dem Rechtsausschuss um ein Schiedsgericht handelt. Dagegen spricht die für ein Verbandsgericht charakteristische Wahl durch die Verbandsversammlung. Zudem stellen § 15 Abs. 2 S. 2 und § 14 RO DSV (Deutscher Skiverband) klar, dass erst nach Ablauf des Verfahrens vor dem Rechtsausschuss der eigentlich dann mögliche Weg vor die ordentliche Gerichtsbarkeit zugunsten des Deutschen Sportschiedsgerichts ausgeschlossen ist. § 2 Abs. 1 S. 3 RO DSV (Deutscher Skiverband) muss daher so verstanden werden, dass er sich auf das dann zuständige Schiedsgericht bezieht, so dass festgestellt werden kann, dass es sich bei dem nach § 12 RO DSV (Deutscher Skiverband) statuierten Rechtsausschuss um ein Verbandsgericht handelt. Im Hinblick auf die Frage nach der Einhaltung der Anforderungen des Rechts auf den gesetzlichen Richter lässt sich der RO DSV (Deutscher Skiverband) keine Einteilung nach einem Geschäftsverteilungsplan entnehmen. Dies ist auf Grund der konkreten Ausgestaltung des Rechtausschusses mit einem ständigen Vorsitzenden und zwei permanenten Beisitzern auch nicht außergewöhnlich, da dadurch von vornherein feststeht, dass die gewählten Mitglieder jede Verbandsstreitigkeit entscheiden werden und dieser Umstand auch dem jeweils betroffenen Verbandsmitglied bekannt ist. Folglich steht für jede Verbandsstreitigkeit von vornherein fest, welcher konkrete Richter diese entscheiden wird. Im Verfahren vor den Rechtsausschuss wird den Beteiligten nach § 13 Abs. 2 Ziff. 4 RO DSV (Deutscher Skiverband) in Verbindung mit § 11 Abs. 8 S. 3 RO DSV (Deutscher Ski­verband) rechtliches Gehör gewährt, wobei eine weitergehende Präzisierung wie zum Beispiel die Statuierung eines konkreten Stellungnahme- und Befragungsrecht der RO DSV (Deutscher Skiverband) nicht entnommen werden kann. Hinsichtlich der Einhaltung des fair-trial-Grundsatzes lässt sich das daraus abzuleitende Beschleunigungsgebot in § 13 Abs.  2 Ziff.  6 S.  1 RO DSV (Deutscher Skiverband) wiederfinden, wonach der Rechtsausschuss dazu angehalten ist, innerhalb von sechs Monaten nach Rechtshängigkeit eine Entscheidung herbeizuführen.

614 In der Fassung vom 20.10.2012. Abrufbar unter http://www.deutscherskiverband.de/ ueber_uns_der_dsv_satzungen_ordnungen_de,468.html.

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

VIII. DBB Auf Bundesebene wird die interne Verbandsgerichtsbarkeit des DBB nach § 15 Abs. 1 S. 1615 durch den DBB-Rechtsausschuss ausgeübt, der aus einem Vorsitzenden, dessen zwei Vertretern und 8 Beisitzern besteht (Abs. 2). Gemäß § 7 S. 2 RO DBB616 wird für jedes konkrete Verbandsverfahren mit 3 Mitgliedern verhandelt. Eine Besetzung anhand eines konkreten Geschäftsverteilungsplans kann der RO DBB nicht entnommen werden. Es ist jedoch bei einer abstrakten Besetzung des Rechtsausschusses mit insgesamt 11 Mitgliedern (§ 15 Abs. 2) und einer konkreten von jeweils 3 Mitgliedern (§ 7 S. 2 RO DBB) davon auszugehen, dass ein solcher zumindest dem Grunde nach existiert. Über § 10 Abs. 1 S. 1 RO DBB wird den Beteiligten für jedes Verfahren die Gelegenheit zur Stellungnahme ermöglicht. Zudem haben sie gemäß § 12 Abs. 3 RO DBB das Recht der jeweiligen Zeugenvernehmung beizuwohnen und nach § 13 RO DBB anschließend das Recht, abschließende Erklärungen abzugeben. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird insoweit gewahrt. Schließlich müssen alle Instanz abschließenden Entscheidungen nach § 9 Abs. 1 S. 1 RO DBB ohne mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats getroffen werden. Folglich findet zumindest für diesen Bereich eine Orientierung am Beschleunigungsgebot statt. IX. BDR Der BDR sieht für seine Gerichtsbarkeit gemäß §§ 15, 16617, § 6 Rechts- und Verfahrensordnung BDR (RVO BDR)618 ein Bundessport- und Schiedsgericht (BSSG) sowie einen Bundesrechtsausschuss vor. Die Rechtsorgane des BDR entscheiden nach § 10 RVO BDR als Dreiergremium entweder in der Besetzung mit dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter sowie einem Besitzer oder nur mit dem Vorsitzenden und zwei Besitzern619. Fraglich ist, ob es sich bei dem ersten Gremium um ein internes Verbandsgericht oder ein echtes Schiedsgericht handelt. Die Bezeichnung „Schiedsgericht“ gibt darüber freilich keinen Aufschluss620. Jedoch enthält § 3 der RVO BDR eine Regelung über den Vorrang des Verbandsrechtsverfahrens. Nach dessen Ziff. 1 ist die Anrufung eines ordentlichen Gerichts oder eines Schiedsgerichts erst nach Ausschöpfung des verbandsinternen Rechts 615 Satzung in der Fassung von 2014. Abrufbar unter http://www.basketball-bund.de/dbb/ amtliche-mitteilungen/satzung-ordnungen. 616 In der Fassung von 2013–2014. Abrufbar unter http://www.basketball-bund.de/dbb/amt liche-mitteilungen/satzung-ordnungen. 617 Satzung in der Fassung vom 23.3.2013. Abrufbar unter http://www.rad-net.de/modules. php?name=html&f=bdr/satzung.htm&menuid=82. 618 In der Fassung von 16.4.2011. Abrufbar unter http://www.rad-net.de/modules.php?name= html&f=bdr/satzung.htm&menuid=82. 619 Die konkrete Besetzung des BSSG ergibt sich nach § 15 Ziff. 2–6. 620 Siehe oben, S. 77–78.

B. Konkrete Verfahrensausgestaltung der Sportverbände 

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weges zulässig. Damit wird der Grundsatz des Vorrangs des Verbandsverfahrens statuiert, nicht jedoch der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen. § 3 Ziff. 2 RVO BDR, wonach die Anrufung der in Ziff. 1 genannten Stellen einen Verstoß gegen die Grundsätze sportlichen Verhaltens darstellt, steht dem nicht entgegen, da danach „nur“ einstweiliger Rechtschutz während des internen Verbandsverfahrens ausgeschlossen werden soll und Ausnahmen davon in Ziff. 3 vorgesehen sind. Lediglich § 3 Ziff. 4 RVO BDR sieht einen Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor, sofern es sich um Anti-Doping-Verfahren handelt. Diese sind nach § 16a Ziff. 1 dem Deutschen Sportschiedsgericht zugewiesen, fallen aber aus der Zuständigkeit des BSSG heraus, was sich in Verbindung mit § 6 Ziff. a RVO BDR ergibt. Demzufolge ist das BSSG als internes Verbandsgericht anzusehen621. Jenes regelt die konkrete Besetzung für nach § 6 RVO BDR anhängige Verfahren gemäß § 15 Ziff. 8 anhand eines Geschäftsverteilungsplans. Daraus kann folgen, dass für jeden Streitfall vorab abstrakt die Besetzung geregelt ist und demnach eine Orientierung am Recht auf den gesetzlichen Richter gegeben sein würde. Andererseits sieht § 10 Ziff. 2 RVO BDR vor, dass der Vorsitzende eines Rechtsorgans die Besetzung von Fall zu Fall bestimmt. Zu den Rechtsorganen sind wiederum diejenigen Gremien zu zählen, die in Abschnitt 2 der RVO BDR (§§ 4–18) erwähnt werden; demnach auch das BSSG. Bei Zugrundelegung einer solchen Auslegung würde in einem Verfahren vor dem BSSG der Vorsitzende die Besetzung bestimmen und damit nicht vorab schon die jeweilige Besetzung feststehen. Daraus folgt ein Widerspruch zwischen § 15 Ziff. 8 und § 10 Ziff. 2 RVO BDR, so dass nicht abschließend eine Aussage zur Besetzung getroffen werden kann. Gemäß § 4 RVO BDR sind die Rechtsorgane unabhängig und an Weisungen nicht gebunden, was durch die Ausschlusstatbestände wegen Mitwirkung oder Befangenheit unterstrichen wird (§§ 12–15 RVO BDR). Den Beteiligten eines Verfahrens622 wird gemäß § 22 RVO BDR ein Stellungnahmerecht sowie nach § 23 RVO BDR ein Akteneinsichtsrecht eingeräumt. Somit wird der Anspruch auf rechtliches Gehör in einem Verfahren vor einem Rechtsorgan des BDR umfassend gewahrt, was durch die erneute Gewährung nach erfolgter Beweisaufnahme nochmals hervorgehoben wird623. Für die zur Entscheidung berufenen Rechtsorgane gilt gemäß § 38 RVO BDR der Untersuchungsgrundsatz mit der Folge, dass sie an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden sind und Art und Umfang der Beweisaufnahme selbst bestimmen. Als zulässige Beweismittel sind die „klassischen Beweismittel“ zu nennen: Zeuge, Sachverständiger, Inaugenschein-

621 A. A. Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 132, jedoch auf S. 134/135 dahingehend relativierend, dass hinsichtlich der Schiedsrichterbestellung „mit jeweils guten Gründen beide Varianten angenommen werden können“ und dann beim BDR-Schiedsgericht nur reine Verbandsgerichtsbarkeit vorliegen würde. 622 Siehe dazu § 19 RVO BDR in Verbindung mit § 2 RVO BDR. 623 Siehe dazu § 41 RVO BDR.

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

nahme und Urkunde624. Ein ausdrückliches Bekennen zum fair-trial-Grundsatz ist nicht ersichtlich, doch zeigen zumindest diverse Fristenreglungen die grundsätzliche Orientierung an einer zügigen, dem Streitgegenstand entsprechenden Verfahrensführung625. X. DESG Die DESG sieht im Rahmen der internen Verbandsgerichtsbarkeit einen Disziplinarbeirat gemäß § 13626 vor. Dieser setzt sich aus dem Präsidenten, dem Sportdirektor, dem Referent für Rechtswesen, dem LEV627-Vertreter und den Aktivensprechern zusammen628. Damit steht von vornherein die Besetzung für eine etwaige Streitigkeit fest. Im Rahmen der verfahrensrechtlichen Auseinandersetzung erhalten die Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme gemäß § 13 Ziff. 4 und nach § 13 Ziff. 6 zur abschließenden Stellungnahme, wobei die Entscheidung in der Regel im schriftlichen Verfahren erfolgt629. Rechtliches Gehör wird damit – wenn auch nicht vollumfänglich630 – gewahrt. Schließlich lässt sich eine Orientierung am Beschleunigungsgebot insoweit feststellen, als dass Entscheidungen des Disziplinarbeirats nach den § 13 Ziff. 5 und 6 innerhalb von vier Wochen zu ergehen haben. Darüber hinaus sieht der DESG gemäß § 14 Ziff. 1 noch einen Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach Abschluss dieses Verfahrens durch die Statuierung des Deutschen Sportschiedsgerichts als Rechtsmittelinstanz vor631. Ferner ist das Deutsche Sportschiedsgericht darüber hinaus nach § 14 Ziff. 5 in erster Instanz zuständig für Streitigkeiten, die einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen zum Gegenstand haben. Die Verfahrensgrundsätze des Deutschen Sportschiedsgerichts werden jedoch an späterer Stelle beleuchtet632 und bleiben an dieser Stelle außen vor.

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Siehe dazu § 39 RVO BDR. Siehe dazu §§ 33 Ziff. 1 und 2, 34 Ziff. 2, 35 Ziff. 1 S. 3. 626 Satzung in der Fassung vom 28.7.2012. Abrufbar unter http://www.desg.de/download/ satzung. Zur Zuständigkeit siehe § 13 Ziff. 2. 627 Bezeichnung für die Landeseissport-Verbände. Siehe § 1 Ziff. 1 der Satzung. 628 Siehe § 13 Ziff. 1. 629 Siehe § 13 Ziff. 5 und 6. 630 Die fehlende Umfänglichkeit bezieht sich auf den Umstand, dass im Regelfall einzig im schriftlichen Umlaufverfahren entschieden wird und den Beteiligten dadurch wenig Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wird. Sie ist aber im Verbandsverfahren zulässig. Siehe dazu Buchberger, SpuRt 1996, 122 (124). 631 Siehe § 14 Ziff. 1, 2 und 4.  632 Siehe unten, S. 129–131. 625

C. Anforderungen an das Schiedsverfahren

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XI. Ergebnis Der DFB, der DEB und der DTTB besetzen ihre Verbandsgerichte mittels eines Geschäftsverteilungsplans. Für den DBB lässt sich dieser Schluss wegen der abstrakten (8 Mitglieder) und der konkreten Besetzung des Rechtsausschusses im jeweiligen Streitfall (3 Mitglieder) zumindest vermuten. Beim DSV (Deutscher Skiverband) steht auf Grund der Besetzung des Rechtsausschusses mit einem Vorsitzenden und zwei dauerhaften Beisitzern ebenfalls von vornherein fest, welche Richter einen Streitfall entscheiden werden; selbiges gilt für die DESG. Beim DHB erfolgt die Benennung hingegen durch den Vorsitzenden des Bundesgerichts. Beim BDR lässt sich dies nicht eindeutig feststellen. Alle Verbände haben vorab abstrakt geregelt, welches Organ in Streitfragen zuständig sein soll. Damit lässt sich erfreulicherweise feststellen, dass sich die Mehrzahl der großen Sportfachverbände an dem Recht auf den gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG in der hier vertretenen Auslegung orientieren. Alle Verbände gewähren darüber hinaus im größeren (BDR, DHB) oder kleineren Rahmen (DESG) ein Stellungnahmerecht für die Beteiligten, so dass der Grundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör einen der wesentlichen verfahrensrechtlichen Grundsätze im Verbandsverfahren darstellt. Der fair-trial-Grundsatz lässt sich hingegen nur vereinzelt wiederfinden. So fand er in der Form des Beschleunigungsgrundsatzes lediglich beim DSV (Deutscher Skiverband)  und beim DBB einen deutlichen Niederschlag in der Verfahrensgestaltung. Beim DEB ist er nur an der Pflicht zur „unverzüglichen Antragsstellung“ erkennbar, beim DFB allenfalls im Wege einer weiten Auslegung des § 1 Nr. 1 RVO DFB auszumachen. Beim BDR, der DESG, dem DHB und dem DTTB lässt sich die Pflicht zur zügigen Verfahrensführung lediglich an vereinzelten Fristenregelungen erkennen. Demzufolge ergibt sich, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör633 sowie das Recht auf den gesetzlichen Richter in seinem Aussagegehalt mehrheitlich im Verbandsverfahren berücksichtigt werden. Für das Fairnessprinzip kann dies nicht festgehalten werden.

C. Anforderungen an das Schiedsverfahren Zur Bestimmung der wesentlichen Verfahrensvoraussetzungen im Schiedsgerichtverfahren könnten nun diejenigen Verfahrensordnungen der Sportverbände untersucht werden, die „echte Schiedsgerichte“ in der Satzung statuiert haben. Viele der in Betracht kommenden Sportverbände verweisen zumindest in Doping 633 Zustimmend Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 27.

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

angelegenheiten mittlerweile jedoch erstinstanzlich oder zumindest als Rechtsmittelinstanz auf das Deutsche Sportschiedsgericht und dessen maßgebende Verfahrensordnung (DIS-Sportschiedsgerichtsordnung  – DIS-SportSchO)634. Zudem fällt die Ausgestaltung der eigenen Verbandsgerichtsbarkeit zweifellos in den durch Art.  9 GG geschützten Autonomiebereich, der  – bis auf die aufgezeigten Mindeststandards635  – wesentlich mehr Raum für eine unterschiedliche Verfahrensgestaltung bietet und daher dort eine Einzelprüfung vorzugswürdiger erscheinen lässt. Dies und der Umstand der intendierten Vergleichbarkeit mit der staatlichen Gerichtsbarkeit führen dazu, die grundlegenden Verfahrensmaßstäbe des schiedsgerichtlichen Verfahrens allgemein bzw. anhand der Schiedsverfahrensordnung des Deutschen Sportschiedsgerichts zu bestimmen. Zuvor wird jedoch kurz Grundlegendes zum Deutschen Sportschiedsgericht und dessen Ver­ fahrensablauf erwähnt. I. Gründung des Deutschen Sportschiedsgerichts Das Deutsche Sportschiedsgericht wurde auf der Basis einer gemeinsamen Initiative der Stiftung Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) und der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) am 1.1.2008 gegründet. Von besonderer Bedeutung erweist sich die ebenfalls von der DIS und der NADA gemeinsam erarbeitete Sportschiedsgerichtsordnung (DIS-SportSchO), die speziell für Dopingvergehen, Streitigkeiten in Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, Transferstreitigkeiten, rechtlichen Auseinandersetzungen im Rahmen von Lizenzoder Sponsorenverträgen sowie Vereinsstreitigkeiten erarbeitet worden ist636. Insbesondere in Zusammenhang mit der Ahndung von Dopingverstößen bietet sie sowohl die Möglichkeit, das Schiedsgericht für die unmittelbare Sanktionierung von Dopingverstößen einzusetzen637 als auch dahingehende Verbandsentscheidungen zu überprüfen638.

634 § 23 Ziff.  1 Anti-Doping-Code DLV; § 7 Nr.  1 Satzung DEB; Art.  13.2.2 Anti-DopingOrdnung DTTB; § 16a Abs.  1 Satzung BDR 2; als Rechtsmittelinstanz gegen Entscheidungen des Rechtsauschusses gemäß Art. 12.1.1 Anti-Doping-Ordnung DSV (Ski); ebenfalls als Rechtsmittelinstanz gegen Entscheidungen der Anti-Doping-Kommission gemäß Art.  13.2.2 Anti-Doping-Code DBB; § 14 Ziff. 5 Satzung DESG, hier sogar auch für Streitigkeiten außerhalb von Anti-Doping-Verstößen. Nicht jedoch der DHB, der gemäß Art. 13.2.3.2 seines AntiDoping-Reglements in Verbindung mit § 51 Satzung DHB auf sein Schiedsgericht verweist; der DFB, bei dem das Sportgericht nach §§ 42 Ziff. 1, 43 Ziff. 4 Satzung DFB in Verbindung mit § 8 f. RVO DFB zuständig ist; der DSV (Schwimmen), der ein eigenes Schiedsgericht gemäß § 4 Abs.  2 RO DSV (Schwimmen) in Verbindung mit § 1 der Anti-Doping-Schiedsgerichts-Verfahrensordnung vorsieht. 635 Siehe oben, S. 109–116. 636 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1117. 637 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1586. 638 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1118.

C. Anforderungen an das Schiedsverfahren

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II. Schiedsklage Gemäß § 6.1 DIS-SportSchO erfolgt die Eröffnung eines Schiedsverfahrens durch Einreichung einer Schiedsklage bei der DIS-Hauptgeschäftsstelle639, wobei jedwede Übersendungsform zulässig ist640. Wesentliche Angaben sind dabei gemäß § 6.2 DIS-SportSchO hinsichtlich der Parteien, des Antrags und des dazugehörigen Sachverhalts, der jeweiligen Schiedsvereinbarung oder der satzungsmäßigen Schiedsklausel, des in Bezug genommenen Regelwerks und des erkennenden Schiedsrichters vorzunehmen641. III. Schiedsverfahren Das eigentliche Schiedsverfahren beginnt mit der Zustellung der Klage an den Beklagten, an die sich die Konstituierung des Schiedsgerichts anschließt642. In der Regel wird ein Dreierschiedsgericht643 gebildet, für welches jede Partei einen Schiedsrichter benennt644 und der Vorsitzende vom DIS-Ernennungsausschuss gewählt wird645. In verfahrensrechtlicher Hinsicht gelten die Vorschriften der DIS-SportSchO sowie gemäß § 24 DIS-SportSchO die zwingenden schiedsrechtlichen Vorschriften der §§ 1025 bis 1066 ZPO646. Sofern es sich bei dem Schiedsverfahren um eine Dopingstreitigkeit handelt, wird über § 14.5 DIS-SportSchO der NADA ein Beteiligungsrecht eingeräumt647. IV. Verfahrensprinzipien vor dem Deutschen Sportschiedsgericht Wesentliches Merkmal eines rechtmäßigen Schiedsverfahrens ist die Einhaltung der Garantie eines fairen, im weitesten Sinne rechtsstaatlichen Verfahrens. Dies ist vor dem Hintergrund, dass Schiedsgerichtsbarkeit als echte Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit anzusehen ist, eine unvermeidbare Konsequenz. Denn wenn der Schiedsspruch die gleichen Wirkungen wie ein gerichtliches Urteil entfalten soll, dann muss das Schiedsverfahren an denselben oder ähnlichen Krite 639

Vgl. § 5 DIS-SportSchO. Vgl. § 5 DIS-SportSchO; Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1588. 641 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1588. 642 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1589–1590. 643 Bei einem Verfahren vor einem Einzelschiedsrichter erfolgt entweder eine Benennung auf Grund einer vorangegangenen Einigung der Parteien oder auf Grund einer Entscheidung des DIS-Ernennungsausschusses. 644 Die Schiedsrichter müssen nicht zwangsläufig aus der DIS-Schiedsrichterliste stammen. 645 § 3 DIS-SportSchO. 646 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1593. 647 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1593. 640

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

rien zu messen sein wie das ordentliche Verfahren. Es muss demnach denjenigen Maßstäben unterliegen, die im gewaltenteilenden Rechtsstaat für die Ausübung der Rechtspflegefunktion aufgeführt sind648. Andernfalls bestünde die Möglichkeit, dass der ergangene Schiedsspruch wegen eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public gemäß § 1059 Abs.  2 Nr.  2b ZPO vom staatlichen Gericht im Anschluss an das schiedsgerichtliche Verfahren aufgehoben werden würde649. Zu diesen wesentlichen rechtsstaatlichen Anforderungen sind der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien und der Anspruch auf rechtliches Gehör zu zählen650. Letzteres umfasst auch den Anspruch auf eine umfassende Übersetzung bestehender Regelwerke in die jeweils vereinbarte Verfahrenssprache, damit der betroffene Sportler zu einer wirksamen Rechtsverteidigung imstande ist651. Diese Grundsätze sind in § 26.1 S. 2 DIS-SportSchO bzw. in § 26.1 S. 1 DIS-SportSchO explizit statuiert worden. Daneben gilt die Unabhängigkeit der Schiedsrichter noch als wesentliche Verfahrensanforderung (§ 15 DIS-SportSchO). Danach darf der Richter nicht in engerer Beziehung zu einer Partei stehen und einer Partei darf bei der Bildung des Gerichts nicht ein überwiegender Einfluss eingeräumt werden652. Die Geltung dieser wesentlichen Grundsätze auch für das schiedsgerichtliche Verfahren darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hauptgrundlage der schiedsgerichtlichen Vereinbarung weiterhin die Privatautonomie der beteiligten Parteien ist653. Dadurch sind diese angehalten, selbst den Verfahrensablauf mitzubestimmen, was wiederum durch die in § 1042 Abs.  3 ZPO654 statuierte Gestaltungsmöglichkeit besonders betont wird. Unter Anknüpfung an diese Vorschrift ergibt sich ein letzter wesentlicher Grundsatz und zugleich teilweiser Unterschied zum staatlichen Gerichtsverfahren. Dort gilt über § 169 S.  1 GVG der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens, der unter den Voraussetzungen der §§ 170 ff. GVG keine Anwendung finden kann. Sofern nun den Parteien die wesentliche Verfahrensgestaltung obliegt, muss ihnen auch die Möglichkeit eingeräumt werden, über § 1042 Abs. 3 ZPO die Öffentlichkeit auszuschließen bzw. die später ergehende Entscheidung nicht veröffentlichen zu lassen655. In Ermangelung einer entsprechenden Vereinbarung besteht zumindest für den Richter 648

Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 337. Gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO kann ein Schiedsspruch nur aufgehoben werden, „wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.“ 650 Mertens SpuRt 2008, 180 (180); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  340; Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 184. 651 SportSchG, Besch. v. 17.11.2011, S. 32, abrufbar unter der Rubrik „Rechtsprechung“ auf http://www.dis-sportschiedsgericht.de/. 652 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 339. 653 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes, S. 251. 654 § 1042 Abs. 3 ZPO hat folgenden Wortlaut: „Im Übrigen können die Parteien vorbehaltlich der zwingenden Vorschriften dieses Buches das Verfahren selbst oder durch Bezugnahme auf eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung regeln.“ 655 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes, S. 255. 649

C. Anforderungen an das Schiedsverfahren

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nach § 1042 Abs. 4 ZPO eine dahingehende Möglichkeit. Dies ist vor dem Hintergrund, dass Verfahren gegen einen prominenten Sportler selbst bei einem Freispruch mit einem „faden Beigeschmack“ versehen sind bzw. mit irreparablen Rufschädigungen verbunden sein können, zu begrüßen, gerät aber auf der andere Seite selbstredend mit dem öffentlichen Interesse an einer gefestigten Rechtsfortbildung und an einem hohen Maß an Rechtssicherheit aneinander656. Hinsichtlich der Beweisaufnahme und des Beweisumfangs ergibt sich, dass das Schiedsgericht nach § 27.1 S. 1 DIS-SportSchO zur Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet, jedoch dabei an Beweisanträge der Parteien nicht gebunden ist (§ 27.1 S.  3 DIS-SportSchO). Damit stehen die Anordnungen zur Sachverhaltsermittlung wie die Zeugen- und Sachverständigenvernehmung im Ermessen des erkennenden Schiedsgerichts (§ 27.2 S. 2 DIS-SportSchO)657. Zu den verfahrensrechtlichen Mindeststandards der Schiedsgerichtsbarkeit sind demnach der Gleichbehandlungsgrundsatz, der Anspruch auf rechtliches Gehör, Ermittlungspflicht des erkennenden Schiedsgerichts sowie dessen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu zählen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist hingegen kein essentieller Grundsatz. V. Verfahrensprinzipien der Schiedsgerichte deutscher Sportfachverbände Zur Überprüfung der soeben festgestellten Ergebnisse können nun diejenigen Sportfachverbände herangezogen werden, bei denen keine oder nicht nur Verbandsgerichtsbarkeit, sondern (auch) eine Schiedsgerichtsbarkeit festgestellt worden ist und die zudem keine Verweisung auf die DIS-SportSchO vorsehen. Dabei handelt es sich um die Schiedsgerichte des DLV, des DSV (Deutscher Schwimmverband), des DEB, des DHB und des DFB. 1. DLV § 11 RVO-DLV statuiert die Unabhängigkeit der Mitglieder der Rechtsausschüsse. Über die §§ 29, 30 RVO-DLV wird ein Anhörungs- und Akteneinsichtsrecht für die Beteiligten festgelegt, was inhaltlich dem Anspruch auf rechtliches Gehör entspricht. Der erkennende Rechtsausschuss ist nach § 46 RVO-DLV zur Sachverhaltsermittlung verpflichtet, ohne dabei an Beweisanträge gebunden zu sein. Dabei stehen ihm sämtliche bekannten zivilprozessualen Beweismittel zur Verfügung (Zeugen und Sachverständige, Urkunden sowie die Inaugenscheinnahme658), deren Würdigung nach § 49 RVO-DLV keinen Beweisregeln unterliegt. 656

Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes, S. 255, 257/258. Mertens, SpuRt 2008, 180 (181). 658 Siehe § 47 RVO-DLV. 657

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

Schließlich kann die Öffentlichkeit, die sich nach § 2 RVO-DLV aus den natürlichen und juristischen Verbandsmitgliedern zusammensetzt (Verbandsöffentlichkeit) und gemäß § 43 Abs. 1 RVO-DLV Zugang zur mündlichen Verhandlung hat, wegen übergeordneter Verbandsinteressen oder eines § 172 GVG entsprechenden Grundes ausgeschlossen werden (§ 43 Abs. 3 RVO-DLV). 2. DSV (Deutscher Schwimmverband) Nach § 17 RO DSV sind die Mitglieder des Schiedsgerichts unabhängig und keinen Weisungen unterworfen. Die Beteiligten eines schiedsgerichtlichen Verfahrens haben gemäß § 27 Abs. 2 RO DSV ein Antragrecht, gemäß § 36 RO DSV ein Beweisantrags- und Befragungsrecht sowie nach § 28 Abs. 1 RO DSV ein Erwiderungsrecht. Damit wird ihr Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt und, da ihnen diese Rechte gleichberechtigt zustehen, der Gleichbehandlungsgrundsatz statuiert. Das erkennende Schiedsgericht ist zur Beweiserhebung im Hinblick auf die Sachverhaltsermittlung verpflichtet, bei der ihm sämtliche bekannte Beweismittel zur Verfügung stehen (§ 31 Abs. 2 RO DSV). Schließlich kann auch im Verfahren vor dem DSV-Schiedsgericht die (Verbands-)Öffentlichkeit nach § 34 Abs. 2 RO DSV bei Vorliegen überwiegender Interessen der Beteiligten oder der Anhörung einer minderjährigen Person ausgeschlossen werden. 3. Das Ständige Schiedsgericht des DEB Gemäß Art. 1 Ziff. 2a SGO DEB entscheidet das Ständige Schiedsgericht des DEB in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, die von einem unbeteiligten Dritten – dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer München – für die Dauer von vier Jahren bestimmt werden659. Wegen dieses neutralen „Bestellers“, aber auch wegen der Möglichkeit, selbst einen Beisitzer zu bestimmen, sofern die streitende Partei weder Gesellschafter der Eishockeyspielbetriebsgesellschaft mbH noch Mitglied in einem Landeseissport-Verband oder in einem der Rechtsträger des DEB ist660, handelt es sich hierbei um ein echtes Schiedsgericht, da dadurch die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Spruchkörpers ausreichend gewahrt wird661. Im Bereich des Erlasses von einstweiligen Verfügungen bzw. Anordnungen, der Anrufung nach einem erfolgten Ordnungs-, Feststellungs- oder Nachprüfungsverfahren oder bei Streitigkeiten, die Zahlungsansprüche bis zu 10.000,– Euro zum Gegenstand haben, entscheidet es ausnahmsweise

659

Art. 1 Ziff. 2b SGO DEB. Art. 1 Ziff. 2b S. 6 SGO DEB. 661 Zustimmend Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 198; Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 94–95. 660

C. Anforderungen an das Schiedsverfahren

133

allein durch den Vorsitzenden662. Es kann nach Art. 4 Ziff. 4 Abs. 2 SGO DEB auf Zeugen, Sachverständige und sachverständige Zeugen als Beweismittel zurückgreifen, sofern es der Verfahrensführung dienlich ist. Im Übrigen gelten die Verfahrensbestimmungen der Satzung und der Rechtsordnung des DEB, sofern in denen nichts anderes bestimmt ist, die Verfahrensvorschriften der §§ 1025 ff. ZPO663. 4. Schiedsgericht des DHB Das Schiedsgericht des DHB setzt sich gemäß § 51 Abs.  2 in der Regel aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern zusammen, sofern die Parteien nicht anderweitiges vereinbart haben. Wegen des Umstandes, dass jede Partei einen Schiedsrichter benennt, die wiederum den Vorsitzenden bestimmen und alle Schiedsrichter gemäß § 51 Abs. 7 unabhängig sowie an Weisungen nicht gebunden sind, ist es als echtes Schiedsgericht einzuordnen664. In verfahrensrechtlicher Hinsicht gelten die zivilprozessualen Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO sowie die allgemeinen Vorschriften der Strafprozessordnung, sofern Satzung und Nebenordnungen des DHB nichts Anderweitiges in zulässiger Weise bestimmen665. Die Verfahrensvorschriften der diesbezüglich in Betracht zu ziehenden Nebenordnung – die RO DHB666 – gelten jedoch nur für die verbandsinternen Rechtsinstanzen des DHB, zu denen nach § 1 Abs.  1 RO DHB nicht das Schiedsgericht zu zählen ist. Folglich ergeben sich aus dieser Nebenordnung keine besonderen Verfahrensvorschriften für Streitigkeiten vor dem Schiedsgericht des DHB. 5. Schiedsgerichte des DFB Gemäß § 17 Abs.  1, 2 werden Streitigkeiten zwischen dem DFB und seinen Mitgliedsverbänden und Streitigkeiten der Mitgliedsverbände untereinander nach Ausschöpfung des verbandsinternen Rechtsweges unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch ein sich aus drei Schiedsrichtern zusammensetzendes Schiedsgericht entschieden. Jede Partei kann diesbezüglich einen Schiedsrichter benennen, die sich wiederum zusammen auf einen Vorsitzenden zu einigen haben667. Zwar werden die Grundsätze der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit der Schiedsrichter nicht ausdrücklich statuiert, jedoch folgt die soeben beschrie-

662 Vgl. Art. 1 Ziff. 3a SGO DEB. Siehe zudem noch die Verwerfungsbefugnis des Vorsitzenden im Falle eines nicht ordnungsgemäßen erbrachten Kostenvorschusses nach Art. 3 Ziff. 1 Abs. 3 SGO DEB. 663 Art. 2 Ziff. 2 SGO DEB. 664 § 51 Abs. 3, 4. 665 § 51 Abs. 6. 666 §§ 27 – 63 RO DHB. 667 § 17 Abs. 3.

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Teil 2, Kap. 3: Verfahrensprinzipien des Verbands(straf)verfahrens

bene Schiedsrichterauswahl dem Prinzip des § 1035 Abs. 3 S. 2 ZPO, so dass von einem echten Schiedsgericht ausgegangen werden kann668. Darüber hinaus existiert noch im Wege vertraglicher Vereinbarungen ein Ständiges Schiedsgericht669 für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen nach § 1 Anhang I der RVO DFB, welches über Streitigkeiten über die Zulassung zu den Lizenzligen und verhängte Sanktionen zwischen dem Ligaverband, der DFL und/oder dem DFB einerseits und den Lizenznehmern andererseits zu entscheiden hat. Es entscheidet in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern670. Nach § 3 Abs. 2 Anhang I der RVO DFB wird der Vorsitzende einvernehmlich von der Mitgliederversammlung des Ligaverbandes, der DFL und dem DFB benannt; die Lizenznehmer können über die Mitgliederversammlung des Ligaverbands fünf Beisitzer, die jeweiligen Vorstände von DFL, DFB und Ligaverband ebenfalls bis zu fünf Beisitzer benennen. Für die jeweils gewählten Schiedsrichter gilt gemäß § 3 Anhang I der RVO DFB der Grundsatz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Daher kann unter Einbeziehung des paritätischen Benennungsrechts671 der Beteiligten davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um ein echtes Schiedsgericht handelt672. Jede Partei hat in einem Verfahren vor diesem Schiedsgericht gemäß § 5 Abs. 1 Anhang I der RVO DFB ein Informationsrecht hinsichtlich der Schriftstücke und Informationen der anderen Partei, so dass sich das Prinzip der Waffengleichheit wiederfinden lässt. Zudem wird der Grundsatz des rechtlichen Gehörs in § 6 Abs. 2 Anhang I der RVO DFB festgehalten. Im Übrigen gelten die Verfahrensvorschriften der §§ 1025 ff. ZPO673. Ferner sieht der DFB mit dem Ständigen Schiedsgericht für Lizenzspieler noch ein weiteres Schiedsgericht vor, dessen Zuständigkeit ebenfalls über einen Schiedsgerichtsvertrag begründet wird674. Dieses entscheidet nach § 1 Abs. 1 Anhang II der RVO DFB über Streitigkeiten zwischen dem Ligaverband, der DFL und/oder dem DFB einerseits und den Lizenzspielern andererseits, die von Organen des Ligaverbands oder des DFB verhängte Sanktionen gegenüber den Lizenzspielern zum Gegenstand haben. Das Schiedsgericht setzt sich gemäß nach § 3 Abs. 1 Anhang II der RVO DFB aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern zusammen. Der Vorsitzende wird einvernehmlich vom Ligaverband, der DFL, dem 668 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 104. 669 Siehe zur satzungsmäßigen Verankerung des Ständigen Schiedsgerichts auch § 17a. 670 § 3 Abs. 1 Anhang I der RVO DFB. 671 Für das laufende Verfahren benennt jede Partei nach §§ 3 Abs. 9, 4 Abs. 5 Anhang I der RVO DFB einen Beisitzer aus der gewählten Beisitzerliste. 672 Zustimmend Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 183; Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 106. Ablehnend wegen des Zwangs zum Abschluss der Schiedsgerichtsvereinbarung Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 200. Siehe zur Ansicht von Monheim auch die obigen Ausführungen, S. 104. 673 § 6 Abs. 1 Anhang I der RVO DFB. 674 Siehe Anhang II der RVO DFB.

C. Anforderungen an das Schiedsverfahren

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DFB und der Vereinigung der Vertragsfußballer bestimmt. Die genannten Parteien können sodann jeweils zwei Beisitzer benennen, aus denen sie für ein laufendes Verfahren jeweils einen auswählen675. Demzufolge lässt sich festhalten, dass alle Parteien gleichen Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts haben. Zwar fehlt eine ausdrückliche Regelung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, doch zeigt die grundsätzliche Möglichkeit der Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Besorgnis der Befangenheit676, dass die Schiedsrichter grundsätzlich unparteilich sein sollen. Demzufolge kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es sich auch bei diesem Schiedsgericht um ein echtes Schiedsgericht handelt677. In einem anhängigen Verfahren ist nach § 4 Abs. 2 Anhang II der RVO DFB rechtliches Gehör gegenüber den streitenden Parteien zu gewähren; darüber hinaus finden die Verfahrensvorschriften der §§ 1025 ff. ZPO Anwendung. 6. Ergebnis Der DLV, der DSV (Deutscher Schwimmverband)  und der DEB orientieren sich im Kern an den Verfahrensgrundsätzen, die auch über die DIS-SportSchO gewährleistet werden. DFB und DHB heben zumindest den Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Prinzip der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der jeweiligen Schiedsgerichte hervor und verweisen im Übrigen auf die Vorschriften der ZPO (DFB) und der StPO (DHB). Dies verdeutlicht, dass es sich bei dem Anspruch auf rechtliches Gehör, dem Ermittlungs-, Gleichbehandlungs- und dem Unabhängigkeitsgrundsatz um die wesentlichen Prinzipien des schiedsgerichtlichen Verfahrens handelt678.

675

Vgl. § 3 Abs. 1, Abs. 4 Anhang II der RVO DFB. Siehe § 3 Abs. 4 Anhang II der RVO DFB. 677 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 108. Diese Untersuchung soll nur auf diese drei Schiedsgerichte des DFB beschränkt werden. Ausführlich zu den weiteren Schiedsgerichten ebenfalls Hofmann, S. 108 ff. 678 Hinsichtlich des Ermittlungsgrundsatzes ist zumindest auf den ersten Blick beim DFB eine gewisse Zurückhaltung angebracht. In Ermangelung ausdrücklicher Regelungen in seiner Satzung bzw. in seiner Recht- und Verfahrensordnung gelten wie aufgezeigt die §§ 1025 ff. ZPO. Dort ist vor allem der Ermittlungsgrundsatz gemäß § 1042 Abs. 4 ZPO zu beachten, der es ins freie Ermessen des Schiedsgerichts stellt, eine Beweisaufnahme durchzuführen. Jedoch gehört zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens die Ermittlung des der Klage zugrunde liegenden Sachverhalts einschließlich der dafür notwendigen Beweise, wobei das Schiedsgericht wiederum nicht an die Beweismittel und das Beweisverfahren der ZPO gebunden ist. Vgl. Thomas/Putzo, § 1042 ZPO Rz. 7. 676

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

D. Fazit zu den Verfahrensprinzipien im Verbands- und Schiedsgerichtsverfahren 1. Im Verbandsverfahren ist vor allem rechtliches Gehör zu gewähren. Das Recht auf den gesetzlichen Richter findet insoweit Anwendung, als dass jeder Verband vorab eine interne Spruchinstanz, deren Zuständigkeit und Besetzung statuiert hat. 2. Das fair-trial-Prinzip lässt sich nicht ausdrücklich wiederfinden. Am häufigsten kommt es in der Form des Beschleunigungsgrundsatzes hinsichtlich des konkreten Verfahrensablaufes zur Geltung. 3. Das schiedsgerichtliche Verfahren und dessen Grundsätze orientieren sich am Niveau eines staatlichen Gerichtsverfahrens. 4. Zu den wesentlichen Verfahrensgrundsätzen sind der Anspruch auf rechtliches Gehör, die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung und zur Gleichbehandlung der Parteien sowie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter zu zählen.

Kapitel 4

Das Dopingsanktionsverfahren Nachdem in den vorangegangenen Teilabschnitten die Verfahrensprinzipien eines Sportgerichtsverfahrens dargestellt und herausgearbeitet worden sind, wird nun das unter Einhaltung dieser Prinzipien zu führende konkrete Dopingsanktions­ verfahren679 beleuchtet. Vordergründig geht es dabei darum, unter welchen Voraussetzungen eine Sanktion wegen Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen vom zuständigen Sportfachverband ausgesprochen werden kann. Dies erfordert, zuvor das materiell-rechtliche Dopingrecht und die diesem zugrunde liegenden Grundsätze zu bestimmen. In einem letzten Schritt erfolgt sodann die Verbindung dieser beiden Teilbereiche im eigentlichen Dopingsanktionsverfahren, wo veranschaulicht werden soll, wie seitens des Sportfachverbandes eine erfolgreiche Beweiserbringung zu erfolgen hat, um eine Sanktion wirksam gegenüber dem Sportler zu verhängen bzw. welche Beweisführung dem Sportler obliegt, um einer solchen zu entgehen.

679

Darunter ist das vom zuständigen Disziplinarorgan durchzuführende Disziplinarverfahren zur Feststellung von Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen durch einen Athleten oder eine andere Person zu verstehen. Im Folgenden wird es als Dopingsanktionsverfahren bezeichnet.

A. Die materiell-rechtlichen Prinzipien des Dopingsanktionsverfahrens 

137

A. Die materiell-rechtlichen Prinzipien des Dopingsanktionsverfahrens Im folgenden Abschnitt werden vor diesem Hintergrund daher zunächst die aus dem Rechtsstaatsprinzip erwachsenen materiell-rechtlichen Prinzipien dargestellt680. Dabei handelt es sich um den Bestimmtheitsgrundsatz (I.), den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (II.) und das Willkürverbot (III.). I. Der Bestimmtheitsgrundsatz im Hinblick auf die Dopingdefinition Die Vereinsautonomie ermächtigt die Verbände, sich ein eigenes Ordnungsrecht zu setzen und dieses im Einzelfall gegenüber ihren Mitgliedern auch durchzusetzen, um ein Leerlaufen des aus Art. 9 GG abzuleitenden Normsetzungsrechts zu vermeiden681. Die Verhängung einer solchen verbandsrechtlichen Disziplinarmaßnahme setzt jedoch voraus, dass der ihr zugrunde liegende Tatbestand einschließlich der Art und des Umfangs dieser Maßnahme bereits zur Zeit der Tat in Kraft sein muss682. Andernfalls wäre eine Sanktion durch den Sportfachverband unwirksam. Insoweit gilt also auch im Verbandsrecht der rechtsstaatliche Grundsatz des nulla poene sine lege im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG683. Dieser verlangt, gesetzliche Tatbestände so präzise zu formulieren, dass ein Normadressat sein Handeln kalkulieren kann, weil die Folgen der Regelung für ihn nur dadurch voraussehbar und berechenbar sind684. Dieser Maßstab gilt – je nach Eigenart des zu regelnden Rechtskreises  – in teilweise modifizierter Form für alle materiell-rechtlichen Normen685 und erfasst somit auch Satzungsnormen wie die Verbandsregelwerke686. Übertragen in die Sportfachverbandswelt bedeutet dies nichts anderes, als dass jeder Sportler unzweideutig erkennen können muss,

680

Buchberger, SpuRt 1996, 122 (123) und 157 (161). Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 41, 43, 53. Siehe auch oben auf S. 57–59 und S. 94–95. 682 DLV-Rechtsausschuss NJW 1992, 2588 (2591). 683 PHB SportR-Summerer II 3/340; Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S.  73; DLV-Rechtsausschuss SpuRt 1996, 66 (68); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  272; allein auf den Grundsatz nulla poene sine lege scripta verweisend Scherrer, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 119 (124); SportSchG, Besch. v. 17.11.2011, S.  21, abrufbar unter der Rubrik „Rechtsprechung“ auf http://www.dis-sportschiedsgericht.de/. 684 Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 20 (Rechtsstaat) Rz. 129. 685 Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 20 (Rechtsstaat) Rz. 129, 130 u. 132. 686 DLV-Rechtsausschuss NJW 1992, 2588 (2591). So auch Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 232, der die Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes im Vereinsrecht über dessen Eigenart als „meta-funktionales“ Prinzip herleitet. 681

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

ob und wie ein Fehlverhalten sanktioniert wird687. Dies beansprucht vor allem im Zusammenhang mit der Dopingbekämpfung besondere Aufmerksamkeit. Dopingverbote müssen explizit aufführen, auf welche Substanzen und verbotene Methoden sie sich beziehen. Pauschalisierte Tatbestände wie zum Beispiel „Doping ist verboten“ oder das Zurückgreifen auf Auffangtatbestände wie dem „Verbot des sportwidrigen Verhaltens“ bilden demnach keine ausreichende materiell-rechtliche Grundlage für die Verhängung einer im erheblichen Maße grundrechtsrelevanten Dopingstrafe688. Auch der Verweis auf „ähnliche“ oder „verwandte“ Substanzen erweist sich als nicht ausreichend, sofern nicht zumindest dargelegt wird, was unter der Ähnlichkeit – beispielsweise die gleiche chemische Wirkungsweise oder leistungssteigernde Wirkung – zu verstehen ist689. Denn je gravierender in den grundrechtlich geschützten Bereich der Sportler eingegriffen wird – etwa mit einer Sperre von zwei Jahren, die ein temporäres Berufsverbot für den Berufssportler und damit einen erheblichen Eingriff in Art. 12 GG darstellt690 –, desto höher müssen die Anforderungen an die konkrete Bestimmtheit der für den Eingriff maßgebenden Satzungsbestimmung sein691. Der Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit gilt zudem nicht nur für die Dopingverbote, sondern auch für etwaige Sanktionen im Fall eines Verstoßes gegen geltende Dopingverbote692. Demnach müssen sowohl die Voraussetzungen als auch die Sanktionen von Dopingverstößen als eine für das Verbandsleben wesentliche Grundsatzentscheidung in der Satzung enthalten sein693, an die Sportler auf Grund ihrer Mitgliedschaft oder einzelvertraglich gebunden sind. Sofern vor diesem Hintergrund auf allgemeingültige Anti-Doping-Regelwerke wie auf den noch näher zu untersuchenden WADA- bzw. NADA-Code694 verwiesen wird, gilt es zudem zu beachten, dass diese Vorschriften nur in ihrer zum Zeitpunkt der Satzungsgebung vorhandenen Fassung zum Regelungsgegenstand eines Dopingtatbestandes im Sinne einer statischen Verweisung gemacht werden kön 687 PHB SportR-Summerer II 3/340; Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 32. 688 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 250; PHB SportR-Summerer II 3/341–342, jedoch sodann auch wieder relativierend in Rz.  343. So geschehen aber im Fall Krabbe, DLV-Rechtsausschuss SpuRt 1996, 66 (68), deren Gebrauch des verschreibungspflichtigen, jedoch von ihr illegal besorgten Clenbuterol enthaltenes Asthmamittels Spiropent zur Leistungssteigerung als Verstoß gegen den Tatbestand des „sportwidrigen Verhaltens“ gewertet und mit einer Sperre von einem Jahr sanktioniert wurde. Dies wurde vom OLG München SpuRt 1996, 133 (135) für zulässig erachtet. Zustimmend auch Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 74 und Haas/Adolphsen, NJW 1996, 2351 (2352). 689 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 252. 690 PHB SportR-Summerer II 3/347. 691 BVerfGE 17, 306 (314). So auch im „Fall Balzer“ OLG Dresden SpuRt 2005, 209 (210). 692 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 291; OLG Dresden SpuRt 2005, 209 (211). 693 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  272; DLV-Rechtsausschuss NJW 1992, 2588 (2590); DLV-Rechtsausschuss SpuRt 1996, 66 (67). 694 Siehe dazu zugleich unten, S. 143–144.

A. Die materiell-rechtlichen Prinzipien des Dopingsanktionsverfahrens 

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nen695. Das in Bezug genommene Regelwerk und dessen einzelne Bestimmungen müssen ausdrücklich aufgeführt werden696. Künftige Änderungen des durch die Satzung in Bezug genommenen Regelwerkes werden dadurch nicht automatisch zum Satzungsinhalt, sondern müssen stets im Wege einer Satzungsänderung inkorporiert werden697. Solche dynamischen Verweisungen würden andernfalls zu einer zu erheblichen Beschränkung der Verbandsautonomie führen und sind daher im Verbandsrecht nach der noch vorherrschenden Meinung unzulässig698. 1. Europarat-Übereinkommen vom 16.11.1989 Der Doping-Begriff wurde jedoch lange Zeit nicht einheitlich bestimmt. Jedes Land, und innerhalb eines solchen jeder Sportfachverband, verfolgte seine eigenen Regeln und unterschiedliche Sanktionen699. Die erste „internationale“ und „einheitliche“ Definition lieferte das Europarat-Übereinkommen gegen Doping im Sport vom 16.11.1989700, welches in der Bundesrepublik Deutschland zum 1.6.1994 in Kraft getreten ist701. Danach wurde Doping gemäß Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens wie folgt definiert: „a) […] die Verabreichung pharmakologischer Gruppen von Dopingwirkstoffen oder Dopingmethoden an Sportler und Sportlerinnen oder die Anwendung solcher Wirkstoffe oder Methoden durch diese Personen; b) pharmakologische Gruppen von Dopingwirkstoffen oder Dopingmethoden bedeuten vorbehaltlich des Abs.  2702 diejenigen Gruppen und Dopingwirkstoffen oder Dopingmethoden, die von den betreffenden internationalen Sportorganisationen verboten wurden und in ­Listen aufgeführt sind, welche gemäß Art. 11.1b von der beobachteten Begleitgruppe bestätigt wurden; c) Sportler und Sportlerinnen sind Personen, die regelmäßig an Sportveranstaltungen teilnehmen.“ 695

Palandt/Ellenberger, § 57 BGB Rz. 1. DLV-Rechtsausschuss NJW 1992, 2588 (2591); OLG Dresden SpuRt 2005, 209 mit Anm. Cherkeh, SpuRt 2005, 211 (211). 697 Reichert, VereinsR, Rz. 478. 698 BGHZ 128, 93 (100); Reichert, VereinsR, Rz.  503; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, Rz. 51; a. A. Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 235 mit Verweis auf Blum/Ebeling, in: Bepler, FS Fenn, S. 85 (112); Nagel, Causa Sport 2009, 29 (36); Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, 8 (11). Dynamische Verweisungen in Individualvereinbarungen dürften indes anders zu beurteilen sein. Siehe dazu die Ausführungen des SportSchG, Besch. v. 17.11.2011, S. 23, abrufbar unter der Rubrik „Rechtsprechung“ auf http://www.dis-sportschiedsgericht.de/. Ausführlicher zur Zulässigkeit von dynamischen Verweisungen auch Haas/Prokop, SpuRt 1998, 15. 699 PHB SportR-Summerer II 3/281. 700 Siehe ausführlicher zum Europarats-Übereinkommen Vieweg/Siekmann, Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules, S. 31 ff. 701 Haas, SpuRt 1996, 107. 702 Anmerkung: Abs. 2 bezieht sich auf eine Wirkstoff- und Methodenliste im Anhang der Konvention. 696

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

Nach diesem Abkommen waren primär die internationalen Sportfachverbände im Rahmen ihrer Verbandsautonomie für den Erlass der Dopingverbote verantwortlich; ihre Regelungsautonomie umfasste die Festlegung der verschiedenen verbotenen Dopingwirkstoffe und Dopingmethoden703. Dies ist einerseits wegen ihrer besonderen Sachnähe zu begrüßen, andererseits jedoch mit der realistischen Gefahr verbunden gewesen, dass bestimmte Dopingstoffe durch einige Sportfachverbände verboten wurden, in anderen hingegen nicht auf der Verbotsliste enthalten waren. Eine dieser Uneinheitlichkeit entgegen wirkende wirkliche Harmonisierung der Anti-Doping-Regelwerke konnte erst durch die Implementierung des WADA-Codes auf den Weg gebracht werden704. 2. WADA-Code Durch die Gründung der Welt-Anti-Doping-Agentur im Jahre 1999 und die Schaffung eines Welt Anti-Doping-Codes im Jahre 2003705 verpflichteten sich internationale Sportfachverbände, die darin enthaltenen einheitlichen Anti-DopingBestimmungen zu übernehmen und in all ihren nationalen Sportfachverbänden umzusetzen706. Ferner kam eine Vielzahl von Staaten überein, den WADA-Code über die sich daran anlehnende Anti-Doping-Konvention der UNESCO aus dem Jahre 2005 auch auf nationaler Ebene umzusetzen707. Zusammen mit der Übernahme des WADA-Codes durch die internationalen Sportfachverbände in ihre jeweiligen Statuten708, konnte dadurch das ersehnte Ziel der Vereinheitlichung be­ stehender Anti-Doping-Regelwerken realisiert werden709. Doping wird danach gemäß Art. 1 WADA-Code710 als „das Vorliegen eines oder mehrerer der nachfol 703

PHB SportR-Summerer II 3/282; Haas, SpuRt 1996, 107. PHB SportR-Summerer II 3/284. Siehe hierzu vertiefend, gerade auch im Hinblick auf die Entwicklung der Doping-Definitionen, Vieweg/Siekmann, Legal Comparison and the Harmo­ nisation of Doping Rules, S. 160 ff. 705 Der WADA-Code trat am 1.1.2004 in Kraft. 706 PHB SportR-Summerer II 3/284; Asmuth, Moral und Recht – Die Dopingdefinitionen, S. 8. 707 PHB SportR-Summerer II 3/284; Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 995; Nagel, Causa Sport 2009, 29 (31). 708 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 998, 1004 – 1005. 709 PHB SportR-Summerer II 3/284. 710 WADA-Code in der Fassung vom 1.1.2009. Abrufbar in deutscher Version unter http:// www.sportministerium.at/files/doc/Antidoping/WADA_Code_09_deutsch1.pdf. Am 1.1.2015 ist eine neue, revidierte Fassung des WADA-Codes in Kraft getreten. Diese sieht zwei neue Dopingtatbestände vor. Nach Art. 2.9 stellen „Hilfe, Ermutigung, Anleitung, Anstiftung, Konspiration, Verschleierung oder sonstige vorsätzliche Beihilfe bei einem Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen, einem versuchten Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen oder einem Verstoß gegen Artikel 10.12.1 durch eine andere Person“ und nach Art. 2.10 „Der Umgang eines Athleten oder einer anderen Person im Zuständigkeitsbereich einer Anti-Doping-Organisation in beruflicher oder sportlicher Funktion mit einem Athletenbetreuer, 2.10.1 der in den Zuständigkeitsbereich einer Anti-Doping-Organisation fällt und gesperrt ist; oder 704

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gend in Artikel 2.1 bis 2.8 festgelegten Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen“ definiert. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Verstöße: – Das Vorhandensein eines verbotenen Wirkstoffs, seiner Metaboliten oder Marker in der Probe eines Athleten (Art. 2.1). – Die Anwendung oder der Versuch der Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode seitens eines Athleten (Art. 2.2). – Die Weigerung oder das Unterlassen ohne zwingenden Grund, sich einer angekündigten Probenentnahme zu unterziehen, die gemäß anwendbaren AntiDoping-Bestimmungen zulässig ist, oder ein anderweitiger Versuch, sich der Probenentnahme zu entziehen (Art. 2.3). – Der Verstoß gegen anwendbare Vorschriften über die Verfügbarkeit des Athle­ ten für Trainingskontrollen (Kontrollen außerhalb des Wettkampfs), einschließlich der Pflicht zur Angabe von Informationen zum Aufenthaltsort und zur Erreichbarkeit und zu versäumten Kontrollen, die erklärtermaßen auf Bestimmungen zurückgehen, die im Einklang mit dem Internationalen Standard für Kontrollen erfolgen. Jede Kombination von drei versäumten Kontrollen und/ oder Verstößen gegen die Meldepflicht, die innerhalb eines 18-Monatszeitraums erfolgt, der von der für den Athleten zuständigen Anti-Doping-Organisation festgelegt wird, stellt einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen dar (Art. 2.4). – Unzulässige Einflussnahme oder versuchte unzulässige Einflussnahme auf einen Teil des Dopingkontrollverfahrens (Art. 2.5). – Der Besitz verbotener Wirkstoffe und verbotener Methoden (Art. 2.6). – Das Inverkehrbringen oder versuchte Inverkehrbringen von verbotenen Wirkstoffen oder verbotenen Methoden (Art. 2.7). – Die Verabreichung oder versuchte Verabreichung von bei Wettkämpfen verbotenen Methoden oder verbotenen Wirkstoffen bei Athleten oder, außerhalb von Wettkämpfen, die Verabreichung oder versuchte Verabreichung bei Athleten von Methoden oder Wirkstoffen, die bei Trainingskontrollen verboten sind, oder 2.10.2 der nicht in den Zuständigkeitsbereich einer Anti-Doping-Organisation fällt und, sofern nicht im Zuge eines Ergebnismanagements gemäß dem Code eine Sperre verhängt wurde, der verurteilt wurde oder dem in einem Straf-, Disziplinar-oder standesrechtlichen Verfahren ein Verhalten nachgewiesen wurde, das einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen dargestellt hätte, hätten für eine solche Person Regeln im Einklang mit dem Code gegolten. Die Dauer der Sperre entspricht der im Straf-, Disziplinar-oder standesrechtlichen Verfahren festgelegten Strafdauer, mindestens jedoch sechs Jahre ab Urteilsverkündung; oder 2.10.3 der als Tarnung oder Mittelsmann für eine in Artikel 2.10.1 oder 2.10.2 beschriebene Person dient.“ weitere Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen dar. Zudem sieht Art. 2.4 (Meldepflichtverstöße) nun einen Verstoß bei drei Meldepflicht- und/ oder Kontrollversäumnissen innerhalb von 12 Monaten vor.

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die Beihilfe, Unterstützung, Anleitung, Anstiftung, Verschleierung oder sonstige Tatbeteiligung bei einem Verstoß oder einem versuchten Verstoß gegen AntiDoping-Bestimmungen (Art. 2.8). Im Gegensatz zum Europaratsübereinkommen erfährt die Dopingdefinition durch den WADA-Code eine umfassende Erweiterung, indem sie auch diverse Verhaltensweisen rund um das eigentliche Dopen wie das Auslassen von Dopingkontrollen (Art.  2.4) oder das Inverkehrbringen von verbotenen Substanzen (Art. 2.7 und Art. 2.8) erfasst. Schwerpunktmäßig stellen aber vor allem die Tatbestände der Art. 2.1 und Art. 2.2 den Ausgangspunkt der meisten Dopingsank­ tionsverfahren dar. Vorlage für diese Art der Dopingdefinition ist der vom IOC mit Wirkung zum 1.1.2000 entwickelte „Anti-Doping-Code“ gewesen, durch den Doping einerseits zum ersten Mal konkret und abstrakt definiert wurde711, der andererseits aber auch „zahlreiche Schwächen offenbarte“712. Der WADA-Code als dessen Nachfolgemodell führt nun darüber hinaus zu einer ersten wirklichen Harmonisierung der Doping-Regeln, indem es das für die Olympischen Spiele allein maßgebliche AntiDoping-Reglement darstellt, das die Athleten mittels einer vor Beginn der Spiele abzugebenden Athletenerklärung für verbindlich anerkennen, und indem insbesondere die unterzeichnenden Staaten und Sportfachverbände sich verpflichten, dessen Vorgaben innerhalb ihres Verantwortungsbereiches umzusetzen713. Dieser kurzer Überblick über die Dopingdefinition des WADA-Codes lässt zumindest eines unmittelbar auffällig werden: Sofern für einen Dopingverstoß nach Art. 2.1 WADA-Code allein das Auffinden einer verbotenen Substanz ausreichend ist, folgt daraus, dass die „innere Tatseite“ – die Frage nach einem bewussten Verstoß  – zumindest dem Wortlaut nach unberücksichtigt bleibt und allein die Verwirklichung des objektiven Tatbestands die Grundlage einer Dopingsanktion bildet714. Damit folgt diese Doping-Definition dem strict-liability-Prinzip, was wiederum durch Art. 2.1.1 WADA-Codes bestätigt wird. Dieser statuiert, dass der Nachweis von Schuld, Vorsatz, Fahrlässigkeit oder Bewusstsein auf Seiten des Athleten für die Feststellung des Dopingverstoßes zumindest „auf den ersten Blick“ nicht erforderlich ist. Es wird daher der Frage nachgegangen werden müssen, inwieweit eine strict liability mit den Anforderungen des internationalen Beweisrechts in Einklang zu bringen ist715. Erst recht ist dies im Hinblick auf das nationale Beweisverfahren zu hinterfragen716. 711

Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 285. Asmuth, Moral und Recht – Die Dopingdefinitionen, S. 7; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  287. Ausführlicher zum Anti-Doping-Code des IOC ebenfalls Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 285–286. 713 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 287. 714 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1365. 715 Siehe dazu unten die Ausführungen zur Beweisführung nach internationalem Verbandsrecht, S. 214–285. 716 Siehe dazu unten, S. 180–196. 712

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Zudem führt die Positivlistung der verbotenen Substanzen dazu, dass alles, was nicht in ihr enthalten ist, zwangsläufig nicht verboten ist. Dies ist vor dem Hintergrund rasanter pharmazeutischer Entwicklungen und neuer biotechnischer Methoden zur Leistungssteigerung bedenklich717 und verpflichtet dazu, den Code und die Verbotsliste häufig zu aktualisieren und den wissenschaftlichen Entwicklungen anzupassen718. 3. NADA-Code719 In Anlehnung an den Welt-Anti-Doping-Code und die damals in Vorbereitung befindliche Anti-Doping-Konvention der UNESCO ist in Deutschland Ende 2002 die Stiftung Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) gegründet worden. Sie verfolgt das Ziel, ein unabhängiges System für effektive Dopingkontrollen innerhalb und außerhalb von Wettkämpfen aufzubauen sowie dieses stets weiter- und fortzuentwickeln720. Dazu wurde am 8.10.2004 ein umfangreiches Regelwerk  – der NADA-Code721 – erlassen. Dieser übersetzt die internationalen Vorgaben der WeltAnti-Doping Agentur722 und übernimmt dabei auf Grund zwingender Vorgaben des WADA-Codes723 „eins zu eins“ die soeben beschriebenen Dopingdefinitionen sowie weitere zwingende Vorschriften wie die Liste der verbotenen Wirkstoffe und Methoden der WADA oder die „Internationalen Standards für Dopingkontrollen“724 und geht nur rudimentär über dessen Vorgaben hinaus725. Dieser erlangt für die mitgliedschaftlich oder einzelvertraglich mit den nationalen Sportfachverbänden verbundenen Sportler jedoch nur einen verbindlichen Charakter, sofern die Verbände vertragliche Vereinbarungen mit der NADA abschließen, in denen sie sich verpflichten, die Vorgaben des NADA-Codes zu übernehmen oder diesen in

717

Asmuth, Moral und Recht – Die Dopingdefinitionen, S. 9. Siehe hierzu die Zielsetzungen der „World Conference on Doping in Sport“, die vom 12.– 15.11.2013 in Johannesburg stattgefunden hat. Abrufbar unter http://www.ukad.org.uk/news/ article/world-conference-on-doping-in-sport-day-summary. 719 Im Folgenden wird in Anlehnung an das Kapitel „Nationales Dopingsanktionsverfahren“ der NADA-Code 2009, Version 2.0, als Rechtsgrundlage herangezogen. Abrufbar unter http:// www.nada.de/de/service-infos/downloads/regelwerke/archiv/#.VMjdPy5sbIU. 720 NADA-Jahresbericht 2011, S. 8, abrufbar unter http://www.nada.de/de/service-infos/down loads/jahresberichte/#.VMje6C5sbIU. 721 Seit dem 1.1.2015 gilt nunmehr der NADA-Code 2015. Abrufbar unter http://www.nada. de/de/recht/anti-doping-regelwerke/nada-code-2015#.VMjcXi5sbIU. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich weiter an der revidierten Fassung des NADA-Codes 2009. Sofern durch den NADA-Code 2015 wesentliche Änderungen gegenüber der alten Fassung eingetreten sind, wird an der entsprechenden Stelle mit „n. F.“ auf diese verwiesen werden. 722 Nolte, in: Spitzer/Franke, Sport, Doping und Enhancement – Transdisziplinäre Perspek­ tiven, Bd. 1, S. 156. 723 Art. 23.2.2 WADA-Code. 724 PHB SportR-Summerer II 3/285; vgl. dazu ebenfalls Art. 23.2.2 WADA-Code. 725 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1058. 718

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

ihren Satzungen zu implementieren726. Mittlerweile haben alle „großen“ nationalen Sportfachverbände ihre Regelwerke den Vorgaben des NADA-Codes angepasst727. Nach Überarbeitungen und Anmerkungen seitens der nationalen Sportfachverbände und der WADA kam es zu einer revidierten Fassung, die mittlerweile ihren Niederschlag in dem seit dem 1.7.2010 geltenden NADA-Code 2009 ge­funden hat. Insbesondere durch die verbindliche Übernahme der Dopingdefinition stellt sich nun auch auf nationaler Ebene die Frage, ob allein das Vorliegen eines objektiven Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen eine Sanktion rechtfertigen kann. Dies könnte zweifelhaft sein, sofern rechtsstaatliche Mindestanforderungen und damit verbundene materiell-rechtliche Prinzipien Anwendung finden und somit das Vorliegen eines vorwerfbaren Verhaltens eine grundlegende Voraussetzung für die Sanktionierung eines Verstoßes darstellt. Darauf ist an späterer Stelle noch ausführlich einzugehen728. II. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz In seinem Kerngehalt beinhaltet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass ein Eingreifen in ein subjektives Recht des Einzelnen stets geeignet, erforderlich und im Einzelfall angemessen sein muss, damit der mit dem Eingriff verfolgte Zweck rechtlich Bestand haben kann729. Jedoch ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dessen Geltung im Zivilrecht teilweise vorschnell abgesprochen worden730. Denn eine solche pauschale Betrachtungsweise lässt sich nicht mehr mit den gegenwärtigen zivilrechtlichen Gegebenheiten vereinbaren, da das Privatrecht mittlerweile selbst Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kennt, wie sie beispielhaft in den §§ 138 Abs. 2, 307 Abs. 1 oder 343 Abs. 1 BGB zu finden sind731. Zudem muss in Situationen, in denen sich Rechtsträger gegenüberstehen, bei denen „der eine dem anderen sozial übermächtig ist“732, weil der Sportler dem Monopolverband unterworfen und zur Berufsausübung darauf angewiesen ist, grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, auf ein rechtliches Korrelat wie das Übermaßverbot zurückgreifen zu können, um einen angemessenen Interessensausgleich bewerkstelligen zu können733. 726

Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9.  Kapitel, Rz.  1019. Siehe dazu auch Art.  18.3 NADA-Code, wonach die nationalen Sportfachverbände „[…] durch geeignete, insbesondere rechtliche und organisatorische Maßnahmen dafür Sorge zu tragen haben, dass eine Anpassung ihrer entsprechenden Regelwerke an die geänderten Fassungen unverzüglich erfolgt[…].“ 727 Dies geht aus dem Anti-Dopingbericht 2011 hervor, der Gegenstand einer Sitzung des Sportausschusses vom 7.11.2012 gewesen ist. Danach haben alle 57 bundesgeförderten Sportfachverbände den NADA-Code 2009 in ihr Regelwerk umgesetzt. Der Bericht ist abrufbar unter http://www.nada.de/de/service-infos/downloads/jahresberichte/#.VMje6C5sbIU. 728 Siehe dazu unten, S. 180–196. 729 Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 20 (Rechtsstaat) Rz. 180. 730 BVerfGE 30, 173 (199). 731 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 160. 732 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1134. 733 Buchberger, SpuRt 1996, 157 (160–161).

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Dies gilt umso mehr, sofern einem privaten Rechtssubjekt wie einem Sportfachverband die Berechtigung zur Reaktion auf ein im Zusammenhang mit Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen stehendes Fehlverhalten des Sportlers zugestanden wird734. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist vor diesem Hintergrund das einzig taugliche Mittel, die sich gegenüberstehenden grundrechtlich geschützten Positionen der Sportfachverbände und der Sportler in einen angemessenen Ausgleich zu bringen735. Zudem lässt sich hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsprinzips, aber auch hinsichtlich des Willkürverbotes736 eine Verbindung zur aufgezeigten Überprüfungskompetenz staatlicher Gerichte von Verbandsentscheidungen aufzeigen: Sofern diese auf ihre inhaltliche Angemessenheit und Willkürfreiheit trotz der bestehenden Verbandsautonomie kontrolliert werden können, ergibt sich daraus im Umkehrschluss, dass sie im Verbandsrecht grundlegende Geltung beanspruchen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt demnach auch im Verbandsrecht und ist im Dopingsanktionsverfahren anzuwenden. Im Zusammenhang mit Sanktionen eines Sportfachverbandes gegenüber einem Athleten erfährt dieser über die Grundrechte bzw. das Rechtsstaatsprinzip737 allgemeine Geltung beanspruchende Grundsatz keine besondere Modifizierung. Daher muss insbesondere eine Dopingsperre geeignet, erforderlich und nicht übermäßig sein738. Die Geeignetheit wird nur dann angenommen werden können, sofern die Dopingsperre jedenfalls darauf abzielt, das Ansehen des Sports zu wahren und im Hinblick auf die Chancengleichheit zu vermeiden, dass der gedopte Sportler weiter an Wettkämpfen teilnimmt739. Deutlich wird die strikte Orientierung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch in Bezug auf die Dauer einer solchen Sperre. Bei einem erstmaligem Dopingverstoß stellt eine Sperre von zwei Jahren das Höchstmaß der Angemessenheit dar; einer Sperre von vier Jahren bei einem erstmaligen Dopingverstoß steht das Übermaßverbot entgegen, weil dadurch fak 734

Buchberger, SpuRt 1996, 157 (160). Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 161 und 167; Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 107; Vieweg, Normsetzung, S. 192. 736 Siehe dazu zugleich unten, S. 146–147. 737 BVerfGE 19, 342 (349); Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 202. Ohne Rückgriff auf die Grundrechte bzw. das Rechtsstaatsprinzip begründet Petri, in: Kühl/ Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 161, die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf einfachgesetzlicher Ebene. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Buchberger, Die Überprüfbarkeit sportverbandsrechtlicher Entscheidungen, S. 104, 107, der offen lässt, ob die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes über die zivilrechtliche Generalklausel des § 242 BGB hergeleitet werden kann oder als allgemeines Rechtsprinzip im Verbandsrecht gilt. 738 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  329; DLV-Rechtsausschuss NJW 1992, 2588 (2592); PHB SportR-Summerer II 3/347; für die grundsätzliche Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen von sanktionierenden Entscheidungen Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 31–32. 739 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S.  195. Ähnlich PHB SportR-­ Summerer II 3/347 und Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 213–221, die noch den Gesundheitsschutz mit einbeziehen. Letzteres wird wiederum mit guter Begründung abgelehnt von Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 181–185. 735

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tisch ein Berufsverbot für einen professionellen Sportler statuiert wird740. Im Falle einer versehentlichen Einnahme einer verbotenen Substanz im Glauben, es würde sich lediglich um ein ärztliches Heilmittel handeln, gebietet die Angemessenheit sogar eine kürzere Sperre als zwei Jahre741. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann nur im ausreichenden Maße Rechnung getragen werden, wenn eine Stufenleiter von Sanktionen vorgesehen ist, die sich an Fragen wie das Vorliegen eines Erstverstoßes oder der Differenzierung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit orientiert742. Verbandssanktionen und deren Verhältnismäßigkeit sind daher auch immer eine Frage der den Einzelfall ausmachenden Umstände743. III. Willkürverbot Die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begründet zugleich auch die Anwendung des Gleichheitssatzes im Verbandsverfahren. Dies entspricht seiner Einordnung als objektiv-rechtliches Verfassungsprinzip, wodurch er Rechtswirkungen in allen Rechtsbereichen und somit auch im Privatrecht entfaltet744. Denn nur dieser vermag die konsequente Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als einheitlicher Maßstab für eine Verbandssanktion zu gewährleisten745. Die Verbindung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Gleichheitssatz führt im Ergebnis dazu, dass das Dopingsanktionsverfahren vom Willkürverbot beherrscht wird. Das allgemeine Willkürverbot gilt in diesem Zusammenhang als verletzt, wenn die Entscheidung „sachlich unhaltbar sowie mithin objektiv willkürlich ist“746 und damit unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist. Es gilt auch als Korrektiv für materielles Recht, sofern die Entscheidung unter keinem Gesichtspunkt vertretbar, schlechthin unhaltbar oder eindeutig unan­gemessen ist747. Für das Dopingsanktionsverfahren folgt daraus zum einen, dass in Relation zur individuellen Verschuldensfrage gleiche Dopingverstöße mit gleichen Sanktionen geahndet werden müssen. Zum anderen bewirkt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass es nicht im freien Ermessen des Sportfachverbandes liegt, ob er gegen einen positiv getesteten Sportler ein Dopingsanktionsverfahren eröffnet748. An 740

DLV-Rechtsausschuss NJW 1992, 2588 (2592); OLG München SpuRt 1996, 133 (138); a. A. LG Wien SpuRt 2000, 192 (194). Diese Rechtsauffassung ist jedoch durch Urteil des LG Wien SpuRt 1996, 194 (196), kurz danach wieder revidiert worden. Rechtlich fragwürdig dürfte daher die in Art. 10.2.1 NADA-CODE-2015 n. F. nunmehr vorgesehene Regelsperre von 4 Jahren sein. 741 PHB SportR-Summerer II 3/351. 742 DLV-Rechtsausschuss SpuRt 1996, 66 (69). 743 DFB-Sportgericht SpuRt 2000, 78 (81/82); PHB SportR-Summerer II 3/349. 744 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rz. 293; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Rz. 65. 745 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 240. 746 Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 101 Rz. 28. 747 Degenhart, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rz. 50. 748 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 241.

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dernfalls würde er gegen seine verbandsrechtliche bzw. einzelvertragliche Treuepflicht gegenüber den anderen Athleten verstoßen und willkürliche Entscheidungen treffen749. IV. Anwendung strafrechtlicher Prinzipien im Dopingsanktionsverfahren Neben der Geltung dieser drei grundlegenden materiell-rechtlichen Prinzipien drängt sich vor dem Hintergrund, dass im Rahmen des Dopingsanktionsverfahrens scherwiegende Sanktionen ausgesprochen werden können, unmittelbar die Frage auf, ob dies auch die Anwendung strafrechtlicher Prinzipien nach sich zu ziehen vermag750. 1. Ausgangslage Einerseits kann vertreten werden, dass strafrechtliche Prinzipen im Dopingsanktionsverfahren nicht angewendet werden dürfen. Eine solche Annahme ließe sich auf den ersten Blick auch einfach begründen: Eine Vereinsgründung basiert auf einem privatrechtlichen Beschluss, der Beitritt zukünftiger Mitglieder ebenso. Grundlage des Vereinsrechts und des Vereinslebens ist somit die Privatauto­ nomie751 bzw. sind die dispositiven Regeln des BGB752. Raum für das Strafrecht und die Anwendung seiner Prinzipien besteht damit gerade nicht und ist auch gegebenenfalls gar nicht erforderlich753. Andererseits ließe sich dagegen wiederum anführen, dass eine solche Betrachtungsweise den rechtlichen Charakter eines Verbandsstrafverfahrens und der dadurch ausgesprochenen Verbandsstrafe missachten würde. Denn gerade im Dopingsanktionsverfahren lässt sich die charakteristische Struktur des Strafrechts in Bezug auf den anklagenden Sportfachverband, den sich verteidigenden Sportler und das für die Verbindlichkeit der Sanktion letztendlich verantwortliche Schieds- oder Verbandsgericht wiederfinden754. Daher verweist Petri dem Grunde nach zu Recht darauf, dass die strafrechtliche Herkunft eines Verfahrensprinzips wie beispielsweise der Unschuldsvermutung nicht ihre Anwendung in einem anderen Rechtsgebiet zu verhindern vermag755. 749 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 242, der darin einen Verstoß gegen die §§ 242, 315 BGB sieht. Wertungsmäßig ergibt sich zumindest hinsichtlich des Gebots von Treu und Glauben aus § 242 BGB und der vereinsrechtlichen Treuepflicht kein Unterschied. 750 Scherrer, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 119 (119). 751 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 157. 752 Palandt/Ellenberger, § 25 Rz. 1. 753 Krähe, in: Fritzweiler, Doping  – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 39 (42); Rechtsausschuss DLV SpuRt 2000, 206 (208). 754 Rössner, in: FS für Lutz Meyer-Goßner, 741 (745). 755 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 273.

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

Möglicherweise erweisen sich jedoch weder die grundsätzliche Befürwortung noch die Ablehnung der Anwendung strafrechtlicher Prinzipien im Verbandsverfahren als adäquate Lösungen. Denn die danach zu treffende Grundsatzentschei­ dung könnte im Widerspruch zu einem der grundlegendsten Prinzipien des Strafrechts stehen: dem Subsidiaritätsprinzip bzw. dem ultima ratio-Gedanken756. Danach gilt, dass das „scharfe Schwert“ des Strafrechts nur dann zum Rechtsgüterschutz herangezogen werden darf, wenn Mittel und Mechanismen anderer Rechtsordnungen für eine konkrete Problemlösung nicht ausreichen757. Die Legitimität der Anwendung des Strafrechts ergibt sich nur, wenn das davon erfasste Verhalten strafwürdig und strafbedürftig ist758. Von der Strafwürdigkeit eines bestimmten Verhaltens kann ausgegangen werden, wenn es sich gegen ein anerkanntes Rechtsgut richtet. Eine Strafbedürftigkeit liegt vor, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus besonders sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist759 und zudem die diesbezüglich einschlägigen, außerhalb des Strafrechts liegenden Schutzmechanismen hinsichtlich des problematischen Verhaltens nicht bzw. nur unzureichend eingreifen. Daraus lässt sich für die Frage nach der Anwendbarkeit des Strafrechts – insbesondere hinsichtlich seiner Verfahrensprinzipien – nun zweierlei ableiten. Erstens zeigt dieser Grundsatz, dass die Heranziehung des Strafrechts zum Rechtsgüterschutz auch außerhalb des eigentlichen Kernstrafrechtes notwendig sein kann. Denn die Missbilligung eines Verhaltens muss nicht immer durch die Anwendung materiell-rechtlicher Strafen des Kernstrafrechts zum Ausdruck kommen760, sondern kann auch durch eine Verbandsmaßnahme wie beispielsweise eine Sperre erfolgen. Zweitens bedeutet die Nichtzuschreibung zum Strafrechtsbereich nicht automatisch die vollkommene Abkehr von der Anwendung strafverfahrensrechtlicher Prinzipien in einem anderen Rechtsgebiet. Gerade die Beachtung des ultima-ratio-Gedankens legt es nahe, dass es in Reglungskomplexen für bestimmte Lebensbereiche, die an sich in sich geschlossen und nicht dem Strafrechtsbereich zuzuordnen sind, Einzelaspekte gibt, die auf Grund ihrer Evidenz eine strafähnliche Sanktionierung darstellen und damit die Einhaltung strafrechtlicher Prinzipien erfordern. Ansonsten müsste es zwangsläufig zur originären und autonomen Bildung neuer Verfahrensprinzipien in der Rechtsordnung des jeweiligen Verbandes zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes führen761. Dies erweist sich nicht nur wegen des erheblichen Umfangs der 756 Wessels/Beulke/Satzger, Rz. 9; Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivilund Zivilverfahrensrecht, S. 45. 757 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rz. 97. 758 Heger, SpuRt 2007, 153 (153). 759 Jahn, in: Vieweg, Prisma des Sportrechts, 33 (54). 760 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 211. 761 Siehe oben auf S. 109–111. Es soll aber auch nicht der Eindruck erweckt werden, dass sich nationale Fachverbände keine eigenen Verfahrensordnungen geben dürfen. Vielmehr ist das gerade Teil der ihnen durch Art. 9 GG gewährleisteten Selbstverwaltungsautonomie. Hier geht es aber um „Mindeststandards“, die in jedem Verbandsverfahren Beachtung finden ­müssen.

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Entwicklung neuartiger Verfahrensprinzipien, sondern auch im Lichte der Rechtssicherheit und -klarheit als problematisch. Daher kann zunächst die Aussage Rössners762 festgehalten werden: „Strafrecht im Zivilrecht ist zunächst erst einmal kein Widerspruch!“

Zwar kann wegen des eigentlichen Zusammenhangs mit dem Erlass von Strafnormen für die Frage nach der Anwendung strafrechtlicher Verfahrensprinzipien im Verbandsverfahren nicht unmittelbar auf das materielle Subsidiaritätsprinzip zurückgegriffen werden. Jedoch können beide Konstellationen in der maßgeblichen Ausgangsüberlegung übereinstimmen, wonach auf formal-strafrechtliche Prinzipien überhaupt nur zurückgegriffen werden kann, wenn das Verbandsverfahren und die darin ausgesprochenen Sanktionen zu einer grundrechtliche Gefährdungslage auf Seiten des betroffenen Sportlers führen. Wäre dies der Fall, würde die jeweilige grundrechtsrelevante Sanktion vor diesem Hintergrund mit dem Prinzip der Strafwürdigkeit korrespondieren. Die Frage nach dem Vorliegen ausreichender Schutzmechanismen entspräche der Frage nach der Strafbedürftigkeit. Im Ergebnis würde dies die Statuierung eines „formellen Subsidiaritätsprinzips“ bedeuten. 2. Grundrechtliche Gefährdungslage als Anknüpfungspunkt für die Anwendung strafrechtlicher Prinzipien Daraus ergibt sich somit folgende Ausgangsüberlegung: Strafrechtliche Prinzipien können überhaupt nur dann angewandt werden, je eher durch die Verbandssanktion ein gravierendes Unwerturteil bzw. eine Persönlichkeitsrechtsverletzung im Sinne eines Grundrechtseingriffs vorliegt. Denn nur dann erreicht sie auf Grund des strafähnlichen Charakters763 ein Eingriffsniveau, bei dem ein einfacher Verweis auf die Geltung der Privatautonomie nicht mehr ausreicht, sondern die getroffenen Maßnahmen ohne die Geltung und Beachtung bestimmter, den Beschuldigten schützender, strafrechtlicher Prinzipien schlichtweg als unzulässig einzuordnen wären. Für die Möglichkeit einer solchen grundrechtlichen Einwirkung in das Verbandsverfahren lässt sich an dieser Stelle auf die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Aufnahmezwang von Vereinen bzw. auf die Ausdehnung des gerichtlichen Überprüfungsumfangs von Vereinsstrafen verweisen764. Dort zeigt sich, dass Grundrechte auch im Privatrechtsverhältnis gefährdet sein können bzw. in Ermangelung klarer gesetzlicher Vorgaben die Rechtsposition eines Mitglieds im Wege der Rechtsfortbildung stärker zur Geltung gebracht werden muss765. Demnach finden Grundrechte im Wege der Auslegung gesetzlicher 762

Rössner, in: FS für Lutz Meyer-Goßner, 741 (749). BVerfGE 84, 83 (87). 764 Siehe oben auf S. 72–75. 765 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 158. 763

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

Regelungen bzw. von Satzungsbestimmungen Eingang in das privatrechtliche Verhältnis zwischen Verein und Mitglied766 und können dadurch bestimmte Anforderungen an die anhand der Satzung getroffenen Sanktionen verlangen, damit diese in Rechtmäßigkeit erwachsen können767. Zwar wird diesbezüglich nun nicht auf strafrechtliche Prinzipien zurückgegriffen. Jedoch kommt dadurch zumindest zum Ausdruck, dass Schutzmechanismen gegenüber uneingeschränkten Eingriffen des Vereines bzw. des Verbandes existieren müssen und nicht erst im Falle einer Sanktionierung Aktualität erlangen. Daraus folgt, dass für die Frage nach der Anwendbarkeit strafrechtlicher Prin­ zipien im Verbandsverfahren die Einordnung bestimmter Verbandsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität vorzunehmen ist. Dabei beschränkt sich die Darstellung auf die insbesondere in Dopingangelegenheiten in Betracht kommenden Maßnahmen: Disqualifikation, Sperre und Suspendierung. Sofern diese Sanktionstypen eine gewisse grundrechtsrelevante Schwere erreichen, ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob in Anlehnung an den Grundsatz der Strafbedürftigkeit ausreichende Schutzmechanismen materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Natur zur Verfügung stehen. a) Disqualifikation Unter einer Disqualifikation ist der Ausschluss eines als Teilnehmer zugelassenen Sportlers von der weiteren Teilnahme an einer laufenden Sportveranstaltung sowie die Aberkennung von Titeln, Prämien und allem, was damit verbunden ist, zu verstehen768. Sie wird ausgesprochen, sobald der Nachweis eines objektiven Dopingbefundes  – in der Regel durch das Auffinden einer verbotenen Substanz im Körper des Athleten – erbracht worden ist. Das alleinige Abstellen auf den ob­ jektiven Befund ist darauf zurückführen, dass davon ausgegangen wird, dass der betroffene Athlet wahrscheinlich einen Wettbewerbsvorteil durch die Substanz erhalten hat. Folglich dient die Disqualifikation einzig der Ausschaltung irregulärer Vorteile und der Wiederherstellung der Chancengleichheit im Wettkampf769. Der primär damit einhergehende Schutz des Wettkampfes als solcher führt dazu, dass mit einer Disqualifikation kein gravierendes Unwerturteil gegenüber dem jeweiligen Sportler ausgesprochen wird770. Damit besteht keine grundrechtsrelevante Gefährdungslage, die das Eingreifen entsprechender Schutzmechanismen erforderlich machen würde.

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Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 159. DLV-SchiedsG, SpuRt 1996, 210 (211). 768 Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 231. 769 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion S. 40. 770 Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 232. 767

A. Die materiell-rechtlichen Prinzipien des Dopingsanktionsverfahrens 

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b) Sperre Die Sperre eines Sportlers bzw. eines Vereins- oder Verbandsmitglieds bezeichnet das zumindest zeitlich befristete Verbot an Wettkämpfen teilnehmen zu können771. Sie stellt eine mit einem Unwerturteil verbundene Sanktion dar772, die nicht nur abschreckende Wirkung auf andere Sportler haben soll, sondern bei einer mehrjährigen Sperre in der Regel das Ende der (berufs-)sportlichen Karriere nach sich zieht773. Unter Berücksichtigung der Monopolstellung der Sportfachverbände und des Umstandes, dass Sportler zur sportlichen bzw. beruflichen Ausübung auf die Mitgliedschaft im Verband angewiesen sind, stellen Sperren folglich Maß­ nahmen mit Zwangscharakter dar774. Damit entsprechen sie zugleich staatlichen Strafen775. Wegen dieser gravierenden und grundrechtsrelevanten Auswirkungen sind daher im Hinblick auf die Zulässigkeit einer solchen Sanktion andere Voraussetzungen einzuhalten als zum Beispiel bei einer Disqualifikation. c) Vorläufige Suspendierung Unter einer vorläufigen Suspendierung ist die vorläufige Sperre eines Sportlers innerhalb eines Verbandsstrafverfahrens zu verstehen776. Sie verhindert die Verzerrung von Wettkampfergebnissen, die entstehen, wenn selbige rück­wirkend geändert werden müssen, falls die Sperre gegen den gedopten Sportler verbandsgerichtlich endgültig festgestellt wird und der Sportler bis zu diesem Zeitpunkt weiter an Wettkämpfen teilnehmen würde777. Sie schützt demzufolge den ordnungsmäßigen und fairen sportlichen Wettkampf und betrifft damit nicht primär den grundrechtlichen Schutzbereich des Sportlers778. Andererseits ließe sich auch vertreten, dass eine vorläufige Suspendierung mit einer vorübergehenden Sperre durchaus gleichgesetzt werden kann, da für die Dauer der Suspendierung der sportbezogene Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann und somit die Berufsfreiheit des betroffenen Sportlers tangiert ist. Dafür würde auch der Umstand sprechen, dass im Falle des Aussprechens einer endgültigen Sperre die Zeit der Suspendierung in die Sank­tionsdauer mit einbezogen wird. Zudem würde sich die vorläufige Suspendierung als ein gravierender Grundrechtseingriff darstellen, sofern sich im Verbandsverfahren herausstellen würde, dass kein Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vorgelegen hat. Dies könnte dafür sprechen, erhöhte verfahrensrechtliche Anforderungen im Rah 771

Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 229; Vieweg, Normsetzung, S. 209. 772 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 42; Reichert, VereinsR, Rz. 2908. 773 Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 230. 774 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 43. 775 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 44. 776 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion S. 40. 777 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 41. 778 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 295.

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

men einer vorläufigen Suspendierung zu verlangen, um Rechtsgüterschutz gewährleisten zu können. Ohne die Anforderungen an dieser Stelle bereits zu präzisieren, lässt sich zumindest konstatieren, dass im Zusammenhang mit einer vorläufigen Suspendierung ein grundrechtlich relevanter Bereich betroffen ist779. 3. Zwischenergebnis Die soeben dargestellten Verbandsmaßnahmen wirken sich jeweils unterschiedlich auf den grundrechtsrelevanten Schutzbereich aus. Die Disqualifikation stellt die am wenigsten einschneidende Maßnahme dar. Vor dem Hintergrund ihrer Schutzrichtung erfordert sie keine verfahrensrechtliche Kompensation beispielsweise durch die Anwendung der Unschuldsvermutung. Bei der vorläufigen Suspendierung erweist sich eine solche Feststellung als problematischer. Wegen ihrer Nähe zu einer Sperre besteht hier eine andere Eingriffsintensität, die auch dadurch deutlich wird, dass sie im Gegensatz zu einer Disqualifikation nicht in einem anschließenden Rechtsmittelverfahren zurückgenommen werden kann. Eine Sperre ist mit den einschneidendsten Auswirkungen verbunden. Sie tangiert im erheblichen Maße die Berufsausübung und kann sogar zum Karriereende und damit zur Aufgabe des Berufs führen. Unzweifelhaft stellt daher eine Sperre vor diesem Hintergrund einen Grundrechtseingriff dar780. Daher ist in gedanklicher Anlehnung an das Prinzip der Strafwürdigkeit auch ein entsprechender Grundrechtschutz notwendig. Sowohl die vorläufige Suspendierung als auch die Sperre werden zudem innerhalb eines Verfahrens verhängt, dem die Aufgabe zukommt, für die Verhältnismäßigkeit des jeweiligen Eingriffs zu sorgen781. Diese kann wiederum nur erreicht werden, wenn bestimmte, grundlegende Schutzmechanismen zur Verfügung stehen. Dabei gilt es den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsatz zu beachten, wonach die Anforderungen für die Rechtfertigung eines grundrechtlich relevanten Eingriffs umso höher sind, je schwerwiegender die relevante Maßnahme in die Rechtsgüter und schützenswerten Interessen des Betroffenen eingreift782. Sofern nun keine derartige verfahrensrechtliche Kompensation im Verbandsstrafverfahren gegeben ist, muss in Anlehnung an das Prinzip der Strafbedürftigkeit auf strafrechtliche Prinzipien zurückgegriffen werden. Ob dies der Fall ist, wird durch eine Analyse des Beweisverfahrens für die vorläufige Suspendierung und die Sperre beantwortet werden783. Erst dann lässt sich endgültig feststellen, ob im Ergebnis vollumfänglich der Auffassung von Rössner gefolgt werden kann, der davon ausgeht, dass bei einer umso höheren Intensität der Wirkung der Sanktionie 779 Adolphsen, SpuRt 2000, 97 (98), der bei einer vorläufigen Suspendierung im Sinne einer verfahrensrechtlichen Kompensation auf das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts verweist. 780 DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 74 (77); DFB-Sportgericht SpuRt 2000, 78 (81). 781 Siehe dazu oben, S. 144–146. 782 BVerfGE 17, 306 (314); OLG Dresden SpuRt 2005, 209 (210); Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 58. 783 Siehe für die vorläufige Suspendierung unten, S. 189–192; für die Sperre unten, S. 192–193.

B. Beweissicherung im Dopingverfahren

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rung eines Dopingverstoßes eine Kompensation im Sinne einer dadurch überhaupt nur möglichen Wahrung der Rechtmäßigkeit allein durch die Anwendung straf­ verfahrensrechtlicher Prinzipien erreicht werden kann784. 4. Lösung Vorzugswürdig erscheint somit die Überlegung, dass die Anwendung strafrechtlicher Prinzipien im Verbandsverfahren grundsätzlich in Betracht gezogen werden kann. Dies ist jedoch nicht damit gleichzusetzen, dass immer auf diese Art des Grundrechtsschutzes zurückgegriffen werden muss. Vielmehr gilt es sich an der Frage zu orientieren, ob nicht der Sport selbst mit seinem eigenständigen Funktionsbereich weitere Prinzipien für den Interessenausgleich bereit hält oder andere, außerhalb des Strafrechts liegende Rechtsprinzipien den notwendigen Schutz und Interessensausgleich herbeiführen können. Somit ergibt sich folgender Schluss: Erst wenn im Verbandsverfahren Schutzmechanismen fehlen oder vorhandene keinen ausreichenden Schutz bereithalten, kann und muss auf strafrechtliche Prinzipien zurückgegriffen werden. Damit stellt die hier vertretene Ansicht eine vermittelnde Ansicht dar, mit der die Anwendung strafrechtlicher Prinzipien weder grundsätzlich abgelehnt noch angenommen wird, sondern vielmehr von der grundrechtlichen Gefährdungslage im Einzelfall mittels einer Orientierung am Subsidiaritätsprinzip abhängig gemacht wird785. Diese Einzelfallprüfung erfolgt beispielhaft anhand eines zu diskutierenden Rückgriffs auf die Unschuldsvermutung im folgenden verfahrensrechtlichen Teil der Beweisführung in Dopingangelegenheiten786.

B. Beweissicherung im Dopingverfahren Die Einleitung des Dopingsanktionsverfahrens setzt voraus, dass zuvor eine entsprechende Beweissicherung stattgefunden hat, auf Grund derer der Verdacht besteht, dass ein Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vorliegt. Die Beweissicherung erfolgt in der Regel durch die Anordnung und Durchführung einer Dopingprobe, der so genannten Dopingkontrolle. Sie gilt es nun genauer zu untersuchen, denn eine rechtswidrige Beweissicherung im Rahmen der Dopingkontrolle zieht logischerweise auch im Dopingsanktionsverfahren rechtliche Konsequenzen nach sich. Dabei ist vorweg von folgender These auszugehen: Eine rechtmäßige und erfolgreiche Beweisführung, auf die sich wiederum eine rechtmäßige Dopingsperre stützen lässt, wird in der Regel nur erzielt werden können, wenn sie sich ihrerseits auf rechtlich einwandfreie Testresultate und Verfahren zurückführen lässt787. 784

Rössner, in: FS für Lutz Meyer-Goßner, 741 (742). So auch im Ergebnis Adolphsen, SpuRt 2000, 97 (97), der für die Geltung übergeordneter Rechtsgrundsätze wie die des Strafrechts stets auf eine Begründung im Einzelfall verweist. 786 Siehe unten, S. 188–193. 787 Baddeley, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 9 (29). 785

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

I. Beweis des Dopingverstoßes im Sinne von Art. 2.1 NADA-Code 1. Zulässigkeit von Dopingkontrollen Zuerst gilt es, grundsätzlich die Zulässigkeit von Dopingkontrollen zu beleuchten. Denn fraglich ist, ob die Durchführung von Dopingkontrollen vor dem Hintergrund, dass die betroffenen Sportler zur Mitwirkung in der Form der Abgabe der Urin- bzw. Blutprobe angehalten sind, nicht per se in unzumutbarer Weise in deren zu schützenden Rechtskreis eingreift. Denn sie leisten mit der „freiwilligen“ Abgabe der Urin- bzw. Blutproben einen wesentlichen Beitrag für das spätere Dopingsanktionsverfahren, da diese zumindest für den Beweis eines Dopingverstoßes nach Art. 2.1 NADA-Code das Hauptbeweismittel darstellen. Darüber hinaus müssen die Sportler auch im weiteren Kontrollverfahren mitwirken, indem sie beispielsweise wahrheitsgemäß das Dopingkontrollformular hinsichtlich der aktuell verwendeten Medikamente auszufüllen788 und im Rahmen der Meldepflichten Angaben zu ihren Aufenthaltsorten zu machen haben789. Diese Mitwirkungspflichten können möglicherweise im Widerspruch zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG der Sportler stehen. Denn dieses umfasst auch den Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung790 und korrespondiert mit dem rechtsstaatlichen Gebot des „nemo tenetur se ipsum accusare“, wonach niemand gezwungen werden kann, sich selbst im Sinne der Anklage für schuldig zu erklären, gegen sich selbst auszusagen oder an seiner eigenen Überführung mitzuwirken791. Insbesondere Letzteres könnte unvereinbar mit dem praktizierten Doping­ kontrollverfahren stehen. Hierbei muss ferner der Umstand berücksichtigt werden, dass der Grad der Freiwilligkeit im Rahmen des beschriebenen Dopingkontrollsystems nur ein sehr geringes Maß ausmacht: Die Sportler sind zur Berufsausübung auf den Sportfachverband angewiesen und damit faktisch gezwungen, sich dessen Regelwerk und Kontrollsystem zu unterwerfen792. Daher kann vor diesem Hintergrund durchaus vertreten werden, dass ihr Persönlichkeitsrecht wegen der Pflicht zur Mitwirkung tangiert wird793. Dieser Annahme kann auch nicht durch einen Verweis auf den eigentlichen strafrechtlichen Ursprung dieses Bereiches des Persönlichkeitsschutzes mit dem Argument begegnet werden, dass dafür im zivilrechtlichen Verbandsverfahren kein Raum wäre. Denn nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann das Recht zur Selbstbelastungsfreiheit auch in anderen Verfahren wie beispielsweise Disziplinarverfahren zur Anwendung kommen, 788

Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 296. Siehe dazu zugleich unten, S. 156–159. 790 BVerfG NJW 1997, 1841 (1843). 791 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 250; Kühl, Zur Zulässigkeit von Blut-/Urin-Dopingtests, 31 (36). 792 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 268. Siehe dazu auch oben, S. 63–64. 793 BVerfGE 56, 37 (50). 789

B. Beweissicherung im Dopingverfahren

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sofern dem Betroffenen ähnliche Sanktionen wie in einem Strafverfahren drohen, was für Dopingsperren durchaus angenommen werden kann794. Selbst ein Zivilprozess würde nicht von vornherein gegen die Geltung des Schutzes vor Selbstbezichtigungen sprechen795, so dass dieses Gebot durchaus auch ohne Abstellen auf den strafähnlichen Charakter einer Dopingsperre im Dopingsanktionsverfahren angewendet werden könnte. Maßgebend für eine abschließende Entscheidung ist, inwieweit in Fällen, in denen die Personen aus besonderen Gründen rechtsgeschäftlich oder gesetzlich verpflichtet sind, einem anderen bestimmte Informationen zu erteilen, die dadurch auftretende Kollision mit dem Schweigeinteresse dieser Personen sodann zu lösen ist. Der Ausschlag zugunsten des Informationsbedürftigen dürfte sich ergeben, sofern der Auskunftspflichtige allein zur erforderlichen Information imstande ist und der Auskunftsberechtige bzw. Informa­ tionsbedürftige im Falle des Ausbleibens der Information erheblich benachteiligt wäre796. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht gebietet keinen lückenlosen Schutz gegen Selbstbezichtigungen ohne Rücksicht darauf, ob schutzwürdige Belange Dritte beeinträchtigt werden oder nicht797. Beim Dopingkontrollverfahren im Rahmen des Dopingnachweises nach Art. 2.1 NADA-Code wird untersucht, ob sich im Körper des Athleten eine verbotene Substanz befindet. Folglich kann nur der Athlet selbst durch die Abgabe einer Blutoder Urinprobe diese Frage beantworten. Demnach ist er allein in der Lage, die notwendigen Informationen für den Sportfachverband bereit zu stellen und dazu wegen seiner einzelvertraglichen Unterwerfung oder wegen des mitgliedschaftlichen Treueverhältnisses gegenüber dem Verband auch verpflichtet. Sofern diese Auskunft seitens des Sportlers ausbleibt, tangiert dies den jeweiligen Sport­ fachverband sowie die von diesem verfolgten Verbandsinteressen und damit zugleich dem ihm nach Art. 9 GG zustehenden Schutzbereich798. Denn für die Aufrechterhaltung der Verbandstätigkeit und des eigentlichen Verbandszwecks – die Wahrung der Sportethik und der Chancengleichheit799  – ist es unerlässlich, auf Dopingproben der Sportler zurückgreifen zu können. Dabei ist der Verband auf die Kooperation der Sportler angewiesen. Zudem stehen ihm im Gegensatz zu den Aufklärungsmöglichkeiten des Staates keine Zwangsmittel zur Verfügung, mit denen eine fehlende Mitwirkung kompensiert werden könnte800. Das Fehlen solcher Aufklärungsmöglichkeiten und nicht zur Verfügung stehende andere, gleichsam wirksame Mittel sowie die schützenswerten Zielsetzungen der Doping­ bekämpfung lassen die Abwägung zugunsten des Sportfachverbandes ausfallen. 794

BVerfGE 56, 37 (43). BVerfGE 56, 37 (44). 796 BVerfGE 56, 37 (45). 797 BVerfGE 56, 37 (49). 798 Siehe oben auf S. 57–59. 799 Prokop, in: Fritzweiler, Doping  – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 79 (91); Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 195; Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 211–221. 800 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 294. 795

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

Dies rechtfertigt zugleich den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Sportlers gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und führt im Ergebnis dazu, dass der nemo-tenetur-Grundsatz im Dopingsanktionsverfahren jedenfalls im Rahmen des Dopingkontrollsystems nicht anzuwenden ist und von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Dopingkontrollen ausgegangen werden kann801. 2. Dopingkontrollen innerhalb und außerhalb eines Wettkampfes Ein Dopingverstoß im Sinne von Art. 2.1 NADA-Code wird durch eine positive A- und B-Probe festgestellt. Demnach ist als wichtiger Einleitungsschritt für die Beweissicherung die Anordnung der Dopingprobe anzusehen. Diese erfolgt durch den beweispflichtigen Sportfachverband bzw. die nationale Anti-DopingOrganisation802. Vor dem Hintergrund der Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss diese erforderlich sein. Dies versteht sich bei einer sich unmittelbar an einen Wettkampf anschließende Probe von selbst. Denn nur dadurch kann das Verbandsinteresse an der Wahrung der Chancengleichheit überhaupt durchgesetzt werden. Zudem wird der eigentliche Wettkampf selbst gewährleistet, indem zeitnah für eine Endgültigkeit der Wettkampfentscheidung gesorgt und eben ein „monatelanges juristisches Tauziehen“ über das Wettkampfergebnis vermieden wird. Des Weiteren sind keine anderen, gleich wirksamen Mittel ersichtlich, die die soeben beschriebenen Zwecke im selben Maße schützen würden. Eine Wettkampfkontrolle kann somit stets als verhältnismäßig angesehen werden803.

801 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  269; Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 297; Walker, in: Vieweg, Doping 135 (165). Zustimmend auch Heger, in: Spitzer/Franke, Sport, Doping und Enhancement – Transdisziplinäre Perspektiven, Bd. 1, S.  167–169, der zu dem Ergebnis gelangt, dass vor allem eine erzwungene Mitwirkung bei Blutkontrollen jedenfalls bei erwachsenen Sportlern keine Strafbarkeit wegen Nötigung nach § 240 StGB oder Körperverletzung nach § 223 StGB begründet. 802 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1445. Gemäß Art. 5.2.1 NADA-Code n. F. ist die NADA als nationale Anti-Doping-Organisation für die Trainingskontrollen und Dopingkontrollen innerhalb des Wettkampfes bei allen Athleten, die dem Anwendungsbereich des NADC unterliegen und ihre aktive Karriere nicht beendet haben, zuständig. Siehe jedoch auch 5.2.2 NADA-Code n. F., wonach die WADA, das IOC sowie der jeweilige internationale Sportfachverband ebenfalls Trainingskontrollen und Dopingkontrollen innerhalb des Wettkampfes durchführen können. Nach 5.2.3 NADA-Code n. F. werden bei Internationalen Wettkämpfen und/oder Wettkampfveranstaltungen Dopingkontrollen innerhalb des Wettkampfes an der Wettkampfstätte und während der Geltungsdauer von dem jeweiligen internationalen Sportfachverband oder dem internationalen Veranstalter des Wettkampfes oder der Wettkampfveranstaltung (z.B. IOC für die Olympischen Spiele, der internationale Sportfachverband für eine Weltmeisterschaft) organisiert und durchgeführt. Bei Nationalen Wettkämpfen und/oder Wettkampfveranstaltungen erfolgt die Organisation und Durchführung der Dopingkontrollen durch die NADA. 803 Kritischer hingegen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit von Trainingskontrollen und damit einhergehender Meldepflichten, Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1451.

B. Beweissicherung im Dopingverfahren

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Besagte Chancengleichheit ist natürlich auch als maßgeblicher Grund für die Durchführung außerhalb eines Wettkampfes liegender Dopingkontrollen anzu­ sehen804. Andernfalls wäre es Sportlern möglich, während des Trainings Dopingmittel zu verwenden und sie dann rechtzeitig vor dem Wettkampf und dem Beginn der Kontrollen abzusetzen. Ein dieser Praxis nachgehender Sportler hätte zweifellos Vorteile gegenüber einem nicht gedopten Sportler805. In rechtlicher Hinsicht sind überraschende Trainingskontrollen jedoch kein Selbstläufer. Denn sie erfordern zugleich die Mitwirkung des Athleten dahingehend, dass dieser die notwendigen Informationen bereitstellt, um die Kontrollen überhaupt effektiv durchführen zu können. Der konkrete Informationsgehalt hängt dabei von zweierlei ab: der jeweiligen Risikobewertung der Sportart und der Kader- und Testpoolzugehörig­keit des jeweiligen Athleten. Die Testpooleinteilung orientiert sich dabei an Art. 5.3.1 NADA-Code n. F. in Verbindung mit Art.  2.5 des Standards für Meldepflichten und des Standards für Dopingkontrollen und Ermittlungen806. Danach gibt es den „Registered Testpool“ (RTP), der Athleten des internationalen Testpools, A-Kader-­ Athleten und A-Nationalmannschaften der Sportarten der Risikogruppe A erfasst807; den „National Testpool“ (NTP), der die A-Kader-Athleten und A-Nationalmannschaften sowie Perspektivathleten der Sportarten der Gefährdungsstufe B und C berücksichtigt808 sowie den „Allgemeinen Testpool“ (ATP), dem alle anderen Athleten angehören809. Schließlich bestimmt sich die Risikoeinteilung der jeweiligen Sportart, die von der NADA nach Art. 2.1 des Standards für Meldepflichten vorgenommen wird, anhand diverser Faktoren wie physiologische, wirtschaftliche, finanzielle und öffentlich-mediale Kriterien810. Athleten des RTP und des NTP ­müssen gemäß Art.  1.3 des Standards für Meldepflichten vierteljährlich Angaben über Aufenthaltsort und Erreichbarkeit machen, die genaue und vollstän 804

Eine Wettkampfkontrolle beginnt 12 Stunden vor Beginn des Wettkampfes, für den der Athlet gemeldet ist, und endet mit dessen Abschluss. Siehe Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1448. 805 Als ein besonders illustrativer Fall stellt sich das Geschehen um den Skilangläufer Jochen Mühlegg während der Winterspiele von Salt Lake City aus dem Jahr 2002 dar. Jener J. Mühlegg wurde zwischen den Einzelwettkämpfen am 21.2.2002 während des Trainings kontrolliert. Die Dopinganalyse ergab einen Positivbefund hinsichtlich Darbepoetin alfa, einem EPO-verwandten Medikament. Mühlegg wurde daraufhin für den Wettkampf im Langlauf über 50 km, den er am 23.2.2002 gewann, nachträglich disqualifiziert. Kurz darauf wurden auch ihm die Goldmedaillen über 30 km (9.2.2002) und im 10+10 km Verfolgungsrennen (14.2.2002) aberkannt. Die obligatorischen Kontrollen für die drei Erstplatzierten in diesen Wettbewerben, denen sich Mühlegg wegen der zuvor erzielten Siege unterziehen musste, hatten keinen positiven Nachweis einer verbotenen Substanz ergeben. Dies verdeutlicht die Erforderlichkeit von Trainingskontrollen. 806 In der Fassung vom 1.1.2015. Abrufbar unter http://www.nada.de/de/service-infos/down loads/regelwerke/#.VMjjUC5sbIU. 807 Art. 2.3.1 des Standards für Dopingkontrollen und Ermittlungen (Stand: 1.1.2015). Abrufbar unter http://www.nada.de/de/service- infos/downloads/regelwerke/#.VMjjUC5sbIU. 808 Art. 2.3.2 des Standards für Dopingkontrollen und Ermittlungen. 809 Art. 2.3.3 des Standards für für Dopingkontrollen und Ermittlungen. Siehe dazu insgesamt Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1449. 810 Siehe dazu insgesamt Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1449.

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

dige Informationen darüber enthalten, wo sie im kommenden Quartal wohnen, trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen werden. Die Pflicht zur detaillierten Angabe des jeweiligen Aufenthaltsortes sowie das Bereithalten zur Abgabe einer Dopingprobe berühren unzweifelhaft das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Sportlers811. Es kollidiert erneut mit dem verbandsrechtlichen Interesse an einer effektiven Dopingbekämpfung, welchem in dieser Konfliktlage abermals der Vorzug eingeräumt werden muss. Andernfalls würde dieses leerlaufen und damit auch die Dopingbekämpfung auf verlorenem Posten stehen. Unangemeldete Trainingskontrollen sind daher notwendig und in Ermangelung eines milderen Mittels vor allem in rechtlicher Hinsicht zulässig812. 3. Konkrete Durchführung einer Trainingskontrolle Zunächst ist festzuhalten, dass sich jeder dem Kontrollsystem unterworfene Sportler jederzeit für eine Dopingkontrolle bereit zu halten und dafür nach Art. 5.3.1 NADA-Code in Verbindung mit Art. 3 des Standards für Meldepflichten Angaben zu seinem Aufenthaltsort und seiner Erreichbarkeit anzugeben hat. Für Angehörige des RTP gilt darüber hinaus gemäß Art. 1.4 und Art. 3.1 des Standards für Meldepflichten die Ein-Stunden-Reglung, wonach der Athlet verpflichtet ist, für jedes Quartal im Voraus Angaben zu seinem täglichen Aufenthaltsort zu machen und für jeden Tag ein Zeitfenster von 60 Minuten zwischen 6 und 23 Uhr mit einem bestimmten Ort anzugeben, an dem er für Dopingkontrollen zur Verfügung steht813. Die konkrete Auswahl eines Athleten für eine Trainingskontrolle liegt nach Art. 5.6.1 NADA-Code n. F. im alleinigen Ermessen der NADA814. Damit einhergehende Verstöße gegen die jeweiligen Meldepflichten (Melde­ pflichtversäumnisse) sowie versäumte Kontrollen können als so genannte „missed tests“ gewertet werden, die zur einer Verfahrenseinleitung nach Maßgabe der Art.  6.1 und 6.2 des Standards für Meldepflichten führen. Sofern es innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten zu drei „missed tests“ gekommen ist, stellen diese einen Dopingverstoß nach Art. 2.4 NADA-Code dar. Dem Athleten steht gemäß Art. 11.6.2 (c), (d) des International Standard for Testing815 als Rechtsbehelf gegen die Feststellung eines „missed test“ die Möglichkeit einer administrativen Überprüfung zur Verfügung, die in Deutschland gemäß § 2 Abs. 3 der Verfahrensordnung für die administrative Überprüfung von Meldepflicht- und Kontrollver 811

Siehe auch oben, S. 154–156. So auch Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S.  259. Im Jahr 2011 wurden von der NADA ca. 8000 Trainingskontrollen durchgeführt. NADA-Jahresbericht 2011, S.  9. Abrufbar unter http://www.nada.de/de/service-infos/downloads/jahresberichte/#. VMlmyi5sbIU. 813 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1450. 814 Für Wettkampfkontrollen vgl. Art. 5.5.3 und Art. 5.5.4 NADA-Code. 815 In der Fassung vom Januar 2012. Abrufbar unter https://www.wada-ama.org/en/what-wedo/international-standards. 812

B. Beweissicherung im Dopingverfahren

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säumnissen (VAÜ816) durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vorgenommen wird817. Eine verbandsrechtliche Klage gegen die Feststellung eines „missed test“ ist indes nicht vorgesehen. Der Athlet kann aber in einem späteren Dopingverfahren alle Einwendungen auch gegen die Feststellungen einzelner „missed tests“ geltend machen, ohne zuvor den Weg einer administrativen Überprüfung beschritten zu haben. Eine Präklusion von Einwendungen ist daher ausdrücklich ausgeschlossen818. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob der Ansicht von Lehner gefolgt werden kann, der wegen des Fehlens einer verbandsrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen einzelne „missed test“ die konkrete Unterwerfung des Athleten unter das Verbandsreglement als unwirksam erachtet819. Zuzustimmen ist ihm dahingehend, dass bereits die Feststellung eines „missed test“ in Kombination mit der Sorge des Athleten vor weiteren „missed test“, die dann einen Dopingverstoß und mithin eine Dopingsperre nach sich ziehen können, eine erhebliche Störung der Berufsausübung darstellt. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung führt vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes, den Lehner als Grundlage seiner Argumentation heranzieht, per se jedoch nicht zur Unwirksamkeit, nur weil nicht ein ganz bestimmtes Verfahren zur Überprüfung vorgesehen ist. Dies würde außerhalb dessen liegen, was durch den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gewährt werden soll. Dieser verlangt vielmehr, dass eine grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahme in irgendeiner Form einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, nicht jedoch in einer ganz bestimmten820. Sofern dem Athleten die Möglichkeit einer administrativen Überprüfung zur Verfügung steht und es ihm zudem möglich ist, einzelne Einwendungen gegen die jeweiligen „missed tests“ im späteren Dopingsanktionsverfahren geltend zu machen und eine Präklusion zudem ausgeschlossen ist, wird ein effektiver Rechtsschutz gerade gewahrt. 4. Korrekte Probenentnahme Grundsätzlich müssen sämtliche Formalien der Probenentnahme, der Probensicherung und der Probenauswertung eingehalten werden821. Jedoch führen nicht alle Unregelmäßigkeiten im Verfahrensablauf dazu, dass der Beweiswert der

816

In der Fassung vom 1.1.2009. Abrufbar unter http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_ upload/nada/Downloads/Regelwerke/090130_NADA_Verfahrensordnung.pdf. 817 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1455. 818 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1455. 819 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1459. 820 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 108; Degenhart, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rz. 48; BVerfGE 96, 27 (39). Siehe auch oben, S. 66–66. 821 Disziplinarausschuss DLV, Besch. v. 12.06.2001, SpuRt 2002, 79 (81).

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

Probe822 im Sinne eines Beweisverwertungsverbots verloren geht823. Demzufolge ist dahingehend eine Differenzierung vorzunehmen, bei welchen Verstößen der prozessuale Beweis eines Dopingverstoßes im Sinne von Art.  2.1 NADA-Code nicht mehr mit einer positiven Probe geführt werden kann. Dies umfasst die Regelungen zur Zuständigkeit der jeweiligen Kontrollbehörde und ihrer Kontrollpersonen, zur Sicherstellung der Identität zwischen kontrolliertem Sportler und analysierter Probe und zur Sicherstellung der Integrität der Probe824. a) Beweisrelevante Verfahrensvorschriften Die Dopingkontrolle muss von besonders geschulten Personen vorgenommen werden, die im Auftrag der kontrollierenden Anti-Doping-Organisation825 agieren. Blutproben werden in diesem Zusammenhang von Personen mit ärztlicher Approbation oder mit einer Ausbildung zu einem staatlich anerkannten Heilpraktiker durchgeführt826, Urinproben von besonders geschulten Kontrollpersonen827. Daraus folgt wiederum, dass keine anderen Personen neben dem sonst nach Art. 4.2.3 des Standards für Dopingkontrollen828 zugelassenen Personenkreis (Sportler, Arzt, Kontrollperson, Begleitperson, Dolmetscher, Beobachter) anwesend sein dürfen, da andernfalls die Gefahr einer Fremdmanipulation nicht mehr ausgeschlossen werden kann und dadurch der Beweiswert der entnommenen Probe erheblich gemindert oder gar gänzlich aufgehoben ist829. Die entnommenen Proben werden im Anschluss vom Athleten in spezielle, mani­ pulationssichere Aufbewahrungs- und Transportbehälter gefüllt und nach Anwei 822 Im Folgenden bezieht sich der Begriff der „Probe“ gleichermaßen auf Urin- und Blutproben. Zitiert werden aufeinander folgend die jeweils inhaltsgleichen Verfahrensvorschriften. Sofern jedoch unterschiedliche Verfahrensvorschriften für diese beiden Probetypen einschlägig sein sollten, wird zwischen beiden durch die konkrete Bezeichnung „Blut- bzw. Urinprobe“ differenziert. 823 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 263. 824 CAS SpuRt 2005, 162 (162); Pfister, SpuRt 2003, 16 (16); Anhang C.3 und Anhang D.3 des Standards für Dopingkontrollen. 825 Nach Anhang 1 NADA-Code ist unter Anti-Doping-Organisation eine Organisation zu verstehen, die für die Annahme von Regeln zur Einleitung, Umsetzung oder Durchführung des Dopingkontrollverfahrens zuständig ist. Dazu zählen insbesondere das Internationale Olympische Komitee, das Internationale Paralympische Komitee sowie Veranstalter großer Sportwettkämpfe, die bei ihren Wettkampfveranstaltungen Dopingkontrollen durchführen, die WADA, internationale Sportfachverbände und nationale Anti-Doping-Organisationen, die NADA und die nationalen Sportfachverbände. 826 Anhang H.3.1 Ziff. b des Standards für Dopingkontrollen. 827 Anhang H.3.3, 3.5 des Standards für Dopingkontrollen. 828 In der Fassung vom 1.1.2015. Abrufbar unter http://www.nada.de/de/service-infos/down loads/regelwerke/#.VMowVi5sbIU. Der Standard für Dopingkontrollen verwirklicht die internationalen Vorgaben des „International Standard for Testing“ der WADA, siehe dazu Art. 1 des Standards für Dopingkontrollen. 829 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 264.

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sung der Kontrollperson vom Athleten versiegelt830. Auch hierbei gilt, dass ein beschädigtes Siegel oder eine nicht vorhandene Versiegelung des Probebehälters die Gefahr einer erfolgten Manipulation nicht auszuschließen vermag und somit den Beweiswert zunichtemacht. Am Ende der Probenentnahme unterzeichnen nach Art. 5.3.6 des Standards für Dopingkontrollen sowohl der kontrollierte ­Athlet als auch die Kontrollperson das Dopingkontrollformular, um zu bestätigen, dass die durchgeführte Dopingkontrolle den Anforderungen des Standards für Doping­ kontrollen entspricht. Vom Athleten in diesem Zusammenhang beobachtete Unregelmäßigkeiten sollten dabei unverzüglich auf dem Dopingkontrollformular vermerkt werden831, um sich nicht selbst in einem späteren Dopingsanktionsverfahren die aufgebürdete Gegenbeweisführung hinsichtlich des konkreten Verfahrens­fehlers unnötig zu erschweren oder gar unmöglich werden zu lassen832. Die Dopingkontrolle endet mit dem Transport der Probe in das jeweilige Analyselabor. Dabei hat die Kontrollperson nach Art. 7.2.2 des Standards für Dopingkontrollen sicherzustellen, dass der Transport ohne Gefahr und Beeinträchtigung der Proben und Versiegelungen durchgeführt wird833, was vor allem durch eine ausreichenden Kühlung der Proben bewerkstelligt wird834, um nicht den Konzentrationsgehalt der in der Probe enthaltenen Substanzen oder deren Dichte zu verändern835. Andernfalls kann mit den Proben kein Dopingnachweis geführt werden836. Der Beweiswert einer Probe ist jedoch nicht schon deshalb zerstört, weil A- und B- Probe unterschiedliche Mengen enthalten. Voraussetzung für eine rechtmäßige Probegewinnung ist vielmehr, dass die vorgeschriebene Mindestmenge an Urinvolumen bzw. Blut und die für die Analyse notwendige, spezifische Dichte eingehalten wird837. Abweichungen führen jedoch nicht zwangsläufig zur Unbrauchbarkeit der gewonnen Probe. Vielmehr entscheidet in solchen Fällen das zuständige Analyselabor in Absprache mit der zuständigen Anti-Doping-Organisation über die Geeignetheit der Probe838. Sofern der Athlet noch zu einer weiteren Urinprobe imstande sein sollte, kann alternativ auch ein weitere Teilprobe entnommen werden, die nach dem Öffnen der ordnungsgemäß versiegelten Erstprobe durch den Athleten mit der Zweitprobe zusammengeführt wird, bis die geeignete 830 Anhang D.3.14, D.3.15 und Anhang E.3.14 und Anhang E.3.15 des Standards für Dopingkontrollen. Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1476; Petri, in: Kühl/Tettinger/ Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 264. Vgl. auch Art. 4.2.4 des Standards für Dopingkontrollen. 831 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 264; Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1447. 832 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1447. Siehe zur Beweisführung bei Verfahrensverstößen unten, S. 174–177. 833 Dies wird auch als „chain of custody“ bezeichnet. Siehe Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 265. 834 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1477. 835 Disziplinarausschuss DLV SpuRt 2002, 79 (81). 836 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 265. 837 Disziplinarausschuss DLV SpuRt 2002, 79 (81); Anhang D.3.10, D.3.14 und Anhang E.3.9, E.3.14 des Standards für Dopingkontrollen. 838 Anhang D.3 Ziff. b und Anhang F.3.10 des Standards für Dopingkontrollen.

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Mindestmenge oder spezifische Dichte vorliegt839. Schließlich führt auch eine Differenz im Hinblick auf die Dichte der am Kontrollort gewonnen Probe und jene, welche bei der Untersuchung der Probe im Labor festgehalten wurde, noch nicht zu Zweifeln hinsichtlich der Identität der entnommenen Proben, sofern dies auf unterschiedliche Messverfahren und -methoden zurückgeführt werden kann und jeweils die vorgeschriebene Mindestdichte eingehalten wird840. Dabei erweist sich eine im Labor vorgenommene Messung als die deutlich genauere gegenüber einer vor Ort durchgeführten. Jedoch ist der Beweiswert einer Probe zu hinterfragen, sofern trotz gleicher Messmethoden eine unterschiedliche Dichte der Proben festgestellt wird. Denn die Festlegung, dass Urinproben eine bestimmte Dichte und damit ein bestimmtes Gewicht aufweisen sollen, dient vordergründig841 der Vermeidung von Verdünnungen des Urins und soll dadurch der Gefahr von Manipulationen entgegen wirken. Bei eklatanten Unterschieden oder unterschiedlichen Dichtemessungen, die unter jeweils gleichen Bedingungen vorgenommen wurden, sind daher Zweifel hinsichtlich der Identität der Proben angebracht842. Verstöße gegen diese wesentlichen Verfahrensvoraussetzungen führen im Ergebnis zu einer erheblichen Minderung oder gar vollständigen Aufhebung des Beweiswertes einer Dopingprobe. b) Nicht beweisrelevante Verfahrensvorschriften Anders verhält es sich hinsichtlich des Beweiswertes einer Probe, sofern sich zum Beispiel die der Durchführung einer Urinprobe dienlichen Getränke nicht mehr in den Originalbehältern befinden843 oder eine Person des anderen Geschlechts die Probe durchführt oder beobachtet844. Schließlich wird der Beweiswert auch nicht entwertet, wenn das Losverfahren für die Auswahl des zu kontrollierenden Sportlers nicht den Vorschriften entsprechend durchgeführt worden ist845. Die damit einhergehenden Vorschriften schützen in der Regel „lediglich“ das Persönlichkeitsrecht des jeweils betroffenen Sportlers, jedoch nicht das eigentliche Beweisverfahren. Anders ausgedrückt: Verstöße dieses Niveaus sind nicht von solch einem Gewicht, dass sie ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen könnten. 839

Anhang D.3.11, Anhang E. 3.6–E.3.8 des Standards für Dopingkontrollen. Disziplinarausschuss DLV SpuRt 2002, 79 (80/81). 841 Eine höhere Dichte kann andererseits auch zu einer höheren Konzentration einer in der Probe enthaltenen verbotenen Substanz führen. Sofern eine solche über den Normwert liegende Dichte gegeben ist, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Analyseergebnisses, sondern es wird die eigentliche Konzentration mittels Korrekturwerten errechnet. Dies kann dazu führen, dass sich eine zunächst positive Probe nach erfolgter Korrektur als negativ erweist. Vgl. dazu Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 100–101. 842 Disziplinarausschuss DLV SpuRt 2002, 79 (81). 843 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 263. 844 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 264. 845 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 263. 840

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5. Korrekte Probenanalyse Der Beweiswert einer Dopingprobe bleibt ferner nur erhalten, sofern die vorgenommene Analyse nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht angezweifelt werden kann846. Etwaige Zweifel bestehen nicht, wenn: (1) die A- und B-Proben in das zuständige Analyselabor gelangen847, (2) sie sich in einem unversehrtem Zustand (chain of custody848) befinden und (3) das jeweilige Analyselabor anerkannte, validierte und publizierte Methoden nach den Regeln der wissenschaftlichen Kunst verwendet849. a) Analysezuständigkeit für die A-und B-Probe Die Analyse entnommener A- und B-Proben im Hinblick auf verbotene Substanzen, seiner Metaboliten oder Marker im Sinne von Art. 2.1 NADA-Code darf gemäß Art.  6.1 NADA-Code nur von durch die WADA akkreditierten Laboren vorgenommen werden, die diesbezüglich ein durch den International Standard for Laboratories geregeltes Qualitätsmanagement mit verschiedenen Probephasen durchlaufen müssen, in denen sie ihre Tauglichkeit für die Akkreditierung unter Beweis stellen850. Daraus ergibt sich, dass Positivbefunde von A- und B-Proben nicht akkreditierter Labore keine Verwendung in einem später folgenden Dopingsanktionsverfahren finden dürfen851. Dies entspricht einem Beweiserhebungsverbot in der Form eines Beweismittelverbots, wonach bestimmte Beweisergebnisse – hier das Analyseergebnis einer A- bzw. B-Probe eines nicht akkreditierten Labors – von vornherein von der Berücksichtigung in der Urteilsfindung für die jeweilige Verbandsentscheidung ausgeschlossen sind852, die Beweisführung aber grundsätzlich mit Analyseergebnissen akkreditierter Labore zulässig bleibt. Denn nur dadurch wird der Qualitätsstandard gewährleistet, um die aus einem Positivbefund folgende Vermutung eines schuldhaften Dopingverstoßes überhaupt aufstellen zu können853. Zudem ist nach Art. 5.2.4.3.2.2 des International Standard for 846

Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 265. Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1491. 848 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 265. 849 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 265. 850 Siehe dazu Art. 4.1–4.4 des „International Standard für Laboratories“ (ISL), abrufbar unter (Stand: 1.1.2015) http://www.nada.de/de/service-infos/downloads/regelwerke/#.VMowVi5sbIU. 851 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 265; Paul, in: Kühl/Tettinger/ Vieweg, Grenzwerte im Doping, S.  95. Allein schon im Interesse der jeweiligen Sanktionsbehörde und wegen der eindeutigen Vorgaben des WADA- bzw. NADA-Codes zur Analysezuständigkeit der akkreditierten Labore ist diese Konstellation eher theoretischer Natur. 852 Beulke, Rz. 455. 853 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1491. 847

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Laboratories (ISL) die Analyse der B-Probe in demselben Labor durchzuführen, in dem auch die A-Proben-Analyse erfolgt ist, was wiederum zu der Konsequenz führt, dass eine Gegenbeweisführung des Athleten überhaupt nur über die WADAakkreditierten Labore geführt werden kann. Dadurch ist der Athlet in der Auswahl eines Sachverständigen zur Erbringung des Gegenbeweises zumindest erheblich beschränkt854. aa) Möglichkeit einer C-Proben-Analyse Dies führt zu der Frage, ob ihm im Rahmen eines Dopingverstoßes nach Art. 2.1 NADA-Codes überhaupt der Gegenbeweis mittels einer Sachverständigenuntersuchung zur Verfügung steht, sofern der Athlet eine weitere Analyse von einem akkreditierten Labor durchführen lassen möchte. Diese Problematik wurde im Zusammenhang mit einem Beschluss des Disziplinarausschusses des DLV vom 12.6.2001 relevant. Dort hatte der betroffene Athlet unter anderem die Reste seiner Urinprobe, die Grundlage der A- und B-Probe gewesen ist, sowie eine eigenständig vorgenommene Blutprobe durch einen Arzt erneut analysieren lassen, nachdem besagte Proben Norandrosteron, dem Hauptmetaboliten der verbotenen Substanz Nandrolon, nachweislich enthielten. Beide Analysen sind jedoch im Verfahren vor dem Disziplinarausschuss nicht zugelassen worden, wobei die Ab­ lehnung auf allgemeine prozessuale Beweisführungsgrundsätze gestützt worden ist. Danach könne die wiederholte Einholung desselben Beweismittels zu einem identischen Beweisthema nach allgemeinen Regeln des Beweisverfahrens nicht verlangt werden, wenn irgendwelche zusätzlichen Tatsachen oder Indizien, die die vorangehende Beweisaufnahme entwerten oder relativieren können, nicht erkennbar seien855. Ein solches Beweismittel sei ferner auch ungeeignet, das positive Analyseergebnis zu entwerten, da die Blutprobenentnahme nicht unter Kontrolle des Verbandes vorgenommen worden wäre856. Schließlich würde auch die Gefahr bestehen, dass sich Tage nach der eigentlichen Kontrolle und der offiziellen Probenentnahme die Konzentration der aufgefundenen verbotenen Substanz unter die Nachweisgrenze abgebaut hätte. Damit erwies sich die vom Athleten selbst veranlasste Blutprobe als tatsächlich und rechtlich ausgeschlossenes Beweismittel, um den Aussagegehalt einer positiven A- und B-Probe zu widerlegen857. Daraus folgt, dass dem Athleten im Rahmen eines Verstoßes nach Art. 2.1 NADA-Code nicht die Möglichkeit zur Verfügung steht, das Ergebnis einer übereinstimmenden A- und B-Probe durch die Analyse einer später selbst entnommenen Blutprobe zu überprüfen. Ferner ist durch die Nichtzulassung der Analyse des Resturins im Ergebnis eine C-Proben-Analyse ausgeschlossen. 854

Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1495. Disziplinarausschuss DLV SpuRt 2002, 79 (82). 856 Disziplinarausschuss DLV SpuRt 2002, 79 (81/82). 857 Disziplinarausschuss DLV SpuRt 2002, 79 (82). 855

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Interessant ist an der diesbezüglichen Begründung des Disziplinarausschusses vor allem der vorgenommene Verweis auf allgemein anerkannte, verfahrensrechtliche Beweisführungsgrundsätze. Dadurch lässt sich eine Parallele zu den Beweisgrundsätzen der Strafprozessordnung aufzeigen. Denn dort ist einerseits hinsichtlich der Anhörung eines weiteren Sachverständigen ausnahmsweise die sonst verbotene Beweisantizipation nach § 244 Abs.  4 S.  2 StPO ausdrücklich zugelassen, wenn durch das frühere Gutachten bereits das Gegenteil der behaupteten Tatsache bewiesen ist858. Dies kann nun auch auf das Dopingsanktionsverfahren übertragen werden und bedeutet nichts anderes, als dass die durch einen Sach­ verständigen in das Verfahren eingebrachten, positiven A- und B-Proben bereits eindeutig den Dopingverstoß beweisen und das Gegenteil mittels einer C-Probe gerade dann nicht mehr bewiesen werden kann. Andererseits wird vom Disziplinarausschuss auch auf den Grundsatz der Ungeeignetheit verwiesen, wonach ein Beweismittel gemäß § 244 Abs. 3 S. 2 StPO zurückgewiesen werden kann, wenn das erkennende Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis davon ausgehen kann, dass sich mit einem solchen Beweismittel das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt859. Wiederum übertragen auf die Erbringung und Erhebung einer C-Probe im späteren Verfahren bedeutet dies, dass einer eigenständige Analyse durch nicht von der WADA-akkreditierten Labor­ stellen grundsätzlich kein ausreichender Beweiswert zugesprochen werden kann, da davon auszugehen ist, dass diese nicht nach den anerkannten wissenschaftlichen Methoden und nach den Vorschriften des International Standard for Laboratories die jeweilige Untersuchung durchführen können. Vor diesem Hintergrund muss der Frage nachgegangen werden, wie das Verbot einer C-Probe prozessual-rechtlich eingeordnet werden kann. Auf Grundlage des Verweises auf die angeführten Grundsätze der strafprozessualen Beweis­ führung kann es sich dabei ebenfalls um ein Beweismittelverbot als Unterfall eines Beweiserhebungsverbots handeln. Ein Beweismittelverbot ist anzunehmen, sofern die Verwendung bestimmter Beweismittel untersagt wird, die Aufklärung des Sachverhalts mit anderen Beweismitteln jedoch zulässig bleibt860. Wie aufgezeigt ist es dem betroffenen Sportler verwehrt, auf das Beweismittel „C-Probe“ zurückzugreifen, um den über die positive A- und B-Probe erbrachten Dopingnachweis für einen Verstoß im Sinne von Art. 2.1 NADA-Code zu widerlegen. Da dadurch der Dopingtatbestand objektiv bewiesen ist, könnte davon ausgegangen werden, dass weitere Beweismittel nicht mehr eingebracht werden dürfen. Dies könnte wiederum die Auffassung nahelegen, dass es sich hierbei nicht um ein Beweismittelverbot im Sinne der oben genannten Definition handelt. Jedoch würde dabei verkannt werden, dass es dem Sportler auf der Schuldebene – dem subjek 858

Beulke, Rz. 448. Beulke, Rz. 444. 860 Beulke, Rz. 455; Kindhäuser, § 21 Rz. 141; Kühne, Rz. 884–885. 859

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tiven Doping­tatbestand – weiterhin möglich ist, weitere Beweise zu seiner eigenen Entlastung wie beispielsweise das Vorliegen einer Fremdmanipulation durch einen Dritten einzubringen. Folglich stehen ihm weitere Beweismittel im Hinblick auf den gesamten Sachverhalt zur Verfügung, jedoch keine C-Probe. Daher handelt es sich hierbei um ein Beweismittelverbot. Die Statuierung eines solchen Beweiserhebungsverbots verdient somit Zustimmung. Der von Lehner dagegen angeführte Punkt, dass die Möglichkeit eine C-Probe eine umfangreiche und neutrale Überprüfungsmöglichkeit sicherstellen und die Athletenrechte besser wahren würde861, vermag daran nichts zu ändern. Denn die betroffenen Athleten sind nicht in dem Maße schutzlos gestellt, dass eine solche Vorgehensweise notwendig wäre. Sie können im späteren Dopingsanktionsverfahren beispielsweise durch die Hinzuziehung von eigenen Sachverständigen die A- und B-Proben-Analysen kritisch begutachten lassen862. Zudem kontrolliert sich die jeweilige Antidopingorganisation durch die Führung des Dopingnachweises im Sinne von Art.  2.1 NADA-Code mittels zweier Proben bereits selbst, um etwaige, fehlerbelastete Untersuchungen im Verlauf der A-Probe besser vermeiden zu können. Dies ist wegen des sich in der Regel anschließenden Dopingsanktionsverfahrens und den damit verbundenen Auswirkungen für den Sportler im Hinblick auf seine Karriere und der Ausübung seines Berufs auch unumgänglich. Jedoch werden beide Untersuchungen anhand ausführlich geregelter Standards sowie nach auf aktuellem Stand der Forschung befindlichen, wissenschaftlichen Methoden durchgeführt, um ausreichend Gewähr für die Richtigkeit des Ergebnisses sicherzustellen. Dies vermag zwar falsche Ergebnisse nicht gänzlich auszuschließen. Vielmehr wird regelmäßig gerade eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass ein zweimal begangener Untersuchungsfehler sich auch ein drittes Mal wiederholt. Daher könnte allenfalls Lehner dahingehend zugestimmt werden, die B-Proben-Untersuchung in einem anderen akkreditierten Labor durchführen zu lassen863, obwohl dies nicht den WADA-Regularien entsprechen würde. Doch würden weitergehende Untersuchungsmöglichkeiten der Proben zu schwer hinnehmbaren Verzögerungen des Dopingsanktionsverfahrens führen und erhebliche Gefahren für die Einheitlichkeit der Dopinganalyse begründen. bb) Zwischenergebnis zur Analysezuständigkeit Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass Analysen zum Zwecke der Feststellung eines Verstoßes gemäß Art. 2.1 NADA-Code nur durch ein und dasselbe akkreditierte Labor durchgeführt werden können864. Das Analyseergebnis 861

Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, 1560. Rössner, SpuRt 2009, 53 (55). 863 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, 1559; Rössner, SpuRt 2009, 53 (55). 864 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1493, 1559. Eine Ausnahme bildet jedoch das Analyseverfahren zum Nachweis des Dopingmittels Cera, ein EPO der dritten Ge 862

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hinsichtlich einer A- bzw. B-Probe eines nicht akkreditierten Labors unterliegt einem Beweisverwertungsgebot865. Es gibt zudem keinen Anspruch auf die Beibringung einer C-Probe; selbst wenn diese von einem akkreditierten Labor durchgeführt werden sollte. Eine solche C-Probe-Analyse unterliegt einem Beweiserhebungsverbot und stellt daher ein rechtlich ausgeschlossenes Beweismittel dar. Schließlich lässt sich festhalten, dass die bekannten strafrechtlichen Regeln über die Unzulässigkeit866 von Beweisanträgen auch im Dopingsanktions- und damit auch im Verbandsverfahren Anwendung finden. Dieses Ergebnis vermag nicht zu überraschen. Denn einerseits verweisen die Verfahrensordnungen der Sportfachverbände teilweise auf die Vorschriften der ZPO, wo jene zwar nicht ausdrücklich geregelt ist, jedoch die bekannten Vorschriften der StPO Anwendung finden867. Andererseits zeigen gerade auch die zivilprozessualen Verweise, dass im Zusammenhang mit der Unzulässigkeit von Beweisanträgen von der Allgemeingültigkeit der bestehenden Regeln für sämtliche Verfahrensarten ausgegangen werden kann, die eine Beweiserhebung erfordern. Dafür sprechen vor allem auch der Gedanke der Rechtssicherheit sowie der Umstand, dass die Schaffung weiterer Unzulässigkeitsregeln sich in praktischer Hinsicht als schwierig erweisen würde. b) Unversehrtheit der Proben Nach Erhalt der Proben und des dazugehörigen Dopingkontrollformulars gilt es, diese gemäß Art. 5.2.1.2, 6.2.1.2 ISL auf ihre Unversehrtheit zu überprüfen. Diese ist in der Regel nicht mehr gewährleistet, sofern beispielsweise zerbrochene oder verunreinigte Probenbehälter sowie beschädigte Siegel an den Behältern vorhanden sind, eine nicht sachgerechte Lagerung der Proben stattgefunden hat oder A- und B-Probe miteinander vertauscht worden sind868. Ferner muss gemäß Art. 5.2.2.1, 6.2.2.1 ISL überprüft werden, ob die Code-Nummern der Proben mit den auf dem Dopingkontrollformular angegebenen übereinstimmen, um die Identität der Proben annehmen zu können. Maßgebende Bedeutung für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Verfahrensverstoßes ist dabei der anhand den Konneration. Diesbezüglich wird nach einer internen Positivanalyse eines WADA-akkreditierten Labors noch eine Plausibilitätsmeinung eines anderen akkreditierten Labors eingeholt, bevor offiziell eine positive A-Probe bekannt gegeben wird. Siehe dazu Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1498. Zum EPO-Analyseverfahren und dessen Analoga siehe das Technical Document TD2014EPO der WADA, abrufbar unter https://wada-main-prod.s3. amazonaws.com/resources/files/WADA-TD2014EPO-v1-Harmonization-of-Analysis-andReporting-of-ESAs-by-Electrophoretic-Techniques-EN.pdf. 865 Im Ergebnis zustimmend Rössner, SpuRt 2009, 53 (56), der jedoch in dieser Konstellation von der Nichtigkeit der A-Probe ausgeht. A. A. mit Verweis auf die Waffengleichheit zwischen Sportler und Anti-Doping-Organisation Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1496. 866 Siehe oben, S. 53–54. 867 Siehe oben, S. 53. 868 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 266; Art. 5.2.2.3, 6.2.2.3 ISL.

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trollprotokollen zu entnehmenden „chain of custody“, den jeweiligen Aussagen der Dopingkontrollpersonen und der betroffenen Sportler sowie tatsächlichen Anhaltspunkten wie beispielsweise zerstörte Verschlüsse oder unsachgemäße Verpackungen beizumessen869. Festgestellte Unregelmäßigkeiten sind nach Maßgabe des Art. 5.2.2.3, 5.2.2.4 ISL umgehend zu vermerken und der zuständigen AntiDoping-Organisation mitzuteilen, mit der das weitere Vorgehen abgesprochen wird. Sofern keine Unregelmäßigkeiten vom zuständigen Analyselabor festgestellt worden sind, beginnt das eigentliche Analyseverfahren. c) Durchführung der Analyse Für die konkrete Durchführung der Analyse ist zweierlei zu beachten: es muss eine validierte Analysemethode verwendet und eine A-Proben-Analyse durchgeführt werden. Gegebenenfalls ist anschließend eine B-Proben-Analyse zu vollziehen870. aa) Zugelassene Analysemethoden Grundsätzlich sind Analysen nur mit abgesicherten und dokumentierten Analysemethoden auszuführen, wobei die geforderte Absicherung durch Vorgaben des International Standards for Laboratories erreicht wird, der auf Grundlage allgemeinwissenschaftlicher Qualitätsnormen Kontrollmechanismen aufstellt, an die sich die Dopingkontrolllabore zu halten haben871. Neue Analysemethoden können daher nur herangezogen werden, sofern zuvor eine ausdrückliche Erlaubnis der WADA in der Form eines Technischen Dokuments ergangen ist872. Eine nachträgliche Genehmigung ist demnach ausgeschlossen. Falls also eine verbotene Substanz mittels eines nicht genehmigten Analyseverfahrens eines akkreditierten Labors gefunden wird, darf diese positive Probegewinnung in einem späteren Dopingsanktionsverfahren nicht als Grundlage einer Dopingsanktion herangezogen werden. Demzufolge unterliegt das mittels einer nicht zuvor genehmigten Analysemethode gewonnene Analyseergebnis eines akkreditierten Labors im Dopingsanktionsverfahren einem Beweisverwertungsverbot873.

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Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2004, 35 (36). Siehe zur Durchführung der B-Proben-Analyse unten, S. 171–174. 871 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1501; Art. 5.4.4.2 ISL. 872 Es handelt sich dabei um die so genannte „Fit-for-purpose“ – Erklärung. Vgl. dazu Ziffer 4.4.10 des „International Standards for Laboratories“; Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1503, 1506. 873 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1505. 870

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bb) Die A-Proben-Analyse Den Athleten trifft im Rahmen der A-Proben-Analyse keine Mitwirkungspflicht dergestalt, dass diese nur unter seiner Anwesenheit zu erfolgen hat. Vielmehr wird die Analyse anonym durchgeführt, wobei die wesentlichen Kontrollpunkte für die spätere Nachvollziehbarkeit und eine etwaige Beweisführung zu dokumentieren sind874. (1) A-Proben-Analyse einer Urinprobe Die Analyse einer Urinprobe beginnt nach Art. 5.2.4.2 ISL mit einem „Screening-Verfahren“, mit denen diejenigen Proben identifiziert werden, die eine verbotene Substanz enthalten, ohne diese jedoch konkret zu bestimmen. Hierbei können mittels verschiedener Prozeduren mit hochinformativen, komplizierten Analysegeräten hunderte verschiedene Dopingstoffe erfasst werden875. Ergibt sich im Rahmen dieser Testmethode eine verdächtige Probe876, erfolgt gemäß Art. 5.2.4.3.1 ISL die eigentliche A-Proben-Analyse. Im Wege einer Gaschromatographie- und Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie877 wird dann die verbotene Substanz genau festgestellt. Hilfsweise werden Immunoassays bzw. immunoanalytische Verfahren878 durchgeführt, mit denen Anti-Körper erkannt werden, die sich typischerweise bei der Einnahme bestimmter Substanzen bilden und die insbesondere für den Nachweis von Peptidhormonen verwendet werden879. Durch die exakte Identifizierung des verbotenen Wirkstoffes im Wege der A-Proben-Analyse bildet diese die Grundvoraussetzung für die Einleitung eines Dopingsanktionsverfahrens im Hinblick auf einen Dopingverstoß nach Art. 2.1. NADA-Code880. Zudem würde ohne selbige auch keine B-Proben-Analyse durchgeführt werden, die ebenfalls grundlegende Bedingung für den Nachweis eines Dopingverstoßes im Sinne von Art. 2.1. NADA-Code ist881. Bezüglich solcher Substanzen, die erst ab einer bestimmten Grenzwertüberschreitung zu den verbotenen Substanzen gezählt werden, gilt es nach Maßgabe des Art. 5.2.4.3.1.6 ISL die A-Probe – sofern möglich – in drei Teilproben882 aufzuteilen und nachzuweisen, dass in diesen jeweils

874 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1536, 1541. Dies wird als „interne chain of custody“ bezeichnet. 875 Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 95. 876 Dies wird als „presumptive analytical finding“ bezeichnet. 877 Siehe Art. 5.2.4.3.1.2 ISL. 878 Siehe Art. 5.2.4.3.1.3 ISL. Als Immunoassays werden Methoden der Bioanalytik bezeichnet, mit denen Antigene oder Antikörper bestimmt werden können. 879 Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 96. 880 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1529. 881 Rössner, SpuRt 2009, 53 (54). 882 Eine solche Teilprobe wird in diesem Zusammenhang als Aliquot bezeichnet. Siehe dazu auch die Definition in Art. 3.2 ISL.

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eine Konzentration enthalten ist, die den Grenzwert überschreitet883. Bei komplizierten oder noch nicht gänzlich verfestigten Analyseverfahren kann ein positives A-Proben-Ergebnis erst endgültig offiziell festgestellt werden, sofern es von einem anderen WADA-akkreditierten Labor bestätigt wird884. (2) A-Proben-Analyse einer Blutprobe Ebenso wie bei einer Urinprobe erfolgt bei der Blutprobenanalyse gemäß Art.  6.2.4.1 ISL ein Eingangstestverfahren, mit dem abstrakt bestimmt werden soll, ob in der Blutprobe eine verbotene Substanz enthalten ist. Sodann werden über die Anwendung von Assay-Verfahren885 Antikörper identifiziert, die sich typischerweise bei bestimmten verbotenen Wirkstoffen bilden oder als Nachweis für damit zusammenhängende, veränderte Zellstrukturen herangezogen werden, mit denen wiederum auf die verbotenen Substanzen geschlossen werden kann886. Für grenzwertabhängige Substanzen wird über die Bildung von Aliquoten die genaue Konzentration bestimmt887. (3) Auswertung der A-Proben-Analyse Sofern es sich zuvor um eine von der NADA durchgeführte Dopingkontrolle gehandelt hat, teilt diese das positive Analyseergebnis und die Identität des betroffenen Sportlers gemäß Art. 7.2.2.1 NADA-Code der zuständigen Anti-Doping-Organisation des nationalen Sportfachverbandes mit, dem der Sportler angehört. Dies erfolgt auch im umgekehrten Fall durch die zuständige Anti-Doping-Organisation an die NADA. Dieser Informationsweitergabe geht in beiden Konstellationen eine erste Überprüfung voraus: Es wird nach Art. 7.2.1.1 bzw. Art. 7.2.1.2 NADA-Code innerhalb von sieben Tagen überprüft, ob das von der Norm abweichende Analyseergebnis auf einer gültigen therapeutischen bzw. medizinischen Ausnahmegenehmigung nach dem Internationalen Standard für Ausnahmegenehmigungen zur therapeutischen Anwendung bzw. für Medizinische Ausnahmegenehmigungen zurückgeführt werden kann oder ob offensichtlich ein deutliche Abweichung von den internationalen Prüfstandards vorliegt, welcher die Richtigkeit des Analyseergebnisses in Frage stellt888.

883

Siehe zum Nachweis endogener Stoffe über Grenzwerte unten, S. 197–200. Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10.  Kapitel, Rz.  1542. Siehe beispielsweise Art.  5.1 TD2013EPO. 885 Art. 6.2.4.2.1.2 ISL 886 Art. 6.2.4.2.1.3 ISL. 887 Art. 6.2.4.2.1.6 ISL. 888 Lambertz/Longrée, SpuRt 2012, 143 (143). 884

B. Beweissicherung im Dopingverfahren

171

Im Falle einer diesbezüglich negativen Feststellung wird anschließend dem betroffenen Sportler das Ergebnis der positiven A-Probe mitsamt der dadurch verletzten Anti-Doping-Bestimmung mitgeteilt und dabei die interne Labordokumentation über die Analyse und die Einhaltung der internen „chain of custody“ zur Verfügung gestellt889. Nach Art. 7.8.1 NADA-Code erfolgt sodann zwangsläufig eine vorläufige Suspendierung für alle gegenwärtigen und zukünftigen Wettkampfveranstaltungen, sofern es sich bei der die Normabweichung verursachenden Substanz nicht um eine „Spezifische Substanz“890 handelt, die Möglichkeit einer vorläufigen Anhörung gegeben worden ist bzw. unverzüglich nach der Suspendierung gegeben werden soll und die wesentlichen Verfahrensgrundsätze des Art. 12.2.2 NADA-Code eingehalten werden. Hierbei bildet die positive A-Probe eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit im Sinne eines dringenden Tatverdachts891 für einen schuldhaft begangenen Dopingverstoß892. Bei einer „Spezifischen Substanz“ kann hingegen eine vorläufige Suspendierung unter Wahrung derselben Verfahrensgrundsätze ausgesprochen werden, muss jedoch nicht893. Zugleich wird der betroffene Athlet über sein Recht belehrt, die B-Proben-Analyse beantragen zu können894 und dass ihm in diesem Fall zuzusprechen ist, zum Zeitpunkt der Öffnung anwesend zu sein bzw. sich durch eine Bevollmächtigten vertreten zu lassen895. cc) Die B-Proben-Analyse Die B-Probe ist nur bei Vorliegen eines positiven Analyseergebnisses in Betracht zu ziehen. Andernfalls fehlt es an einem entsprechenden Anfangsverdacht hinsichtlich eines Verstoßes gegen Art. 2.1 NADA-Code, welcher dann auch nicht über eine positive B-Probe begründet werden kann896. Im Falle einer positiven A-Proben-Analyse beginnt mit der B-Proben-Analyse gemäß Art. 8.1 NADA-Code die eigentliche aktive Mitwirkung des Athleten im Dopingverfahren; sie unterliegt dem Grunde nach seiner alleinigen Verfügungsherrschaft897 und ist als dessen we 889 Es handelt sich dabei um das so genannte „documentation package“; vgl. Art.  7.2.2.2 NADA-Code. Siehe auch Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1533, 1543, 1569. 890 Als „spezifische Substanzen“ gelten alle Substanzen mit Ausnahme derjenigen, die in den Klassen S1, S2, S4.4, S4.5 und S6 aufgeführt sind. Siehe dazu die Verbotsliste 2015 des WADA-Codes vom 1.1 2015. Abrufbar unter http://www.nada.de/de/service-infos/downloads/ listen/#.VMpEYC5sbIU. 891 Beulke, Rz. 210. 892 Adolphsen, SpuRt 2000, 97 (98); Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 302–303. 893 Vgl. Art. 7.8.2 NADA-Code 2015 n. F. 894 Für diesen Fall werden zugleich der für die B-Proben-Öffnung in Frage kommende Tag, die Uhrzeit und der Ort festgelegt. Siehe Art. 7.2.2.2 (c), (d) NADA-Code. 895 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1569; vgl. Art. 7.2.2.2 (e) NADA-Code. 896 Rössner, Spurt 2009, 53 (55). 897 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1546, 1548. Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz bildet die so genannte Nachkontrolle. Darunter ist die erneute Untersuchung solcher Proben zu verstehen, die bereits mit einem negativen Analyseergebnis versehen worden sind.

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sentliches Verteidigungsrecht anzusehen898. Ihm ist es sodann überlassen, die Öffnung der B-Probe und deren Analyse innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt der Mitteilung gemäß Art. 8.1.1, 8.1.3 NADA-Code n. F. zu beantragen oder darauf zu verzichten899. Ein Verzicht ist dabei einer verspäteten Antragsstellung auf Öffnung gleichgestellt900. Jedoch sollte bei dieser Entscheidung folgender Gesichtspunkt nicht unberücksichtigt bleiben: Sofern die A-Proben-Analyse fehlerhaft erfolgt ist und dies aus der dem Athleten zur Verfügung gestellten Labor­dokumentation hervorgeht, sollte auf die Einleitung des B-Proben-Analyse-Verfahrens im Hinblick auf eine aus der Sicht des betroffenen Sportlers erfolgreiche Verfahrensführung verzichtet werden. Denn in diesem Fall steht mit dem einzig zur Verfügung stehenden Beweismittel – der fehlerhaften positiven A-Probe – keine ausreichende Nachweisgrundlage zur Verfügung, um rechtmäßig eine Sanktion wegen eines Verstoßes gegen Art. 2.1 NADA-Code verhängen zu können. Folglich bestünde in dieser Situation die Gefahr, dass mit der B-Proben-Analyse vorangegangene Fehler der A-Proben-Analyse geheilt werden würden901, sofern es erneut zu einem Positiv­ befund kommt und dabei sämtliche Analyseregularien eingehalten werden. Im Falle eines Verzichts wird nach Art. 8.1.2 NADA-Code unwiderleglich vermutet, dass die B-Proben-Analyse das Ergebnis der A-Proben-Analyse bestätigt hätte, so dass die positive A-Probe die alleinige Grundlage des späteren Dopingsanktionsverfahrens darstellt902. Mit ihrer Beantragung verdrängt diese die A-Probe indes in zweierlei Hinsicht: Bei einem gegenteiligen, das heisst negativen Ergebnis ist der gesamte Dopingtest als negativ zu bewerten903 und die A-Probe Eine Nachkontrolle kann auch zur Anwendung kommen, wenn es um das Vorhandensein neuer, zuvor noch nicht bekannter Substanzen geht (vgl. hierzu Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1478). Gemäß Art. 8 WADA-Code n. F. in Verbindung mit Ziff. 5.2.2.12.1.2 des „International Standard for Laboratories“ wird im Rahmen der Nachkontrolle durch einen Antrag der Anti-Doping-Organisation auf die B-Probe zurückgegriffen, sofern zuvor die A-Probe vollständig verbraucht worden ist. Folglich liegt in dieser Konstellation die Verfügungsgewalt über die B-Probe bei der Anti-Doping-Organisation und nicht bei dem betroffenen Athleten. Jedoch wird diese Probe erneut in eine A- und B-Probe aufgeteilt, wobei Letztere dann wieder der alleinigen Verfügung des Athleten unterliegt und somit der eigentliche Grundsatz wieder gewahrt wird. Die zweite Ausnahme ergibt sich über Art. 8.3.1 WADA-Code n. F., wonach die Anti-Doping-Organisation vor Abschluss der A-Proben-Untersuchung eine B-Proben-Untersuchung ohne Benachrichtigung des Athleten vornehmen kann; jedoch nur, wenn es sich um auffällige, nicht positive A-Proben-Ergebnisse handelt und die B-Probe weiteren Aufschluss über die Auffälligkeiten liefern soll. 898 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 267; Lambertz/Longrée, SpuRt 2012, 143 (146). 899 Vgl. Art. 8.1.2 NADA-Code. 900 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1546. 901 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1545. 902 Rössner, Spurt 2009, 53 (54); Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1546. Es steht jedoch nach dem Kommentar zu Art. 2.1.2 NADA-Code im Ermessen der zuständigen Anti-Doping-Kommission, ob sie trotz des Verzichts die B-Proben-Analyse durchführen lassen möchte. 903 Siehe Art. 8.6 NADA-Code.

B. Beweissicherung im Dopingverfahren

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verliert ihre beweistechnische Relevanz. Eine zuvor erfolgte Suspendierung ist gemäß Art. 7.8.3 NADA-Code n. F. aufzuheben. Sofern wiederum die B-ProbenAnalyse das Ergebnis der A-Probe bestätigt, ist sie der verbindliche Letztbeweis des Dopingverstoßes904. Der A-Probe ist dann im Ergebnis nur eine bedingte Beweiskraft zuzusprechen905. Bei exogenen Substanzen906 wird die Bestätigung gemäß Art.  5.2.4.3.2.4, 6.2.4.2.2.4 ISL durch das erneute Auffinden des jeweiligen Stoffes erzielt, in Zusammenhang mit endogenen Wirkstoffen wird dies nach Art. 5.2.4.3.2.5, 6.2.4.2.2.5 ISL erreicht, sofern in der B-Probe ebenfalls eine Konzentration enthalten ist, die den festgelegten Grenzwert überschreitet907. Die B-Proben-Analyse ist gemäß Art. 5.2.4.3.2.2, 6.2.4.2.2.2 ISL in demjenigen Labor durchzuführen, welches zuvor die A-Proben-Analyse durchgeführt hat; dabei sind die gleichen analytischen Methoden und Regularien wie zuvor bei der A-Proben-Analyse zu verwenden908. Ein Vorteil dieser Regelung liegt auf der Hand: Vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen an Versiegelung, Aufbewahrung und Transport ist eine Überführung in ein anderes akkreditiertes Labor stets mit dem Risiko verbunden, dass die Probe Schaden nehmen könnte909. Jedoch besteht andererseits auch die Gefahr, dass bei der A-Proben-Analyse verwirklichte Fehler wiederholt werden, denn die zweite Untersuchung wird in der Regel vom gleichen Laborpersonal und mit den gleichen Geräten durchgeführt910. Der Athlet und sein Stellvertreter sowie die NADA, die zuständige Anti-Doping-Organisation und gegebenenfalls noch ein Übersetzer haben nach Art.  8.2 NADA-Code das Recht, bei der Analyse der B-Probe anwesend zu sein911. Das Anwesenheitsrecht des Sportlers sowie die im Rahmen des Ergebnismanagements zur positiven A-Probe erfolgte Belehrung verdeutlichen, dass es sich bei der Durchführung der B-Probe um einen wesentlichen Verfahrensvorgang handelt. Daher stellt ein Verstoß gegen das Anwesenheitsrecht einen absoluten Verfahrens-

904 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1546, 1547; Rössner, Spurt 2009, 53 (55). 905 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1547. 906 Siehe zum Begriff „exogener Substanzen“ unten, S. 196. 907 Siehe zum Nachweis endogener Stoffe über Grenzwerte unten, S. 197–200. 908 A. A. Lehner Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1559, der trotz der ausdrücklichen Regelung der jeweiligen Anti-Doping-Organisation auferlegt, einen entsprechen Antrag des Athleten auf Durchführung der Analyse in einem anderen (akkreditierten) Labor zuzulassen. Ausnahmen zur Pflicht, die B-Proben-Analyse mit den gleichen wissenschaftlichen Methoden durchzuführen, existieren insbesondere im Rahmen des Epo-Nachweisverfahrens. Siehe dazu TD2013EPO der WADA, S. 14. 909 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1559. 910 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1559, 1562, 1564. Lehner sieht jedoch vor allem die Gegenbeweis- und Kontrollfunktion der B-Probe gefährdet, wenn die gleichen (im fehlertechnischen Sinne befangenen) Labormitarbeiter erneut die Probe analysieren. Siehe hierzu auch Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1494. So auch Lambertz/Longrée, SpuRt 2012, 143 (145), die darin einen Mangel an Objektivität im Analyseverfahren sehen. 911 Siehe auch Art. 5.2.4.3.2.6, 6.2.4.2.2.6 ISL.

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fehler dar, der im Verfahren nicht mehr geheilt werden kann912. Denn dadurch wird das Ergebnis der B-Proben-Analyse ungültig, so dass die Resultate der A-ProbenAnalyse nicht mehr wirksam bestätigt werden können. Mithin fehlt es am Nachweis für einen Verstoß gegen Art. 2.1 NADA-Code913. dd) Auswertung der B-Proben-Analyse Sofern die B-Proben-Analyse das Ergebnis der A-Probe bestätigt und jenes auch gemäß Art. 5.2.5.1.1 ISL von mindestens zwei unabhängigen, wissenschaftlichen Experten verifiziert wird, liegt nach Art. 2.1.2 NADA-Code ein ausreichender Nachweis für einen Verstoß gegen Art.  2.1 NADA-Code vor. Es erfolgt sodann im Rahmen des Ergebnismanagements eine Benachrichtigung des Athleten gemäß Art. 8.5 NADA-Code durch die zuständige Anti-Doping-Organisation, die sogleich gemäß Art. 12.1.1 NADA-Code ein Dopingsanktionsverfahren beim zuständigen Disziplinarorgan – in der Regel das Deutsche Sportschiedsgericht914 – einleitet. Zwar liegt dieser Einleitungsschritt auf Grund seiner Rolle als die für das nationale Dopingverfahren in der Regel zuständige Anti-Doping-Organisation im Herrschaftsbereich des nationalen Fachverbandes. Jedoch besitzt die NADA im Falle einer Untätigkeit des nationalen Sportfachverbandes innerhalb von zwei Monaten nach Kenntniserlangung über das von der Norm abweichenden Analyseergebnis gemäß Art. 12.1.2 NADA-Code ein Eintrittsrecht dergestalt, dass sie eigenständig ein Disziplinarverfahren beim Deutschen Sportschiedsgericht einleiten kann. Sofern die NADA die Zuständigkeit als Anti-Doping-Organisation besitzt, leitet sie selbst das Verfahren vor dem Deutschen Sportschiedsgericht ein. 6. Nachweis von Verstößen gegen beweisrelevante Verfahrensvorschriften Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen obliegt dem Sportfachverband als „Antragssteller“ im Dopingsanktionsverfahren die Beweislast nachzuweisen, dass bei der Probenentnahme und der Probenuntersuchung die Verfahrensregeln eingehalten worden sind915. Jedoch gilt im Zusammenhang mit Verfahrensverstößen eine so genannte „anti-technical-clause“, wonach Abweichungen von den Verfahrensregeln im Hinblick auf das Dopingkontrollverfahren zunächst unerheblich bleiben, solange sie keine Zweifel an der Richtigkeit des Analyseergebnisses hervorrufen können. Substantiiert vom Sportler beigebrachte, tatsächliche Anhalts 912

DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 74 (76); CAS SpuRt 2011, 115 (116). CAS SpuRt 2011, 115 (117). 914 Es kann sich jedoch auch um ein anderes Schiedsgericht oder ein Verbandsorgan handeln. Siehe auch Art. 12.1.3 NADA-Code. 915 Pfister, SpuRt 2008, 1 (3). 913

B. Beweissicherung im Dopingverfahren

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punkte für einen Verfahrensverstoß916 führen demnach nicht zwangsläufig zur Unbrauchbarkeit der Proben, sondern es muss einzelfallabhängig die verfahrensrechtliche Relevanz der Regelverletzung geprüft werden917. Eine solche ist wiederum nur dann anzunehmen, wenn der festgestellte Verfahrensverstoß geeignet ist, ernsthafte Zweifel am positiven Analyseergebnis oder an sonstigen den Tatverdacht stützenden Beweismitteln zu begründen918. Dies muss jedoch vom Athleten nicht mehr bewiesen werden, sondern es wird in einem solchen Fall eine Beweislastumkehr zu Lasten der Sanktionsbehörde statuiert. Gemäß Art.  3.2.3 NADACode muss diese bei Verstößen gegen die „chain of custody“ den Nachweis erbringen, dass sich der festgestellte Fehler nicht auf das Analyseergebnis ausgewirkt hat919. Gelingt dies, können die positiven Probeergebnisse im späteren Sanktionsverfahren verwendet werden. Der Vorteil einer solchen Regelung liegt vor allem darin, dass nicht allein auf Grund des Vorliegens eines Verfahrensverstoßes automatisch der Beweiswert der Dopingprobe zerstört wird und im Falle einer erfolgreichen Beweisführung durch die Anti-Doping-Organisation die notwendige Sicherheit gegeben ist, dass die in rechtlicher Hinsicht notwendige verfahrensrechtliche Stellung des betroffenen Athleten gewährleistet worden ist. Für etwaige Verstöße gegen Vorgaben des „International Standard for Labora­ tories“ innerhalb des Analyseverfahrens gilt das zur Unversehrtheit der Proben festgestellte Ergebnis gemäß Art.  3.2.2 NADA-Code entsprechend: Es wird zunächst vermutet, dass die entsprechenden Vorgaben eingehalten worden sind. Gelingt es dem betroffenen Athleten, auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte eine gleich hohe Wahrscheinlichkeit für eine Abweichung vom ISL darzulegen, die das positive Analyseergebnis verursacht haben kann, erfolgt eine Beweislastumkehr zu Lasten des Sportfachverbandes920. Dieser muss nun den Beweis antreten, dass sich der Verfahrensverstoß nicht auf das Analyseergebnis ausgewirkt hat921. Im Ergebnis führt diese Handhabung zur Statuierung eines relativen Beweisverwertungsverbotes. Denn ein solches liegt vor, sofern die Beweiserbringung nur auf Grund bestimmter Vorbedingungen erlaubt ist922. Dadurch, dass einerseits der Sportler ernsthafte Zweifel auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte aufzeigen und der Sportfachverband sodann darlegen muss, dass sich die Unregelmäßigkeiten nicht auf das Analyseergebnis ausgewirkt haben, werden die Bedingungen aufgestellt, bei deren Vorliegen der Beweiswert einer Probe erhalten bleibt. Im um-

916

Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2004, 35 (36). Pfister, SpuRt 2008, 1 (3). 918 Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2004, 35 (36). 919 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1536. Dies wird nur für die erwähnten nicht beweisrelevanten Verfahrensbestimmungen unzweifelhaft angenommen werden können. Siehe oben, S. 162. 920 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1526–1527. 921 Siehe auch die Kommentierung zu Art. 3.2.2 NADA-Code. 922 Kühne, Rz. 907.2. 917

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

gekehrten Fall kann hingegen nicht auf die Analyse für den Nachweis eines Dopingverstoßes zurückgegriffen werden. Demnach liegt in dieser Konstellation ein relatives Beweisverwertungsverbot vor. Es muss jedoch hinterfragt werden, ob ein solches Vorgehen im rechtlichen Sinne vollkommen zu überzeugen vermag. Selbstredend sollte nicht jede Abweichung dazu führen, dass der Hauptbeweis – die jeweiligen Proben – nicht mehr verwendet werden können und damit unter Umständen bei Fehlen weiterer Beweise das gesamte Dopingverfahren lahm gelegt wird. Dies hätte zur Folge, dass der verfolgte Zweck einer erfolgreichen Doping-Bekämpfung zur politischen und juristischen Farce werden und eine effektive und praktikable Dopingbekämpfung erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt sein würde923. Jedoch darf diese Zielsetzung nicht dazu verleiten, sich über jede juristische Hürde hinwegzusetzen. Zwar werden aufgebrochene Siegel und nicht unversehrte Proben regelmäßig dazu führen, dass der Sportfachverband Zweifel an der Integrität und Identität nicht mehr beseitigen können wird. Jedoch erweist sich dies als noch nicht weitgehend genug. Denn die gleichen umfangreichen Anforderungen und Mitwirkungspflichten, denen sich ein Athlet ausgesetzt sieht, müssen umgekehrt auch für die nachweisverpflichteten Anti-Doping-Behörden gelten. Nur so erlangt das Schlagwort der Waffengleichheit zwischen dem Athleten und dem sanktionierenden Sportfachverband überhaupt erst ansatzweise eine Gewichtung, die besagtem Wort immanent ist. Bedeutsame Verfahrensvorschriften wie die Versiegelung und Unversehrtheit der Proben bzw. der Chargen sind von absoluter und existentieller Bedeutung für das Dopingverfahren als solches, aber auch für dessen Übereinstimmung mit der materiellen Wahrheit, so dass der Verweis auf eine Einzelfallprüfung nicht ausreichend erscheint. Vielmehr sollte hier die Möglichkeit eines absoluten Beweisverwertungsverbots ins Auge gefasst werden; auch wenn sich diese Überlegung durch den Verweis auf die bekannte strafrechtliche Argumentation im Zusammenhang mit der „fruit of the poisonous tree doctrine“924 und der dadurch möglicherweise bestehenden Gefahr der Lahmlegung des Dopingsanktionsverfahrens wohl einigen Bedenken ausgesetzt sehen würde. Denn auch hier könnte auf den Umstand verwiesen werden, dass ein sich beispielsweise im Labor während der A-ProbenAnalyse ereigneter Fehler nicht das gesamte Dopingsanktionsverfahren blockieren darf. Jedoch verweist diese strafrechtliche Auffassung stets auf den Umstand, dass sich wohl nie hätte feststellen lassen können, ob die ermittelnden Behörden nicht auch ohne den Verfahrensverstoß weitere Beweismittel gefunden hätten925. Dies lässt sich indes nicht auf das Dopingsanktionsverfahren übertragen. Dort stellt die Probenanalyse zweifellos das einzige Beweismittel für den Nachweis eines Dopingverstoßes nach Art.  2.1 NADA-Code dar. Gerade dieser Umstand und zugleich bedeutsamer Unterschied zur strafrechtlichen Argumentationslinie hebt den

923

Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2004, 35 (37). Beulke, Rz. 482. 925 Beulke, Rz. 482. 924

B. Beweissicherung im Dopingverfahren

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besonderen Stellenwert der Probenanalyse hervor und rechtfertigt die Forderung nach einem absoluten Beweisverwertungsverbot bei Verstößen gegen beweisrelevante Verfahrensvorschriften. II. Fazit zu den Grundsätzen und der Beweissicherung im Dopingsanktionsverfahren 1. Die Sanktionierung von Dopingverstößen wird im Wesentlichen von den bekannten rechtsstaatlichen Grundsätzen der hinreichenden Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit beherrscht. 2. Daneben können strafrechtliche Verfahrensprinzipien Anwendung finden. Dies setzt unter Berücksichtigung einer „formellen Subsidiarität“ allerdings voraus, dass eine grundrechtliche Gefährdungslage vorliegt und keine andersartigen Schutzmechanismen zur Verfügung stehen. 3. Das „klassische Dopingsanktionsverfahren“ basiert auf einer positiven A- und B-Proben-Analyse. 4. Diese können nur die Grundlage einer späteren Sanktionierung darstellen, sofern die beweiserheblichen Verfahrensvorschriften der Probengewinnung und ihrer Analyse eingehalten werden. 5. Die dabei notwendige Mitwirkung des betroffenen Sportlers verletzt nicht dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht hinsichtlich des Schutzes vor Selbstbezichtigungen gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1. Abs. 1 GG. 6. Wesentliche Auswirkungen auf den Beweiswert einer Dopingprobe haben beschädigte Versiegelungen und nicht mehr unversehrte Proben, das Verwenden einer nicht genehmigten Analysemethode, eine fehlende Akkreditierung der Kontrollpersonen oder des Analyselabors sowie ein Verstoß gegen das Anwesenheitsrecht eines Athleten bei der B-Proben-Analyse. 7. Eine C-Proben-Analyse sowie die Durchführung der A- und B-Proben-Analyse in einem nicht akkreditierten Labor unterliegen einem Beweiserhebungsverbot in der Form eines Beweismittelverbotes. 8. Die Verwendung einer „anti-technical-clause“ führt in der Sportgerichtspraxis zur Statuierung eines relativen Beweisverwertungsverbotes, doch ist wegen der besonderen Bedeutung der Proben im Hinblick auf den Dopingnachweis im Sinne von Art. 2.1 NADA-Code und des Grundsatzes der Waffengleichheit vielmehr die Annahme eines absoluten Beweisverwertungsverbotes bei Verstößen gegen beweisrelevante Verfahrensvorschriften notwendig.

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

C. Einleitung des Dopingsanktionsverfahrens Der Umgang mit dem Analyseergebnis – das Ergebnismanagement – markiert den Abschluss des Dopinganalyseverfahrens und den Übergang in das eigentliche Dopingsanktionsverfahren926. Dessen Hauptgegenstand bildet das Disziplinarverfahren, welches gemäß Art. 12.1.1 NADA-Code von der jeweiligen Antidopingorganisation des nationalen Fachverbands zwei Monate nach Kenntniserlangung über das von der Norm abweichenden Analyseergebnis einzuleiten ist und eine endgültige Entscheidungsfindung hinsichtlich einer etwaigen Sanktion wegen des Vorliegens eines Dopingverstoßes nach Art. 2.1 NADA-Code herbeiführt927. Wesentliches Merkmal dieses Verfahrens ist die mündliche Verhandlung („hearing“). Neben der nach Art. 12.2.1 NADA-Code geltenden Verfahrensordnung des Deutschen Sportschiedsgerichts werden im Hinblick auf die Anhörung des betroffenen Athleten gemäß Art.  12.2.2 NADA-Code wesentliche Verfahrensprinzipien wie das Vorhandensein eines fairen und unparteilichen Anhörungsorgans, das Recht zur rechtzeitigen und angemessenen Informationsweitergabe über den behaupteten Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen, das Recht zur eigenen Stellungnahme, das Recht der eigenständigen Beweismitteleinbringung sowie das Recht auf anwaltlichen Beistand gewährleistet. Dadurch kann eine Bestätigung für das zuvor festgestellte Ergebnis ausgemacht werden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie der Grundsatz eines fairen Verfahrens zu den wesentlichen Verfahrensprinzipien eines Verbandsverfahrens zu zählen sind928. I. Das Deutsche Sportschiedsgericht als Disziplinarorgan Regelmäßig wird auf nationaler Ebene das Disziplinarverfahren nicht durch ein internes Verbandsorgan durchgeführt, sondern erstinstanzlich vor dem Deutschen Sportschiedsgericht ausgetragen929. Dazu bedarf es einer satzungsmäßigen Verankerung der Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts930 oder einer entsprechenden Schiedsvereinbarung zwischen dem Athleten und dem nationalen Sportfachverband931. Als problematisch kann sich vor dem Hintergrund der Verbandsautonomie erweisen, dass dadurch die Möglichkeit einer vorangehenden verbandsinternen Entscheidungsfindung abgeschnitten wird932. Jedoch muss hierbei Berücksichtigung finden, dass die Selbstverwaltungsautonomie gerade nicht berührt wird, wenn der Fachverband für sich selbst autonom entscheidet, seine eigene Verbandsgerichtsbarkeit gerade nicht ausüben zu wollen. Anlass für Kritik bietet dem 926

Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1566. Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1579. 928 Siehe oben, S. 114–116 und S. 112–113. 929 Mertens, SpuRt 2008, 140 (141). 930 Siehe oben, S. 127–128. 931 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1586. 932 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1587. 927

C. Einleitung des Dopingsanktionsverfahrens 

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zufolge nur der Umstand, dass möglicherweise dem betroffenen Athleten eine Rechtswegverkürzung auferlegt wird, sofern er zuvor nicht die Verbandsgerichtsbarkeit durchlaufen konnte933. Jedoch würde eine solche Betrachtungsweise verkennen, dass die Möglichkeit der Ausübung der verbandsinternen Gerichtsbarkeit vorrangig der besagten Selbstverwaltungsautonomie des Verbandes dient und weniger dem einzelnen Mitglied. Zudem gelten hier gerade nicht die gleichen, auf den Justizgewährleistungsanspruch rückführbaren Verfahrensprinzipien wie bei der staatlichen oder der schiedsrechtlichen Gerichtsbarkeit934. Auch vermag das Argument nicht zu überzeugen, dass wegen des Ausschlusses der staatlichen Gerichtsbarkeit im Wege einer satzungsrechtlichen oder individualrechtlichen Verankerung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts – hier die des Deutschen Sportschiedsgerichts – der Rechtsschutz ohnehin eingeengt ist935. Dagegen spricht vor allem, dass ein echtes Schiedsgericht wie das Deutsche Sportschiedsgericht mit seiner austarierten Verfahrensordnung eine wirkliche Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit darstellt936, da mit der Annahme eines echten Schiedsgerichts wie aufgezeigt zwangsläufig die Geltung wesentlicher verfahrensrechtlicher Prinzipien verbunden ist, und zwar unabhängig von einer ausdrücklichen Normierung937. Eine im rechtlichen Sinne problematische Rechtswegverkürzung kann sich auch nicht auf Grund des Umstandes ergeben, dass durch die Übertragung der verbandsrechtlichen Sanktionsgewalt auf das Schiedsgericht der dreistufige Rechtsweg um eine Instanz verkürzt wird938. Sofern schon gegenüber Eingriffen der öffentlichen Gewalt kein Anspruch auf einen bestimmten, quantitativen Instanzenzug gegeben ist939, sondern es darauf ankommt, dass Hoheitsakte überhaupt einer vollständigen richterlichen Kontrolle in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zugänglich sind940, muss dies erst recht für die Verkürzung des ordentliches Rechtsweg bezüglich einer zivilrechtlichen Streitigkeit gelten. Eine im Sinne des Justiz­gewährleistungsanspruchs bedrohliche Rechtswegverkürzung ist somit gerade nicht gegeben941, sofern dem Athleten überhaupt rechtliches Gehör und eine richterliche Überprüfungsmöglichkeit im Zusammenhang mit einer drohenden Sanktion wegen eines Dopingverstoßes zur Verfügung gestellt wird, was durch die Einbettung des Deutschen Sportschiedsgerichts als erste Instanz mitsamt der Berufungsmöglichkeit zum CAS942 gewährleistet wird. 933

Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1587. Siehe oben, S. 111–112. 935 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1594. 936 Siehe oben, S. 129–131. 937 Siehe oben, S. 80–81. 938 Denkbar ist folgender Instanzenzug: Verbandsgericht – nationales Schiedsgericht – internationales Schiedsgericht. 939 Degenhart, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rz. 48; BVerfGE 96, 27 (39). 940 Schmidt-Aßmann, in: in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 19 Abs. 4 Rz. 183. 941 Tendenziell einer entgegen gesetzten Auffassung folgend Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1594. 942 Ausführlich zum CAS siehe unten, S. 214–253. 934

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

II. Das Deutsche Sportschiedsgericht als Berufungsorgan Es ist jedoch auch möglich, dass dem Verfahren vor dem Deutschen Sportschiedsgericht zunächst ein internes Verbands-Disziplinarverfahren über einen etwaigen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vorgeschaltet ist. Das Schiedsgericht entscheidet in diesem Fall als Überprüfungsinstanz über eine getroffene bzw. ausgebliebene Sanktion, wobei gemäß § 1.3 DIS-SportSchO die soeben dargestellten Verfahrensgrundsätze und die besonderen Vorschriften für Rechtsmittelverfahren gemäß § 45 DIS-SportSchO Anwendung finden943. Gemäß § 45.2 DISSportSchO sind dabei insbesondere die Rechtsmittelfrist von 14 Tagen nach Erhalt der Entscheidung und die Formvorschriften zu beachten. Das Schiedsgericht entscheidet bei Zulässigkeit der Rechtsmitteleinlegung wie ein Berufungsorgan. Dies bedeutet, es wird ein vollumfängliche Überprüfung sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht vorgenommen944. III. Das Deutsche Sportschiedsgericht als Instanz des Einstweiligen Rechtsschutzes Schließlich kann das Deutsche Sportschiedsgericht auch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes treffen. Dieser bestimmt sich, je nachdem ob es bereits konstituiert ist oder nicht, nach den Vorgaben des § 20.l DIS-SportSchO bzw. des § 20.2 DIS-SportSchO945. IV. Das eigentliche Beweisverfahren Die Beweislastverteilung im Zusammenhang mit der Beurteilung von Dopingverstößen folgt trotz der Charakterisierung einer mit einem solchen Verstoß verbundenen Sanktion als Verbandsstrafe prinzipiell zivilrechtlichen Grundsätzen946. Dies ist im Wesentlichen auf den Ursprung der mit der Aussprache einer solchen Sanktion zum Ausdruck gebrachten Verbandshoheit sowie der eigenen Rechtssetzungskompetenz zurückzuführen, der in beiden Fällen im Zivilrecht zu finden ist947. Durch den dort geltenden Grundsatz der Privatautonomie ist es den Sportfachverbänden ferner möglich, eigene Beweislastregeln aufzustellen, die gegebenenfalls von den traditionellen Beweislastverteilungsgrundsätzen abweichen948. 943

Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1595. Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1595. 945 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1596. Siehe ausführlicher zur Gewährung einstweiligen Rechtschutzes durch ein Schiedsgericht und dem damit einhergehenden Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit oben, S. 95–104. 946 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1377; Paul, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Grenzwerte im Doping, S. 224. 947 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1377. 948 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1377. 944

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1. Grundsätze der Beweisführung im Verbandsverfahren Grundsätzlich liegt die Beweislast für Tatsachen, die die Anwendung einer Sanktionsnorm wegen des Vorliegens des dazugehörigen Tatbestands rechtfertigen würden (rechtsbegründende Tatsachen) beim Verband als demjenigen, der die Sanktionierung als Anspruchssteller herbeiführen will949. Das von dieser Sanktion betroffene Verbandsmitglied oder die rechtsgeschäftlich unterworfene Einzelperson trägt als Anspruchsgegner hingegen die subjektive Beweislast950 für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, auf Grund derer der Sanktionstatbestand in objektiver und/oder subjektiver Hinsicht (rechtsvernichtende, -hindernde und -hemmende Tatsachen) ausgeschlossen ist951. Dies bedeutet in Anlehnung an die Rosenbergische Formel952: Jede Partei hat die ihr günstigen Tatsachen zu beweisen953. Die Nichterweislichkeit ginge diesem Grundsatz folgend immer zu Lasten der beweisbelasteten Partei. a) Volle Beweispflichtigkeit des Sportfachverbandes hinsichtlich des Dopingnachweises Im Dopingsanktionsverfahren könnte diesen zivilprozessualen Beweislastregeln folgend demnach vertreten werden, dass der Verband den Nachweis für den objektiven (Verstoß gegen eine Anti-Doping-Bestimmung) und für den subjektiven Dopingverstoß (Verschulden) zu erbringen hat. Dies würde dem soeben beschriebenen Grundsatz folgen, dass der Sportfachverband als derjenige, der sich auf eine bestimmte Rechtsfolge berufen möchte  – im Zusammenhang mit Dopingsank­tionsverfahren das Aussprechen einer Sperre – dem Sportler sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen mitsamt des Verschuldens zu beweisen hat954. Würde das Dopingsanktionsverfahren in den Bereich eines Strafprozesses verortet werden, könnte zur argumentativen Unterstützung wegen der mit einer Dopingsperre einhergehenden erheblichen Auswirkungen eine Parallele zu Selbigem aufgezeigt werden, weil darin nicht nur die Tat als solche, sondern auch deren schuldhafte Begehung nachgewiesen werden muss955.

949

Siehe oben, S. 37–38. Siehe zum Begriff der subjektiven Beweislast oben, S. 38. 951 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 272. 952 Paulus, Teil 1 Rz. 418. 953 Siehe oben, S.  41–43, sowie Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivilund Zivilverfahrensrecht, S. 162 und Krähe, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 39 (41). 954 PHB SportR-Summerer II 3/304. 955 PHB SportR-Summerer II 3/304. 950

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b) Umkehr durch Verbandsregeln Möglicherweise muss vor dem Hintergrund der erschwerten Beweissituation im Zusammenhang mit Dopingverstößen jedoch ein anderer Beweisstandard herangezogen werden. Die Möglichkeit, Abweichungen von den eigentlichen zivil­ prozessualen Beweislastregelungen zu treffen, ist den Sportfachverbänden wegen der erwähnten zivilrechtlichen Verankerung und ihrer Satzungshoheit gegeben. Dies kann beispielsweise geschehen, indem der Sportfachverband dem Mitglied die Beweislast bei einer Nichtaufklärbarkeit des Verschuldens auferlegen oder eine Vermutung statuieren kann, wonach das Verschulden des Mitglieds zunächst vorausgesetzt wird und erst dann entfällt, wenn sich das Mitglied exkulpieren kann956. Diesbezüglich sind im Wesentlichen drei andersartige Beweisformen in Betracht zu ziehen: eine verschuldensunabhängige Haftung (strict liability), vollkommene Beweislastumkehr (modifizierte strict liability) oder eine Form der Beweiserleichterung (Anscheinsbeweis), jeweils zu Gunsten des Sportfach­verbandes. Sodann ist die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Beweisformen mit nationalem Verfahrensrecht zu prüfen und im Ergebnis zu entscheiden, welcher Regelung der Beweislastverteilung der Vorzug einzuräumen ist. aa) Strict liability-Grundsatz Nach dem Grundsatz der „strict liability“ würde für den Nachweis eines Dopingverstoßes wiederum der bloße Nachweis des Vorhandenseins einer verbotenen Substanz im Körper des Athleten genügen957. Dann käme es hinsichtlich der Beweispflicht des Sportfachverbandes auch nicht auf die Frage an, wie die jeweilige Substanz in den Körper des Athleten gelangt wäre958. Der Verschuldensnachweis durch den Verband würde somit entfallen; dieser würde seiner Beweispflicht einzig durch den Nachweis der positiven Dopingprobe nachkommen959. Der Sportler hätte keine Möglichkeit sich zu exkulpieren. bb) Modifizierte strict liability Die strict liability wird jedoch nicht nur als verschuldensunabhängige Nachweisregel verstanden und angewandt. Vielmehr führt sie in modifizierter Anwendung zu einer Umkehr der Beweislast, bei der es dann dem Sportler obliegt nach 956 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 163; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 342. 957 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10.  Kapitel, Rz.  1378; Paul, Grenzwerte im Doping, S. 124. 958 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1378. 959 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S.  272; Paul, Grenzwerte im­ Doping, S. 224.

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zuweisen, dass die Substanz unverschuldet in seinen Körper gelangt sei960. Dafür würde auch sprechen, dass dieser viel besser in der Lage sei, diesen Nachweis zu erbringen, da er seinem Körper wesentlich näher stehen würde961. Dies entspräche einer Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen962. Für eine solche Handhabung könnte schließlich auch der Gedanke einer effektiven Dopingbekämpfung und -verfolgung angeführt werden. Andernfalls wäre selbiger perspektivisch der Weg versperrt, da ohne eine solche Form der Beweislast­ verteilung und der gleichzeitigen Anwendung der klassischen zivilprozessualen Beweisgrundsätze nicht nachprüfbaren Schutzbehauptungen seitens des betroffenen Sportlers Tür und Tor geöffnet wären963. cc) Anscheinsbeweis Schließlich bestünde für den Dopingnachweis noch die Möglichkeit auf einen Anscheinsbeweis zurückzugreifen. Diesbezüglich ist zunächst hervorzuheben, dass dessen Anwendung zu keiner Veränderung der Beweislastverteilung führen würde. Dem beweisbelasteten Sportfachverband obliegt danach weiterhin die Beweislast für das Verschulden964. Der „prima-facie-Beweis“ stellt jedoch grundsätzlich eine Form der Beweiserleichterung dar965 und greift bei typischen Geschehensabläufen ein, bei denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache – die schuldhafte Herbeiführung des Dopingverstoßes – hinweist bzw. rückführbar ist, die sich damit als maßgeblich für den Eintritt des Geschehensablaufes erweist966. Dadurch können fehlende konkrete Indizien für den Nachweis einer bestimmten Tatsache überbrückt werden967. Für die Anwendung eines Anscheinsbeweises müsste also zunächst ein bestimmter Sachverhalt gegeben sein, der unstreitig feststeht bzw. voll bewiesen ist, von dem auf einen typischen Geschehensablauf geschlussfolgert wird, was wiederum nur durch eine umfassende Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden kann968. Bezogen auf den Dopingnachweis könnte ein 960

OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1117, 1120; Paul, Grenzwerte im Doping, S. 125. PHB SportR-Summerer II 3/304; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 341, sowie Haas/Adolphsen, NJW 1996, 2351 (2352). 962 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 275, der zur argumentativen Unterstützung auf die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB sowie auf die deliktsrechtliche Beweislastverteilung verweist. 963 PHB SportR-Summerer II 3/304, 3/352; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 342; Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 283. 964 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 165; Paul, Grenzwerte im Doping, S. 227. 965 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 166; Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 283. 966 PHB SportR-Summerer II 3/305. Siehe auch oben, S. 35–37. 967 OLG Dresden SpuRt 2004, 74, 77; Paul, Grenzwerte im Doping, S. 225. 968 BGH NJW 1996, 1828 (1828). 961

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solcher im Auffinden einer verbotenen Substanz im Körper des Sportlers gesehen werden. Eine positive A- und B-Probe würde demzufolge bei einer Anwendung des Anscheinsbeweises die widerlegbare Vermutung begründen, dass ein schuldhafter Dopingverstoß vorliegt, weil das Auffinden verbotener Substanzen innerhalb eines rechtmäßigen Analyseverfahrens die typische Folge einer schuldhaften, verbotenen Einnahme oder Zuführung ist969. (1) Die Erschütterung des Anscheinsbeweises Jedoch kann dieser Anschein durch den Nachweis des Vorliegens eines atypischen Geschehensablaufs durch die andere Partei stets erschüttert werden, ohne dass der Gegenbeweis der Unschuld erbracht werden muss970. Dazu müssen Tat­ sachen dargelegt und, sofern strittig, voll bewiesen werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Ursachenverlaufs ergibt, so dass dieser eine echte Alternative zum typischen Geschehensablauf darstellt971. An diesen Nachweis sind jedoch erhöhte Anforderungen zu stellen. Die Anwendung des Anscheinsbeweises bewirkt nicht, dass jeder alternative Kausalverlauf ausgeschlossen ist972. Maßgebend ist vielmehr, ob sich der durch den Anscheinsbeweis geschlussfolgerte Geschehensablauf noch immer als ein typischer darstellt, obwohl die Möglichkeit anderer Abläufe nicht gänzlich verworfen werden kann973. Für eine erfolgreiche Erschütterung müssen demnach Tatsachen dargelegt werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs in diesem konkreten Fall ergibt und sich dieser damit als echte Alternative zum typischen Geschehensablauf darstellt974. Die bloße Behauptung, es läge eine andere Ursache vor, ist somit nicht ausreichend975, da dadurch das Wesen des Anscheinsbeweises verkannt werden würde. Andererseits dürfen die Anforderungen an eine erfolgreiche Erschütterung wiederum nicht so hoch sein, dass sie jene unmöglich machen976. In diesem Fall bestünde die Gefahr, „durch die Hintertür“ die Anti-

969

Paul, Grenzwerte im Doping, S. 227; Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 166; Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1379; S.  227; Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S.  284; DLV-Disziplinarausschuss, Besch. v. 12.6.2001, SpuRt 2002, 79 (83); Reichert, VereinsR, Rz.  2931; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 302. 970 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 283. Siehe auch oben, S. 35–37. 971 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 286. Zu den konkreten Erschütterungsmöglichkeiten siehe unten, S. 200–211. 972 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (78). 973 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (78). 974 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 228. Siehe dazu auch Walker, in: Vieweg, Doping, 135 (145) unter Bezugnahme auf den Dopingfall der Sprinterinnen Breuer, Krabbe und Möller. 975 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 228. 976 Baddeley, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 9 (22).

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Doping-Bestimmung des Art. 2.1 NADA-Code zu einer strict liability rule werden zu lassen977. (2) Die beweisrechtliche Folge einer Erschütterung Im Falle einer erfolgreichen Erschütterung lebt die volle Beweislast auf Seiten des Sportfachverbandes wieder auf. Dann obliegt ihm ohne einen erneuten Rückgriff auf eine Beweiserleichterung die Vollbeweispflicht hinsichtlich seiner Behauptung, es läge ein schuldhafter Dopingverstoß vor978. Sofern jedoch eine Erschütterung fehlgehen sollte, wird der Sportfachverband der ihm auferlegten Beweislast für das Verschulden gerecht. Zusammenfassend lässt sich demnach folgender Erfahrungssatz in Zusammenhang mit der Anwendung eines Anscheinsbeweises im Dopingsanktionsverfahren aufstellen: Derjenige, bei dem eine verbotene Dopingsubstanz positiv festgestellt worden ist, hat sich diese auch selbstverantwortlich im Sinne von mindestens fahrlässig zugefügt979. 2. Anforderungen an die Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren Mit der reinen strict liability, der modifizierten strict liability in der Form einer Beweislastumkehr und dem Anscheinsbeweis existieren drei mögliche Beweisformen für den Dopingnachweis im Dopingsanktionsverfahren. Es ist daher zu fragen, welche konkreten Anforderungen an die Beweisführung in diesem Verfahren zu stellen sind und inwieweit die Beachtung wesentlicher Verfahrensprinzipien dazu führt, dass einer bestimmten Beweisform im Ergebnis den Vorzug eingeräumt werden muss. Bei der Anwendung der reinen strict liability gibt es keine Exkulpationsmöglichkeit für den betroffenen Sportler. Der Anscheinsbeweis ermöglicht dem betroffenen Sportler hingegen eine Exkulpation, sofern er den durch die positive Probe begründeten Anschein eines schuldhaften Verhaltens erschüttert. Auch die modifizierte strict liability in der Form einer Beweislastumkehr sieht eine solche Möglichkeit vor und erweist sich ihrerseits als nicht problematisch, sofern der betroffene Sportler seine Unschuld beweisen kann980. Von maßgebender Bedeutung für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellung ist jedoch, wie sich 977

Baddeley, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 9 (27). Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1379; Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 284–285; Reichert, VereinsR, Rz. 2931; Paul, Grenzwerte im Doping, S. 227. 979 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 227; Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 284. 980 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 272. 978

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die dargestellten Beweisregeln auf den Fall eines non liquet981 auswirken, bei dem die Schuld des Sportlers ebenso wenig bewiesen werden kann wie seine Unschuld982. In dieser Konstellation wirkt die Anwendung einer modifizierten strict liability vergleichbar der Produzentenhaftung wie eine Art Zustandshaftung des Athleten983. Eine derartige, dann quasi verschuldensunabhängige Haftung stellt zumindest in der deutschen Rechtsordnung die Ausnahme dar und ist vor dem Grundsatz der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bzw. Art. 20 Abs. 3 GG bedenklich984. Sofern diese Bedenken nicht behoben werden können, muss die Anwendung der strict liability in der Form einer Beweislastumkehr im Dopingsanktionsverfahren zwangsläufig ausscheiden. Dann könnte auch erst recht nicht auf eine reine strict liability zurückgegriffen werden. Die nachfolgende Darstellung wird auf die möglichen Sanktionen Disqualifikation, vorläufige Suspendierung und Sperre zurückgreifen und veranschaulichen, inwiefern für die Verhängung dieser Sanktionsarten die Unschuldsvermutung oder gar andere Verfahrensprinzipien beachtet werden müssen. a) Anwendung der Unschuldsvermutung im Dopingsanktionsverfahren Diese Problemlage macht es zuvor erforderlich, kurz den inhaltlichen Aussagegehalt der Unschuldsvermutung zu beleuchten. Die Unschuldsvermutung ist das Fundament eines jeden Strafverfahrens. Sie schützt als Ausfluss des Schuldgrundsatzes vor einer Bestrafung ohne vollen Nachweis strafrechtlicher Schuld und bindet diesen Nachweis an die Durchführung eines ordnungsgemäßen, fairen Verfahrens985. Danach setzt eine strafrechtliche Sanktion voraus, dass der Täter sich einer Straftat persönlich schuldig gemacht hat986, dass ihm strafrechtlich sanktionierbare Verhalten also persönlich vorwerfbar ist987. Zudem ist die staatliche Strafgewalt erst dann zum Erlass einer Strafe ermächtigt, wenn die dem Betroffenen zurechenbare Schuld in einem ordnungsgemäßen Verfahren in der dafür vorgeschriebenen Form nachgewiesen ist988. Der Beschuldigte einer Straftat ist bis zum rechtskräftigen Schuldspruch als unschuldig anzusehen und es obliegt allein den staatlichen Verfolgungsbehörden die Schuld zu beweisen989. Dieser als subjektives Recht ausgestaltete Schutz des Einzelnen gilt in allen Verfahren, die die Feststellung und

981

Siehe oben, S. 37–38. Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 273. 983 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1378. 984 OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1117, 1120; PHB SportR-Summerer II 3/354. 985 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 103. 986 Mertens, SpuRt 2006, 177 (178). 987 Wessels/Beulke/Satzger, Rz. 394. 988 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 105. 989 Mertens, SpuRt 2006, 177 (177). 982

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Ahndung strafrechtlicher Schuld zum Gegenstand haben990. Der Begriff der strafrechtlichen Schuld orientiert sich am Begriff der strafrechtlichen Anklage und ist wiederum autonom auszulegen991. Dabei ist eine konkrete Zuordnung zum Strafrecht und einem entsprechenden Verfahren mit strafrechtlichem Instanzenweg nicht notwendig, um die Sanktionierung eines Verhaltens unter den Begriff der strafrechtlichen Anklage zu subsumieren. Ausschlaggebend ist vielmehr die Art der mit der Sanktion bedrohten Handlung, der diesbezügliche Adressatenkreis sowie Natur, Schwere und Ausmaß der angedrohten Sanktion992. Neben der Verhängung von Kriminalstrafen im Strafverfahren sind diesbezüglich Ordnungswidrigkeiten993, Exequaturverfahren994, in denen über die inländische Vollstreckung der in einem anderen Staat rechtskräftig festgesetzten Strafe entschieden wird, und die Verhängung von Maßregeln der Besserung und Sicherung995, sofern sie im Strafverfahren im Zusammenhang mit der Verfolgung wegen einer Straftat angeordnet werden, zu nennen. Auch Disziplinarverfahren können dem Begriff der strafrechtlichen Anklage unterfallen. Zum einen, wenn sie dem Strafrecht zugeordnet sind und zum anderen, wenn Art und Höhe der Sanktion eine gewisse strafähnliche Schwere erreichen oder die abgeurteilte Tat eine strafrechtliche Natur aufzeigt996. Außerhalb von Verfahren, die eine strafrechtliche Anklage bzw. die Feststellung strafrechtlicher Schuld zum Gegenstand haben, ist es indes fraglich, ob die Unschuldsvermutung Anwendung finden kann. Dies wäre einerseits nicht der Fall, sofern sie als rein verfahrensspezifische Schutzgarantie verstanden wird, die der besonderen Lage des Beschuldigten im Strafverfahren Rechnung trägt997. Andererseits könnte sie auch als ein weitergehendes, materielles Verbot verstanden werden, welches vor der Zuweisung unbewiesener Schuld schützen soll und dadurch die Achtung des Persönlichkeitsrechts hervorhebt998. Bei einer solchen Auslegung könnte nicht mehr das klassische Argument angeführt werden, drohende Dopingsperren, die im Rahmen eines Dopingsanktionsverfahren ausgesprochen werden, würden keine Mittel der Strafverfolgung999, sondern eine Streitigkeit im Rahmen der zivilrechtlichen Beziehung zwischen Sportler und Sportfachverband darstellen. Die Unschuldsvermutung könnte demnach auch in das Dopingsanktionsver-

990 Sie gilt selbstredend vor allem im Strafverfahren, aber eben nicht nur. Vgl. Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 106. 991 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 28. 992 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 52; Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 29. 993 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 30. 994 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 36. 995 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 32. 996 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 34. 997 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 109. 998 Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Art. 6 Rz. 107; Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 61. 999 Mertens, SpuRt 2006, 177 (178).

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fahren einwirken1000. Petri verweist darauf, dass es dabei vor allem um die aus ihr resultierende Beweisregel gehe, wonach der Ankläger (Sportfachverband)  den Strafausspruch (Dopingsperre)  erst treffen könne, sofern er den Sanktionstatbestand – den Dopingverstoß in objektiver und subjektiver Hinsicht – vollumfänglich bewiesen habe1001. Mertens sieht daher in der Unschuldsvermutung auch eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Beschuldigten1002. b) Entbehrlichkeit der Unschuldsvermutung Auf diesen strafrechtlichen Grundsatz kann nach der oben vertretenen Ansicht1003 jedoch nur dann zurückgegriffen werden, wenn anderweitige Schutzmechanismen nicht zur Verfügung stehen1004. Eschke hebt diesen Gedanken hervor, indem er betont, dass die Anwendung der Unschuldsvermutung dazu diene, „auf Grund der – möglicherweise – besonderen Schutzwürdigkeit einer Partei in Ausnahmefällen bestimmte Sicherheitsvorkehrungen im Prozess zu schaffen“1005. Sofern diese jedoch vorhanden sind, folgt daraus im Umkehrschluss, dass es argumentativ nicht notwendig ist, auf die Unschuldsvermutung zur Ablehnung der strict liability zurückzugreifen. Andererseits verweist wiederum Eschke selbst darauf, dass andere Schutzmechanismen wie beispielsweise der Grundgedanke des fairen Verfahrens oder der Grundsatz der Waffengleichheit gerade nicht ausreichend substantielle Grundlagen für die Schuldfeststellung im zivilrechtlichen Verbandsprozess darzustellen vermögen1006. Insoweit könnte also von einer Erstreckung des für die Anwendung des Strafrechts geltenden ultima-ratio-Gedankens

1000

Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 273; Fenn/Petri, SpuRt 2000, 232 (235); a. A. DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 206 (208) und Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 82, 88, der Art. 6 Abs. 2 EMRK auf die Sicherung von Mindestrechten im Strafverfahren und dem Schutz vor schwerwiegenden Folgen staatlicher Strafgewalt beschränkt. 1001 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 272–273. 1002 Mertens, SpuRt 2006, 177 (177). 1003 Siehe oben, S. 153. 1004 In diese Richtung tendiert auch Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivilund Zivilverfahrensrecht, S. 156, 159–162, wonach der Gedanke der Unschuldsvermutung zu bestimmten Anforderungen für verbandsrechtliche Beweisregeln und für die Feststellung sanktionsrelevanter Tatsachen führt. Gegen die Anwendung der Unschuldsvermutung siehe Pfister, SpuRt 2003, 16 (16); Mertens, SpuRt 2006, 177 (178); Soek, Die prozessualen Garantien des Athleten in einem Dopingverfahren, 35 (38); Krähe, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 39 (42); Paul, Grenzwerte im Doping, S. 224; jedenfalls nicht ohne weiteres Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1379. Für die Anwendung der Unschuldsvermutung hingegen Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 299; PHB SportR-Summerer II 3/354; Reichert, VereinsR, Rz. 2934, sowie Buchberger, SpuRt 1996, 157 (159) und Rössner, in: FS für Lutz Meyer-Goßner, 741 (749–750). 1005 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 58. 1006 Eschke, Die Geltung der Unschuldsvermutung im Zivil- und Zivilverfahrensrecht, S. 58.

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auf die Anwendung aus dem Strafrecht abgeleiteter, strenger Verfahrensprinzipien wie der Unschuldsvermutung durchaus ausgegangen werden. aa) Entbehrlichkeit der Unschuldsvermutung im Rahmen einer Disqualifikation Allerdings ist zu fragen, ob Eschke dahingehend vollumfänglich zugestimmt werden kann. Zumindest im Hinblick auf die Disqualifikation eines positiv getesteten Sportlers dürfte dies zweifelhaft sein. Denn die Disqualifikation dient einzig dem Ausschalten irregulärer Vorteile im Wettkampf1007, die bereits durch das Vorhandensein einer verbotenen Substanz im Körper des Athleten und unabhängig von der Frage, ob sie unverschuldet oder verschuldet in diesen gelangt sind, faktisch gegeben sind und das Ergebnis damit verfälschen. Hier steht nach dem Sinn und Zweck einer Disqualifikation nicht die Berufsfreiheit, sondern die Durchführbarkeit eines auf Chancengleichheit basierenden Wettkampfes im Vordergrund1008. Demzufolge kann es auch nicht auf einen durch den Rückgriff auf die Unschuldsvermutung begründeten Verschuldensnachweis ankommen1009; ein dahingehender Verzicht wäre nicht unverhältnismäßig. Petri gelangt zu demselben Ergebnis, erklärt diese zutreffende Annahme aber mittels der schuldrechtlichen Lehre über Pflichtverletzungen. Bei der Disqualifikation ginge es darum, dass ein bestimmter Erfolg  – die nicht gedopte Teilnahme an einem Wettkampf – eintreten soll. Darin läge bei dessen Nichteintritt die Pflichtverletzung. Diese würde damit nicht an eine Verhaltensweise, sondern an das Vorliegen eines bestimmten Erfolges oder dessen Nichtvorliegens anknüpfen. Es genüge, dass das Nichtvorliegen des geschuldeten Erfolges im Wege einer positiven A-Probe bewiesen wird. Der Nachweis eines Verschuldens sei indes nicht notwendig; eine Disqualifikation könne somit ohne selbiges ausgesprochen werden und obliegt damit nicht der Beweispflicht des Sportfachverbandes1010. bb) Entbehrlichkeit der Unschuldsvermutung im Rahmen einer vorläufigen Suspendierung Allerdings ist zu fragen, ob der Ansicht von Eschke, wonach die Unschulds­ vermutung als verfahrensmäßige Kompensation im Dopingsanktionsverfahren anzuwenden sei, nicht zumindest im Hinblick auf eine vorläufige Suspendierung zugestimmt werden kann. Sofern bereits dort die damit verbundene Beweissituation 1007

Paul, Grenzwerte im Doping, S. 231. Siehe oben, S. 150. 1009 Siehe oben, S. 150. 1010 PHB SportR-Summerer II 3/353; Paul, Grenzwerte im Doping, S.  231; Scherrer, in: Fritz­weiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 119 (127). 1008

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einen Verschuldensnachweis durch die Anwendung der Unschuldsvermutung nach sich ziehen würde, müsste diese wegen ihres Grundrechtseingriffs1011 darüber hinaus sogar zwangsläufig im Sinne eines „Erst-recht-Schlusses“ auch bei einer Sperre Berücksichtigung finden, da eine vorläufige Suspendierung mit einer vorläufigen Sperre gleichzusetzen ist. Jedoch lässt sich hierbei feststellen, dass der notwendige Grundrechtsschutz nicht notwendigerweise über die Anwendung der Unschuldsvermutung erfolgen muss. So kann beispielsweise die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Suspendierung an das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts hinsichtlich eines schuldhaften Verstoßes geknüpft werden, der gegeben wäre, sofern eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der betroffene Sportler wegen eines Anti-Doping-Verstoßes sanktioniert wird1012. Dieser dringende Tatverdacht könnte durch eine positive Dopingprobe begründet werden, bei der davon ausgegangen wird, dass sie fehlerfrei analysiert wurde und von der in der Regel auf das Verschulden geschlossen wird1013, auch wenn diese Umstände nicht immer zwangsläufig zu einer endgültigen Verurteilung führen müssen1014. Daraus folgt, dass auch bei einer vorläufigen Suspendierung durch den Rückgriff auf das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts ein ausreichender Schutzmechanismus gegeben ist1015. Ein Rückgriff auf die Unschuldsvermutung ist auch hierbei nicht notwendig. Dieses Ergebnis lässt sich zudem durch einen Verweis auf die vergleichbare Problemlage der Anordnung einer Untersuchungshaft gegenüber dem Beschuldigten einer Straftat im Strafverfahren bestätigen. In dieser Situation gilt unzweifelhaft die Unschuldsvermutung1016. Sie verbietet es, gegen den Beschuldigten im Vorgriff auf die Strafe Maßregeln zu verhängen, die in ihrer Wirkung der Freiheitsstrafe gleichkommen. Hier lässt sich eine vertretbare Lösung des Konflikts zwischen dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und der aus Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 2 EMRK abzuleitenden Unschuldsvermutung nur erreichen, wenn den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßigen erscheinenden Freiheitsbeschränkungen ständig der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten als Korrektiv entgegen gehalten wird, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt1017. Weder die Schwere des Verbrechens noch die Schwere der – noch nicht festgestellten – Schuld rechtfertigen für sich allein die Verhaftung1018. Vor diesem Hintergrund steht die Unschuldsvermutung der Untersuchungshaft nur dann nicht entgegen, 1011

Siehe oben, S. 151. Vgl. Beulke, Rz.  114. Auf eine weniger hohe, wenngleich auch überwiegende Wahrscheinlichkeit verweisen Adolphsen, SpuRt 2000, 97 (98) und Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 302. 1013 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 303. 1014 Siehe zur Auswertung der B-Probe-Analyse oben, S. 174. 1015 A. A. Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 296, der auf die praktischen Anwendungsschwierigkeiten verweist, wann genau ein dringender Tatverdacht vorliegen soll und deshalb den von Prokop vertretenen Ansatz bevorzugt. 1016 Siehe oben, S. 186–188. 1017 BVerfG NJW 2006, 1336 (1337). 1018 BVerfG NJW 2006, 1336 (1337). 1012

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wenn auf Grund eines dringenden, auf konkrete Anhaltspunkte gestützten Tatverdachts begründete Zweifel an der Unschuld des Beschuldigten bestehen1019 und zudem besondere Umstände wie das Vorliegen von Flucht- oder Verdunkelungsgefahr gegeben sind. Einzig in dieser Situation vermag die Abwägung zwischen dem noch als unschuldig geltenden Beschuldigten und dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung und wirksamen Verbrechensbekämpfung zugunsten von Letzterem auszufallen und das Strafverfahren damit im Ergebnis vordergründig geschützt wird1020. Wenn demnach bereits im Strafverfahren die Unschuldsvermutung nicht bewirkt, dass ein – ex post betrachtet – zu Unrecht Beschuldigter bei Vorliegen enger Voraussetzungen in die Untersuchungshaft geraten kann, ist im Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer vorläufigen Suspendierung im Dopingsanktionsverfahren davon auszugehen, dass zum Schutz eines effektiven sportlichen Wettkampfes und der Wahrung der Endgültigkeit der dabei erzielten Ergebnisse erst recht die Anwendung der Unschuldsvermutung entbehrlich ist, sofern ein dringender Tatverdacht in der Form einer positiven A-Proben-Analyse vorliegt. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt auch Prokop mit seinem Modell über die Definition der Teilnahmebedingungen, welches auf dem zivilrechtlichen Beibringungsgrundsatz aufbaut. Danach wird darauf abgestellt, dass der auf die Wettkampfteilnahme abzielende Sportler die Voraussetzung vorweisen muss, dass sich keine verbotene Substanz in seinem Körper befindet. Ist dies nicht der Fall, erlischt mit dem Positivbefund automatisch ein zuvor erteiltes Startrecht, denn der Sportler erfüllt in diesem Moment nicht mehr die Teilnahmevoraussetzungen des Sportfachverbandes1021. Daraufhin kann ein neues Startrecht nur vom Sportler beantragt werden, sofern er beispielsweise im Wege mehrerer negativ verlaufender Kontrollen oder durch Ablauf einer Zeitspanne, in der durch die verbotene Substanz wirkungstechnisch kein Vorteil mehr vorhanden sein kann, den Nachweis erbringt, dass er zu chancengleichen Bedingungen am Wettkampf teilnehmen wird1022. Zwar vermag auch der Ansatz von Prokop nicht gänzlich zu überzeugen, da die jüngste Aufdeckungswelle von Dopingskandalen verdeutlicht, dass negative Testergebnisse keinen bzw. nur einen geringen Aussagewert darüber haben, ob der teilnehmende Sportler verbotene Substanzen oder Methoden anwendet oder auch nicht1023. Jedoch muss auch Prokop im Zusammenhang mit einer vorläufigen Suspendierung nicht auf die Unschuldsvermutung zurückgreifen.

1019

KK-Graf, Vor § 112 StPO Rz. 8. KK-Graf, Vor § 112 StPO Rz. 6. 1021 Prokop, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 95 (98). 1022 Prokop, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 79 (88). 1023 Den „Höhepunkt“ dieser Aufdeckungswelle bietet sicherlich der „Fall Lance Armstrong“, der jahrelang Dopingpraktiken angewandt hatte und bis auf eine Ausnahme nie mit einem Positiv­test aufgefallen ist. Siehe ausführlich dazu unten, S. 236-261. 1020

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cc) Entbehrlichkeit der Unschuldsvermutung im Rahmen einer Sperre Daraus folgt, dass sich der besagte „Erst-recht-Schluss“ nicht ergibt, wonach bei einer Sperre zwangsläufig der Rückgriff auf die Unschuldsvermutung zu erfolgen hat. Eine Sperre als mit einem folgenschweren Unwerturteil verbundene Vereins- bzw. Verbandsstrafe, wie es zumindest bei einer mehrjährigen Dopingsperre der Fall ist, könnte vielmehr grundsätzlich ein Verschulden voraussetzen, da sie im erheblichen Maße die Berufsfreiheit berührt und die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Sinne der Rechtmäßigkeit einer Sperre es erfordert, dass außerdem die Schuld des betroffenen Sportlers nachgewiesen wird1024. Eine solche Betrachtung orientiert sich an der unter anderem von Paul vertretenen Ansicht, wonach ein faires Verfahren im Zusammenhang mit der Verhängung einer mit einem dauerhaften ethischen Vorwurf verbundenen Sanktion aus verfassungsrechtlicher Sicht den Nachweis eines vorwerfbaren Verhaltens erfordere1025. Dies würde im Übrigen sowohl für „klassische“ Verbandsmitglieder als auch für einzelvertraglich unterworfene Nichtmitglieder gelten1026. Die daraus folgende Konsequenz, wonach eine Dopingsperre dann an andere Voraussetzungen als eine Disqualifikation gebunden wäre, vermag daran nichts zu ändern. Unter Rückgriff auf die von Petri vorgenommene Differenzierung, der im Rahmen einer Disqualifikation auf den Eintritt eines bestimmten Erfolges verweist1027, kann im Zusammenhang mit einer Dopingsperre nunmehr auf eine Pflichtverletzung abgestellt werden. Diese ist in Bezug auf den Dopingverstoß in der Nichteinhaltung einer Verhaltenspflicht („Ungedoptsein“) zu sehen, die nur positiv sanktioniert werden könne, wenn besagte Nichteinhaltung auch persönlich vorwerfbar sei1028. Denn es könne an dieser Stelle nun auch nicht zwischen der Verletzung der Verhaltenspflicht – dem Dopingverstoß – und der diesbezüglichen Vorwerfbarkeit getrennt werden1029. Damit folgt Petri mit seiner Argumentation dem in § 276 BGB zum Ausdruck kommenden, allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, dass der Schuldner für Leistungs­ störungen in einem Pflichtverhältnis in der Regel nur haftet, sofern er die Störung durch ein vorwerfbares Verhalten verursacht oder mitverursacht hat1030. Sowohl der allgemeine, argumentativ auf dem fairen Verfahren in Verbindung mit der Wahrung der Verhältnismäßigkeit aufbauende als auch der aus der Pflicht 1024 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1379; Prokop, in: Fritzweiler, Doping – Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 79 (86; 88); OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1117 (1120); Bergmann, Doping im Zivilrecht, S.  100; PHB SportR-Summerer II 3/352; DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2002, 79 (83); Märkle/Alber, Der Verein, 12. Aufl., S.  55; DFB Sportgericht SpuRt 2000, 78 (81). 1025 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 230. 1026 Bergmann, S. 100, 102. 1027 Siehe oben, S. 189. 1028 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 279. 1029 Siehe auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, AT, § 29 Rz. 336, 338. 1030 Palandt/Grüneberg, § 276 BGB Rz. 3.

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verletzungslehre stammende Ansatz sprechen dafür, dass ein Verschuldensnachweis bei einer Sperre bereits ohne Rückgriff auf die Unschuldsvermutung notwendig ist. Entscheidend für die erstgenannte Ansicht ist vor allem, dass eine in die Zukunft wirkende Sperre im Gegensatz zu einer Disqualifikation mit einem dauerhaften ethischen Vorwurf belastet ist1031. Vorzugswürdiger erscheint indes die Ansicht von Petri. Denn sie kleidet das Verhältnis zwischen Sportfachverband und betroffenen Sportler und die daraus folgende Sanktionierung durch den Verband in ein zivilrechtliches Gerüst und orientiert sich damit am klassischen Ursprung des Verbandsrecht: dem Zivilrecht. Im Ergebnis ist nach beiden Ansichten jedenfalls der Verschuldensnachweis unabdingbare Voraussetzung einer Dopingsperre, eine das Verschuldenserfordernis negierende Anti-Dopingbestimmung ist daher unwirksam1032. Ein Rückgriff auf die Unschuldsvermutung ist nicht erforderlich, da insoweit bereits zivilrechtliche Grundsätze verfahrensrechtlich zu einem Verschuldensnachweis führen. Es lässt sich damit festhalten, dass bei der verfahrensrechtlichen Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren ein Rückgriff auf strafrechtliche Prinzipien – hier die Unschuldsvermutung – nicht notwendig ist. Das Verschulden ist wie aufgezeigt nach der Lehre über Pflichtverletzungen zu beweisen. Demnach stehen ausreichende Schutzmechanismen zur Verfügung. Im Ergebnis wird dadurch der sich an einer „formellen Subsidiarität“ orientierende Ansatz bestätigt, wonach die Anwendung strafrechtlicher Prinzipien im Verbandsstrafverfahren stets eine Frage des Einzelfalls bleibt1033. c) Zwischenergebnis: Ablehnung einer strict liability Die reine strict liability ist wegen des Verschuldenserfordernisses somit abzulehnen. Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob der Verschuldensnachweis in der Form einer Beweislastumkehr über die Anwendung einer modifizierten strict liability, wonach dem Sportler die Beweispflicht für das Nichtverschulden trifft, oder im Wege eines Anscheinsbeweises erfolgen kann.

1031

Paul, Grenzwerte im Doping, S. 232. PHB SportR-Summerer II 3/302, 3/352; Pfister SpuRt 2003, 16 (16); Mertens, SpuRt 2006, 177 (180); daher zu weit gehend DLV-Disziplinarausschuss, SpuRt 2002, 79 (83), in dem er ausführt, dass Sanktionen grundsätzlich schon an das Vorliegen eines Analyseergebnisses angeknüpft werden können, sich jedoch sogleich selbst revidiert, da er sodann auf den Anscheinsbeweis und dessen Erschütterungsmöglichkeit verweist. 1033 Siehe oben, S. 153. 1032

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d) Konsequenz: Befürwortung des Anscheinsbeweises Im Zusammenhang mit der modifizierten strict liability wird im Hinblick auf deren Legitimität argumentativ hauptsächlich auf die „Sphärentheorie“ verwiesen. Dieses Argument vermag aber allenfalls auf den ersten Blick zu überzeugen; einer tiefergehenden Betrachtung hält es indes nicht stand. Denn sofern diesem Grundsatz gefolgt werden würde, müsste der objektiv bewiesene Dopingverstoß zwangsläufig Verursachern zugerechnet werden können, die entweder dem Verband oder dem Sportler bzw. dessen Umfeld zuzuordnen wären, um die Unschuld bzw. Schuld des Sportlers feststellen zu können1034. Dies würde andere Verursacher wie zum Beispiel Hersteller von verseuchten Nahrungsergänzungsmitteln oder manipulierenden Dritten als Schuldige gänzlich außen vor lassen1035, wobei gerade in diesen Konstellationen der Sportler sich genauso weit weg vom Dopingverstoß befindet wie der Sportfachverband1036. Dafür, dass vielmehr dieser die Beweislast für das somit notwendige Verschulden trägt1037, spricht vor allem auch die Situation eines non liquet: Kann nach der Beweisaufnahme die Schuld oder Unschuld des Sportlers nicht nachgewiesen werden, so wäre er bei einer Beweislastumkehr zu bestrafen, obwohl er ebenso gut unschuldig sein kann1038. Dies würde sich vor dem Hintergrund einer damit einhergehenden Dopingsperre und deren Folgen für die Ehre, Namen und die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Sportlers als äußerst unangemessen erweisen1039. Für den Ansatz der Beweiserleichterung in der Form des Anscheinsbeweises spricht hingegen, dass dadurch die grundsätzliche Beweispflicht des Sportfachverbandes nicht in Frage gestellt wird1040, jedoch die Beweisführung für ihn auch erleichtert wird. Denn auf der Erschütterungsebene sind bloße Schutzbehauptungen des Sportlers ausgeschlossen. Damit werden eine Vielzahl von Freisprüchen vermieden und zugleich gewährleistet, dass der Dopingkampf nicht zur Farce verkommt1041. Zudem ist der Rückgriff auf den Anscheinsbeweis auch für den betroffenen Sportler von Vorteil. Denn im Gegensatz zur Beweislastumkehr einer modifizierten strict liability, bei der zur vollen richterlichen Überzeugung ein Hauptbeweis von ihm geführt werden muss, genügt hierbei die „bloße“ Erschütterung. Das vom Sportler zu erbringende Beweismaß ist somit geringer. Zudem wird

1034

Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 277. Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S.  277, der dadurch zu dem Schluss kommt, dass die Sphärentheorie nur greifen kann, wenn der Sportler selbst gedopt hat. Dies ist aber gerade Gegenstand des Dopingsanktionsverfahrens. 1036 Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 278; ebenfalls die Sphärentheorie ablehnend Walker, in: Vieweg, Doping, 135 (149). 1037 Reichert, VereinsR, Rz. 3375. 1038 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 229. 1039 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 229. 1040 PHB SportR-Summerer II 3/306. 1041 PHB SportR-Summerer II 3/306. 1035

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durch die Anwendung des Anscheinsbeweises die beschriebene Problemlage in der Situation eines non liquet deutlich aufgeweicht. Hinsichtlich einer Befürwortung des Anscheinsbeweises kann schließlich auch der Gedanke des fair-trial-Prinzips angeführt werden: Der Sportler muss einerseits nicht zu seiner eigenen Überführung beitragen, andererseits verbleibt ihm das Ahndungsrisiko, verantwortungsvoll und umsichtig mit allem umzugehen, was nicht zum sportbezogenen Training gehört, wie beispielsweise die Zusichnahme von Nahrungsergänzungsmitteln1042. Schließlich entspricht diese Form der Beweisführung dem verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich im Sinne einer praktischen Konkordanz zwischen dem durch Art.  9 GG gewährleisteten Recht zur eigenen Interessenwahrung auf Seiten des Sportfachverbandes, dem staatliche Zwangsmittel zur Ahndung und Sanktionierung gerade nicht zur Verfügung stehen1043, und der grundrechtlich geschützten Position der Mitglieder bzw. des betroffenen Sportlers1044. Demzufolge ist eine Beweislastumkehr durch die Anwendung einer modifizierten strict liability abzulehnen und das Verschulden des Sportlers vom Sportfachverband im Wege des Anscheinsbeweises zu führen. e) Zwischenfazit Der Verband trägt die Beweislast für den objektiven Dopingverstoß. Zudem hat er den Nachweis für das Verschulden des Sportlers zu erbringen. Diesbezüglich gilt das Auffinden einer verbotenen Substanz im Körper des Athleten als Vermutung dafür, dass zuvor eine schuldhafte Anwendung der Substanz erfolgt ist1045. Der betroffene Athlet kann diesen Anschein durch das Aufzeigen ernsthaft in Betracht zu ziehender, alternativer Kausalverläufe erschüttern, wodurch wiederum die volle Beweislast des Verbandes hinsichtlich des subjektiven Dopingverstoßes wieder auflebt. Sofern diesem dann keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen, müsste er von einem fehlenden Verschulden ausgehen und könnte keine Dopingsanktion verhängen1046.

1042

PHB SportR-Summerer II 3/306. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S.  342; Haas/Adolphsen NJW 1996, 2351 (2352); Kühl, Zur Zulässigkeit von Blut-/Urin-Dopingtests, 31 (34); Disziplinarausschuss-DLV SpuRt 2002, 79 (83). 1044 Ähnlich Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 281, 283, der ebenfalls auf die praktische Konkordanz verweist sowie die Nachweispflicht des Verbandes für das Verschulden aus dem prozessual wirksamen Verhältnismäßigkeitsprinzip zum Schutz der Grundrechte des Sportlers herleitet. 1045 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 125, 230; PHB SportR-Summerer II 3/309; Fenn/Petri, SpuRt 2000, 232 (235). 1046 Adolphsen, SpuRt 2000, 97 (100). 1043

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3. Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren für Verstöße gegen Art. 2.1 NADA-Code Die jeweilige Antidopingkommission muss für den Dopingnachweis im Sinne von Art.  2.1 NADA-Code unter Berücksichtigung der Schwere des behaupteten Vorwurfs überzeugend darlegen, dass ein Verstoß gegen die Anti-Doping-Bestimmungen vorliegt1047. Dabei gilt für eine erfolgreiche Beweisführung ein Beweismaß, welches höher als eine bloße Wahrscheinlichkeit ist („greater than  a mere balance of probability“), jedoch geringer als ein Beweis, der jeden vernünftigen Zweifel ausschließt („beyond reasonable doubt“)1048. Diese nicht nur für den juristischen Laien sehr vage Formulierung nimmt stärkere Konturen an, wenn an dieser Stelle bereits eine Differenzierung im Hinblick auf die Art der in der positiven Probe gefundenen, verbotenen Substanz durchgeführt wird. Diese können in solche eingeteilt werden, die körpereigen produziert werden (endogene Substanzen) und solche, die nur durch Einführung von außen in den Körper gelangen können (exogene Substanzen). Vor dem Hintergrund dieser Zweiteilung leuchtet es ein, dass für endogene und exogene Stoffe unterschiedliche Beweismaßstäbe angelegt werden müssen. a) Beweismaß einer positive Dopingprobe bezüglich eines exogenen Stoffes Das Auffinden einer exogenen Substanz im Körper des Athleten stellt sich zunächst als das für den konkreten Dopingnachweis einfachere Verfahren dar. Denn sofern die verbotene Substanz nicht vom Körper selbst produziert werden kann, muss deren Auffinden im Körper als Beweis für eine manipulative Einführung von außen gewertet werden1049. Damit wird einzig an den tatsächlichen Zustand des Körpers des Athleten und nicht an sein Handeln angeknüpft1050. Folglich ist allein das Vorhandensein der verbotenen Substanz bzw. eines Metaboliten als Anscheinsbeweis dafür anzusehen, dass eine verbotene Substanz wissentlich dem Körper von außen zugefügt worden ist1051. Damit sind der objektive und subjektive Dopingtatbestand im Sinne von Art.  2.1 NADA-Code gegeben; ein Dopingvergehen liegt nach Art. 2.1.2 NADA-Code endlich vor, sofern die Analyse in einem akkreditierten Labor erfolgt ist und der betroffene Sportler auf eine Analyse der B-Probe verzichtet hat. Ansonsten ist die B-Probe der eigentliche Anknüpfungspunkt für den Beweis des Dopingvergehens1052. 1047

Vgl. Art. 3.1 NADA-Code. Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2007, 82 (84). 1049 Siehe Art. 2.1.3 NADA-Code. 1050 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 124. 1051 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 124. 1052 Siehe oben, S. 171–174. 1048

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b) Beweismaß einer positiven Dopingprobe bezüglich eines endogenen Stoffes Problematischer erweist sich hingegen der Dopingnachweis hinsichtlich solcher Substanzen, die auch endogenen Ursprungs sein können. Darunter sind solche Stoffe zu verstehen, die (auch) vom Organismus selbst synthetisiert werden können. Zu nennen sind hier insbesondere Testosteron, Epitestosteron und Nandrolon1053. Durch die positive Dopingprobe hinsichtlich solcher Substanzen wird aufgezeigt, dass sich eine verbotene Substanz in einer Konzentration oberhalb der Nachweisgrenze im Körper des Athleten befunden hat. Sie lässt jedoch keine Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Anwendung und den Grad des Verschuldens zu. Ferner kann keine Klarheit darüber geschafft werden, ob die Substanz auf eine körpereigene Produktion oder auf eine externe Zufuhr zurückgeführt werden kann1054, ob es sich um eine Anwendung mit einer länger zurückliegenden, hohen Dosis oder um eine zeitlich näher liegende Anwendung mit einer geringen Dosis handelt1055. Sie lässt auch noch nicht den Schluss zu, dass sie von außen zugefügt worden ist und es sich um eine unerlaubte Einnahme handelt. Der positiven Probe ist daher eine eingeschränkte Beweiskraft zuzusprechen. Jene Beschränkung lässt sich nur durch das Hinzutreten weiterer Verfahren bzw. bestimmter Parameter kompensieren, mit denen bewiesen wird, dass es sich nicht um eine endogene Produktion der gefundenen Substanz handelt und demzufolge die Substanz von außen zugeführt worden ist1056. In diesem Zusammenhang kommen die direkte und indirekte Nachweismethode sowie das Abstellen auf bestimmte Grenzwerte in Betracht. aa) Direkte Nachweismethode Mittels der direkten Nachweismethode kann unmittelbar zwischen der natürlich und der künstlich hergestellten Substanz unterschieden werden. Beispielhaft sei hier die so genannte Isotopenmethode erwähnt, mit der künstliches Testosteron identifiziert werden kann. Sofern dies gelingt, kann nach den Regeln der Lebenserfahrung typischerweise davon ausgegangen werden, dass es von außen zugefügt worden ist1057. Demnach ist beim Auffinden von Testosteron in einer Dopingprobe das Nachweisverfahren der Isotopenmassenspektrometrie1058 hinzuzuziehen, um einen tatbestandlichen Dopingnachweis zu führen. 1053

Paul, Grenzwerte im Doping, S. 242. Siehe dazu auch Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2007, 82 (84). 1055 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 176. 1056 DLV-Disziplinarausschuss SpuRt 2002, 79 (82); Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2007, 82 (84). 1057 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 242. 1058 Vgl. zum genaueren wissenschaftlichen Hintergrund der Isotopenmassenspektrometrie Paul, Grenzwerte im Doping, S. 79–81. 1054

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bb) Indirekte Nachweismethode Im Rahmen der indirekten Nachweismethode wird auf diejenigen Parameter abgestellt, die sich im Fall einer künstlichen Zuführung der Substanzen verändern. Diese Methode kommt dann zur Anwendung, wenn kein bzw. noch kein wissenschaftlich fundierter Nachweis für die künstliche Variante einer natürlichen Substanz existiert1059. Als Beispiel kann hier der so genannte T/E-Quotient (Testosteron/Epitestosteron-Quotient) herangezogen werden, mit dem vor Einführung der Isotopenmethode der Nachweis für die Einnahme von künstlich hergestelltem Testosteron geführt wurde. Während bei der Anwendung von künstlichem Testosteron vermehrt selbiges über den Urin ausgeschieden wird, bleibt der Wert des mit Testosteron verwandten Epitestosterons gleich. Dadurch lässt sich bei Abstellen auf eine natürliche Produktion von Testosteron ein bestimmter und konstanter Quotient bilden, der im natürlichen körperlichen Zustand maximal ein Verhältnis von 6:1 erreichen kann. Folglich lässt ein größerer Quotient als jener nach wissenschaftlichem Kenntnisstand den Schluss auf die Anwendung von Testosteronpräparaten zu1060. Damit ist ein weiteres geeignetes Beweisverfahren gegeben, sofern medizinisch-wissenschaftlich sichergestellt worden ist, dass dieser Parameter bei „sauberen“ Athleten nicht höher als 6:1 sein kann1061. cc) Grenzwerte Schließlich bleibt in Ermangelung solcher Nachweismethoden noch die Möglichkeit des Abstellens auf die Grenzwertmethode. Dabei wird, basierend auf gesicherte medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen, ein Grenzwert eingeführt, der bei bestimmten Stoffen den erlaubten natürlichen Zustand von der verbotenen Manipulation zu trennen vermag1062. Der Dopingnachweis muss sich demnach darauf erstrecken, dass die gefundene Konzentration deutlich über demjenigen Maß liegt, welches noch auf eine körpereigene Produktion zurückgeführt werden kann und jene dadurch weitestgehend ausgeschlossen ist1063. Erst bei einem solchen Überschreiten des physiologischen Bereichs kann typischerweise eine bewusste Zuführung der Substanz angenommen werden. Umgekehrt ist bei einer vorhandenen Konzentration, die noch im körpereigenen Produktionsbereich liegt, davon auszugehen, dass diese Substanz noch vom Körper selbst produziert worden ist. Grenzwerte werden in der Regel bei Substanzen festgelegt, die im Training erlaubt sind, in Nahrungsmitteln vorkommen, durch Passivrauchen aufgenommen werden können oder körperidentisch sind, um damit dann eine exogene Zufuhr von einer 1059

Paul, Grenzwerte im Doping, S. 243. Paul, Grenzwerte im Doping, S. 79. 1061 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 243. 1062 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 243. 1063 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 243. 1060

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körpereigenen Synthese zu differenzieren. Beispielsweise ist für Nandrolon in Abgrenzung zu einer endogenen Produktion mittlerweile sowohl für Männer als auch für Frauen ein Grenzwert von 2 ng festgelegt worden1064. Darüber hinaus sind zu den klassischen Grenzwertsubstanzen Koffein1065, Ephedrin1066 und Cannabis1067 zu zählen. dd) Zwischenergebnis zum Beweiswert einer positiven Dopingprobe bezüglich eines endogenen Stoffes Sofern nun die Analyse eines akkreditierten Labors ergibt, dass in Ermangelung direkter oder indirekter Nachweismethoden der für eine endogen produzierbare Substanz nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand festgelegte Grenzwert überschritten worden ist, wird damit zweierlei bewiesen: Zum einen wird dadurch aufgezeigt, dass sich eine verbotene Substanz im Körper des Athleten befunden hat. Dies stellt zum anderen einen objektiven Dopingverstoß im Sinne des Art. 2.1 NADA-Code dar, wenn durch die Antidopingorganisation zugleich bewiesen wird, dass es sich nicht um eine endogene Produktion dieser Substanz handelt, sondern diese exogenen Ursprungs ist. Dies gelingt durch das Überschreiten des festgelegten Grenzwertes, sofern dieser nach wissenschaftlichem Kenntnisstand so statuiert ist, dass oberhalb dieses Wertes keine endogene Produktion vorliegen kann und es sich somit definitiv um eine exogene Zuführung handelt1068. Dieser Rückschluss kann aber nur dann gezogen werden, wenn sich der Grenzwert an dem so genannten Normwert der jeweiligen Substanz orientiert bzw. darüber liegt1069. Unter dem Normwert ist diejenige Konzentration zu verstehen, die auf natürlichem Wege – sei es durch körpereigene Produktion oder durch gewöhnliche Aufnahme mit der Nahrung – nicht mehr erreicht werden kann1070. Nur durch eine Überschreitung dieses Normgrenzwertes liegt zugleich das konstitutive Merkmal des für die Anwendung des Anscheinsbeweises notwendigen, typischen Erfahrungssatzes vor. Denn eine derartige Überschreitung stellt einen typischen Geschehensablauf dar, der den Schluss auf eine bewusste Einnahme unzulässiger leistungssteigernder Mittel zulässt1071, da davon ausgegangen werden kann, dass eine unbewusste 1064

Der Grenzwert für Frauen lag zunächst bei 5 ng, wurde jedoch 2004 von der WADA herab­ gesetzt. Zur Erschütterungsmöglichkeit wegen eines unzureichenden Grenzwertes siehe unten, S. 201–203. 1065 Koffein gilt mittlerweile nicht mehr als verbotene Substanz. Siehe dazu die Verbotsliste WADA-Code 2013, S. 7. 1066 Nach der WADA-Verbotsliste 2013 zählt Ephedrin ab einer Konzentration von 10 Mikrogramm/ml zu den im Wettkampf verbotenen Substanzen. 1067 Cannabinoide sind nach der WADA-Verbotsliste 2013 mittlerweile grenzwertunabhängig im Wettkampf verboten. 1068 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 244. 1069 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 179. 1070 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 178. 1071 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (77).

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Einnahme über verunreinigte Nahrung1072 oder die Herbeiführung durch eine körpereigene Produktion nicht zu einer Überschreitung des Normgrenzwertes führen kann1073. Sofern sich der festgelegt Grenzwert nicht an dem Normgrenzwert orientiert, sondern darunter liegt, muss dieser daher für eine rechtmäßige Anwendung des Anscheinsbeweises deutlich überschritten sein. Andernfalls kann der besagte typische Erfahrungssatz nicht aufgestellt werden1074. Im Falle einer lebenslangen Sperre muss dieser Grenzwert gar an der obersten Grenze dessen angesetzt werden1075. Diese dadurch erhöhte Voraussetzung für die Anwendung der Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises verdient Zustimmung. Zwar sind Schuldvermutungen vor dem Hintergrund einer effektiven Dopingbekämpfung notwendig, doch bewegen sie sich angesichts der grundrechtlichen Auswirkungen einer Sperre1076 rechtlich gesehen stets an der Grenze der Zulässigkeit1077. Eine in Grundrechte eingreifende Sanktionierung mittels des Aussprechens einer Sperre kann daher zulässig sein, wenn „gesichert feststeht“, dass der betroffene Sportler auch durch aktives Handeln verantwortlich für die in seinem Körper gefundene Substanz ist1078. Eine solche Annahme kann aber wie aufgezeigt erst ab einem deutlichen Überschreiten aufgestellt werden. Hinsichtlich des Verschuldensnachweises (subjektiver Dopingverstoß) findet somit der Anscheinsbeweis Anwendung, sofern ein ausreichend hoher Grenzwert festgelegt ist. Ist dieser überschritten, sind objektiver und subjektiver Doping­ tatbestand in Zusammenhang mit dem Nachweis nach Art.  2.1. NADA-Code bei endogen produzierbaren Substanzen gegeben, falls eine Erschütterung nicht gelingt. c) Erschütterung im Disziplinarverfahren Dem betroffenen Sportler steht es jedoch offen, die Vermutung der bewussten Zuführung sowohl für endogene als auch exogene Substanzen durch die Darstellung alternativer Kausalverläufe zu widerlegen und damit den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Diesbezüglich bestehen nun wiederum zwei wesentliche Möglichkeiten, einen Gegenbeweis zu erbringen: Es können zum einen in formeller Hinsicht Abweichungen im Hinblick auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften für die

1072

Siehe dazu unten, S. 203–206. OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (77). 1074 So auch im Ergebnis Sportschiedsgericht Frankfurt, SpuRt 2007, 82 f. 1075 SportSchG, Schiedsspruch v. 19.6.2012, S.  32, abrufbar unter der Rubrik „Rechtsprechung“ auf http://www.dis-sportschiedsgericht.de/. 1076 Siehe dazu oben, S. 151–151. 1077 Pfister, SpuRt 2008, 1 (2/3). 1078 Pfister, SpuRt 2008, 1 (2). 1073

C. Einleitung des Dopingsanktionsverfahrens 

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Probenentnahme und -analyse geltend gemacht werden. Sofern dies gelingt, muss die Antidopingorganisation daraufhin den Gegenbeweis erbringen, dass diese Abweichungen keinen Einfluss auf das Analyseergebnis hatten1079. Zum anderen kann bei endogen produzierbaren Substanzen die Grenzwertfestlegung hinterfragt werden. Schließlich ist dem Sportler die Möglichkeit einzuräumen, die mit einer positiven Probe einhergehende Vermutung einer bewussten oder fahrlässigen Einnahme durch den Nachweis einer nahrungstechnischen oder medikamentösen Verunreinigung1080 oder Drittmanipulation widerlegen zu können1081. aa) Erschütterung wegen Fehlern in der Dopinganalyse Der Beweiswert einer positiven Dopingprobe im Sinne eines Anscheins für eine schuldhafte, das heisst von außen erfolgte Zuführung der Dopingsubstanz muss indes hinterfragt werden können, sofern Zweifel an der Identität oder Integrität der Dopingproben vorhanden sind und damit keine Gewähr mehr für die Einhaltung der „chain of custody“ aufrecht erhalten werden kann. Für die konkrete beweisrechtliche Erschütterung muss der betroffene Athlet tatsächliche Anhaltpunkte substantiiert darlegen, bei deren Vorliegen eine Beweislastumkehr zu Lasten des Sportfachverbandes eintritt1082. Von einer erfolgsversprechenden Erschütterung ist jedenfalls in den Fällen auszugehen, in denen die Proben beschädigt sind oder die Versiegelung nicht mehr vorhanden ist, der Athlet oder dessen Vertreter bei der Öffnung der B-Probe nicht anwesend gewesen sind, ein unzuständiges bzw. nicht akkreditiertes Labor die Analyse vorgenommen hat oder diesbezüglich ein falsches Verfahren verwendet worden ist. Wegen der hohen Regelungsdichte des WADA-Codes und der dazugehörigen Ausführungsbestimmungen1083 sind die Unzuständigkeit eines Labors oder ein falsches Analyseverfahren im Gegensatz zu beschädigten Proben oder der Verletzung des Anwesenheitsrechts im Hinblick auf eine erfolgreiche Erschütterung jedoch eher von theoretischer Natur. bb) Erschütterung wegen eines unzureichenden Grenzwertes Die Annahme, dass oberhalb eines konkret festgelegten Grenzwertes keine endogene Produktion mehr möglich ist, kann vom Sportler angezweifelt werden. Dies geschieht in der Regel wegen der dafür notwendigen naturwissenschaftlichen Kenntnisse durch Sachverständigenbeweis. Der Grenzwert ist demnach in Relation zum aktuellen naturwissenschaftlichen Kenntnisstand keine dauerhafte Kon 1079

CAS SpuRt 2005, 162 (163). Paul, Grenzwerte im Doping, S. 179. 1081 Jedoch muss er gemäß Art. 10.5.1 NADA-Code genau nachweisen, auf welchem Wege die verbotene Substanz in seinen Organismus gelangt ist. 1082 Siehe oben, 174-177. 1083 Dies bezieht sich vor allem auf den „International Standard for Laboratories“. 1080

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

stante und kann im Dopingverfahren über Sachverständige wegen des Vorliegens neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse hinterfragt werden1084. Jedoch wird dies nur selten dazu führen, dass der objektive Dopingverstoß auf Grund einer falschen Grenzwertfestlegung ausscheiden muss. Denn regelmäßig werden Grenzwerte mit einem ausreichenden „Puffer“ festgelegt1085, so dass oberhalb dieser Grenze eine endogene Produktion als sehr unwahrscheinlich erscheint. Besondere Aufmerksamkeit muss in diesem Zusammenhang dem Beschluss des OLG Dresden im „Balzer-Fall“ gewidmet werden. Dieses entschied, dass selbst ein im Nachhinein auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht mehr haltbarer Grenzwert keine Auswirkungen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit einer Sperre nach sich zu ziehen vermag, sofern der geltende Grenzwert überschritten wurde und sich der nachweispflichtige Sportfachverband im Rahmen des daraus resultierenden Disziplinarverfahrens durch die Anhörung wissenschaftlicher Sachverständiger mit den möglichen Einwänden gegen den geltenden Dopinggrenzwert auseinander gesetzt hat1086. Hier liegt der Schluss nahe, dass sich dieser Beschluss an einer teilweise im Verwaltungsrecht vertretenen Ansicht orientiert, wonach maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme – dort der Erlass eines Verwaltungsaktes – die geltende Sach- und Rechtslage im Moment der Behördenentscheidung sein soll1087. Möglicherweise weist der OLG-Beschluss damit grundlegende Folgen für die Voraussetzungen der Erschütterung eines Grenzwertes im Dopingsanktionsverfahrenen auf. Denn diese Auffassung würde dazu führen, dass der Sportler keine Möglichkeit hätte, die Grenzwertfestlegung überhaupt anzugreifen und damit den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Die Verteidigungsrechte des Sportlers wären durch den Beschluss des OLG Dresden in nicht hinnehmbarer Weise eingeschränkt, dem deshalb argumentativ nicht gefolgt werden könnte, sofern er Allgemeingültigkeit beanspruchen würde. Allerdings muss in diesem Zusammenhang das konkrete Klagebegehren Berücksichtigung finden. Danach sollte die Wettkampfsperre von zwei Jahren wegen Verstoßes gegen die §§ 20, 33 GWB aufgehoben werden. Dies setzte neben einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zusätzlich das Merkmal der Unbilligkeit voraus1088. Eine solche könne nur angenommen werden, wenn es dem Sportfachverband als Unternehmen möglich gewesen wäre, sich anders zu verhalten, was nach damaligem Kenntnisstand und der erfolgten Hinzuziehung von Sachverständigen nicht der Fall gewesen wäre1089. Vor diesem Hintergrund – insbesondere wegen des Maßstabes der Unbilligkeit nach § 20 Abs. 6 GWB – erweist es sich als nachvollziehbar, dass auf dem Beurteilungszeitpunkt im Moment des Erlasses der Wettkampfsperre durch den Sportfachverband abgestellt wird und sich die Entscheidung unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten als rechtmäßig erweist. Jedoch 1084

Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2007, 82 (84/85). Paul, Grenzwerte im Doping, S. 179. 1086 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (78). 1087 Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rz. 31. 1088 Siehe oben, S. 64–65. 1089 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (77/78). 1085

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orientiert sich die Rechtmäßigkeit einer Sperre nicht immer an den Voraussetzungen des Kartellrechts. Sofern sie Gegenstand eines Schiedsgerichtsverfahren oder eines verbandsgerichtlichen Verfahrens ist, muss auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt werden. Dies entspricht dem Gebot materieller Gerechtigkeit und dem Wesen des Anscheinsbeweises, wonach zumindest immer die Möglichkeit einer Erschütterung für den Betroffenen offen stehen muss. Dem Beschluss des OLG Dresden im „Balzer-Fall“ kann im Ergebnis daher keine Allgemeingültigkeit hinsichtlich der Erschütterungsmöglichkeit wegen eines unzureichenden Grenzwertes zugesprochen werden. Diese steht dem Sportler offen, dürfte im Einzelfall aber nur selten gelingen. Vorteilhafter im Sinne einer beweisrechtlich relevanten Angriffsmöglichkeit erweist sich allerdings die Herabsetzung eines bestimmten Grenzwertes1090. Sofern oberhalb des neuen Grenzwertbereiches wissenschaftlich fundierte Fälle natürlicher Produktion des Grenzwertstoffes aufgezeigt werden können, führen diese zu Zweifeln an der Zulässigkeit des festgelegten Grenzwertes und im Ergebnis zur Erschütterung des Anscheinsbeweises. Dem beweispflichtigen Sportfachverband steht in dieser Situation zwar noch die Möglichkeit offen, den Nachweis auf anderem Wege zu erbringen. Dies wird in der Regel aber nur dann erfolgsversprechend sein, wenn mittlerweile nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand auf eine direkten Nachweismethode zurückgegriffen werden kann, mit der zuverlässig zwischen einem endogenen und einem exogenen Ursprung unterschieden werden und zugleich bewiesen werden kann, dass die Substanz dem Körper von außen zugeführt wurde1091. cc) Erschütterungsmöglichkeit durch den Nachweis gewöhnlicher Ernährung oder unbewusster Aufnahme von kontaminierter Nahrung Der Sportler kann ferner anführen, dass die positive Dopingprobe auf seine gewöhnliche Ernährung rückführbar ist. Diesbezüglich ist zunächst zwischen denjenigen Substanzen, die gewöhnlicherweise in der Nahrung enthalten sind (alltäglich vorkommende Substanzen) und solchen zu differenzieren, die es nicht sind (nicht alltägliche Substanzen). Letzteres erfasst den Fall kontaminierter Nahrungsmittel.

1090 Siehe zur Herabsetzung des Grenzwertes für Nandrolon bei Frauen von 5 ng/ml auf 2 ng/ml den dazugehörigen Fall vor dem Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2007, 82 f. 1091 Sportschiedsgericht Frankfurt SpuRt 2007, 82 (85).

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(1) Alltäglich vorkommende Substanzen Alltäglich vorkommende Substanzen wie zum Beispiel Koffein1092 werden im Zuge der normalen täglichen Nahrungseinnahme aufgenommen. Eine derartige Einnahme ist dem Sportler grundsätzlich gestattet1093. Folgerichtig muss der Grenzwert für diese Substanzen so bemessen sein, dass dessen Überschreitung außerhalb dessen liegt, was durch einen normalen Konsum noch erreicht werden kann1094. Daraus folgt zugleich, dass im Falle einer Dopingprobe, bei der eine Konzentration oberhalb des Grenzwertes nachgewiesen wird, dem betroffenen Sportler die Erschütterung einer unverschuldeten Aufnahme der Substanz im Wege eines normalen Konsums nicht gelingen wird. Als problematisch kann sich in diesem Zusammenhang jedoch die Definition eines „normalen Konsums“ erweisen. Denn darunter kann sowohl das tägliche Trinken von 2 – 3 Tassen Kaffee oder aber auch einer ganzen Kanne verstanden werden. Zudem gibt es teilweise auch kulturelle Unterschiede im Hinblick auf landestypische Ernährungsgewohnheiten, so dass es beispielsweise häufiger vorkommen kann, Fleisch inklusive der Innereien zu sich zu nehmen und dadurch den festgelegten Grenzwert für Nandrolon zu überschreiten1095. Ein unterschiedlicher „normaler“ Konsum kann jedoch nicht dazu führen, dass es unterschiedliche Grenzwerte für alltäglich vorkommende Substanzen geben muss; dies würde uferlos werden und sogleich das Grenzwertsystem für diese Substanzen konterkarieren. Zwar ist ein an 2–3 Tassen Kaffee orientierter Koffein-Grenzwert sicherlich für einige Athleten als zu niedrig anzusehen. Diesen wird aber im Falle einer positiven Probe noch eher die Erschütterung gelingen, dass die Überschreitung des Grenzwertes Folge ihres normalen Konsum gewesen ist1096. Selbiges gilt im Hinblick auf unterschiedliche kulturelle Ernährungsgewohnheiten. Eine Erschütterung des Anscheinsbeweises für einen schuldhaften Dopingverstoß im Zu­ sammenhang mit alltäglich vorkommenden Substanzen ist demzufolge außerhalb dieser Sonderfälle nicht möglich. (2) Nicht alltägliche Substanzen Hinsichtlich des Vorliegens eines alternativen Geschehensablaufs wird von den betroffenen Athleten oftmals die Einnahme verunreinigter Nahrung angeführt. 1092 Koffein wird nach aktuellem Stand der Verbotsliste des WADA-Codes nicht zu den verbotenen Substanzen gezählt. Siehe auch Fn. 1066. Früher ist jedoch ein Grenzwert für Koffein teilweise festgelegt gewesen. Siehe dazu beispielsweise den Beschluss des DLV-Schiedsgerichtes SpuRt 1996, 210 f. 1093 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 246. 1094 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 246. 1095 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 265. 1096 Siehe dazu DSV-Schiedsgericht SpuRt 1994, 210 (212).

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Darunter sind solche Kontaminationen zu verstehen, die auf Substanzen rückführbar sind, die üblicherweise nicht in Nahrungsmitteln enthalten sind und somit unbemerkt über die normale Nahrung aufgenommen werden1097. Beispielhaft sei an dieser Stelle der Einsatz von Clenbuterol und Nandrolon in der Tiermast erwähnt1098, der wiederum zu einer Verunreinigung und einer damit einhergehenden, über den Grenzwert liegenden Konzentration führen könnte. Eine Erschütterung wegen einer solchen Verunreinigung erfordert zunächst eine Untersuchung, ob die nachgewiesene Substanz überhaupt in der jeweiligen Nahrung enthalten sein und die Aufnahme selbiger überhaupt zu der konkret nachgewiesenen Konzentration führen kann. Auf dieser Grundlage kam beispielsweise der DLV-Rechtsausschuss im Rahmen eines Disziplinarverfahrens gegen eine Athletin, bei der in einer Urinprobe Dehydrochlormethyltestosteron (DCMT) gefunden wurde und diese zu ihrer Entlastung unter anderem auf eine unbewusste Aufnahme über die Nahrung verwies, zu dem Ergebnis, dass eine solche Möglichkeit gar nicht in Betracht kommen könne. Denn die aufgefundene Konzentration setze eine orale Applikation von DCMT voraus, weshalb in der Tiermast dies zumindest in das Futter gemischt werden müsste. Jedoch hätten Untersuchungen in diesem Zusammenhang ergeben, dass selbst in einem solchen Fall der Verzehr eines mit DCMT behandelten Tieres überhaupt nicht zu der aufgefundenen Konzentration führen kann1099. Zu demselben Ergebnis gelangte der DLV-Disziplinarausschuss im Disziplinar­ verfahren gegen den Leichtathleten Falk Balzer in Bezug auf dessen Einwand, das positive Nandrolonergebnis sei auf den Verzehr von damit kontaminiertem Fleisch zurückzuführen. Hinsichtlich dieser Behauptung ist jedoch festgestellt worden, dass in Deutschland ein solcher Fall des Einsatzes von messbaren Mengen an Nandrolon in der Tiermast nicht bekannt ist, da es seit geraumer Zeit nicht mehr verwendet wird1100. Damit würde es grundsätzlich an tatsächlichen Anhaltspunkten für eine solche Annahme fehlen1101. Doch selbst wenn von der Möglichkeit einer solchen Kontamination ausgegangen werden würde, könnte sie in der Regel den Anscheinsbeweis wegen der oftmals deutlichen Grenzwertüberschreitung nicht erschüttern. Denn bei einer fleischbedingten Verunreinigung würde die durch die Probenentnahme bestimmte Konzentration nur für wenige Stunden erreicht werden können1102. Folgerichtig müsste der Sportler genau am Tag der Probenentnahme die verunreinigte Nahrung1103 zu sich genommen haben und selbst dies führe in der Regel nicht zu einer deutlichen Überschreitung des Grenzwer 1097

Paul, Grenzwerte im Doping, S. 118. OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (77). Siehe dazu auch den „Fall Alberto Contador“ unten, S. 220–228. 1099 DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 74 (77). 1100 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (77). 1101 DLV-Disziplinarausschuss SpuRt 2002, 79 (82). 1102 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (77); Paul, Grenzwerte im Doping, S. 120. 1103 In der Regel wird es für eine Grenzwertüberschreitung sogar notwendig sein, direkt die Fleischstelle zu konsumieren, in die das Mastmittel bzw. die verbotene Substanz injiziert wurde. Siehe dazu Paul, Grenzwerte im Doping, S. 120. 1098

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tes, was grundlegende Voraussetzung für den zuvor festgestellten objektiven Dopingtatbestand ist. Sofern der angegebene Konsum noch weiter zurückliegt, folge aus diesem Umstand, dass eine nahrungstechnische Verursachung der Konzentration quasi ausgeschlossen ist; vor allem, wenn sich der festgelegte Grenzwert am Normgrenzwert orientiert1104. Sofern hingegen zumindest die theoretische Möglichkeit einer solchen Kontamination besteht, muss nach tatsächlichen Anhaltspunkten gesucht werden, die überhaupt eine Verunreinigung begründen können. Sind solche jedenfalls nicht auffindbar oder können sie nicht bewiesen werden, ist eine Kontamination ausgeschlossen und es verbleibt bei der beweistechnischen Vermutung, dass die Substanz von außen bewusst zugeführt wurde1105. Demzufolge wird die Behauptung, dass das positive Analyseergebnis auf die Einnahme verunreinigter Nahrung zurückzuführen ist, in der Regel den Anscheinsbeweis nicht erschüttern1106. dd) Erschütterungsmöglichkeit durch verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente Die positive Dopingprobe eines betroffenen Sportlers kann aber auch auf verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente rückführbar sein. Problematisch ist indes, ob in solchen Fällen und insbesondere bei einer nachgewiesenen Unwissenheit auf Seiten des Sportlers dahingehend, dass diese Mittel verbotene Substanzen enthalten haben, der Anscheinsbeweis der Probe erschüttert werden kann.

1104

Siehe oben, S. 198–199. Siehe ausführlich zur Erschütterungsmöglichkeit wegen kontaminierten Fleisches nach internationalem Beweisrecht den „Fall Alberto Contador“, unten, S. 220–228. 1106 Eine Ausnahme dazu bildet der Doping-Fall des Tischtennisspielers Dimitrij Ovtcharov. Bei ihm wurde sowohl mit der A- als auch mit der B-Probe Clenbuterol nachgewiesen. Ovtcharov konnte jedoch nachweisen, dass er zuvor im Rahmen einer Chinareise der Nationalmannschaft kontaminiertes Fleisch zu sich genommen habe. Denn im Gegensatz zum europäischen Rechtsraum ist dort der Einsatz von Clenbuterol in der Tiermast verbreitet. Darüber hinaus erwies sich eine Haarprobe von Ovtcharov als negativ; bei einer zuvor ergangenen dopingrelevanten Anwendung hätte diese auch positiv sein müssen. Daher lagen substantiiert dargelegte Anhaltspunkte vor, die im ausreichenden Maße Zweifel am Vorliegen eines typischen Geschehensablaufes im Hinblick auf einen schuldhaften Dopingverstoß begründen konnten. Damit konnte Ovtcharov den Anscheinsbeweis der positiven Dopingprobe in diesem Fall erschüttern. Siehe dazu den Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 15.10.2010, abrufbar unter http://www.sued deutsche.de/sport/dopingfall-ovtcharov-freispruch-trotz-positiver-tests-1.1012604 sowie den Artikel auf Spiegel Online vom 15.10.2010, abrufbar unter http://www.spiegel.de/sport/sonst/ entlastung-fuer-tischtennis-star-ovtcharov-vom-dopingvorwurf-freigesprochen-a-723254.html. 1105

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(1) Verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel Unter Nahrungsergänzungsmitteln sind Substanzen zu verstehen, die nicht regelmäßiger Bestandteil der gewöhnlichen Ernährung sind1107. Sie werden als Lebensmittel behandelt, die in untypischer Weise abgegeben werden, so dass sie in der Regel nicht als verbotene Substanzen klassifiziert sind. Ihre Verwendung ist demnach erlaubt. Häufig enthalten sie jedoch Steroide wie beispielsweise die verbotene Substanz Nandrolon oder auch Prohormone, so dass ihre Anwendung zum Beispiel zur Überschreitung des Nandrolon-Grenzwertes führen kann, da dieser eine solche Kontamination nicht mitberücksichtigt1108. Ergibt sich aus einem „kontaminierten“ Nahrungsergänzungsmittel ein positiver Analysebefund, so stellt dies einen Dopingverstoß nach Art. 2.1 NADA-Code dar. Zugleich wird per Anscheinsbeweis auf eine schuldhafte, das heisst bewusste Anwendung durch den Sportler geschlossen. Gelingt es diesem darzulegen, nichts von der Verunreinigung gewusst zu haben, kann zwar der Vorwurf einer bewussten Einnahme nicht mehr aufrecht erhalten werden1109, sofern zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Nahrungsergänzungsmittel die verbotene Substanz enthält und dessen Einnahme auch zu der aufgefundenen Konzentration führen kann1110. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zu einem Ausschluss des Verschuldens, da ihn insoweit noch ein Fahrlässigkeitsvorwurf treffen kann. Auch diesbezüglich steht dem Sportler der Gegenbeweis offen. Ein solcher Vorwurf und damit zugleich ein schuldhaftes Verhalten stehen in diesem Zusammenhang zweifellos fest, wenn ein Erkundigen oder ein Informieren über die Inhalte des Produkts ergeben hätte, dass verbotene Substanzen in diesem enthalten sind. Als problematischer erweist sich jedoch die Situation, in der das jeweilige Nahrungsergänzungsmittel als frei von verbotenen Substanzen deklariert ist. Dann wird der betroffene Sportler im Wege seines Erschütterungsversuchs anführen, er hätte keine Kenntnis von der Kontamination des Nahrungsergänzungsmittels gehabt bzw. haben können, da nicht auf die verbotene Substanz hingewiesen worden ist. Jedoch ist zu fragen, ob mit dem Verweis auf eine unwissentliche Kontamination die Erschütterung zu gelingen vermag. Möglicherweise muss ein verseuchtes Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich in die Risikosphäre des Sportlers fallen, so dass dessen bloße Verwendung wegen der grundsätzlich bestehenden Kontaminationsgefahr bereits als fahrlässig und somit schuldhaft anzusehen ist. Dafür könnte sprechen, dass es sich bei Nahrungsergänzungsmitteln – trotz ihrer Kategorisierung als Lebensmittel – nicht um gewöhnliche Bestandteile der alltäglichen Ernährung handelt und daher an einer Erschütterung andere Anforderungen zu stellen sind als bei derjenigen im Zusammenhang mit kontaminierten Nahrungsmitteln. Dafür spricht auch der Umstand, dass im Gegensatz zur Nahrung kein 1107

Paul, Grenzwerte im Doping, S. 107. Paul, Grenzwerte im Doping, S. 264. 1109 Pfister, SpuRt 2003, 16 (17). 1110 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (78). 1108

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Zwang besteht, Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen1111. Andererseits würde die Annahme eines Verschuldens bei der bloßen Verwendung eines Nahrungsergänzungsmittels dazu führen, dass eine Erschütterung de facto ausgeschlossen ist. Der Sportler würde somit das alleinige Risiko tragen1112. Dem gegenüber würde ein grundsätzlicher Ausschluss eines Verschuldens bei einer unwissentlichen Einnahme verbotener Substanzen durch den Gebrauch von Nahrungsergänzungsmitteln eine erhebliche Missbrauchsgefahr bergen: Denn es wäre dadurch möglich – und vor dem Hintergrund einer sich umfassenden, sich stetig verbessernden Dopingpraxis auch nicht fernliegend – sauberen Produkten verbotene Substanzen beizumischen und sich anschließend auf eine unwissentliche Kontamination zu berufen1113. Damit würde der Weg für Manipulationen geebnet werden; zudem könnte auch keine wirkliche Abgrenzung zu gutwilligen, im Hinblick auf die Verunreinigung unwissenden Sportlern getroffen werden. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln muss daher dem Risikobereich des Sportlers zugerechnet werden, so dass eine Erschütterung des Verschuldensvorwurfs in Zusammenhang mit verunreinigten Nahrungsergänzungsmitteln nicht gelingen wird. An einen Ausschluss des Verschuldens des Sportlers könnte allenfalls gedacht werden, wenn er nur solche Produkte benutzen würde, die zuvor auf Verunreinigungen überprüft worden sind1114. Dies würde jedoch dem Einwand ausgesetzt sein, dass mit vorbeugenden Untersuchungen keine ausreichende Gewähr für eine fehlende Verunreinigung gegeben wäre, da dadurch nur das Risiko einer Kontamination für die jeweils untersuchten Packungen, nicht jedoch für sämtliche Chargen des gleichen Produkts ausgeschlossen werden könnte1115 und somit weiterhin mit der Möglichkeit einer Kontamination gerechnet werden müsste. Demzufolge verbleibt es bei der hier vertretenen Ansicht; eine Erschütterung des Anscheinsbeweises wegen der Verunreinigung von verwendeten Nahrungsergänzungsmitteln ist de facto ausgeschlossen1116. (2) Verunreinigte Medikamente Verbotene Substanzen können auch über eine Medikamenteneinnahme in den Körper des Athleten gelangen und zu einem positiven Analyseergebnis führen. Dem dadurch begründeten Anschein einer schuldhaften Einnahme wird regelmäßig seitens des Sportlers damit begegnet, dass das besagte Medikament von einem Dritten zugeführt worden sei und der Sportler selbst nichts von dem verbotenen Inhalt gewusst habe. Dies setzt zunächst grundlegend voraus, dass das 1111

Paul, Grenzwerte im Doping, S. 118. Paul, Grenzwerte im Doping, S. 115. 1113 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 118. 1114 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 117. 1115 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 117. 1116 Zustimmend Paul, Grenzwerte im Doping, S. 249. 1112

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besagte Medikament nachweislich auch wirklich die verbotene Substanz enthalten hat1117. Doch selbst dann vermag dieser Einwand nur in Ausnahmefällen durchzugreifen. Denn gegen das Vorliegen dieser Erschütterungsmöglichkeit kann einerseits sprechen, dass andere Sportler einer gleichen Mannschaft ebenfalls das gleiche Medikament erhielten, jedoch im Falle einer Kontrolle kein positives Testergebnis zu verzeichnen hatten1118. Andererseits kann sich der Sportler selbst in einem solchen Fall nur vom Vorwurf eines schuldhaften Dopingverstoßes entlasten, sofern das Medikament ärztlich verschrieben oder vom Mannschaftsarzt verordnet worden ist. Dies führte beim Fußballspieler Thomas Ernst dazu, keine Dopingsperre zu verhängen. Bei ihm wurde Oxilofrin, eine Substanz, die unter die Klasse der verbotenen Stimulanzien fällt, in einer Dopingprobe nachgewiesen. Er hatte zuvor wegen Kreislaufbeschwerden vom Mannschaftsarzt ein Glas Wasser erhalten, in dem Tropfen eines Kreislaufmittels enthalten waren, welches wiederum die verbotene Substanz enthielt. Damit war er vom Vorwurf eines schuldhaften Dopingverstoßes freizusprechen1119. Bei anderen verabreichenden Personen trifft den Sportler hingegen eine Erkundigungs- und Nachfragepflicht hinsichtlich der Verträglichkeit des Medikaments mit den aktuell geltenden Anti-Doping-Bestimmungen1120. Sofern diesem Grad der Eigenverantwortung nicht ausreichend vom Sportler Rechnung getragen wird, handelt er im Hinblick auf den Dopingvorwurf in vorwerfbarer Wiese. Fraglich ist bestenfalls, ob er in der konkreten Situation bedingt vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Ersteres wird anzunehmen sein, sofern sich der Sportler bewusst gewesen ist, dass aus der Einnahme eines unbekannten Medikaments möglicherweise ein Dopingverstoß resultieren kann. Ansonsten ist wegen eines Verstoßes gegen maßgebende Kontroll- und Überwachungspflichten von Fahrlässigkeit auszugehen1121. ee) Erschütterungsmöglichkeit wegen Fremdmanipulation Des Weiteren kann das Vorbringen einer gegen den Athleten gerichteten Manipulation durch Dritte den Anscheinsbeweis erschüttern1122. In der Regel wird in diesem Zusammenhang behauptet, ein Dritter hätte die verbotene Substanz unerkannt zugeführt oder gar eine nicht zurechenbare Person ohne Wissen des betroffenen Athleten dessen Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Hygieneartikel manipuliert und dass dadurch gerade die positive Dopingprobe verursacht

1117

DLV-Disziplinarausschuss SpuRt 2000, 79 (82). DFB-Sportgericht SpuRt 2000, 78 (79). 1119 Sachverhalt nach Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 14 mit Verweis auf DFB-Sportgericht SpuRt 1996, 165 f. 1120 DLV-Rechtsausschuss SpuRt 1996, 66 (69); OLG München SpuRt 1996, 133 (135); DFB-Sportgericht SpuRt 2000, 78 (80). 1121 DFB-Sportgericht SpuRt 2000, 78 (81). 1122 OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (78). 1118

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Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

worden ist1123. Grundlegende Voraussetzung für eine solche Annahme ist zunächst ein mit tatsächlichen Anhaltspunkten versehener, nachweisbarer Sachvortrag, da die bloße Behauptung eines von dritter Seite zielgerichtet durchgeführten Anschlages wie aufgezeigt nicht ausreicht1124. Daran mangelt es beispielsweise, wenn auf von Dritten zugeführte und als Vitaminkapseln getarnte Mittel verwiesen wird, die andere Sportler oder Mannschaftskollegen zur gleichen Zeit eingenommen haben, jedoch keine positiven Dopingprobe hinsichtlich der aufgefundenen Substanz aufweisen1125. Diese eingenommenen Mittel können dann nicht in Verbindung mit der verbotenen Substanz stehen und sodann auch nicht von einem Dritten unerkannt zugeführt worden sein. Ferner muss eine Fremdmanipulation ausgeschlossen werden, sofern zwar nachweislich ein vom Betreuer oder Mannschaftsarzt verabreichtes Mittel eine verbotene Substanz enthielt, jedoch selbst bei einer hohen Dosierung dieses Mittels nicht die beim betroffenen Sportler aufgefundene Konzentration erreicht werden kann1126. Doch selbst wenn eine Manipulation nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, wird es dem Athleten in der Regel nur schwer gelingen, den Anscheinsbeweis wegen des Vorliegens einer Fremdmanipulation zu erschüttern. Denn besonders bei Mitteln, die weder ärztlich verordnet sind noch Medikamente darstellen, trägt jeder Sportler eine umfassende Kontroll-, Dokumentations-, Erkundigungs- und Nachforschungspflicht. Er hat Sorge zu tragen, dass er hinsichtlich der Herkunft, des Beschaffungsweges und der Zusammensetzung des Mittels vollständige Aufklärung erlangt. Eine dahingehende mangelnde oder gänzlich fehlende Kontrolle seitens des Sportlers begründet demnach den Vorwurf der Fahrlässigkeit bzw. grober Fahrlässigkeit1127. Demnach führt die Berufung auf eine unbekannte Zuführung durch einen Dritten nicht zu einer Erschütterung des Anscheinsbeweises, sofern dies mit einer Verletzung der eigenen Kontrollpflichten einhergegangen ist. Somit verbleibt für eine wirkliche Erschütterungsmöglichkeit im Wesentlichen die zielgerichtete Manipulation durch einen Dritten von Nahrungsmitteln oder Hygieneartikeln, wofür tatsächliche Anhaltspunkte wie ein von Zeugen beobachteter Zugang von unbefugten Dritten zum Trainings- oder Wohnbereich des Sportlers aufgezeigt werden müssen. Darauf berief sich der ehemalige Leichtathlet Dieter Baumann mit seinem Verweis auf eine manipulierte Zahnpastatube und durchlief sowohl im Eilverfahren als auch in der Hauptsache sämtliche Instanzen seines nationalen Sportfachverbandes (DLV) und versuchte zudem einstweiligen Rechtsschutz vor einem staatlichen Gericht zu erlangen1128. Schließlich entschied 1123

Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 305; DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000,

74 f.

1124 Siehe oben, S.  184–185, sowie Rechtsausschuss-DLV SpuRt 2000, 74 (76); OLG Dresden SpuRt 2004, 74 (78). 1125 DFB-Sportgericht SpuRt 2000, 78 (79). 1126 DFB-Sportgericht SpuRt 2000, 78 (79). 1127 DFB-Sportgericht SpuRt 2000, 78 (79). 1128 Siehe dazu das abschließende Beschwerdeurteil des OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1117 f.

C. Einleitung des Dopingsanktionsverfahrens 

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der DLV-Rechtsausschuss, dass dem beweispflichtigen Sportfachverband der Beweis einer wissentlichen Einnahme durch Baumann nicht gelungen sei1129. Jedoch berief er sich in seiner Begründung nicht unmittelbar auf das Vorliegen einer Manipulation, sondern darauf, dass sich der DLV wegen einer zurechenbaren Beweisvereitelung im vorliegenden Fall nicht auf den Anscheinsbeweis berufen und in Ermangelung eines anderen Schuldnachweises eine Sperre daher nicht ausgesprochen werden könne1130. Daher muss der „Fall Dieter Baumann“ unter einem anderen Gesichtspunkt beleuchtet werden1131. Im Ergebnis lässt sich konstatieren, dass eine Fremdmanipulation den Anscheinsbeweis einer schuldhaften Einnahme zu erschüttern vermag, jedoch in der Praxis nur schwer zu beweisen sein wird. d) Vollbeweis des Verschuldens des Sportlers durch den Sportfachverband im Falle einer Erschütterung oder einer Beweisvereitelung seitens des Sportfachverbandes Im Falle einer Erschütterung lebt die volle Beweislast des beweispflichtigen Sportfachverbandes wieder auf. Dieser muss unter Rückgriff auf andere Beweismittel wie Zeugen oder aufgefundenes medizinisches Material wie entsorgte Spritzen, Kanülen oder Plastikbehältern im Umfeld des Athleten überzeugend darlegen, dass ein schuldhafter Dopingverstoß vorliegt. Wegen der verfahrensmäßigen Konzentration auf positive Dopingproben als Beweismittel für einen Verstoß gegen Art. 2.1 NADA-Code1132 können diese anderen Beweismittel jedoch nur im Hinblick auf einen Verstoß gegen Art. 2.2 NADA-Code verwendet werden, wo jedes vernünftige Beweismittel zulässig ist1133. Dabei gilt das Beweismaß des Art. 3.1 NADA-Code, wonach für die Vorwerfbarkeit mehr als eine bloße Wahrscheinlichkeit, jedoch weniger als ein Beweis, der jeden vernünftigen Zweifel auszuschließen vermag, vorliegen muss1134. Das Aufleben der Vollbeweispflicht kann auch eintreten, sofern auf Verbandsseite ein zurechenbarer Fall einer Beweisvereitelung vorliegt. Dies entschied der DLV-Rechtsausschuss im „Fall Dieter Baumann“ im instanzenabschließenden Verbandsverfahren. Hierbei war für Baumanns Verteidigung der Umstand von besonderer Bedeutung gewesen, ob die in den Urinproben nachgewiesenen Meta­ boliten der verbotenen Substanz Nandrolon, mit denjenigen übereinstimmten, welche in der Zahnpastatube gefunden worden waren (Norandrostendion). Im Fall einer Übereinstimmung hätten substantiierte Anhaltspunkte dafür vorgelegen, 1129

DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 206 (211). DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 206 (210/211). 1131 Siehe dazu zugleich, S. 211–212. 1132 Siehe dazu auch Art. 2.1.2 NADA-Code. 1133 Siehe dazu Anhang 2 des NADA-Code 09, Kommentar zu Art. 2.2. 1134 Siehe Anhang 2 zum NADA-Code 09, Kommentar zu Art. 3.1. Siehe dazu auch zugleich unten, S. 214, sowie den „Fall Claudia Pechstein“, ebenfalls unten, S. 236–253. 1130

212

Teil 2, Kap. 4: Das Dopingsanktionsverfahren

dass der Gebrauch der manipulierten Zahnpasta Ursache für die positiven Analyseergebnisse gewesen sein kann und damit zugleich ernsthafte Zweifel am Vorliegen eines schuldhaften Dopingverstoßes begründet werden können. Dies setzte aber grundlegend voraus, dass die Proben ordnungsgemäß während der Überbringung in das zuständige Analyselabor gelagert und gekühlt wurden. Auf Grundlage der Zeugenaussage der Transportperson und einem nachgewiesenen frühen Bakterienbefall wurde indes festgestellt, dass eine ausreichende Kühlung der Proben nicht gewährleistet gewesen ist1135. Dieses Versäumnis ist dem Sportfachverband zuzurechnen und führt zur Annahme einer Beweisvereitelung, da es für Baumann entscheidend war, herauszufinden, ob die Ausgangssubstanz als Ursache der positiven Dopingproben ausschließlich Norandrostendion war oder nicht und ihm dies durch die falsche Behandlung der Proben nicht mehr möglich war1136. Die vor­ liegende Beweisvereitelung ergäbe jedoch nicht eine Erleichterung der Erschütterungsmöglichkeit, sondern bewirke, dass sich der Sportfachverband nicht mehr auf die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises berufen kann. Denn dessen Anwendung setze grundlegend voraus, dass der Gegenseite die ursprünglich vorhandene Möglichkeit, den Anscheinsbeweis zu erschüttern oder zu widerlegen, solange als möglich verbleibt1137. Diese Ansicht verdient Zustimmung. Denn der Ausschluss des Anscheinsbeweises im Falle eines schuldhaften Verstoßes im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Erschütterungsmöglichkeit erweist sich als interessengerecht und entspricht sowohl dem Gebot der Waffengleichheit als auch einer praktischen Konkordanz der sich gegenüber stehenden Interessen von Sportler und Sportfachverband. V. Fazit zur Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren 1. Eine Dopingsperre kann nach nationalem Verbandsrecht nur in Rechtmäßigkeit erwachsen, wenn auch das Verschulden des betroffenen Athleten nachgewiesen worden ist. 2. Der nationale Sportfachverband trägt die Beweislast sowohl für den Nachweis des objektiven Dopingverstoßes als auch für den Nachweis des Verschuldens. Dies vollzieht sich jedoch nicht über die Erbringung eines Vollbeweises, sondern über die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises zugunsten des beweispflichtigen Sportfachverbandes. 3. Der Anscheinsbeweis statuiert beim Auffinden exogener Substanzen, dass diese auch schuldhaft vom Athleten dem Körper zugeführt worden sind. Bei 1135 DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 206 (209); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 305. 1136 DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 206 (209); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 305. 1137 DLV-Rechtsausschuss SpuRt 2000, 206 (210/211).

C. Einleitung des Dopingsanktionsverfahrens 

213

endogenen Substanzen, deren Dopingnachweis sich grenzwertbezogen vollzieht, kann hingegen nur auf das Verschulden geschlossen werden, sofern der Normgrenzwert deutlich überschritten worden ist. 4. Der Athlet kann den Anschein einer schuldhaften Einnahme erschüttern. Der Verweis auf verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel oder Nahrungsmittel sowie Medikamente, die nicht von einem Arzt verordnet oder verschrieben worden sind, wird regelmäßig nicht zu einer erfolgreichen Erschütterung führen. Aussichtsreicher erweisen sich dem gegenüber wesentliche Verfahrensfehler in der Beweissicherung, unzureichend festgelegte Grenzwerte oder beweisbare Fremdmanipulationen. 5. Im Falle einer Erschütterung trägt der Verband die volle Beweislast für das Verschulden. Dies tritt auch ein, sofern ihm eine Beweisvereitelung im Hinblick auf die Erschütterungsmöglichkeiten des betroffenen Athleten vorzuwerfen ist.

Teil 3

Beweisführung im internationalen Verbandsrecht A. Das indirekte Beweisverfahren nach Art. 2.2 WADA-Code/NADA-Code Art.  2.2 WADA-Code1138 sanktioniert den Gebrauch oder den versuchten Gebrauch einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode1139. Unter Gebrauch ist die Verwendung, Verabreichung, Injektion oder Einnahme auf jedwede Art und Weise zu verstehen1140; der jeweilige Versuch erfordert einen entsprechenden, nachzuweisenden Vorsatz auf Seiten des Athleten1141. Für den konkreten Beweis kann auf jedes andere verlässliche Beweismittel wie beispielsweise Zeugenaussagen, Belege und sonstige Dokumente, Schlussfolgerungen, die aus dem Profil einer Reihe von Blut- der Urinuntersuchungen gezogen werden, und andere analytische Informationen zurückgegriffen werden1142. Anknüpfungspunkt für die Einführung des so genannten „Biologischen P ­ asses“ ist die danach mögliche Profilerstellung und -auswertung für den Nachweis des Dopingverstoßes im Sinne von Art.  2.2 WADA-Code. Dies stellt zugleich aus zweierlei Gründen den Übergang zum internationalen Verbandsverfahren dar. Zum einen ist das erste Dopingsanktionsverfahren nach Art.  2.2 WADA-Code, welches sich einzig auf abnormale Blutparameterwerte stützte, vom Internationalen Eisschnelllaufverband (ISU) gegen Claudia Pechstein geführt und in der Hauptsache vor dem Court of Arbitration for Sport (CAS) entschieden worden. Demzufolge kann das indirekte Beweisverfahren nicht thematisiert werden, ohne zuvor auf die dort erstmalig aufgestellten Grundsätze einzugehen. Dies erfordert wiederum eine vorangehende kurze Darstellung und Analyse des CAS und seiner Verfahrensgrundsätze. Zum anderen ist ein nationales Verfahren auf Grundlage 1138 Im folgenden Teil wird nur noch auf den inhaltsgleichen Art. 2.2 WADA-Code Bezug genommen. 1139 Zu den Voraussetzungen eines Nachweises im Sinne von Art. 2.2 WADA-Code in Zusammenhang mit der Auswertung von Blutprofilen siehe unten den „Fall Claudia Pechstein“, S. 236–253, sowie die Zusammenfassung auf S. 285. 1140 Anhang 1 zum NADA-Code 09, Begriffsbestimmungen, S. 76. 1141 Anhang 2 zum NADA-Code 09, Kommentar zu Art. 2.2.2. 1142 Anhang 2 zum NADA-Code 09, Kommentar zu Art. 2.2. und zu Art. 3.2, sowie Emanuel, SpuRt 2009, 195 (197). Unter „anderen analytischen Informationen“ sind solche zu verstehen, die gegebenenfalls nicht die Anforderungen an „das Vorhandensein einer verbotenen Substanz“ im Sinne von Art. 2.1 NADA-Code erfüllen. Dabei kann es sich beispielsweise allein um eine A-Proben- oder B-Proben-Analyse handeln.

B. Einordnung des „Court of Arbitration for Sport“ (CAS)

215

von Athletenprofilen zum indirekten Dopingnachweis noch nicht geführt worden1143, auf Grund dessen, diesbezügliche Verfahrensgrundsätze hätten herausgearbeitet werden können. Demzufolge gilt es, sich an der internationalen Beweisführung zu orientieren, die auch vor dem Hintergrund der Berufungsmöglichkeit des Art. 13.2.1 WADA-Code zum CAS gegen Entscheidungen nationaler Antidopingorganisationen richtungsweisend für die nationale Beweisführung ist. Dieser Übergang ermöglicht es schließlich auch, die zuvor für das nationale Verbandsverfahren festgestellten Ergebnisse mit den internationalen Maßstäben auf Übereinstimmungen und Unterschiede hin zu vergleichen. Daher erfolgt zunächst eine Darstellung des CAS als den internationalen Spruchkörper mitsamt seiner Verfahrensgrundsätze und dessen hierarische Einordnung in das Sanktionsverfahren. Sodann wird anhand diverser Urteile überprüft, ob Übereinstimmungen bzw. Unterschiede zwischen den Beweisanforderungen nationaler und internationaler Sportgerichte existieren. Daraufhin erfolgt die Darstellung des indirekten Beweisverfahrens, beginnend mit den Hintergründen bis hin zur konkreten Beweisführung im internationalen Verbandsverfahren. Endlich wird vor dem Hintergrund der zuvor gewonnenen Erkenntnisse eine Rückkehr zum nationalen Sanktionsverfahren vollzogen, wobei es schwerpunktmäßig um die Einordnung des indirekten Beweisverfahrens in bekannte Beweisarten gehen wird. Ziel ist es, anhand dieser Einordnung die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit des indirekten Beweisverfahrens bestimmen zu können. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung über die internationale Beweisführung in Dopingangelegenheiten.

B. Einordnung des „Court of Arbitration for Sport“ (CAS) in historischer und rechtlicher Hinsicht Gerade die sich in jüngerer Vergangenheit ausbreitende Tendenz internationaler Sportfachverbände, Entscheidungen über sportrechtliche Streitigkeiten nationalen Gerichten zu entziehen und sie einem institutionalisierten Schiedsgericht zuzuweisen1144, hat mit der Implementierung des „Court of Arbitration for Sport“ als verantwortliches Schiedsgericht nach Art. 13 WADA-Code ihren vorläufigen Höhepunkt erfahren. Danach ist er zuständige Rechtsinstanz für die Überprüfung und Findung von Entscheidungen, die nach dem WADA-Code erlassen worden sind bzw. hätten ergehen müssen1145, jedoch wegen der Untätigkeit der zuständigen Antidopingorganisation nicht ergangen sind1146. Zudem ist er gemäß § 38.2 DISSportSchO Berufungsinstanz für Schiedssprüche des Deutschen Sportschieds 1143

Berninger SpuRt 2010, 228 (230). PHB SportR-Pfister VI 4/154; Petri, in: Kühl/Tettinger/Vieweg, Die Dopingsanktion, S. 123. 1145 Siehe die Zuständigkeit des CAS bei Ausübung der Rechtsbehelfe nach den Art. 13.1.1, 13.2.1, 13.2.2, 13.3, 13.4., 13.6 und 13.7 WADA-Code. 1146 Siehe Art. 13.3 WADA-Code. 1144

216

Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

gerichts, die einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen zum Gegenstand haben1147. Demzufolge sind das internationale Verbandsrecht und damit auch die Beweisführungsgrundsätze in Dopingstreitigkeiten im Wesentlichen durch die Rechtsprechung des CAS geprägt worden1148. I. Grundlagen Der sich aus zwei Kammern1149 zusammensetzende CAS mit Sitz in Lausanne ist im Jahre 1984 gegründet worden. Träger des CAS ist zunächst das IOC ge­ wesen, welches in dieser Rolle ab 1994 vom International Council of Arbitration for Sport (ICAS) abgelöst wurde1150. Mit der Gründung des CAS sollten vor allem diejenigen Streitfälle entschieden werden, die mit der wirtschaftlichen Nutzung des Sports in Zusammenhang stehen, daneben aber auch besonders dringliche und damit eilbedürftige Entscheidungen im Sport getroffen werden können1151. II. Zuständigkeit und anwendbares Recht Die Zuständigkeit des CAS für die Herbeiführung einer schiedsgerichtlichen Streitentscheidung wird durch bindende Satzungsbestimmungen der Sportfachverbände oder im Wege eines Vertragsschlusses begründet1152. Grundlegende Voraussetzungen für die Behandlung einer Streitigkeit sind, dass es sich um eine privatrechtliche Auseinandersetzung handelt, die zumindest irgendeinen Bezug zum Sport aufweist und deren Verhandlung nicht in die Regelungshoheiten des IOC und der internationalen Sportfachverbände eingreift1153. In Berufungssachen gegen Verbandsentscheidungen wird neben dem maßgeblichen Regelwerk1154 in Ermangelung einer spezifischen Rechtswahl dasjenige staatliche Recht angewendet, in dessen Bereich der die Strafe aussprechende Verband seinen Sitz hat1155. Bei 1147

Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1124. Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9.  Kapitel, Rz.  1061. Siehe zum CAS allgemein sowie zu dessen Rechtsprechung in Dopingangelegenheiten auch Vieweg/Siekmann, Legal­ Comparison and the Harmonisation of Doping Rules, S. 56 ff. bzw. S. 561 ff. 1149 Eine Kammer behandelt die ordinary arbitration procedures, die andere die appeal arbitration procedures. Vgl. dazu die Art. R38–46 bzw. die Art. R47–59 des CAS-Statuts. 1150 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1061–1062; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 492; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 381. 1151 So werden vom CAS bei Olympischen Spielen so genannte ad hoc divisions eingesetzt, die die während Olympischer Spiele entstehenden Streitigkeiten binnen 24 Stunden entscheiden sollen. Vgl. dazu Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1067. 1152 Pfister, SpuRt 2008, 93 (93); Pfister, SpuRt 2002, 177 (177). 1153 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 382. 1154 Pfister, SpuRt 2002, 177 (177). 1155 Pfister, SpuRt 2008, 1 (1/2); Pfister, SpuRt 2002, 177 (178); Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 494. 1148

B. Einordnung des „Court of Arbitration for Sport“ (CAS)

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Streitigkeiten zwischen Verbänden oder Verbänden und Vereinen entscheidet der CAS bei Fehlen einer vertraglichen Rechtswahl gemäß Art.  R45 Code1156 nach schweizerischem Recht1157. Als Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des CAS kommen die Aufhebungsklage gemäß Art. 190 Abs. 2 IPRG zum Schweizer Bundesgericht1158, die Nichtigkeitsbeschwerde zum Kantongericht gemäß Art.  36 in Verbindung mit Art.  3 Schiedskonkordat bzw. Schweizer Bundesgericht gemäß Art. 72 Abs. 1 BGG, sofern alle Parteien ihren Sitz in der Schweiz haben1159, sowie die Revision – ebenfalls zum Schweizer Bundesgericht – in Betracht1160. III. Verfahrensarten Streitigkeiten, die das Rechtsverhältnis zwischen Verbänden und ihren Mitgliedern betreffen, werden der Schiedskammer für Berufungsverfahren übertragen1161. In der Regel handelt es sich dabei um Anfechtungen von Verbandsentscheidungen, die zu Sperren oder Sanktionen gegenüber den Mitgliedern geführt haben und bei denen das Verbandsregelwerk oder eine entsprechende Athletenvereinbarung den Weg vor den CAS eröffnen1162. Die Schiedskammer für ordentliche Verfahren behandelt dem gegenüber vor allem Streitigkeiten mit wirtschaftlichem Hintergrund1163. Der CAS gewährt auch einstweiligen Rechtsschutz. Zudem können noch so genannte Ad-hoc-Kammern vom ICAS gemäß Art. S6 Nr. 8 der Statutes of ICAS and CAS errichtet werden. Von dieser Möglichkeit ist wegen der Fähigkeit dieser Kammern zur raschen Entscheidungsfindung regelmäßig bei Olympischen Spielen Gebrauch gemacht worden1164. Schließlich ist es auch möglich, dem CAS Rechtfragen zur Stellungnahme vorzulegen1165.

1156 CAS-Code 2013 in der Fassung vom 1.3.2013, abrufbar unter http://www.tas-cas.org/ rules. Im Folgenden „Code“ genannt. 1157 Pfister, SpuRt 2008, 1 (5). 1158 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1075. 1159 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1080. 1160 Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1080a. 1161 Hofmann, SpuRt 2002, 7 (8); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 384. 1162 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 490. 1163 Hofmann, SpuRt 2002, 7 (9); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 383. 1164 So bestand bei den Olympischen Sommerspielen von Sydney die Pflicht, 24 Stunden nach Einreichung der Streitigkeit einen Schiedsspruch zu treffen. Siehe dazu Hofmann, SpuRt 2002, 7 (10–11). 1165 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 383.

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

IV. Verfahrensbestimmungen 1. Allgemeine Verfahrensbestimmungen Verfahrenssprache vor dem CAS ist gemäß Art. R29 Code entweder Englisch oder Französisch, sofern keine anderslautende Vereinbarung zwischen den streitenden Parteien besteht1166. Es wird das Recht auf anwaltlichen Beistand und der Akteneinsichtnahme gewährleistet1167. Zudem ist der Grundsatz der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit in Art. R33 Code niedergelegt. Daran anknüpfend wird den Parteien nach Art. R34 Code das Recht zur Schiedsrichterablehnung bei auftretenden Zweifeln an der Unabhängigkeit des Schiedsrichters eingeräumt. Schließlich wird über das so genannte „hearing“ sowohl im ordentlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren der Anspruch auf rechtliches Gehör garantiert1168. Damit entsprechen die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des CAS denjenigen wesentlichen Anforderungen, die zuvor für nationale Schiedsgerichte festgestellt worden sind1169. 2. Besondere Verfahrensbestimmungen Im Hinblick auf die besonderen Verfahrensbestimmungen wird vorliegend das Verfahren vor der Berufungskammer beleuchtet, da sich jene als Berufungsinstanz für bereits ergangene Sanktionsentscheidungen internationaler Sportfachverbände schwerpunktmäßig mit der Beweisführung in Dopingangelegenheiten­ beschäftigt1170. Grundlegende Voraussetzung des Berufungsverfahrens ist, dass der Berufungskläger alle zur Verfügung stehenden verbandsinternen Rechtsbehelfe zuvor durchlaufen hat1171. Somit gilt auch auf internationaler Ebene der Vorrang der Verbandsgerichtsbarkeit1172. Sodann wird das Verfahren mit der schriftlichen Eingabe beim Sekretariat des CAS oder bei einem der dezentralen Büros gegen eine Gebühr von mindestens 500,– Schweizer Franken und der Nennung eines Schiedsrichters aus der Schiedsrichterliste des CAS eingeleitet. Dies muss fristgerecht gemäß Art. R49 Code innerhalb von 21 Tagen nach der letztinstanzlichen, verbandsinternen Entscheidung geschehen, sofern die jeweiligen Verbandsstatuten keine andere

1166

Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1609. Art. R30 und Art. R31 Code. 1168 Art. R44.2 Code bzw. Art. R57 Code in Verbindung mit Art. R44.2 Code. 1169 Siehe oben, S. 131–135. 1170 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 497. 1171 Hofmann, SpuRt 2002, 7 (9); Art. 13.1. WADA-Code; Art. R47 Code. 1172 Siehe für das nationale Verbandswesen oben, S. 94–95. 1167

C. Die CAS-Rechtsprechung

219

Frist vorsehen1173. Eine konkrete Berufungsbegründung muss zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit eingereicht werden, sondern kann zehn Tage nach Ablauf der Einlegungsfrist nachträglich übermittelt werden. Jedoch müssen dann sämtliche Unterlagen und Beweise vorgelegt werden, auf die die Berufung gestützt werden soll1174. Im Unterschied zu einem Verfahren vor einem ordentlichen Gericht, bei dem die vorherige Instanz und deren Feststellungen berücksichtigt werden, müssen vor dem CAS sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel erneut in das Verfahren eingebracht werden, da allein auf Grund des Vorbringens der Parteien entschieden wird1175. Durch die Anwendung eines solchen Beibringungsgrundsatzes wahrt der CAS folglich seine Stellung als unabhängiges Schiedsgericht. Sodann wird die Berufungserklärung vom Sekretariat an den Berufungsbeklagten weitergeleitet, der daraufhin ebenfalls einen Schiedsrichter benennt1176 und eine entsprechende Berufungserwiderung nach den Vorgaben des Art. R55 Code innerhalb von 20 Tagen nach Erhalt der Berufungsbegründung des Berufungsklägers fertigt1177. Das schriftliche Verfahren endet mit der Bestätigung der beiden Schiedsrichter durch den Präsidenten der Berufungskammer, der zugleich den dritten Schiedsrichter als Vorsitzenden aus der Schiedsrichterliste gemäß Art. R54 Code1178 benennt sowie mit der Zustellung eines „Order of procedure“ an die Parteien, in dem die Zuständigkeit des CAS, die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, das anwendbare Recht, die Verfahrenssprache, die Benennung der Zeugen, der Termin der mündlichen Verhandlung, die Kosten und das Ob der Urteilsveröffentlichung benannt sind1179.

C. Die CAS-Rechtsprechung I. Allgemein Die Rechtsprechung des CAS in Angelegenheit des Sports umfasst eine breite Palette von sportrechtlich relevanten Streitigkeiten. Dazu können fehlerhafte Schiedsrichterentscheidungen, die Einhaltung bzw. Erfüllung von Nominierungs-

1173

Hofmann, SpuRt 2002, 7 (9). Siehe Art. R51 Code. 1175 Es handelt sich dabei um die so genannte „de novo“-Vorschrift des Art. R57 Code. Hofmann, SpuRt 2002, 7 (9); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S.  386; Adolphsen, Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel, Rz. 1107. Kritisch und daher für eine einschränkende Auslegung des Art. R57 Code Lehner, Sportrecht in der Praxis, Rz. 1628–1629. 1176 Art. R53 Code. 1177 Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1627. 1178 Im ordentlichen Verfahren können die beiden von den Parteien bestimmten Schiedsrichter den Vorsitzenden einvernehmlich selbst bestimmen. Sofern sie sich diesbezüglich nicht verständigen können, bestimmt auch hier der Präsident der Kammer den dritten Schiedsrichter. 1179 Hofmann, SpuRt 2002, 7 (9); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 386. 1174

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

kriterien, unvollständige Regelwerke oder die Ausschließung von Olympischen Spielen gezählt werden, um nur einige Beispiele zu nennen1180. II. Die CAS Rechtsprechung in Dopingangelegenheiten Nicht nur wegen der verfolgten Schwerpunktsetzung – der Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren  – liegt das folgende Hauptaugenmerk jedoch auf der CAS-Rechtsprechung in Dopingangelegenheiten. Vielmehr machen diese Verfahren aktuell auch das Haupttätigkeitsgebiet des CAS aus1181. In der folgenden Darstellung werden daher drei wesentliche Dopingentscheidungen der jüngsten Vergangenheit dargestellt. Es handelt es sich um den „Fall Alberto Contador“, den „Fall Jan Ullrich“ sowie den „Fall Claudia Pechstein“. Den Abschluss dieser prominenten Dopingfälle bildet der „Fall Lance Armstrong“, der zwar nicht vom CAS entschieden wurde, jedoch in rechtlicher Hinsicht vor allem auch Dopingverstöße gegen Art. 2.2 WADA-Code zum Gegenstand hat.

1. Der „Fall Alberto Contador“ – Sachverhalt und Verfahrensgang Bei Alberto Contador Velasco, einem professionellen Radrennfahrer der EliteKategorie und mehrfachen Tour de France-Gewinner, wurde nach der 16. Etappe der Tour de France 2010 am 21.7.2010 eine vom Radweltverband UCI veranlasste Urinprobe entnommen. Die vom WADA-akkreditierten Labor in Köln vorgenommene Analyse ergab einen positiven Befund hinsichtlich einer geringen Menge Clenbuterol. Clenbuterol wird der Gruppe S1.2 der anderen anabolen Substanzen der WADA-Verbotsliste zugeordnet1182. Das Analyse-Ergebnis ist durch die von Contador beantragte B-Proben-Analyse bestätigt worden. Daraufhin wurde eine vorläufige Suspendierung durch die UCI ausgesprochen und sogleich durch diese der spanische Radsportverband (RFEC1183) angewiesen, ein Verfahren gegen Contador wegen der Verletzung geltender Anti-Doping-Bestimmungen einzuleiten. Dieser sprach ihn am 14.2.2011 vom Vorwurf der Verletzung von Anti-DopingBestimmungen frei. Grundlage des Freispruchs war nach Ansicht der zuständigen Verbandskommission CNCDD1184, dass hinsichtlich des positiven ClenbuterolBefundes eine größere Wahrscheinlichkeit dafür vorliegen würde, dass jener auf

1180 Siehe hierzu vertiefend die zusammenfassenden Beiträge von Pfister, SpuRt 2002, 177 ff. und Martens/Oschütz, SpuRt 2002, 89 ff. 1181 Pfister, SpuRt 2008, 1 (1); Pfister, SpuRt 2008, 93 (93). 1182 Prohibited List des WADA-Codes in der Version vom 1.1.2015. Abrufbar unter https:// www.wada-ama.org/en/what-we-do/prohibited-list. 1183 Bezeichnung für „Real Federación Española de Ciclismo“. 1184 Bezeichnung für das „Comité Nacional de Competición y Disciplina Deportiva“.

C. Die CAS-Rechtsprechung

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die Zunahme von mit Clenbuterol kontaminiertem Rindfleisch rückführbar sei, welches Contador während der Tour verzehrt hatte, und zugleich es weniger wahrscheinlich sei, dass der Befund Folge von verbotenen Bluttransfusionen oder von Mikro-Dosierungen einer verbotenen, Clenbuterol enthaltenden Substanz sei1185. Vor dem Hintergrund, dass es keine Anhaltspunkte für eine Kontamination des verzehrten Fleisches zuvor gegeben hatte, könne Contador auch kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden, so dass er folglich vom Vorwurf der Verletzung von Anti-Doping-Bestimmungen in Ermangelung eines Verschuldens freizusprechen sei1186. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die UCI (24.3.2011) als auch die WADA (29.3.2011) Berufung vor dem CAS ein, die dort vom 21.11. bis zum 24.11.2011 mündlich verhandelt wurde1187. Dieser sprach gegen Contador mit Urteil vom 06.2.2012 eine Sperre von zwei Jahren wegen Verletzung des Artikels 21.1 der Anti-Doping-Bestimmungen der UCI (UCI ADR) aus1188. a) Rechtliche Würdigung durch den CAS Der CAS sah sich eingangs mit der Frage konfrontiert, welche Partei die Beweislast für den Nachweis des Umstandes trägt, wie die verbotene Substanz Clenbuterol in den Körper von Contador gelangt ist1189. Nach Auffassung der Berufungskläger ist diesbezüglich die erste Instanz von einer falschen Beweislastverteilung ausgegangen1190. Zunächst verwies der CAS im Rahmen dieser Fragestellung darauf, dass das Prinzip der strict liability den Ausgangspunkt für die Frage nach dem Vorliegen eines Dopingverstoßes nach Art. 21.1 UCI ADR darstelle1191. Demzufolge liege es an dem Athleten, auf der Ebene der Strafzumessung darzulegen, wie die verbotene Substanz in dessen Körper gelangt sei [1. („the burden of proof shifts to the Athlete“)] und dass dies unverschuldet geschehen ist [2. („no fault or negligence“)]1192. Hinsichtlich der Darlegung zu (1.) sei weiter­ gehend entscheidend, welches Beweismaß für eine erfolgreiche, der Beweislast des Athleten entsprechende, Gegenbeweisführung anzulegen ist. Ausgehend von 1185 CAS 2011/A/2384 UCI v. Alberto Contador Velasco & RFEC; CAS 2011/A/2386 WADA v. Alberto Contador Velasco & RFEC, S. 7. Abrufbar unter http://jurisprudence.tas-cas. org/sites/CaseLaw/Shared%20Documents/2384,%202386.pdf. Mittlerweile hat die UCI ihre Anti-Doping Rules zum 1.1.2015 dem aktuellen WADA-Code angepasst. Abrufbar unter http:// www.uci.ch/inside-uci/rules-and-regulations/regulations/. 1186 CAS (Fn. 1186), S. 8. 1187 CAS (Fn. 1186), S. 8, 17.  1188 In der Version vom 1.2.2012. Der angeführte Artikel entspricht Art. 2.1 WADA-Code. 1189 CAS (Fn.  1186), S.  45: „Therefore, the Panel will begin by examining how the term ‚balance of probability‘ shall be interpreted and how the framework regarding the burden and standard of proof is to be applied […].“ 1190 CAS (Fn. 1186), S. 46 (UCI) und S. 47 (WADA). 1191 CAS (Fn. 1186), S. 44: „The strict liability principle of the above-quoted Article 21.1.1 UCI ADR is applicable to present dispute.“ 1192 Siehe Fn. 1192 und CAS (Fn. 1186), S. 53.

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

einer so genannten „balance of probability“ würde es nach Auffassung des CAS genügen, wenn es dem Athleten gelänge darzulegen, dass nach Abwägen der verschiedenen in Frage kommenden Szenarien eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das von ihm angeführte Szenario des Verzehrs von mit Clenbuterol verseuchtem Fleisch vorliegen würde1193. Die dahingehende Beweisführung Contadors ist jedoch mit der Schwierigkeit verbunden gewesen, dass das besagte Fleisch nicht mehr vorhanden war und andere Teammitglieder, die das Fleisch ebenfalls gegessen hatten, nicht getestet worden waren. Folglich hätte Contador auf Grund dieses unüberwindbaren Hindernisses dem Grunde nach nie die Möglichkeit gehabt, den Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das kontaminierte Fleisch als Ursache seiner positiven Dopingprobe zu führen. Nach Auffassung des CAS befand er sich damit in einem so genannten „Beweisnotstand“1194. Ein solcher liegt entweder vor, wenn die nachzuweisende Tatsache im Herrschaftsbereich der nicht beweisbelasteten Partei liegt, auf den beweisbelastete Partei keinen Zugriff hat, oder wenn Letztere überhaupt keinen direkten Gegenbeweis führen kann und somit eine erfolgreiche Gegenbeweisführung nur durch den Nachweis gelingen wird, dass andere Ursachen nicht in Frage kommen können und somit die behauptete, jedoch wegen des Beweisnotstands nicht nachweisbare Erklärung dadurch mittelbar bewiesen wird1195. Letzteres führt im „Fall Alberto Contador“ dazu, dass im Sinne einer gerechten Risikoverteilung wiederum die andere, hinsichtlich der in Frage stehenden Tatsache nicht beweisbelastete Partei – vorliegend die UCI – in kooperativer Art und Weise substantiiert darlegen muss, weshalb die von der gegnerischen Partei angeführte Behauptung – bei Contador der Verzehr von mit Clenbuterol verseuchtem Fleisch – nicht in Frage kommen kann1196. Diese Obliegenheit würde nach Auffassung des CAS jedoch nicht dazu führen, dass es zu einem Rückfall der Beweislast auf die Berufungskläger kommen würde. Hierzu wird ausgeführt: „However […] the above difficulties do not lead to a re-allocation of the risk if a specific fact cannot be established. Instead, this risk will always remain with the party having the burden of proof. Furthermore […] the court must take into account whether or not the contesting party has fulfilled its obligations of cooperation.“

1193

CAS (Fn. 1186), S. 57. CAS (Fn. ), S. 56: „[…] the First Respondent is in a type of ‚état de nécessité en matiére de prueve‘ or ‚Beweisnotstand‘ […].“ 1195 CAS (Fn. 1186), S. 55. In diesem Zusammenhang wird auch von negativen Beweistat­ sachen gesprochen. 1196 CAS (Fn. 1186), S. 55–56. 1194

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aa) Voraussetzungen der Gegenbeweisführung hinsichtlich kontaminierter Nahrungsmittel als Ursache der positiven Dopingprobe Auf Grund des Umstandes, dass ein Direktbeweis wegen des nicht mehr vorhandenen fraglichen Nahrungsmittels nicht möglich war, konnte die Beweisführung nur indirekt anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils erfolgen. Dazu musste zunächst bewiesen werden, dass das in Frage kommende Nahrungsmittel wirklich in einem bezüglich des Positivbefundes relevanten Verursachungszeitraum verzehrt wurde. Dies geschah durch Zeugenvernehmungen der in Contadors Umfeld tätigen Personen, mit denen sowohl der Kauf des Fleisches am 20.7.2010 als auch die Zubereitung sowie der Verzehr am selbigen Abend und am Mittag des Folgetages unbestritten nachgewiesen werden konnte1197. Die zweite Voraussetzung war der Nachweis, dass dieses Fleisch mit Clenbuterol kontaminiert gewesen war. Unter Berücksichtigung des Beweisnotstandes hinsichtlich dieser Tatsache konnte dies nur im Sinne der Wahrscheinlichkeit einer Kontamination bezüglich der konkreten Bezugsquelle verstanden werden. Dies setzte voraus, dass die genaue Herkunft des Fleisches über sämtliche Zwischenlieferanten bis hin zur Herkunft des Tieres bestimmt werden musste, von dem es stammte1198. Sodann ist zu fragen gewesen, ob bei den sich dadurch ergebenden verschiedenen Quellen die Möglichkeit einer Verunreinigung mit Clenbuterol in Betracht gezogen werden konnte. Den Schwerpunkt dieser Untersuchung bildete dabei derjenige Standort, an dem das Tier gezüchtet worden war, da in Zusammenhang mit der Tiermast in früheren Zeiten Clenbuterol als Kälbermastmittel eingesetzt wurde. Hierbei war maßgebend, ob frühere Clenbuterol-Fälle bei diesem Züchter verzeichnet werden konnten und inwieweit behördliche Test- und Untersuchungsergebnisse ausgefallen waren1199. Hierzu wurde festgehalten, dass der in Frage kommende Tiermastbetrieb in den Jahren 2009 und 2010 mehrmals von den zuständigen Behörden auf die Verwendung verbotener Substanzen getestet worden war. Alle Untersuchungen verliefen negativ. Dies und die beiden Umstände, dass zum einen in Spanien der Einsatz von Clenbuterol mit drakonischen Strafen verbunden ist und zum anderen dort überhaupt keine Clenbuterol-Fälle in den letzten Jahren verzeichnet werden konnten1200, führten unter Berücksichtigung der genannten Voraussetzungen zur Annahme des CAS, dass eine Kontamination des von Contador verzehrten Fleisches äußerst unwahrscheinlich gewesen ist1201. 1197

CAS (Fn. 1186), S. 57–58. CAS (Fn. 1186), S. 58–59. 1199 CAS (Fn. 1186), S. 60. 1200 CAS (Fn. 1186), S. 63 und 69. Zu den möglichen Strafen nach spanischem Recht heißt es: „Such conducts are considered criminal offenses, punished with imprisonment of up to four­ years, a fine, total disqualification from carrying out trade, industry, business or activity for a period ranging from three to ten years and indefinite closure of the relevant premises.“ 1201 CAS (Fn. 1186), S. 70. 1198

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bb) Wahrscheinlichkeit einer Bluttransfusion als Ursache der positiven Dopingprobe Vor dem Hintergrund, dass das Beweismaß für eine erfolgreiche Gegenbeweisführung eine Abwägung der in Frage kommenden Szenarien erforderte und der Beweis einer Kontamination nur erfolgreich geführt werden konnte, sofern ihr Vorliegen wahrscheinlicher war als das der anderen Szenarien, mussten sodann deren Wahrscheinlichkeiten betrachtet werden. Im vorliegenden Fall setzte sich der CAS daher mit der von der WADA im Rahmen ihrer Substantiierungs- und Darlegungslast1202 aufgezeigten Möglichkeit einer möglicherweise tags zuvor von Contador vorgenommenen Bluttransfusion auseinander. Demnach wäre nach Auffassung der WADA bei ihm am Abend des 20.7. eine verbotene Transfusion roter Blutkörperchen durchgeführt worden. Um die damit einhergehenden Indikatoren einer Bluttransfusion wie beispielsweise den Anstieg der Hämoglobinkonzentration zu verdecken, wäre zudem noch am Folgetag eine Transfusion von Blutplasma getätigt worden1203. Nach der Auffassung der Berufungskläger sei es nun wahrscheinlicher gewesen, dass das Clenbuterol in dem besagten Plasma enthalten war1204. Dafür sprachen auch die ebenfalls in der Probe gefundenen Phthalate1205 und die Tatsache, dass Clenbuterol auch im Radsport als Dopingmittel eingesetzt werden würde. Dies würde es wahrscheinlicher machen, dass der Positiv-Befund auf Bluttransfusionen rückführbar gewesen sei. Der CAS hielt dieses Szenario zwar nicht für unmöglich („[…] this does not make the blood transfusion scenario impossible […]“), jedoch auch nicht für wahrscheinlicher als jenes des kontaminierten Fleisches1206. Dafür hätte eine deutliche Abnormalität der maßgebenden Blutparameter bei Contador vorliegen müssen, deren Einordnung im vorliegenden Fall nach unterschiedlichen Stellung­ nahmen der Sachverständigen zudem strittig war1207. cc) Wahrscheinlichkeit der Kontamination von Nahrungsergänzungsmitteln als Ursache der positiven Dopingprobe Schließlich wurde als weitere Verursachungsmöglichkeit dargelegt, dass das Clenbuterol in einem von Contador während der Tour verwendeten Nahrungsergänzungsmittel enthalten gewesen sein könnte. Dies setzte voraus, dass eine solche Kontamination überhaupt möglich ist. Dies konnte nach Auffassung des 1202

Siehe zum Hintergrund dieser gesteigerten Darlegungslast oben, S. 221–223. CAS (Fn. 1186), S. 73. 1204 CAS (Fn. 1186), S. 77. 1205 CAS (Fn. 1186), S. 76. Unter Phthalate sind so genannte Weichmacher zu verstehen, die unter anderem dazu verwendet werden, Plastikbehälter wie Blut- und Plasmabeutel dehnbar, flexibler und geschmeidiger zu machen. 1206 CAS (Fn. 1186), S. 75 und 88. 1207 CAS (Fn. 1186), S. 72–75 und S. 81–85. 1203

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CAS vor allem wegen bereits bekannter Verunreinigungsfälle angenommen werden1208. Ferner müsste der betroffene Athlet im maßgeblichen Zeitraum auch tatsächlich Nahrungsergänzungsmittel zu sich genommen haben, was von ­Contador hinsichtlich eines Team-Mittels bestätigt wurde. Endlich müsste eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die konkret verwendeten Nahrungsergänzungsmittel überhaupt mit Clenbuterol kontaminiert gewesen waren. Dagegen sprach nach Auffassung Contadors, dass bei den Teammitgliedern, die ebenfalls die gleichen Mittel zu sich genommen hatten und getestet wurden, kein Clenbuterol nachgewiesen wurde, und ferner, dass die jeweiligen Hersteller der Nahrungsergänzungsmittel versichert hätten, dass sie nie Clenbuterol verwenden würden und ihre Produkte fortlaufend von unabhängigen Dritten getestet worden wären, ohne dass jemals Clenbuterol gefunden worden wäre1209. Nichtsdestotrotz hielt der CAS das Szenario verunreinigter Nahrungsergänzungsmittel im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung für das wahrscheinlichste1210. Dies wurde vor allem damit begründet, dass selbst negative Testergebnisse einer probeweise durchgeführten Untersuchung einer bestimmten Produktionsreihe oder negativ verlaufende Testergebnisse bei den Teamkollegen nie gänzlich die Möglichkeit ausschließen könnten, dass eine bestimmte Charge eines Nahrungsergänzungsmittels mit Clenbuterol verseucht gewesen sein kann. Damit konnte Contador das notwendige Beweismaß einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Kontamination des von ihm verzehrten Fleisches im Hinblick auf eine erfolgreiche Gegen­beweisführung nicht erfüllen. Folglich sei ein durch die positive Probe vom 21.7.2010 begründeter, schuldhafter Verstoß gegen Art. 21 UCI ADR anzunehmen1211. b) Stellungnahme Im „Fall Alberto Contador“ geht der CAS im Zusammenhang mit der Verletzung geltender Anti-Doping-Bestimmungen davon aus, dass der Nachweis einer verbotenen, exogenen Substanz im Körper für sich allein ausreichend ist, um einen Dopingverstoß annehmen zu können. Dem betroffenen Sportler obliegt es dann im Rahmen der Gegenbeweisführung darzulegen und zu beweisen, dass dieser Befund auf andere Ursachen als ein schuldhaftes Verhalten rückführbar ist. Zu fragen ist vor diesem Hintergrund, von welcher konkreten Beweislastverteilung der CAS in dieser Situation ausgeht. Durch die Einräumung einer Entlastungsmöglichkeit für Contador lässt sich jedenfalls festhalten, dass die reine strict liabilityRegel nicht zur Anwendung kommt. Für die Annahme einer modifizierten strict 1208 CAS (Fn. 1186), S. 89. Dort wird auf den Fall CAS/A/1870 WADA v. Jessica Hardy & USADA verwiesen. 1209 CAS (Fn. 1186), S. 90–91. 1210 CAS (Fn. 1186), S. 92. 1211 CAS (Fn. 1186), S. 93.

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liability spricht die Notwendigkeit für Contador aufzuzeigen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen kontaminierter Nahrung als Ursache des positiven Analyesergebnisses sprechen würde und er somit einen vollumfänglichen Entlastungsbeweis zu erbringen hatte. Die positive Clenbuterol-Probe Contadors während der Tour de France hätte aber auch als Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen das Verbot des Art.  2.1 WADA-Codes bzw. des entsprechenden Art.  21.1 UCI ADR gewertet werden können. Danach hätte Contador darlegen müssen, dass auf Grund des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte die Möglichkeit eines alternativen, gegen einen verschuldeten Verstoß sprechenden Geschehensablaufes ernsthaft in Betracht zu ziehen ist1212. Das bloße Aufzeigen eines alternativen Geschehensablaufes, was einer Erschütterung im Rahmen eines Anscheinsbeweises entsprechen würde, scheint aber in dieser Situation nach Auffassung des CAS nicht zu genügen, sofern eindeutig eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Szenario einer Nahrungsmittelkontamination gefordert wird. Damit orientiert sich der CAS im Ergebnis an dem Grundsatz einer modifizierten strict liability1213, so dass sich die Beweisführungsmaßstäbe im internationalen Verbandsverfahren von denjenigen, die im nationalen Verbandsverfahren Anwendung finden1214, unterscheiden. Im Ergebnis wirkt sich der Rückgriff auf eine modifizierte strict liability anstelle des Anscheinsbeweises jedoch nicht aus1215. Im vorliegenden Fall sollte der Nachweis der fehlenden Vorwerfbarkeit über den Verzehr von mit Clenbuterol ver­seuchtem Fleisch geschehen. Hierbei ist zu beachten, dass eine ClenbuterolKontamination von Nahrungsmitteln grundsätzlich in Betracht zu ziehen ist1216 und auch nicht von vornherein für Contador ausgeschlossen werden konnte, da er nachweislich vor dem Tag der Probenentnahme und am selbigen Fleisch konsumiert hatte. Als in beweistechnischer Hinsicht von besonderer Bedeutung erwies sich jedoch der Umstand, dass dieser Nachweis konkret für Contador nicht mehr möglich und demnach die Gegenbeweisführung abgeschnitten war, ohne dass ihm ein diesbezügliches Versäumnis zu attestieren gewesen wäre1217. Dies führte den CAS zu der Annahme, dass er sich in einem Beweisnotstand befinden würde. Folge dieses Notstandes und zugleich die beweisrechtliche Neuerung im Rahmen der Beweisführung in Dopingangelegenheiten ist, dass die nicht beweisbelastete Partei – in diesem Fall der Sportfachverband – eine prozessuale Obliegenheit trifft, substantiiert darzulegen, weshalb das nicht nachweisbare Szenario nicht in Frage kommen kann. Im Falle eines Ausbleibens kann dies im Ergebnis dazu füh 1212

Siehe oben, S. 195 und S. 200–211. Siehe oben, S. 212–213. 1214 Siehe oben, S. 194–195. 1215 Etwaige Unterschiede dürften grundsätzlich marginal sein. So jedenfalls auch Emanuel, SpuRt 2009, 195 (198). 1216 Siehe dazu auch die obigen Ausführungen hinsichtlich der Erschütterungsmöglichkeit durch die Aufnahme kontaminierter Nahrung, S. 203–206. 1217 CAS (Fn. 1186), S. 55–56. 1213

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ren, dass im Rahmen der Beweiswürdigung vom Zutreffen des aufgezeigten, anderen Sachverhaltes auszugehen wäre und dementsprechend eine Sperre wegen der Verletzung einer Anti-Doping-Bestimmung ausscheiden müsse1218. Jedoch konnte dieser Substantiierungspflicht neben dem Darlegen einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme des Clenbuterols über kontaminierte Nahrungsergänzungsmittel jedenfalls dadurch Rechnung getragen werden, dass keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den Einsatz von Clenbuterol in der Herkunftskette des in Frage stehenden Fleisches gegeben waren. Somit hätte Contador auch im Rahmen der geringeren Gegenbeweisführungsanforderungen des Anscheinsbeweises nicht die notwendigen ernsthaften Zweifel mit der von ihm angeführten Erklärung der Aufnahme kontaminierter Nahrung begründen können. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass mit der Forderung einer gesteigerten Substantiierungspflicht für die nicht beweisbelastete Partei auch international von einer sekundären Be­ hauptungslast ausgegangen wird1219. Die Entscheidung des CAS ist im Ergebnis zu begrüßen. Zwar kann nicht abgestritten werden, dass mit der Begründung eines Beweisnotstandes einerseits die eigentlich beim Sportler liegende Last der Gegenbeweiserbringung zumindest mittelbar auf den Sportfachverband rückübertragen wird. Die Obliegenheit zu einer substantiierten Darlegung führt andererseits aber auch dazu, dass sämtliche – also auch entlastende Umstände  – vom Sportfachverband im Rahmen des Nachweises eines Verstoßes gegen die eigenen Anti-Doping-Bestimmungen berücksichtigt werden müssen. Dies korrespondiert mit dem aus der Lizenzerteilung bzw. dem Mitgliedschaftsverhältnis ableitbaren Treueverhältnis zwischen Sportler und internationalem Sportfachverband und stellt einen angemessenen Interessensausgleich dar. Darüber hinaus weist die Entscheidung des CAS im „Fall Alberto Contador“ in prozess-rechtlicher Hinsicht noch weitere interessante Gesichtspunkte auf. So berief sich Contador im Rahmen seiner Verteidigung darauf, noch nie gedopt zu haben und verwies diesbezüglich auf einen Lügendetektortest, den er im Rahmen einer Sachverständigen-Auswertung in die Verhandlung einbrachte. Diese Art der Beweisführung wurde sodann vom CAS nicht beanstandet, sondern als zulässig beachtet, auch wenn ihr nicht ein allzu großer Beweiswert zugesprochen werden könne1220. Damit unterscheidet sich die Zulässigkeit von Beweismitteln vor einem 1218 CAS (Fn.  1186), S.  55: In diese Richtung tendiert das Panel, indem es ausführt, dass „[…] in assessing and determining whether or not a specific fact can be established, the court must take into account whether or not the contesting party has fulfilled its obligations of coopera­tion.“ 1219 Siehe zum Begriff der sekundären Behauptungslast oben, S. 39–40. 1220 CAS (Fn. 1186), S. 79. „[…] that the polygraph examination is admissible as evidence per se, the Panel considers that the results of the polygraph examination undergone by the Mr Contador in this case are admissible. […] In other words, the Panel considers that the results of the polygraph add some force to Mr Contador’s declaration of innocence but do not, by nature, trump other elements of evidence.“

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internationalen Schiedsgericht in dieser Hinsicht jedenfalls gegenüber demjenigen Maßstab, der vor einem deutschen ordentlichen Gericht Anwendung findet. Denn im „Fall Baumann“ verwies das OLG Frankfurt auf das Grundsatzurteil des BGH vom 17.12.19981221, wonach eine polygrafische Untersuchung mittels des Kontrollfrage-Tests ein völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne von § 244 Abs. 3 StPO sei und dies auch für die Beweisführung im nationalen Verbandsverfahren gelten würde1222. Zudem wurde unterstrichen, dass sich die Verfahren vor dem CAS am fairtrial-Grundsatz orientieren. Denn im Vorfeld der Verhandlung wurde mehrmals eine Fristverlängerung gewährt, um den Berufungsbeklagten auf Grund des umfangreichen Sachverhalts ausreichend Zeit für ihre Erwiderungen zu ermöglichen1223. Darüber hinaus ist die WADA in ihrer Rolle als Berufungsklägerin verpflichtet gewesen, fallbezogenen Informationen für Contador als Berufungskläger zur Verfügung zu stellen1224. Dadurch lässt sich konstatieren, dass neben dem besagten Fairness-Prinzip auch der Anspruch auf rechtliches Gehör zu den wesentlichen Verfahrensprinzipien des CAS als internationales Schiedsgericht zu zählen ist. 2. Der „Fall Jan Ullrich“ – Sachverhalt und Verfahrensgang Jan Ullrich, ehemaliger deutscher Radrennfahrer und Tour de France-Gewinner 1997, ist nach Ablauf einer sechsmonatigen Sperre durch das Bundessportgericht des BDR vom 23.7.2002 wegen eines nachgewiesenen und von Ullrich gestandenen Amphetaminmissbrauchs dem schweizerischen Radsportverband („Swiss Cycling“1225) beigetreten, über den er am 24.11.2005 die UCI-Lizenz der Elitekategorie für das Jahr 2006 erhielt1226. Im Zuge der Ermittlungen der spanischen „Guardia Civil“ im Zusammenhang mit der „Operation Puerto“ wegen umfangreicher Dopingpraktiken kam es zu zwei Durchsuchungen in Apartments des spanischen Arztes Eufemiano Fuentes, bei denen diverse dopingtypsiche Gegenstände wie Blutkonserven sichergestellt wurden. Diese führten zu dem Verdacht, 1221

BGH NJW 1999, 657 ff. OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1117 (1121–1122). 1223 CAS (Fn. 1186), S. 15: „[…] the Panel decided to grant the Respondents a last and f­ inal extension until 8 July 2011 […]“ und auf S. 17: „[…] the President of the Panel decided to­ exceptionally grant such extension[…].“ 1224 CAS (Fn. 1186), S. 14 und 15. „On 16 June 2011, the Panel issued the following main directions to the parties: WADA was granted until 20 June 2011 to provide item 4 of Mr Contador’s request for further information. […] On 4 July 2011, WADA filed with the CAS the translations requested by the Panel on 16 June 2011.“ 1225 Siehe dazu auch die Homepage des schweizerischen Radsportverbands unter http://www. cycling.ch/. 1226 CAS 2010/A/2083 UCI v/Jan Ullrich & Swiss Olympic, S. 3; abrufbar unter http://juris prudence.tas-cas.org/sites/CaseLaw/Shared%20Documents/2083.pdf; CAS SpuRt 2012, 70. 1222

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dass Jan Ullrich eine Verbindung zu Fuentes unterhalten hatte und Bluttransfusionen von ihm hatte durchführen lassen. Daraufhin erfolgte eine Suspendierung und anschließend eine Kündigung durch den damaligen Arbeitgeber Ullrichs, dem T-Mobile-Team1227. Darüber hinaus wurden vom spanischen Sportfachverband Ermittlungsberichte an die WADA und UCI übergeben, aus denen die besagte Verbindung von Ullrich zu Fuentes hervorgehen sollte. Die UCI forderte auf dieser Grundlage den schweizerischen Radsportverband am 11.8.2006 auf, gegen ­Ullrich ein Disziplinarverfahren wegen Verstoßes gegen geltende Anti-DopingBestimmungen einzuleiten1228. Kurz darauf trat Ullrich im Oktober 2006 aus dem schweizerischen Radsportverband aus und beendete offiziell am 26.2.2007 seine Karriere. In der Zwischenzeit ist die Aufforderung der UCI an die schweizerische Kommission zur Anti-Doping-Bekämpfung weitergegeben worden, die am 1.7.2008 von der Institution „Antidoping Schweiz“ abgelöst wurde. Diese leitete auf Grundlage der UCI-Mitteilung am 20.5.2009 ein Verfahren gegen Ullrich vor der Disziplinarkammer des Schweizerischen Olympischen Komitees ein1229. Mit Urteil vom 30.1.2010 entschied diese, dass nach den im Jahr 2006 geltenden Statuten kein Verfahren gegen Athleten eröffnet werden könne, die ihre Mitgliedschaft bereits zuvor beendet hätten. Gegen diese Entscheidung zog die UCI im Wege der Berufung vor den CAS1230. a) Rechtliche Würdigung durch den CAS Der CAS sah sich zunächst mit der Frage konfrontiert, ob die UCI-Regeln auf den vorliegenden Fall überhaupt anzuwenden waren. Dies wurde von Ullrich bestritten; seiner Ansicht nach unter anderem deshalb, weil deren prozessuale Vorschriften nicht vollständig eingehalten worden wären1231. So monierte er, dass die zuständige Anti-Doping-Kommission zunächst eindeutig einen konkreten Doping-Vorwurf hätte formulieren müssen, um das Disziplinarverfahren einleiten zu können1232, und ferner ihm auch anschließend keine Vorladung innerhalb von zwei Tagen nach Einleitung des Verfahrens durch den schweizerischen Radsportverband zugegangen sei1233. Zumindest hinsichtlich des zweiten Umstandes stellte 1227

CAS (Fn. 1227), S. 3; CAS SpuRt 2012, 70 (71). CAS (Fn. 1227), S. 3; CAS SpuRt 2012, 70 (71). 1229 CAS (Fn. 1227), S. 4. 1230 CAS (Fn. 1227), S. 4. 1231 CAS (Fn. 1227), S. 7: „Ullrich submits that […] the UCI Rules do not apply. This argument is based on the claim that there have been alleged procedural defects in the way that the UCI and the Swiss authorities have prosecuted this case; that is Ullrich submits that the UCI Rules cannot apply because procedural aspects of the rules were not followed.“ 1232 CAS (Fn. 1227), S. 8: „First, Ullrich maintains that […] the UCI Anti-Doping Commission must first make an assertion that there has been a violation by an athlete.“ 1233 CAS (Fn. 1227), S. 9: „In particular, Ullrich contends that upon receipt of the UCI’s letter, Swiss Cycling failed to send him an notice of summons within two days, as required by Article 225 of the UCI Rules.“ 1228

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der CAS zwar die Verletzung von Verfahrensvorschriften fest und stimmte in­ soweit Ullrichs Vorbringen zu. Jedoch führe dieser prozessuale Mangel nach Auffassung des CAS nicht zu einer Nichtanwendbarkeit der UCI-Regeln. Denn trotz dieses Verfahrensverstoßes sei der Schutzzweck der Vorschrift – das Ermöglichen einer rechtzeitigen Verteidigung durch frühestmögliches Informieren – nicht verletzt worden und deshalb Ullrich auch nicht in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt gewesen. Denn er musste bereits vor der offiziellen Einleitung des Verfahrens durch die UCI wegen der wiederholt auftretenden Berichte in den Medien über seine Verwicklung in die „Operation Puerto“ und vor allem wegen der Kündigung durch das Team T-Mobile damit rechnen, dass etwaige Ermittlungen gegen ihn aufgenommen werden würden, so dass eine nicht hinnehmbare Beschränkung seiner Verteidigung nicht vorgelegen hätte1234. Zudem könnten im Rahmen der Berufungsverhandlung vor dem CAS Verfahrensfehler der Vorinstanz geheilt werden: „In any event, proceedings before the CAS represent a trial de novo, and the Panel is capable of curing procedural defects that occurred at first instance.“

Folglich würde sich selbst eine etwaige Verletzung von Verfahrensvorschriften im vorliegenden Fall nicht auswirken. Im Ergebnis gelangte der CAS daher dazu, dass die UCI-Regeln anzuwenden sind1235. In rechtlicher Hinsicht als viel problematischer erwies sich jedoch der von Ullrich geltend gemacht Einwand, dass sich das Berufungsverfahren nach der maßgebenden Verfahrensvorschrift des Art. 282 UCI ADR gegen den Lizenznehmer richten müsste, er dies nach seinem Austritt aus dem schweizerischen Radsportverband nicht mehr sei und dadurch die UCI wegen des Fehlens einer Entscheidungsgewalt über Ullrich kein Berufungsverfahren gegen ihn führen könnte1236. Der CAS begegnete diesem Einwand in zweierlei Hinsicht. Zum einen verwies er auf die geltende Rechtsprechung des schweize­rischen Bundesgerichts, wonach Mitglieder einer Vereinigung auch nach Beendigung der eigenen Mitgliedschaft noch verklagt werden könnten, sofern ein berechtigtes persönliches Interesse dafür bestehen würde1237. Zum anderen sei eine entsprechende Anspruchsgrundlage für ein solches Verfahren bereits in den geltenden UCI-Regeln enthalten gewesen, die es erlaubt hätten, disziplinarrecht 1234 Siehe Fn. 1234: „[…] the substantive question for this Panel must be whether the failure to provide Ullrich with summons resulted in any prejudice to Ullrich that will affect these proceedings. This Panel concludes that Ullrich did not suffer prejudice in this regard, not least because he was fully aware of the UCI’s investigation at the time, in particular by reason of his dismissal from his team for suspicion of involvement in Operation Puerto.“ 1235 CAS (Fn. 1227), S. 11. 1236 CAS (Fn. 1227), S. 13: „Under Swiss law, in Ullrich’s submission, the power to discipline members ceases upon their resignation. Third, […] Ullrich submits that the UCI’s disciplinary power over Ullrich flowed from its relationship with Swiss Cycling and is not autonomous; as Ullrich’s resignation severed Swiss Cycling’s powers in this regard, the UCI had no powers to bring an appeal to discipline Ullrich.“ 1237 CAS SpuRt 2012, 70 (71); CAS (Fn. 1227), S. 14 mit Verweis auf das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichtes vom 1.9.2009 – 5A_10/2009.

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lich gegen Ullrich auch nach dessen Austritt aus dem Verband vorzugehen. Denn Art. 1.1.1004 § 31238 der UCI-Regularien statuierte Folgendes1239: „Licence holders remain subject to the jurisdiction of the relevant disciplinary bodies for acts committed while applying for or while holding a license, even if proceedings are started or continue after they cease to hold a license.“

Demnach sind Lizenzhalter der UCI weiterhin der Entscheidungsgewalt des zuständigen Disziplinarorgans für Handlungen unterworfen, welche sie als Lizenzhalter begangen hatten, selbst wenn sie im Zeitraum des Verfahrens keine Lizenz mehr besitzen sollten1240. Damit kam der CAS zu dem Ergebnis, dass die UCI gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer des Schweizerischen Olympischen Komitees in zulässiger Weise Berufung nach den Verfahrensvorschriften der UCI ADR einlegen konnte1241. In materieller Hinsicht war der CAS davon überzeugt, dass Ullrich in vorwerfbarer Weise wegen des Gebrauchs einer verbotenen Methode im Wege des Blut­ dopings gegen Art. 15.2 UCI ADR1242 verstoßen hatte1243. Dafür sprachen einerseits die Summe belastender Indizien wie das nachgewiesene Durchführen der Dopingpraktiken durch Fuentes, Ullrichs Reisen nach Madrid und damit in die Nähe von dessen Betätigungsfeldes, Überweisungen von hohen Geldbeträgen für unbenannte Dienste an die HSBC Bank, die zu diesem Zeitpunkt auch in einer Geschäftsbeziehung mit Fuentes stand, sowie eine DNA-Analyse, mit der eine Übereinstimmung zwischen bei Fuentes sichergestellten Blutbeuteln und der DNA von Ullrich festgestellt werden konnte und andererseits die fehlende Geltendmachung jeglicher Zweifel an der Verlässlichkeit der Beweismittel1244. Schließlich musste sich der CAS im Rahmen der Strafzumessung noch damit auseinandersetzen, ob es sich bei dem vom Bundessportgericht des BDR rechtskräftig verurteilten Amphetaminmissbrauchs um ein Erstvergehen im Sinne der Anti-Doping-Bestimmungen gehandelt hatte. Dies wäre mit Auswirkungen auf die zu verhängende Strafe im Hinblick auf das dann im vorliegenden Fall festgestellte zweite Vergehen verbunden gewesen. Zweifel an einer solchen Auffassung resul-

1238 UCI Cycling Regulations in der Version vom 1.5.2014, abrufbar unter http://www. uci.ch/mm/Document/News/Rulesandregulation/16/26/49/PartI-Generalorganisationofcycling asasport-01.05.2014-ENG_English.pdf. § 3 der aktuellen Fassung entspricht der Version, die auch im maßgebenden Zeitraum des vorliegenden Falls gegolten hat. 1239 CAS (Fn. 1227), S. 14. 1240 CAS SpuRt 2012, 70 (71). 1241 CAS (Fn. 1227), S. 15. 1242 Art. 15.2 UCI-Regeln entspricht Art. 21.2 der geltenden UCI-Anti-Doping-Regularien in der Version vom 1.2.2012, der wiederum Art. 2.2 WADA-Code entspricht. 1243 CAS (Fn. 1227), S. 18. 1244 CAS SpuRt 2012, 70 (73). Inzwischen hat Jan Ullrich Doping-Verstöße jedenfalls teilweise eingeräumt. Siehe dazu beispielsweise den Kommentar „Verdorbene Salamischeiben“ von Andreas Burkert in der Süddeutschen Zeitung vom 24.6.2013, Ausgabe Nr. 143.

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tierten aus dem Umstand, dass dieser Verstoß vor dem Inkrafttreten des WADACodes 2003 und damit auch vor dessen Implementierung in die für den Fall maßgebenden UCI ADR geschehen war. Weder die damals geltenden UCI-Regeln noch deren neue Version enthalten diesbezüglich eine entsprechende Regelung. Daher könne auf den nunmehr geltenden WADA-Code 2009 zurückgegriffen und diesem gewisse Leitlinien entnommen werden, wie die Verletzungen von Anti-­ Doping-Bestimmungen vor Inkrafttreten des WADA-Code 2009 zu behandeln wären, sofern nunmehr eine Sanktion nach den WADA-Code 2009 zu verhängen sei. Danach war es möglich, Verletzungen nach dem vor 2009 in Kraft befindlichen Anti-Doping-Reglement als Vorverurteilung für die Zwecke der Bestimmung einer weiteren Sperrzeit nach dem WADA-Code 2009 zu behandeln1245. Jedoch wertete der CAS das festgestellte Blutdoping Ullrichs nicht als Zweitverstoß und begründete dies im Wesentlichen mit dem Umstand, dass Ullrich 2002 für die Einnahme von Amphetamin außerhalb des Wettkampfes sanktioniert wurde, nach den neueren und für den Fall maßgebenden Regularien der Gebrauch von Amphetaminen aber mittlerweile nur noch im Rahmen von Wettkämpfen verboten wäre1246. Dies würde dazu führen, dass die damals ausgesprochene Sperre unter gleichen Umständen nun nicht mehr ausgesprochen werden könnte und sich damit die neueren Regularien im Hinblick auf die Strafzumessung als vorteilhafter erweisen würden. Unter Anwendung des lex mitior-Grundsatzes müsste zugunsten von Ullrich von der mildesten Strafe ausgegangen werden; dies erfordere, den damaligen Verstoß nicht mehr als erstes Dopingvergehen zu bewerten, so dass sich der festgestellte Verstoß wegen Blutdopings als Erstverstoß darstellte und somit eine Sperre von zwei Jahren auszusprechen war1247. b) Stellungnahme Zunächst ist es unter prozessrechtlichen Gesichtspunkten angezeigt, den Prüfungsumfang des CAS in seiner Rolle als Berufungsinstanz zu beleuchten. Denn Ullrich argumentierte, dass für den Fall einer Zulässigkeit der Berufung und seiner Stellung als Berufungsbeklagter der CAS sich nur mit der Rechtsauffassung der Vorinstanz hinsichtlich der entscheidungserheblichen Punkte – die Frage der Zuständigkeit für die Ausübung der Sanktionsgewalt – in rechtlicher Hinsicht auseinandersetzen dürfe1248. Dieser Ansicht widersprach der CAS durch Verweis auf Art.  R57 der CAS-Verfahrensordnung1249, wonach ihm eine in tatsächlicher und 1245

CAS SpuRt 2012, 70 (73). CAS (Fn. 1227), S. 21. 1247 CAS (Fn. 1227), S. 21. 1248 CAS SpuRt 2012, 70 (72). 1249 Art. R57: „The Panel shall have full power to review the facts and the law. It may issue a new decision which replaces the decision challenged or annul the decision and refer the case back to the previous instance […].“ 1246

C. Die CAS-Rechtsprechung

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rechtlicher Hinsicht vollumfängliche Prüfungskompetenz zustehen würde1250. Dadurch können auch etwaige Verletzungen der Prinzipien eines ordnungsgemäßen Verfahrens geheilt werden1251. Diese Auslegung verdient nicht nur wegen des klaren Wortlauts der maßgeblichen Vorschrift Zustimmung. Sie hebt den CAS auch ausdrücklich als Berufungsinstanz hervor, was im Hinblick auf eine weltweit einheitliche Sanktions­praxis von Dopingverstößen zu begrüßen ist. Denn dadurch wird gewährleistet, dass Entscheidungen nationaler Anti-Doping-Behörden weiterhin überprüfbar sowie etwaige, auf nationale Eigenheiten rückführbare Entscheidungen einer internationalen Interpretation zugänglich sind und so auch eine Entscheidung in der Sache erreicht werden kann, wenn in der Vorinstanz keine Sachentscheidung getroffen wurde1252. Zudem gewährleistet die Heilungsmöglichkeit nach Art. R57 der CASVerfahrensordnung die Funktionsfähigkeit internationaler Sportgerichtsverfahren bzw. verhindert deren Lahmlegung und leistet somit einen wesentlichen Beitrag im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Dopingbekämpfung. Schwerpunkt im „Fall Jan Ullrich“ ist aber vor allem die Frage gewesen, inwieweit eine über den eigentlichen Austrittszeitpunkt hinausgehende Sanktionsgewalt von Sportfachverbänden über Athleten bestehen kann. Der Auffassung des CAS, die Sanktionsgewalt auch auf ausgetretene Mitglieder auszudehnen, kann zumindest nicht ohne weiteres gefolgt werden. Vielfach wird eine solche Handhabung als unzulässig erachtet1253. Die von Vertretern dieser Ansicht angeführten Be­ gründungen orientieren sich jedoch am deutschen Recht und können folglich nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Sachverhalt, bei dem vorrangig das UCIRecht und sekundär schweizerisches Recht angewendet wurde, übertragen werden. Zumal es sich auch, wie Hofmann zutreffend anmerkt, bei dem angeführten Meinungsstand um einen handelt, der sich in Zusammenhang mit nachträglichen Ausschlüssen durch den Verband, nicht aber um ein zeitlich beschränktes Teilnahmeverbot an Wettkämpfen im Wege einer Sperre handelt1254. Jedoch setzt sich Krähe als ein Gegner einer solchen ausgedehnten Sanktionsgewalt auch konkret mit der Argumentation des CAS auseinander. Danach sei vor allem das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, welches als eine der beiden Grundlagen für die Entscheidung des CAS herangezogen wurde, fehl interpretiert worden. Denn das BG habe entschieden, dass ein Mitglied ein Feststellungsinteresse wegen einer fortwirkenden Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechtes haben könne und somit auch noch nach der Beendigung der Mitgliedschaft klagebefugt gemäß

1250

CAS (Fn. 1227), S. 16. CAS SpuRt 2012, 243 (244); CAS SpuRt 2013, 68 (69). 1252 CAS (Fn. 1227), S. 16. 1253 Palandt/Ellenberger, § 25 Rz. 16; Reichert, VereinsR, Rz. 2967; Stöber/Otto, Handbuch zum VereinsR, Rz. 969. 1254 Hofmann, SpuRt 2012, 233 (233). 1251

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

Art. 75 ZGB1255 sei, um den Beschluss des Vereinsorgans anzufechten. Diese auf die Rechtsstellung eines Mitgliedes nach dem Verbandsausschluss bezogene Entscheidung könne aber nicht auf eine Vereinigung in dem Sinne übertragen werden, dass sie daraus ein berechtigtes Interesse an der Verhängung einer Sanktion gegen ein Nichtmitglied ableiten könne1256. Hierbei ist ihm insoweit zuzustimmen, als dass der Wortlaut des Artikels 75 ZGB in relativ klarer Weise die Rechtsstellung der Mitglieder betrifft. Zwar kann andererseits die Überlegung Hofmanns, im Wege einer Argumentation e contrario auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Vereinigung herzuleiten und somit Artikel 75 ZGB auch für diese anzuwenden1257, nicht von vornherein eine Absage erteilt werden. Denn auch dies entspricht dem grundlegenden Erfordernis, dass die Ausübung von Sanktionsgewalt auf eine entsprechende Anspruchsgrundlage rückführbar sein muss1258. Doch erfordert eine solche Auslegung erheblichen Begründungsaufwand. Vorzugswürdiger erscheint es indes, jene Anspruchsgrundlage in den jeweiligen Satzungsbestimmungen der Vereinigungen zu suchen. Daran orientiert sich auch der CAS, indem er die eine Ausdehnung erlaubende Satzungsbestimmung des Art. 1.1.004 § 3 UCI-Regeln heranzieht. Jedoch verweist Krähe wiederum darauf, dass auch diese Argumentationslinie nicht die Entscheidung rechtfertigen könnte. Hintergrund dieser Annahme sei seiner Auffassung nach der Umstand, dass sich die Befugnis eines Verbandes zur Verhängung einer Verbandsstrafe aus der Verbandsautonomie und der damit verbundenen satzungsrechtlichen Verankerung ableiten würde und zugleich durch diese begrenzt werde. Denn die Sanktionsgewalt eines Verbandes im Rahmen der durch die nationale Rechtsordnung gewährleisteten Verbandsautonomie bestehe nur insoweit, als dass durch ihre Ausübung die Ordnung im Verband aufrechterhalten wird. Im Zusammenhang mit der Verhängung von Verbandsstrafen gegen bereits ausgetretene Mitglieder ginge es aber gerade nicht mehr um die interne Verbandsordnung. Vielmehr würde dadurch in einen Bereich eingegriffen werden, der der staatlichen Disziplinargewalt zuzuordnen sei. Eine Satzungsvorschrift, die einen solchen Eingriff erlauben würde, sei folglich – auch nach schweizerischem Recht – unwirksam und könne nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden1259. Zustimmung bei dieser Betrachtung verdient die Feststellung, dass sich die Disziplinargewalt eines Verbandes am Verbandszweck, dessen Aufrechterhaltung sowie der Wahrung der inneren Ordnung orientieren muss1260. Kritisch muss aber 1255

Hierbei handelt es sich um das Schweizerische Zivilgesetzbuch in der Fassung vom 1.7.2014, abrufbar unter http://www.admin.ch/ch/d/sr/210/a75.html. Artikel 75 ZGB lautet: „Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.“ 1256 Krähe, SpuRt 2012, 141 (142). 1257 Hofmann, SpuRt 2012, 233 (234). 1258 Hofmann, SpuRt 2012, 233 (234). 1259 Krähe, SpuRt 2012, 141 (142). 1260 Krähe, SpuRt 2012, 141 (142).

C. Die CAS-Rechtsprechung

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der Annahme von Krähe begegnet werden, sofern darauf abgestellt wird, dass nach einem erfolgten Austritt eines Mitglieds die für die Ausübung der Verbandsgewalt maßgeblichen Verbandsinteressen durch den zuvor vom Mitglied verursachten Regelverstoß nicht mehr tangiert sein würden. Denn auch danach kann es sich für den Verband als sinnvoll erweisen, zur Disziplinierung, aber auch zur Gleichbehandlung der eigenen Mitglieder sowie zum Hervorrufen einer abschreckenden Wirkung, die nicht nur auf die eigene Sportart begrenzt wird, bei einer entsprechenden Anspruchsgrundlage Sanktionen gegen ehemalige Mitglieder zu verhängen1261. Gerade letzterer Punkt würde die Entschlossenheit der Verbände stärken, Dopingverstöße konsequent zu verfolgen und disziplinarrechtlich zu bestrafen. Verbandsübergreifend würde dadurch ein deutliches und notwendiges Zeichen im Sinne eines aktiven Anti-Doping-Kampfes gesetzt werden. Eine solche Handhabung überzeugt vor allem dann, wenn sich ein Mitglied durch den Austritt bewusst einem Disziplinarverfahren entziehen möchte1262. Folgerichtig bestehen im Hinblick auf die Verbandsautonomie genügend Anknüpfungspunkte, die es rechtfertigen, Disziplinarmaßnahmen auch nach Beendigung der Mitgliedschaft zu verhängen, sofern eine entsprechende Anspruchsgrundlage existiert und diese wirksam in die Statuten implementiert wurde. Die von Krähe vertretene Ansicht hinsichtlich der Unwirksamkeit der entscheidungserheblichen UCI-Vorschrift ist daher zurückzuweisen. Dieser merkte zudem an, dass die Verhängung einer Sperre gegen Ullrich nach dessen Rücktritt darüber hinaus rechtspolitisch wenig Sinn machen würde, da selbst nach Ablauf der zweijährigen Wettkampfsperre ein Startrecht wegen des Fehlens einer Verbandslizenz nicht begründet werden könnte1263. Im Ergebnis bringt Krähe damit zum Ausdruck, dass Sperren gegen zurückgetretene Sportler leer laufen würden. Hiergegen kann freilich eingewendet werden, dass eine Sperre nach Art. 10.12.1 WADA-Code n. F. nicht nur ein zeitliches Teilnahmeverbot für die eigentlich ausgeübte Sportart, sondern auch für andere Sportarten oder gar für die Ausübung sonstiger, im Rahmen der jeweiligen Sportart anfallenden Funktionen wie die eines Betreuers gilt1264. Infolgedessen erweist sich eine Sperre gegen einen zurückgetretenen Athleten als durchaus sinnvoll1265. Folgerichtig ist die Entscheidung des CAS im „Fall Jan Ullrich“ zu begrüßen1266.

1261

Hofmann, SpuRt 2012, 233 (234). Hofmann, SpuRt 2012, 233 (234). 1263 Krähe, SpuRt 2012, 141 (142). 1264 Siehe unten hierzu auch den „Fall Lance Armstrong“, S. 253–261, dessen lebenslange Sperre auch für den Triathlon und sämtliche Betreuertätigkeiten gilt. 1265 Hofmann, SpuRt 2012, 233 (233). 1266 Die Richtigkeit des Ergebnisses ist zumindest im Hinblick auf die von Jan Ullrich später zugegebenen Dopingverstöße bestätigt worden. Siehe hierzu den Artikel „Er hätte das jetzt abschließen sollen“ in der Ausgabe Nr. 143 der Süddeutschen Zeitung vom 24.6.2013. 1262

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

3. Der „Fall Claudia Pechstein“ – Sachverhalt und Verfahrensgang Bei Claudia Pechstein, Deutschlands erfolgreichster Olympionikin bei Winter­ spielen mit insgesamt fünf Olympiasiegen sowie vier weiteren olympischen Medaillen, wurden am Rande der Eisschnelllauf-WM in Hamar am 6.2. und am 7.2.2009 Blutproben entnommen, um die individuellen Blutparameter zu messen. Diese Probenentnahme fügte sich ein in eine Reihe von insgesamt 90 gesammelten Blutproben, 27 davon im Zeitraum vom 20.10.2007 bis 30.4.2009, von denen die letzten 12 wiederum alle aus dem Jahr 2009 stammen. Zudem ist Pechstein mehrfach in der Vergangenheit auch Dopingkontrollen im Hinblick auf den Nachweis verbotener Substanzen unterzogen worden, die allesamt negativ verliefen. Die Analyse der Blutwerte von Hamar ergaben Werte von 3,49, 3,54 und 3,38 hinsichtlich des prozentualen Anteils an Retikulozyten1267 im Blut von Pechstein1268. Dieser Wert lag über ihrem eigentlichen Durchschnittswert von 2,1, der sich anhand der letzten 17 Messungen ergeben hatte1269. Bei einer weiteren Messung am 18.2.2009 betrug der Retikulozyten-Anteil hingegen nur noch 1,371270. Daraufhin leitete die Internationale Eisschnelllaufunion (ISU) am 5.3.2009 ein Disziplinarverfahren gegen Pechstein wegen eines Verstoßes gemäß Art. 2.2 Anti-Doping-Regeln ISU ein, welches am 1.7.2009 nach einer zweitätigen Anhörung in einer Sperre von zwei Jahren für den Zeitraum vom 9.2.2009 bis zum 9.2.2011 wegen Blutdopings als Gebrauch einer verbotenen Methode mündete1271. Sowohl Pechstein als auch die DESG strebten daraufhin das Berufungsverfahren vor dem CAS ein1272, wobei erstere zusätzlich noch Eilanträge auf das Recht zur vorläufigen Starterlaubnis für die Wettkämpfe in Berlin, Heerenveen und Hamar sowie auf eine Trainingsteilnahme mit dem DESG-Kader im Hinblick auf die Olympischen Spiele von Vancouver stellte, die aber erfolglos blieben1273. Mit der Entscheidung vom 25.11.2009 bestätigte der CAS die von der ISU ausgesprochene Sperre wegen Blutdopings1274. Die anschließende eingelegte Revision Pechsteins zum schweizerischen Bundesgericht blieb ebenfalls ohne Erfolg1275. Selbiges gilt auch für eine gegen die ISU und die DESG vor dem Landgericht München I eingereichte Schadensersatzklage, welche mit Urteil vom 26.2.2014 abgewiesen worden ist1276. 1267

Retikulozyten sind jugendliche rote Blutkörperchen und entstehen 1 bis 2 Tage nach der Entkernung aus den Normoblasten im Knochenmark. Siehe dazu auch Sysmex Xtra 1/2007, Der Retikulozyt und seine Bedeutung, S. 1 ff., abrufbar unter http://www.sysmex.de/fileadmin/ media/f101/Xtra/Themenblaetter/11.1.11_Retikulozyt_RZ_Web.pdf. 1268 CAS 2009/A/1912 & 1913 P. & DESG v. ISU, abrufbar unter http://jurisprudence.tas-cas. org/sites/CaseLaw/Shared%20Documents/1912,%201913.pdf. 1269 CAS (Fn. 1269), S. 31. 1270 CAS (Fn. 1269), S. 3. 1271 CAS (Fn. 1269), S. 3–4. 1272 CAS (Fn. 1269), S. 4. 1273 CAS (Fn. 1269), S. 5–7. 1274 CAS (Fn. 1269), S. 38. 1275 Siehe zur Entscheidung des BG unten, S. 243–247. 1276 LG München I, Urteil vom 26.2.2014 – 37 O 28331/12. Siehe dazu unten, S. 245–247.

C. Die CAS-Rechtsprechung

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a) Rechtliche Würdigung durch den CAS Der CAS verwies zunächst auf das ihm nach Art. R57 CAS-Code zustehende vollumfängliche Überprüfungsrecht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht und setzte sich sodann mit den formellen und materiellen Einwänden auseinander, mit denen die Berufungen begründet worden waren1277. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde zunächst von der DESG argumentiert, dass das eingeleitete Disziplinarverfahren nicht fristgemäß innerhalb der nach Art. 8.1 Verfahrensordnung der ISU1278 bestehenden Frist von 30 Tagen nach Kenntniserlangung vom Verdacht eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen eingeleitet worden war1279. Der CAS war jedoch der Auffassung, dass die Einleitung des Disziplinarverfahrens fristgerecht erfolgt sei. Bei Dopingverstößen, die wie im vorliegenden Fall im Wege des indirekten Nachweisverfahrens aufgedeckt werden, könne von einer Kenntnis der Sportfachverbandes erst ausgegangen werden, sofern die Auswertung des Blutprofils des Athleten nebst gegebenenfalls weiteren, erforderlichen Untersuchungen auf Grund verdächtiger Parameterabweichungen erfolgt sei und sich damit der begründete Verdacht eines Verstoßes ableiten ließe1280. Da die auffälligen Blutwerte erst bei den Tests vom 6.2. und 7.2. sowie beim Nachtest vom 18.2.2009 offenbart wurden, wäre das Disziplinarverfahren mit der Verfahrenseröffnung vom 5.3.2009 daher fristgerecht eingeleitet worden1281. Dies führte sodann zu der Frage, ob sich dieses formal ordnungsgemäße Disziplinarverfahren auch auf Blutprofile als Nachweis für einen Dopingverstoß stützen konnte. Pechstein argumentierte, dass dies erst ausdrücklich in den maßgebenden ISU-Regelwerken hätte verankert werden müssen. Dies wäre erst mit dem Inkrafttreten des WADA-Codes 2009 und dessen zeitgleicher Implementierung in den ISU-Regularien am 1.1.2009 geschehen. Infolgedessen könnten die vor dem 1.1.2009 gewonnenen Blutwerte nicht für einen Dopingnachweis verwendet werden. Dies würde andernfalls eine verbotene Rückwirkung darstellen1282. Eine 1277

CAS (Fn. 1269), S. 9. Darunter sind die damals geltenden „Rules of Procedure“ der Disciplinary Chamber der ISU gemeint. 1279 CAS (Fn. 1269), S. 11. 1280 Emanuel, SpuRt 2010, 77 (77). 1281 CAS (Fn. 1269), S. 11–12: „Unlike allegations based on an adverse analytical finding, doping charges based on longitudinal profiling require a series of tests and evaluation of the results by the anti-doping organization’s experts. […] Therefore the Panel holds that the DESG’s argument must fail and that the Complaint was timely filed by the ISU in accordance with the applicable regulations.“ 1282 CAS (Fn. 1269), S. 13: „P argues that resorting to blood profiling to prove an anti-doping rule violation only became legally admissible on 1 January 2009, when the current versions of the WADA Code and of the ISU ADR came into force. In the Athlete’s opinion, using her blood values recorded until 31 December 2008 would amount to a retroactive application of the law, forbidden by Article 18.7 ISU ADR and by Swiss law.“ 1278

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

solche Annahme hätte zur Folge gehabt, dass 15 der insgesamt 27 im Zusammenhang mit dem ISU-Blutprofil-Programm bei Frau Pechstein entnommenen Proben nicht für die Auswertung hätten herangezogen werden können, da diese vor dem Zeitpunkt der ausdrücklichen Verankerung am 1.1.2009 (Art. 5.3.1 ISU ADR) genommen worden waren1283. Dieser Ansicht vermochte sich der CAS jedoch nicht anzuschließen. Vielmehr müsste zwischen der materiell-rechtlichen Dopingsanktionsregel (Art.  2.2. ISU ADR bzw. Art. 2.2 WADA-Code) und der zur Anwendung kommenden Beweismethode des Blutprofils differenziert werden1284. Eine verbotene Rückwirkung läge demnach nicht vor, sofern die materiell-rechtliche Regelung zum Zeitpunkt der Tat in Kraft gewesen war1285. Genau dies wäre in Bezug auf die maßgebliche Sanktionsnorm des Art. 2.2 ISU ADR der Fall. Bereits anhand der Kommentierung zu Art. 2.2 ISU ADR könne belegt werden, dass der Nachweis einer verbotenen Methode schon immer mit jedem vernünftigen Beweismittel geführt werden konnte1286. Maßgebend wäre in diesem Zusammenhang einzig, ob Blutprofilstudien eine angemessene Nachweismethode darstellen würden1287. Sofern dies der Fall sei, könnten demnach auch die älteren Blutwerte herangezogen werden. Im vorliegenden Fall würde dies aber nur geschehen, um die in Hamar festgestellten Parameter besser interpretieren zu können; nicht jedoch, um den Gebrauch einer verbotenen Methode vor dem 1.1.2009 nachzuweisen1288. Vor diesem Hintergrund setzte sich der CAS daraufhin folgerichtig mit dem Beweisgehalt der Blutprofile auseinander. Diese könnten nur eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Anti-Doping-Verstoßes aufzeigen, sofern die Blutproben vom beweispflichtigen Verband ordnungsgemäß gewonnen wurden, der Nachweis einer „chain of custody“ von der Entnahme bis zu der Verbringung der Proben in das Analyselabor nachgewiesen wurde, die verwendete Blutparametermessmaschine geeignet gewesen war, die dadurch gewonnen Werte ordnungsgemäß in die Blutprofildatenbank übertragen wurden und eine 1283

CAS SpuRt 2010, 71 (71/72). Emanuel, SpuRt 2010, 77 (77). 1285 CAS SpuRt 2010, 71 (73). 1286 CAS (Fn. 1269), S. 14: „[…] the panel has no hesitation in finding that the substantive anti-doping rule that the Athlete is accused of having violated is nothing else than Article 2.2 of the ISU ADR, under which the ‚use‘ of a prohibited substance or prohibited method – not depending on an adverse analytical finding – constitutes nowadays an anti-doping rule violation exactly in the same way as it did under the old version of the ISU ADR. […] As the above quoted official comment to Article 2.2 clarifies, ‚it has always been the case‘ that use of a prohibited method could be proven by any reliable evidentiary means, and longitudinal profiling and other analytical information are simply listed therein as illustration of some of the possible evidentiary means.“ 1287 CAS (Fn. 1269), S. 15: „Therefore, the only relevant issue is whether longitudinal blood profiling can be regarded among the ‚reasonably reliable means‘ to prove the use of a prohibited method, but its utilization for anti-doping purposes does not constitute a retroactive application of a substantive anti-doping rule.“ 1288 CAS (Fn. 1269), S. 15. 1284

C. Die CAS-Rechtsprechung

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„Abnormalität“ dargelegt hatten1289, denn eine Vermutung im Sinne einer Beweiserleichterung zugunsten des beweispflichtigen Sportfachverbandes hätte gerade nicht bestanden1290. Das Beweismaß wäre auf Grund der zivilrechtlichen Verankerung von Dopingfällen jenes einer „comfortable satisfaction“, wonach es zur Überzeugung des erkennenden Gerichts feststehen musste, dass ein Doping­ verstoß vorliegen würde, nicht jedoch der strafrechtliche Maßstab eines „proof beyond reasonable doubt“1291. Auf den Nachweis eines Verschuldens käme es hingegen nicht an; dies wäre nur bei dem Versuch der Anwendung einer verbotenen Methode notwendig gewesen1292. Hinsichtlich der ordnungsgemäßen Probegewinnung betonte der CAS zunächst, dass eine solche nicht am Maßstab des „International Standard for Testing“ und des „International Standard for Laboratories“ gemessen werden könnte, weil diese für den Nachweis einer verbotenen Substanz im Sinne von Art. 2.1 ISU ADR bzw. WADA-Code gelten würden1293. Auch die „Biological Passport Guidelines“ konnten nicht herangezogen werden, da sie noch nicht von der ISU in ihrem Regelwerk verankert worden waren1294. Dies könnte indes noch nicht damit gleichgesetzt werden, dass die Probegewinnung unzureichend erfolgt wäre. Vielmehr habe die ISU Verfahrensvorschriften erlassen, die unter anderem umfassende Regelungen zur Menge des entnommenen Blutes, zur Anwesenheit bestimmter Personen während der Blutabnahme, zum Entnahmeort und zur Entnahmezeit, zur Nummerierung der Probebehälter, zur maximalen Anzahl der Versuche zur Probenentnahme, zum verwendeten medizinischen Gerät und zu den Folgen einer verweigerten Blutprobengewinnung enthielten1295. Diese seien mittlerweile über einen längeren Zeitraum praktiziert worden, ohne dass es zu Problemen oder Protesten seitens der Athleten und damit auch seitens Pechsteins gekommen war. Dies würde auch für den vorliegenden Fall gelten, so dass von einer ordnungsgemäßen Probengewinnung ausgegangen werden konnte1296. Demzufolge kam nun es darauf an, inwieweit anschließend die „chain of custody“ gewahrt wurde. Im Zusammenhang mit der Einhaltung der Verfahrensregeln bezüglich der Probenentnahme und deren Untersuchung würde den Verband grundsätzlich die Beweispflicht treffen, dass diese im konkreten Verfahren auch eingehalten wurden1297. Hierzu war von Pechstein angeführt worden, dass unwirk 1289

CAS (Fn. 1269), S. 16, 22. CAS (Fn. 1269), S. 16: „Indeed, no presumption is provided in favour of the ISU when a charge is brought under Article 2.2 of the ISU ADR.“ 1291 CAS (Fn. 1269), S. 18. 1292 CAS (Fn. 1269), S. 17. 1293 CAS (Fn. 1269), S. 16, 22. 1294 CAS (Fn. 1269), S. 17. 1295 CAS (Fn.  1269), S.  18–20 mit Verweis auf Art.  1, 2 und 6 der „ISU Communication no. 1520“ und der „Communication no. 1352“. 1296 CAS (Fn. 1269), S. 22: „Therefore, the Panel finds that the blood samples used to acquire the Athlete’s hematological values and portray her blood profile were properly taken.“ 1297 Pfister, SpuRt 2008, 1 (3). 1290

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same Proben wegen einer fehlenden Versiegelung vorliegen würden und es damit an der Grundlage des Nachweisverfahrens fehlen würde1298. Auch diesem Einwand vermochte sich der CAS nicht anzuschließen. Denn das Blut-Screening erforderte gerade kein Öffnen der Proben. Vielmehr seien die für den Nachweis maßgeblichen hämatologischen Parameter von einer Maschine gemessen worden, in die die Proben direkt vom Container aus verbracht wurden. Zudem bestünde wegen des geringen Fassungsvermögens der Probebehälter (ca. 3 ml) die Gefahr einer Verschleierung der Probe durch die Hinzugabe anderer Stoffe nur im sehr geringen Maße. Selbst wenn dies gelingen sollte, würden die in Frage kommenden „Aufweicher“ (Fluide) in der Regel einen anderen PH-Wert als den spezifischen Wert des Athleten aufweisen. Dies würde die jeweilige Probe zerstören, was wiederum im Rahmen des Analyse-Verfahrens aufgefallen wäre1299. Ferner konnte auch nicht von einer unsachgemäßen Kühlung ausgegangen werden, da ein dies indizierendes verändertes Zellvolumen nicht nachgewiesen wurde1300. Eine ausreichende „chain of custody“ lag daher vor, da nach Öffnen des Aufbewahrungsbehälters die Proben unversehrt gewesen waren und auch die Code-Nummern mit denen des Probenentnahmeprotokolls übereingestimmt hatten, so dass von der Identität der Proben ausgegangen werden konnte. Somit kam es nun auf die Geeignetheit der zur Blutwertegewinnung verwendeten Analysemaschine an. Dazu wurde seitens der ISU überwiegend auf die „­Advia Maschine“, teilweise aber auch auf die „Sysmex Maschine“ zurückgegriffen, deren Messungen in der Regel zu geringeren Werten führten1301. Dies stellte jedoch keinen angreifbaren Zustand im Sinne einer fehlerhaften Beweisführung dar, sofern nur die Befunde eines Gerätetyps für die Beweiswürdigung herangezogen wurden1302 und sich mit diesem auf Grundlage eines entsprechenden Standards zuverlässige Werte gewinnen ließen. Dies war nach Auffassung des CAS im Zusammenhang mit der Advia-Maschine der Fall gewesen1303, da jede Messung zweimal durchgeführt wurde1304, keine Fehlmessungen bei anderen Sportlern bis dahin be-

1298

CAS SpuRt 2010, 71 (74). CAS (Fn. 1269), S. 24; CAS SpuRt 2010, 71 (74). 1300 CAS (Fn. 1269), S. 23: „The Panel has heard and examined evidence that does not leave any reasonable doubts as to the transportation conditions. […] In any event, the Panel heard persuasive expert evidence at the hearing explaining that a degradation of the Athlete’s samples can be safely excluded because all her mean cell volume (MCV) values were at the bottom of the normal range […].“ 1301 CAS (Fn. 1269), S. 24. 1302 Emanuel, SpuRt 2010, 77 (78), sowie CAS SpuRt 2010, 71 (74), wo nur die mittels der ADVIA-Maschine gewonnenen Retikulozyten-Werte berücksichtigt wurden. 1303 Siehe Fn. 1302: „All experts agreed that, in general terms, it is a reliable machine, which obviously needs to be correctly calibrated.“ CAS (Fn. 1269), S. 26: „[…] the Panel remarks that it has not seen or heard any relevant evidence of a specific malfunctioning of the Advia­ Machines used by the ISU and that no criticism has been raised towards the correctness and­ suitability of the Advia Sports Protocol.“ 1304 CAS (Fn. 1269), S. 25. 1299

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kannt waren und die Maschine anhand eines spezifischen „Advia Sports Protocol“ bedient wurde1305. Dadurch stand die Verlässlichkeit des Analyseverfahrens und zugleich zur Überzeugung des CAS fest, dass die Blutwerte ordnungsgemäß gewonnen und analysiert sowie auch vorschriftsmäßig in die Blutdatenbank der ISU eingetragen worden waren1306. Endlich ging es darum, welche Voraussetzungen im Rahmen der Auswertung der Blutparameter vorliegen mussten, um den Gebrauch einer verbotenen Methode und mithin einen Verstoß gegen Art. 2.2 ISU ADR annehmen zu können. Dafür müsste zunächst die inter-individuelle Abnormalität festgestellt werden1307. Ausgangspunkt dieser Überlegung war der jeweilige Durchschnittswert der Gesamtbevölkerung unter Berücksichtigung seines natürlichen Grenzbereiches1308. Der durchschnittliche prozentuale natürliche Anteil an Retikulozyten lag danach zwischen 0,47 und 2,31 bzw. 2,51309. Pechsteins Werte von 3,49, 3,54 und 3,38 übertrafen demnach deutlich diesen Durchschnittswert1310. Diese Abweichung vom Normalwert  – die inter-individuelle Abnormalität  – konnte jedoch nur als erstes Indiz für einen unnatürlichen Vorgang gewertet werden. Für einen vollständigen Dopingbeweis würde die Bestimmung der inter-individuellen Abnormalität hingegen noch nicht ausreichen. Vielmehr musste zusätzlich auch noch die intraindividuelle Abnormalität festgestellt werden. Eine solche würde vorliegen, wenn die gemessenen Werte im Vergleich mit dem errechneten Durchschnittswert des betroffenen Athleten aus einer unbestimmten Anzahl an Proben, die über einen längeren Zeitraum genommen wurden und registriert worden waren, besonders atypisch erscheinen1311. Die 17 über die „Advia-Maschine“ analysierten Blut­ proben hatten einen Durchschnittswert von 2,10 für Pechstein ergeben1312. Damit lagen die Werte von Hamar in einem so hohen Maße auch über ihrem eigenen durchschnittlichen Wert, dass auch eine intra-individuelle Abnormalität angenommen werden konnte1313. 1305 CAS (Fn. 1269), S. 26: „Moreover, according to evidence heard and examined by the­ Panel, the hematological values of all skaters have been consistent with a correct functioning of the Advia Machine.“ 1306 CAS (Fn. 1269), S. 29: „For the above reasons the Panel is comfortably satisfied that […] the transmission of those values to the ISU data base and the storage therein was appropriately performed and yields reliable data.“ 1307 CAS (Fn. 1269), S. 29; CAS SpuRt 2010, 71 (74/75). 1308 Emanuel, SpuRt 2010, 77 (78). 1309 CAS (Fn. 1269), S. 29; CAS SpuRt 2010, 71 (74/75). 1310 CAS (Fn. 1269), S. 30: „Therefore, the Panel is comfortably satisfied that the %retics­ values of 3.49, 3.54 and 3.38 shown by the Athlete in Hamar on 6 and 7 February 2009 constitute abnormal values in inter-individual terms; i. e. in comparison with both the general population in Europe and other elite speed skaters.“ 1311 CAS SpuRt 2010, 71, (75). 1312 CAS (Fn. 1269), S. 31. 1313 CAS (Fn. 1269), S. 33: „As a result, the Panel holds that the ISU satisfied the burden on it to establish to the comfortable satisfaction of the Panel that the Athlete’s %retics peaks of February 2009 were abnormal.“

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

Vor dem Hintergrund der nachgewiesenen Abnormalität der Blutwerte oblag es daraufhin Pechstein, Erklärungen einzubringen, mit denen sie den damit einhergehenden Vorwurf des Blutdopings widerlegen konnte. Diesbezüglich führte sie an, dass ein solcher hoher Retikulozyten-Anteil in der Regel auf die exogene Zuführung von „rEPO“1314 zurückginge und dieses daher zwangsläufig in irgendeiner Urinprobe gefunden hätte werden oder sie einen erhöhten Hämoglobinwert hätte aufweisen müssen1315. Denn nur in diesen Fällen könnte ein gesteigerter, verbotener Sauerstofftransport überhaupt stattfinden. Dem begegnete der CAS mit einem Verweis auf die kurze Nachweiszeit für „rEPO“, die mit weniger als vier Tagen veranschlagt gewesen war. Das Fehlen eines „rEPO-Nachweises“ im Körper des Athleten wäre zwar eher ungewöhnlich, vermochte aber den Vorwurf des Blut­ dopings nicht auszuschließen1316. Pechstein wendete ferner ein, dass abnormale Retikulozyten-Werte auch auf eine angeborene Blutkrankheit rückführbar sein könnten1317. Konkret wurde die Möglichkeit einer Blutanomalie („hereditary spherocytosis“) bei ihr als Ur­sache der Blutwerte in Betracht gezogen. Jedoch ergaben die durch Sachverständige durchgeführten Untersuchungen keine Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Krankheit, so dass weiterhin von einer Manipulation ausgegangen werden musste1318. Endlich wurde versucht, die hohen Retikulozyten-Werte als das Ergebnis einer genetischen Mutation zu erklären1319. Jedoch bestand zu diesem Zeitpunkt kein gesicherter wissenschaftlicher Nachweis hinsichtlich der kausalen Auswirkungen einer Mutation auf den Retikulozyten-Anteil im Blut1320. In Ermangelung eines zuverlässigen Wissenschaftsstands führte auch dieser Einwand daher zu keinem Ausschluss der Annahme, dass eine verbotene Methode in der Form von Blutdoping gebraucht worden war. Im Ergebnis gelangte der CAS zu der Erkenntnis, dass es

1314 Darunter ist gentechnisch (r=rekombinant) hergestelltes, d. h. körperfremdes Erythro­ poetin zu verstehen. 1315 CAS SpuRt 2010, 71 (75). 1316 CAS (Fn. 1269), S. 33: „Hence, the Panel does not consider the absence of positive find­ ing rEPO to be evidence which could exclude blood manipulation.“ 1317 CAS SpuRt 2010, 71 (76). 1318 CAS (Fn. 1269), S. 37: „Prof. Heimel, one of the experts appointed by the Athlete, after reviewing Prof. Schrezenmeier’s report acknowledged that, even if the MCHC values pointed in the direction of hereditary spherocytosis, no genetic or acquired blood anomalies had been found […]. Prof. Gassmann declared at the hearing that on the basis of the new evidence deriving from Prof. Schrezenmeier’s medical examination and tests, he was now persuaded that the only reasonable explanation of the Athlete’s high %retics was blood manipulation. […] In particular, the Panel notes that Prof. Schrezenmeier states with the utmost clarity: ‚Overall the diagnosis gives no indication of a hereditary spherocytosis‘.“ 1319 CAS SpuRt 2010, 71 (76). 1320 CAS (Fn. 1269), S. 38: „In other terms, Prof. Dame himself says that his scientific research yields questions rather than answers; accordingly, the Panel finds such research fascinating but cannot find any concrete indication that could specifically help the Athlete’s case.“

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keine vernünftige Erklärung für die in Hamar gemessenen, abnormalen Werte gab, sondern diese einzig auf eine illegale Methode rückführbar wären, und bestätigte folglich die Entscheidung der ISU1321. b) Revision zum Schweizerischen Bundesgericht (BG) Mit dem Revisionsgesuch vom 4.3.2010 beantragte Pechstein vor dem schweizerischen Bundesgericht, die Entscheidung des CAS aufzuheben und zur Neu­ verhandlung an diesen zurückzuverweisen, nachdem sie zuvor mit dem vorge­ sehenen Rechtsmittel der Beschwerde vor demselben Gericht erfolglos gewesen war1322. Hierfür machte sie geltend, dass sie zwei Tage nach dem Urteil des CAS vom 25.11.2009 von einem verantwortlichen Arzt der DESG erfahren hätte, dass „Kollegen ihm auf neue Methoden der Spezialdiagnostik hingewiesen hätten“, mit denen nunmehr das Blutbild Pechsteins anders untersucht werden könnte. Daraufhin hätte sie ihre Blutwerte veröffentlicht, worauf sich wiederum mehrere Gutachter bei ihr gemeldet hätten, die mit der neuen Diagnostik die Annahme einer Sphärozytose1323 als Ursache der erhöhten Blutwerte erklären könnten. Daher könnte sie nunmehr auf Grund neuer gutachterlicher Stellungnahmen aufzeigen, dass sie nicht eine verbotene Blutmanipulation vorgenommen hätte. Jedoch vermochte sich auch das Schweizerische Bundesgericht (BG) dieser Argumentation nicht anzuschließen und wies mit der Entscheidung vom 28.9.2010 die Revision als unbegründet ab. Das BG verwies in seiner Begründung zunächst auf die grundsätzliche Möglichkeit, trotz fehlender Regelung in den maßgeblichen Bestimmungen der Art. 176 ff. des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht die Revision nach Art. 123 Abs.  2 lit.  a des Bundesgesetzes über das Bundesgericht verlangen zu können, wenn

1321

CAS (Fn. 1269), S. 38: „As a result […] the Panel […] finds that the ISU has discharged its burden of proving to the comfortable satisfaction of the Panel that the abnormal values of %retics […] cannot be reasonably explained by any congenital or subsequently developed abnormality. The Panel finds that they must, therefore, derive from the Athlete’s illicit manipulation of her own blood, which remains the only reasonable alternative source of such abnormal values.“ Nach einem gescheiterten Wiederaufnahmeverlangen Pechsteins vom 23.  und 24.10.2009 wurde der Beginn der Sperre mit dem 8.2.2009 datiert, einem Tag vor Beginn der ursprünglich von der ISU ausgesprochenen Sperre. 1322 Schweiz. BG, Urteil vom 28.10.2010 – 4A_144/210. Abrufbar unter „weitere Urteile ab 2000“ auf http://www.bger.ch/index/juridiction/jurisdiction-inherit-template/jurisdiction-recht. htm. Siehe auch Monheim, SpuRt 2014, 90 (90). 1323 Bezeichnung für eine Kugelzellenanämie, die zu Membranstörungen und damit zu Störungen der Erythrozyten führt, zu denen sich die Retikulozyten im Rahmen der Erythropoese umwandeln. Siehe ausführlicher dazu die Definition der Onkopedia Leitlinien, abrufbar unter http://www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/leitlinien/sphaerozytose-hereditaer-kugelzellen anaemie.

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

„die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte […].“

Maßgebend wäre, „dass die neuen Tatsachen erheblich sein müssen, das heisst, sie müssen geeignet sein, die tatsächliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern, so dass sie bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung führen können. […] Sollen bereits vorgebrachte Tatsachen mit den neuen Mitteln bewiesen werden, so hat der Gesuchssteller darzutun, dass er die Beweismittel im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Erheblich ist ein Beweismittel, wenn anzunehmen ist, es hätte zu einem anderen Urteil geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren davon Kenntnis gehabt hätte.“1324

Hinsichtlich der von Pechstein eingelegten Begründung einer nunmehr nachweisbaren Krankheit stellte es sogleich fest, dass es sich um keine neue Tatsache handeln würde, sondern die Blutanomalie, die bereits auch in der Verhandlung vor dem CAS thematisiert wurde, nunmehr mittels eines neuen Beweismittels erneut als Ursache der erhöhten Retikulozyten-Werte dargestellt werden sollte. Dies wäre aber nach den oben dargelegten Voraussetzungen im Rahmen eines Revisionsgesuches nur möglich, sofern es unmöglich gewesen sein sollte, das neue Beweismittel trotz hinreichender Sorgfalt während der schiedsgerichtlichen Verhandlung einzubringen. Eine solche Unmöglichkeit vermochte das BG für Pechstein nicht annehmen zu können. Denn es könnte nicht angehen, „sich in einem Schiedsverfahren zunächst auf wissenschaftlich anerkannte Methoden zu verlassen und entsprechende medizinische Gutachten und Experten zum Beweis anzubieten, um sich nach einem negativ ausgefallenen Schiedsurteil im Rahmen des Revisionsverfahrens nunmehr auf unpublizierte und wissenschaftlich noch wenig erhärtete Methoden zu berufen.“1325

Nach Auffassung des BG wäre es Pechstein demnach zumutbar gewesen, ihre Blutwerte unter anderem durch eine frühere Veröffentlichung anderen Sachverständigen zugänglich zu machen. Schließlich war auch die Erheblichkeit des neuen Beweismittels zu hinterfragen, da sich im schiedsgerichtlichen Verfahren bereits gutachterlich mit der Möglichkeit einer Sphärozytose auseinandergesetzt worden sei1326. Danach konnte nach Auffassung des Schiedsgericht selbst eine Sphärozytose nicht die hohen Werte von Hamar und den kurz darauf erfolgen Abfall erklären. Pechstein könne daher mit dem neuen Beweismittel nicht darlegen, ob die Beweiswürdigung des CAS fehlerhaft gewesen sei. Damit war es unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht erheblich.

1324

Siehe Fn. 1323 sowie Netzle, SpuRt 2011, 2 (6). Siehe Fn. 1323. 1326 Siehe dazu auch oben, S. 237–243. 1325

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c) Schadensersatzklage vor dem Landgericht München Pechstein begehrte mit ihrer Klage vor dem Landgericht München I (LG)1327 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen sie verhängten Dopingsperre. Ferner forderte sie die Zahlung von ca. 3.500.000 Euro Schadensersatz und ein Schmerzensgeld von 400.000 Euro von der DESG und der ISU als Gesamtschuldner sowie die Feststellung der Erstattung künftiger Schäden. Sie begründete ihre Klage damit, dass kein ordnungsgemäßer Doping­nachweis von der Disziplinarkommission der ISU erbracht worden sei. Die bei ihr gemessenen, hohen Retikulozyten-Werte seien durch eine vom Vater vererbte Blut­anomalie verursacht worden. Es gäbe zudem keine bekannte Dopingmethode, die ein solches Blutbild erklären würde. Ferner könne ein Dopingnachweis nicht alleine auf Grund von Retikulozyten-Werten geführt werden. Vielmehr müssten bis zu neun weitere Blutparameter betrachtet werden, um be- und entlastende Aussagen machen zu können. Im Hinblick auf die Unterzeichnung der Athletenvereinbarung1328 der DESG bzw. der Wettkampfmeldung1329 der ISU, in der jeweils eine Schiedsgerichtsvereinbarung und mithin die Zuständigkeit des Deutschen Sportschiedsgerichts bzw. des CAS unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges enthalten gewesen ist, behauptet Pechstein, dass es an der für die Wirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung notwendigen Freiwilligkeit fehlen würde. Sie sei vielmehr zur Unterschrift gezwungen gewesen, um ihren Beruf als Sportlerin ausüben zu können. Vor diesem Hintergrund können die Schiedsvereinbarung nicht wirksam sein, so dass dadurch auch der ordentliche Rechtsweg eröffnet sei. Die Schiedsvereinbarung mit der ISU sei auch deshalb unwirksam, weil der CAS als darin bestimmtes Schiedsgericht keine Gewähr für seine Unabhängigkeit biete und rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze nicht einhalte; insbesondere, weil in Dopingverfahren die Beweislast zulasten der Athleten umgekehrt werden würde und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würden. Die zulässige Klage sei schließlich auch begründet, da wegen der Rechtswidrigkeit der Dopingsperre ihr u. a. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 19, 20 GWB a. F. zustehen würden. Das LG hat mit seiner noch nichtrechtskräftigen Entscheidung1330 im Ergebnis die Klage Pechsteins abgewiesen. Jedoch führte es in seiner Begründung aus, dass 1327 Die nachfolgenden Ausführungen stammen aus der schriftlichen Urteilsbegründung des LG München (Fn. 1277). 1328 Siehe dazu oben, S. 87–90. 1329 Siehe Fn. 1329. 1330 Im anschließenden Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht München am 15.1.2015 die Entscheidung des LG München bestätigt und darüber hinaus entschieden, dass deutsche Gerichte wegen der auf Grund der Regeln zur Schiedsrichterbenennung erheblich in Frage gestellten Neutralität des CAS in der Frage des Schadensersatzes nicht mehr an das CAS-Urteil gebunden seien. Die ISU hat daraufhin Revision zum BGH eingelegt. Siehe dazu zum Beispiel den Artikel in der „Legal Tribune Online“, abrufbar unter http://www.lto.de/recht/nachrichten/ n/olg-muenchen-urteil-u-1110-14-kart-pechstein-doping-cas/.

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

der Klage nicht die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit entgegenstehen würde. Die individualvertraglichen Schiedsgerichtsvereinbarungen wären infolge der fehlenden freiwilligen Willensbildung Pechsteins bei der jeweiligen Unterzeichnung unwirksam und würden darüber hinaus auch einer Inhaltskontrolle nicht standhalten. Nach Auffassung des LG hatte Pechstein bei Unterzeichnung der Vereinbarungen auf Grund der Monopolstellung der DESG bzw. der ISU infolge des Ein-PlatzPrinzips kein ausreichendes Wahlrecht, um den aus dem Justizgewährleistungsrecht folgenden Anspruch auf Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit wirksam auf ein Schiedsgericht übertragen zu können, da sie zur Berufsausübung auf die einzig durch die Unterzeichnung der Schiedsgerichtsvereinbarung mögliche Wettkampfteilnahme bzw. Lizenzerteilung angewiesen war. Wegen dieser hierarchischen Struktur des Wettkampfsports standen sich Pechstein und der jeweilige Sportfachverband nicht auf Augenhöhe gegenüber, sondern es bestand ein strukturelles Ungleichgewicht, auf Grund dessen die Vertragspartner Pechsteins den Vertragsinhalt einseitig bestimmen konnten. Dies führte aus Sicht des LG zu einer Zwangslage, die die Annahme von Freiwilligkeit nicht rechtfertigen und im Ergebnis die Unwirksamkeit nach § 138 BGB wegen Sittenverstoßes begründen würde1331. Daran würde auch die Neufassung des § 1034 Abs. 2 n. F. ZPO nichts ändern, wonach aus einem strukturellen Ungleichgewicht gerade keine Nichtigkeit mehr folgen würde1332. Denn dies würde jedenfalls voraussetzen, dass die ein Ungleichgewicht herbeiführende Vereinbarung freiwillig geschlossen wurde. Schließlich könnte auch die Prämisse der Gleichwertigkeit eines Schiedsgerichts gegenüber einem staatlichen Gericht ebenso wenig dazu führen, denn gerade wegen des gleichwertigen Rechtsschutzes und der Vollstreckbarkeit von Schieds­sprüchen müsste einem Verzicht auf die staatliche Gerichtsbarkeit unbedingt freiwillig erfolgen. Nach Ansicht des LG folgte die Klageabweisung jedoch aus der Rechtskräftigkeit des Schiedsspruches des CAS. Dies würde sich indes nicht bereits aus dem Umstand ableiten lassen, dass sie trotz Kenntnis von der fehlenden Freiwilligkeit den CAS angerufen hatte, da es ihr gerade zur Wahrung ihrer Rechte gestattet sein musste, alle zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe auszunutzen und sie zudem vorab auch nicht entscheiden konnte, ob sich ihre Auffassung von der Unwirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung durchsetzen würde. Jedoch hätte Pechstein zu keinem Zeitpunkt die fehlende Freiwilligkeit und die Unwirksamkeit vor dem CAS geltend gemacht, mit der Folge, dass wegen rügelosen Einlassens Präklusion eingetreten wäre, obgleich die Rügeobliegenheit nicht so weit gehen würde, dass gar nicht zur Sache verhandelt werden dürfte. Jedoch würde die Möglichkeit, die Unwirksamkeitsrüge erst in einem späteren Verfahrenszeitpunkt geltend ma 1331 Die Unwirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung mit der ISU folge aus dem in dieser Konstellation anwendbaren schweizerischen Recht, namentlich aus Art. 27 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, der vor übermäßiger Bindung schützt und wie folgt lautet: „Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken.“ 1332 Siehe dazu ausführlich oben, 81–85.

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chen zu können, dazu führen, dass je nach Verfahrensausgang vor dem Schiedsgericht sich darauf berufen werden würde oder nicht. Dies würde bei anwaltlicher Ver­tretung während des Verfahrens zu einer nicht vorgesehenen und hinnehmbaren Bevorzugung einer Partei führen. Infolge der Präklusion konnte damit die an sich bestehende Unwirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung und die daraus resultierende Rechtswidrigkeit der Dopingsperre vor dem LG nicht geltend gemacht werden. Schließlich sah das LG in der im Verfahren vor dem CAS erbrachten Beweisführung keinen Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt, wenngleich es erhebliche Zweifel an der Annahme des CAS, dass eine erblich bedingte Bluterkrankung Pechsteins mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, und der inhaltlichen Richtigkeit des Schiedsspruches insgesamt deutlich machte. Jedoch würde Art. 3 ISU ADR nur eine hinreichende Überzeugung und keine jenseits vernünftiger Zweifel fordern, dass die Feststellung des CAS den vereinbarten Beweisregeln entsprechen würden. Somit würde kein Ausnahmefall im Sinne einer Unerträglichkeit des Schiedsspruches vorliegen, der eine Durchbrechung der Rechtskraft wegen eines ordre public-Verstoßes rechtfertigen könnte. Dadurch fehlte es letztendlich an der Voraussetzung der Rechtswidrigkeit der Sperre und mithin an den Voraussetzungen für etwaige Schadenersatzansprüche und die Feststellung zukünftiger Zahlungsverpflichtungen. d) Stellungnahme Der CAS hatte sich im „Fall Claudia Pechstein“ zum ersten Mal mit dem Anforderungen an den indirekten Dopingnachweis im Zusammenhang mit der Auswertung eines Biologischen Passes für die Annahme und zugleich Rechtmäßigkeit einer Sanktion wegen eines Verstoßes gegen Art. 2.2 ADR ISU bzw. Art. 2.2 WADA-Code auseinander zu setzen. Dementsprechend ausführlich beschäftigte er sich mit den Berufungen von DESG und Pechstein und den Voraussetzungen des indirekten Dopingnachweises. Diesbezüglich lassen sich zunächst grundlegende Übereinstimmungen mit den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des direkten Nachweisverfahrens fest­halten. In beiden Fällen ist maßgeblich, dass die „chain of custody“ vom Ort der Probenentnahme bis hin zur Analysestelle gewahrt wird. Den Nachweis für deren Einhaltung trägt auch beim indirekten Nachweisverfahren der Sportfachverband. Ein indirekter Nachweis im Sinne eines zulässigen Beweismittels für den Gebrauch einer verbotenen Methode ist daher erbracht, wenn die Blutproben ordnungsgemäß gewonnen wurden (1), der Nachweis einer „chain of custody“ von der Entnahme bis zu der Verbringung der Proben in das Analyselabor nachgewiesen ist (2), die verwendete Blutparametermessmaschine geeignet gewesen ist  (3), die dadurch gewonnen Werte ordnungsgemäß in die Blutprofildatenbank übertragen worden sind (4) und jeweils eine inter- bzw. intra-individuelle Abnormalität vorgelegen hat (5).

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Ferner geht der CAS zumindest auf den ersten Blick auch im Rahmen von Art. 2.2 ISU ADR bzw. Art. 2.2 WADA-Code weiterhin von einer strict liability aus, indem er betont, dass ein Verschuldensnachweis nicht notwendig ist. Diese, aus nationaler, rechtsstaatlicher Sicht bedenkliche Handhabung entkräftet er sogleich selbst, indem er dem betroffenen Sportler die Möglichkeit einräumt, vernünftige Erklärungen für die Blutwerte einbringen zu können. Damit erhält dieser eine Exkulpationsmöglichkeit, so dass zumindest im Ergebnis auch im internationalen Beweisverfahren nicht von einer reinen verschuldensunabhängigen Haftung, sondern von einer Beweislastumkehr im Sinne einer modifizierten strict liability zugunsten des Verbandes ausgegangen wird1333. Das offizielle Betonen des strict liability-Grundsatzes lässt sich daher eher mit der Internationalität des CASSchiedsrichter und ihren unterschiedlichen Rechtskulturen erklären, „so dass die dogmatische Begründung nicht immer einheitlich ist“1334. Doch wird inhaltlich dem Athlet jedenfalls regelmäßig die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises zugebilligt1335. Es ist hierfür jedoch nicht ausreichend, irgendeine Behauptung wie das Vorliegen einer Blutkrankheit oder eines genetischen Defektes aufzustellen. Vielmehr müssen auch hierbei tatsächliche Anhaltspunkte aufgestellt werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit der behaupteten Erklärung ergibt. Es lässt sich damit eine gewisse Parallele zu den Anforderungen des nationalen Verbandsverfahrens an eine Erschütterung des durch die positive Probe begründeten Anscheins eines schuldhaften Verstoßes gegen Art.  2.1 WADA- bzw. NADA-Code aufzeigen. Jedoch genügt es im Gegensatz zu den Erschütterungsvoraussetzungen im Rahmen des Art. 2.2 WADA-Code nicht, nur die ernsthafte Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufes darzulegen, der gleichberechtigt neben dem typischen Erfahrungssatz in Betracht gezogen werden kann, ohne endgültig entscheiden zu müssen, welches Szenario wirklich zutrifft. Vielmehr muss die zur Entlastung angeführte Ursache in zuverlässiger Weise eindeutig zu den auffälligen Blutwerten geführt haben; das Aufzeigen alternativer Möglichkeiten genügt hingegen nicht. Dies lässt allerdings nicht den Schluss zu, dass für Art. 2.1 und Art. 2.2 WADACode unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsgrade für die Gegenbeweisführung gelten würden. Vielmehr ist für beide Verstöße Art. 3.1 WADA-Code als einheitliche Beweisregel anzusehen. Jedoch muss danach jeweils in Relation zu dem vorgeworfenen Verstoß, den Substanzen und der Art und Weise der Begehung sowie nach der Schwere des Vorwurfs differenziert werden. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass im Einzelfall ein höheres Beweismaß entweder für die Gegenbeweisführung oder aber auch für eine erfolgreiche Beweisführung durch die zuständige Anti-Doping-Behörde notwendig ist. Dieser Ansatz korrespondiert mit der auf-

1333

Dies wird nach der hier vertretenen Auffassung als „modifizierte strict liability“ verstanden. Siehe dazu oben, S. 182. 1334 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 234. 1335 Paul, Grenzwerte im Doping, S. 234.

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gezeigten sekundären Behauptungslast1336. Im „Fall Claudia Pechstein“ führte die damit einhergehende gesteigerte Substantiierungspflicht wegen der Schwere des Vorwurfes des Gebrauchs einer verbotenen Methode (Blutdoping) dazu, dass zunächst die Anti-Doping-Behörde eine Fülle von verschiedenen Voraussetzungen aufstellen musste, um den Anforderungen des Art. 3.1 WADA-Code für den Nachweis eines Verstoßes nach Art. 2.2 WADA-Code gerecht werden zu können. Im Gegenzug traf Pechstein nunmehr die Pflicht zur substantiierten Gegenbeweisführung, die sich darin niederschlug, dass sie eine Erklärung im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit erbringen musste und das bloße Aufzeigen einer alternativen Möglichkeit in diesem Moment nicht mehr ausreichend war. Hinsichtlich der Entscheidung des BG lässt sich konstatieren, dass eine Re­ visionsbegründung wegen des Aufzeigens neuer Beweismittel oder Tatsachen nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich ist. Maßgebend ist hierfür, inwieweit das Schiedsgericht Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen hat, und somit die ergangene Entscheidung Anlass bietet, neue Beweismittel und Tatsachen im Revisionsverfahren zuzulassen1337. Das ist nur dann der Fall, wenn eine unrichtige Würdigung durch das Schiedsgericht erfolgt ist, weil für den Schieds­entscheid wesentliche Tatsachen nicht sorgfaltswidrig unbewiesen geblieben sind1338. Diese Vorgehensweise ist an dem Grundsatz angelehnt, dass dem BG nur eine beschränkte Kognitionsbefugnis im Hinblick auf Schiedsgerichtsentscheidungen zusteht1339 und es ihm daher verwehrt ist, selbst objektiv fehlerhafte Entscheidungen des Schiedsgerichts zu korrigieren. Es soll damit vermieden werden, dass sich Parteien einzig wegen der vermeintlichen materiellen Unrichtigkeit des Schiedsentscheides oder wegen einer gegenüber den Behauptungen der Parteien abweichenden, rechtlichen Würdigung des Schiedsgerichts an das BG wenden, da dieses andernfalls zu einer weiteren Berufungsinstanz werden würde1340. Denn sofern sich die Parteien der staatlichen Gerichtsbarkeit durch eine Schiedsgerichtsvereinbarung entziehen, kann die staatliche Rechtsordnung nur darüber wachen, dass die wesentlichen verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen wie die Zuständigkeit und die Besetzung des Schiedsgerichts, der Grundsatz der Gleichbehandlung und des rechtlichen Gehörs sowie die Konformität mit dem nationalen ordre public eingehalten werden1341. Die Beschränkung der Überprüfbarkeit auf wesentliche Verfahrensgrundsätze bzw. den ordre public-Vorbehalt verdient Zustimmung. Denn sie entspricht der „Kehrseite der Medaille“ einer Schiedsgerichtsbarkeit: Sofern sich die Parteien 1336

Siehe zum Begriff der sekundären Behauptungslast oben, S. 39–40. Netzle, SpuRt 2011, 2 (4). 1338 Netzle, SpuRt 2011, 2 (6). 1339 BG SpuRt 2011, 25 (26). 1340 Netzle, SpuRt 2011, 2 (4–5); BG SpuRt 2011, 25 (27). 1341 Netzle, SpuRt 2011, 2 (4). Zur Aufhebung eines CAS-Urteiles siehe in lehrreicher Art und Weise die Aufhebung des CAS-Schiedsspruches durch das BG vom 27.3.2012, SpuRt 2012, 109. 1337

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dafür entscheiden, müssen sie sich damit arrangieren, dass ihnen die staatliche Gerichtsbarkeit nicht mehr gänzlich zur Verfügung steht. Zudem werden dadurch weitere unverhältnismäßige Verzögerungen und Unsicherheiten im Sportbetrieb vermieden1342. Die Entscheidung des LG München kann indes nicht frei von Kritik bleiben. Im Kern erachtet das LG hierbei die von Pechstein geschlossenen Schiedsgerichts­ vereinbarungen mit der DESG bzw. der ISU wegen der fehlenden Freiwilligkeit für unwirksam. Zur Begründung verweist es auf die durch das Ein-Platz-Prinzip bedingte Monopolstellung der Sportfachverbände auf der einen, und auf die für die betroffenen Sportler notwendige Wettkampfteilnahme zur Berufsausübung auf der anderen Seite, die die Sittenwidrigkeit des Schiedszwanges begründen würden. Damit stellt das LG die Institution der Schiedsgerichtsbarkeit, respektive die statutarische und vertragliche Unterwerfung unter selbige vehement in Frage. Gegen die vom LG München vertretene Auffassung spricht, dass nicht jedes strukturelle Ungleichgewicht zwischen den Parteien damit einhergeht, dass die überlegene Partei die andere zum Abschluss des Vertrages nötigt. Vielmehr liegt die Vereinbarung eines internationalen Schiedsgerichts gerade im Interesse des vermeintlich unterlegenen Sportlers. Denn nur dadurch kann eine einheitliche Sportrechtsprechung überhaupt gewährleistet werden. Zutreffend stellt Haas fest, dass sich der Sportler nur deshalb einem sportlichen Regelwerk unterwerfen würde, weil er davon ausgeht, dass auch seine Konkurrenten in gleicher Weise gebunden wären1343. Monheim wendet dagegen ein, dass die Unterwerfung nicht um jeden Preis geschehen würde und aus dem Willen, in gleicher Weise wie der Konkurrent an ein bestimmtes Regelwerk gebunden zu sein, nicht geschlossen werden kann, unter Ausschluss an der ordentlichen Rechtsweges an ein Gericht wie dem CAS gebunden zu sein, dessen Besetzung nicht beeinflusst werden kann. Aus verfassungsrechtlichen Gründen könne der Verzicht auf den gesetzlichen Richter nur „bewusst und freiwillig“ erfolgen, ein diesbezüglicher Nachweis der Freiwilligkeit obläge in diesem Zusammenhang dem jeweiligen Sportfachverband1344. Dieser könne durch den Nachweis, dass dem Sportler ein echtes Wahlrecht in der Vereinbarung zur Verfügung gestanden hat, erbracht werden1345. Fehle dieser Nachweis und mithin die Freiwilligkeit, so folgt auch für Monheim aus diesem Umstand die Unwirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung nach § 138 BGB1346. Auch vermöge an diesem Umstand die Streichung der Unwirksamkeitsfolge des § 1025 Abs. 2 a. F. ZPO zugunsten des § 1034 Abs. 2 ZPO nichts zu ändern, wonach die Benachteiligung einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts nicht zur Unwirksamkeit, sondern ein Antragsrecht zur Korrektur der Schiedsrichter 1342

Netzle, SpuRt 2011, 2 (6). Haas, ZGR 2001, 325 (337). 1344 Monheim, SpuRt 2014, 90 (91). 1345 Monheim, SpuRt 2014, 90 (91/92). 1346 Monheim, SpuRt 2014, 90 (92). 1343

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besetzung einräumt1347. Zum einen handle es sich bei dem dann ausgetauschten Richter nicht um den gesetzlich vorgesehenen, zum anderen könne nur ein anderer Schiedsrichter aus der abschließenden Liste gewählt werden, auf den Sportler keinen Einfluss habe. Daher fehle es an einem ausreichenden Korrektiv1348. Ersteres muss jedoch dergestalt widersprochen werden, dass wegen der grundsätzlichen Gleichwertigkeit zwischen einem Schiedsgericht und einem ordentlichen Gericht nicht auf einen solches Argument zurückgegriffen werden kann. Denn im Rahmen des Antrages nach § 1034 Abs. 2 ZPO geht es um die Änderung der Besetzung durch die Berufung eines neuen Schiedsrichters, der in der Regel nicht ein ordentlicher Richter sein wird. Zudem muss in Zusammenhang mit der Annahme von Sittenwidrigkeit wegen einer strukturellen Überlegenheit einer Partei berücksichtigt werden, dass hierfür in der Regel zusätzlich noch weitere, besondere Umstände hinzutreten müssen1349. Zumindest diesen Aspekt widmet das LG in seiner Entscheidung nicht genügend Aufmerksamkeit. Ferner gerät dadurch auch die gesetzgeberische Intention zu sehr ins Hintertreffen. Durch die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 a. F. ZPO und die Einführung des § 1034 Abs. 2 n. F. ZPO wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass trotz einer wirtschaftlichen Überlegenheit des einen an der Schiedsvereinbarung beteiligten Teils (Sportfachverband) dies nicht als Grund für die Unwirksamkeit der Vereinbarung herangezogen werden soll, sondern einem etwaigen daraus resultierenden Machtgefälle mit anderen Schutzmechanismen zugunsten des schwächeren Teils begegnet wird1350; zumal davon auszugehen ist, dass sich der Gesetzgeber des damit verbundenen Eingriffs in den Justizgewährleistungsanspruchs bewusst gewesen sein muss. Vor diesem Hintergrund kann die Wirksamkeit einer unter den – vom LG kritisch gesehenen – Bedingungen nicht durch die Berufung auf die Generalklausel des § 138 BGB wieder in Frage gestellt werden1351. Als besonders schwerwiegend erweist sich an der vom LG vertretenen Ansicht vor allem, dass damit das Ziel der Einheitlichkeit in der Sportgerichtsrecht­ sprechung ad acta gelegt wird, was sich nicht nur, aber gerade auch in Zusammenhang mit der Dopingbekämpfung als fatal erweist. Zwar erkennt das LG selbst die damit einhergehende Problematik, ordnet jedoch das dieses schützenswerte Interesse der Sportfachverbände materiell-rechtlich falsch ein, indem es ausführt: „[…] Die Kammer verkennt nicht, dass der Sportbetrieb insgesamt von einer einheitlichen Schiedsgerichtsbarkeit profitieren mag. Als Vorzüge der Sportschiedsgerichtsbarkeit führt die Beklagte zu 2 deren Internationalität, die durch sie gewährte Einheitlichkeit der An-

1347

So auch Haas, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, S. 48–49. Monheim, SpuRt 2014, 90 (92). 1349 Zustimmend Haas, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, S. 50; ders., ZGR 2011, 325 (331). 1350 Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, S. 10–11. 1351 Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, S. 11. 1348

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

wendung der Regelwerke sowie die von ihr zu bewältigenden Erfordernisse angesichts der Schnelllebigkeit des Sports an. Diese Erwägungen können jedoch mangels gesetzlicher Grundlage nicht als Rechtfertigung für die Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs des konkret betroffenen Sportlers herangezogen werden und dem strukturell unterlegenen Sportler eine Privatisierung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten aufzwingen […].“1352

Doping gefährdet die ethischen Grundsätze und die erzieherischen Werte, die in der Internationalen Charta für Leibeserziehung und Sport der UNESCO sowie in der Olympischen Charta definiert sind1353. Die Einhaltung der Sport – respek­ tive der Dopingregularien dient der Chancengleichheit, dem Fair-play-Gedanken und ermöglicht so überhaupt erst die Gewährleistung eines institutionellen und fairen Wettkampfcharakters. Die Vereinheitlichung der Regularien ist daher unumgänglich und notwendig1354. Eine effektive Dopingbekämpfung setzt daher neben einer einheitlichen Dopingdefinition (WADA- bzw. NADA-Code) eine einheitliche Rechtsprechung und eine wirksame, universale Umsetzung der Urteile voraus1355. Das Recht zur Überwachung der Einhaltung der eigenen Regeln und zur Sanktionierung ist ebenso über Art. 9 GG verfassungsrechtlich gewährleistet wie das Recht, die damit einhergehende Verbandsgerichtsbarkeit auf Sportschiedsgerichte zu übertragen und damit von diesen ausüben zu lassen1356. Es bleibt fraglich, ob das LG mit seiner Auffassung den verfassungsrechtlich gebotenen Interessenausgleich richtig vorgenommen hat. Zwar wird durch die Entscheidung des LG wohl noch kein Eingriff in den unantastbaren Kernbereich des von Art. 9 GG für die Sportfachverbände umfassten Schutzbereiches angenommen werden können, bleibt ihnen – zumindest theoretisch – noch die eigene Verbandsgerichtsbarkeit. Doch sind sie dadurch in ihrer legetimen und geschützten Zielsetzung, eine einheitliche und damit effektive Dopingbekämpfung im Wege der Selbstregulierung über das Institut der Schiedsgerichtsbarkeit zu garantieren, doch erheblich eingeschränkt. Der vom LG zur Rechtfertigung vollzogene Rückgriff auf den Justizgewährleistungsanspruch stellt ein gewichtiges Verfassungsgut dar, welches einen solchen erheblichen Eingriff prinzipiell zu rechtfertigen vermag. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass wegen dieser verfassungsrechtlichen Verankerung des Zugangs zur staatlichen Gerichtsbarkeit der Verzicht durch die betroffenen Sportler autonom im Sinne einer selbstbestimmten Entscheidung erfolgen muss. Fraglich ist aber weiterhin, ob der Ausweg aus dem Schiedszwang und damit zugleich eine angemessene Interessenabwägung einzig über die Annahme der Unwirksamkeit gefunden werden kann. Vorzugswürdig erscheint es vielmehr, die Schiedsgerichtsvereinbarung nicht für unwirksam zu erklären, sondern die Lösung in der fortlaufenden Verbesserung des schiedsgerichtlichen Verfahrens und der damit verbundenen Rechte zu suchen. Damit würde in höherem Maße dem Bedürfnis 1352

LG München (Fn. 1277). Handschin/Schütz, SpuRt 2014, 179 (181). 1354 Handschin/Schütz, SpuRt 2014, 179 (181). 1355 Handschin/Schütz, SpuRt 2014, 179 (181). 1356 PHB SportR-Fritzweiler I 1/23; Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, S. 12. 1353

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der Sportfachverbände und zugleich auch der Zielsetzung des parlamentarischen Gesetzgebers gerecht werden, mit dem Institut der Schiedsgerichtsbarkeit einen gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit gleichwertigen Rechtsschutz garantieren zu können1357. Dies würde einem angemessenen Ausgleich zwischen dem verständlichen Rechtsschutzbedürfnis der Sportler einerseits und dem gleichwertigen Interesse der Sportfachverbände an einer einheitlichen Dopingrechtsprechung im Wege der Schiedsgerichtsbarkeit andererseits entsprechen. Letztendlich scheint es, als ob das LG im Hinblick auf die Statuierung der Unwirksamkeit einer nicht freiwillig geschlossenen Schiedsgerichtsvereinbarung selbst „zurückrudert“ und dies durch den Rückgriff auf den Grundsatz der Verwirkung manifestiert, um im Ergebnis die Klage doch noch abweisen zu können. Diesbezüglich stellt Monheim zutreffend fest, dass es die Argumentation des LG an dieser Stelle nicht zu überzeugen vermag1358. Zwar betont es selbst, dass die Rüge der Unwirksamkeit nicht erst in einem späteren Verfahren geltend gemacht werden dürfe, sofern zuvor (erfolglos) zur Sache verhandelt worden ist, weil sonst der Partei die Möglichkeit eingeräumt werden würde, den Ausgang des Schiedsgerichtsverfahrens abzuwarten und erst bei einem negativen Ausgang die ordentliche Gerichte anrufen zu können1359. Doch eröffnet das LG mit seiner Einschätzung, man könne auch zur Sache verhandeln, sofern zugleich die Rüge der Unzuständigkeit erhoben wird, gerade diesen Weg. Inhaltlich entspricht die Argumentation jedoch wegen § 1031 Abs. 6 ZPO dem geltenden Recht1360. Im Ergebnis erweisen sich sowohl die Entscheidungen des CAS als auch des BG als vertretbar. Es ist jedoch zu hinterfragen, inwieweit vor allem nach nationalem Verbandsrecht sich die Annahme eines Dopingverstoßes als rechtmäßig erweist. Dies erfolgt im Rahmen der Ausführungen zu Art.  2.2 NADA-Code1361. Hierbei wird auch Berücksichtigung finden müssen, dass ein zweites Verfahren gegen Pechstein nach ihrer „Selbstanzeige“ wegen weiterhin erhöhter RetikulozytenWerte nicht eingeleitet worden ist1362. Als problematisch ist indes die Entscheidung des LG München zu beurteilen. Sie vermag unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ansicht im Ergebnis nicht zu überzeugen1363. 1357

Siehe zum Beispiel oben, S. 102–103. Monheim, SpuRt 2014, 90 (94). 1359 Siehe oben, S. 245–247. 1360 Siehe dazu auch oben, S. 106–107. 1361 Siehe unten, S. 261–276. 1362 Siehe dazu unter anderem die Pressemitteilung der NADA vom 2.12.2011, abrufbar unter dem Stichwort „Pechstein“ unter http://www.nada-bonn.de/de/nc/suche/. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung handelt es sich bei der „Selbstanzeige“ von Claudia Pechstein nicht um eine im rechtlichen Sinne. Denn sie zeigt damit keine Tat im Sinne von Art. 2.2 NADA-Code an, sondern tätigt vielmehr eine „Mitteilung von Werten“, verbunden mit der Auffassung, dass bei diesen Werten kein Doping vorliegen würde. 1363 Im Ergebnis zustimmend Handschin/Schütz, SpuRt 2014, 179 (181); a. A. und damit im Ergebnis dem LG München folgend PHB SportR-Summerer II 2/221; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 167; ders., SpuRt 2014, 90 (94); ähnlich Maihold, SpuRt 2013, 95 (96). 1358

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

4. Der Fall „Lance Armstrong“ – Sachverhalt und Verfahrensgang Lance Armstrong, der ehemals weltweit erfolgreichste Radrennfahrer mit allein sieben, mittlerweile aberkannten Tour de France-Triumphen, wurde am 12.6.2012 von der amerikanischen Anti-Doping-Behörde USADA1364 wegen mehrerer Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen angeklagt1365. Ausgangspunkt dieser Anklage ist ein Verfahren aus dem Jahre 2008 gegen den Radrennfahrer Kayle Leogrande gewesen. Im Zuge seiner Verurteilung zu einer zweijährigen Sperre wegen des Gebrauchs von EPO erhielt die USADA erste Anhaltspunkte über eine weitreichende Verwendung von Dopingmitteln in der südkalifornischen Radsportszene1366. Weitere detaillierte Informationen über ein jahrelang praktiziertes, von Armstrong in einer Schlüsselposition betriebenes Doping-Programm im U. S. Postal Service Radrennteam erhielt sie von Paul Scott, einem in Südkalifornien ansässigem Freund von Floyd Landis, der wiederum ein ehemaliger Teamgefährte von Armstrong gewesen ist1367. Diese Vorwürfe wurden anschließend in mehreren Gesprächen zwischen der USADA und Landis bestätigt und spezifiziert1368. Im Zuge dessen kam es zu weiteren Aussagen ehemaliger Teamgefährten wie Tyler Hamilton, George Hincapie, Frank Andreu, Levi Leipheimer und Christian Vande Velde1369, die letzten Endes Hauptgrundlage der Anklageerhebung vom 12.6.2012 wurden. Dagegen wendete sich Armstrong im Wege einer staatlichen Unterlassungsklage vom 9.7.2012, um die gegen ihn gerichtete Anklage der USADA zu unterbinden1370. Diese wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass Armstrong der Zuständigkeit der USADA unterfalle und sie somit berechtigt sei, ein Verfahren wegen des Vorliegens von Anti-Doping-Verstößen einzuleiten. Ferner würde sich die Schiedsverfahrensordnung der USADA an den Verfahrensregeln des Amerikanischen Schiedsgerichtsverbandes orientieren und damit in verfahrenstechnischer Hinsicht sämtliche verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen fairen Prozess erfüllen1371. Danach erklärte Armstrong mit Schreiben vom 23.8.2012, dass er die nach der USADA-Verfahrensordnung vorgesehene

1364 Bezeichnung für die United States Anti Doping Agency. Näheres dazu unter http://www. usada.org/. 1365 USADA v. Lance Armstrong, reasoned decision of the United States Anti-Doping Agency vom 10.10.2012, S. 11. Abrufbar unter http://cyclinginvestigation.usada.org/. 1366 USADA (Fn. 1366), S. 9. 1367 USADA (Fn. 1366), S. 10. 1368 USADA (Fn. 1366), S. 10. 1369 Siehe die Zeugenaussagen dieser Fahrer im Anhang des USADA Reports, abrufbar unter http://cyclinginvestigation.usada.org/ unter dem Gliederungspunkt „Appendices and support­ ing materials“. 1370 Siehe USADA (Fn. 1366), S. 12. 1371 USADA (Fn. 1366), S. 13. „[…] the USADA arbitration rules, which largely follow those of the American Arbitration Association, are sufficiently robust to satisfy the requirements of due process; […] to the extent Armstrong wishes to challenge the validity of USA Cycling’s regulations or the USADA Protocol, or to argue their provisions are inconsistent with UCI’s

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Anhörungs- und Äußerungsmöglichkeit hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht wahrnehmen würde1372. Mit der Entscheidung vom 24.8.2012 sprach die USADA daraufhin eine lebenslange Sperre gegen Armstrong aus und annullierte sämtliche, seit dem 1.8.1998 erzielten Wettkampfergebnisse1373. Diese Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig geworden, da sowohl Armstrong als auch die ebenfalls nach Art.  13.2 WADA-Code zur Anfechtung berechtigten WADA, UCI und WTC1374 auf das Einlegen eines Rechtbehelfes nach Art. 13.1 WADACode verzichtet haben. Die Schwere der Sanktion ist dabei auf eine Vielzahl von durch Armstrong begangenen und nachweisbaren Verstößen gegen geltende Anti-Doping-Bestimmungen zurückzuführen. Ihm wird vorgeworfen, verbotene Substanzen und/oder verbotene Methoden gebraucht zu haben bzw. dies versucht zu haben (Art.  2.2 WADA-Code), verbotene Substanzen und/oder Methoden besessen zu haben (Art. 2.6 WADA-Code), verbotene Substanzen in den Verkehr gebracht zu haben (Art.  2.7 WADA-Code), andere zu deren Gebrauch angestiftet, an diese weiter gereicht und Maßnahmen zur Verschleierung der begangenen Anti-Doping-Verstöße ergriffen zu haben (Art.  2.8 WADA-Code)1375. Zudem würden zusätzliche schwerwiegende Umstände vorliegen, die eine lebenslange Sperre zu rechtfertigen vermögen1376. a) Rechtliche Würdigung durch die USADA Ausgehend vom Beweismaß des Art.  3.1 WADA-Code, wonach die USADA als zuständige Anti-Doping-Organisation überzeugend darlegen musste, dass Verstöße gegen die Anti-Doping-Bestimmungen vorliegen und dieser Anforderung gerecht wird, sofern die vorgebrachte Beweisführung die angeführten Verstöße mehr als bloß wahrscheinlich erscheinen lassen, jedoch nicht jeden Zweifel ausschließen müssen, gelangte sie zur vollen Überzeugung, dass Armstrong gegen die Art. 2.2, 2.6, 2.7 und 2.8 WADA-Code verstoßen hatte1377. Für diese Fest­ stellung war das Vorliegen einer positiven Doping-Probe nicht erforderlich; viel-

rules, the Court finds he has agreed to do so through arbitration with USADA […] the Court concludes Armstrong agreed to arbitrate with USADA […].“ 1372 Siehe Fn. 1366, S. 13 „[…] Armstrong published a statement indicating he would not elect to proceed to a hearing before the AAA under the USADA Protocol.“ 1373 USADA (Fn. 1366), S.1. 1374 Bezeichnung für die World Triathlon Cooperation. 1375 USADA (Fn. 1366), S. 7–8. Die genannten Anti-Doping-Bestimmungen sind sowohl in den UCI-Regeln als auch in den Vorschriften des USADA-Codes inhaltsgleich enthalten, so dass im Sinne einer besseren Übersichtlichkeit der Darstellung auf die Vorschriften des WADACodes zurückgegriffen werden kann. 1376 USADA (Fn. 1366), S. 9. 1377 USADA (Fn. 1366), S. 15 und S. 164.

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

mehr genügte jedes andere, zuverlässige Beweismittel1378. Davon ausgehend hätten diverse, teilweise im Wege einer eidesstaatlichen Versicherung oder unter Eid abgegebene Zeugenaussagen belegt, dass Armstrong im Zeitraum von 1998 bis 2005, insbesondere während seiner Teilnahmen an der Tour de France sowie in den Jahren 2009 und 2010 die verbotenen Substanzen EPO1379, Kortison1380, Testosteron1381 und Wachstumshormone1382 gebraucht sowie Bluttransfusionen1383 vorgenommen hatte. Ferner wurde auch – unter anderem über Zeugenaussagen – der Kontakt von Armstrong zu Dr. Michele Ferrari nachgewiesen1384, den ersterer kontinuierlich während seiner Radsportkarriere  – selbst nach Ferraris Verurteilung vom 1.10.2004 durch ein italienisches Gericht wegen Sportbetruges im Zusammenhang mit der Betreuung italienischer Radrennfahrer beim Gebrauch von EPO und Andriol1385 – und entgegen öffentlich gemachter Aussagen aufrecht erhielt1386. Letzteres konnte insbesondere auch durch Auszüge aus E-Mail Korrespondenzen1387 zwischen Armstrong und Ferraris Sohn, Stefano1388, sowie durch Kontoauszüge über von Armstrong getätigte Überweisungen an das schweizerische Unternehmen „Health & Performance“, welches Ferrari gehörte1389, belegt werden.

1378 USADA (Fn. 1366), S. 15–16. Vgl. dazu auch die Kommentierung zu Art. 2.2 WADACode. 1379 USADA (Fn. 1366), S. 16–18 (1998); S. 20, 23, 29, 33 (1999); S.41 (2000); S. 50 (2001); S. 64, 67 (2003); S. 71 (2004); S. 76 (2005). 1380 USADA (Fn. 1366), S. 16, 19 (1998); S. 31–32 (1999). 1381 USADA (Fn. 1366), S. 66 (1999); S. 39 (2000); S. 52 (2001); S. 58 (2002); S. 65–66 (2003); S. 69–70 (2004). 1382 USADA (Fn. 1366), S. 16 (1998). 1383 USADA (Fn. 1366), S. 38–39, 42 (2000); S. 49 (2001); S. 59 (2002); S. 62–63 (2003); S. 70–71 (2004); S. 75 (2005); S. 86–87 (2009, 2010). 1384 USADA (Fn.  1366), S.  18: „By 1998 Armstrong had been working with Dr. Michele­ Ferrari for approximately four years.“ 1385 USADA (Fn. 1366), S. 73. Bei Andriol handelt es sich um ein Testosteron-Präparat. 1386 USADA (Fn. 1366), S. 77: „In 2005 Lance Armstrong sought his seventh straight Tour de France title, having promised the world on October 1, 2004, that he would no longer work with Dr. Michele Ferrari in pursuit of this title. However, USADA has uncovered evidence establish­ ing that Armstrong’s representation to the public concerning Ferrari was broken soon after it was made. USADA’s witnesses and bank records obtained from Ferrari’s company demonstrate that for Lance Armstrong it was business as usual with Ferrari in 2005.“ USADA (Fn.  1366), S.  83: „In 2009 Leipheimer asked Armstrong whether he was still work­ing with ‚Schumi‘. Armstrong said that he was, ‚through a middle person‘.“ 1387 Siehe dazu die Ausführungen zur Presserklärung Armstrongs in USADA (Fn.  1366), S. 74. 1388 USADA (Fn. 1366), S. 84. 1389 USADA (Fn. 1366), S. 57–58, 78: „Nonetheless, accounting records from Ferrari’s Swiss company Health & Performance record $ 150,000.00 in payments from Armstrong to Ferrari in 2002. […] On March 29, 2005, Armstrong wired Ferrari one hundred thousand dollars to the Swiss account of Health & Performance.“ Insgesamt belaufen sich die von Armstrong an Ferrari geleisteten Zahlungen auf $ 1,029,754.31. Siehe dazu die Übersicht in USADA (Fn. 1366), S. 107.

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Ferrari wäre in diesem Zusammenhang diejenige Zentralgestalt gewesen, die mittels medizinisch-mathematischer Berechnungen bestimmte Zeitfenster für den Gebrauch der genannten Dopingsubstanzen1390 und der Vornahme der Transfusionen aufgestellt bzw. selbst durchgeführt oder überwacht hatte1391. Die Beziehung zu Ferrari, der nachweislich Radrennfahrer wie beispielsweise die des U. S. Postals Cycling Teams jahrelang mittels Dopingpraktiken betreute1392, wäre neben den gemachten Aussagen der Teamgefährten als weiteres Indiz für den von Armstrong begangenen Verstoß gegen Art. 2.2 WADA-Code zu werten. Denn dadurch würde sich das Gesamtbild von Armstrongs dopingbelastetem Umfeld vervollständigen, welches neben Ferrari den Teamchef Johan Bruyneel1393, die beiden Teamärzte Dr. Luis Garcia del Moral1394 und Dr. Pedro Celaya1395 sowie Jose Marti1396 umfasste, und letzten Endes für eine große Wahrscheinlichkeit sprechen, dass Armstrong sich auch selbst gedopt habe1397. Darüber hinaus wurden als weitere Indizien die Blutwerte von Armstrong herangezogen, die über die von der WADA und der USADA veranlassten Blutpro 1390

USADA (Fn. 1366), S. 27. USADA (Fn. 1366), S. 101–102: „Hamilton also described injections of EPO that he received from Dr. Ferrari. […] Multiple handwritten training plans for Kevin Livingston were found in Dr. Ferrari’s files during a search of his residence in the first investigation of Dr. Ferrari. The cyclists who have worked with describe handwritten training plans prepared by Dr. Ferrari, and have testified that he placed notations on their plans to indicate the dates on which Dr. Ferrari they were supposed to use performance enhancing drugs. […] Hincapie, Leip­heimer and Vande Velde have testified that on their training plans dots were references to days on which EPO was to be administered.“ 1392 USADA (Fn. 1366), S. 91. 1393 USADA (Fn. 1366), S. 109–110: „[…] Johan Bruyneel was intimately involved in all significant details of the U. S. Postal team’s doping program. He alerted the team to the likely presence of the testers. He communicated with Dr. Ferrari about his stars’ doping programs. He was on top of the details for organizing blood transfusions programs before the major Tours, and he knew when athletes needed to take EPO to regenerate their blood supply after extracting blood. He was present when blood transfusions were given. He even personally provided drugs to the riders on occasion.“ 1394 USADA (Fn. 1366), S. 115–116: „[…] and del Moral and Bruynell worked hand in hand in implementing the team-wide doping program on the U. S. Postal Service team during the period from 1999 through 2003.[…] Every one of the nine (9) riders from the team during this period who have provided affidavits to USADA described Dr. del Moral’s involvement in ­doping.“ 1395 USADA (Fn. 1366), S. 119–120: „Celaya’s affable nature was also an asset in helping him to convince some young riders to try new drugs. For instance, when Dr. Celaya gave testosterone to Tyler Hamilton for the first time Celaya said, ‚this is not doping, this is for your health.‘ […] Dr. Celaya became an active participant in the doping. Supplying and injecting (or supervising the injection of) a pharmacopeia of banned performance enhancing drugs such as EPO, testosterone, human growth hormone and cortisone, and assisting with the blood doping operation.“ 1396 USADA (Fn. 1366), S. 123: „However, the evidence is that Pepe was the principal drug runner for the U. S. Postal Service team. Because of this Marti was known to the riders as ‚The Courier‘.“ 1397 USADA (Fn. 1366), S. 90. 1391

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ben für den Zeitraum vom 16.10.2008 bis zum 30.4.2012 gewonnen und über einen Sachverständigen wissenschaftlich untersucht worden waren1398. Die Auswertung ergab unter anderem auffällig niedrige Retikulozyten-Anteile während der Tour de France 2009 und 2010. Dieses Phänomen würde häufig auftreten, sofern dem Körper eigene Blutkonserven transfundiert werden. Dadurch käme es zu einer natürlichen Verminderung der Retikulozyten-Produktion, die sich in der Folge in einem verringerten prozentualen Anteil widerspiegeln würde1399. Demnach sprach eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die niedrigen Retikulozyten-Anteile Armstrongs auf Bluttransfusionen zurückgeführt werden konnten; die Chance eines natürlichen Ursprungs hätte hingegen bei weniger als 1:1.000.000 gelegen1400. Ergänzend dazu wurde auch das Blutplasma-Volumen während der Tour de France 2009 mit demjenigen verglichen, welches er beim Giro d’Italia 2009 aufwies. Bei einem normalen Verlauf würde es im Zusammenhang mit einer wettkampfmäßigen Belastung wie einer Rundfahrt zu einem Plasmaanstieg kommen. Dieser Verlauf konnte bei Armstrong während des Giro d’Italia festgestellt werden, für die Tour de France jedoch nur während der ersten sieben Tage. Danach kam es indes zu einer Verringerung des Plasma-Volu­ mens. Auch dies wäre die typische Folge einer in dieser Zeit vorgenommenen Bluttransfusion1401. Die verringerten Retikulozyten-Werte und das Absinken des Plasma-Volumens während der zweiten Tour de France-Woche 2009 könn­ rmstrong vorgenommenes Blutdoping ten somit als weitere Indizien für von A angesehen werden1402. Ferner belegten die Zeugenaussagen nach Auffassung der USADA, dass Armstrong neben dem Gebrauch von Dopingmitteln auch Handel mit diesen betrieben bzw. anderen Fahrern Zugang zu seinen eigenen Dopingmitteln verschafft hatte1403. Des Weiteren habe er für andere Kontakte zu Ferrari und dessen Dopingmethoden vermittelt1404. Diese Handlungen stellen Zuwiderhandlungen gegen die Tatbestände des Art. 2.6 und Art. 2.7 WADA-Code dar. 1398

USADA (Fn. 1366), S. 140. Siehe dazu auch Pöttgen, Doping 2011, 95 (96). 1400 USADA (Fn. 1366), S. 140. 1401 USADA (Fn. 1366), S. 141. 1402 USADA (Fn.  1366), S.  141: „Collectively, the grouping of low reticulocyte during the 2009 and 2010 Tours de France, coupled with his unusual decrease in calculated plasma volume during the middle of the 2009 Tour de France, build a compelling argument consistent with blood doping.“ 1403 USADA (Fn.  1366), S.  66–67: „Landis said that Armstrong gave him  a box of Eprex brand EPO, containing six pre-measured syringes of EPO. These facts demonstrate Armstrong’s possession and trafficking of EPO in 2003.“ Ebenso auf Nachfrage von Tyler Hamilton, USADA (Fn. 1366), S. 50. 1404 USADA (Fn. 1366), S. 46: „At the end of the 2000 season George Hincapie asked Lance Armstrong to introduce him to Dr. Ferrari. […] Armstrong said that he would contact Ferrari on George’s behalf. Ferrari was invited to the opening training camp for the 2001 season […] George Hincapie was told at the camp that the annual cost to him for Ferrari’s services would be $ 15,000.00.“ 1399

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Zudem hätte er andere Fahrer zum Gebrauch verbotener Substanzen bzw. Metho­den angestiftet1405 oder dies zumindest versucht1406 und schließlich im Wege mehrerer öffentlicher Aussagen1407, aber auch unter Eid unwahre Äußerungen zu seinen Dopingpraktiken und seinem Kontakt zu Ferrari getätigt1408, um damit die von ihm begangenen Verstöße gegen die Anti-Doping-Bestimmungen zu verschleiern. Dies alles würde dem Tatbestand des Art.  2.8 WADA-Code unter­ fallen1409, ebenso wie die Beeinflussung oder versuchte Beeinflussung von Belastungszeugen hinsichtlich seiner Dopingpraktiken oder die seines Umfeldes, was ebenfalls durch Zeugenaussagen belegt werden konnte1410. b) Stellungnahme Der „Fall Lance Armstrong“ ist im Zusammenhang mit der Ahndung der Verletzung von Anti-Doping-Bestimmungen nicht nur wegen der Fülle der von Armstrong begangenen Verstöße, die letzten Endes gar in einer gesamtmannschaftlichen Doping-Verschwörung („doping conspiracy“) mit Armstrong als agierender Zentralgestalt mündeten1411, von besonderer Bedeutung, sondern auch, weil hier der verfahrensrechtliche Dopingbeweis ohne eine beweisrechtlich verwertbare positive Dopingprobe geführt wird. Dies ist nach den geltenden Anti-DopingBestimmungen ohne weiteres möglich, da insbesondere im Rahmen der Beweis 1405

USADA (Fn. 1366), S. 59–60: „Armstrong told Vande Velde that if he wanted to continue to ride for the Postal Service team he ‚would have to use what Dr. Ferrari had been telling [Vande Velde] to use and would have to follow Dr. Ferrari’s program to the letter.‘ […] As a consequence of Armstrong’s warning, Vande Velde stepped up his drug use.“ 1406 USADA (Fn. 1366), S. 23: „At a training camp in Solvang, California, Armstrong again tried to get Frankie Andreu to begin working with Michele Ferrari, imploring Andreu, ‚you have to get serious.‘ For Armstrong getting serious meant, among other things, following a doping plan prescribed by Michele Ferrari.“ 1407 USADA (Fn. 1366), S. 74: „As a result of today’s developments, the USPS team and I have suspended our professional affiliation with Dr. Ferrari […].“ 1408 USADA (Fn. 1366), S. 80–81: „On November 30, 2005, […] Lance Armstrong testified under oath and subject to the penalties of perjury in his deposition and was asked the following questions, and gave the following answers: […] And then you severed your relationship with him [Ferrari] based upon that conviction. Is that – is that true? [Armstrong:] True. No, we suspended it. [Q:] Suspended it. But did you use Doctor Ferrari for anything after he was convicted? [Armstrong] Of course not.“ 1409 USADA (Fn. 1366), S. 60. 1410 USADA (Fn. 1366), S. 73: „[…] Armstrong verbally berated Simeoni for testifying in the Ferrari case, saying, ‚You made a mistake when you testified against Ferrari and you made a mistake when you sued me. I have a lot of time and money and I can destroy you.‘ […]Thus Filippo Simeoni has provided to USADA corroborated testimony of an act of attempted witness intimidation by Armstrong, which is in and of itself an anti-doping rule violation pursuant to Article 2.8 of the Code […].“ 1411 USADA (Fn. 1366), S. 11: „[…] each of the Respondents has been part of a doping conspiracy involving team officials, employees, doctors and elite cyclists of the USPS and Discovery Channel Cycling Teams […] (the ‚USPS Conspiracy‘ or the ‚Conspiracy‘).“

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

führung zu Art. 2.2 WADA-Code die für den Dopingverstoß relevanten Tatsachen über jede zuverlässige Methode gewonnen werden können1412, so dass das Zurückgreifen auf indirekte Beweismittel in rechtlicher Hinsicht zunächst keinen besonderen Bedenken unterliegt. Maßgebend ist einzig die Verlässlichkeit des jeweiligen Beweismittels („by any reliable means“). Sofern der Beweis für die Verletzung einer oder mehrerer Anti-Doping-Bestimmungen im Wege von Zeugenaussagen geführt werden soll, ist deren Glaubwürdigkeit entscheidendes Kriterium für die Verlässlichkeit. Die USADA ist sich dieses Umstandes im „Fall Lance Armstrong“ bewusst, denn sie bezieht umfassend Stellung zu der Authentizität der von den Teamgefährten Armstrongs getätigten, belastenden Äußerungen1413. Damit folgt sie demjenigen Beweisstandard, der auch vom CAS in Dopingfällen ohne Positivbefund vertreten wird1414. Die USADA beschränkt sich jedoch nicht nur auf Zeugenaussagen, sondern führt auch andere indirekte Beweismittel an, für die ebenfalls der Maßstab der Verlässlichkeit gilt. Die Hinzuziehung weiterer Beweismittel ist vor allem deshalb zu begrüßen, weil die USADA damit den erhöhten Anforderungen an das Beweismaß, die durch die Schwere der Doping-Vorwürfe im Sinne von Art. 3.1 WADA-Code gegen Lance Armstrong begründet werden, umfassend gerecht wird. Dies muss im Ergebnis im vorliegenden Fall dazu führen, dass neben der Fülle belastender Aussagen weitere indirekte Beweismittel in das Verfahren eingebracht werden, die kumulativ für eine noch größere Wahrscheinlichkeit der begangenen Verstöße sprechen und erst dadurch die lebenslange Sperre wegen des Vorliegens schwerwiegender Umstände zu rechtfertigen vermögen. Im Ergebnis gelingt der USADA damit ein substantiierter, der Schwere des Vorwurfs entsprechender Beweisantritt. Damit bestätigt sich das auch zuvor im „Fall 1412 Gemäß dem Kommentar zu Art.  3.2 WADA-Code kann die Anti-Doping-Organisation einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen nach Artikel 2.2 feststellen, indem sie sich auf das Geständnis des Athleten, das glaubhafte Zeugnis Dritter, zuverlässige Belege, zuverlässige analytische Daten aus der A-und B-Probe gemäß dem Kommentar zu Artikel 2.2 oder auf Schlussfolgerungen stützt, die aus dem Profil einer Reihe von Blut- oder Urinproben des Athleten gezogen werden. Nach dem Kommentar „b“ zu Art. 2.2 WADA-Code können sogar andere analytische Informationen ausreichend sein, die ansonsten nicht alle Anforderungen erfüllen, um das „Vorhandensein“ eines verbotenen Wirkstoffes nach Artikel 2.1 zu begründen. Siehe dazu auch oben den „Fall Claudia Pechstein“, S. 236–253. 1413 USADA v. Lance Armstrong, reasoned decision of the United States Anti-Doping Agency vom 10.10.2012, Addendum – Part One, S. 4 („[…] make Andreu a very credible witness.“); S. 8 („USADA concludes that Hamilton’s detailed account of Lance Armstrong’s doping is truthful, accurate and well corroborated.“); S. 10 („USADA found Jörg Jaksche’s testimony to be substantially corroborated by the testimony of other witnesses and found him to be truthful and highly credible.“); S. 13 („[…] to make Floyd Landis’s account of Mr. Armstrong’s doping highly credible.“); S. 17 („USADA has found Levi Leipheimer’s testimony to be well corroborated and highly credible.“); S.20 („USADA found Vande Velde’s testimony regarding doping on the U. S. Postal Service team during the period from 1998 through 2003 to be highly credible.“). 1414 CAS 2004/O/649; CAS 2004/O/645, S. 7–8: „[…] Doping offences can be proved by a variety of means; and this is nowhere more true than in ‚non-analytical positive‘ cases such as the present. […] In sum, the Panel finds W.’s testimony to be wholly credible.“

D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile

261

Claudia Pechstein“ festgestellte Ergebnis, dass die konkreten Anforderungen an das Beweismaß im Einzelfall maßgeblich von der Schwere des Vorwurfs abhängen. Eine solche Handhabung steht auch nicht im Widerspruch zu einer Entscheidung des CAS, wonach im Zusammenhang mit einem „non-analytical-positive“Fall allein die authentische Aussage eines glaubwürdigen Belastungszeugen für die richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der Annahme eines Dopingverstoßes ausgereicht hatte1415. Dort ging es inhaltlich um einen Verstoß, der Art. 2.2 WADA-Code entspricht, jedoch nicht um mehrere Verstöße gegen verschiedene Anti-Doping-Bestimmungen mitsamt einer Dopingverschwörung, was vor dem Hintergrund der Anforderungen des Art. 3.1 WADA-Code einen höheren Beweismaßstab nach sich zieht. Für dieses Ergebnis spricht letztendlich auch, dass sich durch diese Differenzierung die Erfolgsaussichten der Beweisführung in Dopingangelegenheiten besser vergegenwärtigen lassen und dadurch die Entscheidungsfindung in Dopingangelegenheiten justiziabler wird, was wiederum der durch die gravierenden grundrechtlichen Auswirkungen einer längeren Sperre für den betroffenen Sportler notwendigen Konkordanz zwischen den Individualinteressen des Sportlers und dem Interesse des Sportfachverbandes an einer erfolgreichen und effektiven Dopingaufklärung entspricht1416.

D. Das indirekte Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code im Zusammenhang mit Blutprofilen D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile Der Nachweis eines Dopingverstoßes nach Art. 2.2 NADA-Code erfolgt ohne den Rückgriff auf eine positive Dopingprobe, sondern allein anhand indirekter Zuoder Umstände, von denen auf die eigentliche Haupttatsache – den Gebrauch oder die Verwendung einer verbotenen Substanz bzw. Methode – geschlossen wird. Dafür kann im Gegensatz zu dem Nachweisverfahren hinsichtlich des Dopingverstoßes nach Art. 2.1 NADA-Code auf jedes verlässliche Beweismittel zurückgegriffen werden. In Betracht kommen beispielsweise das Geständnis eines verdächtigen Athleten, Zeugenaussagen, tatsächliche Anhaltspunkte wie das Auffinden von Gerätschaften, die für das Ausüben von Dopingpraktiken benötigt werden, analytische Informationen, die nicht alle Anforderungen an das „Vorhandensein“ einer verbotenen Substanz nach Art. 2.1 NADA-Code erfüllen oder Schlussfolgerungen, die sich aus Langzeitprofilen ergeben1417. Insbesondere die ersten drei Beweismit 1415 CAS 2004/O/645, S. 7: „[…] on which basis alone the Panel can and does find him guilty of a doping offence.“ 1416 Siehe zu den sich gegenüberstehenden Interessen und der zu führenden Konkordanz auch oben, S. 60–69. 1417 Siehe den Kommentar zu Art. 2.2. WADA-Code sowie den Kommentar zu Art. 2.2 im NADA-Code 2015. Wegen der inhaltlichen Übereinstimmung wird im Folgenden Art.  2.2 NADA-Code für die Darstellung herangezogen.

262

Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

tel stellen auch nach nationalem Rechtsverständnis bekannte Beweismittel dar: Geständnis, Zeugenbeweis und Augenscheinsbeweis. Juristisches Neuland wird hingegen im Hinblick auf Langzeitprofile und deren Auswertungen als Beweismittel für einen Dopingverstoß betreten. Gerade dieser Aspekt verdient wegen seiner Verwendung im „Fall Claudia Pechstein“ besondere Aufmerksamkeit. Denn während für die genannten klassischen Beweismittel die rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich ihrer Zulässigkeit feststehen bzw. sich durch einen Vergleich mit ihren zivil- und strafrechtlichen Pendants herleiten lassen, ist dies für Blut­profile wegen ihrer Neuartigkeit und des bisherigen Fehlens einer entsprechenden nationalen Prozessführung nicht möglich. Diesem Problem widmen sich nun die nachfolgenden Ausführungen. Im Ergebnis sollen dabei Maßstäbe aufgestellt werden, mit denen auf die Rechtmäßigkeit der Verwendung dieses neuen Beweismittels auch im nationalen Dopingsanktionsverfahren geschlossen werden kann. I. Hintergründe zur Einführung von Blutprofilen Hinsichtlich der Hintergründe dieser neuen Beweismethode ist nochmals zu betonen, dass der Rückgriff auf andere Beweismittel außerhalb von positiven A- und B-Proben-Analysen keine komplette Neuerung darstellt, sondern Indizien wie Zeugenaussagen etc. bereits zuvor herangezogen werden konnten1418. Jedoch sind die Fälle einer erfolgreichen Doping-Überführung mittels andersartiger Beweismittel in der Vergangenheit rar gesät gewesen, so dass die Beweisführung stets auf die herkömmliche A- und B-Proben-Analyse ausgerichtet gewesen ist. Deren Auswertungen führten jedoch oftmals zu negativen Ergebnissen, obwohl Jahre später neue Testmethoden oder Geständnisse ehemaliger Spitzenathleten die Dopingverstöße eindeutig beweisen1419. Die nachweispflichtigen Sportfachverbände sahen und sehen sich also permanent erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt, Dopingverstöße und praktizierende Sportler zu überführen1420. In der aktuellen Doping­praxis werden ständig neue künstliche Varianten verbotener Substanzen hergestellt1421, für die das jeweilige, zur spezifischen Substanz passende, direkte Beweisverfahren nicht geeignet ist1422. Zudem existieren auf Grund von „Mikrodosierungen“ immer kürzere Nachweisfenster, die eine effektive Dopingbekämp-

1418

Siehe hierzu den Kommentar zu Art. 2.2 im NADA-Code 2015. Emanuel, SpuRt 2009, 195 (195). 1420 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (196). 1421 Besonders deutlich lässt sich dies am Dopingmittel Erythropoietin (EPO) beobachten. Vgl. auch den Fall des ehemaligen Radprofis Bernhard Kohl, der nach eigener Aussage bei der Hälfte der an ihm vorgenommenen 200 Doping-Kontrollen positiv hätte getestet werden müssen sowie aktuell den „Fall Lance Armstrong“, oben, S. 253–261. 1422 Siehe dazu auch die Ausführungen oben zur direkten Nachweismethode, S. 197–198. 1419

D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile

263

fung in erheblichem Maße erschweren1423. Schließich vermögen auch Grenzwerte für bestimmte Blutparameter keine effektivere Dopingbekämpfung zu gewährleisten, da oftmals ein dopender Sportler mit seinen dadurch veränderten individuellen Werten weiterhin unter dem klinischen Normbereich verbleibt, an dem sich der Grenzwert orientiert („Grenzwertdoping“)1424. Zwar kann vor diesem Hintergrund alternativ an ein längerfristiges Aufbewahren der Proben gedacht werden, um sie später mit neuen Testmethoden besser untersuchen zu können. Jedoch würde ein solches Vorgehen zu weiteren Problemen führen. Ein eventuell dann wegen eines positiven Nachweises auszusprechendes Unwerturteil würde danach sehr spät erfolgen; es bestünde die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene zu diesem Zeitpunkt seinen Sport gar nicht mehr als Aktiver betreibt1425. Ferner wäre auch die damit einhergehende nachträgliche Rückabwicklung von Preis- und Sponsorengeldern problematisch1426. Vorteilhafter erscheint es vor diesem Hintergrund daher, weiter an der Zielsetzung einer alsbaldigen Aufdeckung von Dopingverstößen festzuhalten, jedoch diesbezüglich einen anderen Ansatz zu verfolgen. Dieser ist durch die Einführung des biologischen Passes darin zu sehen, dass nicht mehr nach verbotenen Substanzen im Körper des Athleten, sondern nach deren Auswirkungen auf Blutparameter wie beispielsweise Hämatokrit, Hämoglobin, Retikulozyten1427 gesucht wird, da deren Gebrauch Spuren im Körper des Athleten hinterlässt, die länger nachweisbar sind1428.

1423

Durch Mikrodosierungen kann sich eine Nachweisgrenze von lediglich 12–18 Stunden ergeben; siehe Emanuel SpuRt 2009, 195 (196), Berninger SpuRt 2010, 228 (228) und­ Jakob-Milicia, SpuRt 2010, 149, sowie die Introduction der Operating Guidelines des Bio­ logical Passport, Version 3.1, S. 5, wo es heißt „The typical Doping Control approach based on the detection of Prohibited Substances or their Metabolites in an Athlete’s sample remains and effective approach; however it has limitations when an Athlete may be using substances on an intermittent and low-dose basis. Furthermore, new substances or modifications of Prohibited Substances (designer drugs) may be difficult to detect by conventional analytic means.“ 1424 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (196). 1425 Siehe hierzu beispielsweise den Artikel „Meine Schuld wird mich immer begleiten“ der Süddeutschen Zeitung vom 29.7.2013, Ausgabe Nr. 173 und das darin enthaltene Geständnis des ehemaligen Profiradrennfahrers Erik Zabel, welches dieser tätigte, nachdem im Rahmen der diesjährigen Tour de France die Anti-Doping-Kommission des französischen Senats die Ergebnisse der Nachtests der Tour 98 veröffentlicht hatte. 1426 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (196). 1427 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (196). 1428 Berninger SpuRt 2010, 228 (228); Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 26: „From this perspective, the Prohibited Substance itself is not detected but rather its effects on the body become evident. The effect of the drug remains longer than the substance itself, which may be quickly excreted or degraded and therefore go undetected unless Testing is carried out at a very specific time.“

264

Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

II. Der Biologische Pass Durch den biologischen Pass werden Ergebnisse von Blut- und Urinuntersuchungen durch den Sportfachverband erfasst und darauf basierend ein individuelles Blut- und Steroidprofil für den jeweiligen Sportler erstellt1429. Es wird das Ziel verfolgt, aus denen Proben bestimmte Parameter zu gewinnen, mit denen sich über eine gewisse Zeit der individuelle Durchschnittswert des Athleten erkennen lässt1430. Dies setzt wiederum voraus, dass zuvor der klinische Normbereich für die in Frage kommenden Parameter grundsätzlich bestimmt worden ist. Dazu werden Blut- und Urinprofile aus klinischen Studien mit denen aus Doping-Tests (Werteprofil des Sportlers) zusammengeführt und dabei auftretende Schwankungen zwischen den Profilen dahingehend untersucht, ob sie auf natürliche (Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft) oder künstliche Ursachen rückführbar sind1431. Dadurch ergibt sich eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, ob der Profilwert des Fahrers auf Doping rückführbar ist oder nicht1432. Mittels verschiedener Profilarten können diverse Rückschlüsse gezogen werden. Beispielhaft sei das „Abnormal Blood Profile Score“ erwähnt, bei dem auf Grund bestimmter hämatologischer Parameter auf den Gebrauch von rekombinantem EPO oder Bluttransfusionen geschlossen werden kann, oder Steroidprofile, die den Gebrauch von anabolen Steroiden aufzeigen1433. Zudem können auf­tretende Schwankungen im Blutprofil eines Athleten dazu dienen, gezielte Kontrollen auf bestimmte Substanzen vorzunehmen1434. Beim Vorliegen spezifischer Voraussetzungen können darüber hinaus Profilschwankungen als Grundlage für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen eines Verstoßes gegen Art. 2.2 NADA-Code herangezogen werden1435. Dazu sind mehrere Blutuntersuchungen über einen längeren Zeitraum durchzuführen, mit denen das weite Wertespektrum des klinischen Normbereiches für die jeweiligen Blutparameter durch die individuellen Eigenheiten des Sportlers begrenzt wird1436. 1429

Emanuel, SpuRt 2009, 195 (197). Jakob-Milicia, SpuRt 2010, 149. 1431 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (197). 1432 Jakob-Milicia, SpuRt 2010, 149. 1433 Berninger, SpuRt 2010, 228 (229); Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 26. 1434 Siehe Roles and Responsibilities of the Partners der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 18: „[…] also to use biological data to apply traditional doping controls and/or targeting more intelligently.“ 1435 Siehe Fn. 1434. 1436 Der klinische Normbereich wird bestimmt, indem Profile aus klinischen Studien und solchen aus Dopingtests zusammengeführt werden und sodann untersucht wird, ob auftretende Schwankungen zwischen den einzelnen Profilen natürlichen (Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft) oder künstlichen Ursprungs sind. Dadurch ergibt sich ein Modell, welches die Wahrscheinlichkeit für die Prävalenz von Doping wiedergibt. Vgl. Emanuel SpuRt 2009, 195 (197) mit weiteren Nachweisen zu den genauen naturwissenschaftlichen Hintergründen. 1430

D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile

265

Zur Erstellung eines solchen individuellen Biologischen Passes werden die Blutparameter Hämatokrit, Hämoglobin, die Anzahl roter Blutkörperchen, der Prozentanteil der Retikulozyten, mittlerer Hämoglobingehalt, das durchschnittliche Volumen der Erythrozyten, die durchschnittliche Erythrozytenkonzentration und der Off-Score-Wert1437 bei jeder Blutentnahme ermittelt1438. Durch eine Vielzahl von Blutproben1439 kann der individuelle Durchschnittswert des Sportlers unter Berücksichtigung seines Geschlechts, Alters, der ethnischen Herkunft und der ausgeübten Sportart ermittelt werden1440, um so auffällige Abweichungen bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen als Dopingverstoß einordnen zu können. Zwar wird damit nicht nachgewiesen, um welche verbotene Substanz oder Methode es sich handelt. Es steht jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die abweichenden Werte auf Doping rückführbar sind, solange andere Ursachen dafür nicht in Betracht kommen bzw. ausgeschlossen werden können1441. Der Vorteil liegt bei einer solchen Herangehensweise darin, dass damit auch der Gebrauch solcher neuartigen Dopingsubstanzen bzw. -methoden erfasst wird, die noch nicht im WADA-Code enthalten sind1442. III. Zulässigkeit der Beweisführung anhand von Blutprofilen Erhebliche Abweichungen von dem so ermittelten Werteprofil können damit die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 2.2 NADA-Code, nicht jedoch einen Verstoß gegen Art. 2.1 NADA-Code nach sich ziehen. Letzterer scheidet als mögliche Rechtsgrundlage für die Anwendung des Biologischen Passes von vornherein aus, da dieser eine Positivprobe voraussetzt, die im Rahmen der Anwendung des Biologischen Passes gerade nicht vorliegt1443. Konkrete Regelungen, ab welcher Blutwerteüberschreitung von der Anwendung einer verbotenen Methode oder der Anwendung einer verbotenen Substanz 1437

Bezeichnung für den Zustand einer extrem niedrigem Retikulozyten-Anzahl bei einem gleichzeitigen hohen Hämoglobinwert. Siehe Pöttgen, Blut beim Athleten – Indirekter Manipulationsnachweis – Teil 2, erschienen in: MedicalSportsNetwork, Ausgabe 2/2008, Blutparameter – Doping im Sport; siehe auch Fn. 1, in: Program Implementation of the Haematological Module der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 27. 1438 Siehe Program Implementation of the Haematological Module der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 27, sowie Jakob-Milicia, SpuRt 2010, 149. 1439 Berninger, SpuRt 2010, 228 (230). 1440 Program Implementation of the Haematological Module der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 28; Emanuel SpuRt 2009, 195 (197). 1441 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (198). Emanuel vergleicht diese Situation mit einer Wahlfeststellung: Der Täter hat ein Delikt begangen (Doping im Sinne von Art. 2.2. WADA-Code), da nur so die Blutwerte zu erklären sind. Es kann nur keine Aussage getroffen werden, ob dies durch eine verbotene Methode oder eine verbotenen Substanz geschehen ist. 1442 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (198). 1443 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (197).

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

ausgegangen werden muss, existieren aber gerade nicht. Diese zumindest auf den ersten Blick in rechtsstaatlicher Hinsicht wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes bedenkliche Ausgestaltung erweist sich bei genauerer Betrachtung zumindest nach den Grundsätzen des NADA- bzw. WADA-Codes als rechtlich zulässig. Denn danach ist es nur erforderlich, die jeweiligen verbotenen Methoden zu definieren1444, was durch den Verweis auf die Verbotsliste des WADA-Codes gewährleistet wird1445. Der Rückschluss von einer Wertabweichung auf die Anwendung einer solchen Methode ist dann nur eine Frage der Beweiswürdigung1446. Neue Beweismethoden können unproblematisch für den Beweis eines Verstoßes gegen Art. 2.2 NADA-Code herangezogen werden, sofern der sanktionierende Sportfachverband nicht an einen bestimmten Grenzwert gebunden ist und auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse der Nachweis mittels der neuen wissenschaftlichen Beweismethode mit der erforderlichen Sicherheit geführt werden kann und somit zu­ verlässig ist1447. Der Dopingnachweis ist in diesem Zusammenhang nach den allgemeinen Grundsätzen des NADA-Codes erbracht, sofern die zuständige Anti-DopingKommission überzeugend darlegen kann, dass ein Verstoß gegen Anti-DopingBestimmungen vorliegt. Diesbezüglich gilt allein das Beweismaß des Art.  3.1 NADA-Code, wonach ein Dopingverstoß vorliegt, sofern von einer dahingehenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann, die höher ist als die gleich hohe Wahrscheinlichkeit, dass kein Dopingverstoß vorliegen würde, jedoch geringer ist als ein Beweis, der jeden vernünftigen Zweifel ausschließt1448. Diese Wahrscheinlichkeit kann im Rahmen des Art. 2.2 NADA-Code über jedes verlässliche Beweismittel bestimmt werden, so dass eben auch Indizien wie erhebliche Abweichungen vom Werteprofil des Athleten in Betracht kommen, sofern ihnen ein gewisse „Beweisschwere“ beigemessen werden kann. Maßgebend ist hier hierfür allein die Verlässlichkeit der festgestellten Abnormalität im Hinblick auf die Werte des eigenen Blutprofils. 1. Rechtliche Einordnung dieser Beweismethode Diese neue Beweismethode für einen Dopingverstoß ist wie aufgezeigt nach den Grundsätzen des WADA- bzw. NADA-Codes zulässig1449. Hinterfragt werden muss aber, ob sie nach nationalem Rechtsverständnis auch den verfahrens 1444

Emanuel, SpuRt 2009, 195 (197). Siehe Art. 4.1 und 4.2 NADA-Code sowie Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1366. 1446 Emanuel, SpuRt 2009, 195 (198). 1447 Emanuel, SpuRt 2010, 77 (77); Emanuel, SpuRt 2009, 195 (198); Berninger, SpuRt 2010, 228 (229). 1448 Berninger, SpuRt 2010, 228 (229). 1449 Siehe oben, S. 265–269. 1445

D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile

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rechtlichen Beweisanforderungen gerecht wird oder die rechtliche Zulässigkeit angezweifelt werden muss. Letzteres wäre mit erheblichen Auswirkungen für die Erfolgsaussichten nationaler Dopingsanktionsverfahren auf Grundlage des biologischen Passes verbunden. Maßgebend hierfür ist wiederum die beweisrechtliche Einordnung besagter Beweismethode, da sich je nach Klassifizierung unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen ergeben. Diesbezüglich sind sowohl der Indizienbeweis als auch der Anscheinsbeweis in Betracht zu ziehen. a) Anscheinsbeweis Die Einordnung der neuen Beweismethode als eine Form des Anscheinsbeweises setzt voraus, dass sich im Zusammenhang mit der Auswertung bestimmter Blutparameter ein Erfahrungssatz aufstellen lässt, der typischer Weise den Rückschluss auf den Gebrauch einer verbotenen Substanz oder Methode erlaubt. Fraglich ist allerdings, ob eine solche Schlussfolgerung hinsichtlich der maßgeblichen Voraussetzungen – der Feststellung einer Abnormalität – getroffen werden kann. Zwar ließe sich dies in Bezug auf die inter-individuelle Abnormalität noch vertreten, sofern davon ausgegangen wird, dass ein über dem Durchschnittswert der Gesamtbevölkerung liegender Retikulozyten-Wert durch die Verwendung von Dopingsubstanzen bzw. -methoden erklärt werden kann. Jedoch sprechen zwei wesentliche Gründe gegen eine solche Annahme. Zum einen kann diese Abnormalität noch andere Ursachen haben. Dies hindert zwar nicht das Aufstellen eines typischen Erfahrungssatzes, denn dieser lässt im Rahmen der Erschütterung des Anscheinsbeweises gerade alternative Ursachen zu. Als Anknüpfungspunkt für einen Anscheinsbeweis im Zusammenhang mit dem Nachweisverfahren zu Art. 2.2 WADA-Code setzt er aber zum anderen voraus, dass nach anerkanntem Erfahrungswissen die Beobachtung hoher Retikulozyten-Werte mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf die Verwendung von verbotenen Substanzen oder Methoden rückführbar ist1450. Von diesem hohen Maß kann hinsichtlich der intra-individuellen Abnornamlität, die zusätzlich neben der inter-individuellen Abnormalität für die Annahme eines Dopingverstoßes im Sinne von Art. 2.2 WADA-Code festgestellt werden muss, indes gerade nicht ausgegangen werden. Denn jene bezieht sich nur auf den Sportler und seine individuellen Eigenheiten. Die Anwendung eines Anscheinsbeweises ist aber problematisch, sofern es um die Feststellung individueller Willensentschlüsse und Verhaltensmuster geht. Teilweise wird in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass es keinen Anscheinsbeweis für individuelle Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt1451. Das indirekte Nachweisverfahren knüpft aber durch die Notwendigkeit einer intraindividuellen Abnornamlität gerade an einer individuellen Eigenschaft des Sportlers an. Deshalb kann gerade nicht die Aussage getroffen werden, dass beispiels 1450

Vgl. MünchKommZPO-Prütting, § 286 Rz. 58. BGH NJW 1987, 1944.

1451

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

weise der Wert X, der bei einem Sportler die Feststellung einer intra-individuellen Abnormalität rechtfertigt, bei einem anderen Sportler, der den gleichen Wert aufweist, ebenfalls zu einer solchen Annahme führt, da dieser regelmäßig einen anderen Durchschnittswert aufweisen wird. Die dadurch fehlende Typizität wäre aber grundlegende Voraussetzung für das Aufstellen eines typischen Erfahrungssatzes und mithin für die Anwendung eines Anscheinsbeweises. Demnach kann im Zusammenhang mit der neuen Beweismethode nicht auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises zurückgegriffen werden1452. b) Indizienbeweis Daher ist auf die Einordnung der neuen Beweismethode als eine Art des Indizienbeweises einzugehen. Dieser bezieht sich auf andere tatbestandsfremde Tatsachen, die erst den Schluss auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Tatbestandsmerkmals rechtfertigen1453. Dieses Vorgehen lässt sich im Zusammenhang mit dem biologischen Pass wiederfinden, wo ebenfalls nicht mehr nach der Dopingsubstanz im Sinne eines klassischen Tatbestandsmerkmals gesucht wird, sondern auf die damit verbundenen Auswirkungen auf etwaige Blutparameter im Körper des Athleten abgestellt wird. Charakteristisch für diese Art der mittelbaren Beweisführung ist ferner, dass stets die Schlüssigkeit der Indizienkette für die zu beweisende Haupttatsache zu prüfen ist1454. Davon ist auszugehen, wenn die Gesamtheit aller vorgetragenen Indizien das erkennende Gericht von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würde1455. Gerade dies wird im „Fall Claudia Pechstein“ deutlich, wo Schritt für Schritt die fünf Voraussetzungen für den Dopingnachweis im Wege der Auswertung des biologischen Passes auf ihre Lückenlosigkeit überprüft werden und die Verlässlichkeit des Beweismittels entscheidend in den Vordergrund gerückt wird. Nur wenn beide Kriterien vorliegen, kann der nachweispflichtige Sportfach­ verband bzw. der erkennende Richter eines Verbands- oder Schiedsgerichtes die notwendige Überzeugung bilden, dass ein Dopingverstoß vorliegt. Dieser letzte Schritt, bei dem in Relation zur zuvor geprüften Verlässlichkeit und Lückenlosigkeit die Richtigkeit der Indizien unterstellt und sodann darauf abgestellt wird, dass bei dieser Faktenlage ein Dopingverstoß durch den Athleten wahrscheinlicher ist als jede andere Ursache, ist ebenfalls charakteristisch für einen Indizienbeweis1456.

1452 Damit ist auch die vereinzelt aufgeworfene Frage seiner „doppelten Anwendung“ obsolet geworden. Sie wird aber vereinzelt diskutiert, siehe dazu beispielhaft SportSchG Frankfurt SpuRt 2007, 82 (84) oder Emanuel, SpuRt 2009, 195 (198). 1453 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 15, sowie oben, S. 48–50. 1454 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 16. 1455 BGHZ 53, 245 (261). 1456 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 110 Rz. 16.

D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile

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Für die Einordnung der indirekten Methode als Indizienbeweis spricht zudem, dass sich der Nachweis teilweise nicht allein auf Blutprofile stützt, sondern auch weitere Indizien bei der Bewertung herangezogen werden können1457. Im „Fall Lance Armstrong“, der auch Verstöße nach Art.  2.2 WADA-Code zum Gegenstand hat, wird dies besonders deutlich. Neben Zeugenaussagen werden finanzielle Transaktionen, Kontoverbindungen und weitere belastende Umstände angeführt, die wegen des schwerwiegenden Vorwurfes auch notwendig gewesen waren. Jedenfalls ergibt sich im Zusammenhang mit dem Nachweisverfahren über Blutprofile ein Gesamtbild, welches sich im erheblichen Maße an einer Indizienbeweisführung orientiert. Daher verdient im Ergebnis die Auffassung Zustimmung, dass es sich hierbei um ein indirektes Beweisverfahren handelt1458. 2. Formale Beweisanforderungen an die Erstellung von Blutprofilen Ebenso wie bei dem Nachweisverfahren zu Art. 2.1 NADA-Code kann das notwendige Beweismaß jedoch nur erreicht werden, sofern in verfahrenstechnischer Hinsicht bestimmte Grundvoraussetzungen eingehalten bzw. geschaffen werden, die keine Zweifel an den festgestellten Blutwerten aufkommen lassen. Diesbezüglich sind das Blutentnahme-, Transport- und Analyseverfahren sowie die Erstellung eines Blutprofils im Sinne eines „Biologischen Passes“ von besonderer Bedeutung. Diese orientieren sich aktuell an den von der WADA erstellten „­Athlete Biological Passport Operating Guidelines“1459, die jedoch bis jetzt nur als unverbindliche Rahmenbedingungen ausgestaltet sind1460. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung einer einheitlichen Dopingbekämpfung und der ansonsten bestehenden Gefahr für die Rechtssicherheit ist von einer allgemeinen Orientierung der Sportfachverbände an den darin enthaltenen Verfahren zur Blutabnahme, Bluttransport und Blutanalyse für die Erstellung von Profilen auszugehen1461. Dies ist vor allem deshalb sinnvoll und unter dem Blickwinkel von Rechtsmäßigkeitsgesichtspunkten notwendig, weil es gerade an einer Kontrollfunktion wie beispielsweise einer B-Proben-Analyse fehlt.1462 1457

Berninger, SpuRt 2010, 228 (230). So auch Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1381 und Berninger, SpuRt 2010, 228 (229). 1459 Ergänzend ist zudem der „International Standard for Testing“ heranzuziehen. 1460 Siehe die Introduction to the Athlete Passport der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 6 sowie S. 21: „[…] this guideline seeks to foster harmonization in the interests of mutual recognition of Athletes’ Passports, standardized practice and to ensure efficiency in program application more generally.“ 1461 So auch Jakob-Milicia, SpuRt 2010, 149. 1462 Durch den WADA-/NADA-Code 2015 gelten nach Art. 7.4 n. F. mittleweile die Verfahrensbestimmungen des ISL und des Standards für Dopingkontrollen für die Auswertung der Ergebnisse des Biologischen Passes. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich noch an den „Operating Guidelines des Biologischen Passports, Version 3.1“. 1458

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

a) Durchführung und Inhalt der Blutentnahme Der Biologische Pass mitsamt seiner Blutentnahmen ist nach der Vorgabe der „Operating Guidelines“ vor allem in denjenigen Sportarten einzuführen, die durch eine große Ausdauerkomponente gekennzeichnet und dadurch besonders anfällig für Blutmanipulationen sind1463. Gezielt werden Athleten untersucht, die sich über längere Zeit auf Spitzenniveau in ihrer Sportart bewegen oder bereits anderen Testprogrammen unterliegen1464. Letzteres ist vor allem deshalb sinnvoll, weil nur dadurch eine umfassende Kontrolldichte gewährleistet werden kann und verhindert wird, dass auf andere Dopingpraktiken gefahrlos umgestiegen wird, sofern sich ein bestimmtes Testprogramm als besonders effektiv erweist. Die einzelne Blutentnahme ist zwei Stunden nach einem absolvierten Training oder Wettkampf von einem „Blood Collection Officer (BCO)“ vorzunehmen1465. Darunter sind solche Personen zu verstehen, die speziell für die Blutentnahme geschult und autorisiert worden sind1466. Neben dem Schutz des Athleten steht auch hier die Integrität des Verfahrens im Vordergrund. Zwar können auch solche Blutwerte in den Biologischen Pass eingetragen werden, bei denen die Blutentnahmen nicht von BCO’s, sondern beispielsweise von Ärzten durchgeführt wurden, die nicht einer Kontrollinstitution angehören1467, so dass sich aus diesem Umstand kein Verwertungsverbot für die in diesem Wege gewonnenen Blutwerte ergibt. Ein solches wird aber angenommen werden müssen, sofern es sich weder um einen Arzt, noch um einen BCO, sondern um eine gänzlich ungeschulte Person handelt. Vor der eigentlichen Probenentnahme ist sicherzustellen, dass der betroffene Athlet zuvor zehn Minuten in einer normalen Sitzposition mit Bodenkontakt der Füße gesessen hat1468. Zudem ist zu dokumentieren, ob sich der betroffene Sportler in den zwei Wochen vor der Probenentnahme in einer Höhe von mehr als 1000 m über den Meeresspiegel befunden oder eine Höhensimulation durchgeführt hat und ob in diesem Zeitraum Bluttransfusionen vorgenommen wurden1469, um werteverfälschende Faktoren zu kennen bzw. von vornherein ausschließen zu können. Die sich anschließende konkrete Durchführung der Blutprobengewinnung mitsamt der Auswahl der Probenbehälter und Entnahmegeräte stimmt mit denjeni 1463

Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 29. Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 29. 1465 Siehe WADA Technical Document – TD2010BSCR, Appendix A der Operating Guide­ lines des Biological Passport, Version 3.1, S. 35. 1466 „An official who is qualified to and has been authorized by the Anti-Doping Organization to collect a blood Sample from an Athlete.“ Siehe Terms and Definitions der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 12. 1467 Siehe dazu unten, S. 272. 1468 Siehe WADA Technical Document – TD2010BSCR, Appendix A der Operating Guide­ lines des Biological Passport, Version 3.1, S. 35. 1469 Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 31–32; WADA Technical Document  – TD2010BSCR, Appendix A der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 36. 1464

D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile

271

gen überein, die auch für Blutkontrollen im Rahmen des Art. 2.1 NADA-Codes Anwendung finden1470. Zusätzlich zu diesen Vorgaben hat der BCO das entnommene Blut durch wiederholtes, vorsichtiges Drehen des Entnahmegefäßes zu homogenisieren1471. b) Lagerung und Transport der Probe Hinsichtlich der Lagerung und des Transports der entnommenen Blutproben in die zur Profilerstellung zuständigen Labore erfolgt eine Orientierung an dem „International Standard for Testing“1472. Danach ist vor allem die Sicherheit und Integrität der Blutproben1473 sowohl während der Lagerung als auch während des Transports durch die Verwendung isolierter Kühlbehältnisse zu gewährleisten, die fortlaufend eine ausreichende Kühlung der Proben bewerkstelligen können1474. Der Transport der Blutprobe in die von der WADA akkreditierten oder zur Vornahme der Blutanalyse im Rahmen des Biologischen Passes von der WADA ermächtigen Labore hat dergestalt zu erfolgen, dass binnen 36 Stunden eine Analyse vorgenommen werden kann1475. Die weiteren Verfahrensvorschriften orientieren sich an Art. 9 IST und korrespondieren damit mit denen der Probenentnahme im Hinblick auf die Feststellung eines Verstoßes nach Art. 2.1 NADA-Code1476. c) Analysezuständigkeit Im Hinblick auf einen Dopingverstoß im Sinne von Art. 2.2 NADA-Code können grundsätzlich Analyseergebnisse eines jeden Labors herangezogen werden1477. Daher können auch solche Ergebnisse verwendet werden, die aus ärztlichen oder

1470 WADA Technical Document – TD2010BSCR, Appendix A der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 36–37 mit Verweis auf Art. E.4.1-E.4.15 des IST, Annex E. Siehe auch Fn. 831. 1471 WADA Technical Document – TD2010BSCR, Appendix A der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 37. 1472 „The International Standard for Testing (IST) is applicable to the storage and transport of blood Samples […].“ WADA Technical Document – TD2010BSTR, Appendix B der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 38. 1473 Art. 8 IST in Verbindung mit WADA Technical Document – TD2010BSTR, Appendix B der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 39. 1474 WADA Technical Document – TD2010BSTR, Appendix B der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 39. 1475 WADA Technical Document  – TD2010BSTR, Appendix B der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 40 in Verbindung mit WADA Technical Document – TD2010BAR, Appendix C der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 41. 1476 Insoweit kann auf die obigen Ausführungen, S. 159–163, verwiesen werden. 1477 Siehe Kommentierung zu Art. 6.1 WADA-Code.

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

sonstigen Kontrollen stammen1478. Zu fragen ist aber, ob mit einer solchen Regelung nicht aber eine erhebliche Schwächung des Beweisgehalts einhergeht. Denn durch die Vielzahl potentieller Analysestellen, die zum Beispiel Blutparameter mit verschiedenen Geräten messen können, kann es zu unterschiedlichen Messwerten kommen, die einen in rechtlicher Hinsicht sicheren indirekten Beweis bzw. die Anforderungen an eine erfolgreiche Beweisführung im Dopingsanktionsverfahren für die Anti-Doping-Organisation deutlich erschweren1479. Diesem Problem kann jedoch begegnet werden, indem bei verschiedenen Laborstellen nur diejenigen Werte herangezogen werden, die mit der jeweils gleichen Analysemaschine gewonnen wurden1480. Ein noch besseren Ansatz ist indes bereits in den „Guidelines des Biological Passports“ enthalten: Dort wird im Rahmen der Verfahrensrichtlinien zur Analyse auf die Anwendbarkeit des „International Standard for Laboratories“ verwiesen1481. Danach werden die Messungen der Blutparameter für die Erstellung des Langzeitprofils nur von bestimmten, verifizierten Laborstellen durchgeführt, was zwangsläufig zur Einheitlichkeit und Stärkung der Aussagekraft der gewonnenen Messwerte führt. Jedoch unterliegt das Messergebnis eines nicht akkreditierten Labors wegen des Richtliniencharakters der „Guidelines“ im Gegensatz zur Analysezuständigkeit im Rahmen des Nachweisverfahrens zu Art. 2.1 NADA-Code (noch) keinem Beweisverwertungsverbot. d) Durchführung der Blutanalyse Die Durchführung der Blutanalyse orientiert sich am „International Standard for Laboratories“ (ISL)1482. Die Tauglichkeit der zur Analyse verwendeten Geräte ist dabei täglich zu überprüfen. Dies geschieht, indem eine Blutprobe nach deren Homogenisierung sieben Mal hintereinander analysiert wird. Von der technischen Funktionsfähigkeit der Analysegeräte kann ausgegangen werden, sofern sich Unterschiede im Verhältnis der jeweils festgestellten Werte untereinander nur begrenzt ergeben. So darf die Abweichung für Hämoglobin und Hämatokrit nur weniger als 1,5 % betragen; für den Retikulozyten-Anteil gilt eine Grenze von 15 %1483. Die eigentliche Blutproben-Analyse zur Ermittlung der Werte für den biologischen Pass wird zweimal durchgeführt, nachdem die Probe zuvor mindestens 15 Minuten homogenisiert worden ist1484. Auch hierzu existieren präzise 1478

Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1492. Lehner, Sportrecht in der Praxis, 10. Kapitel, Rz. 1492. 1480 Diesen Ansatz verfolgt auch der CAS im „Fall Claudia Pechtstein“, siehe oben, S. 237–253. 1481 WADA-Technical Document TD 2010BAR, Appendix C zu den Operating Guidelines des Athlete Biological Passport, Version 3.1, S. 41. 1482 WADA Technical Document – TD2010BAR, Appendix C der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 41. Siehe dazu auch die obigen Ausführungen, S. 168–174. 1483 WADA Technical Document – TD2010BAR, Appendix C der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 42. 1484 WADA Technical Document – TD2010BAR, Appendix C der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 43. 1479

D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile

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Vorgaben hinsichtlich etwaiger Abweichungen zwischen den gleichen Blutparametern1485. Die zweite Blutanalyse dient in diesem Zusammenhang der Bestätigung der ersten. Ist dies der Fall, wird die zuerst vorgenommene Analyse Grundlage für die unmittelbar vorzunehmende Eintragung in ADAMS1486 sowie für die spätere Aufnahme in den biologischen Pass und ist somit der Anknüpfungspunkt für das spätere indirekte Beweisverfahren1487. Hier zeigt sich ein Unterschied zur B-Probe, die ebenfalls das Ergebnis der A-Probe bestätigt, daraufhin jedoch Grundlage des späteren Sanktionsverfahrens wird und die A-Probe beweistechnisch verdrängt1488. Im Fall einer zu erheblichen Abweichung ist die Analyse zu wiederholen1489. Verbleibt es bei dem abweichenden Ergebnis, so findet dieses Testresultat zwar dahingehend keine Anwendung im Rahmen der Auswertung der Blutwerte mittels der „Adaptive Models“1490, ob sie aus einer verbotenen Manipulation herrühren oder nicht. Sie werden jedoch gleichwohl als Vergleichswerte oder zum Zwecke weiterführender Untersuchungen in den Biologischen Pass mitaufgenommen1491. e) Auswertung der Blutwerte Unter Heranziehung der „Adaptive Models“1492, einem mathematischen Modell, mit dem die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von „Markern“1493 in der Longitu 1485

Der Hämoglobin-Wert darf um 0,1 g/dl, der prozentuale Anteil der Retikulozyten in der Regel um 15 % abweichen. Siehe WADA Technical Document – TD2010BAR, Appendix C der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 44. 1486 Das so genannte „Anti-Doping Administration and Management System“ ist ein web­ basiertes Datenmanagementsystem für Dateneingabe, Datenspeicherung, Datenaustausch und Berichterstattung, das WADA und sonstige Berechtigte bei ihren Anti-Doping-Maßnahmen unter Einhaltung des Datenschutzrechts unterstützen soll. Siehe Anhang 1 zum NADA-Code 2015, Begriffsbestimmungen. 1487 WADA Technical Document – TD2010BAR, Appendix C der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 44. 1488 Siehe oben, S. 171–174. 1489 WADA Technical Document – TD2010BAR, Appendix C der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 44. 1490 Siehe zugleich zum Begriff der „Adaptive Models“ den nachfolgenden Abschnitt, S. 273–275. 1491 Wie zum Beispiel die Veranlassung von Zielkontrollen, siehe dazu Berninger, SpuRt 2010, 228, (230). 1492 „A mathematical model that was designed to identify unusual longitudinal results from Athletes. The model calculates the probability of  a longitudinal profile of Marker values assum­ing that the athlete has a normal physiological condition.“ Siehe Terms and Definitions der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 14, sowie WADA Technical Document – TD2010RMR, Appendix D der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 45. 1493 Bezeichnung für eine Verbindung, Gruppe von Verbindungen oder ein oder mehrere biologische Parameter, welche die Anwendung einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode anzeigen. Siehe Anhang 1 zum NADA-Code 2015, Begriffsbestimmungen.

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

dinalstudie des Athleten berechnet werden kann, wird bei neu gewonnenen Blutparametern von einem Experten überprüft, ob eine intra-individuelle Abnormalität vorliegt, wobei dafür zusätzlich diverse Informationen aus dem Datenerfassungssystem ADAMS mit einbezogen werden. Eine solche liegt vor, sofern sich bei der Auswertung eine Abweichung von 99,9 % vom ermittelten Off-Score- oder Hämoglobin-Wert ergibt1494. In diesem Fall erfolgt eine weitergehende, anonyme Untersuchung durch die Hinzuziehung von zwei weiteren unabhängigen Experten1495. Stellen diese unter Berücksichtigung des „Athlete Biological Passport Documentation Package“1496 übereinstimmend fest, dass die Abweichung nur aus einer Manipulation im Sinne des Gebrauchens einer verbotenen Substanz oder Methode herrühren kann, erfolgt eine Informationsweitergabe über die zuständige AntiDoping-Organisation mitsamt der gesammelten Dokumentation an den betroffenen Sportler1497. Erst wenn dieser daraufhin keine Erklärung wie das Vorliegen von physiologischen oder pathologischen Gründen für die Abweichungen aufzeigen kann, wird die Schlussfolgerung gezogen, dass diese Werte im Vergleich mit den eigenen (durchschnittlichen) Werten abnormal und nach dem wissenschaftlichen Kenntnisstand die typische Folge einer verbotenen Manipulation sind. Schließlich erfolgt die Einleitung des Ergebnismanagements nach den Vorschriften des Art. 7.4 WADA-Code wegen eines Verstoßes gegen Art. 2.2 WADA-Code1498.

1494 WADA Technical Document – TD2010RMR, Appendix D der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 45; Berninger, SpuRt 2010, 228 (230). 1495 WADA Technical Document – TD2010RMR, Appendix D der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 48. 1496 Jenes beinhaltet Alter, Geschlecht, die Ergebnisse des Adaptive Models, den maßgebenden Zeitraum, in dem die Werte untersucht worden sind, die externe und interne chain of ­custody mitsamt der Temperaturen der Probelagerung und des -transports sowie das Vorliegen besonderer Umstände wie der Erhalt von Bluttransfusionen im entscheidungserheblichen Zeitraum. 1497 WADA Technical Document – TD2010RMR, Appendix D der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 50. 1498 WADA Technical Document  – TD2010RMR, Appendix D der Operating Guidelines des Biological Passport, Version 3.1, S. 51. CAS SpuRt 2010, 71 (75). Im „Fall Claudia Pechstein“ ging es um den Prozentsatz der Retikulozyten (=„%retics“). Der menschliche Referenzbereich liegt diesbezüglich zwischen 0,5–2,5 %. Der Durchschnittswert von 17 entnommen Proben ergab einen %retics-Wert von 2,1 für Claudia Pechstein. Unter Einbeziehung der natürlichen Schwankungsbreite von ca. 24,1 % bis 36,1 % ergibt sich ein Maximalwert von 2,85. In diversen Proben sind aber Werte von 3,49, 3,54 bzw. 3,38 nachgewiesen worden, was eindeutig über dieser kritischen Differenz liegt. Auch die intra-individuellen Abweichungen lagen deutlich außerhalb natürlicher Schwankungen. Beispielhaft ist eine Wertveränderung von 1,74 (8.1.2009) auf 3,49 (6.2.2009) festzustellen, was einer Steigerung um 100,6 % innerhalb eines Monats entspricht und auf der Basis des angehörten und überprüften wissenschaftlichen Beweises eine abnormale Abweichung darstellt.

D. Beweisverfahren nach Art. 2.2 NADA-Code und Blutprofile

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f) Verfahrensfehler Hinsichtlich der Feststellung von Verfahrensverstößen ist festzuhalten, dass sich die zuständige Anti-Doping-Organisation nicht auf die Vermutungsregel des Art.  3.2.2 WADA-Code n. F. stützen kann, wonach davon ausgegangen werden könnte, dass das verwendete Analysegerät ordnungsgemäße Werte liefert. Denn diese bezieht sich auf den Nachweis eines Verstoßes nach Art. 2.1 WADA-Code1499. Folglich muss die ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit bewiesen werden. Indes gilt nach Art.  3.2.3 WADA-Code n. F. für andere1500, nicht eingehaltene Verfahrensbestimmungen zunächst der Grundsatz, dass diese die Gültigkeit des Ergebnisses unberührt lassen. Sofern jedoch der betroffene Sportler den Nachweis erbringt, dass eine Abweichung erfolgt ist, die sich nach vernünftigem Ermessen auf das Ergebnis auswirken kann, geht die Beweislast auf die zuständige Anti-DopingOrganisation über. Diese muss sodann nachweisen, dass sich die Abweichung nicht ausgewirkt hat1501. Im Ergebnis unterscheiden sich indes die Beweisregeln des Art. 3.2.2 WADACode n. F. und des Art. 3.2.3 WADA-Code n. F. nicht wesentlich. Denn in beiden Konstellationen obliegt es zunächst dem betroffenen Sportler anhand einer gesicherten Tatsachengrundlage aufzuzeigen, dass die Abweichungen sich auf das Analyseergebnis ausgewirkt haben können, damit die Beweislast auf die zuständige AntiDoping-Organisation übergeht. Folglich dienen sie vordergründig der Klarstellung, dass es sich im Zusammenhang mit Verstößen gegen Art. 2.1 WADA-Code und gegen Art. 2.2 WADA-Code um jeweils unterschiedliche Nachweisverfahren handelt. 3. Materielle Beweisanforderungen Grundlegende Voraussetzung ist die Feststellung einer zweiteiligen Abnormalität. Dazu werden die Werte des Athleten mit dem Referenzbereich der Gesamtbevölkerung verglichen (inter-individuelle Abnormalität) und ausgehend vom Mittelwert des Athleten der mögliche Schwankungsbereich bestimmt. Liegen die in das Verfahren eingebrachten Werte sowohl außerhalb des Referenzbereiches der Gesamtbevölkerung als auch außerhalb des eigenen Schwankungsbereiches (intra-individuelle Abnormalität), kann eine Abnormalität angenommen und im Rahmen der Beweiswürdigung darauf geschlossen werden, dass die abnormalen Werte auf Blutdoping mittels einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode zurückzuführen sind1502. 1499

Emanuel, SpuRt 2010, 77 (78). Emanuel, SpuRt 2009, 195 (198). Seit dem WADA-Code 2015 gelten für den „Biologischen Pass“ die Vorschriften des ISL und des Standards für Dopingkontrollen, so dass die Beweisregel des Art. 3.2.2 WADA-Code n. F. auch für den Nachweis eines Verstoßes nach Art. 2.2 in Zusammenhang mit dem „Biologischen Pass“ Anwendung findet. 1501 Emanuel, SpuRt 2010, 77 (78). 1502 Emanuel, SpuRt 2010, 77 (78). 1500

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Teil 3: Beweisführung im internationalen Verbandsrecht

4. Gegenbeweisführung beim indirekten Nachweisverfahren Gelingt es der Anti-Doping-Kommission nach den dargestellten Grundsätzen aufzuzeigen, dass die abnormale Werte nach dem Beweismaß des Art. 3.1 NADACode auf den Gebrauch einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode zurückgeführt werden können, obliegt es dem betroffenen Sportler nachzuweisen, dass diese Werte doch einen anderen Grund als Doping haben1503. Hierbei ist auf die Besonderheit hinzuweisen, dass durch das Abstellen auf abnormale Blut­ parameter der Sportler dem indirekt geführten Dopingnachweis im Rahmen seiner Gegenbeweisführung nur unter eigener Mitwirkung begegnen kann, indem er sich für weitere medizinische Untersuchungen zur Verfügung stellt, um andere Ur­ sachen für seine Wertekonstellation nachzuweisen.

E. Grundsätze der Beweisführung im internationalen Dopingsanktionsverfahren I. Beweismaß Hinsichtlich des für eine erfolgreiche Beweisführung notwendigen Beweis­ maßes ist mehrmals vom CAS klargestellt worden, dass das Rechtsverhältnis zwischen Sportler und Sportfachverband und die daraus ableitbaren Rechte und Pflichten zivilrechtlicher Natur sind. Dies hat zur Folge, dass strafrechtliche Prinzipien bei der Beurteilung von Dopingsperren im internationalen Dopingsanktionsverfahren keine Rolle spielen1504. Wegen der besonderen Auswirkung einer Dopingsperre wird jedoch nicht auf den normalen zivilprozessualen Beweisstandard einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit („balance of probabilities“), sondern auf das Beweismaß einer „comfortable satisfaction“ in Relation zur Schwere des Dopingvorwurfes abgestellt. Dieses ist damit höher als die gleich hohe Wahrscheinlichkeit (> 50 %), es würde kein Dopingverstoß vorliegen, jedoch geringer als ein Beweis, der jeden vernünftigen Zweifel ausschließt (