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German Pages 312 [313] Year 2021
Forschungen zum Alten Testament Edited by
Konrad Schmid (Zürich) · Mark S. Smith (Princeton) Hermann Spieckermann (Göttingen) · Andrew Teeter (Harvard)
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Erasmus Gaß
Asyl, Leviten und ein Altar Eine literarhistorische Analyse von Josua 20–22
Mohr Siebeck
Erasmus Gaß, geboren 1971; 2001 Promotion; 2008 Habilitation; Lehrstuhlvertretungen in München, Graz, Dresden; Gastprofessur in Eichstätt; 2014–2021 Professor für Biblische Einleitung und Biblische Hilfswissenschaften an der Theologischen Fakultät Trier; seit 2021 Professor für Alttestamentliche Wissenschaft an der Universität Augsburg. orcid.org/0000-0002-8667-7703
ISBN 978-3-16-159830-2 / eISBN 978-3-16-159831-9 DOI 10.1628/978-3-16-159831-9 ISSN 0940-4155 / eISSN 2568-8359 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Nachdem ich im Jahr 2019 eine ausführliche Redaktionsgeschichte zu den Landverteilungstexten des Josuabuches (Jos 13–19) in der Reihe „Forschungen zum Alten Testament“ veröffentlichen konnte, folgen jetzt die Nachtragskapitel Jos 20–22. Dieser Abschnitt gehört ebenfalls zu einem priesterlichen Josuabuch, auch wenn die zuvor beobachteten Redaktionslinien hier nur sporadisch nachzuweisen sind. Weitere Beobachtungen weisen zudem auf ein komplexes Wachstum von Jos 20–22 hin. Hinzu kommt, dass auch in diesen Kapiteln wie schon in Jos 13–19 die literarischen Brücken ins Numeribuch auffällig sind. Alles in allem zeigt der Abschnitt Jos 13–22 vor allem Bezüge zu den priesterlich geprägten Texten des Numeribuches und nicht zum dtr. Josuabuch (Jos 1– 12.23–24), was für die Großhypothesen zu Pentateuch, Hexateuch oder Enneateuch fruchtbar gemacht werden kann. Herr Prof. Dr. Hermann Spieckermann regte wiederum die Publikation meiner Studien zu Jos 20–22 in der renommierten Reihe „Forschungen zum Alten Testament“ an. Ich danke zudem den anderen Mitherausgebern der Reihe für die äußerst schnelle Publikationszusage. Frau Elena Müller vom Verlag Mohr Siebeck betreute in kompetenter Weise die Veröffentlichung. Frau Jana Trispel gab darüber hinaus immer wieder wertvolle Anregungen für die Erstellung des Layouts. Es ist in der Tat eine Freude, mit welcher Professionalität man als Autor vonseiten des Verlags unterstützt wird. Das ist mittlerweile nicht mehr selbstverständlich. Diese Studie hätte nicht ohne mein hervorragendes Lehrstuhlteam in Trier und der ausgezeichneten Bibliothek des Priesterseminars Trier abgeschlossen werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Trierer Lehrstuhls für die Exegese des Alten Testaments ermöglichten mir jederzeit ein effektives Arbeiten. Unterstützt wurde ich darüber hinaus durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die mein Projekt „Die Ortsangaben im Buch Josua“ bewilligt hat. Mein Projektassistent Herr Dr. Johannes Bremer hat die Arbeit kritisch gelesen und zahlreiche weiterführende fachliche Anregungen eingebracht. Mein früherer Projektassistent apl. Prof. Dr. Detlef Jericke stand ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite. Meine weiteren Projektmitarbeiter Herr Mag. theol. Jonathan Sieberg und Herr Mag. theol. Jakob Luz y Graf besorgten in hervorragender Weise das Lektorat. Herr Luz y Graf kontrollierte darüber hinaus alle Bibelstellen und die Einheitlichkeit meiner Transkriptionen. Meine Sekretärin Frau Heike Mockenhaupt-Hardt hat in enger Absprache mit dem
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Vorwort
Verlag Mohr Siebeck ein ansprechendes Layout erstellt und alle Probleme der Textverarbeitung höchst kompetent gemeistert. Die Mitarbeiter der Bibliothek, vor allem Herr Bibliotheksdirektor Dr. Hans-Joachim Cristea und Herr Florian Zenner, ließen mir – trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie – zahlreiche Beiträge schnell zukommen, sodass ich neben der digitalen Lehre zügig an dieser Studie weiterarbeiten konnte. Artikel, die nicht in Trier vorhanden waren, haben Kollegen freundlicherweise zur Verfügung gestellt, namentlich seien hier Prof. Dr. Christian Frevel, Universität Bochum, Prof. Dr. Reinhard Müller, Universität Göttingen, Prof. Dr. Edward Noort, Universität Groningen, Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister, Universität Bonn, Prof. Dr. Klaas Spronk, Universität Amsterdam, Dr. Martin Staszak, École Biblique, und Dr. Mathias Winkler, Universität Siegen, genannt. Herr Mag. Theol. Jonathan Sieberg hat mich zudem mit Literatur der Universität Münster bestens versorgt. Ihnen allen sei herzlich für Ihre vielfältige Unterstützung gedankt. Im Corona-Jahr 2020, das von sozialer Distanz reichlich geprägt war, konnte ich mich geschickt und ohne schlechtes Gewissen vom gesellschaftlichen Trubel zurückziehen. So verblieb mehr Zeit für die wissenschaftliche Arbeit, aber auch für die Familie und damit für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens jenseits des priesterlichen Josuabuches. Es kann nicht hoch genug angerechnet werden, dass mir meine Frau Susanne in diesen hochinfektiösen Zeiten vielfältige Unterstützung gewährte. Mein Sohn Josef erinnerte mich zudem stets daran, dass die bunten Klemmbausteine eines dänischen Herstellers viel interessanter sein können als wayyiqtol und weqatal. Trier, im Dezember 2020 Erasmus Gaß
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Inhaltsverzeichnis Vorwort ....................................................................................................... V Einleitung .................................................................................................... 1 Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20) ................................ 11 1. 2. 3. 4.
Textkritische und sprachliche Beobachtungen ........................................ 14 Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Lösungsansätze .............. 52 Eigener Entwurf ..................................................................................... 63 Traditionsgeschichtliche Verortung der Asylstädte ................................ 67
Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt .................................................................................................... 77 1. Erzählerische Einleitung (Jos 21,1–3) .................................................... 80 2. Kurzliste (Jos 21,4–8) ............................................................................ 86 3. Langliste (Jos 21,9–42) .......................................................................... 96 3.1 Aaroniden (V.10–19) ..................................................................... 102 3.2 Kehatiter (V.20–26) ........................................................................ 108 3.3 Gerschoniter (V.27–33) ................................................................. 112 3.4 Merariter (V.34–40) ....................................................................... 114 4. Abschluss der Landnahme (Jos 21,43–45) ............................................ 119 5. Parallelüberlieferung der Chronik ....................................................... 124 6. Historische Verortung .......................................................................... 133 7. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Anmerkungen ................ 152 8. Eigener Entwurf ................................................................................... 158 Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8) .......................... 173 1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten ....................................... 174 2. Literarkritische Entwürfe und eigener Lösungsvorschlag ..................... 191 3. Zur literarhistorischen Verortung von Jos 22,1–8 ................................ 202 Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland (Jos 22,9–34) ............................................................................................ 205 1. Textkritische und sprachliche Probleme ............................................... 209 2. Literarkritische Entwürfe ..................................................................... 227
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Inhaltsverzeichnis
3. Eigener Entwurf ................................................................................... 239 4. Zur historischen Verortung der priesterlichen Grunderzählung ........... 246 Ergebnisse und Folgerungen ..................................................................... 251 Anhang I – Übersetzung von Jos 20–22 .................................................... 258 Anhang II – Quellen in Jos 21 .................................................................. 265 Anhang III – Priesterliches Josuabuch (Jos 13–19.22) ............................. 266 Anhang IV – Asyl- und Levitenstädte (Num 35 + Jos 20–21) .................... 268 Anhang V – Verbindung priesterliches/dtr. Josuabuch ............................. 271 Literatur ................................................................................................... 277 Stellenregister ........................................................................................... 295 Sachregister .............................................................................................. 299 Hebräische Lexeme .................................................................................. 300 Namenregister .......................................................................................... 302 Ortsregister ............................................................................................... 303
Einleitung Einleitung
Der erste Teil des Josuabuches in Jos 1–12 und die beiden Abschiedsreden in Jos 23–24 werden immer wieder gern und ausgiebig kommentiert und diskutiert. Diese beiden Teile sind vor allem dtr. geprägt und hängen sprachlich und inhaltlich eng am Buch Deuteronomium. Gerade in diesen beiden Büchern finden sich zahlreiche gemeinsame sprachliche Idiome, die beide Bücher miteinander verbinden.1 Interessanterweise fehlen diese dtr. Ausdrücke weitgehend im zweiten Teil des Josuabuches in Jos 13–22, wo es in erster Linie um die Landverteilung geht. Dieser Textbereich ist vor allem von priesterlichen Idiomen bestimmt.2 Insofern scheint es, dass es sich bei diesem Teil um einen eigenständigen, priesterlich geprägten Textbereich handeln könnte.3 Es ist mittlerweile nahezu konsensfähig geworden, dass vor allem im Abschnitt der Landverteilung unter Josua in Jos 13–22 priesterliche Gedanken formuliert werden, während priesterliche Diktion im Abschnitt Jos 1–12 der Landeroberung und bei den beiden Abschiedsreden Jos 23–24 eigentlich fehlt und stattdessen dtr. Idiomatik überwiegt. In diesem Sinne könnte man von einem dtr. und einem priesterlich geprägten Josuabuch sprechen. Auf alle Fälle wurde zumindest eines klar und 1
BRAULIK 2011, 95–107 nennt einige sprachliche Elemente, die für einen Idiolekt von DtrL sprächen. Allerdings beschränke sich deren Reichweite vor allem auf Dtn–Jos 12, während die Landverteilung weitgehend davon ausgespart bleibe. Dasselbe gelte für die Handlungsabläufe mit besonderem Verbalgerüst, vgl. BRAULIK 2011, 107–116, oder den Gebrauch der sogenannten „Beruhigungsformel“, vgl. BRAULIK 2011, 116–120, oder bücherübergreifende Darstellungsgefüge, vgl. BRAULIK 2011, 120–132. Nach LOHFINK 1998, 88f. gibt es im Deuteronomium und Josuabuch zudem typologische Redeweise. Zu geschichtstypologisch orientierten Textstrukturen im Deuteronomium und Josuabuch vgl. auch LOHFINK 1997, 134–158. 2 HARVEY 2004, 100 Anm. 5 rechnet die priesterlichen Teile im Josuabuch zu einem Tetrateuch. SCHWARTZ 2016, 785 Anm. 11 vermutet sogar, dass Abschnitte der Priesterschrift im Josuabuch eingebaut worden seien. SCHMID 2011, 23f. geht hingegen von priesterlich inspirierten Texten in Jos 13–21 aus, die aber nicht Teil der Priesterschrift seien. Auch BOORER 2011, 119 denkt, dass die priesterlichen Passagen in Josua lediglich auf redaktionelle Arbeit zurückgingen. SAMUEL 2014, 318 hält die Landverteilungstexte für späte Nachträge, die in priesterschriftlichem Stil verfasst seien. 3 Vgl. CORTESE 1990, 111f., der zwischen dem priesterlichen Abschnitt Jos 13–21 und dem dtr. Josuabuch Jos 1–12.23–24 unterscheidet. Nach RÖSEL 2009, 564 sind zudem priesterliche Einträge in Jos 1–12 kaum vorhanden. Anders hingegen FRITZ 1994, 7, dem zufolge beide Teile eine „unauflösbare Einheit“ bilden. Ähnlich DOZEMAN 2015, 24.
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deutlich in der bisherigen Forschung herausgestellt: Die Landverteilungstexte können kaum einer dtr. Redaktion zugeschrieben werden. Insofern muss nach anderen Erklärungsmodellen gesucht werden. Es verwundert daher nicht, dass gerade in jüngster Zeit sehr differenzierte redaktionsgeschichtliche Analysen des Josuabuches vorgelegt worden sind, die vor allem für die Landverteilungstexte in Jos 13–19 relevant sind.4 Es hat sich unter anderem gezeigt, dass dieser Textabschnitt entweder direkt mit der sogenannten Priesterschrift oder indirekt mit priesterlich geprägten Texten des Tetrateuchs verbunden werden kann. Die Beziehungen zum Numeribuch werden mittlerweile konsequent redaktionsgeschichtlich fruchtbar gemacht, auch wenn über die literarhistorische und entstehungsgeschichtliche Zuordnung von Jos 13–19 Uneinigkeit besteht.5 Der Textabschnitt Jos 13–19 wird entweder als ursprünglicher Teil des Numeribuches verstanden (Cortese, de Vos) oder als redaktionelle Überarbeitung (Achenbach, Knauf, Frevel), die die Vorgaben des Numeribuches in das Josuabuch eintrug. Neuere Studien versuchen zu belegen, dass das Josuabuch die natürliche Fortsetzung des Numeribuches im Rahmen eines Hexateuchs gewesen sei, wobei dieser Hexateuch noch nicht notwendigerweise die beiden Bücher Genesis und Deuteronomium enthalten habe.6 Zumindest wird in der aktuellen Forschung die Hexateuchperspektive wiederum stark gemacht, wobei unklar ist, ab wann es einen Hexateuch gegeben hat7 und ob es sich bei den sprachlichen Idiomen nur um eine hexateuchische Redaktion handelt.8 Vielleicht sind die sprachlichen und inhaltlichen Verbindungslinien zwischen Numeri- und Josuabuch auch damit zu erklären, dass der Pentateuch bereits zunehmend kanonische Autorität gewonnen hat und dementsprechend auch nachfolgende Texte beeinflussen konnte. Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb die Vorgaben des bereits abgeschlossenen Numeribuches nicht explizit in das noch werdende Josuabuch eingetragen worden sind. Denn die schon im Numeribuch zu beobachtenden, miteinander konkurrierenden Ansichten finden sich ebenfalls in den Landverteilungstexten des Josuabuches, was eigentlich nur mit einem gemeinsamen Wachstum beider Textbereiche zu 4
Vgl. zum Folgenden die Übersicht bei GASS 2019b, 11–13. Zu Zusammenhängen zwischen Numeri- und Josuabuch vgl. ACHENBACH 2007, 237; SEEBASS 2008, 245f.; ZENGER/FREVEL 2008, 69f.; FREVEL 2011, 23; ARTUS 2012, 237; SEEBASS 2012, 251–257; FREVEL 2014, 267–270; FREVEL 2019, 207f. FREVEL 2004, 85 sieht zudem enge Beziehungen zwischen dem letzten Teil des Numeribuches und den Landverteilungstexten des Josuabuches und deutet dies in einem Hexateuchzusammenhang. Kritisch gegenüber einem Hexateuch aber BLUM 1990, 225–228. 6 Vgl. hierzu BECKER 2006, 155f.; GERMANY 2018, 147. 7 Zur Möglichkeit eines vorpriesterlichen Hexateuchs vgl. KRATZ 2002, 322; FREVEL 2011, 25–31. 8 Zu einer Hexateuch-Redaktion neuerdings ACHENBACH 2007, 235–237; OTTO 2007, 194–199; KNAUF 2008, 17–22; ALBERTZ 2015, 67–71. 5
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erklären ist. Dementsprechend wäre denkbar, dass die Landverteilungstexte seit jeher die natürliche Fortsetzung der Landthematik des Numeribuches gewesen sind. In der Tat konnte gezeigt werden,9 dass zumindest der Abschnitt Jos 13–19 über längere Zeit hinweg gemeinsam mit dem Numeribuch gewachsen ist. Es hat somit den Anschein, dass die sprachlichen und inhaltlichen Verbindungslinien nur dergestalt sachgemäß gelöst werden können, dass mehrere priesterliche Redaktionen an beiden Büchern gleichzeitig gearbeitet haben. Dies legt wiederum die Vermutung nahe, dass Jos 13–19 eigentlich zum Numeribuch gehörte und dort vielleicht einen Appendix bildete.10 Um den eigentlichen Teil der Landverteilung, der sich in Jos 14–19 findet, ist zudem mit Jos 14,1–5 und Jos 19,49–51 ein Rahmen gelegt worden, der ausweislich der verwendeten Idiomatik in mehreren Schüben wuchs. Die sprachlichen Verbindungslinien dieser einzelnen redaktionellen Rahmenstücke weisen zudem ins Numeribuch.11 Im Folgenden soll die Redaktionsgeschichte des zweiten Teils des Josuabuches in Jos 13–19 in gebotener Kürze rekapituliert werden. Ausweislich bestimmter Idiomatik und unterschiedlicher Syntax lässt sich das Wachstum in diesem Teil des Josuabuches durchaus nachvollziehen.12 In den eigentlichen Landverteilungstexten Jos 14–19 wurden vermutlich zwei Dokumente miteinander verbunden: eine bzw. mehrere Ortslisten, die zur Beschreibung der Stammesterritorien verwendet werden konnten, und eine priesterlich geprägte Grundschicht, die die Grenzen von sieben Stämmen zusammentrug (Juda, Efraim, Benjamin, Sebulon, Issachar, Ascher, Naftali). Diese priesterliche Grundschicht verwendet einen spezifischen Idiolekt, der innerbiblisch nur noch in Num 34,2–12 zu finden ist. In dem priesterlichen Grunddokument sollte ein Idealbild des „wahren Israels“ gezeichnet werden, das nur aus sieben Stämmen besteht und auf das Westjordanland beschränkt ist.13 Auffälligerweise wurde das Gebiet des Stammes Manasse nicht zum hier skizzierten Verheißungsland gezählt. Die beiden vorliegenden Dokumente (Ortslisten und priesterliches Grunddokument mit Grenzbeschreibungen) wurden von drei priesterlich geprägten Redaktionen zusammengearbeitet, die noch keinen Bezug zum dtr. Josuabuch, wohl aber zum letzten Abschnitt des Numeribuches erkennen lassen. Eine erste priesterliche Redaktion schuf aus den Ortslisten und der priesterlichen Grundschicht mit Grenzbeschreibungen ein Landverteilungsdokument für sieben 9
Vgl. GASS 2019b, passim. Vgl. auch GASS, im Druck. 11 Vgl. hierzu GASS 2019b, 118–151. 12 Vgl. zum Folgenden die ausführliche Begründung bei GASS 2019b, passim; GASS, im Druck. 13 Zu ähnlichen Konzeptionen Israels, die zunächst noch nicht vom Zwölfstämmesystem ausgingen, vgl. GERMANY 2019, 322–329, der allerdings zu einem abweichenden Ergebnis kommt, da er die sprachlichen Verbindungslinien nicht konsequent genug auswertet. 10
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Stämme. Von dieser Redaktion wurde durch die Konstruktion der „Söhne Josef“ (Efraim und Manasse) die Siebenzahl der Stämme Israels nicht überschritten. Durch die Konzeption des „Doppelstammes“ Efraim-Manasse konnte man folglich die übernommene Vorstellung von einem Siebenstämmevolk beibehalten und trotzdem Manasse in diesen Entwurf integrieren. Diese Redaktion hat den Losentscheid und die Sippenthematik in die Texte eingetragen und die Landgabe an Ruben und Gad durch Mose in Jos 13 als Vorbild für die westjordanische Landverteilung vorangestellt. Aufgrund des Losentscheids und der Sippenthematik weist der literarische Horizont dieser Redaktion ins Numeribuch (Num 26 und 33). Eine zweite priesterliche Redaktion trug an den Rändern der eigentlichen Landverteilungstexte Jos 14–19 die Landkommission unter Vorsitz des Priesters Eleasar ein (Jos 14,1; 19,51), wodurch ein Rahmen um Jos 14–19 gelegt wurde. Diese Redaktion scheint an Num 34,16–29 anzuschließen, wo ein Zehnstämmevolk im Blick ist. Auch in der bearbeiteten Version von Jos 14– 19 ist dies faktisch der Fall, zumal der Doppelstamm der „Söhne Josef“ (Efraim – Manasse) eigentlich zu acht westjordanischen Stämmen führt (Juda, Efraim, Manasse, Benjamin, Sebulon, Issachar, Ascher, Naftali), denen zwei ostjordanische Stämme (Ruben – Gad) in Jos 13 als Vorbild für die Landverteilung unter Josua vorangestellt sind. Eine dritte priesterlich-dtr. Redaktion war schließlich für den jetzigen Erzählzusammenhang verantwortlich. Von dieser Redaktion wurde die Konzeption des Zwölfstämmevolkes nachträglich eingetragen und die Siebenzahl auf diejenigen Stämme bezogen, die noch nicht ihr Lehen in Besitz genommen hatten. Auf diese Weise wurde die ursprüngliche Einleitung Jos 18,1–10*,14 die ursprünglich vor Jos 14,1 stand und noch von sieben Stämmen ausging, an ihren jetzigen Platz verschoben und neu gedeutet. Um ein Zwölfstämmevolk zu erreichen, ist die Einheit der „Söhne Josef“ wiederum aufgegeben worden. Darüber hinaus sind noch die Stämme Simeon und Dan in Jos 19 ergänzt worden. Durch diese redaktionelle Anordnung wurden die wichtigen Stämme Juda und Efraim-Manasse in Jos 15–17 besonders betont, während die Nachlässigkeit der übrigen Stämme in Jos 18–19 beklagt wurde. Neben diesen wichtigen Redaktionen sind in Jos 13–19 kleinere spätpriesterliche Glossen redaktionell eingearbeitet worden, die weitere Verbindungslinien zum Numeribuch entwarfen, bevor der priesterlich geprägte Abschnitt Jos 13–19 von einer dtr. Erzählredaktion ins dtr. Josuabuch aufgenommen wurde. Erst danach gab es weitere Angleichungen an die umgebenden Bücher (Numeri, Deuteronomium, Richter).
14 Zu Gründen, weshalb Jos 18,1–10* definitiv vor Jos 14,1 stehen musste, damit der Rahmen um Jos 14–19 überhaupt sinnvoll funktioniert, vgl. GASS 2019b, 149f.
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Es konnte somit gezeigt werden, dass die Landverteilungstexte des Josuabuches in Jos 13–19 kaum zu einer dtr. Landeroberungserzählung (DtrL),15 die die beiden Bücher Deuteronomium und Josua umfasst, oder zu anderen dtr. Erzählzusammenhängen gehören können. Der Textabschnitt Jos 13–19 zeigt vielmehr zahlreiche Berührungspunkte zu den priesterlichen Texten des Numeribuches, sodass die Möglichkeit naheliegend ist, dass sich eine Urform der Landverteilungstexte von Jos 13–19* bereits als Appendix am Numeribuch befand, wo dieser Textbereich zunächst einige redaktionelle Ergänzungen erfuhr, bevor er an seinen jetzigen Platz im Josuabuch wechselte. Vorausgesetzt es hat diese beiden sprachlich und inhaltlich zu unterscheidenden Teile des Josuabuches gegeben (dtr. und priesterliches Josuabuch), dann stellt sich die Frage, wie es dazu kam, dass im Josuabuch beide Teile vereint worden sind. Neben den sprachlichen Unterschieden zwischen Jos 1– 12.23–24* und Jos 13–22* zeigen verschiedene Beobachtungen, dass es im letzten Abschnitt Jos 20–22 vermutlich zu mehrfachen Wachstumsschüben kam. Zunächst ist Jos 19,49–51 ein klares Abschlusssignal hinter Jos 13–19, sodass der Eindruck erweckt wird, dass die Landverteilung endlich abgeschlossen ist. Allerdings sind noch Nachträge notwendig, da die bereits in Num 35 aufgeworfene Frage nach den Asyl- und Levitenstädten bislang noch nicht beantwortet ist. Die folgenden beiden Kapitel Jos 20–21 zu den Asyl- und Levitenstädten werden darüber hinaus durch den dtr. geprägten Abschluss in Jos 21,43–45 als offenbar spätere Ergänzungen ausgewiesen.16 Am Schluss von Jos 21 gibt es darüber hinaus in der Version der LXX17 und der Vetus Latina einen längeren Zusatz, der einerseits auf Jos 19,49–50 zurückgreift und andererseits noch eine weitere Tradition einspielt:
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Zu einer derartigen DtrL vgl. LOHFINK 1981, 92–96; MOENIKES 2003, 71–77; NOORT 2008, 119; OSWALD 2009, 96; BIEBERSTEIN 2011, 165–167; BRAULIK 2011, 89–95. An eine dtr. gestaltete Erzählung Dtn*–Jos* denkt auch GROSS 2011, 189.201. OTTO 2000, 4f. vermutet sogar, dass die DtrL von Dtn 1–30* über Jos 1–11*; 23* bis hin zu Ri 2,6–9 gereicht habe. Nach BLUM 2012, 148–151 kann eine DtrL jedoch nicht mit dem Josuabuch geschlossen haben. Kritisch zu einer DtrL auch BIEBERSTEIN 1995, 386f.; FREVEL 2011, 30f.; NIHAN 2012, 83–93. 16 Vgl. GERMANY 2019, 326. 17 42a Καὶ συνετέλεσεν ᾿Ιησοῦς διαμερίσας τὴν γῆν ἐν τοῖς ὁρίοις αὐτῶν. 42b καὶ ἔδωκαν οἱ υἱοὶ Ισραηλ μερίδα τῷ ᾿Ιησοῖ κατὰ πρόσταγμα κυρίου· ἔδωκαν αὐτῷ τὴν πόλιν, ἣν ᾐτήσατο· τὴν Θαμνασαραχ ἔδωκαν αὐτῷ ἐν τῷ ὄρει Εφραιμ. 42c καὶ ᾠκοδόμησεν ᾿Ιησοῦς τὴν πόλιν καὶ ᾤκησεν ἐν αὐτῇ. 42d καὶ ἔλαβεν ᾿Ιησοῦς τὰς μαχαίρας τὰς πετρίνας, ἐν αἷς περιέτεμεν τοὺς υἱοὺς Ισραηλ τοὺς γενομένους ἐν τῇ ὁδῷ ἐν τῇ ἐρήμῳ, καὶ ἔθηκεν αὐτὰς ἐν Θαμνασαραχ. Zu abweichenden Lesarten innerhalb der LXX-Tradition vgl. HOLZINGER 1901, 87f.
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42a Und es beendete Josua die Aufteilung des Landes in seinen Grenzen. 42b Und es gaben die Söhne Israels ein Erbteil dem Josua, nach dem Gebot des Herrn haben sie ihm gegeben die Stadt, die er erbeten hatte, Thamnasarach haben sie ihm gegeben im Gebirge Efraim. 42c Und es baute Josua die Stadt auf und wohnte in ihr. 42d Und es nahm Josua die steinernen Messer, mit denen er die Söhne Israels beschnitten hatte, die auf dem Weg in der Wüste geboren worden waren, und er brachte sie nach Thamnasarach. Es scheint, dass mit der Technik der Wiederaufnahme18 der Abschnitt der Asylund Levitenstädte in Jos 20–21 an die Landverteilung angeschlossen wurde.19 Es hat zudem den Anschein, dass die LXX hier einen vorliegenden hebräischen Text wiedergibt und nicht frei formuliert.20 Dementsprechend stand der LXX– Überschuss ursprünglich in einer hebräischen Vorform des MT. Da zudem die LXX bereits den dtr. geprägten Satz Jos 19,50 aufnahm, kann diese Wiederaufnahme erst nach Einschub des priesterlichen Abschnittes in das dtr. Josuabuch stattgefunden haben. Dementsprechend könnte der Abschnitt Jos 20– 21 erst nach der Aufnahme der Landverteilungstexte Jos 13–19 in das dtr. geprägte Josuabuch eingefügt worden sein. Diese Überlegung muss im Folgenden noch näher geprüft werden. Wenn dies der Fall wäre, dann wäre der Abschnitt zu den Asyl- und Levitenstädten erst relativ spät aufgenommen worden.21 Allerdings ist vom späteren MT die Doppelung Jos 19,49–50//Jos 21,42a– c–LXX nicht mitgetragen worden. Hinzu kommt, dass sich Jos 21,42a–c–LXX leicht von Jos 19,49–50 unterscheidet. Denn im Zusatz der LXX nimmt Josua eine aktive Rolle bei der Landverteilung ein, während ausweislich der Pluralform in Jos 19,49 die Israeliten bzw. die Landkommission mit dieser Aufgabe betraut waren. Außerdem wurde der Abschnitt Jos 13–22 mit der Technik der Wiederaufnahme in das dtr. Josuabuch aufgenommen.22 Denn in Jos 13,1 und Jos 23,1 18 Zur Technik der Wiederaufnahme vgl. WIENER 1929, 2f.; KUHL 1952, 2–11; SEELIGMANN 1962, 314–325; TALMON 1978, 12–26; PARUNAK 1981, 160; LONG 1987, 385–399; ANBAR 1988, 398; GROSS 2012, 174–178. Von der Technik der Wiederaufnahme ist die proleptische Zusammenfassung abzuheben, vgl. SKA 1995, 315. Nach BALLHORN 2011, 308
wird durch diesen Zusatz ein Rahmen um die Asyl- und Levitenstädte gelegt, was deren Wichtigkeit unterstreiche. 19 Ähnlich ROFÉ 1982, 35, dem zufolge der Redaktor den fehlenden Schluss hinter Jos 20–21 mit Jos 21,42a–c–LXX ergänzte. 20 Vgl. ROFÉ 1982, 34; RÖSEL 2001, 204. Nach MÄKIPELTO 2018, 143 tilgte ein hebräischer Revisor dieses Plus der LXX als redundant. 21 HAWK 2005, 566 weist darauf hin, dass es im Josuabuch neben Jos 21,43–45 noch weitere Abschlusssignale gebe. Ähnlich SCHMID 1999, 96, der von einem dreifachen Abschluss der Heilsgeschichte in Jos 21,43–45, Jos 23 und Jos 24 ausgeht. 22 Vgl. hierzu GASS 2019a, 209f.
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wird der Satz wîhôšuaʿ zāqen bāʾ bayyāmîm verwendet.23 Der Hinweis auf das hohe Alter Josuas passt bestens zu Jos 23,1, wo der zeitliche Abstand zwischen der in Jos 1–12 erfolgten Landnahme durch die Formel wayehî miyyāmîm rabbîm überbrückt werden kann. Außerdem leitet der Satz mit dem hohen Alter Josuas in Jos 23,1 die bevorstehende Abschiedsrede ein. Insofern ist diese Notiz in Jos 23,1 durchaus motiviert. Denn die Worte des alten Josua kurz vor seinem Tod sind besonders wichtig und bilden sein Testament. Im Gegensatz dazu kommt das hohe Alter Josuas in Jos 13,1 eigentlich viel zu früh, zumal noch sehr viel für Josua zu tun ist. Außerdem mutet das hohe Alter Josuas unmittelbar nach der Eroberung des Landes und der Liste der unterworfenen Könige irgendwie seltsam an. In Jos 13,1 kann das hohe Alter Josuas zudem kaum als Motivation für die im Anschluss folgende Landverteilung dienen.24 Es hat folglich den Anschein, dass der Abschnitt der Landverteilungstexte hinter den Satz wîhôšuaʿ zāqen bāʾ bayyāmîm gesetzt wurde, wobei dieser Satz ursprünglich die Abschiedsrede Josuas einleitete. Um nach dem langen Einschub den Erzählzusammenhang wieder aufzugreifen, hat man somit diesen Satz in Jos 23,1 wiederholt und damit den Einschub gerahmt. Durch das stilistische Mittel der Wiederaufnahme konnten folglich die Landverteilungstexte redaktionell in das dtr. Josuabuch eingebunden werden. Vielleicht ist aufgrund der genannten Beobachtungen der Abschnitt Jos 13– 22 für sich selbst über längere Zeit hinweg entstanden, überliefert und ergänzt worden, bevor er dann in das dtr. Josuabuch aufgenommen wurde.25 Für ein eigenständiges Wachstum von Jos 13–19 spricht jedenfalls der Rahmen in
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Vgl. MOWINCKEL 1964, 61; PETERSEN 1980, 144; VAN SETERS 1983, 333f.; FREVEL 2013, 61. Vgl. auch NOTH 1971, 10: „Nun gehörte freilich dieser stämmegeographische Abschnitt anscheinend nicht zum ursprünglichen Bestande des deuteronomistischen Josuabuches. Das ergibt sich aus der Tatsache der Identität der deuteronomistischen Sätze 13 1a = 23 1b, die sich nur so verstehen läßt, daß 13 1a eine sekundäre Vorwegnahme von 23 1b darstellt, die dazu dienen sollte, den stämmegeographischen Abschnitt nachträglich literarisch einzuschalten“. 24 Anders ZIESE 2008, 258, dem zufolge die Formel zāqen bāʾ bayyāmîm bei Abraham und David wichtige Handlungen einleitet. Nach HUBBARD 2009, 398 Anm. 12 wird Jos 13– 23 durch diese Formel als Josuas „final years“ ausgewiesen. HAWK 2000, 183 vermutet, dass mit dem Verweis auf das hohe Alter Josuas zwischen der Phase der Landeroberung und der Landverteilung unterschieden werden solle, zumal die Eroberung eine lange Zeit nach Jos 11,18 andauerte (yāmîm rabbîm). Nach GÖRG 1991, 64 unterstreicht der Hinweis auf das ehrwürdige Alter Josuas die Bedeutung des Folgenden. 25 Vgl. NOTH 1971, 10.15, der damit rechnet, dass der Abschnitt mit den Landverteilungstexten erst in einer zweiten dtr. Bearbeitung in das Josuabuch gekommen sei. Ähnlich auch CORTESE 1999, 46; FREVEL 2011, 21f. FREVEL 2013, 67 vermutet, dass die Verbindungen von Jos 13 zum Grundtext Jos 23 andeuteten, dass „Jos 13–21 später, aber nicht unabhängig von Jos 23* entstanden ist“. Nach ARTUS 2012, 235 ist Jos 13–19 bzw. Jos 13–22 ein „supplément tardif“ im Josuabuch.
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Einleitung
Jos 14,1–5 und Jos 19,49–51. Auf eine literarhistorische Unabhängigkeit zumindest von Jos 13–19 vom dtr. Josuabuch und eine Verbindung dieses Abschnitts zum Numeribuch weisen zahlreiche sprachliche und stilistische Eigenheiten hin.26 Insofern ist die frühere These, dass dieser Textbereich unabhängig vom Tetrateuch entstanden sei,27 kaum haltbar. Durch den LXX-Zusatz hinter Jos 21,42 deutet sich darüber hinaus ein später Einschub von Jos 20–21 an. Schließlich muss die literarhistorische Verortung von Jos 22 geklärt werden, da die Wiederaufnahme von Jos 13,1 in Jos 23,1 anzeigt, dass der vor allem priesterliche geprägte Abschnitt Jos 13–22 zu einem bestimmten Zeitpunkt in das dtr. Josuabuch eingefügt wurde. In den folgenden vier Untersuchungen soll das schwierige Wachstum der Anhänge zum priesterlichen Josuabuch in Jos 20–22 untersucht werden. Es wird sich zeigen, dass sich gerade der Abschnitt zu den Asyl- und Levitenstädten in Jos 20–21 einer allzu einlinigen und leicht nachvollziehbaren diachronen Wachstumsgeschichte widersetzt und einige sprachliche Besonderheiten aufweist, die diesen Textbereich von den Landverteilungstexten in Jos 13–19 abheben. Diese Beobachtung passt bestens zum Befund in Jos 13–19, wo erst in späten redaktionellen Eintragungen die Gabe der Levitenstädte in Jos 14,4 vorbereitet wurde. Demnach hat Jos 13–19 den Abschnitt Jos 20–21 zunächst noch nicht im Blick gehabt. Dementsprechend ist Jos 20–21 auch im priesterlichen Josuabuch offenbar ein Fremdkörper, der nur notdürftig und nicht einheitlich eingepasst wurde. Offenbar hat der MT dieses Problem bereits gesehen und auf den LXX-Zusatz verzichtet. Die Darstellung der Levitenstädte in Jos 21 hat zudem eine Parallele in 1Chr 6, was methodisch eine vom Übrigen abweichende Analyse erfordert, zumal die LXX beider Texte zusätzliche Abweichungen bietet. Noch komplizierter wird es bei der Beurteilung von Jos 22, wo dtr. und priesterliche Idiome nicht nur überlappen, sondern auch ein später, teils fehlerhafter hebräischer Text zusammengebastelt wurde, der die Unsicherheit bei den Verbfunktionen und den idiomatischen Wendungen immer wieder verrät.28 Eine vorschnelle Verbindung von Jos 22 zu den dtr. geprägten Abschiedsreden in Jos 23–24 lässt sich darüber hinaus ebenso wenig begründen wie die Suche nach einem älteren dtr. Kern hinter Jos 22. Schon die Wiederaufnahme von 26
Vgl. GASS 2019b, passim; GASS im Druck. Vgl. zuvor schon DE VOS 2003, 306; COR2009, 28. CORTESE 1985, 349f. vermutet, dass eine Form der Landverteilungstexte ursprünglich an den Tetrateuch angeschlossen gewesen sei. Nach WÜST 1975, 206–210 sind zudem die Landverteilungstexte Jos 14–19 von den priesterlichen Texten des Numeribuches abhängig. 27 Vgl. NOTH 1971, 16. Nach SEEBASS 2006, 104 sei die Verbindung zwischen Numeriund Josuabuch, gerade was die Landthematik betrifft, meist nur durch redaktionelle Zusätze gegeben. ALBERTZ 2007a, 203 vermutet, dass die priesterlichen Texte des Josuabuchs von einem anderen Autor als diejenigen des Numeribuches stammten. 28 Vgl. nur MICHEL 2020, 345–351. TESE
Einleitung
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Jos 13,1 in Jos 23,1 deutet an, dass man Jos 22 nicht mit dem Folgenden verbinden sollte. Trotz der literarhistorischen und redaktionsgeschichtlichen Schwierigkeiten von Jos 20–22 wird sich zeigen, dass eine diachrone Wachstumsgeschichte ausweislich der verwendeten Idiome nachgezeichnet werden kann. Offenbar arbeiteten viele Hände am Abschnitt Jos 20–22, bis der jetzt vorliegende MT abgeschlossen war. Eine einseitig synchrone Beurteilung29 blendet nicht nur das literarhistorische Wachstum aus, sondern auch die verschiedenen Versuche der priesterlichen und dtr. Redaktoren, ihre theologischen Konzeptionen in die Texte einzutragen. Vor diesem Hintergrund sind die beiden Methodenschritte Literarkritik und Redaktionsgeschichte nicht reine theologiefreie Literaturwissenschaft, sondern hier geht es um den lebendigen Prozess des theologischen Ringens verschiedener Autoren und Redaktoren, den es nachzuzeichnen gilt.
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Vgl. auch die Übersicht in GASS 2019a, 14–17.
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20) Vorbemerkungen
Die Gabe der Asyl- (Jos 20) und Levitenstädte (Jos 21) gehört eigentlich nicht mehr zur Landverteilung an die Stämme. Denn das Verheißungsland ist in Gänze schon längst aufgeteilt, worauf auch der Abschluss in Jos 19,49–51 vollmundig hinweist. Ab Jos 20 folgen demnach nur noch Sonderbestimmungen, wie zum einen das Asylrecht an bestimmten Orten durchgeführt und zum anderen das Wohnrecht der Leviten unter den Stämmen geregelt werden soll. Auf letzteres wurde bereits in Jos 14,4 und Jos 18,7 hingewiesen. Die Verteilung von Asylstädten wird bereits in der Tora ausführlich beschrieben (Num 35,9–34; Dtn 4,41–43; 19,1–13).1 Durch diese Städte wird die Heiligkeit des menschlichen Lebens besonders geschützt, vor allem in Fällen, in denen die Schuldfrage bei der Tötung eines Menschen schwierig ist.2 Denn durch das Rechtsinstitut der Asylstädte wird die versehentliche Tötung eines Menschen geschützt, während der vorsätzliche Mord die ansonsten übliche Strafe der Tötung des Mörders nach sich zieht.3 Auch wenn die Bezeichnung Totschläger im Folgenden nicht präzise ist, da Totschlag nach deutschem Rechtsverständnis immer Vorsatz im Gegensatz zu gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge einschließt, soll der Einfachheit halber dieser Begriff beibehalten werden, zumal bei der Asylgesetzgebung beide Fälle im Blick sein können.4 Da es keine übergeordnete Bedeutung für beide Aspekte gibt,
1 Vgl. hierzu SOGGIN 1982, 198; PITKÄNEN 2010, 333; MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 79. Schon in Ex 21,12–21 wird auf das Versprechen hingewiesen, dass es einen Ort geben solle, zu dem der Totschläger fliehen könne, vgl. hierzu WOUDSTRA 1981, 298. Nach HERTZBERG 1985, 115 zeige die verkürzte Ausdrucksweise, dass Jos 20 andere Gesetzesvorgaben zum Asyl gekannt und aufgenommen habe. BERMAN 2015, 124f. weist zusätzlich darauf hin, dass es schon in vorexilischer Zeit zu einer Vermischung unterschiedlicher Gesetzesvorschriften („legal blend“) gekommen sein könnte. Schon aus diesen Gründen kann Jos 20 nicht vollkommen isoliert von anderen Texten besprochen werden. 2 Vgl. ZIESE 2008, 340. 3 Vgl. GÖRG 1991, 90. 4 TRAULSEN 2004, 54 vermeidet den missverständlichen Begriff Totschläger und spricht von „unfreiwilligen Mörder“, zumal Totschlag nach § 212 StGB vorsätzliches Handeln impliziere. Hier liege vielmehr eher fahrlässige Tötung nach § 222 StGB vor, vgl. auch PERLITT 2013, 383.
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soll daher der Begriff „Totschläger“ für den Täter gebraucht werden, während anstelle von „Totschlag“ der allgemeinere Begriff „Tötung“ verwendet wird. Bei einer versehentlichen Tötung eines Menschen war zudem nicht immer der Totschläger selbst schuld, sondern eigentlich Gott, der es zuließ, dass dieses Unglück geschehen konnte.5 Dementsprechend konnte der versehentliche Totschläger ins Heiligtum unter den Schutz Gottes flüchten,6 der es zugelassen hat, dass ein anderer Mensch nicht mehr am Leben ist. Die Schuld selbst der versehentlichen Tötung lastete aber trotzdem auf dem Totschläger und musste irgendwie gesühnt werden. Dies konnte durch Exilierung geschehen.7 Dementsprechend ist der Aufenthalt in der Asylstadt in gewisser Weise eine Verbannung des Totschlägers.8 Somit musste selbst die versehentliche Tötung eines Menschen Konsequenzen nach sich ziehen, sodass die Asylstadt nicht nur ein heiliger Ort, sondern auch eine Art „Gefängnis“ für den unvorsätzlichen Totschläger war, da er bei Verlassen der Asylstadt sein Leben riskiert.9 Die Erwähnung einer Frist des Aufenthaltes in der Asylstadt, die mit dem Tod des Hohepriesters gesetzt wird, schließt darüber hinaus die Möglichkeit aus, dass eine menschliche Autorität die Blutschuld tilgen könne.10 Die Asylstädte waren zugleich auch Levitenstädte, wie die in Jos 21 folgende Liste der Levitenstädte zeigt. Diese Beobachtung könnte möglicherweise auf die Rolle der Leviten im Rechtsinstitut des Asyls hinweisen.11 Viel5
Vgl. zu diesem Problem auch NICOLSKY 1930, 169. Vgl. FRITZ 1994, 203; DIETRICH 2008, 65. Seit jeher boten Heiligtümer Schutz vor Verfolgung, auch wenn dies nicht immer respektiert wurde, vgl. KNAUF 2008, 170. 7 Vgl. GREENBERG 1959, 128; PETERS 2000, 60; GREENGUS 2011, 154; CREACH 2012, 160. Nach DINUR 1954, 135–146 ist der Aufenthalt des Totschlägers in der Asylstadt ohnehin eine Verbannung unter göttlichem Schutz. 8 Vgl. SCHÜNGEL-STRAUMANN 1969, 34. 9 Vgl. ZIESE 2008, 341; COLESON 2012, 153; BUTLER 2014, 202. Kritisch hierzu aber VASHOLZ 1993, 118. Nach SOGGIN 1982, 198 ist die Asylie in der Asylstadt vermutlich mit dem dort befindlichen Heiligtum zu verbinden. Denn ein Heiligtum gilt als Ort des besonderen Schutzes vor allem auch für das Leben, vgl. HERTZBERG 1985, 114. Nach KOOPMANS 2002, 97 befindet sich der Totschläger in der Asylstadt zudem in Hausarrest, was zumindest eine gewisse Form der Bestrafung für die unabsichtliche Tötung eines Menschen ist. Auf ähnliche Weise deutet PHILLIPS 1970, 107 den Begriff ʿārê hammiqlāṭ als „prison cities“. Nach rabbinischer Auffassung wird der Aufenthalt in einer Asylstadt schließlich als Exil bezeichnet, vgl. hierzu schon COOKE 1918, 190. FRITZ 1994, 204 vermutet zudem, dass der Totschläger zwar mit dem Leben davongekommen war, aber dass ihm die Rückkehr in seine Heimatstadt zeitlebens verschlossen blieb. Eine solche Deutung gilt freilich nur dann, wenn V.6 als redaktioneller Zusatz bestimmt wird. 10 Vgl. hierzu SINGER 1991a, 196. 11 Vgl. hierzu DRIVER 1960, 19f.; SPENCER 1992b, 658; ZIESE 2008, 342. Nach Maimonides seien auch die anderen Levitenstädte Orte des Asyls gewesen, aber nur in den Asylstädten sei die Versorgung des Totschlägers kostenlos gewesen, vgl. hierzu LLOYD 1886, 322f. Hierfür gibt es aber keinen weiteren Hinweis. HARTLEY 2005, 654 vermutet, dass die Leviten den Flüchtigen Zuflucht gewährt und den Rechtsfall vorbereitet haben. 6
Vorbemerkungen
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leicht deutet diese Beobachtung auch an, dass der versehentliche Totschläger wie auch die Leviten eine Versorgung in diesen Städten erfahren hat, was ein Heiligtum sonst nicht leistet.12 Darüber hinaus ist aber auch möglich, dass diese Doppelfunktion als Asyl- und Levitenstädte der Reintegration der unabsichtlichen Totschläger dienen könnte, da diese Orte nicht nur als reine Asylstädte stigmatisiert werden können, sondern sakrale Funktion ebenfalls besitzen und eng mit Israel verbunden sind. Die Bestimmung dieser Orte als Asylund Levitenstädte muss allerdings nicht sicher eine Erinnerung an das alte Heiligtumsasyl sein,13 auch wenn es eine derartige Konzeption durchaus gegeben haben mag. Außerdem geht aus den biblischen Texten nicht hervor, ob es in den einzelnen Asylstädten Heiligtümer gegeben hat. Derartige Fragestellungen müssen im Folgenden kritisch aufgearbeitet werden. Die Abfolge im Josuabuch, wonach die Asylstädte (Jos 20) vor den Levitenstädten (Jos 21) behandelt werden, verhält sich umgekehrt zur Anordnung in Num 35, wo als erstes die Vorgaben für die Levitenstädte (Num 35,1–8) angeführt werden, denen danach die Asylstädte (Num 35,9–34) folgen. Dementsprechend sind Weisung in Num 35 und Ausführung in Jos 20 in ein chiastisches Verhältnis zueinander gerückt.14 Allein diese Beobachtung zeigt, dass Jos 20–21 zunächst offenbar eher mit den priesterlichen Vorgaben in Num 35 als mit dtr. Konzeptionen zu verbinden ist, zumal es im Buch Deuteronomium keine Vorgaben zu den Levitenstädten gibt.15 Ein weiteres Indiz weist auf die Verbindung zu priesterlichen Texten hin. Denn nach priesterlicher Tradition sind wie in Jos 20 sechs Asylstädte zu bestimmen (Num 35,13), während nach dtr. Tradition Mose selbst bereits drei Asylstädte im Ostjordanland gegeben hat (Dtn 4,41–43) und drei bis sechs Asylstädte im Westen noch auszusondern wären (Dtn 19,7–9). Aus alledem folgt, dass Jos 20–21 vor allem mit Num 35, nicht aber mit dtr. Texten zu verbinden wäre.
Nach EHRLICH 1910, 56 wurden die Totschläger den Leviten überstellt, die von Haus aus mit den Sünden des Volkes beschäftigt waren. 12 Vgl. SOGGIN 1982, 198. Nach PITKÄNEN 2010, 337 beschützen die Ältesten der Asylstädte den unabsichtlichen Totschläger vor dem „Löser des Blutes“ und stellen die Versorgung des geflüchteten Totschlägers sicher. Anders hingegen FRITZ 1994, 204, dem zufolge der Flüchtige neben einem Wohnsitz auch ein Grundstück außerhalb der Stadtmauern zur Selbstversorgung gestellt bekam. Aufgrund des schütteren Befundes kann keine zuverlässige Angabe zur Versorgung des Totschlägers gemacht werden. 13 Vgl. RUWE 2000, 217. 14 Vgl. auch CORTESE 1990, 78. Nach ALBERTZ 2013, 228 Anm. 31 hängen Jos 20–21 zudem von Num 35 ab. Das umgekehrte Abhängigkeitsverhältnis ist ausgeschlossen, da Jos 20 auf die Vorgabe in Num 35 verweist, vgl. hierzu NICOLSKY 1930, 151; ALBERTZ 2007a, 210f. FISHBANE 1980, 443f. zieht zusätzlich noch die Landverteilungstexte in Jos 13–19 und deren Gegenpart in Num 33–34 hinzu. Nach NOTH 1966, 218 sei hingegen Num 35 von Jos 20–21 abhängig. 15 Anders hingegen FRITZ 1994, 203, der die Asylstädte vor allem mit Dtn 19 verbindet.
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Der Abschnitt mit den Asylstädten steht zudem im Anschluss an die Landverteilungstexte in Jos 13–19. Auf der Ebene des Endtext ist Jos 20–21 zudem das Gegenstück zu Jos 13,8–33, wo bereits das Problem der Leviten angesprochen wurde und die ostjordanischen Stämme einbezogen wurden.16 Ab Jos 20 werden nun Regelungen getroffen, wie man im Land leben soll.17 Um soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden, werden Asyl- und Levitenstädte verteilt. Gerechtigkeit hinsichtlich der versehentlichen Tötung müsse im Verheißungsland darüber hinaus demokratisch durch die „Gemeinde“ ausgeübt werden, wobei Bürger und Fremder gleich zu behandeln seien.18 Durch die Gabe der Asylstädte soll zudem das Blutvergießen auf ein Minimum reduziert werden.19
1. Textkritische und sprachliche Beobachtungen Der Abschnitt über die Asylstädte in Jos 20 weist einige Probleme auf, die zum einen textkritisch, zum anderen aber auch literarhistorisch gelöst werden. Auch die Nähe und Differenz zur Darstellung der Asylstadt in den Rechtskorpora der Tora sind bei einer angemessenen Einordnung von Jos 20 heranzuziehen. Im Folgenden soll bei der Diskussion des auffälligen Befundes versweise vorgegangen werden. V.1: Die Erzählung beginnt unvermittelt mit einer durch wayyiqtol eingeleiteten Gottesrede. Auch wenn die wayyiqtol-Form eine gewisse Kontinuität zum Vorausgegangenen andeutet,20 setzt sich die Rede mit dem neuen Thema klar ab, zumal Jos 19,51 mit der Vollendungsnotiz einen klaren Abschluss bildet.21 Insofern muss man die zweite Vollendungsnotiz in Jos 19,51b nicht
16
Vgl. EDERER 2017, 280. Allerdings kann man diese Beobachtung kaum literarkritisch oder redaktionsgeschichtlich fruchtbar machen. 17 Vgl. MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 79; BUTLER 2014, 204. Nach AULD 1980, 80 ist der Abschnitt über die Levitenstädte in Jos 21 vor den Asylstädten entstanden, worauf auch die Abfolge und die literarischen Verbindungslinien in Num 35 hinweisen. Außerdem habe Jos 20 die Idiomatik von Num 35 übernommen. 18 Vgl. zu diesen Vorgaben NELSON 1997, 230. Nicht ohne Grund werden diese Vorgaben durch von Gott angeleitete Prozesse gemäß V.1–2 erfüllt. 19 Vgl. ALBERTZ 2013, 226. 20 Dementsprechend vermutet LLOYD 1886, 321, dass die Bestimmung von Asylstädten unmittelbar nach der Landverteilung stattgefunden hat. Ähnlich schon KEIL 1847, 358. 21 Vgl. BUTLER 2014, 192f. Hinzu kommt, dass Jos 19,51b auf eine priesterlich-dtr. Redaktion zurückgeht, die den Abschnitt Jos 13–19 erst gebildet hat, vgl. GASS 2019b, 374. Zumindest auf Endtextebene erfolgt die Gottesrede zudem nach BALLHORN 2011, 301 nicht ortlos, sondern aufgrund von Jos 19,51 in Schilo am Eingang des Zeltes der Begegnung, was eine implizite Sakralisierung sei. Für die ursprüngliche Tradition muss das freilich nicht gelten.
1. Textkritische und sprachliche Beobachtungen
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als Eröffnung der Verteilung der Asylstädte deuten,22 zumal bereits Jos 19,51b mit Hilfe von wayyiqtol an das Vorausgegangene anknüpft. Die Gottesrede in Jos 20,1–6 wird nicht mit dem Verb ʾMR, sondern mit DBR eröffnet, was dieser Anordnung YHWHs noch zusätzliches Gewicht verleiht.23 Die Formulierung DBR + ʾæl ist zudem im Josuabuch auch andernorts belegt, sodass hier nicht ein singuläres Idiom vorliegt.24 Bisweilen wird hier sogar eine „Offenbarungsformel“ vermutet, mit der ein Zusatz zur Tora des Mose gegeben werden solle.25 Interessanterweise wird in Jos 20,1 nicht wie in Jos 21 ein priesterliches Gremium als Adressat der YHWH-Rede genannt, sondern Josua, der hier für die Verteilung von Asylstädten verantwortlich gemacht wird.26 Die Redeeröffnung in V.1–2 ist zudem für den Pentateuch typisch und ähnelt fast wortwörtlich Num 35,9–10,27 was eine Verbindung von Jos 20 zur priesterlichen Gesetzgebung zu den Asylstädten andeutet. Für diese literarhistorische Verbindung spricht auch die Beobachtung, dass im Buch Deuteronomium die Verbindung wayedabber YHWH ʾæl nur dreimal belegt ist.28 Aus alledem folgt, dass sich diese Idiomatik vor allem in 22 So aber STEUERNAGEL 1900, 231; HOLZINGER 1901, 85, nach denen Jos 19,51b bereits zur Erzählung von der Verteilung der Asylstädte gehöre. Auf diese Weise wird zumindest die Doppelung der beiden Vollendungsnotizen in Jos 19,49.51 beseitigt. Auch MOWINCKEL 1964, 68 betrachtet Jos 19,51b–20,9 als Einheit, die auf einen späten Ergänzer zurückgeht, auch wenn hier Dtn 19 verwirklicht werde. 23 Vgl. WOUDSTRA 1981, 298; EDERER 2017, 281. SÁNCHEZ-MORENO 2012, 46 Anm. 5 geht sogar von einer Bedeutung „befehlen“ aus. 24 Das Idiom DBR + ʾæl steht in Verbindung einer YHWH-Rede an Josua auch noch in Jos 4,8; 5,14. In Jos 21,45; 23,15 wird sogar dieses Idiom mit den Israeliten als Adressaten verwendet. Die Besonderheit dieses Idioms in Jos 20 ist entgegen EDERER 2017, 281 am Gesamtbefund des Josuabuches somit nicht zu erkennen. Auch die Klassifizierung als „untypische Gottesrede“ nach BALLHORN 2011, 301 ist eigentlich nicht angezeigt. Vielleicht muss diese Idiomatik redaktionsgeschichtlich ausgewertet werden. Die Stilisierung von Jos 20 als YHWH-Rede entspreche nach FRITZ 1994, 203 nämlich dem Stil des dtr. Redaktors. 25 Nach KNAUF 2008, 170f. wird hier aufgrund der „Offenbarungsformel“ ein inhaltlicher Zusatz zur Tora des Mose gegeben, wobei aber durch die Vorwegnahme in Num 35 die Singularität des Mose betont wird und alles Folgende zumindest auf der Ebene des Endtextes zu einer Wiederholung, Anwendung und Interpretation der Mose-Tora wird. Nach ACHENBACH 2007, 236 nehmen jedoch die Ausführungstexte der mosaischen Bestimmungen nicht den Rang einer Tora ein. Sie stellen vielmehr die Durchführung der Tora dar. FARBER 2016, 66 Anm. 126 vermutet, dass der Rang Josuas möglichst hoch angesiedelt wird, auch wenn er kein Gesetzgeber vergleichbar mit Mose ist. 26 RÖSEL 2009, 562 vermutet, dass der Umstand, dass Josua und nicht eine Landkommission Adressat der Gottesrede ist, auf einen späten Einschub hinweist, der priesterliche und dtr. Konzeptionen übernimmt. Nach EDERER 2017, 281 nimmt Josua die Funktion eines „Offenbarungsmittlers“ ein, der die YHWH-Rede an die Israeliten weitergeben soll. 27 Vgl. hierzu auch AULD 1976, 281 (mit Belegen); ROFÉ 1985, 137; SPRONK 1994, 162. Zum priesterlichen Stil vgl. auch HOSSFELD 2003, 53. 28 Dtn 2,17; 4,12; 32,48.
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den priesterlich geprägten Passagen von Levitikus und Numeri verstärkt finden lässt. V.2: Die imperativische Redeweise dabber ʾæl benê Yiśrāʾel findet sich nur in Jos 20,2 und im Pentateuch, mit einem Schwerpunkt in den priesterlichen Büchern Levitikus und Numeri.29 Durch die Anrede YHWHs an Josua in Befehlsform wird Josua wie Mose zum Mittler der Gottesrede an die Israeliten.30 Der Ausdruck ʿārê miqlāṭ „Aufnahmestadt“ scheint spät und priesterlich geprägt zu sein, da er fast ausschließlich in Num 35, Jos 20–21 und 1Chr 6 belegt ist.31 Das Idiom ʿārê miqlāṭ verbindet Jos 20 somit ebenfalls mit der Asylgesetzgebung in Num 35.32 Allerdings sind vier unterscheidbare Formulierungen gebräuchlich: ʿārê miqlāṭ (in Num 35,9–15),33 ʿārê hammiqlāṭ (in Num 35; Jos 20 und 1Chr 6),34 ʿîr miqlāṭô (in Num 35,25–32)35 und ʿîr miqlaṭ (in Jos 21).36 In den unterschiedlichen Textbereichen wird somit entweder Plural oder Singular verwendet oder bei der Form ʿîr miqlāṭô mit Hilfe eines enklitischen Personalpronomens auf den flüchtigen Totschläger zurückverwiesen. Bei dem pluralischen Ausdruck ʿārê miqlāṭ wird zudem bei der Ersterwähnung stets ein Artikel gesetzt. Dementsprechend ist es unwahrscheinlich, dass es überhaupt einen festgeprägten Ausdruck für die Asylstadt gegeben hat, da unterscheidbare Wendungen mit den Bestandteilen ʿîr und miqlāṭ belegt sind. Vermutlich leitet sich das Lexem miqlāṭ von einer Wurzel QLṬ-II „aufnehmen“ ab, sodass es sich bei ʿārê miqlāṭ um „Aufnahmeorte“ handelt.37 Die Grundbedeutung von QLṬ-II mag „schließen, einengen, Schritte verkürzen“ 29 Ex 14,2.15; 25,2; 31,13; Lev 1,2; 4,2; 7,23.29; 12,2; 18,2; 23,2.10.24.34; 25,2; 27,2; Num 5,6.12; 6,2; 9,10; 15,2.18.38; 17,17: 19,2; 33,51; 35,10; Jos 20,2. 30 Vgl. HOSSFELD 2003, 54. 31 Vgl. hierzu auch RÖSEL 2011, 325. Nach DELEKAT 1967, 297f. stelle der Begriff ʿārê miqlāṭ „Aufnahmestadt“ keine adäquate Bezeichnung für den in Num 35 beschriebenen Sachverhalt dar; für Asylschutz werde zudem eigentlich die Wurzel ʿṢR verwendet. 32 Vgl. GRAY 1986, 161. Zu weiteren Verbindungslinien zwischen Num 35 und Jos 20 vgl. AULD 1980, 80. 33 Num 35,11.13.14. 34 Num 35,6; Jos 20,2; 1Chr 6,42.52. Nach HARSTAD 2004, 637 ist die Determination in V.2 anaphorisch und bezieht sich auf Num 35, Dtn 4 und Dtn 19. 35 Num 35,25.26.27.28.32. 36 Jos 21,13.21.27.32.38. 37 Vgl. zu dieser Ableitung bzw. Bedeutung FEINBERG 1946, 412; SCHMID 1984, 1132; HILL 1997a, 1088; HOSSFELD 2003, 54; HARSTAD 2004, 637; STASZAK 2006, 289f.; SEEBASS 2007, 432; PERLITT 2013, 379. Ähnlich FRITZ 1994, 203, dem zufolge dieses Wort vom dtr. Redaktor frei gebildet wurde. Weshalb in den priesterlichen Texten aber von einem dtr. Redaktor ein Ausdruck geschaffen sein sollte, ist kaum nachzuvollziehen. TRAULSEN 2004, 57 geht demgegenüber von „Zufluchtsstädten“ aus. Nach ROSS 1973, 139 könnte der Begriff miqlāṭ auch von der späten poetischen Wurzel QṬL „töten“ beeinflusst sein. Vielleicht schwingt die Bedeutung „retten“ bei diesem Verbum mit, vgl. hierzu ROFÉ 1986, 230.
1. Textkritische und sprachliche Beobachtungen
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sein, sodass bei miqlāṭ auch an die Bedeutung „Untersuchungshaft“ gedacht werden könnte.38 In der Rechtssprache hat man ʿārê miqlāṭ offenbar als „Asylorte“ verstanden, wobei sich dieses Asyl ausschließlich auf die unvorsätzliche Tötung bezieht.39 Vulgata gibt miqlāṭ mit fugitivorum wieder und verschiebt auf diese Weise den Fokus von der Zuflucht zu den Flüchtlingen. In Num 35 und Jos 20 werden die Asylstädte „gegeben“, ausgedrückt mit der Allerweltswurzel NTN. Damit ähnelt die Verteilung der Asylstädte der Landgabe, die ebenfalls das Verb NTN verwendet.40 Eine ähnliche Redeweise wird auch noch bei der Vergabe der Asylstädte Hebron und Sichem in Jos 21 verwendet.41 Die singuläre Ausdrucksweise mit Imperativ und Präpositionalverbindung tenû lākæm lässt sich mit „bestimmt für euch“ wiedergeben.42 Im Gegensatz zu den anderen Stellen zu den Asylstädten sollen in Jos 20 die Israeliten selbst Asylstädte für sich bestimmen. Diese Aussage reibt sich auf synchroner Ebene an Dtn 4,41–43, wonach die ostjordanischen Städte bereits von Mose festgesetzt worden sind.43 Mit dem angeschlossenen Relativsatz wird auf ein durch Mose vermitteltes YHWH-Wort verwiesen, das die Verteilung von Asylstädten zuvor befohlen hat. Durch den Relativsatz in V.2 wird angedeutet, dass Jos 20 die frühere Gesetzgebung zu den Asylstädten voraussetzt.44 Auch wenn hier entweder auf Num 35 oder auch Dtn 19 verwiesen sein könnte,45 legt die Sechszahl der 38
Vgl. HADAD 2017, 167 Anm. 26. Ähnlich schon PHILLIPS 1970, 107 Anm. 113. Nach NICOLSKY 1930, 164 seien in priesterlichem Kontext aus den ursprünglichen Zufluchtsstädten (ʿārîm lānûs) Aufnahmestädte (ʿārê miqlāṭ) geworden. Allerdings wäre eine Ableitung von QLṬ-I „scheiden, trennen, abschneiden, sich zusammenziehen“ ebenfalls möglich, vgl. SINGER 1991a, 195. Zu den beiden unterschiedlichen Wurzeln QLṬ vgl. SCHMID 1984, 1132. 39 Vgl. auch SCHMID 1984, 1132. SINGER 1991a, 195 vermutet, dass das Wort miqlāṭ mit „Asyl“ bzw. „Zuflucht des Totschlägers vor dem Bluträcher“ wiederzugeben ist. 40 Num 35,13.14; Jos 20,2.8. Nach ROFÉ 1985, 137 werden die Städte in priesterlicher Idiomatik „gegeben“ (NTN), während ein dtr. Redaktor das Verb „aussondern“ (BDL) bevorzugt. 41 Jos 21,13.21. 42 Vgl. DILLMANN 1886, 569. Ähnlich auch HARSTAD 2004, 637. SÁNCHEZ-MORENO 2012, 48 verweist auf die Dringlichkeit der Anordnung. JENNI 2000, 88 deutet die Verwendungsweise der Präposition l als Lamed dativum, wobei er aber bei seiner Gruppe 3128 nicht unterscheidet, dass sich in V.2 die Gabe selbstreflexiv auf den Geber selbst bezieht. 43 Vgl. zu diesem Problem KNAUF 2008, 172; PERLITT 2013, 379. Nach NIELSEN 1995, 66 wird hier bereits von Mose das vorweggenommen, was in Dtn 19,8–10 erst in Aussicht gestellt wird. 44 Vgl. auch COCCO 2016, 142. BALLHORN 2011, 301 weist zusätzlich darauf hin, dass die an Mose übermittelte Tora offenbar noch weiterer Auslegung bedarf, da im Folgenden eigene Akzente in der Asylgesetzgebung vermittelt werden. 45 Für einen Bezug auf Dtn 19 plädiert MOWINCKEL 1964, 68, der aber ansonsten immer die priesterliche Prägung des zweiten Teils des Josuabuchs herausstellt. Nach KNAPP 1987, 118 weist V.2 ebenfalls auf das dtn Gesetz zurück. Auf einen Bezug zu Dtn 19 vgl.
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Städte und die Idiomatik einen Bezug zu Num 35 nahe.46 Die Redeweise DBR beyad Mošæh findet sich zudem nicht im Buch Deuteronomium, sondern vor allem in priesterlichen Texten.47 Der Relativsatz ist vermutlich eingeschoben worden, um einen expliziten Bezug zur priesterlichen Gesetzgebung herzustellen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass in Num 35,9–11 eine unbestimmte Anzahl von Asylstädten ebenso im Blick sein kann. Erst in Num 35,13 wird schließlich die Sechszahl festgeschrieben.48 Der abschließende Relativsatz ist darüber hinaus mit der Infinitivkonstruktion von V.3 verbunden. Allerdings ist die Syntax DBR + Infinitivsatz mit der Präposition l eigentlich unhebräisch, sodass sich lānûs wohl auf den imperativischen Hauptsatz tenû lākæm in 2b mit der Gabe von Asylstädten beziehen wird. Entweder erklärt der Infinitivsatz als Zweckbestimmung das Verb NTN oder das Objekt ʿārê hammiqlāṭ näher, wie dies schon in Num 35,6 der Fall ist.49 V.3: Vetus Latina und LXX bieten in V.3 einen völlig abweichenden Text. Zunächst wird mit Refugium interfectori qui percussit animam nolens bzw. φυγαδευτήριον τῷ φονευτῇ τῷ πατάξαντι ψυχὴν ἀκουσίως die Anrede an die Israeliten verlassen. Offenbar wird hier parenthetisch und im Singular die Bedeutung eines Asylortes näher erklärt, von dem in V.2 pluralisch die Rede war. Erst danach wird wieder in die Anrede gewechselt. Dementsprechend bieten Vetus Latina und LXX den schwierigeren Text, bei dem vielleicht ein Teil weggefallen ist.50 Der Infinitivausdruck lānûs šāmmāh findet sich abgesehen von Gen 19,20 nur im Zusammenhang der Texte zu den Asylstädte, wobei entweder der rôṣeaḥ (Dtn 19,3) oder der makkeh næpæš (Num 35,15) Subjekt des Fliehens NOTH 1967, 189; VAN SETERS 1983, 335; SCHMIDT 2004, 217; HOSSFELD 2003, 54; STASZAK 2006, 283; SEEBASS 2007, 426; CREACH 2012, 159; OTTO 2012a, 597; PERLITT 2013, 378f.; COCCO 2016, 158. Nach OTTO 2012a, 597f. sei Jos 20,1–9 von Dtn 19 abhängig und später erst von Num 35,9–32 bearbeitet worden. Diese These setzt jedoch voraus, dass Num 35 einheitlich wäre, was angesichts der internen Spannungen innerhalb von Num 35 wenig wahrscheinlich ist. 46 Vgl. STEUERNAGEL 1900, 231. Zu einem Bezug von Jos 20 auf Num 35 vgl. auch ROBINSON 1907, 363; SPRONK 1994, 161; RUWE 2000, 218f.; COLESON 2012, 152f., zumal die in V.2 skizzierte Redesituation an die Kommunikation in Num 35 anschließt. Auch SCHÜNGEL-STRAUMANN 1969, 41 notiert zahlreiche sprachliche Übereinstimmungen zwischen Jos 20 und Num 35. Nach BARMASH 2005, 84 entspricht die Sechszahl priesterlichem Denken, das um die Zahl zwölf, deren Teilern (2, 3, 4, 6) und Vielfachen (48) kreist. Nach BALLHORN 2011, 303 Anm. 688 wurde die Sechszahl zum einen aufgrund der Symmetrie zwischen Ost und West gebildet und zum anderen als Teiler der Zwölfzahl abgeleitet. 47 Ex 9,35; Lev 10,11; Num 17,5; 27,23; 1Kön 8,53.56. 48 Vgl. hierzu BUTLER 2014, 194. 49 Vgl. EHRLICH 1910, 55. 50 Vgl. hierzu ALBERTZ 2007a, 211 Anm. 32.
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ist.51 In V.3 sind beide Termini appositionell miteinander verbunden, wobei nur in V.3 auf das generalisierende Nomen kol vor rôṣeaḥ bzw. makkeh næpæš verzichtet wird, während sich V.9 lediglich auf den makkeh næpæš beschränkt. Der Begriff makkeh næpæš ist zudem nur noch in Num 35 belegt.52 Das Wort rôṣeaḥ für den Totschläger leitet sich von der Wurzel RṢḤ „töten“ ab, die auch im Dekalog verwendet wird.53 Mit RṢḤ wird die absichtliche oder unabsichtliche Tötung von Menschen innerhalb des Verheißungslandes Israel bezeichnet.54 Daher richtet sich dieses Vergehen auch direkt gegen die Gemeinschaft. Darüber hinaus wird das Töten von Personen, bei denen der Täter nicht direkt oder mit eigener physischer Kraft mitgewirkt hat, ebenfalls mit dem Verb RṢḤ beschrieben.55 Ein rôṣeaḥ hat somit absichtlich oder unabsichtlich einen Menschen direkt getötet oder indirekt zu Tode gebracht.56 Fraglich ist, ob diachron eine Differenzierung hinsichtlich der Absichtlichkeit bei der Tötung eingetragen wurde.57 Dies kann hier nicht abschließend geklärt werden. Die doppelte Angabe bišegāgāh und bibelî dāʿat wird von Vetus Latina und LXX nur von einem einfachen nolens bzw. ἀκουσίως wiedergegeben. Vulgata verzichtet ebenfalls auf die Doppelung bišegāgāh und bibelî dāʿat und überträgt die unabsichtliche Tötung lediglich mit dem Adjektiv nescius. Nach V.9 ist nescius, nolens bzw. ἀκουσίως offenbar die Übersetzung von hebrä-
51
Nach HARSTAD 2004, 637 hat dieser Infinitiv potentiellen Charakter, wonach der Totschläger dahin fliehen mag oder kann. 52 Num 35,11.15.30. 53 Nach HOSSFELD 1993, 654 bezeichnet zudem die Wurzel RṢḤ ganz allgemein „gewaltsames, schuldhaftes Töten“. Nach DOMERIS 1997, 1188f. könnte der Begriff RṢḤ zunächst auf die Praxis der Blutrache zurückgehen. Eng gefasst bezeichnet RṢḤ das Nehmen eines Lebens außerhalb der von Gott festgelegten Parameter. 54 COCCO 2016, 61 vermutet, dass dieses Lexem aufgrund seiner Bedeutungsbreite bewusst gewählt wurde, um damit die unterschiedlichen Traditionen miteinander zu verbinden. Ähnlich schon GERTZ 1994, 135, dem zufolge mit kol rôṣeaḥ jeder Täter im Blick ist, der einen Menschen getötet hat, unabhängig von der Frage, ob er vorsätzlich oder unvorsätzlich gehandelt habe. Nach RUWE 2000, 206 hat RṢḤ einen sehr weiten Bedeutungsumfang und kann daher nicht auf die unabsichtliche Tötung enggeführt werden. Anders hingegen PERLITT 2013, 382, dem zufolge sich die Wurzel RṢḤ auf die Tötung eines Menschen als Unfall oder Unglücksfall und damit ohne Absicht bezieht. 55 Vgl. HOSSFELD 1993, 655f. 56 SCHÜNGEL-STRAUMANN 1969, 35f vermutet, dass sich die Wurzel RṢḤ vor allem in Num 35 aufgrund der genannten Begleitumstände auf vorsätzliches oder böswilliges Töten bezieht. Anders hingegen HOSSFELD 2003, 56, dem zufolge rôṣeaḥ ein terminus technicus für den unvorsätzlichen Totschläger sei. 57 Nach HOSSFELD 2003, 70 hat RṢḤ zunächst jegliche Form der Misshandlung von Menschen durch Menschen mit Todesfolge bezeichnet, während die Asylgesetzgebung das Verb RṢḤ zum terminus technicus für den unabsichtlichen Totschläger gemacht hat.
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isch bišegāgāh.58 Somit ist das Idiom bibelî dāʿat von Vulgata, Vetus Latina und LXX ausgelassen worden.59 Es hat somit den Anschein, dass die Formulierung bibelî dāʿat aufgrund von Dtn 4,42 oder Dtn 19,4 nachgetragen worden wäre.60 Dementsprechend wäre bibelî dāʿat ein dtr. Eintrag.61 Möglicherweise ist bibelî dāʿat aber auch aus V.5 herübergeholt worden, während der Grundtext in V.9 nur den Ausdruck bišegāgāh kennt.62 Trotz alledem ist nicht ausgeschlossen, dass Vetus Latina und LXX hier den Doppelausdruck bišegāgāh und bibelî dāʿat mit nur einem Ausdruck wiedergeben wollten.63 Insofern könnten Vetus Latina, Vulgata und LXX bewusst eine Übersetzung von bibelî dāʿat als Tautologie unterlassen haben.64 Die Formulierung bibelî dāʿat ist zumindest eine weitere Verschärfung des Rechts. Denn auf diese Weise wird offenbar bereits fahrlässige Tötung sanktioniert,65 da man um die mögliche Schädigung des Anderen weiß. Der Gesetzgeber, der den Ausdruck bibelî dāʿat verwendet hat, wusste anscheinend vom juristischen Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit.66 Die nähere Qualifizierung der Tötung mit bibelî dāʿat wird darüber hinaus im Deuteronomium bevorzugt,67 während sich der andere Begriff bišegāgāh im Kontext der Asylgesetzgebung außerhalb von Jos 20 nur in Num 35 findet.68 Das Lexem šegāgāh ist von dem Fortbewegungsverb ŠGY abzuleiten,69 bei dem es zunächst um eine unkontrollierte, abirrende Bewegung im Sinne von
58 Anders hingegen SCHMIDT 2002, 107 Anm. 12, dem zufolge LXX für beide Begriffe nur die eine Übersetzung zur Verfügung gehabt habe, zumal bibelî dāʿat in Dtn 19,4 ebenfalls mit ἀκουσίως übertragen wird. Ähnlich ROFÉ 1985, 143 Anm. 24; GERTZ 1994, 154 Anm. 144; BUTLER 2014, 192. 59 Vgl. auch KNOPPERS 2005, 34 Anm. 31. 60 Vgl. schon KNOBEL 1861, 472; HOLLENBERG 1874, 503; DILLMANN 1886, 568; STEUERNAGEL 1900, 231; HOLZINGER 1901, 85; COOKE 1918, 189; CORTESE 1990, 20; TOV 1992, 273; FRITZ 1994, 202; NELSON 1997, 227; TOV 2007, 149; RÖSEL 2011, 325. Anders hingegen WOUDSTRA 1981, 299 Anm. 5, dem zufolge der Ausdruck bibelî dāʿat älter sei. Zu einer Verbindung mit Dtn 19,4 vgl. auch PITKÄNEN 2010, 335. Nach ROFÉ 1985, 137 ist bibelî dāʿat zudem eindeutig dtr., während priesterliche Texte bišegāgāh verwenden. 61 Vgl. STACKERT 2007, 98. 62 Vgl. HOLZINGER 1901, 86. 63 Vgl. ROFÉ 1985, 143 Anm. 24. 64 Vgl. zu dieser Möglichkeit GRAY 1986, 161. 65 Vgl. hierzu auch KNAUF 2008, 171. 66 Vgl. DAVID 1951, 35 Anm. 14. 67 Dtn 4,42; 19,4; Jos 20,3.5. 68 Num 35,11.15; Jos 20,3.9. Nach HARSTAD 2004, 638 ist der zweite Ausdruck eine erklärende Apposition zum ersten Begriff. 69 Vgl. SEIDL 1993, 1059, dem zufolge sich dieses Verb mit lokativen und separativen Syntagmen obligatorisch verbindet. Anders hingegen HILL 1997b, 42, der šegāgāh von der Wurzel ŠGG „einen Fehler begehen, versehentlich sündigen“ ableitet.
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„umherirren“ geht.70 Auf metaphorischer Ebene hat sich das Verb ŠGY schließlich zu einem Affekt- bzw. Ergehensverb im Sinne von „sich versehen, irren, sündigen“ gewandelt. Darüber hinaus gibt es noch die kultische Sonderbedeutung „sich unwissentlich vergehen“.71 Das Wort šegāgāh hat somit die übertragene Bedeutung „Irrtum“ bzw. „unwissentliches, unbeabsichtigtes Versehen“.72 Eine Tat wäre folglich ohne Wissen und Absicht verursacht worden. Das Wort šegāgāh hat jedoch neben der Ignoranz noch den weiteren Bedeutungsbereich der Fahrlässigkeit.73 Bei Fahrlässigkeit weiß man um die Schuldhaftigkeit des eigenen Verhaltens, bei Ignoranz nicht. Trotzdem kommt es in beiden Fällen zum Vergehen und man lädt Schuld auf sich, die irgendwie beglichen werden muss. Die durch die Tötung begangene Schuld bleibt zudem bestehen, auch wenn der unabsichtliche Totschläger durch die Asylstadt vor dem Zugriff des goʾel haddām zunächst geschützt ist.74 Diejenigen Vergehen, die bišegāgāh begangen wurden, laden zwar Schuld auf den Täter; diese kann aber gesühnt werden.75 Dementsprechend ist auch der Aufenthalt des Totschlägers am Asylort als sühnende Strafe bzw. Verbannung zu deuten.76 Im Fall der Fahrlässigkeit handelt es sich darüber hinaus nicht um ein versehentliches Vergehen, sondern um eine fahrlässige verantwortungslose Irrtumssünde.77
70
Vgl. MILGROM 1967, 118; KNIERIM 1976, 870; KIUCHI 1987, 31; STASZAK 2006,
291. 71
Vgl. SEIDL 1993, 1059f. Vgl. KNIERIM 1976 870. 73 Vgl. MILGROM 1967, 118; HOWARD 1998, 382. Nach DAVID 1951, 39 ist dieser Ausdruck der Kultsprache entlehnt, wo es um heilige Abgaben für fahrlässige Vergehen geht. Nach STASZAK 2006, 291 trägt das Lexem šegāgāh die Bedeutungen „Versehen“, „Irrtum“, „Unabsichtlichkeit“, „Fahrlässigkeit“, „Verantwortungslosigkeit“, „Pflichtverletzung“. 74 Vgl. hierzu HOWARD 1998, 382. 75 Vgl. KNIERIM 1976, 872. Da es sich um eine nicht vorsätzliche Tat handelt, ist diese Sünde nach SEIDL 1993, 1061; JANOWSKI 2000, 254f. sühnbar. Unabsichtlich begangene Schuld kann zudem rituell gelöst werden, vgl. auch BUTLER 2014, 202. 76 Zum Aufenthalt in der Asylstadt als Strafe bzw. als Verbannung vgl. WEINFELD 1972, 236f.; MILGROM 1990, 510; RUWE 2000, 214; GREENGUS 2011, 154; HAGEDORN 2015, 299. Nach ROFÉ 1986, 231 haben nur priesterliche Texte die zusätzliche Bedeutung des Asylortes als Verbannung neben der Rettung vor dem „Löser des Blutes“. SEEBASS 2007, 444 weist jedoch darauf hin, dass der Begriff „Strafe“ eigentlich unangemessen ist. Vielmehr musste der Totschläger die Belastung durch seine Schuld tragen, da die Tötung eines Menschen immer unheilvoll ist. JANOWSKI 1982, 40f. Anm. 71 unterstreicht zudem die Schutzfunktion der Asylstadt. 77 Vgl. SEIDL 1993, 1062, der sogar eine gewisse Vorsätzlichkeit nicht ausschließt. SCHMID 1984, 1135 deutet šegāgāh hingegen als „Versehen“ und geht von einer unwissentlichen Gesetzesübertretung aus. Nach COCCO 2016, 65 bedeutet šegāgāh „Unachtsamkeit“, 72
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
Das Bedeutungsspektrum von bišegāgāh ist somit sehr breit angelegt, ohne dass es auf nur eine Bedeutung verengt werden sollte. Der Ausdruck bišegāgāh bezeichnet in priesterlichen Texten zum einen unabsichtliches, zum anderen aber auch leichtfertiges oder fahrlässiges Handeln, wobei Absicht eigentlich nicht vorliegt.78 Durch die Qualifizierung des rôṣeaḥ mit bišegāgāh handelt es sich um die Tötung eines Menschen durch Gewalteinwirkung (makkeh), wobei die Konsequenzen dieser Tat in ihrer tödlichen Folge nicht erkennbar waren. Dementsprechend liegt hier eine versehentliche, irrtümliche Tötung vor.79 Der Hauptsatz in V.3 wird in der Vulgata frei wiedergegeben: et possit evadere iram proximi qui ultor est sanguinis, wobei hier noch auf den Zorn des Bluträchers hingewiesen wird. Außerdem ergänzt Vetus Latina und LXX noch als Subjekt des Satzes ʿārîm.80 Das Wort ʿārîm könnte aufgrund von Haplographie nach lākæm im MT entfallen sein.81 Außerdem ähnelt 3b stark Num 35,12 (wehāyû lākæm hæʿārîm lemiqlāṭ miggoʾel), wo allerdings seinerseits der „Löser des Blutes“ nicht vollständig überliefert ist.82 Der Ausdruck des MT miggoʾel haddām wird zudem von Vetus Latina und LXX nicht berücksichtigt. Vielmehr wird goʾel haddām zum nächsten Satz gezogen, der in MT fehlt, aber fast wortgleich in V.9 auftaucht, wenn in der Vetus Latina in V.3 steht: et non morietur homicida ab eo qui proximus est sanguinis. Die Lesart der Vetus Latina mag auf folgenden hebräischen Text zurückgehen: weloʾ yāmût hāroṣeaḥ beyad goʾel haddām.83 Dementsprechend ist die Lesart die aber ein Bewusstsein von der fehlerhaften Tat bedingt. Ähnlich schon MILGROM 1967, 118: „consciousness of the act itself is always presumed“. 78 Vgl. KNIERIM 1976, 870f.; SEIDL 1993, 1063. Allerdings wird darüber hinaus vermutet, dass der hebräische Begriff šegāgāh eher die unbeabsichtigte Tat selbst und nicht die Abwesenheit von Absicht bezeichnet, vgl. hierzu NOTH 1971, 120. Kritisch hierzu aber DAVID 1951, 31 Anm. 2. Der Ausdruck bišegāgāh wird bisweilen mit „ohne Vorsatz“ übersetzt, vgl. SOGGIN 1982, 197. Nach KEIL 1847, 358 heißt dieser Ausdruck „im Irrthum, in Unwissenheit“. Nach GERTZ 1994, 144 werden mit bišegāgāh versehentlich begangene Handlungen beschrieben, wobei Fahrlässigkeit eingeschlossen ist. 79 Vgl. hierzu auch STASZAK 2006, 293. Ähnlich SEEBASS 2007, 443, der die Übersetzung „unvorsätzlich“ für nicht geeignet hält. Anders SEIDL 1993, 1063, der von einer „fahrlässigen Tötung“ ausgeht. Nach COCCO 2016, 67 ist die so bezeichnete Tötung ein Ergebnis von Unachtsamkeit bei vollem Bewusstsein um die fehlerhafte Tat. Vielleicht werden in V.3 zwei unterschiedliche Aspekte der Tötung gegenübergestellt: Unachtsamkeit und Unabsichtlichkeit, vgl. COCCO 2016, 155. Hier kommt man aber über Vermutungen nicht mehr hinaus. 80 Vgl. HOLZINGER 1901, 85; NELSON 1997, 227; BUTLER 2014, 192. 81 Vgl. BOLING 1982, 472. Anders hingegen SCHMIDT 2002, 106, wonach LXX am Anfang von 3b durch die Einfügung von ʿārîm an Num 35,12 angleichen wollte. 82 Nach STACKERT 2007, 100 hat erst der Interpolator, der für V.4–5 verantwortlich ist, 3b getilgt, da 3b nicht zu seiner Vorstellung der Asylie gepasst habe. 83 Gegen NELSON 1997, 227. Zu den Unterschieden von Jos 20,3-LXX und Num 35,12 vgl. auch BUTLER 2014, 192.
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von Vetus Latina und LXX nicht eine exakte Übernahme von Num 35,11b– 12, da dort der „Löser des Blutes“ fehlt. Im Zusatz von Vetus Latina und LXX wird wohl eher V.9 bereits vorweggenommen. Die Person des goʾel haddām lässt sich nur schwer bestimmen.84 Entweder handelt es sich um einen nahen, meist den nächststehenden männlichen Verwandten des Opfers85 oder um einen vom Ältestenrat bestimmten Beauftragten, der die Hinrichtung des Totschlägers vollziehen muss.86 Zumindest die Ergänzung haddām ist erklärungsbedürftig, da ansonsten bereits der nächste Verwandte mit dem Lexem goʾel bezeichnet wird. Demnach scheint es sich bei dem goʾel haddām um einen speziellen „Löser“ zu handeln,87 der nicht notwendigerweise mit einem normalen goʾel gleichgesetzt werden muss. Auf alle Fälle scheint der goʾel haddām über außerordentliche Stärke und Fitness verfügt zu haben, da er imstande ist, den Flüchtigen vielleicht noch vor Erreichen der rettenden Asylstadt zu erwischen und zu töten.88 Ob man diese wichtige und schwierige Aufgabe dem allernächsten Blutsverwandten anvertraut hat, ist somit fraglich. Das heißt allerdings nicht, dass es sich um einen öffentlich eingesetzten Strafvollzugsbeamten handeln muss. Dementsprechend wird der goʾel haddām vermutlich mit einem Verwandten des Opfers gleichzusetzen sein, der die Aufgabe am besten und effektivsten erfüllen konnte.
84 Nach RUWE 2000, 190 Anm. 2 scheint der Begriff goʾel haddām erst im Buch Deuteronomium gebildet worden zu sein. 85 Vgl. LLOYD 1886, 322; DRIVER 1960, 7; STAMM 1971, 387; MILLER/TUCKER 1974, 155; MCKEATING 1975, 55; GRAY 1986, 161; MILGROM 1990, 291; HUBBARD 1991, 4f.; BRAULIK 1992, 141; SCHARBERT 1992, 136; OLSON 1996, 190; TIGAY 1996, 181; HILL 1997a, 1089; HUBBARD 1997, 791; NELSON 1997, 228; WILLIS 2001, 110; HARSTAD 2004, 638f.; SCHMIDT 2004, 218; HAWK 2006, 678; HUBBARD 2009, 451; MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 80; GREENGUS 2011, 152; COLESON 2012, 153; CREACH 2012, 159; LAHA 2012, 194; BUTLER 2014, 202f.; LAUGHLIN 2015, 200; COCCO 2016, 71; MATTHEWS 2016, 146; EDERER 2017, 282. Nach RINGGREN 1973, 886; SINGER 1991b, 311 ist zunächst der Sohn des Ermordeten, dann sind aber auch andere männliche Verwandte im Blick. LEVINE 2009, 554 geht ebenfalls von einem Sippenmitglied aus. Nach AULD 1984, 105 ist zudem die Grundbedeutung von goʾel „kinsman“. 86 Vgl. hierzu SULZBERGER 1915, 55f.; PHILLIPS 1970, 102–104; PHILLIPS 1973, 129f.; PHILLIPS 1977, 111; MILGROM 1990, 291. Dagegen aber OTTO 1999, 257 Anm. 256; SEEBASS 2007, 442. Auch OTTO 2016, 1532 deutet den goʾel haddām nicht nur als „Strafvollzugsbeamten“. Vgl. zu beiden Alternativen WOUDSTRA 1981, 299 Anm. 6. Kritisch hierzu allerdings BUTLER 2014, 203, der auf die historische Entwicklung des Asylrechts hinweist. 87 Nach BRAULIK 1992, 141 handelt es sich bei goʾel haddām um einen Beschützer des Blutes, der das Blut beansprucht. ROSE 1994, 138 überträgt hier „Einlöser/Rückkäufer des Bluts“, der die durch die Tötung gestörte Integrität der Sippe wiederherstellt. 88 Vgl. hierzu PHILLIPS 1977, 111. Nach WILLIS 2001, 138 Anm. 106 ist derjenige Verwandte der geschädigten Familie im Blick, der am stärksten und mutigsten ist.
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Die Aufgabe des goʾel haddām ist es, durch die Tötung des Mörders Gerechtigkeit wiederherzustellen.89 Zwei Begründungsstrukturen werden für die Notwendigkeit der Hinrichtung des Täters durch den goʾel haddām bemüht, wobei die erste vor allem den religiösen Aspekt des Blutes stark macht, während die zweite familienrechtliche Gründe anführt: 1)
Der goʾel haddām sucht das Blut des Getöteten beim Mörder bzw. Totschläger, an dem es haftet, und holt es in die Gemeinschaft zurück,90 da das Blut des Getöteten offenbar noch ein gewisses geheimes Leben hat.91 Die Wurzel GʾL bezieht sich somit auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen idealen Zustandes.92 Das Blut der eigenen Sippe wird folglich durch den goʾel haddām aus fremder Botmäßigkeit erlöst und damit für die Sippe zurückgeholt. Offenbar verunreinigt das fremde Blut nicht nur den Totschläger, sondern es haftet so stark am Totschläger, sodass es sich nur durch dessen Tod von ihm lösen und in die Sippengemeinschaft zurückkehren kann.93 Durch die Hinrichtung des Täters wird somit die beschädigte Ganzheit und das gestörte Gleichgewicht innerhalb der Sippe wiederhergestellt.94 Vor diesem Hintergrund wäre demnach der in diesem Zusammenhang oft verwendete Begriff „Blutrache“ missverständlich, da vom „Löser des Blutes“ nicht Rache und Vergeltung verübt wird, sondern die Sühne des vergossenen Blutes. Es geht folglich nicht um die Behebung des Schadens der von der Tötung dezimierten Familie, sondern um die „Erlösung“ des vergossenen Blutes.95
89 Vgl. HAWK 2000, 221. Nach FRITZ 1994, 204 hatte der „Löser des Blutes“ das Recht und die Pflicht, jederzeit und sofort am Schuldigen Vergeltung zu üben. AULD 1984, 105 weist darauf hin, dass der Ausdruck goʾel weniger die Aktion, sondern eher den Beziehungsaspekt betont. 90 Vgl. KOCH 1962, 409f. 91 Vgl. STAMM 1971, 386f. GREENGUS 2011, 152 weist darauf hin, dass das Blut des Erschlagenen wie in Gen 4,10 nach Vergeltung schreit. Ähnlich noch Ij 16,18. 92 Vgl. STAMM 1971, 384–387; SPERLING 2008, 763. 93 Vgl. KOCH 1962, 410. DIETRICH 2008, 72 vermutet darüber hinaus noch „Vorstellungen von der Bedrohung des Lebensglücks durch rachehungrige Totengeister“. 94 Vgl. hierzu DRIVER 1960, 7; RINGGREN 1973, 886; HUBBARD 1997, 971. Nach CREACH 2012, 159 führt Blutvergießen sogar zu einem Ungleichgewicht in der Schöpfung. MILGROM 1990, 292 weist darauf hin, dass das Blut des Totschlägers das vergossene Blut neutralisiert und dadurch ein Gleichgewicht hergestellt wird. 95 Vgl. zum Problem RUWE 2000, 190; LEVINE 2009, 554. Nach IMRAY 2019, 523f. tritt der „Löser des Blutes“ für das Interesse der getöteten Person ein. Nach STAUBLI 1996, 344 wird zudem nur der Schuldige, nicht ein anderes Familienmitglied, zur Sühne des von ihm vergossenen Blutes umgebracht, was die biblische Konzeption von außerbiblischen Vorstellungen unterscheidet. VON RAD 1968, 91 weist darauf hin, dass die „Blutrache“ von sich aus absolut funktioniert, da der Familienverband zur Ahndung des Verbrechens aufgerufen ist.
1. Textkritische und sprachliche Beobachtungen
2)
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Die Hinrichtung des Totschlägers bzw. Mörders ist darüber hinaus vor dem altorientalischen Hintergrund gefordert, da durch den Mord eines Familienmitglieds das organische Kollektiv der Familie nachhaltig gestört worden ist. Somit ist die ganze Familie von diesem Vergehen betroffen. Um den Verlust der Familie und damit verbunden Ganzheit wiederherzustellen, muss der Mörder ebenfalls umgebracht werden.96 Diese Vorgabe wird in den noachidischen Geboten in Gen 9,6 ebenfalls gefordert und im Rahmen der Blutrache nicht von einem übergeordneten Gremium, sondern von den Betroffenen selbst vollzogen.97 Nach diesem Grundsatz war es ausgeschlossen, dass der Wert des Lebens durch eine Ersatzgabe aufgewogen werden konnte.98 Durch die Hinrichtung des Totschlägers wird somit die Verunreinigung des Landes zum Wohl der Sippe und der Allgemeinheit behoben. Selbst wenn der Totschläger Zuflucht in der Asylstadt gefunden hat, ist die Blutrache nur ausgesetzt, aber noch nicht erloschen.99
Der goʾel haddām hat zudem einen legalen Status in der Gesellschaft. Er wird ausgesandt, um den Mörder bzw. Totschläger zu töten. Privatvergeltung ist jedoch verboten.100 Dementsprechend wird durch dieses rechtlich festgelegte Verfahren Selbstjustiz vorgebeugt und Gerechtigkeit geschaffen.101 Ob der vorsätzliche Totschläger allerdings durch den „Löser des Blutes“ oder die „Gemeinde“ bestraft wird, ist jedoch fraglich.102 Dies hängt auch damit zusammen, ob sich die Formel môt yûmāt immer auf eine öffentliche Hinrichtung des Schuldigen bezieht.103 Möglicherweise vollzieht der „Löser des Blutes“ die Hinrichtung, was von der „Gemeinde“ überwacht wurde.104
96 Vgl. zu dieser Konzeption HUBBARD 2009, 461f. Ähnlich schon COOKE 1918, 190. Dementsprechend geht es um die Wiederherstellung der Integrität der Familie, die der goʾel sicherstellen muss, vgl. MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 80. 97 Vgl. HERTZBERG 1985, 115. Zumindest vor diesem Hintergrund ist die Blutrache mehr als nur eine „gesellschaftliche Realität“, wie dies EDERER 2017, 282 behauptet. 98 Vgl. auch GREENBERG 1959, 129. 99 Vgl. FRITZ 1994, 204. 100 Vgl. HOWARD 1998, 384f. 101 Vgl. hierzu auch HOUTMAN 1996, 355. 102 Für die zweite Option entscheiden sich LÖHR 1930, 35; MORGENSTERN 1930, 57. Ähnlich EDERER 2017, 286f., der insgesamt davon ausgeht, dass mit dem Rechtsinstitut der Asylstadt die Blutrache und Privatjustiz eingedämmt und Rechtsstaatlichkeit durchgesetzt werden soll. KNAUF 2008, 171 geht aufgrund von V.5 und Num 35,21 davon aus, dass die Vollstreckung Sache des „Lösers des Blutes“ war. Ähnlich auch PHILLIPS 1970, 104; MCKEATING 1975, 55, HOUTMAN 1996, 354; HIEKE 2004, 353f.; SPERLING 2008, 763. 103 Zum Problem vgl. DELEKAT 1967, 290 Anm. 4. 104 Vgl. PHILLIPS 1970, 104. Zur Hinrichtung des Schuldigen durch den goʾel haddām vgl. auch PHILLIPS 1973, 130; OTTO 2016, 1640.
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
V.4: Die Textform der Vulgata in V.4 bietet eine etwas freiere Übersetzung des MT, wobei anstelle von debārāyw noch auf Belege für die Unschuld des Flüchtigen hingewiesen wird (ea quae se conprobent innocentem). Darüber hinaus werden in der Vulgata die nächsten Sätze in V.4 um den Zielort hāʿîrāh und die beiden Präpositionalverbindungen ʾalêhæm und ʿimmām gekürzt, was allerdings den Sinn nicht wesentlich verändert. Von LXXA, die im Gegensatz zu LXXB einen Langtext belegt, ist zudem offenbar hāʿedāh anstelle von hāʿîrāh gelesen worden,105 was ausweislich der Ähnlichkeit der beiden hebräischen Konsonanten d und r leicht zu erklären ist. Auf diese Weise wird bereits in V.4 die „Gemeinde“ aus V.6 vorweggenommen.106 Dies könnte eine Angleichung der beiden widersprüchlichen Passagen sein. In V.4–6 hat Vetus Latina die Lesart et non morietur homicida ab eo qui proximus est sanguinis.107 Danach folgt bereits der erste ʿad-Infinitivsatz von V.6 donec constituatur ante synagogum in iudicium.108 Einen ähnlichen Kurztext bietet auch LXX. Der gegenüber MT wesentlich kürzere Text von Vetus Latina und LXX könnte darauf hinweisen, dass die Langversion von MT in V.4–6 sekundär hinzugefügt worden ist.109 Das Plus des MT wird unterschiedlich gedeutet: 1)
Möglicherweise wollte man durch diese Zusätze in MT Jos 20 an Num 35 angleichen. Auf diese Weise wird zum einen das langzeitige Verbleiben in der Asylstadt und zum anderen der Tod des Hohepriesters ergänzt, was zuvor noch nicht zur Asylgesetzgebung gehört haben könnte.110 Allerdings wird demgegenüber immer wieder vermutet, dass der Langtext von MT eine Angleichung an Dtn 19 sein könnte.111 Bisweilen wird
2)
105
Vgl. HOLZINGER 1901, 85. Vgl. BOLING 1982, 472. 107 Nach V.9 ist der Ausdruck proximus sanguinis die Wiedergabe von goʾel haddām. 108 Ambrosius bietet noch eine andere Lesart: quia usque ad illud tempus erit in ciuitate refugii homicida ille, donec moriatur sacerdos magnus, vgl. ROBERT 1900, 94. 109 Vgl. AULD 2005, 202; BERMAN 2015, 111; MATTISON 2018a, 243f. Für WELLHAUSEN 1963, 132 zeigt diese Lücke in LXX an, dass diese Verse erst relativ spät hinzugefügt worden sind, auch wenn sie dtr. Sprache verwenden. STEUERNAGEL 1900, 231 vermutet, dass durch diesen Abschnitt ein Ausgleich zu Dtn 19 geschaffen werden sollte. Zur kürzeren Version von LXX als ursprünglicher Tradition vgl. KUENEN 1886, 131; BENNETT 1895, 31; SMEND 1912, 313; HOLMES 1914, 71; COOKE 1918, 188; EISSFELDT 1922, 241*f.; FISHBANE 1980, 445f.; ROFÉ 1985, 141–143; CORTESE 1990, 80; TOV 1992, 272f.; SPRONK 1994, 162; KOOIJ 1997, 189; HAWK 2006, 678f.; ALBERTZ 2007a, 210; TOV 2007, 147; RÖSEL 2011, 324; KRAUSE 2014, 35f.; MATTISON 2018a, 243f.; MATTISON 2018b, 164. 110 Vgl. MATTISON 2018a, 244; MATTISON 2018b, 164. 111 Vgl. TOV 1992, 273. Schon ROBINSON 1907, 362 vermutet, dass bibelî dāʿat in V.3 und V.4–6 ohne „bis zu seinem Stehen vor der Gemeinde zur Urteilsfindung“ sekundär ergänzt worden seien. Ähnlich argumentiert schon HOLLENBERG 1874, 503f., der aller106
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sogar vermutet, dass V.4–5 ursprünglich zwischen Dtn 19,6 und Dtn 19,10 standen und erst von einem Redaktor nach Jos 20 versetzt worden seien.112 Meistens wird vermutet, dass der priesterlich geprägte Text in Jos 20, wie ihn der Kurztext der LXX belegt, ursprünglich gewesen sei. Erst sekundär sei dieser Kurztext mit dtr. Ergänzungen aufgefüllt worden,113 wobei ein spannungsreicher Text geschaffen wurde. Denn auf diese Weise wird im Gegensatz zur Version der LXX ein doppeltes Gerichtsverfahren im Tor und vor der Kultgemeinde erzeugt, das zueinander in Spannung steht.114 Für den Kurztext der LXX spricht die Ähnlichkeit von V.2–3 mit Num 35,11–12, wobei in der Version des Josuabuches der Infinitivsatz erst in V.6 nachgereicht wird.115 Außerdem wird der Infinitivsatz im zusammenfassenden V.9 als Kolophon ebenfalls wiederholt, der vermutlich zur ursprünglichen priesterlichen Version gehört. Der LXX-Übersetzer hätte zudem lediglich auf den ersten ʿadInfinitivsatz verzichten müssen, damit bei einer sekundären Kürzung ein logischer Zusammenhang entsteht. Insofern stellt sich mit Recht die Frage, weshalb der lange Abschnitt in V.4–6 herausgekürzt wurde.116 Demnach könnte es wahrscheinlicher sein, dass ein Kurztext sekundär ergänzt worden ist. Allerdings kann der Langtext des MT nicht nur auf dtr. Zusätze zu einem priesterlichen Grundtext zurückgeführt werden.117 Insofern ist die oft behauptete Priorität des priesterlichen Kurztextes nicht über jeden Zweifel erhaben.118 Nur wenn man das Plus des MT auf einen nachpriesterlichen und nachdtr. Redaktor zurückführt, für den die Unterscheidung zwischen beiden Ausdrucksweisen nicht mehr galt, könnte man an der Kurzform als ursprünglichem Text festhalten. Der Kurztext wäre dann in sehr später Zeit erweitert worden, wobei diese Ergänzungen nicht in alle Manuskripte übernommen worden sind.119 Allerdings gibt es noch weitere Probleme, die es zweifelhaft erscheinen lassen, dass der Kurztext der LXX die ursprünglichere Textform repräsendings nur auf die Parallelen zu Num 35 und Dtn hinweist und auf diese Weise die dtr. Zusätze abheben kann. 112 Vgl. MORGENSTERN 1930, 204f. Anm. 259a. 113 Vgl. BARMASH 2005, 92; RÖSEL 2011, 324f. Allerdings weist schon KUENEN 1886, 131 darauf hin, dass diese Redaktion erst nach Abschluss des Josuabuches eingesetzt haben könne, da diese Ergänzung offenbar in der hebräischen Vorlage von LXX fehlt. 114 Vgl. TOV 1992, 273; TOV 2007, 149f. 115 Vgl. FISHBANE 1980, 446. 116 Vgl. ROFÉ 1985, 142. 117 Vgl. schon DILLMANN 1886, 568. 118 Nach NICOLSKY 1930, 152 Anm. 2 lassen sich die Textformen von MT und LXX kaum in ein diachrones Abhängigkeitsverhältnis einbinden. 119 Vgl. hierzu KOOIJ 1997, 189f.
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
tiert, aus der sich dann der Langtext des MT organisch entwickelt haben könnte: 1)
Es ist nämlich fraglich, weshalb ein späterer Ergänzer den Infinitivsatz von V.3 abgetrennt und an seine jetzige Stelle in V.6 versetzt hat, wodurch ein harter Übergang zwischen V.3 und V.4 mit implizitem Wechsel des Subjekts entstand.120 Darüber muss schlüssig erklärt werden, weshalb ein Ergänzer sekundär V.4 eingetragen haben soll und auf diese Weise eine Spannung zum Infinitivsatz in V.6 erzeugt hat. Denn in V.4 entsteht der Eindruck eines längerfristigen Aufenthaltes in der Asylstadt. Außerdem ist umstritten, wie die Überschüsse in LXX zu deuten sind und weshalb MT hier gekürzt haben soll, wenn ansonsten der Kurztext von LXX als ursprünglich betrachtet wird. Für die Auslassung von ʿārîm (αἱ πόλεις) und vom futurischen Verbalsatz in V.3 weloʾ yāmût hāroṣeaḥ baggoʾel haddām (καὶ οὐκ ἀποθανεῖται ὁ φονευτὴςὑπὸ τοῦ ἀγχιστεύοντος τὸ αἷμα) gibt es keine einleuchtende Erklärung.121 Schließlich ist kaum nachvollziehbar, wie sich MT aus LXX logisch entwickeln konnte. Während in LXX nach dem Verbot der Tötung des Totschlägers durch den goʾel haddām die Fristbestimmung mit der Gerichtsverhandlung vor der Gemeinde folgt, wird in MT mit der Entscheidung durch die Ältesten in V.4 offenbar ein weiteres zusätzliches Gerichtsverfahren ergänzt.
2)
3)
4)
Oft wird daher daran gedacht, dass der längere MT gekürzt worden sei, um diesen unausgeglichenen Text näher an Num 35,9–15 anzugleichen. Dann wäre alles, was nicht in Num 35 zu finden wäre (Abschnitt zur Rechtsprechung durch „Älteste“ in V.4–5), herausgestrichen worden. Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb der Hinweis auf den Tod des Hohepriesters in V.6 ebenfalls gestrichen wurde, obschon diese Information auch in Num 35 steht. Vielleicht ist dieses Motiv in V.6 erst sehr spät eingetragen worden, als LXX bereits den vorliegenden hebräischen Text gekürzt hat. Außerdem wurde der Ausdruck bibelî dāʿat von LXX in V.3 gestrichen, da diese Näherbestimmung in V.5 stand und nicht zum Konzept von Num 35 passt. Die Zusätze der LXX in V.3 sind zudem Angleichungen an Num 35,12. Der erste Satz in 6a weyāšab bāʿîr hahîʾ ist zum einen überflüssig und zum anderen fest mit der Konzeption aus V.4–5 verbunden. Aus diesen Gründen konnte darauf ebenfalls verzichtet werden. Die Sätze ab dem zweiten ʿad-Infinitivsatz in 6aβb sind hingegen nach der LXX-Kürzung sekundär hinzugewachsen. Somit könnte der älteste Text in V.1–6aα vorliegen, wobei schließlich LXX oder deren hebräische Vorlage die mit Dtn 19 zusammenhängenden Spannungen 120 121
Vgl. zu diesem Problem SCHMIDT 2002, 106; STASZAK 2006, 282. Vgl. hierzu auch STASZAK 2006, 282.
1. Textkritische und sprachliche Beobachtungen
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beseitigt habe.122 Dementsprechend wäre es auch möglich, dass der Kurztext von LXX eine sekundäre Angleichung an Num 35 ist, indem man alle Angaben gestrichen hat, die in Num 35 fehlen.123 Vielleicht wurde die Version der LXX bewusst als Ausführungsbericht zu Num 35,9–15 konzipiert, sodass man auf die widersprüchlichen Dinge verzichtet hat. Alles in allem hat LXX somit den Text von Num 35,12 mit geringen Varianten übernommen.124 Das textkritische Argument der lectio difficilior könnte ebenfalls darauf hindeuten, dass MT als der schwierigere und daher ursprünglichere Text gedeutet würde.125 Trotz dieser einleuchtenden Entstehungsgeschichte stellt sich aber zu Recht die Frage, weshalb der Endredaktor seinerseits einen derart spannungsreichen Text geschaffen und nicht die Spannungen bereits ausgeglichen haben sollte. Aus alledem folgt: Eine adäquate Beurteilung von V.3–6 reicht weit über die reine textkritische Analyse hinaus. Hier überlappen Text- und Literarkritik, da in den Versionen mitunter auch Vorformen des Endtextes enthalten sein können. Diese Problematik muss folglich an anderer Stelle wiederum aufgegriffen und in ein konsistentes diachrones Bild übergeführt werden. Nach diesen textkritischen Bemerkungen sollen die einzelnen Idiome näher dargestellt werden. In 4a wird die Redeweise aus Dtn 4,42 und Dtn 19,11 aufgegriffen (wenās ʾæl ʾaḥat), wobei in 4a aber die Langform des Demonstrativpronomens verwendet wird.126 In Dtn 4,42 wird zudem wie in 4a eine Präpositionalverbindung mit min hinter dem Kardinalwort im status constructus angeschlossen, dann aber noch die Zielbestimmung „damit er lebe“ (wāhāy) ergänzt. Dementsprechend sind die Differenzen zwischen den drei Stellen eigentlich größer als die Gemeinsamkeiten. Von direkten Abhängigkeiten zwischen Dtn 4,42, Dtn 19,11 und Jos 20,4 kann folglich nicht ausgegangen werden. 122
Vgl. zu dieser textkritischen Entstehungsgeschichte von Jos 20,1–6 MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY 2013, 54–56. Zum Problem vgl. auch MÄKIPELTO 2018, 32f. 123 Vgl. SCHMIDT 2002, 106f. Ähnlich schon GERTZ 1994, 154 Anm. 144. SVENSSON 1994, 83 vermutet, dass die Streichung des Abschnitts mit dem Hohepriester auf die Situation der LXX-Übersetzer in Ägypten zurückgehen könnte, zumal der Hohepriester von Jerusalem nicht unumstritten gewesen ist und es ein Konkurrenzheiligtum im ägyptischen Leontopolis gegeben hat. Dementsprechend hätte man den Text in einer spirituellen Weise gelesen. 124 Vgl. COCCO 2016, 152. Vgl. schon OETTLI 1893, 191, der allerdings darauf hinweist, dass die text- und literarkritische Deutung des Befundes durchaus nicht einfach ist. Entweder wurden V.4–6 nachträglich eingefügt oder LXX hat seit jeher lückenhaft überliefert oder diese Verse seien bewusst von LXX ausgelassen und durch Num 35,12 ersetzt worden. 125 Vgl. auch COCCO 2016, 149. 126 Außerdem wird die Ergänzung hæʿārîm hāʾellæh unterschiedlich angeschlossen: mit einer Präpositionalverbindung mit min (Dtn 4,42; Jos 20,4) oder im Rahmen einer Constructusverbindung als nomen rectum (Dtn 19,11).
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
Lediglich der Anfang von V.4 hat somit eine gewisse Nähe zu Dtn 4 und Dtn 19.127 Die Formulierungen ʾSP, NTN māqôm und YŠB + ʿim sind hingegen nur hier im Zusammenhang der Asylgesetzgebung belegt. Höchstens zu anderen Gesetzen innerhalb des Buches Deuteronomium gibt es gewisse Anklänge.128 In V.4 wird in Ergänzung zu den anderen Stellen der Asylstädte die Verfahrensweise genannt, wie sich der Totschläger und die Ältesten der Asylstadt verhalten sollen.129 Fraglich ist, was man unter dem Begriff debārāyw „seine Angelegenheit“ zu verstehen hat. Auf alle Fälle wird der Totschläger den Ältesten im Torbereich seinen Fall kurz geschildert haben, wonach er offenbar schutzwürdig sei. Vielleicht reichte es aber schon, die Bitte um Aufnahme im Rahmen des Asylrechts auszusprechen.130 Durch die Entscheidungsgewalt der Ältesten im Torbereich wurde offenbar das Asylrecht profanisiert.131 Die „Ältesten der Stadt“ sind zudem ein Rechtsgremium, das im Pentateuch nur im Buch Deuteronomium belegt ist.132 Interessanterweise werden die „Ältesten“ im Josuabuch ansonsten kaum als eigenes Gremium genannt.133 Hinzu kommt, dass dieser Begriff im priesterlich geprägten Abschnitt Jos 13–22 durchweg fehlt. Lediglich am Schluss des Josuabuches taucht diese Gruppierung wiederum auf.134 Nach Auffassung des Buches Deuteronomium treten hingegen die „Ältesten“ immer wieder als rechtsprechendes Organ vor allem bei Kapitaldelikten auf.135 Auffälligerweise weicht die Rolle der „Ältesten“ in V.4–5 von der in Dtn 19 entwickel127
Der Ausdruck NTN māqôm findet sich aber noch in Jos 1,3. Vgl. ansonsten Ri 20,36; 1Sam 9,22; 27,5; 1Chr 21,22. 128 Vgl. ROFÉ 1985, 137f., der ʾSP mit Dtn 22,2 (Verantwortlichkeit für Fundsachen), SGR und YŠB + ʿim mit Dtn 23,16–17 (Sklavengesetzgebung) verbindet. 129 Vgl. WOUDSTRA 1981, 299f. 130 Vgl. MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 80. Nach RUWE 2000, 220 geht es hier um die Formalisierung der Aufnahme in die Asylstadt, während das eigentliche Gerichtsverfahren vor der „Gemeinde“ betrieben wird. 131 Vgl. FRITZ 1994, 203. Nach BUCHHOLZ 1988, 73 sind die Stadtältesten eine städtische Gruppe von Funktionsträgern, die in bestimmten Fällen hinsichtlich des Asylrechts ordnend eingreifen. TIGAY 1996, 182 weist darauf hin, dass die „Ältesten“ vor allem bei Familienangelegenheiten eintreten. 132 Dtn 19,12; 21,3.4.6.19.20; 22,15.17.18; 25,8; Jos 20,4. Sonst nur noch in Ri 8,16; 1Sam 16,4; Esr 10,14. Nach GERTZ 1994, 140 obliegt die Gerichtsbarkeit allerdings den örtlichen Richtern, während die Ältesten ihre Stadt lediglich nach außen hin repräsentiert haben. 133 Jos 7,6; 8,10.33; 9,11; 20,4; 23,2; 24,1.31. Vgl. zu dieser Beobachtung auch BUTLER 2014, 203. Nach SCHÜNGEL-STRAUMANN 1969, 33 sind die „Ältesten“ die „rechtsfähigen Männer einer Gemeinschaft“, die sich um sakrales Recht und Sippenrecht am Toreingang kümmern. Ähnlich NICOLSKY 1930, 157, dem zufolge die „Ältesten“ dann auftreten, wenn es um Sakral- oder Sippenrecht geht. 134 Vgl. BOLING 1982, 474. 135 Dtn 19,12; 21,2.19; 22,15; 25,7, vgl. hierzu COOKE 1918, 190.
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ten Konzeption ab, da nach V.4 die Ältesten der Asylstadt erst nach einer Überprüfung des Falls den Totschläger in der Asylstadt Zuflucht gewähren, während in Dtn 19 die Ältesten der Heimatstadt den Fall untersuchen.136 Die Angabe der „Ältesten“ in V.4 könnte ein sekundärer Ausgleich sein, zumal nach V.4 die in Dtn 19 genannten „Ältesten“ der Heimatstadt offenbar die Rolle der „Gemeinde“ aus V.6 übernommen haben.137 Somit hat nicht die „Gemeinde“, sondern in V.4 das Gremium der „Ältesten“ der Asylstadt wie schon in Dtn 19 die Entscheidungsbefugnis, mit dem Unterschied aber, dass es nun die „Ältesten“ der Asylstadt sind. Nach V.4 wird der Toreingang als Ort des Rechtsverfahrens genannt,138 sodass bei der hier entwickelten Vorstellung offenbar nicht mehr das Heiligtum oder der Altar im Blick ist. LXXA gibt den Ausdruck pætaḥ šaʿar mit θύρα wieder.139 Die Verlagerung des Verfahrens an den Toreingang könnte möglicherweise auf eine Säkularisierung eines ursprünglich sakralen Verfahrens hinweisen.140 Durch die Verlagerung der Prüfung des Vorfalls am Toreingang zeigt sich darüber hinaus ein urbaner Kontext, da nun die Ältesten der Stadt über den Fall entscheiden.141 Im Endtext ist jedoch das Gespräch am Toreingang nur ein vorläufiges Verfahren, zumal die eigentliche Verhandlung erst später nach V.6 durch die Gemeinde folgen wird.142 Vielleicht wird von den Ältesten am Toreingang in einer Voruntersuchung lediglich der Fall geprüft und anschließend der Stadtgemeinschaft zur Entscheidung vorgelegt.143 Allerdings wird schon in V.5 das Ergebnis der ersten Untersuchung durch die Ältesten festgestellt, nämlich dass der Totschläger unwissentlich und ohne Hass einen Menschen erschla136 Vgl. OTTO 2016, 1537. Anders ACHENBACH 2003, 600, der eine Harmonisierung mit Dtn 19,12 vermutet. 137 Vgl. DAVID 1951, 46f. Nach BOVATI 1994, 57f. entscheiden die Ältesten der Asylstadt über den Fall des unabsichtlichen Totschlägers. 138 Vgl. Dtn 16,18; 17,8; 21,19; 22,15; 25,7. BRAULIK 1991, 63 Anm. 5 verweist noch auf Dtn 17,5, wo der Torbereich als Gerichtsort bestimmt werde. Allerdings ist dort von einem Gericht am Tor nicht die Rede. Nach KEIL 1847, 359 ist der Torbereich, das Forum bzw. der öffentliche Gerichtsplatz der Stadt. Nach KNAUF 2008, 171 habe es keinen anderen öffentlichen Versammlungsraum gegeben, wo die Selbstverwaltungsorgane sich versammeln konnten. 139 Vgl. HOLZINGER 1901, 85. 140 Vgl. hierzu auch GRAY 1986, 162. 141 Vgl. BUTLER 2014, 199. 142 Vgl. HARSTAD 2004, 636f.; STACKERT 2007, 105f.; HUBBARD 2009, 462. Kritisch hierzu aber schon DAVID 1951, 32; GERTZ 1994, 151 Anm. 135. Nach WELTEN 1992, 226 handelt es sich um ein „beschleunigtes Asylverfahren“ durch die Rechtsprechung der Ältesten im Torbereich. 143 Vgl. BUTLER 2014, 204. Nach WAGNER 2002, 562 haben die Ältesten hier nur notarielle und exekutive Funktion, nicht aber die der Rechtsprechung, da sie lediglich die Erklärung des Asylbewerbers entgegennehmen und seinen Aufenthalt in der Asylstadt bestimmen.
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gen hat.144 Dementsprechend wäre das Verfahren eigentlich schon im Torbereich entschieden gewesen, sodass die Rechtsgemeinde nicht mehr mit diesem Fall hätte betraut werden müssen. Fraglich ist, was mit māqôm „Ort, Platz“ gemeint ist, der dem Flüchtenden zugewiesen wird (NTN). Auch in Ex 21,13 wird der Fluchtort des Totschlägers als māqôm bezeichnet.145 Obschon in Ex 21,13 im Singular formuliert wird, ist nicht ausgeschlossen, dass es mehrere Orte geben kann, zu denen man seine Zuflucht nehmen kann.146 Allerdings stellen in V.4 die Ältesten diesen Ort zur Verfügung, während in Ex 21,13 der Ort durch Gott festgelegt wird.147 Dies könnte auch der Grund sein, weshalb in Ex 21,13–14 zwischen māqôm und mizbeaḥ sprachlich differenziert werden muss. Denn Gott wählt nie einen Altar aus, sondern lediglich einen Ort, an dem dann ein Heiligtum mit Altar entstehen kann.148 Insofern muss nicht räumlich zwischen māqôm und mizbeaḥ unterschieden werden. Vielmehr kann der Ort selbst das Heiligtum mit dem Altar oder die Stadt, wo sich der Altar befindet, bezeichnen.149 Vielleicht ist in V.4 mit māqôm ein „heiliger Platz“ gemeint, da das Asyl in der Regel mit Heiligtümer verbunden wird.150 Zumindest in Ex 20,24 scheint māqôm nicht ein neutraler Ort, sondern eine Kultstätte zu sein.151 Vielleicht geht die Heiligkeit des Kultortes auf den umgebenden Ort ebenfalls über, sodass die Stadt insgesamt dem Flüchtigen als heiliger Bereich des Asyls dienen kann.
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Vgl. DAVID 1951, 32. Vgl. zum Problem BOLING 1982, 474. Nach LEVINE 2009, 567 kann māqôm entweder synonym zu „Stadt“ oder „Kultstätte“ verwendet werden. 146 Vgl. HOUTMAN 1996, 349. Dieser māqôm muss zudem nicht notwendigerweise der Altar des Heiligtums sein, da der Totschläger nach Ex 21,14 vom Altar weggezogen wird, vgl. GREENBERG 1959, 125. Nach ROFÉ 1986, 220 dienen „Altar“ und „Ort“ gleichermaßen und gleichzeitig als Orte der Zuflucht. 147 EDERER 2017, 283 vermutet hier verschiedene Ebenen des „Ort-Gebens“. Während Gott die Asylorte und die Regeln dazu festsetzt, seien die Ältesten für die konkrete Umsetzung zuständig. Nach VAN SETERS 2003, 107 ist mit diesem Ort Jerusalem gemeint. 148 Vgl. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER 1990, 40f. Zu dieser Differenzierung zwischen māqôm und mizbeaḥ vgl. auch Ex 20,24. 149 Vgl. DIETRICH 2016, 42. Nach DIETRICH 2008, 65 ist der Ort eine geheiligte Stätte. Ähnlich SCHMIDT 2004, 218, der an das lokale Heiligtum denkt. IMRAY 2019, 514 identifiziert māqôm mit mizbeaḥ. Ähnlich HAGEDORN 2015, 297. Anders hingegen WILLIS 2001, 120, dem zufolge ein Altar lediglich eine Alternative zu anderen Orten des Asyls sei. 150 Nach NICOLSKY 1930, 148 ist mit māqôm ein geweihter Ort verbunden. Zu einer Verbindung von māqôm mit einem Heiligtum vgl. DELEKAT 1970, 299; OTTO 1999, 254; RUWE 2000, 197f. WEINFELD 1972, 236 Anm. 3 überträgt māqôm analog arab. maqām mit „sanctuary“. 151 Vgl. STACKERT 2006, 25–29; STACKERT 2007, 107. Ähnlich auch DE VAUX 1960, 259; HOUTMAN 1996, 349. Allerdings muss es sich nicht notwendigerweise um einen Tempel handeln, da ein Altar bereits einen heiligen Ort markiert, vgl. SEEBASS 2007, 432f. 145
1. Textkritische und sprachliche Beobachtungen
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Allerdings könnte in V.4 mit dem Idiom NTN māqôm auch gemeint sein, dass die Versorgung des Geflüchteten von der Bevölkerung der Asylstadt irgendwie sichergestellt werden musste.152 Ob der Totschläger – ähnlich wie die Leviten – in der Asylstadt versorgt wird, ist jedoch nicht gesichert. Vielleicht bezeichnet māqôm hier nicht nur den physikalischen Ort, sondern auch einen sozialen Status, da der Totschläger nun in ein Netz von sozialen Beziehungen gestellt wird und eine gewisse Immunität besitzt.153 Dementsprechend wäre der Aufenthalt in der Asylstadt keine Untersuchungshaft, die zwischen der Voruntersuchung im Torbereich nach V.4 und der Hauptverhandlung nach V.6 anzusetzen wäre.154 Vielleicht wird durch die Redeweise NTN māqôm und durch die Gegenüberstellung mit der Verortung des versehentlichen Totschlägers in „seiner Stadt“ in V.6 betont, dass der Totschläger aus dem normalen Leben seiner Stadt herausgenommen wurde und ihm für die Dauer des Asyls ein spezifischer und genau definierter Ort gegeben wird.155 V.5: Der Ausdruck RDP ʾaḥar in Verbindung mit dem „Löser des Blutes“ könnte vielleicht mit Dtn 19,6 zusammenhängen, wobei dort aber der Totschläger explizit genannt wird. In diesem Vers wird darüber hinaus beschrieben, wie der in V.4 genannte „Ort“ des Flüchtigen in der Asylstadt näher bestimmt wird. Denn den Ältesten wird ausdrücklich untersagt, den Flüchtigen an den „Löser des Bluts“ auszuliefern, zumal er ohne Vorsatz und ohne Hass einen Menschen getötet hat. In V.5 wird noch das verschärfende Motiv des Hasses eingeführt. Denn wer einen anderen Menschen zuvor gehasst hat, hat zumindest ein Motiv und kann den Vorwurf des Vorsatzes kaum noch von sich weisen.156 Der Satz in 5bβ, der darauf verweist, dass der mutmaßliche Täter ohne Hass getötet hat, stammt zudem wortwörtlich – abgesehen von einer Ersetzung der Konjunktion kî durch w – aus Dtn 19,6,157 während in den beiden mittleren Sätze abgesehen von dem Ausdruck bibelî dāʿat keine direkten Anleihen aus anderen Bibelstellen nachzuweisen sind. Lediglich in Dtn 4,42 wird das Töten von reʿehû bibelî dāʿat ebenfalls ausgedrückt. Allerdings wird dort das Verb RṢḤ anstelle von dem in V.5 gesetzten NKY verwendet.
152 Vgl. MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 80. Vgl. hierzu auch KNAUF 2008, 171, der zudem auf das Problem der Versorgung der Familie des Flüchtigen in dessen Heimatstadt hinweist. Nach NICOLSKY 1930, 172 ist der Titel Asylstadt somit eher eine Bürde (Blutschuld, Unterhalt) und kein Privileg für die Bewohner dieses Ortes. 153 Vgl. MALUL 1996, 210. 154 Vgl. auch DIETRICH 2008, 75. 155 Vgl. hierzu EDERER 2017, 283. 156 Vgl. KNAUF 2008, 171. 157 Dieser Satz findet sich darüber hinaus fast wortgleich noch in Dtn 4,42, wobei hier aber das Demonstrativpronomen hûʾ in der Satzstellung vorgezogen wurde.
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
Aus alledem folgt, dass in V.5 vor allem Idiomatik aus der dtn Asylgesetzgebung verwendet wird, wie dieses in Dtn 19 belegt ist. Es hat somit den Anschein, dass hier in diesem zunächst priesterlich geprägten Text Bestimmungen des Deuteronomiums ebenfalls berücksichtigt werden sollten. V.6: Der Beginn von V.6 mit einer weqatal-Form von YŠB passt neben formalen Parallelen in priesterlichen Texten auch inhaltlich zur priesterlichen Vorstellung, dem zufolge der Flüchtige in der Asylstadt eine längere Zeit wohnen muss.158 In Num 35,25 wird der Aufenthalt in der Asylstadt ebenfalls mit YŠB + b ausgedrückt. Die beiden Infinitivsätze mit ʿad sind auffällig. Zumindest der erste Infinitivsatz würde besser hinter 5a passen, worauf auch die ähnliche Aussage in V.9 hinweist.159 Die hier genannten Fristen für den Verbleib des Totschlägers (Gerichtsverfahren und Tod des Hohepriesters) in der Asylstadt werden auch in Num 35,12.25.28 genannt, sodass hier beide Infinitivsätze möglicherweise als Alternative zu verstehen wären.160 Allerdings wäre es auch möglich, dass beide Voraussetzungen gegeben sein müssen.161 Erst dann wäre es für den unabsichtlichen Totschläger möglich, in seinen Heimatort zurückzukehren.162 Auf alle Fälle sind beide Terminbestimmungen nebeneinandergestellt, auch wenn sie sich eigentlich ausschließen.163 Hinzu kommt, dass bereits in V.5 festgestellt worden ist, dass der Totschläger nicht des Mordes schuldig ist. Dementsprechend erübrigt sich ein weiteres Gerichtsverfahren.164 Auf der 158
ROFÉ 1985, 138 weist auf Num 35,25.28 hin. Vgl. EHRLICH 1910, 56. Nach FRITZ 1994, 206 ist die erste Fristangabe sachlich überflüssig und aufgrund von V.9 hier eingedrungen. Zum Problem der beiden Fristbestimmungen auch GERTZ 1994, 151f. 160 Vgl. HERTZBERG 1985, 114, der ein „bzw.“ einführt. Ähnlich auch STEUERNAGEL 1900, 231, der ein „oder“ eingetragen hat; SPENCER 1992b, 658. Aufgrund dieser Fristbestimmungen geht NICOLSKY 1930, 167 von einer befristeten Verbannung aus. Nach TIGAY 1996, 180f. bleibt der Totschläger nach Dtn 19,6 solange in der Asylstadt, bis der Zorn des „Lösers des Blutes“ verflogen ist. ROSE 1994, 143f. weist darauf hin, dass hier aber der emotionale, nicht der rechtliche Aspekt der Blutrache im Blick ist. 161 Vgl. DE VAUX 1960, 260, nach dem offenbar beide Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Ähnlich HARSTAD 2004, 647. Nach FISHBANE 1980, 445 wäre es auch möglich, dass beim Tod des Hohepriesters erneut über den Fall des vermeintlichen Totschlägers entschieden werden müsse. 162 Vgl. hierzu PITKÄNEN 2010, 337. 163 Nach HOLZINGER 1901, 86 stoßen beide Termine grammatikalisch und sachlich hart zusammen, was wohl nahelegt, dass es hier zu einer Erweiterung des ursprünglichen LXXTextes gekommen ist, zumal eine gerichtliche Verhandlung in V.6 zu spät kommt. Nach SCHÜNGEL-STRAUMANN 1969, 40 ist die Einfügung möglichst vieler Elemente aus anderen Texten für diese Unebenheit verantwortlich. 164 Vgl. schon DILLMANN 1886, 569, der noch einen nicht ausgedrückten Mittelgedanken zwischen beiden Infinitivsätzen vermutet. Nach KNOBEL 1871, 472 werde der Schuldige nach dem Gericht vor der Gemeinde dem Löser des Blutes übergeben, oder er muss in die Asylstadt zurückgehen. 159
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Ebene des Endtextes scheint es aber zwei Gerichtsverfahren gegeben zu haben: eine Voruntersuchung durch die Ältesten im Torbereich und ein reguläres Verfahren.165 Nach dem ordentlichen Verfahren bekommt der Flüchtige schließlich einen rechtlich gesicherten Status in der Asylstadt, wenn er des Mordes nicht für schuldig befunden wurde. Dort muss er sich offenbar bis zum Tod des Hohepriesters aufhalten. Die „Gemeinde“ hat somit zu entscheiden, ob bei der Tötung Vorsätzlichkeit oder Unvorsätzlichkeit vorlag.166 Was allerdings passiert, wenn die Schuld des Flüchtigen festgestellt wird, wird in Jos 20 nicht ausgeführt. Es scheint zumindest, dass dem Schuldigen der Aufenthaltsstatus in der Asylstadt verwehrt werden kann.167 Der erste Infinitivsatz ʿad ʿåmdô lifnê hāʿedāh lammišpāṭ steht wortwörtlich in Num 35,12 und ist fast identisch mit V.9, wobei dort die Präpositionalverbindung lammišpāṭ vielleicht ausgefallen ist. In V.6 wird somit zunächst ein Verfahren vor der ʿedāh „Gemeinde“ gefordert.168 Wie dieses Rechtsverfahren ablaufen soll, wird jedoch nicht näher ausgeführt.169 Außerdem ist fraglich, wo dieses Gericht stattfinden soll, in der Stadt des Vergehens oder in der Asylstadt. Darüber hinaus ist über die ʿedāh als Rechtsinstitut nichts bekannt.170 Bei der ʿedāh kann es sich eigentlich kaum um die Gesamtheit Israels handeln,171 da ein Rechtsverfahren mit der Beteiligung von ganz Israel nicht möglich ist. Dementsprechend könnte man vielleicht an die Stadtversammlung denken.172
165 Vgl. EDERER 2017, 284. Nach KEIL 1847, 361 wird das reguläre Verfahren an dem Ort geführt, wo es zur Tötung kam, da dort der Sachverhalt am besten aufgeklärt werden kann. WILLIS 2001, 127 handelt es sich im ersten Fall lediglich um „a formal petition for asylum by the fugitive“. 166 Vgl. HOSSFELD 2003, 54. 167 Vgl. NICOLSKY 1930, 156f. 168 BUTLER 2014, 199 weist allerdings darauf hin, dass die beiden Gremien der Ältesten und der „Gemeinde“ irgendwie in Beziehung zueinander gebracht werden müssen, und vermutet daher, dass es sich bei den Ältesten um die führenden Beamten der „Gemeinde“ handeln könnte. Nach MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 80 besteht die „Gemeinde“ aus den Ältesten und Leviten der Asylstadt sowie Repräsentanten des Heimatortes des Totschlägers und des Opfers. Zu dem Kollektivnomen ʿedāh, das meist pluralisch konstruiert wird, vgl. zudem YOUNG 2001, 70–75. 169 Vgl. zu diesem Problem COOKE 1918, 191. 170 Nach SCHÜNGEL-STRAUMANN 1969, 31 ist dieser Begriff in der Priesterschrift lediglich „theologische Spekulation“. 171 Dementsprechend vermutet LEVINE 2009, 555 eher eine Versammlung, die die gesamte Gemeinde Israel repräsentiert. Anders hingegen STASZAK 2006, 291f., der in ʿedāh die gesamte nationale Versammlung vermutet, die als richtende Instanz eintritt. 172 Vgl. BUTLER 2014, 203. Auch BARMASH 2005, 89 denkt bei ʿedāh an „a small local court, not a central assembly“.
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Das Nomen ʿedāh leitet sich von der Wurzel YʿD „bestimmen“ ab.173 Es bezeichnet zunächst die allgemeine Versammlung, dann aber auch die Volks-, Rechts- und Kultgemeinde und findet sich vor allem in priesterlichen Texten.174 Fraglich ist jedoch, ob ʿedāh ein Begriff aus der nachexilischen Zeit ist, da in späten Texten der Alternativbegriff qāhāl ebenfalls eingesetzt wird. Es hat demgegenüber nämlich den Anschein, dass der technische Begriff ʿedāh schon viel früher geprägt wurde.175 Vielleicht handelte es sich bei ʿedāh zunächst um eine allgemeine Versammlung aller freien erwachsenen Männer, die Entscheidungen für ganz Israel treffen konnten. Diese ʿedāh hätte vor allem juristische Funktion gehabt.176 Demnach könnte mit ʿedāh ursprünglich nicht das Idealbild von Gesamtisrael gemeint sein, sondern eine Organisationsform, die unter der Versammlung von Gesamtisrael anzusetzen wäre, aber trotzdem Gesamtisrael verkörpern würde. Dementsprechend könnte es sich bei ʿedāh um eine lokale Versammlung vielleicht der Väterhäuser und ihrer Vorstände handeln.177 Der zweite Infinitivsatz ʿad môt hakkohen haggādôl ist ebenfalls aus Num 35 entlehnt,178 während der angeschlossene Relativsatz aus dem Buch Deuteronomium stammt.179 Erst nach dem Tod des „Hohepriesters“ dürfe der Flüchtige in seine Heimatstadt zurückkehren, wo er den Bluträcher nicht mehr fürchten muss. Fraglich ist, wie sich diese beiden Infinitivsätze zueinander und im umgebenden Kontext verhalten. Der Infinitivsatz ʿad môt hakkohen haggādôl schließt zumindest gut an den weqatal-Satz an, der über den Aufenthalt des Totschlägers in der Asylstadt informiert. Dies würde auch der Formulierung
173 Vgl. CARPENTER 1997, 326; COCCO 2016, 76. CARPENTER 1997, 327 weist darauf hin, dass ausweislich der Etymologie der Begriff ʿedāh eine Versammlung zu einem bestimmten Zweck meint. 174 Vgl. LEVY/MILGROM 1986, 1080f.; CARPENTER 1997, 326f. Nach FREVEL 2020c, 275 handelt es sich um die „um das zentrale Heiligtum versammelte Kultgemeinde“. 175 Vgl. LEVY/MILGROM 1986, 1082; MILGROM 1989, 66–76; OTTOSSON 1991, 137; COCCO 2016, 76f. 176 Vgl. LEVY/MILGROM 1986, 1083f. Zur ʿedāh als Gerichtsgemeinde vgl. auch NIEHR 1987, 106–109. Nach WILLIS 2001, 126 repräsentiert ʿedāh zudem nicht die lokale Gemeinde, sondern ganz Israel. 177 Vgl. GERTZ 1994, 145f. Nach NIEHR 1987, 106 handelt es sich bei ʿedāh um die „Gesamtheit der Väterhäuser“. Zum Begriff der „Väterhäuser“ vgl. WEINBERG 1973, 412– 414, der aber keine explizite Verbindung zur ʿedāh herstellt. Nach NOTH 1966, 220 ist die Urteilsfindung durch die Gesamtgemeinde Israels unrealistisch, sodass eher die Ältesten gemäß V.4–5 über das Recht auf Asyl entschieden haben. 178 Num 35,25.28.32. Zu einer Verbindung von V.6 mit Num 35,25 vgl. STACKERT 2007, 101. 179 Dtn 17,9; 26,3. Im Plural noch Dtn 19,17. Vgl. auch STACKERT 2007, 99.
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in Num 35,25 entsprechen (weyāšab bāh ʿad môt hakkohen haggādôl).180 Vielleicht ist die erste Fristbestimmung sekundär eingefügt worden, da ohne den ersten Infinitivsatz ein problemloser Anschluss an V.4–5 möglich wäre.181 Zumindest passt der erste Infinitivsatz nicht zum umgebenden dtr. geprägten Kontext. Eine andere Möglichkeit wäre es, den ersten Infinitivsatz vor den Satz mit YŠB zu ziehen, wodurch ebenfalls ein logischer Satzzusammenhang entstehen würde.182 Immer wieder wird aber auch der zweite Infinitivsatz als sekundäre Erweiterung gesehen. Die Bezeichnung hakkohen haggādôl „Hoherpriester“ ist nämlich im Hexateuch nur in priesterlichen Texten belegt, die in späte Zeit verweisen und offenbar das theokratische nachexilische System im Blick haben.183 Hinzu kommt, dass in V.6 nur die erste Fristbestimmung in V.9 aufgegriffen wird, was nahelegen könnte, dass der zweite Infinitivsatz auf redaktionelle Fortschreibung zurückgeht. Demgegenüber wäre nach V.9 eigentlich der vernünftigeren älteren Verfahrensweise zu folgen,184 die der erste Infinitivsatz vorgibt. Aus alledem folgt, dass das diachrone Verhältnis der beiden Fristbestimmungen bei einer literarhistorischen Verortung von Jos 20 unbedingt geklärt werden muss, wobei sich für beide Varianten gute Argumente finden lassen. Die zweite Fristbestimmung, die den Tod des Hohepriesters als Endpunkt des Verbleibens des unvorsätzlichen Totschlägers in der Asylstadt markiert, ist zudem schwierig zu deuten:185 1)
Der Hohepriester könnte der lokale Oberpriester der Stadt sein, in der die Tötung stattfand und nicht der nachexilische Hohepriester von ganz Israel.186 Dieser örtliche Hohepriester und das Gebiet, in dem die unvorsätzliche Tötung stattfand, wären aufgrund dieses Verbrechens durch die fortgesetzte Anwesenheit des Täters verunreinigt gewesen, weshalb der
180 In Num 35,25 wird noch auf eine Salbung hingewiesen, die STRAWN 2019, 277f. auf den geflüchteten Totschläger bezieht. 181 Vgl. zu dieser Möglichkeit FISHBANE 1980, 445. 182 Vgl. STACKERT 2007, 102. 183 Num 35,25.28; Lev 21,10; Jos 20,6. Nach DOMMERSHAUSEN 1984, 75 handelt es sich um eine Rückprojektion bzw. Redaktion, wenn vorexilischen Priestern der Titel hakkohen haggādôl zugesprochen wird. Zu einer nachexilischen Datierung aufgrund der Erwähnung des Hohepriesters vgl. auch ROSS 1973, 137. Kritisch zu einer nachexilischen Verortung des Hohepriesters aber OTTOSSON 1991, 135–137; SVENSSON 1994, 94. 184 Vgl. KNAUF 2008, 172. 185 Früher wurde der Tod des Hohepriesters gerne in typologischer Weise gedeutet. Kritisch hierzu aber DRIVER 1960, 13–17. 186 Vgl. LÖHR 1930, 38; WEINFELD 1972, 236f. Anm. 7, die hier an den Oberpriester der jeweiligen Asylstadt denken. Nach DOMMERSHAUSEN 1984, 74 hieß das Oberhaupt der Priester in vorexilischer Zeit jedoch lediglich hakkohen oder kohen hāroʾš. Weshalb hier der späte Begriff hakkohen haggādôl verwendet wurde, müsste erst noch geklärt werden.
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Täter in Verbannung gehen musste. Sobald jedoch der lokale Oberpriester stirbt, kann der Totschläger ihn nicht mehr rituell beschmutzen. Aus diesem Grund darf er wieder zurückkehren. Allerdings lässt sich nirgendwo näher belegen, dass sich der geprägte Begriff hakkohen haggādôl auf einen örtlichen Oberpriester beziehen kann. Selbst wenn das der Fall sein sollte, würde die rituelle Beschmutzung in ähnlicher Form den Oberpriester der Asylstadt beschädigen. Außerdem würde der Totschläger bei seiner Rückkehr sein Heimatland ebenfalls verunreinigen, zumal zuvor kein Reinigungsritual vollzogen wurde.187 Da die Asylstädte auch Levitenstädte waren, ging ein unvorsätzlicher Totschläger, als ihm in einer Zufluchtsstadt Asyl gewährt wurde, eine besondere Beziehung mit dem Stamm Levi, von dem er Schutz und Gastfreundschaft erhielt, und auch mit dem Hohepriester ein, der der höchste Repräsentant der Leviten war. Der Tod des amtierenden Hohepriesters könnte somit das Band zwischen dem Totschläger und der levitischen Asylstadt zerschnitten haben.188 Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb der Tod des Hohepriesters die Vergeltung durch den „Löser des Blutes“ auflösen sollte, zumal der Totschläger immer dann legal getötet werden durfte, wenn er sich von der Asylstadt entfernt hat und sich von den Leviten trennte. Durch den Tod des Hohepriesters könnte höchstens die Verbindung zu den Leviten gelöst werden, aber die Blutschuld ist damit eigentlich noch nicht abgegolten.189 Der Tod des Hohepriesters könnte ein symbolisches Zeichen sein, mit dem die Zeitspanne des Aufenthalts des versehentlichen Totschlägers in der Asylstadt angegeben wird. Die längere Isolation des Täters, die durch den Tod des Hohepriesters abgeschlossen wird, sei zudem für das Sühneritual notwendig. Erst nach Opferriten könne dann der Totschläger in die Gemeinschaft zurückkehren.190 Allerdings gibt es keinen biblischen Beleg für Sühnerituale im Fall der versehentlichen Tötung. In Num 35,33 wird sogar die Sühnung für vergossenes Blut jedweder Art kategorisch ausgeschlossen.191 Der Tod des Hohepriesters könnte aber auch sühnende Funktion gehabt haben.192 Vielleicht hat der Tod des Hohepriesters das Land von dem
187 Vgl. zu dieser These WESTBROOK 1988, 81f. Kritisch hierzu aber WHITEKETTLE 2018, 347. 188 Vgl. VAN OEVEREN 1968, 169f. 189 Vgl. zur Kritik WHITEKETTLE 2018, 350. 190 Vgl. zu dieser Konzeption MATTHEWS 2016, 146. 191 Nach GREENGUS 2011, 158 weist Num 35,31–34 darauf hin, dass eine finanzielle Entschädigung bei Kapitaldelikten nicht möglich ist. 192 Vgl. schon KEIL 1847, 361; KOCH 1962, 412; SCHÜNGEL-STRAUMANN 1969, 34; PHILLIPS 1970, 108; PHILLIPS 1977, 119 Anm. 54; PETERSEN 1980, 141; MILGROM 1990, 294; HOSSFELD 1993, 661; HESS 1996, 306; OLSON 1996, 190; STAUBLI 1996, 345; HO-
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Blut gereinigt, das darauf verschüttet wurde. Möglicherweise war das Siedlungsgebiet durch die Tötung eines Menschen entweiht worden, sodass vor allem der amtierende Hohepriester als der wichtigste sakrale Repräsentant durch diese Entweihung belastet wurde.193 Da nur Blut für Blutvergießen sühnen kann, kann der Tod des Hohepriesters als Ersatz für die unbeabsichtigte Tötung dienen, auf diese Weise das Land von Blutschuld säubern und die Rückkehr des Täters ermöglichen.194 Denn nur durch den Tod des Täters oder des Hohepriesters könnte das vergossene Blut des Opfers effektiv gesühnt werden.195 Dieser Deutung liegt die Vorstellung zugrunde, dass die unabsichtliche Schuld nur durch den Tod einer anderen Person getilgt werden könne.196 Allerdings hat der natürliche Tod eines Menschen keine sühnende Funktion, selbst wenn dieser Tod als vorzeitig betrachtet wird. Dann hätte auch der vorzeitige Tod des unabsichtlichen Totschlägers sühnenden Charakter haben können. Zur Sühnung wären zudem andere Mittel zur Verfügung gestanden, die in Dtn 21,1–9 beschrieben werden.197 Hinzu kommt, dass eine stellvertretende Sühne nach Num 35,33 eigentlich ausgeschlossen ist.198 Außerdem ist der Begriff der stellvertretenden Sühne durch den Hohepriester im Alten Testament ansonsten nicht belegt.199 Die Notwendigkeit von Sühne setzt zudem die Schuld des Totschlägers voraus, wobei hier aber kein Vorsatz vorliegt.200 Vielleicht führte der Tod des amtierenden Hohepriesters zu einer Amnestie für den versehentlichen Totschläger.201 Gegen diese Deutung sind
1998, 385f.; TRAULSEN 2004, 61; HAWK 2006, 678; SPERLING 2008, 763; HUB2009, 453; MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 81; PITKÄNEN 2010, 337; MATTISON 2018a, 246. Kritisch zu dieser Position DRIVER 1960, 9–13; WHITEKETTLE 2018, 335–341. 193 Vgl. SEEBASS 2007, 445. 194 Vgl. hierzu HADAD 2017, 170. 195 Vgl. HOUTMAN 1996, 357. 196 Vgl. GREENBERG 1959, 129f.; MILLER/TUCKER 1974, 156. 197 Vgl. DELEKAT 1967, 301. Kritisch zu einer sühnenden Funktion des Todes des Hohepriesters auch SCHMIDT 2002, 112 Anm. 27, zumal der Tod des Hohepriesters nur einen bestimmten Zeitabschnitt abschließt. 198 Vgl. MATTISON 2018a, 246, dem zufolge der Tod des Hohepriesters eine besondere Form der Sühne sein könnte. Nach ACHENBACH 2003, 599 ist jedoch eine Auslösung der Blutschuld durch Sühngeld nicht möglich, da das Land vom vergossenen Blut nicht entsühnt werden kann. Vgl. hierzu auch JANOWSKI 1982, 40–43. 199 Vgl. zum Problem SEEBASS 2007, 445. 200 Vgl. hierzu VASHOLZ 1993, 116. 201 Vgl. zu einer Amnestie des Totschlägers COOKE 1918, 191; DE VAUX 1960, 261; NOTH 1966, 221; NOTH 1971, 127; BOLING 1982, 474; SCHMID 1984, 1136; HERTZBERG 1985, 115; SINGER 1991a, 196; SPENCER 1992b, 658; VASHOLZ 1993, 118; GERTZ 1994, 149 Anm. 130; SPRONK 1994, 162; RUWE 2000, 214; HIEKE 2004, 353; HUBBARD 2009, 453; CREACH 2012, 160; SÁNCHEZ-MORENO 2012, 57 Anm. 30. Kritisch hierzu aber WHITEKETTLE 2018, 345–347. Nach FREVEL 2020c, 275 gibt es zwar die Analogie zur WARD BARD
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aber erhebliche Bedenken einzuwenden. Denn in der Regel wird nicht beim Tod des Herrschers, sondern beim Regierungsantritt eines neuen Herrschers eine Amnestie gewährt.202 Außerdem ist eine Tötung eine schwere Verfehlung, die nicht mit einer Amnestie wiedergutgemacht werden kann.203 Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie der Tod des Hohepriesters die eigentliche Furcht des Totschlägers vor der Blutrache durch den „Löser des Blutes“ beseitigen sollte. Auch wenn das öffentliche Interesse an einer Bestrafung nach Ablauf der Frist vielleicht erloschen war, konnte es dennoch zu einem privat motivierten Vollzug der Blutrache kommen.204 Dies hätte dann aber als Mord gewertet werden müssen. Zumindest ist mit dem Tod des Hohepriesters in nachexilischer Zeit eine gewisse Epocheneinteilung verbunden, vergleichbar mit dem Thronwechsel in vorexilischer Zeit.205 Dementsprechend könnte mit dem Tod des Hohepriesters auch die Bestrafung enden, da nun eine neue Zeitspanne beginnt.206 Mit dem Tod des Hohepriesters beginnt offenbar die Reintegration des unabsichtlichen Totschlägers, die für die Gesellschaft und den Totschläger akzeptabel ist. Denn nun dürfe der Totschläger nach Num 35,28 seinen Grundbesitz wieder übernehmen.207 Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass lediglich ein administrativer Übergang im Hohepriesteramt den Wunsch nach Sühne bei der von der Tötung betroffenen Familie getilgt hat. Außerdem ist nirgendwo in den Gesetzestexten der Asylstädte belegt, dass Tötung durch andere Maßnahmen als der Hinrichtung des Schuldigen gesühnt werden könnte. Darüber hinaus wäre die Dauer des Asyls rein zufällig festgelegt. In anderen Fällen hat man die Zahl sieben, die für Vollständigkeit steht, herangezogen, um die Freilassung zu begründen. Dementsprechend hätte man auch im Fall des Totschlägers eine Zeitspanne von sieben Jahren, dem Sabbatjahr oder dem Jobeljahr ansetzen können.208 Möglicherweise ist aber auch daran zu denken, dass der Totschläger in ein Abhängigkeitsverhältnis zur Priesterschaft geriet, was durch den Tod
Amnestie beim Amtsantritt eines Königs. Allerdings steht hier vor allem die Konzeption im Hintergrund, dass der Hohepriester als Garant der Rechtsordnung und der lebensbewahrenden Gerechtigkeit steht. 202 Vgl. auch TRAULSEN 2004, 59. 203 Kritisch schon GREENBERG 1959, 127. 204 Vgl. hierzu DELEKAT 1967, 302. 205 Vgl. auch STASZAK 2006, 296. Ähnlich schon DRIVER 1960, 18–20; JENSON 1997, 601. Nach ACHENBACH 2007, 237 wird redaktionell im Josuabuch die Geschichte Israels in Perioden der Regentschaft des Hohepriesters unterteilt. 206 Kritisch hierzu aber WHITEKETTLE 2018, 341–345. 207 Vgl. RUWE 2000, 216. 208 Vgl. hierzu WHITEKETTLE 2018, 344.
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des Hohepriesters aufgelöst wurde. Denn nun war er nicht mehr der Knecht des Hohepriesters, da sich der neue Hohepriester eine andere Gefolgschaft aussuchen konnte.209 Diese Deutung setzt jedoch voraus, dass es in jeder Asylstadt jeweils einen eigenen Hohepriester gegeben hat. Die Fristbestimmung mit dem Tod des Hohepriesters ist jedoch für die Asylstädte unpraktisch, da ihnen ein weiteres zu versorgendes Bevölkerungselement auf längere Zeit zugeführt wurde. Darüber hinaus ist die längere Internierung auch für den unabsichtlichen Totschläger und seine Familie ein schwerwiegendes Problem.210 Ein rasches Verfahren mit einem schnellen Urteilsspruch, wie es V.4 vorschlägt, wäre wesentlich zielführender gewesen. Vielleicht galt die Garantie des Asylschutzes zunächst nur bis zum Tod des amtierenden Hohepriesters. Danach hätte man sich erneut um Asyl bewerben müssen.211 Neuerdings wird vermutet, dass der Tod des Hohepriesters die Zeitspanne vorgibt, bis zu der das Opfer der versehentliche Tötung vielleicht noch gelebt hätte.212 Ein unvorsätzlicher Totschläger wird deshalb in der Asylstadt eingesperrt, damit die Familie des Totschlägers einen ähnlichen Verlust erleidet wie die von der Tötung betroffene Familie, da ein Familienmitglied entfernt wird und seine Arbeitskraft nicht einbringen kann. Da aber auch das Opfer irgendwann eines natürlichen Todes gestorben wäre, wird die Dauer dieses Ausgleichs auf die Zeitspanne der Regentschaft des Hohepriesters beschränkt. Der Tod des Hohepriesters wird dann mit dem eigentlich zu erwartenden Tod des Opfers gleichgesetzt. Aus diesem Grund wäre der unvorsätzliche Totschläger beim Tod des Hohepriesters aus der Haft entlassen worden, da dann das Ungleichgewicht beseitigt wäre. Die Schädigung der von der Tötung betroffenen Familie besteht somit nicht mehr, da beim Tod des Hohepriesters auch das eigene Familienmitglied gestorben wäre.
8)
Bislang konnte sich keine dieser Erklärungen durchsetzen.213 Da die Fristbestimmung innerbiblisch nicht gedeutet wird, ist diese Leerstelle ohnehin nicht zu erklären.
209
Vgl. DELEKAT 1967, 303–308; BUTLER 2014, 203. Kritisch hierzu aber WHITE2018, 348f. 210 Vgl. HOLZINGER 1901, 86. Durch den Hausarrest in der Asylstadt trägt auch der Totschläger und dessen Familie die Last der geschehenen Tragödie, vgl. KOOPMANS 2002, 97. Insofern hatte die Tötung für alle beteiligten Parteien Konsequenzen, was wiederum die Heiligkeit des Lebens unterstreicht. 211 Vgl. hierzu auch DELEKAT 1967, 303. 212 Vgl. WHITEKETTLE 2018, 352–356. 213 Bisweilen wird vermutet, dass mit der Trauer über den Tod des Hohepriesters auch der Zorn des „Lösers des Blutes“ verflogen sei. Kritisch hierzu aber zu Recht DRIVER 1960, 17f. KETTLE
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Die Vorstellung einer Rückkehr des Totschlägers mit dem Ausdruck ŠūB ʾæl findet sich nur in Num 35,28. Dort kehrt der Totschläger aber zur ʾæræṣ ʾaḥuzzātô zurück. In dieser Zielbestimmung unterscheidet sich die priesterlich geprägte Gesetzgebung in Num 35 von V.6. Allerdings konnten die beiden Begriffe ʿîr und bet nach priesterlicher Vorstellung bezüglich der Levitenstädte mit ʾaḥuzzāh verbunden sein (Lev 25,32–33).214 Möglicherweise ist in V.6 diese levitische Vorstellung aufgrund der Zusammenstellung von Asylund Levitenstädten ergänzt worden. Dementsprechend könnte in 6b Num 35, 25.28 durchaus aufgegriffen worden sein. In 6b wird bisweilen das Verb ŠūB als Modifikatorverb gedeutet und auf das folgende Bōʾ bezogen,215 was aber aufgrund der skizzierte Parallele nicht nötig ist. Insofern ist es wahrscheinlicher, dass das Verb ŠūB die Rückkehr aus der Asylstadt und das Verb Bōʾ den Eintritt in die Heimatstadt andeutet.216 Der abschließende Relativsatz mit NūS miššām ist hingegen nur hier belegt. Die doppelte Angabe von ʿîr „Stadt“ wird zudem von Vulgata getilgt,217 sodass der Relativsatz ʾašær nās miššām nicht wie im MT auf die „Stadt“, sondern von Vulgata auf das Haus des Totschlägers bezogen wird. Offenbar wurde die Redundanz des MT bewusst beseitigt. Schon vor diesem Hintergrund muss die lectio difficilior des MT nicht abgeändert werden. V.7: Nach der Gottesrede V.2–6 beginnt ab V.7 der eigentliche Erfüllungsbericht. Die Bestimmung der Asylstädte erfolgt nun aber nicht durch Josua, sondern offenbar durch die Israeliten, auch wenn das eigentlichen Subjekt des pluralischen wayyaqdišû fehlt. Im Gegensatz dazu wird von Vetus Latina und LXX die Zuordnung nicht von den Israeliten, sondern offenbar von Josua selbst vollzogen,218 da hier mit separabit bzw. διέστειλεν eine singularische Verbform verwendet wird. Die Verteilung der Asylstädte durch Josua entspricht zudem den Vorgaben von Num 35. Die Pluralformen in V.7 und 8 könnten hingegen auf das Tandem Josua-Mose zu beziehen sein. Die westjordanischen Orte seien dann von Josua bestimmt worden, während die ostjordanischen Asylstädte bereits von Mose festgelegt worden seien.219 Vielleicht soll auf der Ebene des Endtextes durch die Pluralform der Imperativ an die Israeliten, sich Asylstädte zu geben, ausgeführt werden.220 Es hat somit den Anschein, dass an dieser Stelle der Singular der LXX die ursprüngliche Textform repräsentiert, während der Plural des MT den kanonischen Kontext 214
Vgl. STACKERT 2007, 110. Vgl. NOTH 1971, 122. 216 Vgl. STACKERT 2007, 110 Anm. 206. 217 Vgl. FRITZ 1994, 202; BUTLER 2014, 192. BOLING 1982, 472 weist darauf hin, dass auch das Manuskript der Kairoer Geniza auf ʾæl hāʿîr verzichtet. Zum schwierigen Befund dieses etwas überfüllten Satzes vgl. HOLZINGER 1901, 85. 218 Vgl. auch NELSON 1997, 227. 219 Vgl. ROFÉ 1985, 135. 220 Vgl. STACKERT 2007, 111 Anm. 207. 215
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berücksichtigt. Die Änderung in den Plural könnte somit auf eine Angleichung an Dtn 4,41–43 zurückgehen, wonach bereits Mose die ostjordanischen Asylstädte verteilt hat.221 Eine derartige Entwicklung des Textes von Josua hin zu einem Kollektiv zeigt sich auch innerhalb von Jos 20. Im MT erfolgt nämlich gegenüber LXX eine schrittweise Übertragung der Autorität von YHWH über Mose bzw. Josua hin zu den Ältesten, was durch das Verb NTN ausgedrückt wird.222 Zunächst befiehlt YHWH in V.1–2 Josua, Asylstädte zu geben, was schließlich von den in V.4 genannten Ältesten ausgeführt wird, indem dem Flüchtigen ein māqôm zugewiesen wird. Die „Heiligung“ der Zufluchtsstädte (wayyaqdišû in MT) wird von Vetus Latina als „Absonderung“ verstanden (Et separabit), was durchaus der Bedeutung von QDŠ entspricht.223 Denn mit dem Verb QDŠ wird zunächst die Aussonderung einer bestimmten Sache für die heilige Sphäre beschrieben.224 Allerdings ist die Bedeutung „absondern“ nur sekundär abgeleitet, da nämlich das Heilige vom Profanen zu seinem Schutz und zum Schutz der Verehrer abgesondert werden muss.225 Die eigentliche Grundbedeutung der Wurzel QDŠ ist „geweiht, heilig“.226 Der in V.7 verwendete H-Stamm hat zudem faktitive Bedeutung „heilig machen, weihen“.227 Alles in allem ist die Aussonderung der Asylstädte somit eine sekundäre Folge der Heiligung. Aufgrund der griechischen Wiedergabe von wayyaqdišû als διέστειλεν, die mit dem hebräischen Verb QRY verbunden werden kann,228 könnte die Form des MT QDŠ eine fehlerhafte Lesart aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Konsonanten d und r sowie aufgrund des folgenden Ortsnamens Kedesch 221
Vgl. ROFÉ 1985, 143. Vgl. auch HAWK 2000, 221 Anm. 80. 223 Vgl. SOGGIN 1982, 197. Auch BUTLER 2014, 203 vermutet hier noch die alte Bedeutung des Lexems QDŠ. Nach GRAY 1986, 192 bezeichnet dieses Verb hingegen „consecration“ und damit wohl den Charakter eines Heiligtums. 224 Vgl. hierzu schon KEIL 1847, 362; LLOYD 1886, 323; KNAUF 2008, 171. Nach ROSS 1973, 140 könnte mit dieser Wortwahl auf die sakrale Bedeutung der Asylstädte angespielt sein. Auch NAUDÉ 1997, 885f. vermutet, dass mit QDŠ-H zunächst keine kultische Qualifizierung, sondern die Übertragung einer Sache an Gott gemeint sei. In V.7 gehe es folglich um die Absonderung der Städte für Asyl. 225 Vgl. MÜLLER 1976, 590. 226 Vgl. KORNFELD/RINGGREN 1989, 1185. 227 Vgl. MÜLLER 1976, 592. Nach KORNFELD/RINGGREN 1989, 1186 hat der H-Stamm die kausative Bedeutung „heilig machen, weihen, darbringen, Gott als Eigentum übergeben“. Nach PETERSEN 1980, 141 werden die Städte durch die Verwendung von QDŠ in den Bereich des Heiligen transferriert. Nach EDERER 2017, 285 wird mit dem Verb QDŠ der Zusammenhang von Asyl und Heiligtum eingespielt. Die Asylorte würden einen Aspekt des Zentralheiligtums verwirklichen. Ob man allerdings so weit gehen darf, ist fraglich. 228 Vgl. zur Lesart QRY auch DILLMANN 1886, 569; BENNETT 1895, 31; STEUERNAGEL 1900, 232; MITTMANN 1975, 131 Anm. 6; AULD 2005, 201; BARMASH 2005, 91 Anm. 70; STASZAK 2006, 281f. 222
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sein.229 Außerdem wäre noch auf die Wiedergabe des Targum mit ZMN hinzuweisen, da dieses aramäische Verb an anderen Stellen das hebräische Verb QRY wiedergibt.230 Dementsprechend wird hier immer wieder die Lesart QRY bevorzugt, die sich ebenfalls in Num 35,11 findet.231 Vor diesem Hintergrund gilt dann, dass die Asylstädte nicht notwendigerweise geheiligt werden. Folglich seien diese Orte als säkular zu bewerten.232 Insofern ist fraglich, ob es sich bei den Asylstädten tatsächlich um Kultstätten handeln muss, die seit jeher auch Asylstätten gewesen seien.233 Allerdings ist auch die Lesart der LXX nicht unumstritten. Denn der LXX-Übersetzer könnte in V.7 bewusst an Num 35,11 angeglichen haben, zumal er das hebräische Wortspiel wayyaqdišû ʾæt Qædæš im Griechischen nicht nachahmen konnte.234 Insofern ist auch diese beliebte Änderung des MT nicht über jeden Zweifel erhaben. Darüber hinaus wird in Vetus Latina noch ein weiterer Ort Cadesem genannt, bei dem es sich wohl um eine Verdoppelung des zuvor genannten Toponyms Kedesch handeln wird. Schließlich wird das im MT dreimal genannte Lexem har „Gebirge“ nur bei Juda mit mons, ansonsten mit finis, wiedergegeben. Vermutlich geht es in V.7 aufgrund der Verwendung des Lexems har „Gebirge“ nicht um die Stammesgebiete Naftali, Efraim und Juda, sondern um geographische Bezeichnungen. Hierfür spricht auch die Beobachtung, dass Sichem eigentlich zum Stamm Manasse und Hebron zu Kaleb gehört.235 In V.8 werden zudem bei den ostjordanischen Asylstädten ebenfalls geographi229
Vgl. NOTH 1971, 122; ROSS 1973, 140; AULD 1978, 29; BOLING 1982, 472; ROFÉ 1986, 221; NELSON 1997, 227. Anders hingegen EHRLICH 1910, 56, der hier ein bewusstes Wortspiel mit dem Ortsnamen Kedesch vermutet. Außerdem habe hier das Verb QDŠ keine religiöse oder rituelle Bedeutung. Zu diesem Wortspiel vgl. auch WOUDSTRA 1981, 301 Anm. 17; COLESON 2012, 154. Kritisch zu einer Veränderung von MT schon HOLMES 1914, 71. 230 Vgl. ROFÉ 1985, 139. Zur Bedeutung von QRY vgl. LEVINE 2009, 554. Nach WEINFELD 1972, 236 Anm. 4 hat QRY ebenfalls sakrale Konnotationen. 231 Vgl. AULD 1980, 80; GÖRG 1991, 91; FRITZ 1994, 202; SCHMIDT 2002, 106 Anm. 11. Anders hingegen HOLZINGER 1901, 85f., der aufgrund der Übersetzung von LXX eine Form von BDL-H vermutet. DAVID 1951, 31 Anm. 3 hält zudem die Lesart von Num 35,11 für völlig unsicher. 232 Vgl. ROFÉ 1986, 221. WESTBROOK 2006, 168f. sieht die Asylstadt als säkulares Rechtsinstitut, das in den biblischen Rechtstexten eine Verfahrensweise erhielt. 233 So aber STEUERNAGEL 1900, 232. 234 Vgl. RÖSEL 2011, 326 Anm. 6, der von einer figura etymologica spricht; BUTLER 2014, 192. 235 Vgl. hierzu AULD 2005, 201. AULD 1976, 283 weist darauf hin, dass die Bezeichnung Gebirge Naftali nur in Jos 20,7 vorkommt. Auch nach NOTH 1971, 125; GRAY 1986, 192; KNAUF 2008, 172 handelt es sich bei Naftali, Efraim und Juda um geographische Bezeichnungen. Anders hingegen CORTESE 1990, 80, der in V.7 von Stammesbezeichnungen ausgeht. In V.8 sei zudem auf den Zusatz behar verzichtet worden, da manche Stämme in der Ebene liegen.
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sche Bezeichnungen hinzugefügt,236 die nicht mit den Stammesnamen Ruben, Gad und Halbmanasse verbunden sind. Die Deutung als geographische Landmarken in V.7 ist insofern interessant, da die Übersetzer der LXX in der Regel das Wort ὀρεινή verwenden, wenn an ein Gebirge bzw. Bergland im umfassenden Sinn gedacht ist,237 während in V.7 jeweils das Wort ὄρος gebraucht wird. Fraglich ist, wie das Verhältnis der Liste der Asylstädte in Jos 20,7–8 zu den Erwähnungen dieser Orte in Jos 21 und auch zu Dtn 4,41–43 zu bestimmen ist.238 Bisweilen wird angenommen, dass in Jos 20 zwei Traditionen über die ʿārê hammiqlāṭ und ʿārîm lānûs šāmmāh rôṣeaḥ miteinander vereint worden seien.239 Allerdings sind die beiden Ausdrücke ʿārê hammiqlāṭ und ʿārîm lānûs šāmmāh rôṣeaḥ nicht als feste Größen belegt. Lediglich der Infinitivsatz lānûs šāmmāh taucht wiederholt in der Gesetzgebung zu den Asylstädten auf.240 Aber mit ʿārîm wird dieser Infinitivsatz nie verbunden und als Objekte werden (kål) rôṣeaḥ oder kål makkeh næpæš verwendet. Die diachronen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Jos 20 und Jos 21 sind schwierig zu bestimmen. Manchmal denkt man daran, dass die Angaben aus Jos 20 in Jos 21 eingetragen worden seien. Da nämlich in Jos 21 nur bei den Asylstädten ebenfalls geographische Bezeichnungen wie in Jos 20,7–8 ergänzt werden, könnten die Angaben in Jos 21 aus Jos 20 entnommen worden sein.241 Demgegenüber wird aber mit guten Gründen vermutet, dass diese Städte allesamt aus Jos 21 genommen worden seien,242 wobei V.8 möglicherweise aufgrund seiner sprachlichen Ähnlichkeit zu Num 35 in einem zweiten Schritt ergänzt wurde. Im Unterschied zu der Version der Asylstädte im Kontext der Levitenstädte gemäß Jos 21 fällt auf, dass nur der erste Ort Kedesch in V.7 zwei Lokalangaben bekommen hat (bagGālîl behar Naftālî). Während in Jos 21,32 der Ort Kedesch nur mit der Angabe Galiläa verbunden wird, 236 Vgl. GRAY 1986, 192. Nach SCHMID 1984, 1134 sind die ostjordanischen Asylstädte, die eine längere Vorgeschichte haben, älter als die westjordanischen, zumal es im Ostjordanland keine Heiligtümer gegeben habe. Dementsprechend könnte eine Institution aus dem Ostjordanland auf das Westjordanland übertragen worden sein. Ob eine solche historische Rekonstruktion tatsächlich begründet werden kann, ist fraglich. 237 Vgl. DEN HERTOG 1996, 141. 238 Nach KNAPP 1987, 118f. hängt Dtn 4,41–43 von Jos 20 ab, da hier eine Korrektur zu Jos 20 gegeben werde. Wenn nämlich Mose das Ostjordanland erobert hat, dann müsse er dort auch die Asylstädte bereits bestimmt haben. 239 Vgl. AULD 1976, 285; AULD 1980, 65. 240 Num 35,15; Dtn 19,3; Jos 20,3.9. Nach REINDL 1986, 311 ist bei NūS nicht nur das Entkommen vor dem „Löser des Blutes“, sondern auch die Absicht des Verweilens in der Asylstadt im Blick. 241 Vgl. ROSS 1973, 129, dem zufolge die Abhängigkeitsverhältnisse von Jos 20 über 1Chr 6 zu Jos 21 gegangen seien. 242 Vgl. hierzu AULD 1976, 285f.; AULD 1978, 38f.
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gleicht V.7 offenbar an die anderen Orte an, wo ebenfalls ein Gebirge genannt wird. Auf die für die Levitenstädten typische Formulierung weʾæt migrāšæhā wird zudem in Jos 20 konsequent verzichtet. Möglicherweise ist dies ohnehin bereits in Jos 21 ein späterer Zusatz, da weʾæt migrāšæhā in Jos 21,21 den Ort Sichem vom Gebirge Efraim trennt. In Jos 21,13 fehlt zudem bei Hebron zum einen der altertümliche Name Kirjat-Arba, zum anderen aber auch der Verweis auf das Gebirge Juda. Diese Angaben werden jedoch bereits in Jos 21,11 geliefert. Alles in allem hat es somit den Anschein, dass die Daten zu den Asylstädten aus Jos 21 genommen wurden. V.8: Während die westjordanischen Asylstädte in V.7 von Nord nach Süd aufgeführt werden, wechselt die Richtung nun bei den ostjordanischen Asylstädten in V.8 von Süd nach Nord, ohne dass für die Richtungsänderung ein Grund angegeben werden kann. Es hat den Anschein, dass bei den biblischen Texten von den Asylstädten immer eine Gruppe von drei Orten im Blick ist, was Jos 20 an die sonstigen Konzeptionen der Asylstädte anbindet.243 Lediglich in Dtn 19,9 wäre es möglich, dass zusätzlich zu den drei westjordanischen Asylstädten weitere drei Orte hinzuzufügen wären für den Fall, dass das Verheißungsland von YHWH noch zusätzlich erweitert wird.244 Dementsprechend könnten in diesem Fall vielleicht sogar neun Asylstädte im Blick sein.245 Allerdings wird eine solche erweiterte Vorstellung von neun Asylstädte in Jos 20 nicht aufgegriffen. Da nach Dtn 19,9 drei weitere Städte zu den drei westjordanischen Städten hinzuzufügen wären, könnten damit auch die ostjordanischen Städte gemeint sein, zumal immer die Hoffnung bestand, dass irgendwann das Ostjordanland wieder von Israel beherrscht wird.246 Außerdem kennt Dtn 19,9 noch nicht die ostjordanischen Asylstädte in Dtn 4,41–43, da dieser Abschnitt ein später ergänzter Zusatz ist. In der Version der Vetus Latina wird die Vergabe der ostjordanischen Zufluchtsstädte nicht von den Israeliten, sondern wie schon in V.7 offenbar von Josua durchgeführt (separabit in V.7; dedit in V.8). Außerdem wird von Vetus Latina auf das Ortsadverbiale mizrāḥāh verzichtet, sodass Jericho unver243
Num 35,14; Dtn 4,41; 19,9. Vgl. hierzu HESS 1996, 305; BUTLER 2014, 195. Nach MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 81 könnte bei der Bestimmung der drei weiteren Asylstädte Jos 13,1 im Blick sein, wonach noch viel Land zu erobern wäre. Erst danach würde man drei weitere Asylstädte bestimmen. ROSE 1994, 150 schlägt vor, dass es sich bei den ostjordanischen Städten um die drei in Dtn 19,2 genannten Orte handelt. Dagegen spricht aber die yiqtol-Formation, die sich auf ein künftiges Handeln bezieht und daher nicht mit der in Dtn 4,41–43 berichteten Gabe verwechselt werden darf. 245 Vgl. TIGAY 1996, 181. Kritisch hierzu aber ROFÉ 1986, 222. 246 Vgl. NIELSEN 1995, 188; TRAULSEN 2004, 56. Dagegen aber PERLITT 2013, 378, da das Ostjordanland nicht im Blick sei und bereits nach Dtn 4,43 drei ostjordanische Asylstädte bestimmt waren. Nach RÖMER 1990, 194 hat ein nachdtr. Verfasser Dtn 19,8f. ergänzt, um an Num 35,9–34 anzugleichen, wo sechs Asylstädte im Blick sind. REUTER 1993, 186 hält Dtn 19,8–10 ebenso für eine redaktionelle Erweiterung. 244
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bunden nach Jordan steht (Et ultra Iordanen Iericho). LXXB verzichtet zudem ganz auf die syntaktisch schwierig eingebundene Angabe Yerîḥô mizrāḥāh.247 Außerdem hat Vulgata offenbar noch zusätzlich die Präposition mûl „gegenüber“ eingeführt (et trans Iordanem contra orientalem plagam Hiericho).248 Zumindest der Ortsname Jericho ist angesichts der analogen Stelle in Dtn 4,41 (beʿebær hayYarden mizreḥāh šāmæš) nicht notwendigerweise gefordert.249 Darüber hinaus passt die topographische Verortung (meʿebær leYarden Yerîḥô mizrāḥāh) bestenfalls zu Bezer, aber auf keinem Fall zu den nördlichen Toponymen.250 Vielleicht ist die Bezeichnung Yarden Yerîḥô eine altertümliche Bezeichnung für den Jordan.251 Der Ausdruck meʿebær leYarden Yerîḥô mizrāḥāh ist wortgleich in Jos 13,32 zu finden und setzt vermutlich diese Redaktionsstufe voraus.252 Der Ausdruck Yarden Yerîḥô ist zudem nur in priesterlich geprägten Texten zu finden.253 Bei der ostjordanischen Asylstadt Bezer werden noch die beiden lokalen Angaben bammidbar und bammîšôr im Gegensatz zu Jos 21,36 ergänzt, während bei den anderen beiden Asylstädten keine zusätzlichen Angaben eingetragen werden. Anstelle von dem für Jos 21 typischen Ausdruck weʾæt migrāšæhā wird jeweils die Stammesangabe mit mimmaṭṭeh angeführt. Dies unterscheidet V.8 auch von Dtn 4,43, wo der Stammesname mit der Präposition l= angeschlossen wird. Bei Bezer werden zudem in Dtn 4,43 die beiden lokativen Präpositionalverbindungen bammidbar bammîšôr aus V.8 zu bammidbar beʾæræṣ hammîšôr verändert. Ohne Rückhalt in der Textüberlieferung wird darüber hinaus bisweilen die Ortsangabe bammîšor als überflüssige Glosse getilgt.254 Allerdings könnte die doppelte Angabe bammidbār bammîšor die Außenbereiche abgeben, zwischen denen der Ort Bezer zu 247 Vgl. hierzu auch STEUERNAGEL 1900, 232. Die kürzere Lesart der LXX wird von ROBINSON 1907, 364; HOLMES 1914, 71; EISSFELDT 1922, 283*; AULD 1978, 29; GÖRG 1991, 91 bevorzugt. Auch nach NOTH 1971, 122; FRITZ 1994, 202 ist Yerîḥô mizrāḥāh eine Glosse, die aus der Formulierung in Jos 13,32 übernommen worden sei. KEIL 1847, 363 deutet diese schwierige Ortsangabe dergestalt, dass der Ort Bezer auf der gleichen Breite wie Jericho liege. Das ist aber nicht zwingend notwendig. 248 Vgl. hierzu SOGGIN 1982, 197. 249 Vgl. zum Problem schon DILLMANN 1886, 570. 250 Vgl. schon OETTLI 1893, 191. 251 Vgl. HARSTAD 2004, 641; ZIESE 2008, 340. Zur Bezeichnung Yarden Yerîḥô „Jordan bei Jericho“ vgl. auch KNOPPERS 2005, 37. 252 Noch mit qedmāh ergänzt in Num 34,15. Nach GASS 2019b, 367 gehört Jos 13,32 zur Grundschicht von Jos 13,15–33 und ist auf der Ebene einer priesterlichen Redaktion zu verorten, die für ein ursprüngliches Landverteilungsdokument in Jos 14–19 verantwortlich ist. 253 Num 22,1; 26,3.63; 31,12; 33,48.50; 34,15; 35,1; Jos 13,32; 16,1; 20,8; 1Chr 6,63. 254 Vgl. FRITZ 1994, 202. Anders NOTH 1971, 125, dem zufolge bammidbār vielleicht ein sekundärer Zusatz sein könnte.
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finden ist. Dann würde sich Bezer zwischen der Wüstensteppe und der Hochebene befinden.255 Darüber hinaus belegen Vetus Latina, LXX und Vulgata das Ketiv Gālôn (Gaulon bzw. Γαυλων) anstelle des Qere Gôlān.256 Vielleicht hat sich die kanaanäische Lautverschiebung vom Langvokal ā zu ō gerade in den peripheren Regionen unterschiedlich durchgesetzt. Dann wäre das Ketiv Gālôn die modernere Lesart des Toponyms, die sich aber langfristig nicht etablieren konnte. Die ostjordanischen Städte werden jedoch schon von Mose nach Dtn 4,43 den Oststämmen zugesprochen, wobei in Dtn 4,43 diese Städte nicht aus den jeweiligen Stämmen bestimmt werden, sondern die genannten Orte sollen als Asylstädte für die jeweiligen Städte dienen, was mit der Präpositionalverbindung mit l ausgedrückt wird. Auf die vormalige Gabe der ostjordanischen Asylstädte durch Mose könnte in V.8 die x-qatal-Formation hinweisen, die sich von der wayyiqtol-Form in V.7 abhebt.257 Allerdings passt die Pluralform des MT nātenû eigentlich nicht zur Vergabe durch Mose. Dementsprechend überliefert LXX die Singularform ἔδωκεν, die man nach V.8 auf die Gabe der ostjordanischen Asylstädte durch Mose beziehen könnte.258 Vermutlich hängt jedoch Dtn 4,43 von V.8 ab. Hierzu passt auch die Beobachtung, dass es sich bei Dtn 4,41–43 höchstwahrscheinlich um eine späte redaktionelle Ergänzung handelt.259 Außerdem erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die bereits unter Mose erfolgte Vergabe der Asylstädte in einem späteren Text nun auch Josua zugesprochen wird. Wahrscheinlich ist eine zunächst mit Josua oder den Israeliten verbundene Aktion sekundär mit Mose verbunden worden, der ohnehin schon die ostjordanischen Stämme mit Landbesitz ausgestattet hat.260
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Vgl. hierzu KNAUF 2008, 172. Nach NOTH 1971, 122 wird das Qere aber von Peschitta und Targum unterstützt. 257 Vgl. auch BOLING 1982, 475. 258 Vgl. hierzu BOLING 1982, 472. Nach FARBER 2016, 66f. würde hingegen die qatalForm auf die vormalige Gabe der Asylstädte durch die Israeliten verweisen. 259 Vgl. VON RAD 1968, 38; SCHÜNGEL-STRAUMANN 1969, 42; ROFÉ 1986, 222; GERTZ 1994, 155; ROSE 1994, 148; HOSSFELD 2003, 57; KNOPPERS 2005, 34. TIGAY 1996, 58 geht von einem „narrative appendix“ aus. WILLIS 2001, 122 Anm. 73 vermutet eine „late (post-deuteronomistic) marginal insertion“. Nach BRAULIK 2000, 47 koordiniert Dtn 4,41–43 die Angaben aus Dtn 19 und Num 35. Auch nach DIETRICH 2008, 76 vereinheitlicht Dtn 4,41–43 die Vorgaben aus Dtn 19 und Jos 20. Gegen einen späten Zusatz hingegen HALL 2000, 109. 260 Vgl. hierzu auch GERTZ 1994, 155; WILLIS 2001, 122. Nach OTTO 2012a, 598 werde Josua unter die Autorität des Mose als Vorbild gestellt, der proleptisch die Josuafunktion der Gesetzeserfüllung im Ostjordanland übernommen habe. TIGAY 1996, 354 weist darauf hin, dass man diese Inkonsistenz dergestalt lösen kann, indem Mose Josua die entsprechenden Städte mitgeteilt habe, die dann Josua schließlich als Asylstädte bestimmt habe. Nach ROSE 1994, 148 musste die Gabe der Asylstädte schon in Dtn 4 eingetragen 256
1. Textkritische und sprachliche Beobachtungen
49
Es stellt sich allerdings die Frage, weshalb in Dtn 4 auf den Begriff ʿārê hammiqlāṭ verzichtet wurde, wenn Dtn 4,41–43 von Jos 20,8 abhängig ist. Vielleicht wollte man den priesterlich geprägten Begriff ʿārê hammiqlāṭ hier vermeiden. In V.8 wird im Gegensatz zu V.7 schließlich noch die jeweilige Stammeshoheit über die betreffende Asylstadt ergänzt, wobei es sich aber nicht notwendigerweise um einen redaktionellen Zusatz handeln muss.261 Eine Zuweisung des Stammesgebietes zum jeweiligen Ort findet sich auch in Jos 21,27.36.38, sodass die in V.8 aufgeführten Stammesangaben nicht notwendigerweise als Angleichung an die geographischen Zusätze in V.7 gedeutet werden müssen. V.9: Die unnötige Verbalisierung mit hāyû in V.9 könnte auf eine späte Glossierung zurückgehen,262 zumal LXX auf dieses Verb verzichtet. Im MT wird zumindest mit hāyû darauf hingewiesen, dass die Institution der Asylstädte in der Vergangenheit lag und die zuvor beschriebene Regelung den Maßstab vorgab, wie es eigentlich sein sollte. Ansonsten ähnelt die Ausdrucksweise den Schlussformeln in Jos 13–19, sodass in V.9 vielleicht die gleiche literarische Hand am Werk gewesen sein mag.263 Allerdings wird bei den Schlussformeln in Jos 13–19 in erster Linie das singularische Demonstrativpronomen zoʾt verwendet,264 während ʾellæh mit Relativsatz konstruiert wird.265 In V.9 werden die Asylstädte zudem nicht ʿārê miqlāṭ, sondern ʿārê hammûʿādāh genannt. Vielleicht ist der Wechsel in der Bezeichnung ein Anzeichen für die ursprüngliche Sondertradition der Ortsliste mit den genannten sechs Asylstädten.266 Das hapax legomenon mûʿādāh lässt sich von einer Wurzel YʿD ableiten. Dementsprechend könnte man dieses Lexem mit „Festsetzung, Bestimmung“ übertragen.267 Vor diesem Hintergrund könnte man ʿārê hammûʿādāh als „Städte der Festsetzung“ wiedergeben. Dann würde hier unterstrichen werden, dass die genannten Städte für Asyl festgesetzt wurden.268 Darüber hinaus wäre bei einer Ableitung des Lexems mûʿādāh von werden, da bereits das Ostjordanland verteilt war. Mose gehe folglich mit gutem Beispiel voran. 261 Vgl. GÖRG 1991, 91. Nach AULD 1976, 282 könnte die Stammesangabe jeweils ein Zusatz aus Jos 21 sein. 262 Vgl. DILLMANN 1886, 570; OETTLI 1893, 191, der zudem auch das Nomen mûʿādāh als sekundär erachtet. Allerdings muss man dann auch das nomen regens ʿārê verändern. 263 Vgl. BUTLER 2014, 204. 264 Jos 13,2.23.28; 15,20; 16,8; 18,20.28; 19,8.16.23.31.39.48. 265 Jos 13,32; 14,1; 19,51. 266 Vgl. GÖRG 1991, 92. 267 Nach DAVID 1951, 31 Anm. 5 ist zudem ʿārê hammûʿādāh kein alternativer terminus technicus für „Asylstadt“. 268 Vgl. zu dieser Bedeutung schon KEIL 1847, 363; DILLMANN 1886, 570. Ähnlich auch LLOYD 1886, 325, dem zufolge die Bedeutungen „Städte der Zusammenkunft (der
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
YʿD auch an die Bedeutung „Verabredung, Zusammentreffen“ zu denken, wobei hier vor allem die heilvolle Begegnung im Blick sein könnte.269 Der Begriff ʿārê hammûʿādāh werde dementsprechend mit „Städte der Zusammenkunft“ wiedergegeben.270 Auf diese Weise werde betont, dass die Flüchtlinge in diesen Städten zusammenkommen. Allerdings wäre es auch möglich, von einer Etymologie von der Wurzel ʿūD auszugehen. Dann wäre dieses Wort mûʿādāh mit „Versicherung, Versprechen“ zu übertragen. In diesem Sinne wäre ʿārê hammûʿādāh nicht ein Alternativbegriff für ʿārê miqlāṭ.271 Fraglich ist, ob nicht das Wort mûʿādāh textkritisch aufgrund des Befundes der LXX geändert werden sollte, zumal LXX hier αἱ πόλεις αἱ ἐπίκλητοι liest und offenbar an eine Form der hebräischen Wurzel QRʾ gedacht hat, wobei hier vielleicht das in V.7 rekonstruierte Verb QRY zu QRʾ verlesen wurde.272 In diesem Fall wäre im rekonstruierten MT auf den Anfang der Liste in V.7 zurückgegriffen worden und jede Spekulation über die Bedeutung das hapax legomenon mûʿādāh würde sich erübrigen. Allerdings besteht kein zwingender Anlass, den gut bezeugten MT nach LXX abzuändern. LXX verzichtet darüber hinaus auf die Totalitätsbezeichnung kol „Gesamtheit“ vor den „Söhnen Israels“.273 Möglicherweise ist das Auge des Übersetzers bei seiner Arbeit von einem l zum nächsten l (lekol) abgeschweift, was zumindest diese Auslassung erklären könnte.274 Insofern lässt sich das Minus der LXX textkritisch durchaus leicht und schlüssig erklären. Die Ausweitung des Rechtsinstituts der Asylstädte auf den ger „Fremden“ ist vermutlich auf priesterliche Konzeptionen zurückzuführen.275 Es handelt Totschläger)“ oder „Städte des Asyls“ unzutreffend wären. Zu der Bedeutung „festgesetzte Städte“ bzw. „Städte der Festsetzung“ vgl. auch SAUER 1971, 742; AULD 1978, 39; FRITZ 1994, 206; PRICE 1997, 878; HARSTAD 2004, 642; LAUGHLIN 2015, 200. Dagegen aber NOTH 1971, 122. Nach DINUR 1954, 140 könnte es bei dem Begriff mûʿādāh auch um Rechtsprechung gehen. 269 Vgl. STASZAK 2006, 290, der hier die Begegnung mit dem rettenden Ziel der Flucht vermutet. Nach KÖNIG 1897, 149 ist mûʿādāh „Verabredung“ ein feminines Partizip mit abstrakter, neutrischer Bedeutung. Zur Bedeutung des hapax legomenons „Städte der Verabredung“, bei dem es sich nicht um einen Alternativausdruck für ʿārê miqlāṭ handele, vgl. auch GERTZ 1994, 153 Anm. 142. HOSSFELD 2003, 55 vermutet, dass mit dem Wort mûʿādāh auf ʿedāh angespielt sein könnte. Ähnlich auch BOLING 1982, 475. 270 Vgl. NOTH 1971, 122. Ähnlich LEVINE 2009, 568. NELSON 1997, 230 vermutet hier priesterlichen Einfluss. Dann wären aber zwei priesterlich imprägnierte Ausdrücke nebeneinander verwendet worden. Dieses Nebeneinander von zwei priesterlichen Begriffen für Asylstadt zeige nach ALBERTZ 2007a, 210, dass dieser priesterliche Autor noch später als die spätpriesterlichen Redaktoren des Pentateuchs gearbeitet habe. 271 Vgl. DELEKAT 1967, 297. 272 Vgl. ROFÉ 1985, 138. 273 Vgl. STEUERNAGEL 1900, 232; BUTLER 2014, 192. 274 Vgl. BOLING 1982, 472. 275 Num 15,15–16. Vgl. hierzu NELSON 1997, 229f. Nach KNOHL 1995, 99 ist zudem die Gleichheit des ger zum einheimischen Bürger ein Kennzeichen des Heiligkeitsgesetz.
1. Textkritische und sprachliche Beobachtungen
51
sich bei einem ger um einen Fremdling,276 der sich für gewisse Zeit in einem fremden Land niedergelassen hat und für sein Leben dort auch einen bestimmten rechtlichen Schutz benötigt. Ein ger ist somit zunächst ein „Schutzbürger“, der aus unterschiedlichen Motivationen seine Heimat verlassen musste.277 Schon aus diesem Grund musste es auch für den „Fremden“ die Möglichkeit auf Asyl geben, damit das heilige Land nicht ungerechtfertigter Weise mit Blut beschmutzt wird.278 Außerdem wird durch diese Konzeption ein inklusives und nicht national begrenztes Verständnis der Bewohner des Verheißungslandes verfolgt.279 Darüber hinaus ist Israel schon vor dem Kontext seines eigenen Fremdseins in der Welt daran interessiert, den Fremden möglichst gut in Israel zu integrieren und ihm ebenfalls einen Rechtsstatus zuzugestehen.280 Fraglich ist jedoch, weshalb nur der ger in V.9 berücksichtigt wird und nicht auch der tôšāb „Beisasse“, wie in Num 35,15. Vielleicht ist in V.9 welattôšāb durch das determinierte Partizip haggār ersetzt worden, um an eine übliche Verbindung anzugleichen. Denn die Formulierung ger haggār betôkām ist in priesterlichen Texten des Öfteren belegt.281 Die singularische Formulierung in V.9 deutet zumindest an, dass es sich bei dem ger nicht um eine Gruppe, sondern jeweils um ein Individuum handelt, das besonders schutzbedürftig ist.282 276
Vgl. MARTIN-ACHARD 1971, 410; LAHA 2012, 195; COCCO 2016, 81f.; HADAD 2017, 171. Nach KNAUF 2008, 172 bezieht sich ger bereits auf den Israeliten außerhalb seines Heimatortes. Nach KELLERMANN 1973, 983f. lebt der ger unter Leuten, die nicht mit ihm blutsverwandt sind und steht zwischen einem Eingeborenen und einem Fremden. Erst sekundär entwickelt sich das Verständnis, dass es sich bei dem ger um einen Nichtisraeliten handelt. Nach RENDTORFF 1996, 78f. kommt der ger von außerhalb und besitzt kein Land. 277 Vgl. hierzu KELLERMANN 1973, 984–986; KONKEL 1997, 837f. Zu den Gründen vgl. auch COCCO 2016, 81. 278 Vgl. HERTZBERG 1985, 116. Zu einer Verunreinigung des Landes mit Blutschuld vgl. LAHA 2012, 194, der zusätzlich auf Num 35,33 hinweist. Ähnlich auch LÖHR 1930, 34; MCKEATING 1975, 64; SINGER 1991b, 311; IMRAY 2019, 516. Hinzu kommt, dass das Blut zu YHWH um Vergeltung schreit. Nach NICOLSKY 1930, 149 müsse zudem jede Besudelung der Erde durch Blut mit dem Blut des Blutvergießers getilgt werden. Nach WESTBROOK 2006, 166f. wurde der Tatbestand des Mordes von einem privaten Vergehen, dass zunächst von den Familien geahndet wurde, zu einem öffentlichen Vergehen verwandelt, das die Allgemeinheit betrifft. Denn die Verunreinigung des Landes hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Auch MATTHEWS 2016, 145 betont, dass das eigentlich private Vergehen der Tötung die gesamte Gemeinde betroffen hat. 279 Vgl. MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 81. Nach EDERER 2017, 287 wird hier Rechtsgleichheit angezielt und damit die Tora als umfassende Lebensordnung für alle, die im Verheißungsland leben, durchgesetzt. 280 Vgl. hierzu STASZAK 2006, 295. 281 Lev 17,10.13; Num 15,26.29; 19,10; Jos 20,9. 282 Vgl. hierzu auch RENDTORFF 1996, 78.
52
Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
In 9b könnte mit dem Todesverbot auf Dtn 19,12 angespielt sein, wo der absichtliche Totschläger hingegen durch die Hand des „Lösers des Blutes“ sterben soll.283 Vergleichbares wird demgegenüber für den unabsichtlichen Totschläger ausgeschlossen. Allerdings kann die Formulierung weloʾ yāmût auch aus Num 35,12 entlehnt sein, zumal dort der Infinitivsatz ʿad ʿåmdô lifnê hāʿedāh lammišpāṭ folgt. Dementsprechend ist ein Rückgriff auf eine Vorgabe des Deuteronomiums nicht notwendig. Vetus Latina, LXX und Peschitta ergänzen am Schluss offenbar noch lammišpāṭ hinter hāʿedāh, entweder um an V.6 anzugleichen284 oder um einen Ausgleich zu Num 35,12 zu schaffen. Auch Vulgata betont am Schluss, dass der Totschläger seinen Fall darlegen muss (expositurus causam suam).285 Die Constructusverbindung goʾel haddām wird von Vulgata darüber hinaus mit einer Erweiterung näher erläutert (proximi effusum sanguinem vindicare cupientis). Schließlich wird die Näherbestimmung beyad von den griechischen Handschriften unterschiedlich wiedergegeben, wobei die Lesart ἐν χειρὶ am nähesten am MT ist.286 Diese textkritischen Abweichungen sind aber allesamt gut zu erklären, sodass MT nicht abgeändert werden muss.
2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Lösungsansätze Die Darstellung der Verteilung der Asylstädte in Jos 20 wird allgemein auf einen priesterlichen Autor zurückgeführt,287 auch wenn unklar ist, auf welcher literarhistorischen Stufe dieser Text entstanden ist und wie er mit den priesterlich geprägten Redaktionen im Numeribuch zu verbinden ist. Hinzu kommt, dass dieses Stück vermutlich durch spätere Redaktionen bearbeitet worden ist.288 Da LXX einen weitaus kürzeren Text als MT belegt, der aber zusätzlich ein gewisses Plus enthält, muss bei der literarkritischen Analyse auch der Befund der einzelnen Versionen einbezogen werden. Meist wird dem Kurztext der LXX der Vorzug gegeben. Allerdings gibt es auch die andere Sichtweise, die die LXX-Lesart als Angleichung an den priesterlichen Text in Num 35 ansieht. Offenbar ist die hinter Jos 20 liegende Textgeschichte, wie 283 Nach DIETRICH 2016, 43 ist der „Löser des Blutes“ nur ein Erfüllungsgehilfe, während die Ältesten die Rechtssprechung vollziehen. 284 Vgl. STEUERNAGEL 1900, 232; BOLING 1982, 472; NELSON 1997, 228; BUTLER 2014, 192. 285 Zu den unterschiedlichen Lesarten vgl. auch HOLZINGER 1901, 86. 286 Vgl. GREENSPOON 1983, 51. 287 Vgl. RUDOLPH 1938, 238. Insgesamt finden sich einige typisch priesterliche Ausdrücke in Jos 20, vgl. CORTESE 1990, 79, der neben ʿārê miqlāṭ noch auf bišegāgāh, hāʿedāh, maṭṭeh und ger haggār betôkām verweist. Ausführlich noch PETERSEN 1980, 133f.135. 288 Nach OETTLI 1893, 191 ist dieses P-Stück dtr. überarbeitet worden.
2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Lösungsansätze
53
oben gezeigt, sehr komplex. Insofern ist fraglich, ob entweder die Version von LXX oder MT den ursprünglichen Text wiedergibt. Auch stellt sich die Frage, ob man den Urtext in Anschluss an das Numeribuch oder an das Buch Deuteronomium rekonstruieren sollte. Vermutlich haben Redaktoren und Übersetzer die unterschiedlichen Texte miteinander harmonisiert.289 Schon vor diesem möglichen Szenario lässt sich leicht erklären, weshalb sich die Forschung so schwer tut, die diachrone Entstehung von Jos 20 zu skizzieren. Bisweilen wird sogar vermutet, dass es sich bei Jos 20,1–9 um einen priesterlich und dtr. imprägnierten Mischtext handelt, der Textteile aus Num 35 und Dtn 19 immer wieder collagenartig zitiert und bisweilen in V.2.4.5.6 eigene Neuerungen einbringt.290 Allerdings sollte man die aus den Beobachtungen resultierenden Probleme des Textes ernstnehmen, da diese nur mit einem diachronen Zugriff bewältigt werden können. Folgende Vorschläge, die sich bisweilen stark ähneln, wurden bislang erwogen, wobei nur die jüngere Forschung in den Blick genommen wird: Löhr (1930):291 Der Abschnitt über die Asylstädte in Jos 20 scheine nicht einheitlich zu sein, lehne sich aber in erster Linie an die priesterliche Gesetzgebung in Num 35 an. Ein Grundbestand sei in V.1–3 und V.7–8 zu finden.292 Der in der LXX fehlende Abschnitt V.4–6 sei selbstständig entstanden, wobei nur eine der beiden Fristbestimmungen original sein könne. Es handele sich um juristische Arbeit, mit der die unvorsätzliche Tötung zum Gegenstand eines regelhaften Verfahrens gemacht werde, wobei der „Löser des Blutes“ nur noch am Rande in Erscheinung tritt. V.9 mit der Erweiterung auf den Fremden und der singulären Bezeichnung der Asylstadt als ʿārê hammûʿādāh sei zudem eine späte Ergänzung. Bei diesem Entwurf wird aber die priesterliche Prägung von V.9 kaum gewürdigt. Außerdem wird übersehen, dass LXX zumindest den ersten Infinitivsatz in V.6 bewahrt hat, was ebenfalls nicht erklärt wird. Phillips (1970):293 In V.1–3.6.9 liege die priesterliche Version des Rechtsinstituts der Asylstädte vor. In einem redaktionellen Schritt wurde V.4–5 aus Dtn 19 genommen und in den priesterlichen Text eingebaut. Allerdings gibt es für die Herausnahme von V.4–5, die ursprünglich in Dtn 19 verortet gewesen sein sollen, keinen Grund, zumal die Konzeption von V.4–5 eigentlich nicht den Vorstellungen von Dtn 19 entspricht, auch wenn hier dtr. Idiome verwendet werden. Außerdem werden bei
1)
2)
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Vgl. zu diesen Problemen BUTLER 2014, 192. Vgl. RUWE 2000, 219. Aufgrund der vielen verwendeten Zitate wäre es durchaus möglich, dass man nicht notwendigerweise von redaktioneller Überfüllung ausgehen muss. 291 Vgl. LÖHR 1930, 36 Anm. 1. 292 Ähnlich VON RAD 1934, 245, der seine priesterschriftliche Quelle PA in V.1 und V.7–8 vermutet. 293 Vgl. PHILLIPS 1970, 102.106f. 290
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
diesem Entwurf weder die Spannungen in V.6, noch die Zugehörigkeit der Ortsliste in V.7–8 befriedigend erklärt. Noth (1971):294 Vielleicht bildete der Abschnitt V.7–9bα die ursprüngliche Tradition, die die einzelnen Asylstädte aufzählt und in V.9 näherbestimmt. Da erst V.9 den Zweck der Asylstädte angibt, konnten einige Vorbemerkungen in V.3–6 vorgeschaltet werden. Diese Beobachtung könnte somit andeuten, dass V.3–6 sekundär ergänzt wurden. Für die Ursprünglichkeit von V.7–9bα sprechen angeblich der singuläre ältere Ausdruck ʿārê hammûʿādāh wie auch die nur hier belegte Zusammenstellung der einzelnen Asylstädte. Ein späterer Redaktor habe in V.8 allerdings die Stammesnamen nachgetragen, zumal er die ursprünglichen geographischen Termini in V.7 missverstanden habe. Der Abschnitt V.1–6 diente schließlich als Einleitung, mit der die Asylstädte in die Landnahmeüberlieferung eingeführt worden sind. Allerdings seien auch V.1–6 nicht einheitlich, zumal in 3a der Infinitivsatz aus V.9 mit einer ähnlichen Formulierung aus Dtn 19,3 verbunden worden sei. Darüber hinaus sei V.6 mit zwei Infinitivsätze zur Fristbestimmung des Aufenthaltes in der Asylstadt überfüllt, wobei die zweite Variante aufgrund des angeschlossenen Relativsatzes als dtr. zu bewerten sei, während die erste Variante eine gewisse Nähe zu Num 35 zeige. Auch 9bβ scheine irgendwie mit Num 35 zusammenzuhängen.295 Gegen diese literarhistorische Einordnung erheben sich jedoch zahlreiche Bedenken. Denn die Zweckbestimmung in V.9 ist aufgrund der Wortwahl und der Syntax kaum der ursprünglichen Tradition zuzurechnen. Außerdem fehlt den beiden Verbalsätzen in V.7–8 eine entsprechende Einleitung mit Nennung des Subjektes. Die dtr. und priesterliche Prägung des Abschnitts wird gänzlich bei der Diskussion der einzelnen Traditionselemente übergangen. Darüber hinaus ist vielleicht der Relativsatz in V.6 dtr., aber für die Fristbestimmung durch den Tod des Hohepriesters kann das nicht gelten, da hier eine priesterliche Vorstellung vorliegt. Schließlich wird der abweichende Befund der LXX, der nicht nur von textkritischem Interesse sein muss, überhaupt nicht berücksichtigt. Miller/Tucker (1974):296 Da die V.4–6 – abgesehen vom Infinitivsatz ʿad ʿåmdô lifnê hāʿedāh lammišpāṭ – in LXX fehlen, sei dieser Abschnitt in Angleichung an Num 35,9–34 ergänzt worden. Außerdem widersprechen sich beide Fristen für die Aufenthaltsdauer in der Asylstadt, was ebenfalls für redaktionelle Arbeit spreche. Allerdings handelt es sich bei V.4– 6 in erster Linie um dtr. Vorstellungen, die kaum aus Num 35 stammen
3)
4)
294
Vgl. NOTH 1971, 123–127. Nach NOTH 1971, 127 hängt Num 35 von Jos 20 und Dtn 19 ab. 296 Vgl. MILLER/TUCKER 1974, 155f. 295
2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Lösungsansätze
55
können. Darüber hinaus wird auf die Überschüsse der LXX überhaupt nicht eingegangen. Mittmann (1975):297 Der Grundbestand von Jos 20 sei in V.1–2b* (ohne den abschließenden Relativsatz).3b.7 zu finden. Eine dtr. Bearbeitungsschicht, die auf Dtn 19 basiert, hat diesen Grundtext schließlich um 2b*– 3a.4–6 (ohne den ersten ʿad-Infinitivsatz) erweitert. Von noch späterer Hand stammt schließlich der erste ʿad-Infinitivsatz und V.9. Außerdem ist V.8 ein Zuwachs, der Dtn 19 weiterführt und noch drei ostjordanische Asylstädte auf der Grundlage von Jos 21 ergänzt. Allerdings werden bei diesem Entwurf die priesterlichen Idiome in V.2–3 und V.6 nicht ausreichend berücksichtigt, wenn man diese Ergänzung einer dtr. Hand zuschreibt. Der Kurztext der LXX kommt ebenfalls nicht in den Blick. Fishbane (1980):298 Die ursprüngliche Tradition von Jos 20 sei im Kurztext der LXX zu finden (V.1–3.6*.7–9). Erst zu einem späteren Zeitpunkt seien die dtr. Ergänzungen in V.4–6 eingefügt worden. Außerdem sei zeitgleich der zweite Infinitivsatz mit dem Tod des Hohepriesters eingetragen worden, um an Num 35,25 anzugleichen. Durch diese Zusätze wurde Jos 20 mit anderen Konzeptionen der Asylstädte harmonisiert und das Verfahren näher bestimmt. Möglicherweise sei der Kolophon in V.9 der älteste Textteil dieses Kapitels.299 Allerdings wird bei diesem Entwurf die Frage nicht beantwortet, woher das Plus der LXX stammt und wie aus LXX harmonisch MT entstehen konnte. Die dtr. Zusätze in V.3 wie auch die priesterlichen Ergänzungen in 6b werden ebenfalls nicht diskutiert. Petersen (1980):300 Der Abschnitt der Gabe der Asylstädte wird insgesamt als priesterlich klassifiziert, wobei der Ausdruck bibelî dāʿat in V.3 und V.5 als dtr. Glosse betrachtet wird. Allerdings wird bei dieser Deutung weder der textkritische Befund der LXX, noch die dtr. Sprache in V.4 beachtet. Selbst nach Abzug der dtr. Ergänzungen ergibt sich kein konsistenter widerspruchsfreier Text, da selbst die priesterlichen Passagen zueinander in Spannung stehen und diachron gewachsen sein müssen. Rofé (1985):301 Aufgrund der in Jos 20 verwendeten Idiomatik könnte man zwischen einem priesterlichen Text in V.1–3 (abgesehen von bibelî dāʿat) und in V.7–9 sowie einem dtr. Text in V.4–6 (abgesehen vom ersten ʿad-Infinitivsatz) unterscheiden, wobei die Klassifizierung der Idiomatik von V.6 problematisch sei, da hier priesterliche und dtr. Sprache
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6)
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8)
297
Vgl. MITTMANN 1975, 131. Vgl. FISHBANE 1980, 443–446. 299 Vgl. hierzu auch STACKERT 2007, 97, dem zufolge die Ergänzungen auf zwei Hände zurückgehen: V.4–5 seien dtr., während V.6* eine Angleichung an Num 35 sei. 300 Vgl. PETERSEN 1980, 144. 301 Vgl. ROFÉ 1985, 136–141. Ähnlich GERTZ 1994, 151–154. 298
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
überlappen. Allerdings ist schon in V.3 eine Mischung von priesterlichen und dtr. Idiomen festzustellen. Auch die inhaltlichen Spannungen zwischen V.4–5 und V.6 oder zwischen V.7 und V.8 werden kaum berücksichtigt. 9) Gray (1986):302 Bei diesem Entwurf wird der Befund der LXX für die redaktionsgeschichtliche Einordnung der V.4–6 fruchtbar gemacht. Offenbar sei es zu einer wechselseitigen Beeinflussung von Jos 20, Num 35, Dtn 4 und Dtn 19 gekommen. Der dtr. Redaktor habe zudem eine alte Tradition übernommen. Anscheinend habe ein Redaktor die geographischen Hinweise in V.7 dahingehend missverstanden, dass er in V.8 zusätzlich die Oststämme eingetragen hat. Allerdings bleibt diese literarkritische Hypothese stark an der Oberfläche verhaften, da die Mischung von priesterlichen und dtr. Idiomen in V.4–6 nicht konsequent berücksichtigt wird. 10) Cortese (1990):303 Jos 20 sei ein priesterlicher Text, der zunächst mit Num 35 zusammenhängt und anschließend in V.4–6 von einem nachpriesterlichen Redaktor nach Num 35,11–12 und Dtn 19 bearbeitet worden ist, worauf die Kurzversion der LXX ebenfalls hinweise. Auch die Doppelung in V.3, die ebenfalls in LXX fehlt, sei erst nachträglich eingefügt worden. Auf diese Weise lasse sich auch das Nebeneinander von „Älteste“ und „Gemeinde“ im Endtext erklären. Allerdings beschränken sich die Bezüge von V.4–6 zu Num 35,11–12 lediglich auf den ersten Infinitivsatz in V.6 und die Parallelen zu Dtn 19 erstrecken sich nicht nur auf V.4–5, sondern auch auf V.3. Außerdem stellt sich die Frage, weshalb ein nachpriesterlicher Redaktor die Spannungen in V.4–6 bezüglich des Gerichtsverfahrens, der Fristbestimmung und der beteiligten Gremien überhaupt erst erzeugt haben sollte. 11) Görg (1991):304 Die Einheit von den Asylstätten wird abgesehen von dem Eintrag der ʿedāh „Gemeinde“ in V.6 als einheitlicher Text gesehen. Lediglich der Begriff „Gemeinde“ stehe in Spannung zur Funktion der „Ältesten“ in V.4. Außerdem erfolge in V.6 eine zweifache Fristenfestlegung. Es könnte sich hierbei um eine priesterliche Erweiterung handeln. Allerdings wird der Bezug der beiden Stellen zueinander, die den Infinitivsatz ʿad ʿåmdô lifnê hāʿedāh verwenden (V.4 und V.9), bei dieser Interpretation nicht berücksichtigt. Auch die Spannung zwischen V.3 und V.4 wird nicht in den Blick genommen. Die Verwendung von priesterlicher und dtr. Idiomatik wird ebenfalls nicht für die Literarkritik herangezogen.
302
Vgl. GRAY 1986, 46f. Vgl. CORTESE 1990, 79f. 304 Vgl. GÖRG 1991, 89f. 303
2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Lösungsansätze
57
12) Ben Zvi (1992):305 In Jos 20 gibt es Passagen, die dtr. Sprache oder priesterliche Idiomatik verwenden und daher wohl auf unterschiedliche Hände zurückgehen. Außerdem sei die Vorgehensweise hinsichtlich des Asylrechts in Jos 20 widersprüchlich. Darüber hinaus bieten die priesterlichen Passagen einen kohärenten Text, der auffälligerweise mit der Version von LXXB zusammenfällt. Daher sei der ursprüngliche Text in V.1– 3.6*.7–9 zu finden. Redaktionell seien dann V.4–6 gemäß Dtn 19 ergänzt worden. Allerdings werden bei dieser Lösung weder das Plus der LXX noch die dtr. Anteile in V.3 berücksichtigt. Auch auf den priesterlich-dtr. Mischstil in V.6 wird bei dieser Lösung nicht näher eingegangen. 13) Fritz (1994):306 Da Jos 20 im Stil einer YHWH-Rede verfasst ist, scheine der Grundbestand auf einen dtr. Redaktor zurückzugehen. Nur in V.6 und 9 sei priesterschriftlicher Einfluss zu beobachten. Dementsprechend sei der Grundbestand in Jos 20,1–5.7–8 zu finden, wobei hier gegenüber Dtn 19 selbstständig formuliert werde und neue Akzente gesetzt werden. Der Rest stamme hingegen von einem priesterlichen Redaktor, der die Profanisierung des Rechtsinstituts der Asylstadt wiederum an die Kultgemeinde zurückbindet und an die Lebenszeit des jeweiligen Hohepriesters koppelt. Allerdings ist fraglich, wieso ein dtr. Redaktor priesterliche Sprache verwendet hat, wo ihm doch Ausdrücke aus dem Buch Deuteronomium ebenfalls vorlagen, die er hätte verwenden können. Auch die Spannungen zwischen V.3 und V.4 sowie innerhalb von V.6 werden nicht berücksichtigt. 14) Nelson (1997):307 Die ursprüngliche Tradition sei in V.1–3, im ersten Teil von V.6 und schließlich in V.7–9 zu finden. Zwar folge dieser Text den prinzipiellen Vorgaben von Dtn 19,1–8, er übergehe aber die Forderung nach drei weiteren Asylstädten in Dtn 19,9. Vielleicht waren nur die westjordanischen Asylstädte ursprünglich, da in V.8 zusätzlich noch Stammesnamen ergänzt sind, was in V.7 fehlt, da hier geographische Bezeichnungen gewählt werden. Ausgehend von Jos 20 sei schließlich Num 35 geschaffen worden, was die Ähnlichkeiten zwischen beiden Versionen der Asylstädte erklären würde. Hinzu komme, dass die Abhängigkeitsverhältnisse nicht einseitig zu sehen sind. Vielmehr sei es zu wechselseitigen Angleichungen gekommen, wie die Ergänzung des Hohepriesters in V.6 zeige. Darüber hinaus gebe es noch literarische Verbindungslinien zu den Levitenstädten in Jos 21. Der unrevidierte Text ist zudem kaum dtr., sondern eher priesterlich geprägt. Die Überarbeitung des MT in den V.4–6* gleicht den Text an Dtn 19,1–13 an und führt als 305
Vgl. BEN ZVI 1992, 92. Vgl. FRITZ 1994, 203. 307 Vgl. NELSON 1997, 228–231. 306
58
Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
neues Element die Ältesten der Stadt ein. Nun wird ein erstes Gespräch mit den Ältesten geführt, um zu klären, ob der Totschläger überhaupt Asyl bekommen darf. Damit stehe dies in Spannung zu V.6, wo der Status des Totschlägers noch nicht entschieden ist. Außerdem werde noch die Fristbeschränkung auf den Tod des Hohepriesters aus Num 35,25 eingetragen, wobei diese Angabe noch dtr. nach Dtn 19,17 eingefärbt wird. Die Gabe der Asylstädte werde vom Redaktor in die Hände der Israeliten gelegt, um an Dtn 19 anzugleichen. Auf diese Weise handeln die Israeliten unter Aufsicht Josuas und Moses. Allerdings ist nicht sicher, ob in V.7–8 tatsächlich ursprünglich eine singularische Verbalform gestanden hat, die dann von MT in den Plural gesetzt wurde. Darüber hinaus liegt keine wirkliche Angleichung an die Asylgesetzgebung in Dtn 19 vor, da in V.4–6 auch abweichende und ergänzende Bestimmungen erwähnt werden. Schließlich stellt sich die Frage, weshalb ein priesterlicher Text dtr. Konzeptionen übernehmen sollte. 15) Schmidt (2002):308 Nicht der Kurztext der LXX sei als ursprünglicher Text aufzufassen, sondern MT ist sekundär durch die LXX-Übersetzer an Num 35 angeglichen worden, was schließlich zu den Kürzungen führt. Ausweislich des abrupten Subjektwechsels zwischen V.3 und V.4 liege es nahe, dass 3b sekundär als Angleichung an Num 35 ergänzt worden sei. Außerdem sei die Präpositionalverbindung bibelî dāʿat fest im Grundbestand verankert, da dieser Ausdruck auch in 5b auftaucht. In V.6 sei zudem der erste Infinitivsatz mit dem Stehen vor der Gemeinde ebenfalls eine Angleichung an Num 35, während alle anderen Aussagen V.4–5 weiterführen. Die Stammesangaben in V.8 seien ebenfalls mit Blick auf V.7 ergänzt worden, da die ursprünglichen Landschaftsnamen als Stämme missverstanden wurden. Schließlich sei V.9 aufgrund der Betonung der Tätigkeit der Gemeinde und des Geltungsbereichs auch für den Fremden mit Blick auf Num 35 ergänzt worden. Der Grundbestand von Jos 20, der aufgrund der Nennung des Hohepriesters aus nachexilischer Zeit stammt, sei zudem ein Ausführungsbericht zu Dtn 19 gewesen.309 Erst später sei die Konzeption in Num 35 entwickelt worden. Dementsprechend wurde erst mit dem Kurztext Jos 20-LXX konsequent ein reiner Ausführungsbericht zu Num 35 geschaffen.310 Fraglich ist jedoch, weshalb ein priesterlich geprägter Grundtext ein Ausführungsbericht zu Dtn 19 sein soll. Die wenigen dtr. Anleihen fallen in V.1–3a kaum ins Gewicht. Darüber hinaus wird die unterschiedliche Beschreibung der Asylstädte V.7 (mit har + Stammesname) und V.8 (mit Landschaftsbezeichnung oder Landschaftsname) nicht berücksichtigt. Die 308
Vgl. SCHMIDT 2002, 106–108. Ähnlich auch COCCO 2016, 150–156. Vgl. SCHMIDT 2002, 110. 310 Vgl. SCHMIDT 2002, 120f. 309
2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Lösungsansätze
59
Doppelungen in V.3 (rôṣeaḥ bzw. makkeh næpæš und bišegāgāh bzw. bibelî dāʿat) werden ebenfalls nicht literarkritisch ausgewertet. 16) Hossfeld (2003):311 Vielleicht gehe der ursprüngliche Texte zunächst nur auf die Bestimmung von drei westjordanischen Asylstädten in V.7 zurück, denen dann als Einleitung die V.1–3 vorgeordnet worden seien, sodass V.7 die Ausführung der Anordnung geworden sei. Die V.1–3 beziehen sich angeblich auf Dtn 19 zurück, kleiden die dtn Konzeption aber auch in priesterliches Denken und priesterliche Sprache. Dann könnten die ostjordanischen Aslystädte in V.8 ergänzt worden sein, wobei dieser Abschnitt mit Jos 21 zusammenhängen könnte.312 Im Anschluss wäre schließlich V.4–6 eingearbeitet worden, wobei hier wiederum deuteronomische und priesterliche Konzeption und Sprache miteinander vermischt wurden. Der erste ʿad-Infinitivsatz mit dem Stehen vor der Gerichtsgemeinde in V.6 sei schließlich erst zusammen mit V.9 eingetragen worden, um an Num 35 anzugleichen. Auch bei diesem Entwurf wird ein Bezug der Grundschicht zu Dtn 19 gesehen, obschon sich V.1–2 idiomatisch klar mit Num 35 verbinden lassen. Die These, dass sich hier priesterliche und dtr. Sprache miteinander vermischen, vereinfacht den Befund, da infolgedessen nur noch mithilfe von inhaltlichen Kriterien die Spannungen beseitigt werden. Die Doppelungen in V.3 werden ebenfalls nicht berücksichtigt. 17) Staszak (2006):313 In V.3 werde der priesterliche Ausdruck bišegāgāh als unnötige Doppelung gestrichen. Außerdem führe der Neueinsatz in 3b den „Löser des Blutes“ ein, wobei 4a mit dem Totschläger als implizites Subjekt fortfährt, sodass 3b eine sekundäre Ergänzung wäre. Als Vorgabe des Grundbestandes diene nicht Num 35, sondern Dtn 19. Dementsprechend könne auch 5b zur ursprünglichen Tradition gehört haben, zumal 5b aus Dtn 19,4.6 entnommen wurde. Darüber hinaus sei V.6 eine zweistufige Ergänzung aufgrund von Num 35,9–15 (Stehen vor der Gemeinde) und Num 35,25–29 (Tod des Hohepriesters). Durch die Wiederaufnahme von weyāšab in V.6 werde an V.4–5 angeschlossen und die erste Ergänzung in 6a (ohne den zweiten ʿad-Infinitivsatz) sowie V.9 im Anschluss an Num 35,9–15 eingetragen. Eine zweite Ergänzung arbeite Num 35,25–29 und Anklänge an Dtn 19,11–12 ein, indem hier mit dem Tod des Hohepriesters eine sinnvollere Option geboten werde. Die Stammesangaben in V.8 seien ebenfalls Zusätze im Anschluss an Dtn 4,41–43. Vielleicht ist V.8 noch vor der zweiten Ergänzung eingetragen worden, da die Stammesnamen schon im Kurztext von LXXB stehen, aber noch nicht die Fristbestimmung mit dem Hohepriester. Auch 311
Vgl. HOSSFELD 2003, 53–56. Vgl. HOSSFELD 1993, 660. 313 Vgl. STASZAK 2006, 282–289. 312
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
der Ausdruck Yerîḥô mizrāḥāh ist redaktionell im Anschluss an Jos 13 eingefügt worden, zumal die ostjordanischen Asylstädte nicht wirklich „östlich von Jericho“ liegen. Fraglich ist jedoch, weshalb ein priesterlich geprägter Grundtext mit Dtn 19 verbunden werden soll. Die wenigen dtr. Anleihen fallen in V.1–3a zumindest kaum ins Gewicht. Hier liegt priesterliche Sprache im Anschluss an Num 35 vor. Die Wiederaufnahme von weyāšab aus 4b in V.6 deutet höchstens an, dass die Erklärung in V.5 ein Nachtrag sein könnte. 18) Stackert (2007):314 Der Kurztext von LXXB sei die ursprüngliche Tradition, die in einem Zwischenschritt um dtr. Zusätze erweitert worden sei. In diesem Zwischenschritt wurde bibelî dāʿat in V.3 und der Abschnitt V.4–5 ergänzt, der durchwegs dtr. geprägt ist. Außerdem wurde der Überschuss der LXX in V.3 getilgt, da diese Vorstellung nicht in die dtr. Konzeption passte. Diese dtr. Redaktionsschicht umfasse V.1–5.6aβ.7–9. Diese Redaktion entspricht der dtr. Vorstellung des Asylgesetzes und führt dieses weiter. Danach wurde 6aα.b ergänzt, wobei 6aα vielleicht im Rahmen einer Textverderbnis vor 6aβ wanderte oder ein nachlässiger Redaktor die Bestandteile von Num 35,25 um den bereits vorhandenen 6aβ positioniert hat. Diese letzte Ergänzung sei als priesterlich-dtr. zu klassifizieren. Allerdings sind entgegen diesem Entwurf die V.4–5 nicht notwendigerweise nur dtr. geprägt, da die Verben ʿMD und YŠB in Num 35 und nicht in Dtn 19 belegt sind. Hinzu kommt, dass der störende Infinitivsatz 6aβ den übernommenen Vers Num 35,25 zerstört, was mit den herangezogenen Behelfskonstruktionen nicht schlüssig erklärt werden kann. Auch die Fristbestimmung mit dem Tod des Hohepriesters passt eigentlich nicht in die dtr. Konzeption. Außerdem wird der harte inhaltliche Übergang von V.3 zu V.4 nicht berücksichtigt. Schließlich werden die Spannungen in V.7–8 ebenfalls nicht in den Blick genommen. 19) Rösel (2011):315 Jos 20 sei insgesamt ein später Text, der priesterliche und dtr. Vorstellung miteinander verbindet. Vermutlich repräsentiere die Kurzversion von LXXB den ursprünglichen priesterlichen Text, der in V.3 um bibelî dāʿat und um V.4–5 dtr. erweitert wurde, um die priesterliche Vorstellung an die dtr. Konzeption anzugleichen. Auch in V.6 gehört vermutlich nur die erste Fristbeschränkung, die auch in LXXB belegt ist, zur ursprünglichen Tradition. Das in LXX fehlende Idiom Yerîḥô mizrāḥāh in V.8 scheint darüber hinaus ein später Ausgleich mit Jos 13,32 zu sein.316 Allerdings bleibt bei dieser Literarkritik offen, wie man V.6 einordnen soll, zumal hier die unterschiedlichsten Konzeptio314
Vgl. STACKERT 2007, 96–104. Vgl. RÖSEL 2011, 324–327. 316 Ähnlich schon COOKE 1918, 192. 315
2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Lösungsansätze
61
nen und sprachlichen Idiome miteinander verbunden wurden, die zudem in Spannung zueinander stehen. Auch die Spannungen zwischen V.4–5 und V.6 werden nicht erklärt. 20) Germany (2019):317 Da die V.4–6 in LXXB fehlen könnte es sich hierbei um eine spätere Ergänzung handeln. Außerdem seien lexikalische und strukturelle Unterschiede zwischen der Bezeichnung der westjordanischen Städte in V.7 und der ostjordanischen Städte in V.8 festzustellen, sodass V.8 möglicherweise eine spätere Hinzufügung wäre, die das Konzept der 2½ ostjordanischen Stämme eingetragen habe. Allerdings fehlen V.4–6 nicht völlig in LXXB, sodass die literarischen Verhältnisse durchaus komplizierter sind. Auch die Unterschiede zwischen V.7 und V.8 müssen nicht diachron gedeutet werden. Alles in allem sind die unterschiedlichsten literarkritischen Konzeptionen entwickelt worden, die sich bisweilen ähneln. Allerdings ist keine Option über jeden Zweifel erhaben. Neben der Verwendung von priesterlicher und dtr. Idiomatik muss ein literarkritisches und redaktionsgeschichtliches Modell vor allem die folgenden zehn Spannungen sinnvoll erklären. Die Anforderungen an ein diachrones Modell werden am Text entlang entwickelt, was bisweilen zu einer gewissen Redundanz führt: 1)
Insgesamt ist V.3 überfüllt, da zwei Ausdrücke für den Totschläger (rôṣeaḥ und makkeh næpæš) und für die Qualifizierung der Tat (bišegāgāh und bibelî dāʿat) verwendet werden, wobei diese Idiome zum einen priesterlich, zum anderen dtr. geprägt sind. Inhaltlich stehen V.4–5 zu V.6 in Spannung.318 Denn in V.4 entscheiden die Ältesten am Tor, ob der unvorsätzliche Totschläger in die Asylstadt aufgenommen werden darf. Außerdem dürfen die Verantwortlichen den Totschläger nach V.5 nicht an den „Löser des Blutes“ ausliefern. Nach V.6 wird hingegen von der ʿedāh „Gemeinde“ der Fall endgültig entschieden. Der syntaktische Anschluss von V.4 hinter 3b ist schwierig, zumal die Pluralform aus 3b nicht weitergeführt wird und das singularische Subjekt nicht eindeutig aus dem Kontext geschlossen werden kann.319 Außerdem steht V.4 zu V.3 in Spannung, da das Subjekt von den Asylstädten abrupt zum Totschläger wechselt, ohne dass dies in V.4 explizit ausgeführt wird.320
2)
3)
317
Vgl. GERMANY 2019, 327. Vgl. hierzu DAVID 1951, 32; GERTZ 1994, 151; MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY 2013, 47f. Ähnlich auch STACKERT 2007, 97; DIETRICH 2008, 75. 319 Vgl. zu diesem Problem SCHMIDT 2002, 107; HOSSFELD 2003, 54; STASZAK 2006, 283. 320 Vgl. SCHMIDT 2002, 105. 318
62
Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
4)
Auch wenn V.4–5 dtr. Idiome verwenden, sind sie schwerlich mit den dtn Vorgaben zur Asylgesetzgebung in Dtn 19 kompatibel, da hier neue Bestimmungen eingetragen werden. Anscheinend liegt hier Weiterarbeit im Sinne des Buches Deuteronomium vor, aber nicht eine Aufnahme von dortigen Vorstellungen. Darüber hinaus liegen die beiden Verse, die den Aufenthalt des Totschlägers mit dem Verb YŠB beschreiben, nicht auf einer Ebene. Denn nach V.4 wohnt der Totschläger nach der Aufnahme in der Asylstadt offenbar dauerhaft dort, während er sich nach 6a nur solange in der Asylstadt aufhält, bis es zu einem Gericht vor der Gemeinde kommt.321 Die Entscheidung der Ältesten ist zudem nicht nur vorläufig.322 Denn in V.5 wird bereits betont, dass der Flüchtige unabsichtlich einen Menschen getötet hat, sodass sich zu Recht die Frage stellt, weshalb es überhaupt noch einer weiteren Verhandlung bedurfte. Die beiden Fristbestimmungen mit ʿad, die unverbunden nebeneinanderstehen, lassen sich auf der Ebene des Endtextes nicht erklären. Denn die beiden Fristbestimmungen sind nicht identisch, zumal das Gericht vor der Gemeinde kaum zum Zeitpunkt des Todes des Hohepriesters stattfindet. Dann stellt sich aber die Frage, was in der Zwischenzeit geschehen soll.323 Vielleicht sind beide Optionen als Alternativen zu verstehen. Dann müsste der Flüchtige in der Asylstadt bleiben entweder bis zur ordentlichen Gerichtsverhandlung (Option 1) oder bis zum Tod des Hohepriesters (Option 2). Hinzu kommt, dass Option 1 in Spannung zur Entscheidung der Ältesten in V.4 und zur Feststellung, dass der Flüchtige ohne Absicht getötet hat, in V.5 steht. Da nach den V.4–5 eigentlich schon alles durch die Ältesten entschieden ist, bedarf es keiner zweiten Gerichtsverhandlung vor der Gemeinde.324 Dementsprechend würde sich der erste Infinitivsatz erübrigen. Außerdem erweckt die Pluralform in V.7 den Eindruck, dass dieser Vers als Fortsetzung von V.3 passen würde, wo bereits die Israeliten als handelnde Subjekte genannt sind, zumal in V.4–5 mit den Ältesten und dem Löser des Blutes andere Protagonisten eingeführt werden und dort nicht die Einsetzung der Asylstädte, sondern das zum Asylrecht gehörige Verfahren beschrieben wird.325
5)
6)
7)
8)
321
Vgl. MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY 2013, 48. Vgl. SCHMIDT 2002, 105. Auch GERTZ 1994, 151 Anm 135 wendet sich gegen die Vorstellung, dass zwischen Vor- und Hauptverhandlung zu unterscheiden wäre, zumal letztere dann nur noch bestätigende Funktion gehabt haben könne. 323 Vgl. MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY 2013, 49. 324 Nach DIETRICH 2008, 75 passe die Fristbestimmung mit dem Tod des Hohepriesters zur Entscheidung der Ältesten im Torbereich, sodass das Gerichtsverfahren vor der „Gemeinde“ sekundär ergänzt wäre. 325 Vgl. hierzu auch STASZAK 2006, 286. 322
3. Eigener Entwurf
63
9)
Schließlich kann V.8 ein redaktioneller Zusatz sein, zumal das Verb (von QDŠ bzw. QRY zu NTN) und die Verbformation (von wayyiqtol zu xqatal) wechselt.326 Auch die geographische Einführung „jenseits des Jordans“ zeigt, dass hier die Perspektive geändert wird. Ein expliziter Hinweis auf das Westjordanland fehlt zudem in V.7. Außerdem werden nur in V.8 Angaben zu den Stämmen angefügt, während es sich in V.7 um geographische Bezeichnungen gehandelt hat. Eine solche Zuordnung zu einzelnen Stämmen findet sich ansonsten noch in Jos 21, sodass diese Angaben in V.8 vielleicht auf den Nachtragscharakter von V.8 in Angleichung an Jos 21 hinweisen könnten, wobei in V.8 jeweils die erstgenannte Levitenstadt aus Jos 21,27.36.38 als Asylstadt bestimmt wurde.327 Aus diesem Grund wären dementsprechend die drei ostjordanischen Städte auch nicht ähnlich gleichmäßig im Land verteilt wie die westjordanischen Asylstädte. Somit entspricht die Lage der ostjordanischen Asylstädte, bei denen zwei im Norden und eine im Süden liegt, nicht der gleichmäßigen Verteilung der Asylstädte, die in Dtn 19 angezielt wird, damit diese Städte vom unvorsätzlichen Totschläger innerhalb kurzer Zeit erreicht werden können.328 Darüber hinaus wechselt nun die räumliche Abfolge der Asylstädte. Während die westjordanische Reihe von Nord nach Süd verlief, werden jetzt Städte von Süd nach Nord aufgezählt.329 10) Durch den Ausführungsbericht in V.7–8 wird schließlich der Wechsel der Sprecherperspektive in V.9 umgangen, zumal die Israeliten in V.2 direkt angesprochen werden. Durch den Ausführungsbericht ist die Gottesrede an die Israeliten eigentlich schon abgeschlossen. Außerdem dient V.9 als Kolophon des Abschnitts. Für einen Kolophon ist zudem ein Sprecherwechsel nicht auffällig.330
3. Eigener Entwurf Die oben genannten Beobachtungen können für ein angemessenes redaktionsgeschichtliches Modell zu Jos 20 fruchtbar gemacht werden. Das diachrone Wachstum von Jos 20 lässt sich folgendermaßen bestimmen: 326
DIETRICH 2008, 74 sieht aufgrund der unterschiedlichen Verben eine gewisse Spannung zwischen heilig und profan, die Jos 20 insgesamt durchzieht. 327 Vgl. OTTO 2012, 596a; OTTO 2016, 1534. 328 Vgl. auch HOSSFELD 1993, 660. Nach SCHARBERT 1992, 136 habe es der Totschläger im Ostjordanland leichter, eine rettende Asylstadt vor dem Zugriff des „Lösers des Blutes“ zu erreichen. 329 Vgl. hierzu MITTMANN 1975, 131 Anm. 6; AULD 1978, 28f. 330 Nach STACKERT 2007, 111 wird auf diese Weise der abrupte Sprecherwechsel in Num 35,15 geschickt beseitigt.
64
Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
1)
Priesterliche Redaktion: Aufgrund der starken lexematischen Entsprechungen von V.1–3 mit Num 35,9–15 scheint dieser Abschnitt der Ausführungsbericht zu Num 35,9–15 zu sein.331 Hierauf weist auch der parenthetisch eingefügte Relativsatz am Ende von V.2 hin, der zwar die Syntax etwas stört, aber den Bezug zur priesterlichen Asylgesetzgebung in Num 35 herstellen möchte. Lediglich die beiden dtr. Idiome rôṣeaḥ und bibelî dāʿat sind vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt eingetragen worden (s.u.), als man den ursprünglich priesterlichen Text noch an die Asylgesetzgebung des Buches Deuteronomium, näherhin an Dtn 4, angleichen wollte, wobei man die beiden Ausdrücke rôṣeaḥ und bibelî dāʿat vor und nach dem priesterlichen Ausdruck makkeh næpæš bišegāgāh eingetragen hat. Durch diese dtr. Rahmung wird auch das priesterliche Verständnis überformt. Nach der priesterlichen Redaktion, die den Vorgaben aus Num 35,9–15 folgt, muss der Totschläger sich in der Aufnahmestadt aufhalten, bis es zu einer Urteilsfindung vor der ʿedāh „Gemeinde“ gekommen ist. Dies wird durch den ersten ʿad-Infinitivsatz in V.6 bereits ausgedrückt und durch den abschließenden Kolophon in V.9 bestätigt. Durch die Liste der einzelnen Asylstädte in V.7–8 wird der Perspektivenwechsel von Num 35,14 (von yiqtol 2. Maskulin Plural zu 3. Feminin Plural) geschickt umgangen. Immer wieder wurde die Nähe der Liste der Asylstädte in V.7–8 zu Jos 21 beobachtet und ein irgendwie geartetes Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden Texten hergestellt. Vermutlich hat der Autor der V.7–8 verschiedene Angaben aus Jos 21 genommen, um diesen Abschnitt mit den Asylstädten zu konstruieren. Zu späterer Zeit ist es darüber hinaus in V.7–8 noch zu sekundären Erweiterungen gekommen. Durch die sechs Asylstädte wird zumindest die Vorgabe aus Num 35,14 eingelöst. Der abschließende V.9 nimmt die Erweiterung auf den ger „Fremden“ aus Num 35,15 auf und schließt den Ausführungsbericht ab. Außerdem wurde das Nomen ʿārê hammûʿādāh anstelle von ʿārê miqlāṭ verwendet, da es sich um „Städte der Festsetzung“ gehandelt hat, die die Israeliten für den versehentlichen Totschläger „festgesetzt“ haben. Es handelt sich somit bei ʿārê hammûʿādāh weder um einen altertümlichen noch um einen späten Alternativbegriff für die Asylstadt. In V.9 ist zudem der ursprüngliche Begriff von V.3 makkeh næpæš bišegāgāh erhalten, was ebenfalls zeigt, dass V.9 zur ersten Redaktion gehört und dieser priesterliche Ausdruck in V.3 dtr. gerahmt wurde. Als Ausführungsbericht zu Num 35,9–15 wird schließlich die priesterlich geprägte Redaktion hier eingetragen. Die genannten Städte sind festgesetzte Aufnahmestädte, in denen sich der Totschläger bis zum Gericht vor der Gemeinde aufhalten soll. Was mit dem Totschläger nach 331
22.
FREVEL 2020a, 79 verweist ebenfalls auf die Verbindung von Num 26–36 zu Jos 13–
3. Eigener Entwurf
65
dem Gerichtsurteil geschieht, wird in der ersten Redaktion noch nicht thematisiert. Der Kurztext der LXX versucht hingegen, aufgrund der widersprüchlichen Erweiterungen diesen alten homogenen Text wiederherzustellen, wobei aber in V.3 noch aus V.9 das Verbot der Hinrichtung des Totschlägers durch den „Löser des Blutes“ eingetragen wurde. Zur Verdeutlichung ist in V.3 das Nomen ʿārîm in LXX eingetragen worden, auf das aber auch verzichtet werden kann, da es durch den Kontext vorgegeben ist. Priesterlich-dtr. Ergänzung: Noch vor den dtr. Einschüben ist V.6 an Num 35,22–32 angeglichen worden, indem man zunächst das Wohnen des Totschlägers in der Asylstadt aus Num 35,25 vor dem ersten ʿadInfinitivsatz eingetragen hat. Wie schon in Num 35 zwei unterschiedliche Fristbestimmungen zu finden waren, wird durch diese Ergänzung asyndetisch und damit deutungsoffen der zweite ʿad-Infinitivsatz angeschlossen, sodass sich wie in Num 35 ein gewisser Bedeutungsspielraum ergibt (Gerichtsverfahren vs. Tod des Hohepriesters). Das Gericht vor der Gemeinde und/oder der Tod des Hohepriesters sind somit Beschränkungen für den Aufenthalt des geflüchteten Totschlägers in der jeweiligen Aufnahmestadt. Da der Ausdruck ʾašær yihyæh bayyāmîm hāhem ausschließlich im Buch Deuteronomium belegt ist,332 könnte in V.6 ein priesterlich-dtr. Mischstil vorliegen, der Idiome aus beiden Idiolekten verwendet. Dtr. Redaktion: Erst als man den Abschnitt der Asylstädte in das dtr. geprägte Josuabuch aufgenommen hat, kam es zu einer Angleichung der gesetzlichen Rahmenbedingungen an Vorgaben, die das Buch Deuteronomium entwickelt hat. Insofern wurde in V.4 die Institution der „Ältesten“ im Torbereich eingeführt, die juristische Funktionen ausgeübt und offenbar eine erste Voruntersuchung zum Fall des flüchtigen Totschlägers angestrengt haben. Auf diese Weise entstand eine Konkurrenzsituation zur priesterlichen ʿedāh „Gemeinde“ aus V.6 und V.9. Die Aufnahme in der Asylstadt – ausgedrückt mit ʾSP – ist vermutlich eine Angleichung an Dtn 22,2, wo die Verantwortlichkeit für Fundsachen beschrieben wird. Durch diese dtr. Redaktion wird der priesterliche Text den Vorgaben des Buches Deuteronomium angeglichen. Allerdings wird mit der Voruntersuchung am Tor auch ein neues Element eingeführt. Denn nun darf nur der mutmaßlich versehentliche Totschläger die Asylstadt betreten.333 Dtr. Erweiterung: Eine weitere dtr. Hand hat in V.5 aufgrund des in V.6 bereits vorgegebenen Stichwortes des Wohnens in der Asylstadt die Forderung nachgetragen, dass der flüchtige Totschläger nicht ausgeliefert
2)
3)
4)
332 333
Dtn 17,9; 19,17; 26,3. Vgl. hierzu auch BARMASH 2005, 92f.
66
Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
werden dürfe. Durch die Wiederaufnahme von weyāšab aus V.6, das man V.4 angeschlossen hat,334 konnte man die neuen Gedanken in V.5 organisch ergänzen. Für einen dtr. Nachtrag spricht außerdem die Beobachtung, dass die beiden Ausdrücke SGR und YŠB + ʿim in der Sklavengesetzgebung von Dtn 23,16–17 ebenfalls auftauchen.335 Somit sind aufgrund des Stichwortes weyāšab aus V.6 die weiteren dtr. Vorstellungen in V.5 eingetragen worden. Hinzu kommt, dass sich weyāšab mit Dtn 23,17 verbinden lässt (ʿimmekā yešeb). Auf diese Weise wird der Status des Totschlägers mit einem geflohenen Sklaven gleichgesetzt. Aufgrund dieser Angleichung mit Dtn 23 ist in Jos 20 eine dtr. inspirierte Weiterführung eingetragen worden. Darüber hinaus wird noch der nicht-vorhandene Hass des Totschlägers als weiteres Kriterium für die Beurteilung der Tat aus Dtn 19,4 erwähnt. Auf diese Hand gehen vermutlich auch die dtr. Einträge in V.3 (rôṣeaḥ und bibelî dāʿat) zurück, da diese Ausdrücke nur in V.5 ebenfalls belegt sind. Beide dtr. Ausdrücke rahmen zudem das priesterliche Idiom makkeh næpæš bišegāgāh. In V.8 wird die ostjordanische Liste mit Asylstädten noch durch das zusätzlich Verb nātenû erweitert, das aufgrund von x-qatal auf die vergangenheitliche Gabe der Asylstädte durch Mose gemäß Dtn 4,41–43 verweist. Dementsprechend ist auch das Verb nātenû eine sekundäre Angleichung an das Buch Deuteronomium. Glossen: In V.8 sind noch weitere schriftgelehrte Glossen eingetragen worden. Die Angabe Yerîḥô mizrāḥāh „östlich von Jericho“ ist vermutlich eine sekundäre Angleichung an Jos 13,32. Dementsprechend wurde der Ausdruck meʿebær leYarden noch durch Yerîḥô mizrāḥāh ergänzt, was allerdings die Lage der folgenden topographischen Angaben vor dem Hintergrund einer ungenauen Ergänzung vernebelt, da keiner der Orte auf der Linie von Jericho liegt. Auf diese spätere Auffüllung mag auch LXXB hinweisen, die ganz auf die syntaktisch schwierig eingebundene Angabe Yerîḥô mizrāḥāh verzichtet. Schließlich sind noch die Stammesangaben (Ruben, Gad, Manasse) sekundär eingetragen worden, wobei man den priesterlichen Ausdruck maṭṭæh verwendet hat. Für den Nachtragscharakter spricht der Umstand, dass die Stammesbezeichnung an letzter Stelle des entsprechenden Eintrags steht. Dass hier keine redaktionell greifbare Hand vorliegt, zeigt schon die Beobachtung, dass bei Ostmanasse nicht darauf hingewiesen wurde, dass es sich eigentlich um einen Halbstamm gehandelt hat. Es hat außerdem den Anschein, dass
5)
334
Nach HARSTAD 2004, 639 ist weyāšab nicht final/konsekutiv zu deuten, sondern injunktiv: „und er soll/muss wohnen“. SEELIGMANN 1962, 316 weist jedoch darauf hin, dass nicht jede Wiederaufnahme literarkritisch zu deuten wäre. 335 Vgl. hierzu auch BARMASH 2005, 92.
4. Traditionsgeschichtliche Verortung der Asylstädte
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die in V.7 erwähnten geographischen Bezeichnungen die Stammesbezeichnungen in V.8 angeregt haben. Alles in allem lässt sich folglich ein nachvollziehbares Bild des diachronen Wachstums von Jos 20 nachzeichnen, das die sprachlichen Beobachtungen konsequent auswertet und die Spannungen berücksichtigt. In der ursprünglichen, priesterlich geprägten Tradition zu den Asylstädten waren die genannten Orte lediglich für den Aufenthalt des mutmaßlichen Totschlägers bis zur Gerichtsverhandlung gedacht. Die späteren Ergänzungen haben versucht, diese Konzeption mit weiteren priesterlichen und dtr. Vorstellungen zu harmonisieren, was aber zu gewissen internen Spannungen geführt hat. Auf diese Weise ist ein sehr spannungsreicher Text entstanden.
4. Traditionsgeschichtliche Verortung der Asylstädte Im Rahmen der Altar-Asylie wird meist vermutet, dass durch den Kontakt mit einem Altar die Heiligkeit auf den Asylsuchenden übergeht. Auf diese Weise werde der Flüchtige immun gegenüber der profanen Rechtsprechung. Diese Immunität gilt jedoch nur, solange der Kontakt zum Altar bestehe.336 Es ist somit durchaus plausibel, dass in früherer Zeit jedes Heiligtum als Ort des Asyls dienen konnte. Auf diese Weise konnte das Asylrecht von staatlichen Behörden eigentlich nicht wirklich reguliert werden, da es an jedem Heiligtum möglich war. Aus diesem Grund wäre das Recht auf Asyl mit Hilfe der Asylgesetzgebung auf bestimmte Orte festgelegt und damit beschränkt worden. Darüber hinaus sind sicherlich auch bestimmte gesetzliche Vorgaben getroffen worden.337 Bisweilen wird darüber hinaus angenommen, dass die Asylstädte für den schuldigen Totschläger drei Funktionen gehabt haben: Aufenthaltsort, Ort für Opfer unter priesterlicher Aufsicht und Ort des Befolgens des Rituals, das im Rahmen der Asylgesetzgebung zu befolgen ist.338 Allerdings ist die immer wieder rekonstruierte Vorstellung von der AltarAsylie für den Totschläger im alten Israel nicht über jeden Zweifel erhaben. Denn die hierfür bemühten Beispiele beziehen sich vor allem auf politisches Asyl und nicht auf den Fall der versehentlichen Tötung eines Menschen.339 Außerdem kann man bei Mord auch vom Altar weggezogen werden,340 sodass der Altar nicht notwendigerweise vor Bestrafung schützen muss. Auch das Wort māqôm, das in der Asylgesetzgebung des Bundesbuches in Ex 21,13 336 Vgl. zu dieser Konzeption MILGROM 1981, 299. Auch nach LEVINE 2009, 566f. bot ein Heiligtum Schutz und machte den Totschläger immun gegenüber jedwedem Zugriff. 337 Vgl. hierzu RÖSEL 2011, 324. 338 Vgl. BURNSIDE 2010, 260; BUTLER 2014, 202. 339 Vgl. hierzu BARMASH 2005, 73f. 340 Ex 21,14.
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
genannt wird, muss sich nicht zwingend auf einen Altar oder ein Heiligtum beziehen, sondern kann auch ganz allgemein einen bestimmten Platz meinen.341 Ein vergleichbares Rechtsinstitut wie die biblischen Asylstädte scheint es zumindest im Alten Orient für den versehentlichen Totschläger nicht gegeben zu haben,342 sodass auch der traditionsgeschichtliche Vergleich nicht weiterhilft. Hinzu kommt, dass nach priesterlicher Vorstellung ein flüchtender Totschläger wegen seiner Bluttat als unrein betrachtet werden muss, sodass er das Heiligtum eigentlich nicht betreten darf, damit dieses nicht verunreinigt wird. Dementsprechend können heilige Stätten mitunter auch nach priesterlicher Vorstellung nicht mehr als Ort des Asyls betrachtet werden.343 Eine Durchsetzung der Konzeption der Asylstädte könnte folglich auch auf priesterliche Interessen zurückgehen. Aus alledem folgt, dass es überhaupt nicht sicher ist, dass es in Israel tatsächlich ein funktionierendes System des Asyls des Totschlägers am Altar gegeben hat.344 Trotzdem ist die Möglichkeit des Asyls am Altar durchaus wahrscheinlich, auch wenn es belastbare Belege für ein kultisches Rechtsinstitut nicht gibt. Insofern wird die Gabe von Asyl eigentlich immer mit einem Heiligtum verbunden. Vor diesem Hintergrund wird vermutet, dass die biblischen Asylstädte seit jeher bedeutende Heiligtümer besessen haben müssten.345 Zwar war das Asylrecht vermutlich zunächst an geheiligte Stätten gebunden, da man dort einen kultisch abgesicherten Status erreichen konnte, aber es konnte sich unter gewissen Bedingungen auch von den Heiligtümern lösen, vor allem wenn sich ein Staatswesen herausbildet und die Rechtsprechung sich von religiösen Vorgaben emanzipierte.346 Hinzu kommt, dass zumindest nach priesterlicher Konzeption im Ostjordanland kein Heiligtum existieren konnte,
341
Zum Problem vgl. BARMASH 2005, 76–78. Vgl. BARMASH 2005, 203f.; MATTHEWS 2016, 145. Demgegenüber scheint diplomatisches Asyl im Ausland nicht ungewöhnlich gewesen zu sein. Nach DIETRICH 2008, 159 hat es institutionalisierte Asylstädte zudem erst in hellenistischer Zeit gegeben. 343 Vgl. hierzu HOUTMAN 1996, 352; SEEBASS 2007, 435f. 344 Vgl. PITKÄNEN 2010, 334f. Anders hingegen SCHULZ 1987, 58, dem zufolge „die Heiligtumsasylie einem Lebenssachverhalt entsprach“. 345 Vgl. LÖHR 1930, 33; DE VAUX 1960, 262f.; HERTZBERG 1985, 114f. Auch nach SINGER 1991a, 195 haben diese Städte sakrale Charakter. Anders hingegen EDERER 2017, 285, dem zufolge nicht alle Asylstädte ein Heiligtum besaßen. GREENBERG 1959, 126 weist darauf hin, dass die Asylstadt insgesamt nicht als heiliger Ort betrachtet werden müsse. Nach SEITZ 1971, 226 ist darüber hinaus zweifelhaft, ob die ostjordanischen Asylstädte jemals Heiligtümer gewesen sind. Ihre Nennung im Rahmen der Asylgesetzgebung und der Umstand, dass dieses Gebiet in später Zeit nicht zu Israel gehört hat, weise aber auf das Alter der Überlieferung hin. Zum rechtlichen Verfahren der Asylie vgl. die Übersicht bei BURNSIDE 2010, 248f. 346 Vgl. hierzu auch NICOLSKY 1930, 162. 342
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da dieses Gebiet nicht zum Verheißungsland gehört.347 Wenn es folglich dort Asylstädte gegeben hat, dann waren dies sicherlich keine Heiligtümer mehr gewesen. Auch diese Beobachtung zeigt, dass sich zumindest die Vorstellung der Asylstädte von den Heiligtümern löste. Durch die priesterliche und dtn Asylgesetzgebung sind zumindest Asylstädte bestimmt worden, die vom Flüchtigen leicht zu erreichen waren, weshalb das Land in Jos 20,7–8 offenbar in sechs Bereiche mit je einer Asylstadt eingeteilt wurde.348 Die einzelnen Asylstädte waren jedenfalls strategisch geschickt gewählt, damit sie innerhalb eines Tages von jedem Punkt Israels aus erreichbar waren.349 Die sechs Asylstädte sind somit relativ gleichmäßig im Land verteilt,350 sodass der Totschläger, der um sein Leben rennt, möglichst nahe eine Möglichkeit des Asyls erhalten kann. Allerdings sind die westjordanischen Asylstädte weiter voneinander entfernt, sodass sie nicht so schnell zu erreichen waren, wie die ostjordanischen Asylstädte.351 Hinzu kommt, dass im kleineren und unbedeutenderen ostjordanischen Gebiet nicht ebenfalls drei Städte für administrative und juristische Zwecke nötig waren.352 Außerdem waren die ostjordanischen Asylstädte relativ ungleichmäßig über das Ostjordanland verteilt gewesen.353 Vielleicht sollte die Ausweitung auf Städte im Ostjordanland dieses Siedlungsgebiet legitimieren und eine Gleichrangigkeit zwischen West und Ost suggerieren. Falls es zudem zu einer Gebietserweiterung kommen sollte, hätte man auf ähnliche Weise weitere Asylstädte festlegen müssen.354 Fraglich ist allerdings, weshalb bei der Asylgesetzgebung nicht eine Siebenzahl an Asylstädten gewählt wurde, um diesem System den Anstrich der Vollkommenheit zu geben. Vielleicht ist daher 347 Vgl. MILGROM 1990, 505. Aus diesem Grund wäre es auch denkbar, dass die Asylstädte im Ostjordanland „gegeben“ (NTN) und nicht „geheiligt“ (QDŠ) worden sind. Allerdings ist die Wurzel NTN für die Gabe von Asylstädten in der priesterlichen Tradition nicht ungewöhnlich, sodass man den Wechsel der Wurzel nicht überbewerten sollte. 348 Nach GÖRG 1991, 90 könnten die Asylstädte ihren traditionsgeschichtlichen Ort in den Asylstättenlisten der ägyptischen Spätzeit haben, wie z.B. das Königsdekret von Athribis belegt. Bisweilen wird vermutet, dass hier ein kanaanäisches Rechtsinstitut aufgegriffen worden ist, vgl. LÖHR 1930, 33f. Aber zumindest letzteres ist nicht gesichert. 349 Vgl. HAWK 2006, 678; COLESON 2012, 154. Zur leichten Erreichbarkeit der Asylstädte, die eine Mehrzahl solcher Orte bedingt, vgl. auch BALLHORN 2011, 302. 350 Vgl. hierzu schon KEIL 1847, 362; MILLER/TUCKER 1974, 156; KOOPMANS 2002, 96; BARMASH 2005, 85; PITKÄNEN 2010, 334; EDERER 2017, 285. Dagegen aber BEN ZVI 1992, 97, dem zufolge zumindest die ostjordanischen Asylstädte nicht gleichmäßig verteilt sind. Kritisch zu einer gleichmäßigen Verteilung auch CHEN 1998, 104. Nach BALLHORN 2011, 305 seien nicht die Zahl der Stämme oder die Bevölkerungsdichte entscheidend, sondern allein die Erreichbarkeit der Asylstädte. Allerdings sind Ost und West nicht gleich groß, sodass im Osten auch weniger Asylstädte ausreichend gewesen wären. 351 Vgl. SEEBASS 2007, 435. 352 Vgl. BEN ZVI 1992, 98. 353 Vgl. OTTO 2012a, 602. 354 Vgl. zu dieser Vorgehensweise LEVINE 2009, 567.
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
Jerusalem mit dem zentralen Heiligtum ebenfalls als die Asylstadt schlechthin mitinbegriffen,355 zumal die biblischen Gesetzestexte nur die Innovationen einführen, ohne das bisher gültige Recht zu ersetzen. Dann könnte man allerdings auch die anderen Heiligtümer als Asylorte verstehen, zumal wenn es die Vorstellung von der Altar-Asylie gegeben hat. Immer wieder wird vermutet, dass das biblische Rechtsinstitut der Asylstadt durchaus alt gewesen sei. Denn in der vor- bzw. frühstaatlichen Zeit hat es in Israel noch kein staatliches Rechtswesen gegeben, sodass das Recht durch lokale Familien durchgesetzt werden musste, was mitunter zu blutigen Familienfehden führte. Durch die Möglichkeit des Asyls konnte zumindest die Blutrache zwischen befeindeten Familien effektiv eingedämmt werden.356 Die Asylstadt hätte folglich eine Schutzfunktion bei versehentlicher Tötung ausgeübt.357 In den biblischen Texten über die Asylstädte könnte zudem eine Entwicklung von nomadischen zu urbanen Vorstellungen zu beobachten sein,358 da hier die Rolle der Stadt als Schutz vor Blutrache entwickelt wird. Trotz dieser an sich plausiblen historischen Verortung der biblischen Asylgesetzgebung ist fraglich, ob die in den biblischen Texten entwickelten Vorstellungen jemals auf eine reale Institution zurückgeführt werden können, oder lediglich eine späte programmatische Konzeption waren.359 Diese Fragestellung gilt es im Folgenden noch näher zu untersuchen. 355
Zu Jerusalem als Ort des Asyls, vgl. ROFÉ 1986, 215; GÖRG 1991, 91; BRAULIK 1992, 140; GERTZ 1994, 132; OTTO 1999, 264f.; VAN SETERS 2003, 107; OTTO 2013, 218; OTTO 2019, 40. Kritisch hierzu aber REUTER 1993, 187; RUWE 2000, 205 Anm. 41. Dagegen auch EDERER 2017, 285, dem zufolge die Kultorte Jerusalem und Schilo bewusst ausgespart wurden, da es um eine dezentrale und gleichmäßige Verteilung der Asylstädte ging. Nach KNAUF 2008, 172 fehlt Jerusalem entweder weil Asylie an diesem Heiligtum selbstverständlich ist oder weil dieser heilige Ort nicht mit einem Blutschuldigen verunreinigt werden sollte oder weil dieser Ort zur Zeit Josuas noch gar keinen Tempel und darüber hinaus noch nicht in den Händen der Israeliten war. Zu letzterem vgl. auch SPRONK 1994, 162. Nach BALLHORN 2011, 302, weist das Fehlen von Jerusalem bei den Asylstädten darauf hin, dass es nicht nur einen Ort der Gottesnähe und Toraverwirklichung gebe, sondern das ganze Land zum Raum der Gottesnähe werde. DIETRICH 2008, 71, schließt sogar aus, dass ein Totschläger am Heiligtum von Jerusalem Zuflucht finden darf. Ob das aus der Nichterwähnung Jerusalems folgen kann, sei dahingestellt. 356 Vgl. auch FREVEL 2020c, 275, dem zufolge mithilfe der Asylstädte die gentile Blutrache begrenzt wird. 357 Nach FRITZ 1994, 202 ist mit dem Asyl für den Totschläger ein sakrales Geschehen verbunden, im Gegensatz zur profanrechtlichen Einrichtung des politischen Asyls. 358 Vgl. BUTLER 2014, 199. Manchmal wird ausweislich der Beobachtung, dass in der Bibel kaum von privater Vergeltung berichtet wird, vermutet, dass das Rechtsinstitut der Asylstädte effektiv gewirkt habe. Denn sonst wären derartigen Fälle zu erwarten gewesen, vgl. BOLING 1982, 476. 359 Vgl. GÖRG 1991, 90; FISTILL 2007, 142. OTTO 2012a, 600 hält die Asylgesetzgebung von Dtn 19 über Jos 20 bis Num 35 für „Rechtsfiktionen“. Zu dieser diachronen Abfolge auch NOTH 1971, 127; KNAPP 1987, 120; FRITZ 1994, 203; SEEBASS 2012, 255f.
4. Traditionsgeschichtliche Verortung der Asylstädte
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Bisweilen wird aufgrund der Erwähnung des Hohepriesters vermutet, dass das Rechtsinstitut der Asylstadt erst in nachexilischer Zeit entstanden sei.360 Zumindest hat der Hohepriester in nachexilischer Zeit einige Funktionen des früheren Königs übernommen.361 Allerdings passen die sechs Asylstädte nicht zu den territorialen und politischen Verhältnissen der nachexilischen Zeit, sodass die Asylgesetzgebung bestenfalls ein utopisches Konzept sein konnte. Vor allem drei historische Szenarien werden für die Asylstädte erwogen, da zu diesen Zeiten die in V.7–8 genannten Städte angeblich von Israel/Juda beherrscht wurden: die Zeit des Vereinten Königreiches im 10 Jh. v. Chr.,362 die Zeit von Jerobeam II. im 8. Jh. v. Chr.363 und die Joschijazeit im 7. Jh. v. Chr.364 Für die ersten beiden Optionen könnte auf den ersten Blick folgende Beobachtung sprechen. Manchmal wird nämlich vermutet, dass zwei Asylstädte aus Jos 20,7–8 bereits in Hos 6,8f. genannt werden würden ([Ramot]-Gilead und Sichem), was auf das Alter dieses Rechtsinstituts hinweisen könnte.365 Allerdings ist in diesen beiden Versen nicht deutlich, ob es sich bei den genannten Städten überhaupt um Asylstädte handelt. Darüber hinaus ist in Hos 6,8 nicht von Ramot in Gilead, sondern nur von Gilead die Rede. Eine Verbindung zu Jos 20,8 ist daher nicht angezeigt. Somit ist auch dieser frühe Kronzeuge nicht über jeden Zweifel erhaben. Außerdem setzt diese Deutung
Dagegen aber RUWE 2002, 195; TRAULSCH 2004, 63; FISTILL 2007, 141, die die Abfolge Dtn 19 – Num 35 – Jos 20 bevorzugen. 360 Dagegen aber SOGGIN 1982, 199. 361 Vgl. GRAY 1986, 162. Allerdings könnte die Liste mit sechs Asylstädten älter sein und aus vorexilischer Zeit stammen, vgl. ROSS 1973, 141f. 362 Vgl. LÖHR 1930, 34; GREENBERG 1959, 130–132; PHILLIPS 1970, 102; PHILLIPS 1973, 128; BOLING 1982, 473; SCHULZ 1987, 58; MILGROM 1990, 507f.; OTTOSSON 1991, 135; SPENCER 1992b, 658; WILLIS 2001, 123. Nach AḤITUV 1986, 11–16 stamme zwar die Rechtsinstitution der Asylstadt aus der Zeit des Vereinten Königtums, auch wenn die entsprechenden Texte erst in nachexilischer Zeit niedergeschrieben wurden. Zu einer derart frühen Verortung der Asylstadt-Tradition vgl. auch DOMERIS 1997, 1189. SEEBASS 2007, 435 vermutet ebenso, dass zumindest die ostjordanischen Städte auf die Zeit Davids bzw. Salomos zurückgehen würden. Nach FEINBERG 1947, 43 ist das Rechtsinstitut der Asylstadt sogar bereits in die Zeit Moses und Josuas angeblich zu datieren. 363 Vgl. zu dieser Option SPENCER 1992b, 658. Diese Datierung würde auf die Besiedlungsgeschichte der Asyl- bzw. Levitenstädte zurückgehen, da diese Städte vor allem im 8. Jh. v. Chr. belegt sind, vgl. PETERSON 1980, 698–724. 364 Vgl. hierzu COOKE 1918, 189; ROSS 1973, 138; MILLER/TUCKER 1974, 155; SOGGIN 1982, 198f.; DIETRICH 2008, 139f. Gegen eine Verortung im 7. Jh. v. Chr. aber BOLING 1982, 473, zumal zu dieser Zeit das Ostjordanland nicht mehr von Juda aus kontrolliert werden konnte. Darüber hinaus fehlt diese Institution in den Geschichtsbüchern der Bibel, was auf das hohe Alter der Asylstädte hinweisen könnte. 365 Vgl. DINUR 1954, 142; PHILLIPS 1970, 101f. Kritisch hierzu aber zu Recht REUTER 1993, 184; OTTO 1999, 254 Anm. 246; SCHMIDT 2002, 111 Anm. 25.
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
voraus, dass die priesterlich geprägte Ortsliste auf eine verhältnismäßig alte Tradition zurückgeht. Vor allem die dritte historische Verortung, die an die Joschijazeit denkt, wird gerade vor dem Hintergrund des dtn Gesetzes immer wieder vertreten. Man vermutet dann, dass das durchaus alte Rechtsinstitut der Asylstadt durch die Joschijanische Reform wiederum erneuert worden sei. Zu dieser Zeit sei die Asylie in die Hände von einem Laiengremium in den Asylstädten ohne Rückbindung an ein Heiligtum gegeben worden, worauf Jos 20,4–5 hinweisen würde. Auf diese Weise wären die früheren Heiligtümer in ihrer Bedeutung beschnitten worden. Denn nun sei das Rechtsinstitut vom Altar des lokalen Heiligtums genommen und bestimmten Asylstädten überantwortet worden.366 Eine Säkularisierung des Rechtsinstituts der Asylstadt ist vor allem im Kontext der dtn Asylgesetzgebung greifbar, während die priesterlichen Texte die Asyl- mit den Levitenstädten verbinden und schon aus diesem Grund ein sakraler Kontext naheliegt. Durch die Einrichtung von Asylstädten wäre somit das alte sakrale Recht des Asyls am Ortsheiligtum säkularisiert worden.367 Die Gabe von Asylstädten war schon vor dem Hintergrund notwendig, da das Zentralheiligtum für viele Flüchtige zu weit entfernt war.368 Im Rahmen der Kultzentralisation wäre somit durch das Rechtsinstitut der Asylstädte ein Ersatz für das Asyl in den Landheiligtümern geschaffen worden.369 Mit der Joschijanischen Reform hätte man folglich eine Verortung dieses Rechtsinstituts der Asylstädte. Diese Schlussfolgerung mag für Dtn 19 durchaus zulässig sein, gilt aber nicht gleichermaßen für Jos 20. Denn die V.4–5 gehören vermutlich zu einer späteren Ergänzung, sodass man diese dtr. anmutenden Passagen nicht zwingend mit der Joschijazeit verbinden darf. 366 Vgl. NELSON 1997, 228; OTTO 2016, 1528. Nach WELTEN 1992, 227 gehe zwar die Tradition der ausgewählten Asylstädte auf die Kultzentralisation unter Joschija zurück, aber die eigentliche Bestimmung von Asylstädten stamme aus nachexilischer Zeit. Nach ROSE 1994, 142f. sei es schon zur Zeit Hiskijas zu einer Zentralisierung gekommen, sodass die Institution der Asylstädte vielleicht schon einige Zeit vor Joschija eingerichtet worden sei. FREVEL 2020b, 507f. hält die Asylgesetzgebung insgesamt aber für eine kultische Institution, wobei der Hohepriester auch rechtliche Funktionen übernimmt. 367 Vgl. hierzu NICOLSKY 1930, 174f.; DAVID 1951, 38; REUTER 1993, 187; SCHMIDT 2002, 111; BALLHORN 2011, 302. Nach BRAULIK 1991, 65 hängt das Asyl somit nicht mehr an den lokalen Heiligtümern, sondern am Land und den ausgesonderten Asylstädten. Nach HOUTMAN 1996, 357 wurde aber das Asylrecht durch Num 35 wiederum resakralisiert. Vgl. auch TRAULSEN 2004, 66f.; RÜTERSWÖRDEN 2007, 227. Zu einer Resakralisierung sei es nach DIETRICH 2008, 76 auch in Jos 20 gekommen. 368 Vgl. hierzu auch ROFÉ 1986, 214f. 369 Vgl. zu dieser Entwicklung WELLHAUSEN 1963, 204f.; FRITZ 1994, 202; GERTZ 1994, 130–132; NIELSEN 1995, 189; OTTO 1999, 254; SCHMIDT 2004, 218; OTTO 2013, 217; PERLITT 2013, 380f.; HAGEDORN 2015, 298; OTTO 2019, 40. Nach SEITZ 1971, 225f. gibt es aber auch Beobachtungen, weshalb sich die Asylgesetzgebung von der Zentralisationsforderung unterscheidet. Kritisch hierzu auch VON RAD 1968, 92.
4. Traditionsgeschichtliche Verortung der Asylstädte
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Allerdings ist fraglich, ob es überhaupt zu einer Profanisierung bzw. Säkularisierung des ursprünglich kultischen Rechtsinstituts gekommen ist. Denn schon im dtn Kontext wird die Institution der Asylstädte mit der Wurzel BDL in Dtn 19,2 geradezu sakral aufgeladen, sodass diese Orte offenbar die sakrale Rechtsfunktion der Heiligtümer übernehmen.370 Neben der ungeklärten Frage, ob die Konzeption der Asylstädte auf priesterliche (Vermeidung der Verunreinigung des Heiligtums) oder dtr. Vorstellungen (Zentralisationsgebot) zurückgreift, ist ungeklärt, ob das Programm der Asylstädte auf eine tatsächliche Praxis zurückgeht. Die gleichmäßige Verteilung der einzelnen Orte in V.7–8 scheint zumindest anzudeuten, dass es sich bei den Asylstädten um eine literarische Konstruktion handelt, die nicht eine historische Situation oder ein bestimmtes politisches Programm widerspiegeln muss.371 Wenn die Darstellung in Jos 20 somit nur ideologischen Charakter hat, dann erschwert dies eine historische Verortung.372 Hinzu kommt, dass mit dem Asylrecht wirtschaftliche Folgen für die Asylstädte verbunden waren.373 Außerdem setzt dieses Rechtsinstitut eine gewisse Größe und wirtschaftliche Stärke der einzelnen Asylstädte voraus. Denn die Flüchtigen konnten zu einer dauerhaften Belastung für das Gemeinwesen der jeweiligen Asylstadt werden. In der Bibel wird zudem nicht davon berichtet, dass von diesen Asylstädten jemals Gebrauch gemacht wurde. Hinzu kommt, dass diese Städte nur in bestimmten Zeiträumen unter der Jurisdiktion der Israeliten standen. Angesichts dieser Beobachtungen ist die Diskussion der Asylstädte wohl eher theoretischer Natur.374 Alle bisher entwickelten traditionsgeschichtlichen Verortungen der Asylgesetzgebung tragen zu viele unbekannte Daten ein oder argumentieren zirkulär, ohne sich dessen bewusst zu sein. Eine angemessene traditionsgeschichtliche Verortung kann nur unter Berücksichtigung aller Texte erfolgen, was hier nicht geleistet werden kann. Zumindest einige Andeutungen können aufgrund der diachronen Wachstumsgeschichte gemacht werden: 1)
Nach priesterlicher Vorstellung sollten drei westjordanische und drei ostjordanische Orte bestimmt werden, in die der versehentliche Totschläger flüchten konnte, der aus Fahrlässigkeit oder Ignoranz einen Menschen getötet hat. Während der Tempel mit seinem Altar nur eine begrenzte Zeit Asyl gewähren kann, sind die Asylstädte für einen längeren Verbleib derjenigen gedacht, die versehentlich einen Menschen getö370
Vgl. OTTO 2016, 1528. Nach NIELSEN 1995, 190 wird hier halb zwischen profan und sakral formuliert. 371 Vgl. FRITZ 1994, 204f. Anders hingegen DINUR 1954, 135–146, dem zufolge die Asylstädte eine historische Institution waren. 372 Vgl. NELSON 1997, 230. 373 Vgl. FRITZ 1994, 204. 374 Vgl. HERTZBERG 1985, 115.
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Das angebliche Rechtsinstitut der Asylstädte (Jos 20)
tet haben.375 Die Asylstädte verhinderten zudem eine Verunreinigung des Heiligtums. Der Aufenthalt soll nach der ersten Redaktion nur bis zum ordentlichen Gerichtsverfahren gewährt werden.376 Was danach mit dem versehentlichen Totschläger passiert, wird in Jos 20 nicht näher bestimmt. Insgesamt wirkt die Ortsliste recht konstruiert, da bestenfalls ein ideales Israel über die genannten Asylstädte geherrscht hat. Dementsprechend ist hier nicht ein altes Rechtsinstitut im Blick, sondern hier wird ein Programm für die Zukunft entworfen. Dieses ideale Programm – vermutlich erst aus nachexilischer Zeit – wurde redaktionell mit anderen priesterlichen und dtr. Konzeptionen harmonisiert und erweitert, wodurch die Spannungen im Endtext entstanden sind.
2) 3)
4)
Die biblische Gesetzgebung zu den Asylstädten mag zwar traditionsgeschichtlich auf ein vorexilisches Rechtsinstitut zurückgehen. Beweisen lässt sich dies aber nicht. Der Gedanke, Asylstädte für den versehentlichen Totschläger festzulegen, könnte zwar mit dem dtn Zentralisationsgebot zusammenhängen und damit dem Mangel an verfügbaren Heiligtümern für Asyl entgegenwirken.377 Sicher ist das aber nicht, da es sich eher um ein fiktives Rechtsinstitut handelt. Es erscheint zudem unwahrscheinlich, dass Israel die Asylstädte jemals zu einer bestimmten Zeit beherrscht hat. Hinzu kommt das Problem, dass die Ortsliste in V.7–8 erst in einem nachexilischen, priesterlich geprägten Text belegt ist. Über das Alter der Gesetzgebung zu den Asylstädten ist ebenfalls kaum Sicherheit zu gewinnen. Zumindest der Umstand, dass auf diese Praxis in den erzählenden Texten nicht eingegangen wird, spricht zumindest nicht für die Historizität der Asylstädte. Schließlich stellt sich auch die Frage, ob man diese Städte überhaupt als Asylstädte bezeichnen sollte. Nach Jos 20 sind es lediglich ʿārê miqlāṭ „Aufnahmestädte“, die dem versehentlichen Totschläger einen befristeten Aufenthalt gewähren, bis es zu einem Gerichtsverfahren kommt. Alle anderen Vorstellungen sind erst später in Jos 20 eingedrungen und sollten folglich nicht traditionsgeschichtlich verwertet werden. Fraglich ist zudem, ob die dtr. Konzeption älter als die priesterliche Darstellung gewesen ist. Die priesterlichen Text(bestandteile) in Num 35 und Jos 20 lassen zumindest eigenständige Vorstellungen erkennen, die mit Dtn 19 konkurrieren. Außerdem lassen sich die einzelnen biblischen Texte zu 375
Vgl. HOWARD 1998, 381. Diese Vorstellung ist wohl auch in Dtn 19 im Blick. Denn von einem längeren Aufenthalt in der Asylstadt ist entgegen TRAULSEN 2004, 56 nicht die Rede. Vielmehr soll der unvorsätzliche Täter am Leben bleiben und nicht vorschnell der Blutrache zum Opfer fallen. 377 Vgl. hierzu TRAULSEN 2004, 76. 376
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den Asylstädten kaum in ein zuverlässiges diachrones Abhängigkeitsverhältnis bringen. Über die mündliche oder schriftliche Vorgeschichte der Asylgesetzgebung kann ohnehin nichts Gesichertes mehr gesagt werden. Zur Zeit der literarischen Abfassung von V.7–8 haben zumindest die politischen Voraussetzungen für eine Herrschaft Israels über diese Städte gefehlt. Sie geben vielmehr die nachexilische Utopie eines Groß-Israel wider. So bleiben am Ende dieses Abschnittes mehr Fragen offen, als Antworten gegeben werden können.
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
Vorbemerkungen Gerade der Fall der landlosen Leviten muss noch in der Gründungszeit befriedigend geklärt werden.1 Die Vorstellung, dass Leviten eigene Städte und deren Umland bekommen, ist zudem nur in priesterlich geprägten Texten zu finden und stellt somit eine Sondertradition dar, die offenbar nicht von einem breiten Konsens getragen wurde. Im Buch Deuteronomium ist dagegen durchweg von den Leviten „in deinen Toren“ die Rede, nie aber „in deinen Städten“.2 Dementsprechend werden die Leviten wie die Fremden bzw. die klassischen personae miserae (Fremden, Witwen und Waisen) gezeichnet, die aufgrund ihres sozialen Status besonders bedürftig sind. Auch wenn den Leviten Erbbesitz nicht zugestanden wird, gehören sie dennoch integral zu Israel.3 Da sie sich aber ganz der YHWH-Verehrung widmen müssen, verbleibt keine Zeit für die Bearbeitung des Ackerbodens oder für landwirtschaftliche Überschusswirtschaft.4 Dementsprechend müssen die Stämme Israels dafür Sorge tragen, dass die Leviten auch wirtschaftlich versorgt sind. Dies kann durch spezielle priesterliche Abgaben geschehen, durch eine ähnliche Versorgung wie bei den personae miserae oder durch Levitenstädte mit umgebendem Weideland.5 Ähnlich wie in Num 35 werden im Josuabuch ebenfalls, aber in umgekehrter Abfolge, zunächst die Asylstädte (Jos 20) und dann die Levitenstädte (Jos 21) aufgeführt, sodass zumindest auf der Ebene des Endtextes eine chias1 Aufgrund der Verbindung zu Jos 14,4 und Jos 18,7 gehört Jos 21 nach ALBERTZ 2007b, 297 zu den priesterlichen Texten des Josuabuches. Nach LIPIŃSKI 1986, 353 erkläre sich die Landlosigkeit der Leviten auch als Strafe für die Revolte Korachs. 2 Vgl. Dtn 12,12.18; 14,27; 16,11.14; 18,6; 26,12. 3 Nach GÖRG 1991, 92 besteht zudem eine Spannung zwischen dem Bedürfnis der Leviten nach Lebensmöglichkeiten und der Nicht-Zuteilung von Erbbesitz. 4 BARTUSCH 2003, 99 Anm. 61 vermutet, dass die Leviten als Staatsbedienstete ohnehin nicht zur Bearbeitung des Ackerbodens herangezogen werden konnten, sodass sie von Haus aus keinen Ackerboden benötigten. 5 Vgl. hierzu SPENCER 1980, 206–210; SPENCER 1992a, 310. HESS 1996, 308 vermutet zudem, dass es sich bei den Levitenstädten nur um kleine Dörfchen handelte. Die Gabe der Levitenstädte widerspricht auch nicht notwendig Num 18,20–24, da dort nur die Gabe eines Erbteils untersagt wird, vgl. zum Problem HOLZINGER 1901, 88.
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
tische Struktur mit Num 35,1–8 (Levitenstädte) und Num 35,9–29 (Asylstädte) entsteht.6 Da es sich bei den Levitenstädten um extraterritoriales Gebiet handelte,7 auf das die Stämme keine Verfügungsgewalt ausüben durften, boten sich diese Orte als Asylstädte durchaus an, sodass eine Verbindung der beiden Institutionen Asylstadt und Levitenstadt eigentlich nicht verwundert. Da in diesen Orten darüber hinaus levitische Kultbedienstete residierten und diese Städte mitunter auch Lokalheiligtümer aufwiesen, ist die Ausweisung von sechs Levitenstädten als Asylstädte durchaus nachvollziehbar. Auch wenn in den Texten Num 35 und Jos 20–21 beide Institutionen miteinander verbunden sind, folgt daraus noch nicht notwendig, dass beide Dinge seit jeher eine Einheit gebildet haben und auf einen gemeinsamen Ursprung zurückzuführen sind. Schon vor dem Hintergrund von Dtn 19 ist eine vorschnelle Verbindung von Asyl- und Levitenstadt problematisch, da dort nur das Asylrecht thematisiert wird, ohne dass auf die Institution der Levitenstadt verwiesen wird. Somit ist vermutlich die Verbindung zwischen Asyl- und Levitenstädten nicht ursprünglich, da von den Asylstädten nirgendwo außerhalb der priesterlich geprägten Texte behauptet wird, dass sie auch Levitenstädte seien.8 Anscheinend setzt Jos 21 die Vorgaben zu den Asyl- und Levitenstädten in Num 35 weitgehend voraus, sodass es unwahrscheinlich ist, dass Jos 21 ohne Kenntnis von Num 35 entstanden ist.9 Hinzu kommt, dass die Verhandlung der Leviten mit der Landverteilungskommission derjenigen der Erbtöchter in Jos 17,3–6 ähnelt,10 wo ebenfalls eine zuvor im Numeribuch ergangene Verordnung (Num 27) eingelöst werden soll. Offenbar bietet das Josuabuch endlich die Ausführung der bereits zuvor gegebenen Zusagen zu den Erbtöchtern und den Leviten. Beide Erzählungen im Josuabuch reagieren folglich auf entsprechende Texte im Numeribuch und sind nur vor diesem Hintergrund verständlich, zumal explizit auf bereits gegebene Befehle verwiesen wird. Allerdings nimmt die nahezu gleichmäßige Zuteilung von vier Levitenstädten aus jedem Stamm in Jos 21 überhaupt keine Rücksicht auf die jeweilige Stammesgröße und widerspricht damit den Vorgaben von Num 35,8,
6 CORTESE 1990, 78 weist zusätzlich darauf hin, dass Jos 20–21 stilistisch und inhaltlich nur mit Num 35 verwandt sein kann, nicht aber mit der Asylgesetzgebung in Dtn 19, wo zum einen das Thema der Levitenstädte gar nicht behandelt wird, und zum anderen man dort nur von drei Asylstädten anstelle der sechs Asylstädte im West- und Ostjordanland ausgeht. Nach LLOYD 1886, 326 sei zudem die Abfolge Asyl-/Levitenstädte bereits in Num 35,6 vorgegeben. 7 Vgl. MAZAR 1960, 193. 8 Vgl. DE VAUX 1966, 202. 9 Vgl. hierzu ACHENBACH 2003, 594; LEE-SAK 2017a, 357. 10 Vgl. auch FARBER 2016, 67.
Vorbemerkungen
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wonach ein großer Stamm mehr abgeben solle als ein kleiner.11 Außerdem ist von einem Losentscheid in Num 35 überhaupt keine Rede. Wenn Jos 21 jedoch älter als Num 35 wäre, hätte ein Redaktor diese Spannung in Num 35 leicht beheben können. Der Losentscheid in Jos 21 ist vermutlich aufgrund der ähnlichen Verteilungspraxis mit dem Loswurf in Jos 14–19 eingetragen worden, um beide Textbereiche einander anzugleichen, was diese Spannung erzeugte. Außerdem verwirklicht der Autor von Jos 21 ein anderes Konzept der Verteilung der Asylstädte, die nun nicht wie in Num 35 hinsichtlich der Größe der einzelnen Stämme vergeben werden. Vielmehr gilt in Jos 21 das Axiom „möglichst vier Levitenstädte aus jedem Stamm“. Es ist zudem kein Grund ersichtlich, weshalb der priesterliche Autor von Num 35 diese Konzeption verändert haben sollte. Die Levitenstädte werden auf zweierlei Weise zur Verfügung gestellt: Sie werden von den „Söhnen Israel“ entweder gegeben (NTN)12 oder sie werden durch den Losentscheid bestimmt (baggôrāl).13 Dementsprechend sind hier zwei unterschiedliche inhaltliche Aussagelinien miteinander verbunden worden, wobei das Losverfahren wohl redaktionell wie schon in Jos 14–19 hinzugetreten ist.14 Insofern könnte die Kurzliste (Jos 21,4–8), die vor allem den Losentscheid immer wieder betont, redaktionell nachgetragen sein, um die Liste mit den Levitenstädten mithilfe des Losentscheids näher an die Landverteilung heranzurücken. Dann müssen auch die beiden Hinweise auf das Los in V.10 und V.20 redaktionell sein, um beide Listen miteinander zu kombinieren. Im Endtext nimmt die Kurzliste die Aufteilung der Levitenstädte bereits vorweg und gibt zumindest eine klare Strukturierung für die Langliste vor. Da die Langliste fast durchweg Ortsnamen aus Jos 13–19 verwendet, scheint es keine ursprüngliche Liste mit Levitenstädten gegeben zu haben.15 11
SCHARBERT 1992, 136 geht in Num 35 von Schreibtischarbeit aus, bei der die Größe der Levitenstädte idealerweise gleich angesetzt wird. Ähnlich NOTH 1966, 219, da es kein Entsprechungsverhältnis zwischen Stammesgebiet und Anzahl der Levitenstädte gebe. Zum Problem vgl. auch STAUBLI 1996, 343. 12 Jos 21,9.11.13.21, wobei durch dieses Verb der narrative Charakter verstärkt wird, vgl. NELSON 1997, 242. Außerdem verweist dieses Verb auf den Abschluss in V.43, wo YHWH den Israeliten das Land gibt. 13 Jos 21,4.5.6.8. Ferner kommt der Losentscheid noch in Jos 21,4.10.20.40 vor. KEIL 1847, 366 vermutet, dass das Los lediglich über die levitische Gruppe entschied, die die Levitenstadt erhielt. Nach STEUERNAGEL 1900, 233, bestimmte hingegen das Los darüber, welche Stämme an die einzelnen Leviten Städte abzutreten hatten. Nach KNOBEL 1861, 473; OETTLI 1893, 192 ermittelte das Los, in welchem Stammgebiet die einzelnen LevitenAbteilungen die zuvor von den Stämmen bestimmten Levitenstädte bekamen. Allerdings sind die Angaben zum Losentscheid derart unbestimmt, sodass man die vom Autor in den Blick genommenen näheren Umstände nicht mehr bestimmen kann. 14 Vgl. auch FRITZ 1994, 210. 15 Vgl. FRITZ 1994, 212.
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
Vielmehr scheint die vorliegende Langliste am Schreibtisch eines gelehrten Redaktors entstanden zu sein, dem vielleicht ein Grundtext vorlag,16 während er den Rest aus den Landverteilungslisten in Jos 13–19 bzw. einer Vorform dieser Listen entnahm. Allerdings ist damit noch nicht gesagt, dass die vorliegende Anordnung in Jos 21 notwendigerweise direkt von Jos 13–19 abhängig sein muss.17 Denn es gibt auch Asyl- bzw. Levitenstädte, die nicht in Jos 13–19 vorhanden sind, z.B. Anatot und Almon von Benjamin. Darüber hinaus entspricht die Stammesgeographie der Levitenstädte nicht immer den Gegebenheiten in Jos 13–19. Denn das Stammesgebiet von Gad scheint offenbar größer als in Jos 13 zu sein, da Heschbon nicht zu Ruben, sondern zu Gad gezählt wird (Jos 21,38). Auf alle Fälle sollte durch die Verwendung von Daten aus Jos 13–19 offenbar verdeutlicht werden, dass die Levitenstädte aus dem traditionellen Bestand der Stammesterritorien genommen werden sollten. Die Levitenstädte sollten demnach, ebenso wie die Leviten, integraler Bestandteil Israels sein. Da es zu den Levitenstädten eine wichtige Parallele in 1Chr 6 gibt, müsste eine eingehende textkritische Untersuchung eigentlich auch diese Parallele wie die alten Versionen einbeziehen. Das kann hier nicht in der geforderten Ausführlichkeit geschehen. Deshalb beschränkt sich die folgende Darstellung lediglich auf die signifikanten Unterschiede. Der besseren Übersicht halber wird in Abschnitten vorgegangen. Der abweichende Befund von 1Chr 6 wird separat behandelt.
1. Erzählerische Einleitung (Jos 21,1–3) Ausweislich der erzählerischen Einleitung ist Jos 21 keine Liste im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Erzählung.18 Hier wird die Gabe von Levitenstädten und ihren Weidegebieten erzählerisch ausgeführt. Dementsprechend wird die Aufzählung von Städten in einen narrativen Rahmen eingebettet,
16
Nach NELSON 1997, 239 könnte diese Quelle die Liste V.13–18 umfasst haben, die sich ausschließlich auf das Königreich Juda bezieht. BUTLER 2014, 215 vermutet zudem, dass eine solche Liste, die den Gegebenheiten des frühen Israels entspreche, kaum erfunden sein könne. 17 Vgl. BEN ZVI 1992, 89f. NAʾAMAN 1986, 226 weist darauf hin, dass nur im Fall von Ruben die Abfolge der Städte direkt aus Jos 13,18 übernommen wurde. Bei den anderen Stämmen wurden die Angaben aus Jos 13–19 kreativ verwendet und durch weitere Orte ergänzt. 18 Vgl. hierzu auch AULD 1979, 195.
1. Erzählerische Einleitung (Jos 21,1–3)
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sodass die folgende Ortsliste nur vor diesem narrativen Kontext zu verstehen ist.19 Die Einleitung übernimmt in V.1–2 einige Motive von vorherigen Einführungen, sodass es sich hier kaum um ein wirkliches Traditionsstück handeln kann, sondern eher um eine literarische Bildung. Die Verteilungskommission ʾælʿāzār, Yehôšuaʿ, rāʾšê ʾabôt hammaṭṭôt libnê Yiśrāʾel „Eleasar, Josua und die Familienoberhäupter der Stämme der Söhne Israels“ sowie der Ausdruck ʾæræṣ Kenaʿan „Land Kanaan“ stammen aus Jos 14,1. Die Verortung in Šiloh „Schilo“ ist in Jos 18,1 schon vorgeprägt,20 auch wenn das nicht-aaronidische Heiligtum von Schilo eigentlich nicht zum folgenden Text passt, der gerade den Aaroniden einen besonderen Stellenwert einräumen möchte.21 Darüber hinaus bildet das Verb NGŠ „hinzutreten“ einen Rahmen mit Jos 14,6, wo die „Söhne Judas“ an Josua herantreten.22 Dementsprechend ist anzunehmen, dass zumindest die Einleitung den Text Jos 14–19 bereits voraussetzt und redaktionell frühestens mit der letzten Stufe der Redaktion von Jos 14–19 entstanden sein kann. Der Ausdruck rāʾšê ʾabôt haLewiyyim „Väterhäupter der Leviten“ in V.1 ist selten.23 Er findet sich neben Jos 21,1 nur noch in Ex 6,25 und Neh 12,22. Auch das damit kontrastierte seltene Kollektiv rāʾšê ʾabôt hammaṭṭôt libnê Yiśrāʾel „Väterhäupter der Stämme bezüglich der Söhne Israels“ ist auffällig,24 da diese Bezeichnung sich nur im Numeribuch und im zweiten Teil des Josuabuchs nachweisen lässt.25 Während in Jos 14,1 der Ausdruck libnê Yiśrāʾel nicht notwendigerweise eine zusätzliche Ergänzung zur Constructusverbindung sein muss, handelt es sich demgegenüber bei libnê Yiśrāʾel in Num 32,28 sicher nicht um ein 3. Syntagma, da dieses bereits zuvor mit lāhæm angegeben ist. Demnach charakterisiert die Präpositionalverbindung 19 Nach HOLZINGER 1901, 88 hängt Jos 21 jedoch hinter Jos 19,51 schlimm nach, weshalb in LXX redaktionell eine Wiederaufnahme erfolgte. Es handele sich folglich um Midraschliteratur. 20 Vgl. RÖSEL 2011, 333. Nach KNITTEL 2019, 216 bildet Schilo den „administrativen Mittelpunkt der Landverteilung“. 21 Nach LEUCHTER 2017, 19 ist die Verortung am nicht-aaronidischen Heiligtum von Schilo bemerkenswert, zumal Jos 21 vor allem an der besonderen Stellung der Aaroniden interessiert ist. 22 Vgl. KNAUF 2008, 176. Nach LLOYD 1886, 326 seien die Leviten nicht vergessen worden, aber erst jetzt sei der richtige Zeitpunkt für die Gabe der Levitenstädte gekommen. 23 LXX hat hier noch benê haLewiyyim anstelle von haLewiyyim, was nach BUTLER 2014, 209 sogar ursprünglicher als MT sein kann. BALLHORN 2011, 307 vermutet, dass mit dieser Gruppengliederung ein Bezug der Leviten zu den anderen Stämmen hergestellt werden soll. 24 Nach HARSTAD 2004, 652 wird durch die Präpositionalverbindung libnê Yiśrāʾel vermieden, dass die Constructus-Kette zu lang wird. 25 Num 32,28; Jos 14,1; 21,1. In Num 36,1 steht die verkürzte Form rāʾšê ʾabôt libnê Yiśrāʾel.
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
libnê Yiśrāʾel in Num 32,28 die „Väterhäupter der Stämme“ näher. Eine ähnliche Konstruktion liegt auch in Jos 21,1 vor, da hier libnê Yiśrāʾel ebenfalls kein 3. Syntagma sein kann. Alles in allem hängt die Ausdrucksweise in V.1 mit der Tradition der Landverteilung des Ostjordanlandes in Num 32 zusammen. Für eine Verbindung dieser beiden Traditionen spricht auch die Verwendung von NGŠ + ʾæl in Num 32,16. Die Bezeichnung ʾælʿāzār hakkohen findet sich ebenfalls ausschließlich im Numeri- und Josuabuch,26 während ansonsten zu Eleasar noch eine Filiation hinzutritt („Sohn des Aaron“ oder „sein Sohn“). Mit dem in V.1 eingeführten Verteilungsgremium wird bereits am Anfang von Jos 21 ein anderer Akzent als in der Langliste gesetzt, wo die „Söhne Israels“ selbst die Levitenstädte zuteilen. Dementsprechend wird diese Angabe in V.1–2 nicht zur ursprünglichen Tradition gehört haben.27 Gelegentlich wird hingegen vermutet, dass der Wechsel vom Verteilungsgremium zu den Israeliten aufgrund von Num 35,2 erfolgt sei, wo die Israeliten selbst angehalten sind, die Levitenstädte zu verteilen.28 Dann wäre der Wechsel in Jos 21 zumindest vor dem Kontext von Num 35 verständlich. In jedem Fall ist der Wechsel des Subjekts nur vor dem größeren literarischen Kontext und den Verbindungslinien ins Numeribuch zu erklären. In V.2 wird die Ortsangabe Schilo aus Jos 18,1.8.9 und 19,51 aufgegriffen und mit der Bezeichnung beʾæræṣ Kenaʿan weitergeführt.29 Der Befehl YHWHs beyad Mošæh „durch die Hand Mose“ findet sich mit dem Verb ṢWYD in den unterschiedlichsten Textbereichen,30 sodass hier keine klare Einordnung möglich ist. Darüber hinaus kann dieses Idiom mit dem Verb DBR ebenso in den unterschiedlichsten Kontexten gebildet werden,31 sodass diese Idiomatik kaum signifikant ist. Der Hinweis auf einen Befehl YHWHs dient vermutlich der Legitimierung des weiteren Vorgangs, zumal die Landverteilung bereits abgeschlossen ist. Allerdings mussten nun die an sich landlosen Leviten irgendwie wirtschaftlich versorgt werden. Dies konnte nicht aus eigener Machtvollkommenheit geschehen, sondern musste mit Verweis auf eine Anordnung YHWHs durchgeführt werden. Vielleicht haben die Leviten im Rahmen der Kultzentralisation ihr priesterliches Amt und die daraus abgelei-
26
Num 17,4; 19,3.4; 27,2.19.21.22; 31,6.12.21; 32,2.28; 34,17; Jos 14,1; 17,4; 19,51;
21,1. 27
Vgl. auch NOTH 1971, 130f. Vgl. hierzu SCHMIDT 2002, 115. 29 Ähnlich Jos 22,9, wo zusätzlich ein Relativpronomen eingeschoben wird. 30 Ex 35,29; Lev 8,36; Num 15,23; 36,13; Jos 14,2; 21,2.8; Ri 3,4; Neh 8,14; 9,14. Nach SCHÄFER-LICHTENBERGER 1995, 215 wird hier die „andauernde und überdauernde Führungsinstanz“ des Mose im Gegensatz zu Josua betont. 31 Ex 9,35; Lev 10,11; Num 17,5; 27,23; Jos 20,2; 1Kön 8,53.56; 2Chr 35,6. 28
1. Erzählerische Einleitung (Jos 21,1–3)
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teten Einkünfte verloren,32 sodass nach Rekompensationsmöglichkeiten gesucht werden musste. Der Verweis auf den Befehl YHWHs deutet zumindest an, dass in Jos 21 die Ausführung von Num 35 dargestellt wird.33 Dementsprechend wird zumindest die Einleitung von Jos 21 bereits Num 35 voraussetzen. Dies muss freilich nicht für die verwendete zugrundeliegende Tradition gelten. Das in V.2 verwendete Idiom NTN + ʿārîm weist zurück zum einen auf Num 35,2, wo bereits die Vergabe von Levitenstädte deutlich angeordnet wird, und zum anderen auf Jos 14,2, wo ebenfalls die Levitenstädte vorbereitet werden. Interessanterweise wird darauf verwiesen, dass nicht Gott, sondern die „Söhne Israels“ selbst den Leviten Städte mit umliegendem Land geben sollen.34 Dementsprechend ist der später eingetragene Losentscheid, und damit verbunden eine Rückkoppelung der Vergabe an Gott, eigentlich nicht nötig. Die Städte werden den Leviten nach V.2 übergeben, damit diese in ihnen wohnen können (YŠB). Fraglich ist jedoch, ob in Jos 21 sogar daran gedacht ist, dass in den überlassenen Levitenstädten ausschließlich Leviten wohnen sollen, sodass es sich um Städte nur für Kultbedienstete handelte.35 Allerdings ist gerade die Levitenstadt Hebron ein gutes Beispiel dafür, dass offenbar auch andere Bewohner in einer solchen Stadt leben konnten. Dementsprechend wird meistens davon ausgegangen, dass die Leviten zusammen mit anderen Israeliten lebten.36 Vielleicht hat es in diesen Städten priesterliche Wohnviertel oder eine besonders hohe Konzentration von levitischen Priestern gegeben.37 Der Ausdruck ûmigrešêhæm libhæmtenû „und Umland für unser Vieh“ in V.2 weist zurück auf Num 35,3, wo ebenfalls schon die den Leviten überlassenen Flächen näher spezifiziert werden. Das von den Israeliten zusätzlich zur Verfügung gestellte Umland soll von den Leviten für Viehzucht genutzt werden können. Durch dieses Verweissystem wird in der Einleitung darauf hingewiesen, dass nun endlich die Einlösung des Befehls YHWHs in Num 35,2–3 erfolgt.38 Der Begriff migrāš ist jedoch erklärungsbedürftig. Unter migrāš versteht man in der Regel das um eine Stadt liegende Land, das 32 Vgl. FRITZ 1994, 213, dem zufolge die Leviten mit der Kultzentralisation zu einem clerus minor geworden seien. 33 Vgl. SCHMIDT 2002, 114; COLESON 2012, 156; LAUGHLIN 2015, 203. 34 Vgl. hierzu auch BUTLER 2014, 219. Nach SCHMIDT 2004, 218 setzt V.2 zudem Num 35 voraus. 35 So SCHMITT 1995, 43. Dagegen aber BLOCK 2015, 99, der davon ausgeht, dass auch Nicht-Leviten in diesen Städten gewohnt haben. 36 Vgl. LLOYD 1886, 328f.; COLESON 2012, 157. KUENEN 1886, 31 weist in diesem Zusammenhang auf Lev 25,32–33 hin. Anders hingegen NOTH 1966, 219. 37 Vgl. GORDON 2013, 70. 38 Vgl. auch GRAY 1986, 164; OTTOSSON 1991, 139.
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
man landwirtschaftlich nutzen konnte, um die Bewohner der Stadt zu ernähren.39 Allerdings ist wohl zumindest im Fall der Levitenstädte nur an Weidewirtschaft gedacht, was schon die nähere Charakterisierung libhæmtenû nahelegt.40 Ackerbau scheint daher nicht im Blick zu sein. Das Wort migrāš wird vor allem in Num 35, Jos 21 und 1Chr 6 verwendet, die aber voneinander abhängig sind. Abgesehen davon ist es vor allem in nachweislich späten Texten belegt.41 Interessanterweise gibt es für „Weideland“ andere eindeutige Wörter wie mirʿæh oder marʿît. Erst durch den Zusatz libhæmtenû wird migrāš zu einem Begriff für Weideland, was aber im Lexem selbst noch nicht explizit angelegt war. Vielmehr handelt es sich eigentlich um einen gewissen Freiraum um eine Stadt oder ein Heiligtum bzw. einen Vorort.42 Vermutlich ist migrāš ein terminus technicus für das Tempelland bzw. Nutzland der Leviten, das der Versorgung dieser landbesitzlosen Kultbediensteten diente.43 Ob dieses Land auch für die Zucht von Opfertieren bestimmt war, kann vermutet werden, lässt sich aber nicht sicher nachweisen.44 Nach Num 35,4–5 soll die Fläche um die Stadt einen Radius von 2.000 Ellen betragen. Schon diese Angabe, die keine Rücksicht auf geographische Verhältnisse nimmt, zeigt, dass solche Anordnungen wahrscheinlich auf dem Schreibtisch entstanden sind, ohne dass sie in der Realität umsetzbar waren.45 Hinzu kommt, dass um die Siedlung normalerweise nicht Weideland, sondern Garten- und Ackerland liegen. Damit werden die realen Verhältnisse der israelitischen Wirtschaftsgeographie auf den Kopf gestellt.46 Der Umstand, 39
Vgl. SPENCER 1992a, 310; FRITZ 1994, 214. GUNNEWEG 1965, 64 geht davon aus, dass den Leviten Privilegien und gewohnheitsrechtliche Nutzungsrechte zugestanden wurden. HESS 1996, 309 deutet migrāš als Distrikt und vergleicht die Liste der Levitenstädte mit Texten aus Alalach. Nach HORST 1961, 145 handelt es sich bei migrāš um unbestelltes und zur Weide genutztes Land. 40 Ob dies von der Etymologie des Wortes migrāš („Austrieb“) ebenfalls angedeutet wird, ist hingegen nicht gesichert. Vgl. zur Etymologie ROSS 1973, 143 Anm. 72.; SPENCER 1980, 203f.; MILGROM 1990, 289; SCHMITT 1995, 28 Anm. 1; BLOCK 2015, 98 Anm. 15. Kritisch hierzu BARR 1984, 21–25. Nach SCHMIDT 2004, 220 sind Felder und Weinberge für die Leviten nicht nötig, da diese durch den Zehnten mit agrarischen Gütern versorgt wurden. MILGROM 1990, 289 weist zusätzlich darauf hin, dass die Leviten nur Weideland, aber kein Ackerland erhielten. 41 Vgl. Lev 25,34; Jos 14,4; 1Chr 5,16; 13,2; 2Chr 11,14; 31,19; Ez 27,28; 45,2; 48,15.17. Nach BALLHORN 2011, 306 Anm. 693 ist dieser Begriff aufgrund seiner Verwendung vor allem priesterlich/levitisch geprägt. 42 Vgl. hierzu BARR 1984, 21–25; JONKER 1997, 1140. 43 Vgl. ACHENBACH 2003, 596. 44 Nach BARTUSCH 2003, 99 Anm. 61 mag das Weideland auch für die Opfertiere bestimmt sein. 45 Vgl. schon COOKE 1918, 194; WELLHAUSEN 1927, 153f. 46 Vgl. KNAUF 2008, 176f. Nach BARR 1984, 25–27 ist migrāš aber nicht von jeher Weideland gewesen, sondern vielmehr das um eine Stadt liegende, demarkierte Land, das freilich auch für Weidewirtschaft genutzt werden konnte.
1. Erzählerische Einleitung (Jos 21,1–3)
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dass hier nur Land für Weidewirtschaft, nicht aber Ackerland überlassen wird, stellt die Leviten als Nutznießer, nicht aber als Eigentümer des zugewiesenen Landes dar.47 Darüber hinaus wird mit dem Verb YŠB betont, dass die Leviten die jeweiligen Städte nicht als Erbbesitz erhalten, sondern lediglich darin wohnen dürfen. Ähnliches wird vermutlich für das ebenfalls überlassene Umland gelten.48 Die Leviten haben vermutlich in der Stadt und im Umland ein Wohn- und Nutzrecht, können aber keine Erbbesitzansprüche auf beide Dinge anmelden.49 Aufgrund der spezifischen Zuordnung von migrāš zur Weidewirtschaft soll die traditionelle Übersetzung „Weideplätze, Weidefläche“ beibehalten werden, auch wenn dies im Lexem nicht explizit angelegt ist. Auch das Idiom NTN + minnaḥalāh aus V.3 findet sich nur in Num 35,2 und Jos 21,3.50 Für die Israeliten ist ihr Land naḥalāh, aus dem sie den Leviten Städte samt Umland geben sollen. Der Begriff naḥalāh ist allerdings ebenfalls schwierig zu fassen. Eine Grundbedeutung könnte „Wohnsitz, Heimat, Heimatrecht“ sein.51 Dementsprechend wäre hier nicht „ererbtes Eigentum“ gemeint, das die Stämme von Gott auf alle Zeit und Ewigkeit geschenkt bekommen haben. Vielmehr ist mit naḥalāh lediglich der „Wohnsitz“ im Blick, der den Israeliten von Gott auf dem Land rechtlich zugesprochen wurde, während das Land selbst immer noch Eigentum Gottes bleibt. Darüber hinaus kann dieses Lexem auch als Abstraktum verwendet werden, sodass mit einer Bedeutung „Wohnrecht“ zu rechnen wäre. Die Stämme Israels haben demnach ein „Wohnrecht“ im Verheißungsland, das Eigentum Gottes bleibt, und somit eine dauerhafte „Heimat“,52 die es freilich zu bewahren gilt. 47 Vgl. METTINGER 1971, 101; HERTZBERG 1985, 118. Ähnlich im Blick auf Num 35 auch NOTH 1966, 219. Nach KNAUF 2008, 176 gehört das beackerte Land zum abgabenpflichtigen Sippenbesitz, während das unbeackerte Land als Gemeinbesitz gilt. OLSON 1996, 189 weist darauf hin, dass die Levitenstädte nicht im dauerhaften Besitz der Leviten sind. 48 Vgl. WOUDSTRA 1981, 303 Anm. 1. Insofern besteht auch kein wirklicher Widerspruch zu Jos 13,33 oder Jos 18,7, so aber NELSON 1997, 236. Vgl. zum Problem NOTH 1971, 123. Außerdem können die Leviten auch noch an anderen Orten wohnen, die nicht auf der Liste mit Levitenstädten auftauchen, zumal nur die Städte genannt wurden, die an die Leviten explizit übergeben wurden, vgl. HAUER 1982, 48f. Anm. 2. 49 BALLHORN 2011, 306 spricht von einer sekundären Landverteilung, wonach dieses Land in Zweitbesitz der Leviten sei. 50 Zu anderen Lesarten vgl. GREENSPOON 1983, 150. 51 Vgl. GERLEMAN 1977, 320. Nach WANKE 1976, 56 ist naḥalāh unveräußerlicher, dauerhafter Besitzanteil, der durch Gabe, Vererbung oder Enteignung zugesprochen wird. Nach WRIGHT 1997, 77 bezeichnet naḥalāh „the permanent family property allotted to the tribes, clans, and households of Israel.“ Außerdem sei naḥalāh kein persönlicher Besitz der aktuellen Generation, sondern sei von den Vätern zum Wohl der nachfolgenden Generation übernommen worden. Ähnlich schon HORST 1961, 14 52 Vgl. zu diesem Lexem mit vielen Beispielen GERLEMAN 1977, 318–324. Nach HORST 1961, 138 ist hier ein „Hoheitsrecht über einen Territorialbesitz“ im Blick.
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Die Zusammenstellung ʿārîm ûmigrešêhæn „Städte und ihre Weideflächen“ ist zudem für den Landbesitz der Leviten typisch und taucht abgesehen von Jos 21 nur noch in Num 35,3.7; Jos 14,4 und wiederholt in 1Chr 6 auf. Auch hier zeigt sich, dass Jos 21 eng mit Num 35 verbunden ist und vor diesem Hintergrund erst verständlich wird. Dementsprechend muss man Jos 21 als Ausführung der Anweisungen von Num 35 auffassen.53 Inwieweit hier allerdings eine gemeinsame Autorenschaft vorliegt, ist fraglich.54 Zumindest gibt es Verbindungslinien von Jos 21 zu Jos 20 und Num 35, auch wenn die handelnden Personen jeweils zu unterscheiden sind. Möglicherweise wird in der Einleitung Jos 21,1–3 bewusst auf Jos 14,12, 15,19 und 17,4.14 zurückgegriffen, wo ebenfalls Land gefordert wird.55 Dementsprechend könnte die Forderung der Leviten nach Versorgung ähnlich wie vergleichbare Darstellungen in Jos 14–19 formuliert sein, wo Kaleb, Achsa, die Erbtöchter oder Manasse ebenfalls an Josua bzw. die Landverteilungskommission herantreten. Der doppelte Hinweis auf einen Befehl YHWHs (V.2 und V.3) zeigt zumindest, dass die Forderungen der Leviten durchaus rechtmäßig waren.
2. Kurzliste (Jos 21,4–8) Nach der Einleitung V.1–3 folgt zunächst eine Kurzliste V.4–8, die im Gegensatz zur Langliste keine Ortsnamen nennt, dafür aber den Schwerpunkt auf den Losentscheid als bindendes Zuweisungskriterium legt (V.4.5.6.8).56 Höchstens mit textkritischen Eingriffen könnte man eine gewisse formale Einheitlichkeit innerhalb der Kurzliste erreichen.57 Ob dies aber plausibilisiert werden kann, muss sich erst noch zeigen.
53 Vgl. hierzu auch MILGROM 1990, HESS 1996, 308; ALBERTZ 2007b, 297f. Nach NOTH 1971, 127 ist aber Num 35 von Jos 20–21 abhängig, da in Num 35 die Verbindung von Asyl- und Levitenstädten, wie dies in Jos 21 der Fall ist, bereits vorausgesetzt wird. Anders hingegen SCHMIDT 2002, 113f., dem zufolge der Grundbestand von Num 35 (Num 35,1–5.8) noch nicht die Anzahl von 48 Levitenstädten kennt, sondern die Zuteilung der Städte gemäß der jeweiligen Stammesgröße. 54 Kritisch hierzu RÖSEL 2011, 334. 55 Vgl. hierzu NELSON 1997, 241. 56 Vgl. auch FRITZ 1994, 209, der in V.7 ebenfalls baggôrāl ergänzt, damit dieser Einschub einheitlich ausschaut. Nach HERTZBERG 1985, 119 ist zudem die Kurzliste aufgrund des Losentscheides literarisch jünger als die folgende Langliste, bei der die Levitenstädte von den Israeliten „gegeben“ werden (V.9.11.12.13.21). 57 Vgl. FRITZ 1994, 209, der in V.5 und V.6 lemišpeḥotām mimmaṭṭēh ebenfalls einträgt, damit die Einträge zu den Kehatitern und Gerschonitern analog beginnen. Ähnlich schon OETTLI 1893, 192. Dies sind aber Eingriffe in den überlieferten Text, die nicht sicher sind, zumal auch die LXX keine formal einheitliche Lesart in V.4–8 überliefert.
2. Kurzliste (Jos 21,4–8)
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Ähnlich wie in Jos 18–19 folgt ab V.4 die Zuteilung der Levitenstädte baggôrāl „durch das Los“, das hervorkommt (YṢʾ). Die hier verwendete Formulierung wayyeṣeʾ haggôrāl findet sich abgesehen von 1Chr 24,7 noch wiederholt in den Texten der Landverteilung.58 Auffälligerweise eröffnen in den V.4–5 die Kehatiter, denen in 4b die Aaroniden als Untergruppe zugeordnet werden, die Zuteilung der Levitenstädte. Denn ansonsten ist die Abfolge der Levi-Söhne stets Gerschon, Kehat und Merari.59 Offenbar wurde hier geändert, um die aaronidischen Priester, die angeblich zu den Kehatitern gehören, den übrigen Leviten voranstellen zu können.60 Fraglich ist zudem, ob die Aaroniden in dieser Tradition seit jeher als Priester aufgefasst wurden. Die Pluralform hakkohanîm findet sich nämlich nur in V.19. Nur dort kann sich der Begriff kohen aufgrund der Pluralform nicht mehr nur auf Aaron wie in V.4 und V.13 beziehen, sondern er muss klar mit den „Söhnen Aarons“ verbunden werden.61 Vor diesem Hintergrund ist auch die Scheidung zwischen Priestern und Leviten erst sekundär und nicht einheitlich in beide Listen eingetragen worden. Die Aaroniden wären folglich zunächst Angehörige der Leviten gewesen, die erst in einem zweiten Schritt zu Priestern gemacht wurden.62 Die Textüberlieferung ist ohnehin bei „Söhne Aarons“ nicht einheitlich. Gelegentlich wird auch auf den Begriff kohen verzichtet.63 Die Aaroniden werden in V.4 zumindest klar den Leviten (min haLewiyyim „aus den Leviten“) zugerechnet, während in V.10 die vergleichbare partitive Präpositionalverbindung mibbenê Lewî „aus den Söhne Levis“ sich nicht zwingend nur auf die Aaroniden beziehen muss, sondern auch mit den Kehatitern verbunden werden kann,64 die dem Ausdruck min haLewiyyim 58
Vgl. hierzu Jos 16,1; 19,1.24; 21,4; 1Chr 24,7. Vgl. Gen 46,11; Ex 6,16; Num 3,17; 26,57; 1Chr 5,27; 6,1; 23,6. 60 Vgl. schon ROBINSON 1907, 365; NELSON 1997, 241. Nach GALIL 2018, 555 seien die Levitenstädte mit ihrem Umland „inheritance“ der Leviten und Priester. HUTTON 2009, 229 erklärt die Gegenüberstellung priesterliche Leviten und übrige Leviten ethnographisch. Es gab seit jeher de facto beide Formen der Leviten, wobei erst durch das Buch Deuteronomium mit seiner demokratisierenden Tendenz das Priestertum für alle levitischen Gruppen geöffnet wurde. Der priesterliche Dienst war demnach das eigentliche Erbteil der Leviten, auch wenn nicht alle Gruppen diesen Dienst leisten konnten. 61 Allerdings könnte die Formulierung „der Söhne Aarons, der Priester“ ein sekundärer Zusatz sein, vgl. KNOPPERS 2005, 56. 62 Vgl. zu einer ähnlichen Verortung auch CODY 1969, 163–166. 63 So könnte nach KNOPPERS 2005, 56 hakkohen in V.13 eine sekundäre Erweiterung sein, die in LXX und 1Chr 6,42 noch fehlt. Schon HOLMES 1914, 72 streicht hakkohen. Allerdings könnte dieses Wort auch aufgrund von Haplographie ausgefallen sein, vgl. KNOPPERS 2004, 432. 64 Entgegen SCHMITT 1995, 43. Aufgrund dieser Spannung liest EHRLICH 1910, 56 in V.4 ebenfalls mibbenê Lewî. Die korrupte Lesart haLewiyyim sei aufgrund von Dittographie zum Folgenden entstanden. 59
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unmittelbar vorausgehen. Dementsprechend wären dann nur die Kehatiter sicher eine Gruppe der Leviten, nicht aber die Aaroniden. Nur durch die Subsumierung der Aaroniden unter die Kehatiter kann die Priestergruppe der Aaroniden auch in den Genuss der Vorzüge von Num 35,1–8 kommen, wo Städte nicht für Priester, sondern ausschließlich für Leviten vorgesehen sind.65 Auf diese Weise wird die spätere Trennung von priesterlichen Aaroniden und Leviten nicht mitgetragen, da auch die Aaroniden als Leviten Anspruch auf gewisse Städte erheben dürfen.66 Im Gegensatz dazu gehörten die „Söhne Aarons“ vermutlich nicht ursprünglich zu den Leviten.67 In der Tradition des Zweiten Tempels werden zudem die priesterlichen Aaroniden sorgsam von den Leviten unterschieden.68 Nicht umsonst fehlt der Zusatz mibbenê Lewî „aus den Söhnen Levis“ in 1Chr 6,39, der Parallelstelle zu V.10. Allerdings verwundert ein Fehlen der Leviten in der chronistischen Version nicht, da der Kontext ohnehin bereits das Thema „Leviten“ breit eingeführt hat, sodass zumindest die chronistische Tradition im Gegensatz zu Jos 21 immer wieder auf den Hinweis „Leviten“ verzichten kann.69 Auch in der Paralleltradition zu V.27 (//1Chr 6,56) oder V.34 (//1Chr 6,62) wird in der chronistischen Version auf den Hinweis „Sippen der Leviten“ bzw. „Leviten“ verzichtet. Somit darf man nicht argumentieren, dass aufgrund des chronistischen Befundes die Aaroniden in der ursprünglichen Tradition nicht als Leviten betrachtet wurden. Denn auch die anderen Gruppen, bei denen es sich sicher um Leviten handelt, werden nicht explizit mit den Leviten verbunden. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass in V.10 literarkritisch die Aaroniden in einem sekundären Schritt mit den Leviten bzw. den Kehatitern verbunden worden sind, aber textkritisch gibt es keinen zwingenden Hinweis in einer anderen Version, der eine solche Literarkritik stützen könnte. Erst eine Gesamtschau des Textes kann in dieser Frage eine Erklärung anbieten. Interessanterweise wird die levitische Untergruppe der Kehatiter nur in V.4 und V.10 als Qehātî bezeichnet, wobei hier noch mišpeḥôt „Sippen“ vorausgeschaltet wird, während es ansonsten benê Qehāt „Söhne Kehats“ sind (Jos 21,5.20.26). Diese auffällige Differenzierung wird auch von LXX bestä65 Vgl. hierzu SCHMITT 1995, 43f. CODY 1969, 162f. weist darauf hin, dass die Verbindung der Aaroniden zu den Kehatitern in nachexilischer Zeit eher zurückgegangen sei, sodass diese genealogische Verklammerung durchaus schon viel früher angesetzt werden könnte. Nicht ohne Grund geht ABADIE 2005, 42 nur von drei levitischen Gruppen aus. 66 CODY 1969, 160f. vermutet sogar, dass die genealogische Verbindung der Aaroniden zu den Kehatitern auf älteren Traditionen beruhen könnte. 67 Nach FRITZ 1994, 214 bildeten die „Söhne Aarons“ eine eigene Priesterschaft (Ex 6,23), die erst spät zu den Leviten gerechnet worden ist (Ex 4,14–16). Zu den schwierigen Verhältnissen zwischen den einzelnen Gruppen der Leviten vgl. KNAUF 2008, 174– 176. Nach ACHENBACH 2003, 596 sind die Aaroniden erst aufgrund von redaktionellen Konstruktionen mit den Leviten verbunden worden. 68 Vgl. BEN ZVI 1992, 82. 69 Vgl. auch KARTVEIT 1989, 74f.; KLEIN 2006, 208.
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tigt, sodass dies ein Hinweis darauf sein könnte, dass der Begriff „Sippen der Kehatiter“ in V.4 und V.10 erst sekundär eingetragen wurde, als man die Aaroniden zu Kehatitern machen wollte. Ganz anders bei den anderen beiden Untergruppen der Leviten: Hier wird hingegen durchwegs der Ausdruck benê Geršôn / benê Merārî eingefügt. Auf alle Fälle wird in Jos 21 mehrfach der Vorrang der „Söhne Kehats“, denen die Aaroniden sekundär zugeordnet werden, nachdrücklich betont,70 zumal man diese Gruppe entgegen der ansonsten üblichen Genealogie in der Reihenfolge vorzog. Eine ähnliche Differenzierung ist noch zwischen dem „Stamm Juda“ und dem „Stamm der Simeoniten“ in V.4 (maṭṭeh Yehûdāh und maṭṭeh hašŠimʿonî) und dem „Stamm der Söhne Judas“ bzw. dem „Stamm der Söhne Simeons“ in V.9 (maṭṭeh benê Yehûdāh und maṭṭeh benê Šimʿôn) festzustellen. Denn nur in V.9 wird benê mit einem Namen der zwölf Stämme verbunden (maṭṭeh benê + X), während ansonsten darauf verzichtet wird (maṭṭeh + X). Auch die LXX-Tradition belegt diese Differenzierung, sodass es keinen Grund für eine textkritische Angleichung dieser Anomalie gibt. Problematisch ist allerdings, dass in V.9 im Gegensatz zu V.4 nur die beiden Stämme Juda und Simeon genannt werden. In der chronistischen Paralleltradition werden hingegen in 1Chr 6,50 alle drei Stämme genannt (Juda, Simeon und Benjamin).71 Vielleicht ist das Fehlen von Benjamin textkritisch zu erklären, worauf zumindest einige Handschriften der LXX hinweisen.72 Mitunter könnte V.9 aufgrund dieser eigenständigen und abweichenden Formulierung einer anderen, sekundären Tradition zugeschrieben werden. Vielleicht hat der Redaktor in V.9 aber auch fehlerhaft gearbeitet und den Stamm Benjamin vergessen oder diese Stammesbezeichnung wäre im Verlauf der Texttransmission verloren gegangen. Interessanterweise werden in V.4 zunächst die Kehatiter genannt und erst im Nachhinein wird darauf verwiesen, dass es sich hierbei offenbar um aaronidische Priester handelt. In V.10 und V.13 wird hingegen sofort von den „Söhnen Aarons“ gesprochen, wobei der Zusatz „Sippen der Kehatiter“ nur in V.10 erfolgt.73 Es hat folglich den Anschein, dass die „Söhne Aarons“ sekundär unter die Kehatiter bzw. unter die Leviten aufgenommen werden sollten. Hinzu kommt die Beobachtung, dass bei den anderen levitischen Stämmen die Kehatiter (V.20), Gerschoniter (V.27) und Merariter (V.34) der nach Stämmen gegliederten Städteliste direkt vorausgehen, während in V.10 die 70
Vgl. BOLING 1985, 26. Vgl. KLEIN 2006, 174. Nur in LXXAB von 1Chr 6,50 fehlt vermutlich aufgrund von Haplographie der Hinweis auf Benjamin, vgl. KNOPPERS 2004, 433f. Nach KARTVEIT 1989, 76 ist Benjamin in V.9 nicht nötig, da dieser Stamm später in V.17 genannt wird, während in 1Chr 6,50 eine Schlussformel vorliegt und daher alle drei Stämme erwähnt werden müssen. 72 Vgl. NAʾAMAN 1986, 215 Anm. 18. 73 Vgl. hierzu auch RÖSEL 2011, 334. 71
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Aaroniden den in V.9 erwähnten Stämmen Juda, Simeon und Benjamin, die die Levitenstädte abstellen, nachgetragen werden.74 Die Aaroniden bilden folglich eine eigene Gruppe, die sich von den anderen levitischen Untergruppen merklich abhebt. Diese Beobachtung muss folglich redaktionsgeschichtlich irgendwie ausgewertet werden. Auch die doppelte Eröffnung des Losverfahrens in V.4 mit YṢʾ und HYY ist erklärungsbedürftig. Diese an sich unnötige Doppelung ähnelt der jeweiligen Eröffnung des jeweiligen Losentscheids bei den Texten zur Landverteilung in Jos 15–19.75 Falls hier zwei Traditionen ineinander gearbeitet worden sind, dann müssen die Kehatiter aus 4a nicht notwendigerweise mit den „Söhnen Aarons“ aus 4b identisch sein, da beide unverbunden nebeneinanderstehen und erst sekundär der Eindruck erweckt wird, dass die Aaroniden eine Untergruppe der zuvor genannten levitischen Kehatiter seien. Hinzu kommt, dass bei den Aaroniden ein direkter Bezug zu den Leviten hergestellt wird, ohne dass das eigentliche Bindeglied der Kehatiter in den Blick kommt. Fraglich ist, ob man aufgrund dieser Spannung den Ausdruck „aus den Leviten“ in 4b nur auf „Aaron, den Priester“ beziehen darf. Dann könnte man freilich die „Söhne Aarons“ besser als erste Teilgruppe der Kehatiter deuten, da man dann nicht zwei levitische Untergruppen (Kehatiter in 4a und Aaroniden in 4b) gegeneinander stehen hat. Dem steht aber die Beobachtung entgegen, dass in V.13 eine Zuordnung Aarons zu den Leviten explizit fehlt. In V.10 sind hingegen die Aaroniden sowohl besser mit den Kehatitern als auch mit den Leviten verbunden, indem eine partitive Reihe gebildet wird: „aus den Sippen der Kehatiter, von den Söhnen Levis“.76 Die Redaktion hat somit in V.10 den eigentlichen Zusammenhang (Aaroniden als Untergruppe der levitischen Kehatiter) deutlicher formuliert. Demgegenüber eröffnet die Gruppe der Aaroniden, über deren weitere Zuordnung zu Leviten oder Kehatiter nichts verlautet, die Städteliste in V.13 mit einer w-x-qatalFormation. Die Verwendung des Genziliz Qehātî in V.4 und V.10 ist wenig signifikant,77 da gerade die Constructusverbindung mišpeḥot haqQehātî in priesterlich geprägten Texten durchaus nicht ungebräuchlich ist.78 Allerdings wird
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Vgl. SAMUEL 2014, 323. Gegen KARTVEIT 1989, 70 Anm. 3 sollte man nicht vergleichbare Doppelungen im Bereich der Landverteilungstexte bemühen, um die Einheitlichkeit von V.4 zu verteidigen, da diese Doppelung in Jos 15–19 ebenfalls literarkritisch gedeutet werden muss, vgl. hierzu GASS 2019b, 55–58. 76 HOLMES 1914, 72 vermutet, dass „von den Söhnen Levis“ ein sekundärer Zusatz sei. 77 Gegen KARTVEIT 1989, 70 Anm. 3. 78 Num 3,27.30; 4,18.37; 26,57; Jos 21,4.10; 1Chr 6,39. In Num 4,34; 1Chr 6,18; 9,32; 2Chr 29,12 wird hingegen die Constructusverbindung benê haqQehātî verwendet. 75
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ansonsten in V.5.20.26 von den benê Qehāt gesprochen.79 Diese Differenzierung wird auch von LXX unterstützt. Vielleicht ist das Idiom benê Qehāt in V.5 vom Kontext bedingt, wo ebenfalls benê + X in V.4.6.7 verwendet wird. Auf diese Weise könnte folglich die unterscheidbare Ausdrucksweise erklärt werden. Darüber hinaus wirken in V.4 die Präpositionalverbindungen mit min reichlich überladen. Zumindest min haLewiyyim scheint sich adnominal und partitiv auf die „Söhne Aarons“ zu beziehen, um zusätzlich zu betonen, dass es sich bei den Aaroniden um Leviten handelt. Erst die zweite Präpositionalverbindung gibt schließlich an, aus welchem Stammesbesitz Levitenstädte abgetreten werden (Juda, Simeon und Benjamin). Dieser Bereich ist zudem geographisch zusammenhängend. In V.5 folgen dann schließlich noch weitere „übrige Kehatiter“ (benê Qehāt hannôtārîm), denen dann ebenfalls Levitenstädte zugeordnet werden. Es hat den Anschein, dass hier bewusst der Vormachtanspruch der Kehatiter durch die Anfangsposition und die Gleichsetzung mit den „Söhnen Aarons“ eingetragen worden ist. Ein ursprüngliches Dokument könnte demnach aus vier Gruppierungen bestanden haben: „Söhne Aarons“, „Söhne Gerschons“, „Söhne Kehats“ und „Söhne Meraris“, wobei die „Söhne Kehats“ in einem späteren Stadium vorangestellt und zusätzlich mit der Bezeichnung hannôtārîm „die übrigen“ in zwei Klassen differenziert wurden, was allerdings etwas gezwungen wirkt. Denn die Aaroniden werden eigentlich als selbstständige Gruppe gezeichnet, da sie ein eigenes Los und eigene Levitenstädte erhalten. Durch die Zuordnung der Aaroniden zu den Kehatitern musste bei der Gruppe der Kehatiter schließlich die Differenzierung hannôtārîm „die übrigen“ in V.5.20.26 nachgetragen werden.80 Denn es gibt nun redaktionell zwei Gruppen der „Söhne Kehats“: Aaroniden und übrige Kehatiter. Den „übrigen Söhnen Kehats“ werden in V.5 Städte in Efraim, Dan und Halbmanasse zugewiesen.81 Die Differenzierung in mimmišpeḥot maṭṭeh „von den Sippen des Stammes“82 und mimmaṭṭeh „vom Stamm“, die bei den „Söhnen Kehats“ zu finden ist, ist erklärungsbedürftig, zumal sich mišpeḥot syn79 Diese Ausdrucksweise findet sich darüber hinaus noch in Num 3,19.29; 4,2.4.15; 7,9; Jos 21,5.20.26; 1Chr 6,46.51.55; 15,5; 23,12. 80 Ein solcher Zusatz findet sich noch in V.34.40 bei den Meraritern, da diese Gruppe die letzte Abteilung der Leviten darstellt. Die Merariter sind in der Tat die „übrigen Leviten“. Interessanterweise hat die LXX das Partizip hannôtārîm unterschiedlich wiedergegeben (καταλελειμμένος in V.5.20.40, ὑπολελειμμένος in V.26, λοιπὸς in V.34). Dies könnte darauf hindeuten, dass der Text gewachsen ist. 81 Nach KNAUF 2008, 177 könnte mit der Verortung der übrigen Kehatiter auf dem Gebiet Samariens entweder eine Degradierung oder eine Anerkennung der samarischen Priesterschaft verbunden sein. KNOPPERS 2004, 434; KNOPPERS 2005, 28f. weist darauf hin, dass Efraim und Dan in 1Chr 6,46 vielleicht durch Homoioteleuton ausgefallen sind, zumal in V.52–54 Orte aus beiden Stämmen auftauchen. 82 Vgl. zu dieser schwierigen Schreibweise schon BENNETT 1895, 31.
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
taktisch nur auf Efraim, nicht aber auf Dan und Halbmanasse beziehen kann, da diese ebenfalls mit der Präposition min verbunden sind. Dasselbe Problem ergibt sich in V.6 bei den „Söhnen Gerschons“, bei denen sich die „Sippen des Stamms Issachar“ von den „Stämmen Ascher und Naftali“ und dem „halben Stamm Manasse“ im Baschan abheben.83 Die Unterschiede in der Ausdrucksweise müssen irgendwie erklärt werden. Bei den „übrigen Söhnen Kehats“ und bei den „Söhnen Gerschons“ wird darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Verteilung der Levitenstädte durch den Losentscheid erfolgt, was diese beiden Levitengruppen in V.5 und V.6 noch zusätzlich miteinander verbindet.84 Der Verweis auf die mišpeḥot maṭṭeh „Sippen des Stammes“ ist allerdings nur im MT zu finden, während eine derartige Angabe bei allen drei levitischen Untergruppen in LXX fehlt. Vielleicht ist der Verweis auf die „Sippen“ erst in einem zweiten Schritt hinzugefügt worden, als man den Losentscheid eingetragen hat. Diese Beobachtung wird durch folgenden Befund sekundiert: Denn in Jos 18–19 wurde im Rahmen einer vergleichbaren Redaktionsschicht immer wieder lemišpeḥotām „nach ihren Sippen“ ergänzt. Der Zusatz lemišpeḥotām könnte in V.5 und V.6 im Laufe der Textüberlieferung nach Ausfall des enklitischen Personalpronomens aufgrund von Haplographie und nach syntaktischer Angleichung der Präposition l zu min zu mimmišpeḥot verändert worden sein, was die auffällige Differenzierung des zuerst genannten Stammes mit dem nomen regens mišpeḥot erklären könnte. Dann wäre in der ursprünglichen Tradition in V.5 und V.6 noch keine Rede von den „Sippen des Stammes Efraim bzw. Issachar“ gewesen. Für diese Deutung spricht V.7, wo der Ausdruck lemišpeḥotām noch unbeschadet erhalten ist.85 In V.7 erhalten die „Söhne Meraris“ ihre Levitenstädte aus den Stämmen Ruben, Gad und Sebulon.86 Offenbar wurde hier noch Sebulon aufgrund der späteren Vorgabe des Zwölfstämmesystems ergänzt. Außerdem steht nur bei den „Söhnen Meraris“ die zusätzliche Angabe lemišpeḥotām „nach ihren Sip83 Möglicherweise geht die nördliche Verortung der „Söhne Gerschons“ in Galiläa auf die Tradition zurück, die diese Gruppe in Dan nach Ri 18,30 lokalisiert, vgl. auch CODY 1969, 162; NAʾAMAN 1986, 234f. Allerdings ist der Horizont von Jos 21 ein völlig anderer, da hier nämlich Dan im Süden verortet und den nichtpriesterlichen Kehatitern zugeordnet wird. Hinzu kommt, dass in Ri 18,30 von Gerschom, einem Sohn des Mose, und nicht von Gerschon, einem Sohn Levis, die Rede ist. Insofern sollte man nicht vorschnell beide Traditionen miteinander verbinden. 84 Nur bei der Verteilung der Levitenstädte wird die determinierte Präpositionalverbindung baggôrāl verwendet, vgl. Jos 21,4.5.6.8; 1Chr 6,46.48.50, ansonsten steht stets begôrāl, vgl. Num 26,55; 33,54; 34,13; 36,2; Jos 19,51. Interessanterweise ist in 4a gôrāl bereits bei seinem ersten Auftreten determiniert, sodass offenbar auf den zuvor ergangenen Losentscheid in Jos 14–19 zurückgeblickt wird. 85 Schon DILLMANN 1886, 571 weist auf diese textkritische Änderung hin. 86 Nach HERTZBERG 1985, 119 scheint hier ein geschichtlicher Tatbestand vorzuliegen, da sonst die Verortung der „Söhne Meraris“ im Ostjordanland und in Mittelgaliläa nicht zu erklären wäre.
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pen“, die bereits bei der Landverteilung an die Stämme durch das Los in Jos 18–19 ergänzt worden ist.87 Die Anzahl der insgesamt 48 Städte für die einzelnen Levitengruppen ist annähernd konstant: 13 Städte für die Söhne Aarons, 10 Städte für die übrigen Söhne Kehats, 13 Städte für die Söhne Gerschons und 12 Städte für die Söhne Meraris. Die Kurzliste der Levitenstädte wird schließlich mit V.8 auf den ersten Blick abgeschlossen, wo die Gabe der Städte noch einmal betont wird. Allerdings wird mit dem Demonstrativpronomen hāʾellæh88 offenbar bereits auf bestimmte Städte verwiesen, die aber – abgesehen von der Anzahl – bislang noch nicht genannt wurden, sodass V.8 eigentlich das Folgende eröffnet,89 wo die Levitenstädte mit Namen aufgeführt werden. In V.8 wird zudem wiederum auf den Befehl YHWHs verwiesen, der sich nur auf das Prozedere der Gabe der Levitenstädte, aber nicht auf die einzelne Auswahl bezieht. Die jeweiligen Städte und deren Weideland werden demnach durch das Los bestimmt.90 Vermutlich ist der Verweis auf den YHWH-Befehl eine sekundäre theologische Ergänzung, da dies noch nicht im Paralleltext 1Chr 6,49 zu finden ist.91 In V.8 wird somit mit den beiden Stichwörtern „Umland“ und „Los“92 zum einen auf das Folgende vorausgeblickt und zum anderen auf den Losentscheid zurückgeblickt, sodass dieser Vers beide Abschnitte kongenial miteinander verbindet. Durch die Wiederaufnahme von V.3 in V.8 wird zudem der Abschnitt V.4–7 vermutlich als sekundär ergänzter Zusatz gekennzeichnet.93 Außerdem werden die in V.3 bereits angedeuteten Levitenstädte erst ab V.13 aufgezählt, sodass die Kurzliste in V.4–8 und die Hebron-Tradition in V.11 die Ankündigung der Gabe der Levitenstädte von der eigentlichen Ausführung ab V.13 87
Zu dieser Formel vgl. GASS 2019b, 59f. AULD 1976, 276 weist darauf hin, dass das Demonstrativpronomen in V.3 und V.8 in der Version von LXXB nicht steht. Hinzu kommt, dass in 1Chr 6,49, der Paralleltradition zu V.8, ebenfalls das Demonstrativpronomen fehlt, vgl. KNOPPERS 2004, 433. 89 AULD 1976, 240 bezeichnet V.8 aufgrund seiner doppelten Funktion als einen „transitional verse“. 90 Auf den Befehl YHWHs wird in V.3 mit ʾæl pî und in V.8 mit dem Verb ṢWY hingewiesen, was diesen Abschnitt rahmt, vgl. HESS 1996, 310. 91 Vgl. KNOPPERS 2005, 57. 92 Nach BUTLER 2014, 210 könnte baggôrāl in V.8 eine marginale Korrektur sein. AULD 1976, 270 vermutet, dass im Laufe der Textüberlieferung baggôrāl aus V.9 vorgezogen worden sei, wobei dieser Vers wiederum aus 1Chr 6,50 stamme. Ähnlich auch KARTVEIT 1989, 71, der baggôrāl entweder als Glosse betrachtet oder V.9 zuweist. 93 Vgl. NOTH 1971, 127; GRAY 1986, 163; NAʾAMAN 1986, 209f.; RÖSEL 2011, 333; SAMUEL 2014, 323; GERMANY 2019, 327. Nach der Parascheneinteilung ist V.8 als Unterschrift zu beurteilen, vgl. KNAUF 2008, 177, auch wenn er im Textdurchgang eigentlich eine Überschrift zum Folgenden vermutet. Zur Technik der Wiederaufnahme vgl. WIENER 1929, 2f.; KUHL 1952, 2–11; SEELIGMANN 1962, 314–325; TALMON 1978, 12–26; PARUNAK 1981, 160; LONG 1987, 385–399; ANBAR 1988, 398; GROSS 2012, 174–178. 88
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
abtrennt. Da der Zusatz der V.5–7 bereits in der Parallelstelle 1Chr 6,46–48 verwendet wird, ist dieser redaktionelle Einschub vermutlich früher als die chronistische Version der Levitenstädte anzusetzen.94 Erklärungsbedürftig ist aber der Umstand, dass nicht der ganze Zusatz V.4–8, sondern nur ein Teil mit bisweilen abweichender Formulierung vom chronistischen Redaktor verwendet wird. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob der Zusatz in einem Schritt eingeschoben wurde und der Redaktor der chronistischen Version kürzte, oder ob die chronistische Version Aufschluss über die Textgeschichte von V.4–7 geben könnte. Darüber hinaus schließt V.8 das Vorausgegangene ab und eröffnet zugleich das Folgende. Dementsprechend ist V.8 auf der Ebene des Endtextes sicherlich mehr als nur eine einfache Wiederaufnahme von V.3,95 was aber die Auswertung von V.4–8 als redaktionellen Zusatz nicht schmälert. Die Kurzliste ist lexematisch durch die Wiederaufnahme mit der folgenden Langliste verbunden, was wohl auf eine redaktionelle Angleichung zurückgeht, mit der man die narrative Verortung der Einheit stärken wollte. Denn die Gabe der Levitenstädte wird insgesamt fünfmal mit wayyittenû formuliert (Jos 21,3.8.9.11.21), wobei in V.9, V.11 und V.21 nicht auf einen Befehl YHWHs hingewiesen wurde und in diesen drei Fällen auch nicht die Gruppe der „Söhne Israels“ als Subjekt genannt wird, sodass zumindest V.9, V.11 und V.21 den Kontext benötigen und nicht für sich alleine stehen können. Auffälligerweise fehlt der Hinweis auf die Gabe von Levitenstädten mit wayyittenû bei den „Söhnen Gerschons“ in V.27 und den „Söhnen Meraris“ in V.34.96 Während V.3 betont, dass die Levitenstädte minnaḥalātām „aus ihrem (d.h. der Stämme) Erbbesitz“ stammen, fehlt dies in V.8, wo demgegenüber auf den Losentscheid verwiesen wird, sodass beide Verse unterschiedliche Akzente setzen, was vermutlich redaktionsgeschichtlich erklärt werden muss. Die Abfolge der Stämme in der Kurzliste ist gegenüber der Langliste leicht verändert. Bei den „Söhnen Gerschons“ wird in V.6 der Bereich des ostjordanischen Manasse an den Schluss gesetzt, offenbar um die ostjordanischen Stämme zusammenzuordnen, da danach bei den „Söhnen Meraris“ in V.7 Ruben und Gad folgen,97 bei den „Söhnen Meraris“ wandert Sebulon zudem ans Ende, wodurch die geographische Anordnung der Langliste durchbrochen wird, aber die ostjordanischen Stämme zusammenstehen. In der Langliste ist hingegen die Voranstellung Ostmanasses bei den „Söhnen Gerschons“ in V.27 schon deshalb gefordert, weil hier mit dem Ort Golan eine Asylstadt auszumachen ist und die Asylstädte vorzugsweise als erstes genannt werden. Dies gilt zumindest bei Juda (V.13) und Efraim (V.21) und ist vielleicht auch 94
Vgl. NAʾAMAN 1986, 210. Vgl. ROSS 1973, 96. 96 Dementsprechend bezweifelt AULD 1976, 270 die gegenüber 1Chr 6 bessere Anordnung in Jos 21. 97 Vgl. RÖSEL 2011, 334. 95
2. Kurzliste (Jos 21,4–8)
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hier zu vermuten. Erst danach folgen in V.28–32 Issachar, Ascher und Naftali. Bei den „Söhnen Meraris“ ist die Stammesabfolge in V.34–39 Sebulon, Ruben und Gad. Außerdem werden in der Langliste West- und Ostmanasse zusammengesehen und Sebulon folgt direkt auf Naftali, wodurch eine bessere geographische Anordnung erzielt wird als in der Kurzliste.98 In der Kurzliste sind hingegen die Oststämme in der Abfolge Ostmanasse – Ruben – Gad zusammengeordnet.99 Beide Listen verfolgen somit unterschiedliche Aussageziele, was die abweichende Reihenfolge zeigt. Ob man diese Beobachtung aber diachron auswerten darf, ist fraglich. Auch formal hat die Kurzliste eine gewisse Eigenständigkeit, die bei allen Einträgen zu beobachten ist. Bei der Kurzliste wird nämlich jeweils in 4b sowie in V.5, V.6 und V.7 die Formel libnê X mimmaṭṭēh Y verwendet, wobei in V.5 und V.6 noch zusätzlich beim ersten Eintrag auf mišpeḥot „Sippen“ verwiesen wird, wobei dieser Zusatz – wie bereits gesehen – zum einen textkritisch umstritten, zum anderen vielleicht auch eine verdorbene Lesart ist.100 Durch diese klare formale Strukturierung wird die Abfolge der Langliste, die dann die einzelnen Städte der vier Untergruppen vorstellt, bereits vorbereitet. Die Kurzliste ist vermutlich später entstanden, weil hier die einzelnen Stämme individuell behandelt werden, was bei Juda und Simeon in der Langliste eigentlich nicht der Fall ist, da beide Stämme gemeinsam auftauchen und die einzelnen Städte nicht explizit Juda oder Simeon zugeordnet werden.101 Die spätere Uniformität der Kurzliste ist in der früheren Langliste somit eigentlich noch nicht vorhanden. Insofern ist es unwahrscheinlich, dass erst ein späterer Redaktor für derartige Ungleichgewichte in der Langliste verantwortlich sein sollte. Allerdings ist die später redaktionell ergänzte Kurzliste (V.4–8) nicht gut in den Kontext eingebunden.102 Denn während sich der Losentscheid in 4a auf die Kehatiter bezieht, gilt das erste Los nach V.10 zunächst den Aaroniden, die erst in einem zweiten Schritt als Untergruppe der Kehatiter bewertet werden. Fraglich ist zudem, weshalb in V.8 der Zusatz migrešêhæn steht, der in der Kurzliste bislang noch nicht vorhanden war, da ja lediglich ʿārîm „Städ98
Langliste: Juda, Simeon, Benjamin (Aaroniden), Efraim, Dan, Westmanasse (Kehatiter), Ostmanasse, Issachar, Ascher, Naftali (Gerschoniter), Sebulon, Ruben, Gad (Merariter) 99 Kurzliste: Juda, Simeon, Benjamin (Aaroniden), Efraim, Dan, Westmanasse (Kehatiter), Issachar, Ascher, Naftali, Ostmanasse (Gerschoniter), Ruben, Gad, Sebulon (Merariter). 100 Nach BOLING 1982, 481 fehlt „Sippen“ in V.5 und V.6 von LXX. JAPHET 2002, 178 ergänzt in der Chroniktradition lemišpeḥotām mimmaṭṭēh „nach ihren Familien, vom Stamm“. Bei einer solchen Rekonstruktion wären zumindest in der Chroniküberlieferung alle drei Stellen wörtlich identisch. 101 Vgl. RÖSEL 2011, 332. 102 Vgl. AULD 1976, 246.
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
te“ zugeteilt werden (V.4.5.6.7). Nichtsdestotrotz ist migrešêhæn aber in V.3 bereits vorbereitet. Auch diese Beobachtung weist darauf hin, dass in V.8 eine Wiederaufnahme von V.3 vorliegt, die redaktionell der Kurzliste angeschlossen wurde. Der Verweis auf den Befehl YHWHs in V.8 schlägt zudem ebenfalls den Bogen zu V.3 zurück. Die unterschiedliche Formulierung ʾæl pî YHWH (V.3) im Vergleich zu ṣiwwāh YHWH beyad Mošæh (V.8) muss man nicht diachron gegeneinander ausspielen in dem Sinne, dass V.3 archaischer sei.103 Denn beide Formulierungen finden sich fast nebeneinander in Jos 17,4.104 Allerdings ist das Idiom ṣiwwāh YHWH beyad Mošæh bereits in Jos 14,2 redaktionell mit dem Losentscheid verbunden, sodass dieser Satz in V.8 vielleicht zu dem Zeitpunkt ergänzt worden ist, als man den Losentscheid in eine bereits vorliegende Kurzliste mit vier levitischen Untergruppen („Söhne Aarons“, „Söhne Kehats“, „Söhne Gerschons“ und „Söhne Meraris“) eingetragen hat. Die im Endtext in V.4–8 zu beobachtende formale Unausgeglichenheit geht vermutlich auf redaktionelle Eingriffe zurück, wobei nur sporadisch und nicht immer einheitlich ergänzt wurde. Die von MT abweichende LXX-Version zeigt darüber hinaus, dass offenbar unterschiedliche Ausgaben von Jos 21 vorlagen. Denn gerade bei den als sekundär eingetragenen Dingen sind markante Differenzen zu beobachten, was auf frühere Textstufen zurückgehen könnte.
3. Langliste (Jos 21,9–42) Insgesamt ist ein gewisser gestalterischer Wille in der Langliste festzustellen. Denn vor dem Hintergrund der Konzeption des Zwölfstämmevolkes sollen offenbar von jedem Stamm vier Städte den Leviten zur Verfügung gestellt werden.105 Allerdings ist durch die Unterscheidung von Ost- und Westmanasse die gleichmäßige Verteilung bereits gestört worden, da nun je zwei Orte mit den „Söhnen Kehats“ bzw. den „Söhnen Gerschons“ verbunden worden sind. Außerdem stellen offenbar nur Juda und Simeon gemeinsam neun Städte ab, was dann durch die Reduktion auf drei Städte bei Naftali wieder ausgeglichen werden musste. Diese Unausgewogenheit bei Naftali wird gelegentlich darauf zurückgeführt,106 dass der Ort Bet-Schemesch in Naftali (Jos 19,38) 103
So aber KARTVEIT 1989, 71. Vgl. AULD 1990, 144. 105 Nach CODY 1969, 160 könnte die Aufteilung auf zwölf Stämme auf den umgebenden Kontext zurückgehen, während die Zuweisung zu bestimmten Levitengruppen auf die zugrundeliegende Tradition zurückgeführt werden könnte. 106 Vgl. hierzu TSAFRIR 1975, 44f.; KALLAI 1998, 26. Kritisch hierzu schon NAʾAMAN 1986, 216; BUTLER 2014, 227. Nach AULD 1979, 205f. ist gerade die irreguläre Verteilung der Levitenstädte wohl authentischer als die Aufteilung in 48 Levitenstädte. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine gleichmäßige Verteilung durchbrochen worden ist. 104
3. Langliste (Jos 21,9–42)
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von einem späteren Bearbeiter fälschlicherweise mit dem judäischen Ort gleichgesetzt worden ist und deshalb zu den judäischen Städten wanderte, was dazu führte, dass Naftali im Anschluss nur drei Levitenstädte abgestellt hat. Dass Bet-Schemesch ursprünglich bei Naftali stand, könnte noch dadurch begründet werden, dass für Naftali durchaus vier Städte bekannt gewesen wären, die man hätte verwenden können, und dass Bet-Schemesch an letzter Position bei den judäischen Levitenstädten steht, was für Nachträge durchaus typisch ist.107 Allerdings gibt es in der Textüberlieferung keinen zwingenden Hinweis für eine derartige Umstellung von Bet-Schemesch. Man müsste zudem davon ausgehen, dass die zusammenfassenden Zahlenangaben, die bei Naftali nur von drei Städten ausgehen, in der Langliste erst nach Umstellung von Bet-Schemesch eingetragen worden wären. Die Zuweisung von BetSchemesch zu Juda müsste dann zudem noch vor dem Eintrag der Zahlen in der Kurzliste geschehen sein, da die Zahlenangaben in beiden Listen identisch sind. Außerdem stellt sich die Frage, weshalb ein Redaktor die vorgefundene gleichmäßige und ideale Verteilung gestört hat, indem er den Ort Bet-Schemesch von V.33 nach V.16 umgestellt hat. Darüber hinaus müsste erklärt werden, mit welcher Intention er den Aaroniden einen zusätzlichen judäischen Ort zuteilen wollte. So einleuchtend die Umstellung von BetSchemesch auf den ersten Blick auch ist, so schwierig ist die Begründung für eine derartige literarische Operation. Auch wenn die Abfolge der Stämme in Jos 21 markant von der Anordnung in Jos 13–19108 abweicht, ist trotzdem ein klares Gliederungssystem von Süd nach Nord zu erkennen, wobei zwischen West- und Ostjordanland getrennt wird.109 Dementsprechend wird der südliche Stamm Dan aufgrund seiner geographischen Verortung Efraim nachgeordnet. Nach Westmanasse folgen Ostmanasse und die galiläischen Stämme, wobei Sebulon zunächst ausgelassen wurde. Denn nach Ostmanasse musste offenbar ein östlicher galiläischer Stamm, nämlich Issachar, folgen, sodass die Abfolge von Jos 19 Sebulon – Issachar aufgegeben wurde. Danach wird hingegen die Abfolge von Jos 19 (Issachar – Ascher – Naftali) beibehalten. Aus diesen Gründen musste Sebulon im Anschluss zu den ostjordanischen Stämmen wandern, was die ei-
107
Vgl. SCHMITT 1995, 33. ACHENBACH 2003, 596 vermutet, dass der judäische Ort Bet-Schemesch vielleicht aufgrund von 1Sam 6,12–15 aufgenommen wurde. 108 Anordnung in Jos 13–19: Juda, Efraim, Manasse, Benjamin, Simeon, Sebulon, Issachar, Ascher, Naftali, Dan. Langliste: Juda, Simeon, Benjamin (Aaroniden), Efraim, Dan, Westmanasse (Kehatiter), Ostmanasse, Issachar, Ascher, Naftali (Gerschoniter), Sebulon, Ruben, Gad (Merariter) Kurzliste: Juda, Simeon, Benjamin (Aaroniden), Efraim, Dan, Westmanasse (Kehatiter), Issachar, Ascher, Naftali, Ostmanasse (Gerschoniter), Ruben, Gad, Sebulon (Merariter). 109 Vgl. hierzu SCHMITT 1995, 41f.
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Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
genwillige Verteilung der den „Söhnen Meraris“ zugeordneten Levitenstädte erklärt.110 Der klar durchdachte Entwurf mit idealiter vier Levitenstädten pro Stamm, der infolgedessen nicht auf die eigentliche Größe der Stammesgebiete Rücksicht nimmt, legt nahe, dass es sich hier um eine literarische Fiktion handelt, die die Landgabe von Jos 13–19 bereits voraussetzt111 und die dortigen Ortsangaben rezipiert. Bei der Vergabe der Levitenstädte sollte hingegen gemäß Num 35,8 die Größe des jeweiligen Stammes berücksichtigt werden, was aber in Jos 21 gerade nicht der Fall ist.112 Eine Verteilung der Levitenstädte nach Größe ist zudem vor dem Hintergrund des Losentscheids problematisch. Höchstens die neun Levitenstädte aus dem Stamm Juda bilden eine Ausnahme und könnten mit der Differenzierung von Num 35,8 zusammengedacht werden.113 Alles in allem kann Num 35 eigentlich nicht jünger als der Endtext von Jos 21 sein, da man nachträglich sicherlich nicht ein anderes und konkurrierendes Verteilungssystem geschaffen hätte. Die Verteilung mit dem Losentscheid kann hingegen sekundär aufgrund der Verbindung mit den übrigen Texten zur Landverteilung, die vom Losentscheid geprägt sind (Jos 13–19), hinzugetreten sein. Da die Städte von Manasse zum einen den „Söhnen Kehats“, zum anderen den „Söhnen Gerschons“ zugewiesen werden (jeweils zwei), ergibt sich zudem eine unregelmäßige Anzahl von Levitenstädten. Dementsprechend scheint das Ergebnis der Verteilung gemäß Jos 21 keine klar erkennbare Struktur mehr zu haben. Denn die „Söhne Aarons“ und die „Söhne Gerschons“ erhalten jeweils 13 Städte, die „Söhne Meraris“ zwölf Städte und die „Söhne Kehats“ nur zehn Städte.114 Dieses Ungleichgewicht, das vermutlich mit der Anzahl der Städte aus Juda und Simeon zu verbinden ist, könnte damit zusammenhängen, dass den Redaktoren von Jos 21 bereits eine Liste von neun Städten aus dem Königreich Juda vorlag, die man nicht verändern wollte und die man deshalb ohne Abänderung in die V.13–18 aufgenommen haben könnte.115 Dementsprechend musste man auch die anderen Listen anpassen, wobei die Regel galt, dass jeder Stamm eigentlich vier Städte für die 110
Vielleicht hat der Ort Dimna, der in 1Chr 6,62 als Rimmon gelesen wird, zu einer Zuweisung dieser Städte zu Sebulon geführt, zumal der Ort Rimmon nach Jos 19,13 in Sebulon liegt, vgl. NOTH 1971, 129. Denn eigentlich wären in V.34–35 Städte zu erwarten gewesen, die räumlich mit den Orten aus Ruben und Gad zu verbinden wären. 111 Vgl. FRITZ 1994, 210. 112 Vgl. BEN ZVI 1992, 81 Anm. 1. 113 Vgl. BUTLER 2014, 227. 114 Nach PITKÄNEN 2010, 342 liegt ein Schwerpunkt auf Juda, wo die Liste der Levitenstädte vermutlich entstanden ist. 115 Vgl. BEN ZVI 1992, 87. Oft wird auch noch die Benjaminliste zur ursprünglichen Tradition hinzugenommen, was aber angesichts der gleichen Viererstruktur nicht ohne Probleme ist, vgl. SCHMIDT 2002, 118; RÖSEL 2011, 332.
3. Langliste (Jos 21,9–42)
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Leviten abgeben solle. Damit dieses System funktionieren kann, hat der Stamm Naftali nur drei Levitenstädte gestellt.116 Darüber hinaus wurde das System noch von der Vorstellung überlagert, dass zwischen West- und Ostmanasse zu unterscheiden sei,117 Eine derartige Differenzierung zwischen einem west- und einem ostjordanischen Halbmanasse ist jedoch schwer zu erklären, weil dadurch das ansonsten klar strukturierte Schema von 12 Städten pro Levitengruppe noch zusätzlich durchbrochen wird, da man die manassitischen Städte unterschiedlichen Levitengruppen zuwies. Dementsprechend bekamen die Kehatiter nur zwei Städte aus dem Bereich von Westmanasse, was die Anzahl von zehn Städten der „übrigen Söhne Kehats“ erklärt, während die zwei Städte aus Ostmanasse den „Söhnen Gerschons“ zusätzlich zugeschlagen wurden, nachdem man aufgrund der neun Städte der Aaroniden hier eine Stadt aus Naftali abziehen musste.118 Möglicherweise ist die Abweichung von der eigentlich angezielten numerischen (viermal je vier Städte aus drei Stämmen) und geographischen (Lage der jeweiligen Stammesgebiete) Struktur auch dem Umstand zu verdanken, dass man den Aaroniden nicht weniger Städte als den Gerschonitern geben wollte. Außerdem hätte man aus geographischen Gründen eigentlich die vier Stämme Issachar, Ascher, Naftali und Sebulon den „Söhnen Gerschons“ zuweisen müssen, was dann die ungeheure Zahl 16 erzeugt hätte. Deshalb tauschte man Sebulon (vier Städte) mit Ostmanasse (zwei Städte), das man dann auch direkt hinter Westmanasse setzen konnte, und zog bei Naftali noch eine weitere Stadt ab, die man dann bei den Aaroniden im Stammesgebiet von Juda/Simeon aufaddieren konnte,119 sodass man je 13 Städte für die Gerschoniter (Ostmanasse 2; Issachar 4; Ascher 4; Naftali 3) und Aaroniden (Juda-Simeon 9; Benjamin 4) erhielt. Außerdem hat die Aufteilung von Manasse in West- und Ostmanasse mit jeweils zwei Städten zu den beobachteten Ungleichheiten geführt. Wenn Manasse nämlich vollständig zu den Kehatitern gezählt worden wäre, hätte man wie bei den Meraritern ebenfalls zwölf Orte (Efraim 4; Dan 4; Manasse 4).120 Durch die nachträgliche Verschiebung von Stämmen zu einzelnen levitischen Untergruppen ist dieses Ungleichgewicht erst entstanden. Die auf diese Weise erzeugte Disparität könnte aber durchaus den Vorgaben in Num 35,8 entsprechen, wonach sich die Anzahl der Levitenstädte nach der jeweiligen Stammesgröße bemessen soll. Somit wäre im Endeffekt sogar ein Ausgleich zwischen der idealen, gleichmäßigen Verteilung von 48 Levitenstädten und der Zuweisung nach Stammesgröße durch dieses System erreicht worden. 116
Vgl. NELSON 1997, 239. Zu dieser Störung der ansonsten angezielten Struktur vgl. CORTESE 1990, 81. 118 Trotz dieses Ungleichgewichts hält SCHMIDT 2002, 118 den Text für eine künstliche und wohl strukturierte Zusammenstellung aus vorgegebenen Texten. 119 Vgl. zu diesem kreativen Deutungsversuch SCHMIDT 2002, 118. 120 Vgl. hierzu SCHMITT 1995, 32. 117
100 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt Die in der Langliste (V.13–42) genannten Ortsnamen sind größtenteils bereits im stämmegeographischen Abschnitt der Landverteilung Jos 13–19 zu finden. Möglicherweise wurden jedoch ansonsten unbekannte Orte der ursprünglichen Langliste gelegentlich mit bekannteren Namen ersetzt,121 was dann die unterschiedlichen Namensformen in den Versionen und in der Paralleltradition 1Chr 6 erklären könnte. Denn die abweichende Namensüberlieferung kann nicht immer textkritisch im fehlerhaften Prozess der Texttransmission gesucht werden, da es nämlich abweichende Namensformen gibt, die nicht textkritisch ableitbar sind. Darüber hinaus wäre freilich noch denkbar, dass es ursprünglich mehr als die idealen 48 Levitenstädte gegeben haben könnte, wobei diese längere Liste aufgrund des Systemdrucks unterschiedlich gekürzt wurde,122 was die Abweichungen in den Versionen und den beiden Paralleltraditionen Jos 21 und 1Chr 6 erklären könnte. Hier kommt man über Vermutungen nicht mehr hinaus. Insgesamt ist die Langliste in V.13–42 auf dem ersten Blick klar strukturiert: Die vier Untergruppen der Leviten bekommen 48 Städte aus den zwölf Stämmen zugewiesen. Manchmal wird demnach die Anzahl von 48 Städten und die Gliederung in 12 x 4 Städte als ursprünglich angenommen. Allerdings wird dieses Schema immer wieder durchbrochen, was darauf hinweisen könnte, dass vorliegende Quellen oder allgemein bekannte Informationen verwendet worden sind.123 Die zugrundeliegende Quelle muss jedoch nicht notwendigerweise eine Zusammenstellung von Levitenstädten sein, sondern könnte ursprünglich auch einen anderen Zweck verfolgt haben.124 Denn die Einschätzung, dass es sich um Levitenstädte handelt, wird erst durch den Endtext geleistet. Die jetzige Ungleichheit in der Liste (13 – 10 – 13 – 12 anstelle von 4 x 12) könnte auch daher stammen, dass man zusätzlich noch die beiden Städte Hebron und Sichem einpassen musste, was zum einen zu neun Städte aus Juda/Simeon führte und zum anderen zur unterschiedlichen Textüberlieferung in Jos 21 gegenüber 1Chr 6, die im efraimitischen Bereich entweder Kibzajim oder Jokmeam beibehielt und den jeweils anderen Ort tilgen musste.125 Allerdings gibt es für die sekundäre Zufügung und Kürzung der Liste keinen eindeutigen Hinweis, sodass diese Begründung der Disparität der Verteilung wohl ausscheiden muss. 121
Vgl. NOTH 1971, 129. Vgl. zum Problem KALLAI 1986, 468. 123 Vgl. BEN ZVI 1992, 86. 124 Vgl. SCHMITT 1995, 31f. 125 Vgl. ALBRIGHT 1945, 52–55. Nach BLOCK 2015, 97 Anm. 11 könnte Kibzajim „Yam hat versammelt“ und Jokmeam „Möge Am aufrichten“ heißen, sodass hier fremde Gottheiten in den Ortsnamen versteckt wären. Dann wäre auch verständlich, dass ein auf Orthodoxie bedachter Redaktor hier kürzen wollte und dementsprechend entweder Kibzajim oder Jokmeam gekürzt hat. 122
3. Langliste (Jos 21,9–42)
101
Das System der Langliste mit 48 Levitenstädte ist noch zusätzlich durch die Verbindung mit den Asylstädten überlagert worden. Die sechs Asylstädte gehörten jedoch vermutlich seit jeher zu der Liste von 48 Städten, da man sonst mit einer Ersetzung von anderen Städten durch die Asylstädte oder von einer ursprünglichen Liste mit 42 Städten126 ausgehen müsste. Dann wären aber auch die angegebenen Zahlenangaben nicht ursprünglich gewesen. Zumindest als man die jetzige Strukturierung des Textes mit 48 Levitenstädten schuf, galten die Asylstädte als integraler Bestandteil der Liste der Levitenstädte. Wie die Liste freilich davor aussah, kann eigentlich nicht mehr bestimmt werden. Die Asylstädte werden aus folgenden Stämmen genommen: Hebron aus Juda (V.13) von den Aaroniden, Sichem aus Efraim (V.21) von den Kehatitern, Golan aus Ostmanasse (V.27) und Kedesch aus Naftali (V.32) von den Gerschonitern, sowie Bezer aus Ruben (V.36 – allerdings nicht explizit als Asylstadt ausgewiesen) und Ramot aus Gad (V.38) von den Meraritern. Nach dieser Verteilung stellen die levitischen Gruppen Kehat (inklusive der Aaroniden), Gerschon und Merari je zwei Asylstädte, was ebenfalls auf eine literarische Konstruktion hinweist, die bereits die beiden Gruppen der Kehatiter und Aaroniden zusammengesehen hat. Textkritisch und literarhistorisch ist bemerkenswert, dass die abschließenden Zahlen hinter den einzelnen genannten Städten (V.16.18.22.24.25.27.29. 31.32.35.37.39) in der chronistischen Paralleltradition in 1Chr 6 auffälligerweise fehlen. Dementsprechend wäre es durchaus denkbar, dass die Zahlenangaben in der ursprünglichen Tradition, die von 1Chr 6 übernommen wurde, noch nicht standen.127 Allerdings wäre es auch möglich, dass die Zahlenangaben getilgt wurden, da sie nicht immer zur Anzahl der in 1Chr 6 aufgezählten Orte gepasst haben. Der Anfang der Langliste in V.9 ist schwierig. Es wird sich zeigen, dass eine literarhistorische Verortung dieses Verses nicht leicht ist. Die Langliste beginnt in V.9 mit einer wayyiqtol-Form, die den Anfang in V.3 oder V.8 (wayyittenû) wiederholt. Allerdings ist V.9 keine allgemeine Eröffnung,128 zumal sie das in V.8 genannte Subjekt „Söhne Israels“ benötigt. Es handelt sich vielmehr um die spezielle Einleitung zur Vergabe von Städten aus Juda und Simeon, die sich an V.4 reibt, wo noch zusätzlich Benjamin genannt wird. Dies ist aber an sich in V.9 nicht nötig, da ab V.13 lediglich Städte aus Juda und eventuell Simeon genannt werden, während die benjaminitischen Orte gesondert und explizit erst ab V.17 aufgeführt werden. Es fällt außerdem auf, dass V.9 eine andere formale Anordnung hat, da hier nicht die levitische Gruppe zuerst genannt wird, die Nutznießer der Ver126 Oder 43 Städte, da Hebron aufgrund der doppelten Nennung in unterschiedlichen Quellen vorhanden sein könnte, vgl. HUTTON 2012, 62. 127 Vgl. zu dieser Beobachtung auch NAʾAMAN 1986, 209. 128 Interessanterweise hat die Parallele von V.9 in 1Chr 6,50 einen Hinweis auf den Losentscheid (MT und LXX), vgl. KNOPPERS 2004, 433.
102 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt teilung von Städten ist, sondern es werden die Stämme aufgezählt, von denen Städte abgegeben werden, wobei die levitische Gruppe nicht genannt wird. Erst in V.10 folgen die „Söhne Aarons“ als Empfänger der ihnen zugewiesenen Levitenstädte. Das Abweichen vom üblichen Schema spricht nicht gerade dafür, dass V.9 seit jeher zum ursprünglichen Bestand gehörte. Hinzu kommt, dass sich V.9 ausweislich der Formulierung maṭṭeh benê + Juda bzw. Simeon vom Übrigen sprachlich abhebt. Der Relativsatz mit der imperfektiven Verbalform yiqrāʾ in V.9 ist ebenfalls erklärungsbedürftig.129 Vielleicht sollte man die yiqtol-Form mit „die (der Text) gleich namentlich bezeichnen wird“ oder „die man (bis heute und weiterhin) namentlich kennt“ übersetzen.130 Eine Änderung der Verbalform in den N-Stamm ist nicht nötig,131 da man yiqrāʾ auch unpersönlich „man nennt“ übersetzen kann.132 Vielleicht haben die Israeliten für diese Städte neue Namen geprägt. Möglicherweise soll aber darauf hingewiesen werden, dass diese alte Liste nicht verändert werden dürfe, da man alles schon in der Zeit Josuas festgelegt habe.133 Das Idiom QRʾ + ʾæt + bešem findet sich zudem nur in priesterlichen Texten.134 Dementsprechend könnte diese Formulierung einer priesterlichen Redaktion zugewiesen werden. 3.1 Aaroniden (V.10–19) Die eigentliche Verteilung der Levitenstädte beginnt in V.10 mit den „Söhnen Aarons“. Diese Gruppe wird aber offenbar durch zwei Einschränkungen näher qualifiziert: „Sippen der Kehatiter“ und „Söhne Levis“. Auf diese Weise werden die „Söhne Aarons“ zu einer Untergruppe der Kehatiter.135 Aufgrund der Verbindung der „Söhne Aarons“ mit den „Söhnen Kehats“ wurde die genealogische Abfolge Gerschon-Kehat umgestellt, da die Priesterfamilie der 129 HOLMES 1914, 72 vermutet hier sogar das Verb QDŠ wie in Jos 22,7. STEUERNAGEL 1900, 233 denkt noch an eine Korruption aus weʾæt migrešêhæn. 130 Vgl. hierzu KNAUF 2008, 177. Nach HARSTAD 2004, 653 sei hier im Plural und passivisch zu übersetzen: „die mit Namen genannt werden“. 131 So aber NOTH 1971, 124; FRITZ 1994, 209. AULD 1976, 270, der in der Parallele in 1Chr 6,50 eine korrupte Lesart für ursprüngliches NQB-N vermutet. 132 Vgl. hierzu auch SOGGIN 1982, 202. 133 Vgl. BUTLER 2014, 227. 134 Num 32,38; Jos 21,9; 1Chr 6,50. Nach BOLING 1982, 487 könnte sich hinter dieser Formel eine levitische Schulübung verbergen. HOSSFELD/KINDL 1993, 142 vermuten, dass es sich hierbei um späte Belege für die namentliche Nennung von Städten handelt. Nach LABUSCHAGNE 1976, 670 heißt dieses Idiom „mit Namen nennen“ und zwar im Sinne von „anweisen, angeben“. 135 Vgl. auch FRITZ 1994, 210. Dies ist nach AULD 1976, 240f. ein wesentlicher Unterschied von Jos 21 zu 1Chr 6, wo die Aaroniden von den Leviten klar unterschieden werden. Die Beurteilung der Aaroniden als Untergruppe der Kehatiter ist nach CODY 1969, 164 verhältnismäßig spät entstanden, da ansonsten die Aaroniden als vierte Gruppe der Leviten betrachtet worden wären.
3. Langliste (Jos 21,9–42)
103
Aaroniden an erste Position kam und im Schlepptau dann die „Söhne Kehats“ an sich band. Die Zuweisung der Aaroniden zu den Kehatitern scheint dem Strukturwillen der Autoren geschuldet zu sein, die vor allem die Vierzahl in die Texte einbringen wollten. Die Untergliederung der Leviten in eine Dreizahl von Kehatitern, Gerschonitern und Meraritern ist hingegen breit belegt. Diese Beobachtung stellt die Zuordnung der Aaroniden zu den Leviten zumindest in Frage, da die Aaroniden üblicherweise nicht zur Dreizahl der levitischen Gruppierungen zählen. Insofern muss noch geklärt werden, ob die Aaroniden bereits in der ursprünglichen Tradition als levitische bzw. kehatitische Untergruppe zu betrachten wären oder ob diese Verbindung erst von der Redaktion geleistet wurde. Während ansonsten in Jos 21 stets von den „Söhnen Kehats“ die Rede ist,136 wird hier – wie schon in V.4 – das Gentiliz „Kehatiter“ in den Blick genommen, sodass hier die Angaben aus 4a (lemišpeḥôt haqQehātî) und 4b (benê ʾAharon + min haLewiyyim in V.10: mibbenê Lewî)137 zusammengestellt werden, wobei nur auf die Angabe hakkohen verzichtet wurde. Dementsprechend wird V.10 bereits V.4 voraussetzen. Nur in V.10 wird zudem darauf verwiesen, dass es sich hierbei um das erste Los handelte. Mitunter ist rîʾšonāh „erstes“ ein sekundärer Zusatz, da dieses Zahlwort in LXX fehlt.138 Allerdings würde rîʾšonāh als Numeral weitere Zahlwörter implizieren, was hier nicht der Fall ist. Dementsprechend wäre zu überlegen, ob hier nicht eine Rangfolge im Blick ist. Dann würde darauf hingewiesen werden, dass den „Söhnen Aarons“ das vorzüglichste Los zugeteilt worden wäre. Diese Vorrangstellung der Aaroniden wird zum einen durch die Anzahl der den Aaroniden überlassenen Levitenstädte und durch die Voranstellung der Aaroniden vor den anderen levitischen Untergruppen unterstrichen. Der Losentscheid selbst wird in Jos 21 nur noch in V.20 und V.40 bei den „übrigen Söhnen Kehats“ und bei den „Söhnen Meraris“, nicht aber bei den „Söhnen Gerschons“, erwähnt,139 obwohl das Los in der Kurzliste bei den „Söhnen Meraris“ nach V.7 fehlt und bei den „Söhnen Gerschons“ nach V.6 aber vorhanden ist. Genau den umgekehrten Befund, dass das Los in V.7 steht und in V.6 fehlt, bietet hingegen LXX.140 Diese unterschiedlichen Textformen zeigen sehr deutlich, dass hier offenbar der Losentscheid nicht ur136
Jos 21,5.20(2x).26 HERTZBERG 1985, 118 weist darauf hin, dass nur in V.10 von den „Söhnen Levis“ die Rede ist, und dementsprechend hier von einem Stamm auszugehen ist. Auch nach WOUDSTRA 1981, 307f. soll hier der genealogische, tribale Aspekt betont werden. 138 Vgl. ROSS 1973, 119; AULD 1976, 276; KNOPPERS 2005, 55; BUTLER 2014, 210. Auch in der Paralleltradition 1Chr 6,39 fehlt der Zusatz „erstes“, vgl. KNOPPERS 2004, 432. 139 Allerdings nicht als baggôrāl, sondern als gôrālām. 140 Vgl. KNOPPERS 2004, 433. Die Paralleltradition in 1Chr 6,47f. hat nur im zweiten Fall den Losentscheid (MT und LXX). 137
104 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt sprünglich zu den Texten dazugehörte, sondern dass ein späterer Ergänzer diesen Hinweis uneinheitlich in der Kurzliste nachtrug. Hinzu kommt, dass der Losentscheid in der Langliste nur in V.20 und V.40 im MT genannt wird, während in LXX in beiden Versen das unspezifische ὁρίων verwendet wird, was eigentlich auf eine Form gebûlām „ihr Gebiet“ hindeutet.141 Offenbar sind die beiden Buchstaben b und r im Rahmen der Texttransmission verwechselt worden, was dann zu den beobachteten abweichenden Lesarten führte. Es hat demnach den Anschein, dass der Losentscheid erst sekundär und nicht einheitlich in den Kurz- wie auch in den Langtext eingetragen wurde. Nachdem das erste Los auf die „Söhne Aarons von den Sippen der Kehatiter“ gefallen ist, werden ab V.11 endlich die Städte genannt, die gegeben werden, wobei als Subjekt von wayyittenû vermutlich die „Söhne Israels“ aus V.3 oder V.8 weiterwirken.142 Auf alle Fälle kann diese Verbalform nicht eine ursprüngliche Tradition eröffnen, da ein passendes Subjekt genannt werden müsste. Die Vergabe von Hebron an die Aaroniden wird in den V.11–13 unterschiedlich begründet, da diese Stadt im vorausgehenden Kontext des Josuabuches zum einen schon eine Asylstadt für den Totschläger ist (Jos 20,7) und zum anderen Kaleb im Bereich von Hebron Erbland zugewiesen bekam (Jos 14,14). Dementsprechend muss hier von dem Redaktor eine sehr differenzierte Antwort gegeben werden. Erst wenn die Liste der Levitenstädte mit den anderen Landverteilungstraditionen zusammengebracht wird, stellt sich somit die Frage, wie mit solchen konfliktbeladenen Zuweisungen umgegangen werden kann. In V.11 werden Jos 15,13 („Kirjat-Arba, Vater Enaks – jenes ist Hebron“)143 und Jos 20,7 („Kirjat-Arba – jenes ist Hebron – im Gebirge Juda) kreativ miteinander kombiniert („Kirjat-Arba, Vater Anoks – jenes ist Hebron – im Gebirge Juda“),144 was darauf hinweisen könnte, dass V.11 beide Traditionen bereits kennt und hier zusammenführen möchte, da jetzt zusätzlich die dem Kaleb gehörende Asylstadt Hebron noch als Levitenstadt ausgewiesen werden soll. Dementsprechend scheinen V.11–12 redaktionell erst spät entstanden zu sein, da diese Verse sowohl dtr. und priesterliche Vorgaben voraussetzen und miteinander harmonisieren. 141 Vgl. AULD 1979, 200; NELSON 1997, 235. BUTLER 2014, 211 hält die Tradition von 1Chr 6,51 gebûlām für die ursprünglichere Lesart. Auch KNOPPERS 2005, 30 vermutet in V.20 eine Verwechslung der beiden Buchstaben b und r. Nach BOLING 1982, 482 könnte die LXX-Lesart auf eine korrupte Vorlage zurückzuführen sein. GREENSPOON 1983, 168 lehnt ebenfalls die Priorität der Lesart gebûlām ab. 142 Vgl. hierzu NOTH 1971, 130, der auch in V.13 und V.21 die „Söhne Israels“ als Subjekt einträgt. 143 Gemeint sei hier nach PITKÄNEN 2010, 340: „Kirjat-Arba (Arba war der Vater Enaks)“. 144 Insofern muss ʾabî hāʿanôq nicht eine Glosse sein, so aber FRITZ 1994, 209.
3. Langliste (Jos 21,9–42)
105
Durch die Zusatzangabe sebîbotæ̑ hā werden in V.11 die „Weideplätze“ auf die unmittelbar umliegenden Wiesen begrenzt, was nur für Hebron explizit festgestellt wird, während bei den anderen Städten diese Einschränkung nicht gegeben wird. Erst Jos 21,42 trägt nach, dass die mit dem Ausdruck sebîbotæ̑ hā angegebene Verortung der überlassenen Weideplätze für alle Levitenstädte gelten solle, sodass die Angabe sebîbotæ̑ hā in V.42 vermutlich von V.11 abhängig ist. Falls V.11 sekundär bei der Zusammenstellung von Jos 21 mit Jos 14–19 und Jos 20 erst geschaffen wurde, dann wäre folglich auch V.42 von dieser übergreifenden Redaktion zumindest überarbeitet worden. Während die Leviten jetzt das umliegende Weideland nach V.11 erhielten, hatte Kaleb bereits zuvor nach V.12 ʾæt śedeh hāʿîr weʾæt ḥaṣeræ̂ hā „das Umland der Stadt und ihre Gehöfte“ als baʾaḥuzzātô „mit Nutzrecht für ihn“ bekommen.145 Das Land Kalebs ist somit kein eigentlicher Erbteil wie bei den übrigen Stämmen nach Jos 13–19, sondern eher ein individueller Besitz, der von Kaleb genutzt werden durfte. Das übergebene Land ist folglich kein eigentliches vererbbares Eigentum Kalebs, darf aber von ihm landwirtschaftlich bebaut werden. Damit unterscheidet sich diese Vorstellung von der übrigen Landverteilung, da dort das Land den einzelnen Stämmen als naḥalāh „Erbbesitz, Lehen“ übergeben wird, während es offenbar immer noch Eigentum YHWHs bleibt.146 Der Begriff ʾaḥuzzāh bezieht sich demgegenüber auf ein Stück Land, das von den Bewohnern einer Stadt landwirtschaftlich genutzt werden konnte.147 Auch wenn hier im Fall Kalebs aufgrund von Jos 15 eine Differen145
Zu dieser Bedeutung von ʾaḥuzzāh vgl. GERLEMAN 1977, 316–318. Hier wird baʾ ḥuzzātô verwendet, und nicht ḥelæq wie in Jos 15,13. Freilich könnte man auch weʾæt migrāšæ̑hā sebîbotæ̑ hā aus V.11 bereits zu V.12 ziehen, sodass den Aaroniden nur die Stadt Hebron gegeben wäre, was aber im Widerspruch zu V.13 steht und wohl auszuschließen ist. Nach RÖSEL 2011, 336 wird hingegen nur die Stadt Hebron den Leviten übergeben, während das umgebende Land Kaleb überlassen bleibt. 146 In Jos 22,19 wird das Westjordanland unter dem Aspekt der ʾaḥuzzat YHWH vom Ostjordanland unterschieden, das ʾaḥuzzāh der Oststämme ist. 147 Vgl. HARAN 1961a, 49. Etymologisch wird ʾaḥuzzāh gerne mit der Wurzel ʾḤZ „ergreifen, fassen, festhalten“ verbunden und dementsprechend mit „Innehabung“, und zwar von Grund und Boden, wiedergegeben, vgl. HORST 1961, 153. Nach GERLEMAN 1977, ist ʾaḥuzzāh nicht etwas „Festgehaltenes“ im Sinne von Eigentum, sondern etwas „in Angriff genommenes, Bearbeitetes“, wobei diese Nutzung unterschiedlich ausfallen kann. Anders KOOPMANS 1997, 358, der ʾaḥuzzāh mit „property that is held or possessed“ wiedergibt. HARSTAD 2004, 654 deutet ʾaḥuzzāh als „Grundeigentum“. Nach LIPIŃSKI 1986, 345 unterscheiden sich die beiden Begriffe dergestalt, dass ʾaḥuzzāh „das ganze, tatsächlich erworbene Eigentum“ bezeichnet, während naḥalāh demgegenüber ein zugeteilter Anteil ist, auf den man als Erbe ein Anrecht besitzt. SCHMID 1971, 110 weist darauf hin, dass der Begriff ʾaḥuzzāh keine theologische Bedeutung habe. Dagegen aber KOOPMANS 1971, 359, dem zufolge ʾaḥuzzāh eine Gabe Gottes ist. a
106 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt zierung zwischen dem Land Kalebs und den Ansprüchen der Leviten eingetragen werden musste, sind ähnliche Verhältnisse für die anderen Levitenstädte durchaus ebenfalls anzunehmen,148 sodass die Bewohner einer Stadt die landwirtschaftlichen Flächen erhielten, während den Leviten nur die „Weideplätze“ überlassen wurden. Nicht umsonst wird immer wieder auf die einzelnen Städte und migrešêhæn, nicht aber ḥaṣrêhæn wie in Jos 15–19 verwiesen. Interessanterweise besitzt V.12 eine wörtliche Parallele in 1Chr 6,41, wobei lediglich die Ergänzung baʾaḥuzzātô fehlt.149 Wenn die chronistische Tradition von Jos 21 abhängt, dann hat baʾaḥuzzātô offenbar in V.12 noch gefehlt und ist erst von einem späteren Ergänzer eingefügt worden. Das Nutzungsrecht des überlassenen Bodens ist demnach vielleicht sekundär ergänzt worden. Es geht bei baʾaḥuzzātô um das Verfügungsrecht, das an Kaleb übergeben wurde. Auf ähnliche Weise werden die Levitenstädte ebenfalls nicht als Erbteil der Leviten bezeichnet, sondern lediglich als ʾaḥuzzātām „ihr Nutzrecht“ (Lev 25,32). Dieses Nutzungsrecht muss schließlich von den Stämmen aus deren Erbteil an die Leviten abgetreten werden.150 Daraufhin wird in V.13 der Gedankengang wiederum aufgegriffen, indem zur Vergabe der Asylstadt Hebron an die „Söhne des Priesters Aaron“ zurückgeblendet wird,151 worauf dann syndetisch weitere acht Städte inklusive migrāšæhā „ihre Weidegebiete“ in den V.13–16 folgen: Libna, Jattir, Eschtemoa, Holon, Debir, Aschan152, Jutta, Bet-Schemesch,153 wobei hier auffälligerweise nicht zwischen dem Stammesgebiet von Juda und Simeon unterschieden wird, obschon diese Unterscheidung in V.4 und V.9 zuvor getroffen wird. Lediglich die abschließende Angabe in V.16 meʾet šenê haššebāṭîm 148
Vgl. hierzu auch HARAN 1961a, 50; SCHMITT 1995, 28. Vgl. zum Problem AULD 1990, 152. 150 Obwohl hier begrifflich unterschieden wird, vermutet KUENEN 1886, 31, dass die Leviten Eigentümer der Levitenstädte gewesen seien. 151 BOLING 1982, 488 vermutet, dass Hebron und Sichem nicht zur ursprünglichen Tradition gezählt haben. Nach NOTH 1950, 165 ist das Doppelvorkommen von Hebron in Jos 21 ein Anzeichen dafür, dass die Asylstädte noch nicht zur ursprünglichen Liste der Levitenstädte gehört haben. AULD 1976, 276 weist darauf hin, dass hakkohēn in LXXB fehlt. 152 Hier ist mit 1Chr 6,44 und mit LXX anstelle von Ajin besser Aschan zu lesen, vgl. KEIL 1847, 367; KNOBEL 1861, 473; DILLMANN 1886, 571; LLOYD 1886, 329; OETTLI 1893, 193; BENNETT 1895, 31; ROBINSON 1907, 366; HOLMES 1914, 72; EISSFELDT 1922, 283*; ALBRIGHT 1945, 66; NOTH 1971, 124; BOLING 1982, 482; SOGGIN 1982, 202; BOLING 1985, 24; HERTZBERG 1985, 117; CORTESE 1990, 83; FRITZ 1994, 209; SPRONK 1994, 166; SVENSSON 1994, 84; NELSON 1997, 235; KIM 2000, 185 Anm. 16; KNOPPERS 2004, 432; RÖSEL 2011, 336. Kritisch hierzu allerdings ALT 1953a, 295; PITKÄNEN 2010, 340. 153 Eigentlich gehört Bet-Schemesch zum Stammesgebiet von Dan (Jos 19,41: als IrSchemesch). Da dieser Ort aber bei der Grenzbeschreibung Judas in Jos 15,10 ebenfalls belegt ist, konnte Bet-Schemesch auch zu Juda gerechnet werden, vgl. SCHMIDT 2002, 119. 149
3. Langliste (Jos 21,9–42)
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hāʾellæh „von diesen beiden Clans“ wird ergänzt, wobei hier das Wort šebæṭ verwendet wird, was in Jos 21 nur hier anstelle des ansonsten üblichen maṭṭēh begegnet.154 Diese Abweichung in der Wortwahl deutet an, dass hier offenbar ein späterer Zusatz vorliegt. Schon dieser Befund verdeutlicht, dass der Stamm Simeon nicht in der ursprünglichen Tradition vorhanden war. Er musste nachträglich ergänzt werden, was durch die beiden rahmenden V.9 (ûmimmaṭṭeh benê Šimʿôn) und V.16 (meʾet šenê haššebāṭîm hāʾellæh) geschah. Hinzu kommt, dass die identifizierbaren Orte dieser Levitenstädte vor allem in Juda und kaum in Simeon liegen,155 sodass der Bezug zu Simeon künstlich wirkt und offenbar erst nachträglich eingetragen wurde. Offenbar lag lediglich eine Liste mit levitischen Orten aus Juda vor. Denn sonst hätte man vier Städte aus Simeon nach Jos 19,1–9 nehmen können.156 Eine klare Aufteilung der einzelnen Levitenstädte zwischen beiden Stämmen war schon ausweislich der tradierten Ortsnamen nicht möglich, was ebenfalls dafür spricht, dass hier eine ursprüngliche judäische Liste verwendet wurde. Außerdem wird nur hier die Schlussformel (ʿārîm + Numeral) zusätzlich mit meʾet šenê haššebāṭîm hāʾellæh erweitert.157 All diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass meʾet šenê haššebāṭîm hāʾellæh wie auch die Verbindung der aaronidischen Levitenstädte mit Simeon in V.9 vermutlich sekundär hinzugekommen sind, als man die Vorstellung vom Zwölfstämmevolk eintragen wollte. Eine ähnliche Tendenz hat sich schon bei der Landverteilung der westjordanischen Stämme in Jos 14–19 herauskristallisiert. Die eigenwillige Zusammenstellung von Namen des Stammes Juda lässt sich zudem nicht als einfache Übernahme aus Jos 15 erklären, da hier Städte aus den unterschiedlichsten Distrikten zusammengebracht werden und die Reihenfolge von Jos 15 ebenfalls nicht eingehalten wird.158 Trotzdem bilden die judäischen Levitenstädte eine geographisch nahe beieinanderliegende Gruppe, sodass man an eine von Jos 15 unabhängige Tradition von Städten denken mag, die vom Autor der Levitenstädte aufgenommen worden ist. Ob diese Ortsliste seit jeher mit Leviten verbunden worden ist, ist damit noch lange nicht gesagt.
154 Vgl. Jos 21,1.4.5.6.7.9.17.20.23.25.27.28.30.32.34.36.38. Nach KNOPPERS 2005, 35 wird zudem in chronistischer Tradition das Wort šebæṭ gegenüber maṭṭēh bevorzugt. Zu diesem Zusatz vgl. schon STEUERNAGEL 1900, 233. 155 Nur Ajin/Aschan könnte in Simeon liegen, vgl. SCHMITT 1995, 33. Vgl. auch GRAY 1986, 165; FRITZ 1994, 214. 156 Vgl. CORTESE 1990, 83. 157 Die kleineren Varianten in der Schlussformel müssen jedoch von keinerlei Bedeutung sein, da vom Autor die sklavische Befolgung von Formeln immer wieder kreativ durchbrochen wurde, vgl. hierzu RÖSEL 2011, 332. 158 Vgl. SCHMITT 1995, 45.
108 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt Danach folgen in den V.17–18 die benjaminitischen Levitenstädte Gibeon, Geba, Anatot und Almon159 jeweils mit ihren Weideplätzen, bis schließlich V.19 diese erste Auflistung der Städte der Söhne Aarons (V.9–19) abschließt. Eine einheitliche Schlussformel ist in Jos 21 nicht zu erkennen (V.19.26.33.40), auch wenn immer wieder einzelne Elemente auftauchen. Die Abschlussformulierungen weisen lediglich folgende Grundelemente auf: kol ʿārîm/ʿārê + Numeral + ûmigrešêhæn, die in den V.19.26.33 unterschiedlich erweitert wurden. Am meisten weicht der Abschluss bei den Meraritern von diesen formelhaften Elementen ab. Diese Varianz könnte darauf hindeuten, dass die Abschlussverse mit ihren exakten Zahlenangaben nicht zur ursprünglichen Tradition gehörten. Denn eine Liste hätte vermutlich formelhafte und einheitliche Angaben gemacht. Insofern ist auch hier redaktionelle Arbeit zu vermuten. Möglicherweise gehen die Abweichungen in der Schlussformel auf eine redaktionelle Hand zurück. In V.19 ist zudem auffällig, dass sich das pluralische Wort hakkohanîm nicht auf Aaron, sondern auf die „Söhne Aarons“ beziehen muss.160 Dementsprechend kann sich das Lexem kohen hier nicht nur auf Aaron selbst beziehen. Hier werden die Aaroniden explizit als Priester bezeichnet, was in der ursprünglichen Tradition noch nicht der Fall gewesen sein muss, zumal an den anderen Stellen doppeldeutig formuliert wurde. Darüber hinaus fehlt in V.19 der Ausdruck ʿārîm ûmigrešêhæn in LXXB.161 Es könnte sich um eine redaktionelle Ergänzung handeln, die noch nicht in allen Textausgaben eingetragen worden ist. 3.2 Kehatiter (V.20–26) Ab V.20 beginnt die Zuweisung der Orte an die „Sippen der Söhne Kehats“,162 die noch zusätzlich als die „übrigen Leviten von den Söhnen Kehats“ näher qualifiziert werden. Diese Differenzierung suggeriert, dass es noch andere Kehatiter gibt, die noch nicht versorgt sind (hannôtārîm), bzw. nicht-levitische Kehatiter, die offenbar nichts mit den levitischen Kehatitern (haLewiyyim mibbenê Qehāt) zu tun haben. Denn wenn es levitische Kehatiter gibt, könnte man darüber hinaus auch nicht-levitische Kehatiter vermuten. Diese gelehrten Zusatzqualifizierungen klingen nicht nur überladen, sie stö159 FRITZ 1994, 214 weist darauf hin, dass Anatot und Almon nicht in der Städteliste Benjamins in Jos 18 stehen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass im Rahmen der Textüberlieferung diese beiden Städte in Jos 18 irgendwann einmal weggefallen sind. Vielleicht hat der Redaktor von Jos 21 aber auch eine andere Tradition verwendet. 160 BOLING 1982, 481 vermutet auch in V.4 Plural hakkohanîm, wodurch eine inclusio geschaffen werde. 161 Vgl. AULD 1976, 276. 162 Nach der biblischen Tradition waren die „Söhne Kehats“ für den Transport der Bundeslade und weiterer Kultgegenstände verantwortlich, vgl. HESS 1996, 310. Vielleicht hatten sie nach Num 4,2–20 auch für die liturgischen Geräte, z.B. den Räucheraltar, Sorge zu tragen, was ihrem Namen („Räucherer“) motiviert haben könnte, vgl. GÖRG 1991, 93.
3. Langliste (Jos 21,9–42)
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ren irgendwie auch den logischen Gedankengang. Hier hat man offenbar zwanghaft versucht, die eigentliche Gruppe der Kehatiter nur als die „übrigen“ zu bezeichnen, um mit den anderen die Aaroniden gleichsetzen zu können. Interessanterweise werden im Folgenden für die „übrigen Söhne Kehats“ nur Städte genannt, die sich im Hügelland bzw. am Nordrand der Stammesgebiete Efraim, Dan und Manasse befinden. Offenbar sollte das Gebiet der Samarier bewusst vermieden werden.163 Dies kann aber auch damit zusammenhängen, dass der biblische Redaktor von Jos 21 in Jos 16–17 keine adäquaten Ortslisten zur Verfügung hatte und stattdessen Orte der Grenzbeschreibung nehmen musste,164 was dann automatisch dazu führte, dass mit Ausnahme von Sichem keine Zentralorte aufgeführt werden konnten. Wenn dies stimmt, dann wäre damit das weitgehende Fehlen des Gebiets von Efraim und Manasse bestens zu erklären. Für Westmanasse muss darüber hinaus betont werden, dass dieser Halbstamm ohnehin nach dem vorausgesetzten Schema nur zwei Städte bekommen durfte, sodass es nicht verwundert, wenn hier zwangsweise größere Lücken entstehen mussten.165 Der eigentümliche Ausdruck ʿārê gôrālām „Städte ihres Losentscheids“ in der Eröffnung in V.20 steht zudem in Spannung zu der Gabe dieser Städte vermutlich durch die „Söhne Israels“ in V.21, auch wenn das entsprechende Subjekt von wayyittenû in V.21 aus V.3 oder V.8 erschlossen werden muss. In V.21 wird wie schon bei Hebron in V.13 zusätzlich ergänzt, dass die Stadt Sichem bereits eine Asylstadt war. Eine solche Qualifizierung lässt sich zumindest mit der Tradition von Jos 20,7 verbinden. Die nähere Verortung „auf dem Gebirge Efraim“ findet sich auch schon in Jos 20,7,166 was in der Auflistung der Levitenstädte nicht unbedingt notwendig war, zumal dann nur noch drei weitere Städte folgen (Gezer, Kibzajim167 und Bet-Horon). Eine nähere geographische Verortung findet sich vor allem bei den Levitenstädten, die zugleich auch Asylstädte sind, vermutlich um diese Orte von gleichnamigen 163
Vgl. hierzu HERTZBERG 1985, 119. Hinzu kommt, dass auch das altjudäische Gebiet um Jerusalem für die Aaroniden ausgespart geblieben ist, vgl. NOTH 1971, 131. 164 Vgl. hierzu NAʾAMAN 1986, 226. 165 Vgl. zu diesem Problem auch SCHMITT 1995, 34. 166 Dieser Zusatz fehlt in LXX, vgl. STEUERNAGEL 1900, 234; HOLZINGER 1901, 87. Nach KNAUF 2008, 177 nimmt Jos 20,7 zudem keinerlei Rücksicht auf die Stämmegeographie von Jos 15–19. 167 Dieser Ort ist nur hier belegt. Vielleicht liegt hier eine Verschreibung vor, vgl. zum Problem ALBRIGHT 1945, 67; FRITZ 1994, 215. Nach 1Chr 6,53 könnte hier Jokmeam gestanden haben, vgl. NELSON 1997, 235. Dementsprechend hält ROSS 1973, 289 Kibzajim für eine korrupte Lesart von Jokmeam. Kritisch hierzu aber KALLAI 1986, 470, der vermutet, dass ursprünglich Kibzajim und Jokmeam in der Liste standen, die schließlich unterschiedlich gekürzt wurde. MAZAR 1960, 198 vermutet, dass Jokmeam der Name der levitischen Gruppe ist, die den Ort Kibzajim besiedelt hat, sodass sich die unterschiedlichen Namen in den zwei Ausgaben der Levitenstädte auf dieselbe Stadt bezögen.
110 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt Städten zu unterscheiden (z.B. Kedesch in Galiläa, Ramot in Gilead) oder besser zu verorten (Golan im Baschan). Bei der Levitenstadt Sichem, die Efraim zugeordnet wird, war eine geographische Zuweisung ebenfalls nötig. Denn Sichem liegt eigentlich im Stammesgebiet von Manasse,168 sodass der Zusatz „auf dem Gebirge Efraim“ zumindest die Verbindung von Sichem zum Stammesgebiet Efraim ermöglicht. Für einen redaktionellen Zusatz spricht auch die Beobachtung, dass nur hier die geographische Angabe „auf dem Gebirge Efraim“ hinter „und seine Weideplätze“ gestellt wurde, obschon die Verortung besser direkt hinter dem Toponym gepasst hätte.169 Da zudem das „Gebirge Efraim“ nicht deckungsgleich mit dem Stammesgebiet von Efraim ist,170 ist dieser Widerspruch nicht zwingend. Denn Sichem liegt in der Tat auf dem Gebirge Efraim (1Kön 12,25).171 Auffällig ist überdies, dass die Stadt Sichem nicht in dem Bereich der anderen Levitenstädte der Kehatiter liegt.172 Denn im Gebiet der Samarier fehlen ansonsten jegliche Levitenstädte. Allerdings besteht auch kein zwingender Grund, Sichem aufgrund seiner ausgefallenen Lage als Zusatz zur Liste zu betrachten, die stattdesssen ursprünglich die vier Namen Gezer, Kibzajim, Jokmeam und Bet-Horon aufwies, wobei sich Kibzajim in Jos 21 und Jokmeam in 1Chr 6 nach der Ergänzung von Sichem durchsetzten.173 In den anschließenden V.22–25 werden stereotyp die Levitenstädte der Stämme Dan (Elteke, Gibbeton, Ajalon, Gat-Rimmon) und Halbmanasse (Ta-
168
Vgl. NAʾAMAN 1986, 222. Nach ROSS 1973, 154–157 kann sich aber auch die Grenze von Efraim verschoben haben, sodass zum Zeitpunkt der Abfassung der Liste Sichem durchaus zu Efraim gehört haben könnte. Zum Problem vgl. auch KALLAI 1986, 460; CHEN 1998, 111. Nach KAUFMANN 1985, 71 Anm. 49 ist Sichem eine Grenzstadt, die ihre Stammeszugehörigkeit wechseln konnte. 169 Mit guten Gründen hat LXX offenbar aufgrund der widersprüchlichen biblischen Daten diese schwierige Angabe getilgt, vgl. AULD 1976, 276; NELSON 1997, 235. Dagegen aber WOUDSTRA 1981, 310 Anm 1., dem zufolge Sichem im efraimitischen Gebirge liegt. Ähnlich auch BOLING 1982, 475. 170 Vgl. NAʾAMAN 1986, 222; BEN ZVI 1992, 89. 171 Nach SCHMITT 1995, 36 habe hingegen der Redaktor von Jos 21 diese Angabe vielleicht dahingehend verstanden, dass nicht das Gebirge Efraim, sondern der Stamm Efraim in Jos 20,7 gemeint war, weshalb er dann weitere Städte aus Efraim als Levitenorte anschließt. Auch aus diesem Grund hält SCHMIDT 2002, 117 Jos 21 von Jos 20 abhängig. Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb man bei Sichem den geographischen Zusatz „im Gebirge Efraim“ erst hinter „und seine Weideplätze“ gestellt hat, während man bei Kedesch in Galiläa und Ramot in Gilead die umgekehrte Reihenfolge feststellt. Es ist wahrscheinlicher, dass der Redaktor das unnötige „und seine Weideplätze“, das zudem in Jos 21 unterschiedlich platziert war, einfach getilgt hat. Vielleicht ist diese Zuweisung von Sichem an Efraim in Jos 20 und 21 schon deshalb erfolgt, da Manasse mit Golan bereits eine Asylstadt abgestellt hat, vgl. NAʾAMAN 1986, 222; NELSON 1997, 241. 172 Vgl. BOLING 1985, 26. 173 So aber ALBRIGHT 1945, 52f. Kritisch hierzu aber ROSS 1973, 154–157.
3. Langliste (Jos 21,9–42)
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anach und Jibleam174) aufgeführt. Die geographische Zuordnung des Stammesgebietes von Dan zu Efraim und Westmanasse setzt vermutlich die südliche Verortung der danitischen Städte, die in Jos 19,40–48 gegeben wird, voraus,175 sodass diese Liste erst relativ spät entstanden sein kann, zumal Jos 19,40–48 nicht zum ursprünglichen Kern der Landverteilungstexte gehörte.176 Die Liste der Städte der Kehatiter wird formal mit der Einleitung min + maṭṭēh + Stammesname und dem Abschluss ʿārîm + Numeral ausgedrückt. Nur in V.25 findet sich das seltene Wort maḥaṣît „Hälfte“, das fast nie mit Volksgruppen verbunden wird,177 während in Verbindung mit dem Stamm Manasse in der Regel das geläufigere Wort ḥaṣî verwendet wird.178 Vielleicht hat sich in V.25 noch eine altertümliche Redeweise erhalten. Bei der Schlussformel in V.26 werden die Begünstigten nicht vor dem Zahlwort wie in V.19, sondern danach mit einer Präpositionalverbindung nachgeliefert. Im Gegensatz zu V.5 wird in den V.20.26 noch die Bezeichnung mišpeḥôt als nomen regens vor die „Söhne Kehats“ gestellt, was diesen Abschnitt mit V.4 verbindet, wo ebenfalls schon von den mišpeḥôt der „Kehatiter“ die Rede ist. Eine solche Differenzierung wird von der Lesart der LXX ebenfalls gestützt, sodass es sich nicht um ein text- oder literarkritisches Problem handeln wird. Es zeigt zumindest bei den Kehatitern, dass die ursprüngliche Kurzliste anders formuliert als die Langliste.
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Hier ist mit 1Chr 6,55 und mit LXX Jibleam bzw. Bileam anstelle von Gat-Rimmon, das fälschlicherweise von V.24 eingedrungen ist, zu lesen, vgl. KEIL 1847, 368; KNOBEL 1861, 473; DILLMANN 1886, 572; LLOYD 1886, 330f.; OETTLI 1893, 193; BENNETT 1895, 31; STEUERNAGEL 1900, 234; ROBINSON 1907, 367; EISSFELDT 1922, 284*; ALBRIGHT 1945, 69; ALT 1953a, 298; NOTH 1971, 126; BOLING 1982, 483; SOGGIN 1982, 202; BOLING 1985, 24; GRAY 1986, 166; FRITZ 1994, 209; SPRONK 1994, 166; SVENSSON 1994, 84f.; HESS 1996, 311; NELSON 1997, 235; KIM 2000, 185 Anm. 16; KNOPPERS 2004, 434; RÖSEL 2011, 337; BUTLER 2014, 211. HERTZBERG 1985, 117 schlägt alternativ noch BetSchean vor, wofür LXXA spricht. Kritisch zu einer textkritischen Änderung allerdings WOUDSTRA 1981, 310f.; HARSTAD 2004, 656f. KALLAI 1986, 470f. vermutet, dass GatRimmon und Jibleam auf unterschiedliche Texttraditionen zurückzuführen wären. Dies kann durchaus sein, lässt sich aber nicht zwingend belegen. Wenn tatsächlich Gat-Rimmon im ursprünglichen Text gestanden hätte, dann wäre zumindest die Doppelung zu V.24 erklärungsbedürftig. 175 Vgl. FRITZ 1994, 211. 176 Vgl. GASS 2019b, 112. 177 Nur in Num 31,30.42; Jos 21,25; 1Chr 6,46.55. Vgl. hierzu auch KNOPPERS 2005, 34. Nach HESS 1997, 246 heißt dieses Synonym zu ḥaṣî „half or part“. 178 Vgl. nur die Belege aus dem Hexateuch in Num 32,33; 34,14; Dtn 3,13; 29,7; Jos 1,12; 4,12; 12,6; 13,7.29; 18,7; 21,5.6.27; 22,1.7.9.10.11.13.15.21. HESS 1997, 245 weist darauf hin, dass mit dem Lexem ḤṢY zunächst „Aufteilung“ und nicht notwendigerweise auch die Aufteilung in zwei Hälften gemeint ist. Ähnlich für das moabitische Kognat auch GASS 2009, 21f.
112 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt 3.3 Gerschoniter (V.27–33) Ab V.27 folgen die Levitenstädte der „Söhne Gerschons“, die explizit zu den „Sippen der Leviten“ gerechnet werden, was durch die partitive Präpositionalverbindung mit min verdeutlicht wird. Wie schon bei den „Söhnen Kehats“ (V.20.23.25) wird auch hier die differenzierte Auflistung mit der Einleitung min + maṭṭeh + Stammesname in V.27.28.30.32 begonnen und mit der Schlussformel ʿārîm + Numeral in V.27.29.31.32 beendet. Auch hier beginnt die Reihe mit einer Asylstadt, wobei aber wie bei den Meraritern in V.34 die Einleitung wayyittenû lāhem fehlt. Insofern scheint die ursprüngliche Tradition nur eine Liste gewesen zu sein, die in V.21 sekundär verbalisiert wurde, damit diese Liste narrativ in die Vergabe der Levitenstädte unter Josua eingepasst werden konnte. Dieses Verfahren ist nur bei den ersten beiden Untergruppen angewendet worden, während bei den Gerschonitern und Meraritern darauf verzichtet werden konnte. Wie in Jos 20,8 und in V.6 wird bei der Asylstadt aus Ostmanasse die zusätzliche geographische Angabe „im Baschan“ erwähnt, was die Asylstädte Hebron, Sichem, Golan, Kedesch und Ramot zusätzlich miteinander verbindet, da bei diesen Orten immer noch eine geographische Verortung folgt (Gebirge Juda, Gebirge Efraim, Baschan, Galiläa und Gilead). Neben „Golan im Baschan“ wird noch die ansonsten unbekannte Stadt „Beeschtera“ genannt, bei der es sich wohl aufgrund der Parallele in 1Chr 6,56 um Aschtarot handeln wird.179 Diese ungewöhnliche Namensform könnte vielleicht auf eine gedankenlose Übernahme von Jos 13,12 zurückgehen, wo die Präposition b= vorgeschalten war, hier aber als Bestandteil des Namens missverstanden wurde.180 Ob man dem Redaktor aber eine solche Nachlässigkeit zutrauen darf, ist fraglich. Außerdem scheint Jos 13,12 auf eine späte Redaktionsschicht zurückzugehen,181 die man hier bereits voraussetzen müsste. Demgegenüber wäre denkbar, dass hier ursprünglich das Lexem bêt anstelle der Präposition b stand,182 sodass hier ein Tempel der Fruchtbarkeitsgöttin Astarte im Blick gewesen wäre. Allerdings würde man bei einer Konstruktion mit 179 Vgl. FRITZ 1994, 209; KNOPPERS 2004, 435; PITKÄNEN 2010, 346. Gegen eine vorschnelle Identifikation mit Aschtarot jedoch NOTH 1950, 165; NOTH 1971, 129. 180 Vgl. BOLING 1982, 483; SVENSSON 1994, 85; NELSON 1997, 235f.; BUTLER 2014, 211. Nach RÖSEL 2011, 338 ist Aschtarot als Sitz des Amoriterkönigs Og immer mit der Präposition b= verbunden. Gegen eine völlig gedankenlose Übernahme spricht allerdings, dass sich in Jos 13,12 die Form beʿAštārôt und nicht Beʿæšterāh findet. 181 Vgl. GASS 2019b, 328. 182 Vgl. KEIL 1847, 368; DILLMANN 1886, 572; LLOYD 1886, 331; OETTLI 1893, 193; STEUERNAGEL 1900, 234; HOLZINGER 1901, 87; ROBINSON 1907, 367; HOLMES 1914, 73; COOKE 1918, 197; ALBRIGHT 1945, 69; ROSS 1973, 289; WOUDSTRA 1981, 311; GRAY 1986, 166f.; KALLAI 1986, 471; SVENSSON 1994, 85 Anm. 2; KLEIN 2006, 175; BLOCK 2015, 97. Nach KNAUF 2008, 177 ist Bê ʿÆšterāh (Tempel der Ischtar) eine aramäische Form des kanaanäischen Ortsnamens Aschtarot.
3. Langliste (Jos 21,9–42)
113
bêt eine Pleneschreibung mit y erwarten. Auch der Ausfall von t müsste irgendwie erklärt werden.183 Somit sind beide Erklärungsversuche für die singuläre Form „Beeschtera“ in V.27 nicht ohne Probleme. Hier kommt man folglich über Vermutungen kaum noch hinaus. Danach folgen in den V.28–29 die Levitenstädte aus Issachar (Kischjon, Daberat, Jarmut, En-Gannim), und in den V.30–31 aus dem Gebiet Ascher (Mischal, Abdon, Helkat, Rehob). In V.32 wird im Stammesgebiet von Naftali wiederum eine Asylstadt als Levitenstadt beschrieben. Auch hier fehlt wie in V.27 die verbale Einleitung. Die Asylstadt Kedesch – ebenfalls mit einer lokalen Näherbezeichnung („in Galiläa“) – wird dementsprechend in V.32 mit vorangestellter Apposition ʾæt ʿîr miqlaṭ hāroṣeaḥ eingeführt, was auch für die anderen Asylstädte mit Ausnahme von Bezer typisch ist (V.13. 21.27.32.38). Danach folgen von Naftali zwei weitere Levitenstädte (Hammot-Dor, Kartan184). Mit V.33 wird die Liste der Levitenstädte der Gerschoniter abgeschlossen. Die Abfolge der einzelnen Stämme, aus denen für die „Söhne Gerschons“ Levitenstädte ausgesondert werden, folgt der Anordnung Jos 19,17–39 (Issachar – Ascher – Naftali),185 sodass die Konstruktion in Jos 21 vermutlich den vorpriesterlichen Grundtext der Grenzlisten in Jos 14–19 voraussetzt. Gerne werden die Gerschoniter auf Gerschom, einen Sohn des Mose, zurückgeführt (Ri 18,30).186 Offenbar waren Mose und Aaron wichtige Leitfiguren, mit denen die Kultbediensteten sich genealogisch verbunden fühlten. Außerdem konnten die späteren Kultfunktionäre auf diese genealogische Weise ihre Aufgaben legitimieren. Auch die „Söhne Meraris“ haben über Muschi eine Verbindung zu Mose (Num 3,20), zumal der Name Muschi vermutlich ein aus dem Personenname Mose abgeleitetes Gentiliz ist. Wahrscheinlich differenzierten sich die einzelnen Levitenuntergruppen durch ihre Verbindung entweder zu Mose (Gerschoniter/Merariter) oder Aaron (Aaroniden/Kehatiter). In der vorliegenden Liste in Jos 21 hatten die Aaroniden in diesem Richtungskampf zumindest die Nase vorn, da sie an erster Stelle aufgeführt werden.
183
Kritisch auch SCHMITT 1995, 45 Anm. 13. Nach FRITZ 1994, 215 könnte Kartan eine Verschreibung für Rakkat aus Jos 19,35 sein, vgl. auch NOTH 1971, 126; HERTZBERG 1985, 117; GRAY 1986, 167; NELSON 1997, 240. Dagegen aber KALLAI 1986, 473. Kartan könnte zudem in 1Chr 6,61 zu Kirjatajim verbessert worden sein. 185 Vgl. auch FRITZ 1994, 211. 186 Vgl. GÖRG 1991, 93, der einen Bezug zu Gerschom, den Sohn des Mose (Ex 2,22), zieht. Insofern könnten die Kultbediensteten von Dan zu den Muschiten gehört haben, vgl. BEN ZVI 1992, 103 Anm. 2. Ähnlich wie die Kehatiter haben auch die „Söhne Gerschons“ nach biblischer Tradition während der Wüstenwanderung verschiedene Dinge transportiert, vgl. GÖRG 1991, 93; HESS 1996, 310. 184
114 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt 3.4 Merariter (V.34–40) Ab V.34 folgen die Levitenstädte für die „Sippen der Söhne Meraris“, die weitgehend die gleiche Grundform wie bei den Gerschonitern übernommen haben. Auch hier wird die differenzierte Auflistung der Städte mit der Einleitung min + maṭṭeh + Stammesname in den V.36.38 begonnen und mit der Schlussformel ʿārîm + Numeral in den V.35.37.39 beendet. Nur in V.34 steht seltsamerweise die Präposition meʾet anstelle von min, was vielleicht darauf hinweist, dass die Städte aus dem Stammesgebiet von Sebulon in den V.34f. sekundär ergänzt worden sind (Jokneam187, Karta188, Dimna189, Nahalal).190 Fraglich ist, weshalb in V.34 noch nôtārîm „übrige“ hinter den Leviten ergänzt worden ist.191 Allerdings ist dieser Ausdruck in V.34 im Gegensatz zur kürzeren Paralleltradition in 1Chr 6,62 durchaus verständlich, da die Merariter in der Tat als vierte und letzte Gruppe die „übrigen Leviten“ stellen. In den V.36–39 folgen Städte aus den ostjordanischen Stammesgebieten von Ruben (Bezer, Jahza, Kedemot, Mefaat) und Gad (Ramot, Mahanajim, Heschbon192, Jaser), wobei die erste Stadt Ramot wiederum eine Asylstadt ist, was durch den konventionellen appositionell vorangestellten Zusatz ʾæt ʿîr miqlaṭ hāroṣeaḥ in V.38 verdeutlicht wird. Auch hier wird analog zu den anderen Asylstädten mit der Angabe „in Gilead“ eine geographische Bezeichnung nachgestellt, was auch in Jos 20,8 der Fall ist, wobei dort aber der 187 Der Ort Jokneam gehört eigentlich nicht zu Sebulon, sondern zu Manasse, was aber vermutlich durch eine falsche Lesart von Jos 19,11 entstanden ist, vgl. NAʾAMAN 1986, 224. 188 Dieser Ort könnte zu Kitron verbessert werden, vgl. FRITZ 1994, 216. NELSON 1997, 236 denkt an eine Verschreibung aus Kattat aus Jos 19,15 oder eine Verdopplung von Kartan aus V.32. ALBRIGHT 1945, 72; BOLING 1982, 491 vermuten wohl eine Dittographie zu Naftalis Ort Kartan, ähnlich auch KNOPPERS 2005, 57. Nach NAʾAMAN 1986, 224 ist hingegen Tabor anstelle von Karta zu lesen. 189 Vielleicht Rimmon wie in 1Chr 6,62, vgl. BENNETT 1895, 31; ALBRIGHT 1945, 72; WOUDSTRA 1981, 312; BOLING 1982, 483; BOLING 1985, 24; GRAY 1986, 167; KALLAI 1986, 473f.; NELSON 1997, 236; KIM 2000, 185 Anm. 16; HARSTAD 2004, 658; KNOPPERS 2004, 436; RÖSEL 2011, 339. Nach BUTLER 2014, 212 könnte aber auch der ansonsten unbekannte Namen Dimna durch Rimmon ersetzt worden sein. 190 NELSON 1997, 241 weist darauf hin, dass die Zuweisung von Sebulon zu den ostjordanischen Gebieten nicht auf historische Gegebenheiten beruhen könne. Auch BUTLER 2014, 232 hält diese Zusammenstellung für eine unwahrscheinliche Erfindung. 191 Nach NOTH 1971, 126 ist hier gedankenlos ähnlich wie in V.20 und V.26 bei den „übrigen Söhne Kehats“ ergänzt worden. 192 Die Stadt Heschbon wird aber ansonsten dem Stamm Ruben zugewiesen: Num 32,37; Jos 13,17, vgl. zum Problem auch BEN ZVI 1992, 87f.; ACHENBACH 2003, 595; KLEIN 2006, 191. Vielleicht hat der Redaktor auf Jos 13,26 zurückgegriffen, wo Heschbon als Grenzpunkt von Gad beschrieben wird, vgl. SCHMITT 1995, 35; SCHMIDT 2002, 117. Möglicherweise war der Redaktor aber auch mit der Topographie des Ostjordanlandes nur unzureichend vertraut, vgl. NAʾAMAN 1986, 220.
3. Langliste (Jos 21,9–42)
115
Ortsname mit mater lectionis als Rāʾmot geschrieben wird. Eine derartige Verbindung von Ramot mit einer Präpositionalverbindung ist schon vor dem Hintergrund auffällig, dass dieser Ort ansonsten „Ramot-Gilead“ und nicht „Ramot in Gilead“ heißt.193 Durch diesen geographischen Zusatz wird darüber hinaus ein zusätzliches Problem erzeugt, da „Gilead“ traditionell dem Stamm Ostmanasse zugeteilt wird (Jos 17,6).194 Offenbar wollte der Redaktor die drei ostjordanischen Asylstädte gleichmäßig den drei ostjordanischen Stämmen zuordnen,195 weshalb Ramot dann eigentlich dem falschen Stamm (Gad anstelle von Manasse) zugewiesen werden musste. Vielleicht sind die ostjordanischen Asylstädte erst in einem zweiten Schritt ergänzt worden, zumal auch in Jos 20,8 andere Formulierungen als bei den westjordanischen Asylstädten in Jos 20,7 anzutreffen sind.196 Denn bei den westjordanischen Orten wird in Jos 20,7 immer ein Gebirge genannt (Naftali, Efraim und Juda), während in Jos 20,8 bei den ostjordanischen Asylstädten eine andere topographische Bezeichnung (Mischor, Gilead, Baschan) gewählt wurde. Schließlich ließe sich ein ursprüngliches Fehlen der drei ostjordanischen Asylstädte auch dadurch erklären, dass Dtn 19,2 nur drei Asylstädte fordert. Für eine künstliche Konstruktion spricht zumindest die Beobachtung, dass die beiden Stämme Ruben und Gad unrealistisch und falsch lokalisiert sind, zumal die außerbiblische Meschastele (KAI 181) den Stamm Gad dort verortet, wo nach Jos 21 eigentlich die rubenitischen Städte liegen.197 Interessanterweise sind die Namensformen bei den ostjordanischen Städten in den unterschiedlichen Versionen von Jos 21 und 1Chr 6 nahezu kongruent, sodass sich in diesem Bereich textkritisch kaum noch etwas verändert hat.198 Hinzu kommt, dass die LXX das Lexem migrāš in den V.34–42 anders als in den V.13–33 wiedergibt,199 was darauf hindeuten könnte, dass die letzte Gruppe eine eigenständige Einheit bildete, die erst relativ spät hinzu kam und nicht in allen Textausgaben vollständig aufgeführt ist. Textkritisch sind nämlich im MT die V.36–37 vermutlich aufgrund des zu beobachtenden Homoioteleuton ʿārîm ʾarbaʿ „vier Städte“ am Ende von V.35 und V.37 ausgefallen.200 Dass es sich sicher um einen Textverlust handelt, zeigt die Beobach193
Ramot in Gilead nur in Dtn 4,43; Jos 20,8; 21,38. Vgl. auch ACHENBACH 2003, 595. 195 Vgl. NAʾAMAN 1986, 220. 196 Vgl. AULD 1990, 148. 197 Vgl. hierzu auch KLEIN 2006, 190. 198 Vgl. AULD 1990, 147. 199 Vgl. hierzu schon HOLMES 1914, 72. 200 Zu dieser Lücke des MT und ihrer Ergänzung aus der Parallele 1Chr 6 vgl. AULD 1976, 119; KALLAI 1986, 475; SVENSSON 1994, 87; KALLAI 1998, 25; HARSTAD 2004, 658; HESS 2005, 970; KLEIN 2006, 176; RÖSEL 2011, 339; BUTLER 2014, 212. Nach KNOPPERS 2005, 28 sind diese beiden Verse aufgrund des Homoioteleuton ausgefallen. In LXX und Vetus Latina ist hingegen der längere Text zu finden, wobei Vetus Latina allerdings nur die Städte Bosor, Iaser, Gedmon, Mifal, Moth, Maan und Esebon belegt, vgl. 194
116 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt tung, dass es bei Fehlen der Städte aus Ruben zu falschen Zahlenangaben kommt. Der offensichtliche Textverlust in den V.36–37 ist bei einigen Handschriften mit Blick auf 1Chr 6,63–64 ergänzt worden. Es verwundert daher nicht, dass im MT auch der an sich geforderte Zusatz der Asylstadt bei Bezer fehlt,201 zumal diese Angabe in 1Chr 6,63 nicht vorliegt. LXX hat hingegen in V.36 sowohl den Zusatz der Asylstadt als auch eine topographische Angabe ἐν τῇ ἐρήμῳ τῇ Μισωρ „in der Einöde des Mischors“,202 was wohl aufgrund der formalen Gleichförmigkeit mit den anderen ostjordanischen Asylstädten die ursprüngliche Lesart war. Für die Sonderstellung der Liste von meraritischen Levitenstädten spricht auch V.39. Denn nur in V.39 ist bei der Schlussformel ein an sich unnötiges kol vorangestellt worden, was diesen Abschnitt ebenfalls von den anderen levitischen Untergruppen abhebt.203 Neben diesen auffälligen Beobachtungen zu den ostjordanischen Orten der Merariter weicht V.40 von der in Jos 21 üblichen Redeweise formal und inhaltlich stark ab: Die „Söhne Meraris“ werden nur hier als „Übriggebliebene von den Sippen der Leviten“ bezeichnet. 1)
Auch der Zusatz lemišpeḥotām „nach ihren Sippen“ ist nur in V.7 und V.40 im Kontext der „Söhne Meraris“ und in V.33 bei den Gerschonitern zu finden, wobei auffälligerweise in V.6 darauf verzichtet wird, sodass es den Anschein erweckt, dass hier eine redaktionelle Hand für den Zusatz lemišpeḥotām verantwortlich ist, die aber nicht konsequent in die Texte eingriff. Der Zusatz lemišpeḥotām ist darüber hinaus ein Markenzeichen einer Redaktion, die schon die Landverteilungstexte in Jos 13– 19 bearbeitete,204 sodass es sich hier vermutlich um einen redaktionellen Zusatz handelt.
ROBERT 1900, 97. Auch hebräische Handschriften belegen die Ursprünglichkeit von V.36– 37, vgl. KEIL 1847, 370 Anm. 4; KNOBEL 1861, 474; LLOYD 1886, 332. Nach SPRONK 1994, 166 könnte der Wechsel von Sebulon zu Ruben den Autor verwirrt haben, sodass er auf die V.36–37 verzichtet hat. 201 Vgl. NELSON 1997, 236. Nach KNAUF 2008, 178 könnte der Zusatz daher fehlen, da der Ort Bezer an der Grenze zur Wüste hin bei der Abfassungszeit von V.36 nicht mehr besiedelt war. Ob diese Beobachtung allerdings erklärt, dass der Zusatz „Stadt für den Totschläger“ fehlt, sei dahingestellt. Denn wenn Bezer nicht mehr besiedelt war, dann eignet sich dieser Ort weder als Asyl- noch als Levitenstadt und man hätte vollkommen darauf verzichten können. 202 Vgl. BOLING 1982, 483. Nach KNOPPERS 2005, 57f. könnte hier eine Angleichung an Dtn 4,43 vorliegen. Zur Ursprünglichkeit der Lesart der LXX vgl. COLESON 2012, 156. 203 Die „Söhne Meraris“ haben nach biblischer Tradition die Stiftshütte bewacht, vgl. HESS 1996, 310. 204 Vgl. hierzu nur Jos 19,8.10.23.31.32.39.40.48. Vgl. zum redaktionellen Charakter von lemišpeḥotām auch GASS 2019b, 66.
3. Langliste (Jos 21,9–42)
117
Der Verweis auf den Losentscheid wayehî gôrālām fehlt in den anderen Schlussformeln, auch wenn bei allen vier Gruppen zumindest im MT auf das Los in unterschiedlicher sprachlicher Ausprägung verwiesen wird, und zwar bei den „Söhnen Aarons“ in V.4.10, den „Söhnen Kehats“ in V.5.20, den „Söhnen Gerschons“ in V.6 und den „Söhnen Meraris“ in V.40. Außerdem wird der Losentscheid noch ganz allgemein in V.8 erwähnt. Nur bei den ersten beiden Gruppen (Aaroniden und Kehatiter) wird auf den Losentscheid bei der Kurz- und bei der Langliste eingegangen, während bei den beiden letzten Gruppen nur in der Kurz- oder Langliste auf das Los verwiesen wird, sodass es den Anschein hat, dass von einer redaktionellen Hand mit unterschiedlichen Formulierungen immer wieder auf die Verteilung der Städte durch das Los hingewiesen werden sollte.
2)
Insgesamt zeigt sich, dass die einzelnen Listen der Levitenstädte (V.9–40) zahlreiche verbindende formale Elemente aufweisen.205 Diese Idiome können vielleicht auf eine ursprüngliche Tradition zurückgeführt werden, die anschließend von einer Redaktion bearbeitet worden ist. Insgesamt sind vier Gruppierungen im Blick, wobei die Gruppe der „Söhne Aarons“ als Teil der „Söhne Kehats“ gesehen wird. Formal werden diese Gruppierungen mit einer Präpositionalverbindung l= + Gruppenname eröffnet; dann folgt die Verortung der Städte nach einem Stammesgebiet mit min + maṭṭēh. Danach schließt sich zunächst eine Asylstadt mit der vorangestellten Apposition ʾæt ʿîr miqlaṭ hāroṣeaḥ an, die analog zu Jos 20,7–8 mit einer geographischen Angabe verbunden wird (Gebirge Juda V.11, Gebirge Efraim V.21, Baschan V.27, Galiläa V.32, Gilead V.38).206 Schon diese geographischen Zusätze und wörtlichen Übereinstimmungen verdeutlichen, dass offenbar Jos 21 irgendwie mit Jos 20,7–8 zu verbinden ist.207 Die Städte der einzelnen Stammesgebiete werden schließlich noch mit der Formel ʿārîm + Numeral summiert, wobei die aufgeführten Städte mit den Zahlenangaben übereinstimmen und die Zahlen der Langliste auch mit denjenigen der Kurzliste identisch sind. Der jeweilige Abschluss der Listen der vier Untergruppen weist folgende Elemente auf: kol ʿārîm/ʿārê + Numeral + ûmigrešêhæn, die in den V.19.26.33 unterschiedlich erweitert wurde und in V.40 kaum noch anzutreffen ist. Fraglich ist, ob man eine zugrundeliegende Tradition ausweislich dieser formalen Elemente herauskristallisieren kann. In den abschließenden beiden V.41–42 wird die Langliste zusammengefasst und die Levitenstädte aufaddiert, die hier nicht mehr nach Untergruppen differenziert werden, sondern ganz allgemein den Leviten zugewiesen werden 205
Vgl. auch NELSON 1997, 242. Im Paralleltext Jos 20,7 steht noch bei Kedesch in Galiläa zusätzlich „im Gebirge Naftalis“ und in Jos 20,8 bei Bezer „in der Wüste, im Mischor“. 207 Vgl. zu einer Abhängigkeit auch BEN ZVI 1992, 88. 206
118 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt (ʿārê haLewiyyim). Die genannten 48 Städte werden gemäß V.41 in der Mitte der ʾaḥuzzat benê Yiśrāʾel „Nutzlandes der Söhne Israels“ verortet, obwohl an anderen Stellen nur das Ostjordanland dementsprechend bezeichnet wird, während das Westjordanland Eigentum YHWHs verbleibt (Jos 22,19). Auch in der Zusammenfassung wird in V.41 wiederum darauf verwiesen, dass es sich um Städte inklusive Weideplätze handelt. Wie groß diese sein sollen, wird hier nicht näher ausgeführt. Dies lässt sich nur aus Num 35,4–5 erschließen, wobei das zugewiesene Gebiet nicht eine stets feste Größe sein muss, sondern der eigentlichen Stadtgröße durchaus entsprechen könnte.208 Dass es 48 Levitenstädte sein sollen, wovon sechs als Asylstädte dienen, wird schon in Num 35,6 vorgegeben.209 Wenn zu den 48 Levitenstädten noch der zentrale Priesterort Jerusalem hinzugezählt wird, bekommt man die heilige Zahl von 7 x 7 heiligen Städten.210 Der abschließende V.42 betont mit HYY, dass die Levitenstädte nicht eine fromme Fiktion seien, sondern tatsächlich existierten,211 und zwar „Stadt für Stadt“212 mit umherliegenden Weidegebieten. Eine Existenz der Levitenstädte ist offenbar ein dringendes Anliegen von V.42. Durch einen Nominalsatz mit dem Demonstrativadverb ken wird diese Forderung für alle Levitenstädte behauptet. Allerdings wird V.42 angesichts der schwer zu deutenden Verbalform tihyæ̑ nāh gelegentlich als sekundärer Zusatz betrachtet,213 was jedoch nicht zwingend ist. Denn mit V.42 wird die Liste der Levitenstädte abgerundet. LXX weist bei V.42 zudem noch einen erheblichen Zusatz auf,214 der in LXX zusammen mit Jos 19,50–51 den Abschnitt Jos 20–21 mit den Asyl- und
208 Vgl. hierzu MILGROM 1983, 186–188; MILGROM 1990, 502–504; KNOPPERS 2004, 388; BLOCK 2015, 98. Zu einer Rekonstruktion der Weideflächen der Levitenstädte vgl. schon KEIL 1847, 272f. 209 Insofern ist fraglich, ob es seit jeher in Jos 21 diese Verbindung von Asyl- und Levitenstädten gegeben hat, oder ob diese erst sekundär im Blick auf Num 35 zusammengebracht wurden. 210 Vgl. HERTZBERG 1985, 120; SPRONK 1994, 167. GÖRG 1991, 96 weist noch darauf hin, dass die Zahl 4 x 12 eine symbolische Komplettierung und damit einen geheiligten Besitzstand andeute. 211 Dies ist allerdings von der Form nicht notwendig gegeben, da die yiqtol-Form präsentisch, futurisch oder modal wiedergegeben werden kann, vgl. hierzu auch BUTLER 2014, 212. Nach EHRLICH 1910, 56 ist die Konjunktion w zusätzlich zu ergänzen. 212 Die Wiederholung ʿîr ʿîr kann eine Totalität ausdrücken, vgl. GK § 123c. STEUERNAGEL 1900, 234 deutet diese Wiederholung hingegen distributiv: „je eine Stadt“. 213 Vgl. AULD 1976, 278. COOKE 1918, 199 deutet die Verbalform frequentativ oder als Befehlsform. Gegen einen Befehl aber HOLMES 1914, 73. Nach STEUERNAGEL 1900, 235 ist die Form tihyæ̑ nāh präsentisch oder jussivisch zu fassen. 214 Vgl. HESS 1996, 312 Anm. 174; PITKÄNEN 2010, 340. Nach NELSON 1997, 236 handelt es sich hierbei um ein „folkloristic recensional development“.
4. Abschluss der Landnahme (Jos 21,43–45)
119
Levitenstädten rahmt.215 Hinzu kommt, dass in Jos 21,43–45 nirgendwo auf die zuvor erfolgte Zuteilung von Asyl- und Levitenstädten verwiesen wird, sodass es durchaus möglich ist, dass Jos 21,43–45 zunächst auf Jos 19,51 folgte.216 Der LXX-Überschuss in V.42 könnte zudem andeuten, dass hier mit dem Mittel der Wiederaufnahme bewusst Jos 19,50–51 aufgegriffen wurde, um die beiden Kapitel Jos 20 und Jos 21 einzupassen. Wenn diese Beobachtungen literarhistorisch auszuwerten sind, dann sind die Aufzeichnungen über die Asyl-und Levitenstädte in Jos 20–21 spätere Hinzufügungen,217 was eine allzu frühe Datierung dieser beiden Kapitel erschwert. Hinzu kommt, dass Jos 19,51-LXX keinesfalls den Abschluss der Landverteilung wie MT konstatiert, sondern darauf hinweist, dass die Stämme sich aufmachten, um das Land in Besitz zu nehmen. Offenbar hat man nachträglich, als Jos 20–21 eingeschoben wurde, wayekallû zu wayyelkû gelesen, sodass die Landnahme noch aussteht und die Verteilung der Asyl- und Levitenstädte anschließen konnte.218 Anscheinend hat die LXX nachträglich die vorliegende Ereignisfolge geglättet, damit Jos 20–21 besser auf das Korpus der Landverteilung folgen konnte. Alles in allem scheinen diese beiden Kapitel mit der Verteilung der Asyl- und Levitenstädte nachträglich an Jos 14–19 angegliedert worden zu sein.219
4. Abschluss der Landnahme (Jos 21,43–45) In Jos 21,43–45 folgt nach Jos 19,49–51 und Jos 21,42-LXX ein weiterer Abschluss der Landnahme und -verteilung.220 Es handelt sich hierbei aber nicht nur um den endgültigen Vollzug der Landnahme. Unabhängig von der aktuellen politischen Lage wird hier betont, dass Gott seine Zusagen eigentlich allesamt erfüllt habe.221 Die Landverteilung wird demnach als gutes Werk YHWHs für Israel dargestellt, der die zuvor gegebenen Zusagen jetzt
215
Vgl. BOLING 1982, 492. Vgl. hierzu auch BOLING 1982, 498. Nach RÖMER 2016, 824 schließt der ursprüngliche Text von Jos 23 unmittelbar an Jos 21,43–45 an. 217 Vgl. ROFÉ 1985, 147. 218 Vgl. zum Problem ROFÉ 1985, 147; RÖSEL 2001, 203f.; SAMUEL 2014, 322. 219 Vgl. BEN ZVI 1992, 85 Anm. 1. 220 Zu diesem Endpunkt der Landnahme und Landverteilung vgl. BECKER 1990, 68. Nach NOTH 1971, 133 eröffnet dieser dtr. Abschnitt das Folgende, worauf auch die vorweggenommenen Aussagen hinweisen, die in Jos 23,9.14 wiederkehren. Zumindest inhaltlich greift Jos 21,43–45 das Ende der Landeroberung in Jos 11,23 auf, vgl. BECKER 2006, 151, dem zufolge angesichts der Wiederaufnahme der dazwischenstehende Abschnitt eingefügt werden konnte. 221 Vgl. BUTLER 2014, 238. 216
120 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt eingelöst habe.222 Nicht umsonst wird zweimal auf den Schwur YHWHs zugunsten Israels hingewiesen (V.43 und V.44). Auffälligerweise wird in Jos 21,43–45 die Totalität der Landgabe betont,223 worauf schon die sechsfache Wiederholung des Wortes kol gebetsmühlenartig hinweist.224 Damit steht dieser Abschluss in merklichem Kontrast zu anderen Passagen des Josuabuches, die noch davon ausgehen, dass es fremde Bewohner im Verheißungsland gebe.225 Dementsprechend kann der Hinweis auf die vollständige Landnahme entweder als Übertreibung, Idealisierung oder Ironie gedeutet werden.226 Insgesamt wird der Befehl zur Landnahme zu Beginn des Josuabuches (Jos 1,2) hier endgültig eingelöst, da nun die nach dem Jordandurchzug zugesagte Landnahme endlich abgeschlossen ist.227 Der Schlusstext in V.43–45 ist nicht mehr priesterlich, sondern vor allem dtr. geprägt, da hier typische Idiome aus dem Dtn aufgegriffen werden.228 Darüber hinaus könnte Jos 21,43–45 eine Wiederaufnahme von Jos 11,16–23 sein, damit die Landverteilung eingepasst werden konnte.229 Allerdings sind die lexematischen Beziehungen zwischen Jos 21 und Jos 11 gering, sodass eigentlich keine bewusste Wiederaufnahme vorliegt. Trotzdem könnten die V.43–45 von einem dtr. Redaktor stammen, der die priesterlich geprägten Texte Jos 13–21 in ein dtr. Josuabuch einpassen wollte. Die in den V.43–44 verwendete Wortwahl ist zumindest aufschlussreich: 1)
Die Trias NTN + YRŠ + YŠB in V.43 findet sich neben Num 33,53 vor allem im Buch Deuteronomium,230 wo auf die Abfolge Gabe des Landes durch Gott, Inbesitznahme durch Israel und Wohnen daselbst verwiesen wird. 222
Vgl. hierzu auch FRITZ 1994, 217. Nach KNAUF 2008, 178 ist mit dem „ganzen Land“ lediglich Juda und Samaria gemeint. Diese Gleichsetzung hängt aber mit der redaktionsgeschichtlichen Zuordnung von den V.43–45 zusammen. 224 Nach BALLHORN 2011, 323 zeichnet der sechsfache All-Quantor kol „das Bild schlechthinniger Totalität“. 225 Vgl. Jos 13,2–6; 15,63; 16,10; 17,12–18; 23,4.7.12–13. Vgl. hierzu auch MAYES 1983, 48. 226 Vgl. SPRONK 1994, 170; HAWK 2000, 225; BUTLER 2014, 236. 227 Vgl. FRITZ 1994, 217. 228 Vgl. darüber hinaus noch CORTESE 1990, 92; FRITZ 1994, 217; NELSON 1997, 242. BLUM 2012, 151 hält V.43–45 für einen Bestandteil der Hauptschicht von DtrG. Nach EISSFELDT 1922, 79 ist jedoch nur V.44 typisch dtr, zumal die V. 43 und 45 mit seiner Quelle des Jahwisten zusammenhängen könnten. ROFÉ 1972, 223f. Anm. 2 vermutet, dass dieser Abschnitt zum Folgenden zu ziehen wäre. 229 Vgl. KRATZ 2000, 200; BECKER 2006, 151. Nach NENTEL 2000, 98 gehört Jos 21,43–45 zur dtr. Grundschicht des Josuabuches. BRAULIK 1985, 36 sieht zwei dtr. Schichten in V.43,44b und V.44a,45. Anders hingegen FRANKEL 2011, 192, der Jos 21,43– 45 aufgrund von bêt Yiśrāʾel als priesterlichen Text betrachtet. 230 Num 33,53; Dtn 11,31; 17,14; 19,1; 26,1; Jos 21,43. 223
4. Abschluss der Landnahme (Jos 21,43–45)
121
Auch der Schwur an die Väter, das Land zu geben (nišbaʿ lātet laʾabôt) ist vor allem im Buch Deuteronomium belegt.231 Dementsprechend hebt sich gerade V.43 von der zuvor verwendeten Wortwahl, die in den Bereich Jos 13–19 bzw. in das Numeribuch verweist, markant ab. Das Idiom NūḤ-H + missābîb in V.44 wird vor allem in dtr. geprägten Texten, aber auch im chronistischen Bereich verwendet.232 Der dtr. Topos der Ruhe wird im Josuabuch nur noch in Jos 1,13.15; 22,4 angeführt. Die von YHWH zugesagte Ruhe ist auf die Abwesenheit von Feinden und Krieg zu beziehen und sagt ein heilvolles Leben im Verheißungsland zu.233 Auffälligerweise wird im Gegensatz zu V.44 nirgendwo ein Schwur gegeben, dass YHWH seinem Volk Ruhe verschaffen werde. Lediglich in Ex 33,14 wird Mose versichert, dass das Angesicht YHWHs mitgehen und ihm Ruhe verschaffen werde.234 Von einem Schwur für das Volk Israel ist hingegen nirgendwo die Rede. Möglicherweise bezieht sich kekol auf alle zuvor genannten Dinge, wobei das „Zur-RuheKommen“ im Gegensatz zu den anderen Zusagen eigentlich nicht durch Eid angekündigt wurde.235 Das Motiv der Ruhe wird zudem bereits in Jos 1,13.15 vorbereitet, sodass hier ein Rahmen um das Josuabuch entsteht. Interessanterweise ist mit „Ruhe“ nicht gemeint, dass es überhaupt keine Feinde mehr gebe, die Israel bedrohen könnten.236 Aber diese real tatsächlich noch existierenden Feinde lassen Israel jetzt in „Ruhe“. Der Idealzustand nach der Landnahme ist folglich erreicht.
2)
3)
231
Ex 13,5; Dtn 1,8; 6,10; 7,13; 11,9.21; 26,3; 28,11; 30,20; 31,7; Jos 5,6; 21,43. Fraglich ist, auf wen sich die „Väter“ in V.43 und V.44 tatsächlich beziehen. Es könnten die unmittelbaren Vorfahren oder auch die Erzeltern sein. Zum Problem vgl. CLARKE 2010, 100f. Nach SCHMID 1999, 97f. bezieht sich Jos 21,43–45 nicht auf die Erzelternerzählungen zurück, sondern auf Dtn 12,10 und damit auf die Exodusgeneration. Ähnlich BRAULIK 1985, 31f. Anders hingegen LOHFINK 1991, 81–85. Zum Bezug auf Dtn 12,10 vgl. schon KEIL 1847, 371. 232 Dtn 12,10; 25,19; Jos 21,44; Jos 23,1; 2Sam 7,1; 1Kön 5,18; 1Chr 22,9.18; 2Chr 14,6; 15,15; 20,30. Da missābîb in Dtn 3,20 fehlt, vermutet ROFÉ 1972, 223f. Anm. 2, dass diese Präpositionalverbindung in V.44 sekundär ist. Zum Motiv der Ruhe vgl. auch BALLHORN 2011, 314–322. 233 Vgl. PREUSS 1986b, 300. 234 CLARKE 2010, 101 vermutet, dass der Schwur sich nicht auf die Vorväter, sondern auf die unmittelbar vorausgehende Generation bezieht, da das Versprechen des „zur-RuheKommens“ zum ersten Mal Mose nach Ex 33,14 zugesagt wird. 235 Gegen FRITZ 1994, 217 ist die mit der Landgabe verbundene Ruhe nicht notwendigerweise die Einlösung von Dtn 12,10, da dort wohl eher ein Konditionalgefüge steht und nicht eine Zusage oder ein Eid Gottes. Die Ruhe ist zumindest ein Motiv, das in der Zeit des Vereinten Königreichs prominent vertreten war, vgl. RÖSEL 2011, 340. 236 Vgl. CLARKE 2010, 102.
122 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt In 44b wird auf die Gesamtheit der Feinde verwiesen, die Israel nicht standhalten konnten237 und von YHWH in die Hand Israels gegeben wurden. Wichtig ist hier die partitive Formulierung mit der Präposition min.238 Dementsprechend werden nicht alle Feinde ausgelöscht. Vielmehr konnten diejenigen aus den Feinden, die sich dem Vordringen Israels entgegenstellten, nicht bestehen. Der Hinweis, dass die Feinde Israel nicht standhalten konnten, findet sich wörtlich noch in Jos 23,9. Die Vorstellung NTN beyad „in die Hand geben“ ist zwar reichlich belegt, in der Verbindung mit „Feinden“ als Objekt jedoch nur dreimal.239 Hier wird ebenfalls nicht gesagt, dass die Feinde von Israel vernichtet worden seien. Die Feinde waren aber der Verfügungsgewalt Israels unterworfen.240 Interessanterweise wird in den V.43–44 das Verb NTN dreimal mit teils abweichender Nuancierung verwendet (V.43: „übergeben“; V.44: „unterwerfen“).241 Der abschließende V.45 bezieht sich vermutlich auf haddābār haṭṭôb, das „gute Wort“, das am Anfang des Josuabuches in Jos 1,1–9 mitgeteilt wurde.242 Dieses „gute Wort“ ist im Verlauf des Buches endlich eingelöst worden. Auffälligerweise hat V.45 eine fast wortgleiche Parallele zu Jos 23,14, sodass hier vielleicht eine literarische Abhängigkeit vorliegen könnte.243 Trotzdem gibt es markante Unterschiede: 1) 2)
3)
In Jos 23,14 wird die erste Aussage noch gesteigert, indem betont wird, dass nicht ein einziges Wort (dābār ʾæḥād) gebrochen worden sei. In Jos 23,14 wird bei der Präpositionalverbindung mit min Plural verwendet (haddebārîm haṭṭôbîm), vermutlich um auf die zahlreichen guten Worte YHWHs hinzuweisen, die dann alle auch glücklicherweise eingetroffen sind. Das Reden YHWHs (DBR-D) wird in V.45 mit der direktiven Präposition ʾæl, in Jos 23,14 hingegen mit der lokalen Präposition ʿal verbunden. Das Präpositionalobjekt ʾæl bêt Yiśrāʾel in V.45 ist zudem auffällig. Nicht ohne Grund überliefern einige Handschriften und auch LXX die
237 WOUDSTRA 1981, 315; BOLING 1982, 499 sehen hier einen Bezug zu Jos 1,5, wo allerdings das Verb YṢB-tD anstelle von ʿMD verwendet wird, sodass diese Verbindung eigentlich nicht zwingend angezeigt ist. 238 Vgl. auch CLARKE 2010, 103. 239 Jos 21,44; Ri 3,28; 1Sam 24,5. 240 Ähnlich auch 1Sam 24,5, wo der Feind in die Hand Davids gelegt wird und ihm freisteht, was er ihm zu tun gedenkt. 241 Nach BRAULIK 1985, 32 deute das Idiom NTN YHWH die „ganze Geschichte Israels als vom Wirken Gottes umgriffene Gnadengabe“. 242 Vgl. BOLING 1982, 499. Ähnlich schon OETTLI 1893, 194. KNAUF 2008, 179 sieht in der Tora das hier in den Blick genommene „gute Wort“. 243 Vgl. auch RÖSEL 2011, 341, dem zufolge dann nicht nur jedes „gute Wort“, sondern auch jedes „böse Wort“, wie in Jos 23,15 angedeutet, eintreffen wird. Zu den vielfältigen Bezügen zwischen Jos 21,43–45 und Jos 23 vgl. auch RÖMER 1990, 360f.
4. Abschluss der Landnahme (Jos 21,43–45)
123
Lesart benê Yiśrāʾel.244 Hinzu kommt, dass die Bezeichnung bêt Yiśrāʾel mit einem besonderen Schwerpunkt in den Prophetenbüchern vertreten ist,245 während sie in den anderen Büchern nur sporadisch vorkommt.246 Vielleicht soll der Begriff „Haus Israel“ die nun endlich erreichte Einheit des Stämmeverbundes im Verheißungsland andeuten.247 Das Subjekt YHWH wird in Jos 23,14 noch zusätzlich durch die Apposition „euer Gott“ (ʾælohêkæm) verstärkt, was insofern nicht verwundert, als der Zusatz „euer Gott“ im Josuabuch ohnehin einen Schwerpunkt in diesem Kapitel aufweist.248 Dementsprechend hat der für Jos 23 verantwortliche Redaktor hier zusätzlich „euer Gott“ eingefügt. Schließlich wird in Jos 23,14 zum Satz hakkol bāʾû noch die Angabe „für euch“ (lākæm) ergänzt, um auszudrücken, dass Israel und kein anderer sonst der begünstigte Empfänger der Wohltaten YHWHs ist.
4)
5)
Alles in allem hat es folglich den Anschein, dass Jos 23,14 die Angaben von Jos 21,45 präzisiert und noch zusätzlich ausbaut, sodass die Version von Jos 21,45 wohl ursprünglicher ist als die spätere Parallele in Jos 23. Angesichts dieser auffälligen Verbindungslinien muss die Wendung von der Verbindlichkeit der göttlichen Zusage nicht erst auf 1Kön 8,56 oder 2Kön 10,10 vorverweisen.249 Vielmehr ist V.44–45 schon im Verweissystem des Josuabuches bestens verständlich. Allerdings ist 1Kön 8,56 sprachlich mit den V.44– 45 durchaus verbunden,250 wenn das Segensgebet Salomos die Landgabe mit der Ruhe und der Unverbrüchlichkeit des Gotteswortes verbindet. Mitunter könnten daher die V.44–45 vor dem größeren Horizont der Königebücher ergänzt worden sein. Auf diese Weise könnte besonders die Entsprechung von Verheißung und Erfüllung in der Geschichte – auch weit über die Landnahme hinaus – betont worden sein. Hier kommt man aber über Vermutungen kaum noch hinaus.
244
Vgl. hierzu LLOYD 1886, 334f. Jes 5,7; 14,2; 46,3; Jer 2,4.26; 3,18.20; 5,11.15; 9,25; 10,1; 11,10.17; 13,11; 18,6; 23,8; 31,27.31.33; 33,14.17; 48,13; Ez 3,1.4.5.7; 4,4.5; 5,4; 6,11; 8,6.10.11.12; 9,9; 11,5. 15; 12,9.10.24.27; 13,5.9; 14,5.6.11; 17,2; 18,6.15.25.29.30.31; 20,13.27.30.31.39.40.44; 22,18; 28,25; 33,10.11.20; 34,30; 35,15; 36,10.17.21.22.32; 37,11.16; 39,12.22.23.25.29; 43,7.10; 44,6.22; 45,6.17; Hos 1,4.6; 5,1; 12,1; Am 5,1.25; 6,1.14; 7,10; 9,9; Mich 1,5; 3,1.9. 246 Ex 16,31; 40,38; Lev 10,6; Num 20,29; Jos 21,45; Rut 4,11; 1Sam 7,2.3; 2Sam 1,12; 6,5.15; 12,8; 16,3; 1Kön 12,21; 20,31; Ps 115,12; 135,19. 247 Vgl. hierzu auch BOLING 1982, 499. 248 Jos 1,11.13.15; 2,11; 3,3.9; 4,5.23.24; 8,7; 10,19; 22,3.4.5; 23,3.5.8.10.11.13.14. 15.16. 249 So aber FRITZ 1994, 217. Zu Verbindungslinien zwischen Jos 21,43–45 und Jos 23 vgl. auch SCHMID 1999, 96f.; RÖMER 2010, 92. 250 Vgl. hierzu auch KNAUF 2008, 179. 245
124 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt Insgesamt bilden die V.43–45 eine theologische Zusammenfassung für die Landnahme und Landverteilung. In diesem Abschnitt wird die Eröffnung in Jos 1 aufgegriffen und die dortigen Zusagen erfüllt: kein Standhalten der Feinde (Jos 1,5); Landgabe (Jos 1,6); Inbesitznahme des Landes (Jos 1,11); Ruhe vor den Feinden (Jos 1,13).251 Außerdem scheint Jos 23 die Themen von Jos 21,43–45 wiederum aufzunehmen.252 So hat Israel endlich Ruhe vor seinen Feinden ringsumher (Jos 23,1), große und starke Nationen konnten vor Israel nicht standhalten (Jos 23,9) und die Verheißungen sind vollkommen erfüllt (Jos 23,14). Allerdings wird nachträglich der vollmundige und etwas unrealistische Abschluss von Jos 21,43–45 in Jos 23 abgemildert:253 1)
Nach Jos 23,9 werden nicht alle Nationen, die Israel feindlich gegenüberstehen, in den Blick genommen, sondern nur die großen und starken Nationen, von denen offenbar eine gewisse Gefahr ausging. Außerdem gilt die Übermacht Israels nach Jos 23,9 gegenüber seinen Feinden nur „bis zum heutigen Tag“, sodass damit gerechnet werden darf, dass diese Hilfe Gottes nicht zeitlich unbegrenzt gelten wird. Darüber hinaus gibt es nach Jos 23,12 noch einen „Rest“ der Nationen, der eine ständige Bedrohung für Israel ist, da YHWH bei Fehlverhalten Israels mit dem Vertreiben dieses Restes nach Jos 23,13 aufhören wird. Neben den guten Worten YHWHs werden sich wohl auch die schlechten Worte erfüllen (Jos 23,15). Denn es ist kaum ersichtlich, weshalb sich nur die guten Worte YHWHs erfüllen sollen.
2) 3) 4)
Durch diese Modifizierungen in Jos 23 wird das zunächst positive Schlusswort in Jos 21,43–45 nachhaltig umgeprägt und vom Gesetzesgehorsam Israels abhängig gemacht. Offenbar hat Jos 23 das vollmundige Abschlussurteil der Landnahme Israels bewusst kritisch gesehen. Zumindest auf der Ebene des Endtextes wird die einseitig positive Sichtweise von Jos 21,43–45, die nach vorne und hinten offen ist, modifiziert.
5. Parallelüberlieferung der Chronik Das literarhistorische Verhältnis von Jos 21 zu 1Chr 6,39–66 ist schwierig zu bestimmen. Meist wird angenommen, dass Jos 21 der Gebertext wäre, von dem 1Chr 6 abhängig sei.254 Allerdings wäre auch möglich, dass beide Texte unterschiedliche Rezensionen einer ursprünglichen Tradition sind und nicht
251
Vgl. BUTLER 2014, 237. Vgl. auch MAYES 1983, 48. 253 Vgl. SMEND 1971, 502f. 254 Vgl. z.B. KALLAI 1998, 61f. 252
5. Parallelüberlieferung der Chronik
125
zwei unterscheidbare Traditionen widerspiegeln.255 Als dritte Option wird noch vermutet, dass Jos 21 von 1Chr 6 abhängig sei, zumal 1Chr 6 den kürzeren Text enthält.256 Alle diese Vorschläge sind darüber hinaus für die Datierung der Liste mit den Levitenstädten von hoher Relevanz. Denn wenn 1Chr 6 der gebende Text ist, dann kann Jos 21 nur ein sehr junger nachexilischer Text sein. Ein Einblick in frühere Verhältnisse wird dementsprechend nachhaltig erschwert, es sei denn, dass bereits 1Chr 6 eine sehr alte Tradition bewahrt hat. Zunächst fällt auf, dass 1Chr 6 und Jos 21 einige Dinge gemeinsam haben. In beiden Textformen werden die Levitenstädte, die eigenwillig und nicht immer geographisch logisch zusammengestellt werden, bestimmten Stämmen zugeordnet. Bei dieser Auflistung werden jeweils vier Klassen (Aaroniden und drei levitische Untergruppen) aufgeführt. Auch der Losentscheid und die Kalebtradition sind in beiden Texten zu finden. Die Tradition der Asylstädte wird ebenfalls in beiden Texten aufgenommen. Allerdings erweckt 1Chr 6 aufgrund der vorangestellten Pluralform ʿārê hammiqlāṭ den Eindruck, dass es nicht nur sechs ausgewiesene Asylstädte gegeben hat,257 sondern dass entweder alle Levitenstädte oder nur diejenigen der jeweiligen Gruppe auch Asylstädte gewesen sind. Auch formale Elemente wie wayyittenû lāhæm ʾæt X weʾæt migrāšæ̑ hā258 sind in beiden Texten vorhanden, allerdings in unterschiedlicher Schreibweise (s.u.). Neben den vielen Gemeinsamkeiten und wörtlich identischen Formulierungen gibt es aber auch einige Unterschiede zwischen Jos 21 und 1Chr 6, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen:
255
Vgl. z.B. BOLING 1985, 23. Vgl. z.B. AULD 1976, 272f., dem zufolge der längere Text von Jos 21 auf Sondertraditionen zurückzuführen sei, die der Redaktor des Josuabuches bei seiner Übernahme des Textes aus 1Chr 6 zusätzlich eingetragen habe. Dementsprechend sei 1Chr 6 der gebende Text gewesen, der zusätzlich ergänzt wurde. Demgegenüber betont aber KNOPPERS 2004, 444, dass der chronistische Autor auch an anderen Stellen immer wieder Kürzungen vorgenommen und nur das übernommen hat, was mit seiner Aussageabsicht konform lief. Somit ist das Argument der lectio brevior nicht zwingend. 257 Vgl. zum Problem ROSS 1973, 134–136. KLEIN 2006, 186 vermutet, dass hier die ursprüngliche Form ʿyr aufgrund von Metathesis zu ʿry geworden sei und dass die anderen Hinweise auf Asylstädte aufgrund von Haplographie entfallen seien. Zu einer Singularform vgl. auch JAPHET 2002, 165. 258 Die seltene Defektivform migrāšæhā taucht nur in Jos 21 auf und ist vermutlich ursprünglich ein Singular gewesen, der in 1Chr 6 zu einer plene geschriebenen Pluralform geändert wurde. Vgl. Jos 21,11.13(2x).14(2x).15(2x).16(3x).17(2x).18(2x).21(2x).22(2x).23 (2x).24(2x).25(2x).27(2x).28(2x).29(2x).30(2x).31(2x).32(3x).34(2x).35(2x).36(2x).37(2x).38 (2x).39(2x). Nur in Jos 21,42 steht im Josuabuch die plene geschrieben Pluralform migrāšæ̑ hā. Ansonsten sind im Josuabuch überwiegend Pleneschreibungen für suffigierte Pluralformen belegt, vgl. BARR 1984, 18f. 256
126 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt 1)
In der chronistischen Tradition wird die Einleitung Jos 21,1–3.8b nicht aufgegriffen. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Einleitung in Jos 21 später ergänzt wurde. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der erzählerische Kontext der Verteilung der Levitenstädte in 1Chr 6 nicht benötigt wurde und daher diese Verse fehlen. Die Hinweise auf die Vorgänge bei der Landverteilung, auf Josua, auf die Verteilungskommission und auf den Befehl YHWHs, den man im Folgenden einlösen wollte, waren im Kontext von 1Chr 6 nicht mehr nötig. Insofern verwundert es nicht, dass der Befehl YHWHs aus Jos 21,8 nicht genannt wurde.259 Demgegenüber wird in der Eröffnung 1Chr 6,39 lediglich der Zustand der Levitenstädte mithilfe eines Nominalsatzes mit weʾēllæh geschildert, was mitunter an ein offizielles Dokument denken lässt. Während somit Jos 21 die Gabe der Levitenstädte narrativ schildert, sodass am Ende die Landnahme vollständig abgeschlossen sein kann (Jos 21,43–45), wird in 1Chr 6 die Tradition dergestalt präsentiert, dass hier der Zustand der Wohnorte der Leviten zur Zeit Davids geschildert wird (1Chr 6,39). Es sind dann folglich nicht mehr nur Städte, die mithilfe des Losentscheids den Leviten unter Josua zugeordnet werden, sondern Wohnorte, die in der Zeit des Vereinten Königreiches von Leviten besiedelt wurden.260 Ob diese literarische Beobachtung historisch für die frühe Zeit in der Geschichte Israels ausgewertet werden darf, ist jedoch fraglich. Wahrscheinlich ist es wohl kaum. Hinzu kommt, dass der ursprüngliche Kontext einer Gabe der Levitenstädte immer wieder durchscheint, was die unkritische Übernahme von „sie gaben“ zeigt (1Chr 6,40.49.50.52). Diese eher unscheinbare Beobachtung spricht stark dafür, dass 1Chr 6 von Jos 21 abhängig ist. Nur ein Teil der Kurzliste wird in 1Chr 6,46–48 verwendet (Jos 21,5–7), während der Abschnitt über die Aaroniden (Jos 21,4) fehlt und in 1Chr 6,45 durch eine teils abweichende Form von Jos 21,19 ersetzt wird.261 Die chronistische Tradition geht damit offenbar nur von drei levitischen Untergruppen aus,262 von denen dann die Aaroniden zu differenzieren sind, was schon durch die Erstposition der Aaroniden ausgedrückt wird. Allerdings wird die aus Jos 21 übernommene Tradition von vier Gruppen durch die Zusatzangabe nôtārîm in 1Chr 6,46 angedeutet,263 die sich auf eine zuvor genannte Gruppe beziehen muss. Neben
2)
259
Vgl. zu den Unterschieden auch JAPHET 2002, 167; HARSTAD 2004, 664f. Vgl. JAPHET 2002, 176. 261 Vgl. hierzu auch SCHMITT 1995, 37. AULD 1979, 194 weist zudem darauf hin, dass in 1Chr 6 die Aaroniden weder als Priester noch als Untergruppe der Leviten bezeichnet werden. 262 Nach AULD 1979, 198 könnte dies auch Teil der ursprünglichen Tradition sein, vor allem wenn Jos 21,4 redaktionell vorgeschaltet worden ist. 263 Vgl. KARTVEIT 1989, 72. 260
5. Parallelüberlieferung der Chronik
127
den übrigen Kehatitern, den Gerschonitern und den Meraritern muss es somit noch eine weitere Gruppe gegeben haben. Auch dieser Befund spricht dafür, dass 1Chr 6 von Jos 21 abhängig ist. Denn nur auf diese Weise kann die Angabe nôtārîm in 1Chr 6,46 erklärt werden, da dieser Ausdruck in der verwendeten Quelle in Jos 21,26 bereits stand. Auch die zahlreichen Summenangaben hinter den aufgezählten Städten fehlen in der chronistischen Tradition. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass die abschließenden Zahlenangaben in Jos 21 erst in einem späten redaktionellen Schritt hinzuwuchsen. Insgesamt ist die chronistische Parallelüberlieferung zudem kürzer als Jos 21. Offenbar sind aus textökonomischen Gründen redaktionelle Schlussformeln entfallen. Bei einzelnen Orten werden abweichende Angaben gemacht. Zwar werden in 1Chr 6,54 mit Ajalon und Gat-Rimmon zwei Städte aus dem danitischen Gebiet genannt (Jos 21,24), diese aber offenbar dem Stamm Efraim zugewiesen. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass zur Zeit des Chronisten die Verortung des Stammes Dan im Süden nicht mehr gegeben war. Im Josuabuch sollten hingegen Zustände zur Landnahmezeit geschildert werden, weshalb anachronistisch Dan nach Jos 19 im Süden angesiedelt werden konnte. In der chronistischen Wiedergabe erübrigte sich dies aber und man musste nicht eine historisch falsche Verortung weitertradieren, sodass man darauf verzichten konnte. Außerdem fehlen in der chronistischen Tradition zwei Namen bei Sebulon und je ein Name bei Juda und Benjamin. Bei den Asylstädten sind ebenfalls Abweichungen festzustellen. Nur Hebron (1Chr 6,42) und Sichem (1Chr 6,52) werden explizit als Asylstädte bezeichnet, wobei aber in beiden Fällen Plural statt Singular verwendet wird, sodass der Eindruck erweckt wird, dass im Folgenden mehr als nur eine Asylstadt genannt werden soll.264 Offenbar sind entweder alle Levitenstädte ohne Ausnahme als Zufluchtsstädte geeignet gewesen oder nur die entsprechenden Orte der jeweiligen Gruppe. Im zweiten Fall wären nur die westjordanischen Orte als Asylstädte tauglich.265 Allerdings werden die anderen Asylstädte aus Jos 20 und Jos 21 in 1Chr 6 ebenfalls genannt, auch wenn ein entsprechender Zusatz in 1Chr 6 fehlt. Nur die geographische Bezeichnung wird jeweils eingetragen: Golan in Baschan (V.56), Kedesch in Galiläa (V.61), Bezer in der Steppe (V.63) sowie Ramot in Gilead (V.65). Dementsprechend sind alle Asylstädte
3)
4)
5)
264
Vgl. SCHMITT 1995, 38. KNOPPERS 2004, 438 vermutet, dass der Autor damit ausdrücken wollte, dass entweder alle Levitenstädte, oder nur die aaronidischen und kehatitischen Städte Asylstädte gewesen seien. Nach AULD 1976, 275 könnte diese Pluralform aber auch ein sekundärer Zusatz sein. KLEIN 2006, 173 ändert die Plural- zu einer Singularform. KALLAI 1998, 44 vermutet hier einfache Metathesis oder die Ähnlichkeit der Konsonantzeichen als Grund für die Pluralform. 265 Vgl. auch KARTVEIT 1989, 75.
128 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
6)
7)
8)
auch in der chronistischen Tradition vertreten, sodass man diese der ursprünglichen Tradition von Jos 21 eigentlich nicht absprechen sollte. In der Chroniktradition wird die Anordnung von Kurzliste und Langliste, die von Jos 21 verfolgt wird, aufgegeben. Stattdessen wird der Stellenwert der Aaroniden dadurch besonders betont,266 dass die chronistische Zusammenstellung der Levitenstädte zuerst die Städte der Aaroniden (1Chr 6,39–45) anführt, dann eine Kurzliste der übrigen Leviten (1Chr 6, 46–50) anschließt sowie eine darauffolgende Langliste (1Chr 6,51–66) ergänzt. Hinzu kommt, dass in der chronistischen Tradition nur 42 Städte genannt werden und sich die Namensformen markant von Jos 21 unterscheiden.267 Das wohlgeordnete Zahlensystem von 48 Levitenstädten in Jos 21 ist in der chronistischen Tradition nicht mehr zu finden,268 obwohl die teilweise Übernahme der Kurzliste in 1Chr 6,45–48 durchaus von 48 Städten ausgeht. Während die Defektivschreibung migrāšæhā in Jos 21 auf eine Singularform zurückgehen könnte, ist in der Parallelüberlieferung von 1Chr 6 aufgrund der Pleneschreibung migrāšæ̑ hā sicherlich eine Pluralform gemeint. Bei einer Priorität von Jos 21 wäre folglich zunächst nur ein bestimmtes „Umland“, nicht aber mehrere „Weideplätze“ im Blick gewesen.
Fraglich ist jedoch, wie die vielen Ähnlichkeiten und Unterschiede erklärt werden können, vor allem welches diachrone Abhängigkeitsverhältnis zwischen Jos 21 und 1Chr 6 zu bevorzugen ist. Gelegentlich wird die Tradition in 1Chr 6 für ursprünglicher gehalten.269 Die beigebrachten Gründe sind vor allem textkritischer Natur, wobei die unterschiedlichen Textformen von Jos 21 und 1Chr 6 in der Version der LXX und des MT kritisch gegeneinander abgewogen werden. Auf diese Weise könnte man angeblich die Priorität von 1Chr 6 belegen, wobei der Text von 1Chr 6 insgesamt in vier Stufen gewachsen sei. Eine Liste von aaronidischen Städten (V.39–45) sei mit einer Liste der Zuteilung von Städten an drei levitische Untergruppen ergänzt worden, wobei in V.45 Benjamin eingesetzt und danach in V.50 noch ein Verweis auf die Namensnennung eingetragen worden sei, der aber etwas deplatziert wirkt. Schließlich sei die Ortsliste ergänzt worden (V.51–66). In der Version von Jos 21 habe man schließlich die Zah266 Vgl. hierzu STASZAK 1995, 627; KLEIN 2006, 213; HAWK 2008, 645; SAMUEL 2014, 324; LEE-SAK 2017a, 356. 267 Vgl. zum Problem NAʾAMAN 1986, 218; KARTVEIT 1989, 73f. 268 Nach SCHMIDT 1995, 40 schimmert aber das Zahlenschema (vier Levitenstädte pro Stamm) auch in der chronistischen Tradition noch durch, wobei aber Kürzungen zu verzeichnen sind. 269 Vgl. vor allem AULD 1976, 237–280. Dagegen aber ausführlich SCHMIDT 1995, 36– 40.
5. Parallelüberlieferung der Chronik
129
lenangaben eingetragen. Außerdem sei durch Umstellungen, Zusätze, Rahmungen und Umformulierungen eine bessere Kohärenz erzeugt worden.270 Nach diesem Entwurf sei Jos 21 ein von 1Chr 6 abhängiger Text, der das vorliegende Material mit den Stämmen Dan271 und Simeon272 ergänzt und umgestellt habe. Auf diese Weise sei dann in Jos 21 ein geordneter Text entstanden, dessen Zahlenangaben im Gegensatz zu 1Chr 6,45 durchaus passten. Hinzu kommt, dass einige Ortsnamen in der jüngeren Parallelüberlieferung von 1Chr 6 viel zuverlässiger als diejenigen von Jos 21 sind.273 Problematisch ist zudem, dass die Version von Jos 21 viel besser sortiert ist als die Ausgabe von 1Chr 6, sodass sich zurecht die Frage stellt, ob nicht die Redaktoren von Jos 21 auf 1Chr 6 zurückgegriffen haben.274 Trotz dieser durchaus einleuchtenden Beobachtungen wird meist davon ausgegangen, dass Jos 21 der ältere Text ist, der von 1Chr 6 verwendet werden konnte. Für die Priorität von Jos 21 sprechen zumindest folgende Beobachtungen: 1)
2)
Während in Jos 21,9 die Formel QRʾ + ʾæt + bešem tatsächlich die Liste ab V.13 eröffnet, wirkt diese Formel in 1Chr 6,50 am Übergang von Kurz- zur Langliste deplatziert,275 was darauf hinweist, dass der chronistische Redaktor auf Jos 21 zurückgriff. Auch andere Elemente wie der in 1Chr 6,39 völlig unnötige Losentscheid (1Chr 6,39.46.48.50), die Verbalform wayyittenû in 1Chr 6,40 oh-
270 Vgl. zu diesem Entwurf AULD 1976, 259–261; AULD 1979, 196f. Vgl. hierzu die kritische Übersicht bei KNOPPERS 2005, 26f. 271 Nach OEMING 1990, 148 fehle der Stamm Dan in der chronistischen Tradition weitgehend. Dan sei eigentlich nur in 1Chr 2,2 belegt, sodass sein Fehlen in 1Chr 6 nicht verwundern muss. Offenbar hat man auf diesen Stamm – aus welchen Gründen auch immer – gerne verzichtet. 272 Der Stamm Simeon erscheint nur in dem problematischen Vers 1Chr 6,50, der aber vermutlich aus Jos 21,9 übernommen wurde, da der Abschluss mit einer imperfektiven Verbform yiqreʾû in 1Chr 6,50 deplatziert wirkt. Denn yiqreʾû kann eigentlich nicht retrospektiv gedeutet werden. 273 Vgl. hierzu FRITZ 1994, 210. 274 Vgl. AULD 1979, 196. 275 Vgl. hierzu NELSON 1997, 237; JAPHET 2002, 178; KNOPPERS 2004, 446f.; KNOPPERS 2005, 47; KLEIN 2006, 185. Nach RÖSEL 2011, 332 fehlt hinter 1Chr 6,50 die eigentliche Liste an Städten aus Juda, Simeon und Benjamin, da man diese sekundär nach vorne versetzt habe (1Chr 6,42–45). Hinzu kommt, dass nur in 1Chr 6,50 Simeon genannt wird, während dieser Stamm zuvor bei der Aufführung der Levitenstädte keine Rolle gespielt hat. Anders hingegen SCHMITT 1995, 37, der vermutet, dass Jos 21,9 aufgrund seiner sprachlichen Besonderheiten aus 1Chr 6 entnommen worden sei, wo der letzte Satz auf die Verteilung der Städte zurückblicke. Auch nach KNOPPERS 2004, 439 verweist 1Chr 6,50 zurück auf die Liste in 1Chr 6,39–45, die Jos 21,10–19 entspricht. Allerdings kann eine derartige Retrospektive kaum mit yiqtol ausgedrückt werden.
130 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt ne Hinweis auf das dazugehörige Subjekt,276 das erst in 1Chr 6,49 nachgetragen wird, oder der Verweis auf Kaleb in 1Chr 6,41 wurden bedenkenlos aus Jos 21 entnommen, wo sie literarisch und narrativ viel besser verankert sind als im chronistischen Kontext. Darüber hinaus ist die doppelte Erwähnung von Hebron im Kontext des Josuabuchs verständlicher als in der chronistischen Tradition, da im Josuabuch das Gebiet um Hebron bereits Kaleb zugesprochen wurde (Jos 14,14).277 Da man darüber hinaus die Bezeichnung „Kaleb, Sohn des Jefunne“ aus Jos 21,12 in 1Chr 6,40 übernahm, erzeugte man widersprüchliche Angaben innerhalb der Chronik. Denn nach 1Chr 2,9.18 war Kaleb der Sohn Hezrons und nicht Jefunnes und nach 1Chr 2,42 der Bruder Jerachmeels. Außerdem ist fraglich, weshalb V.11 die altertümliche Angabe „Kirjat Arba, des Vaters Enaks“ sekundär ergänzt haben sollte, wo doch in der Parallele 1Chr 6,40 bereits Hebron steht.278 Wenn der Redaktor von Jos 21 tatsächlich auf 1Chr 6 zurückgegriffen hätte, hätte er – eigentlich ohne erkennbaren Grund – den guten und völlig verständlichen Satz aus 1Chr 6,40 auseinandergerissen und die Ortsangabe Hebron in einen erklärenden Nebensatz eingepasst. Die Zahlenangabe 13 in 1Chr 6,45 bei der Angabe der aaronidischen Levitenstädte ist vermutlich nicht original, sondern von Jos 21 übernommen. Denn man würde stattdessen die Zahl elf erwarten, da zuvor in 1Chr 6,40–45 nur elf Städte aufgezählt werden. Auch die im chronistischen Kontext unverständliche Formulierung „bezüglich der übrigen Söhne Meraris“ in 1Chr 6,62 wird wohl als korrupte Lesart zu deuten sein, die wenig sinnvoll ist, da sie eine Untergliederung der Merariter suggeriert, die es so vermutlich nicht gegeben hat. Hier ist wahrscheinlich aufgrund eines Homoioteleuton „Leviten“ aus Jos 21,34 entfallen, zumal die „Söhne Meraris“ in der Tat die „übrigen Leviten“ sind.279
3)
4)
5)
6)
Neben diesen Einzelbeobachtungen zu bestimmten Stellen, bei denen die Abhängigkeit eigentlich nur in eine Richtung gehen kann, gibt es noch weitere Gründe, weshalb 1Chr 6 von Jos 21 abhängig sein muss:
276
Vgl. OEMING 1990, 147. Vgl. BUTLER 2014, 217f. Allerdings erhält Kaleb in Jos 14 als siegreicher Eroberer die Stadt Hebron, vgl. auch SCHMID 1968, 51. 278 Vgl. hierzu auch KARTVEIT 1989, 75f. 279 Vgl. KNOPPERS 2004, 444; KNOPPERS 2005, 48f. Anders hingegen AULD 1990, 145, der hier „die Söhne Meraris, die noch (von den Leviten) übriggeblieben sind“ liest. Aber auch bei einer solchen Lesart wird „Leviten“ implizit ergänzt. 277
5. Parallelüberlieferung der Chronik
1)
131
Die Zahl der Levitenstädte stimmt nur in Jos 21 mit den aufgeführten Orten überein, während in 1Chr 6 offenbar Städte aufgrund von Haplographie oder anderen Gründen entfallen sind.280 Darüber hinaus ist der Aufbau von 1Chr 6 aus Jos 21 gut ableitbar, vor allem lässt sich bestens erklären, weshalb gewisse Teile übernommen oder ausgelassen wurden und wie der Text neu zusammengestellt wurde.281 Außerdem wird in 1Chr 6 im Gegensatz zu Jos 21 vermehrt pleneSchreibung verwendet, was ein Kennzeichen für späte Texte ist.282 Dementsprechend wird sich in Jos 21 zumindest eine orthographisch frühere Version erhalten haben. Die Beschreibung von 1Chr 6 setzt zudem den erzählerischen Kontext des Josuabuches voraus.283 Gegen die Priorität von 1Chr 6 gegenüber Jos 21 ist geltend zu machen, dass in 1Chr 6 ein abweichender Stil und eine andere Begrifflichkeit verwendet werden, was insgesamt für die chronistische Tradition untypisch ist.284 Schon vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass der chronistische Autor hier von seinen gebräuchlichen Formulierungen abgewichen ist. Statt seinem eigenen Idiolekt verwendet er priesterliche Sprache wie im Numeri- und Josuabuch.285 Auch hinsichtlich der verwendeten Toponyme ist festzustellen, dass die Ortsangaben besser im Kontext der Landverteilung im Josuabuch verortet sind (Jos 13–19), auch wenn deren Schreibweise textkritisch nicht immer über jeden Zweifel erhaben ist.286 Die andere Anordnung in 1Chr 6 könnte zudem auf das abweichende historiographische Interesse des chronistischen Redaktors zurückgehen, der andere Schwerpunkte setzen wollte und auf diese Weise die bessere Anordnung von Jos 21 zerstört hat. Schließlich muss der Umstand, dass in 1Chr 6 ein teils kürzerer Text vorliegt, nicht verwundern, da der chronistische Autor auch sonst immer wieder seine Vorlage gekürzt und auf seine Bedürfnisse hin zusammen-
2)
3)
4) 5)
6)
7)
8)
280
Vgl. NELSON 1997, 238. Gegen SAMUEL 2014, 324 ist auch in der Chronikversion das Stämmesystem nicht vollkommen aufgegeben worden, auch wenn es hier klar in den Hintergrund getreten ist. 281 Vgl. KNOPPERS 2004, 444–447. 282 Vgl. OEMING 1990, 147 mit Beispielen. 283 Vgl. auch OEMING 1990, 147, der zudem darauf hinweist, dass 1Chr 6,49 ein Zitat aus Jos 21,8 ist, und zwar dem narrativen Rahmen von Jos 21. 284 Vgl. ausführlich KNOPPERS 2005, 30–41. 285 Vgl. hierzu KNOPPERS 2004, 444, zumal derartige Idiome auf einen ursprünglichen Kontext außerhalb der Chronik hinweisen. Zur priesterlichen Sprache vgl. auch LEE-SAK 2017b, 784 Anm. 3. 286 Vgl. die Beispiele bei KNOPPERS 2005, 41–45.
132 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt gestellt hat.287 Somit könnten auch Kürzungen redaktionell veranlasst sein. Demnach muss der Kurztext nicht notwendigerweise auch der ältere Text sein.288 Allerdings hat der Redaktor von 1Chr 6 nicht den im MT oder LXX aktuell vorliegenden Text von Jos 21 übernommen, sondern vermutlich eine Vorläuferversion von Jos 21, die er nach seinen Vorstellungen bearbeitet hat.289 Die von 1Chr 6 aufgegriffene Textform ist zudem vermutlich irgendwie mit der LXX verbunden.290 Auf diese Weise könnte man den Umstand erklären, dass oft Jos 21-LXX zusammen mit 1Chr 6 gegen Jos 21-MT spricht. Vielleicht ist das Verhältnis der einzelnen Textformen und das Beziehungssystem untereinander viel fließender als bislang angenommen, sodass von keinem einlinigen Abhängigkeitsverhältnis ausgegangen werden darf.291 Bisweilen bietet die chronistische Tradition einen älteren und zuverlässigeren Text, bisweilen aber auch die Josuatradition, sodass Jos 21-MT bzw. Jos 21-LXX den ursprünglichen Text belegt.292 Es bleibt somit dabei: 1Chr 6 hat sich zumindest aus einer Vorform von Jos 21 entwickelt, die zum Teil noch in der LXX-Version zu greifen ist. Das textkritische Verhältnis von MT und LXX sowie Jos 21 und 1Chr 6 ist äußerst komplex und muss kritisch reflektiert werden. Bemerkenswert ist zumindest, dass selbst in der chronistischen Tradition eine Liste mit den Levitenstädten aufgenommen wurde. Dies zeigt wohl die große Bedeutung der Levitenstädte noch in nachexilischer Zeit.293 Allerdings wird in der chronistischen Tradition der Bezug der einzelnen Untergruppen zu den Leviten getilgt (1Chr 6,51.56.62). Vielleicht wurde dieses Bezugssystem in der Zeit des Zweiten Tempels kritisch gesehen. Hier kommt man aber über Vermutungen kaum noch hinaus.
287
Vgl. OEMING 1990, 147; JAPHET 2002, 167. So hat z.B. der chronistische Redaktor bewusst auf die Bezeichnungen Leviten und Priester immer wieder verzichtet, vgl. NAʾAMAN 1986, 210–215. Dies war schon deshalb nicht nötig, da diese Information vom umgebenden Kontext bereits vorgegeben war. 289 Vgl. KNOPPERS 2005, 60–63. 290 Vgl. NELSON 1997, 237; KLEIN 2006, 183. 291 Vgl. zum Problem auch KNOPPERS 2004, 443. 292 Vgl. KNOPPERS 2004, 447f. 293 Dies ist auch unabhängig davon, dass eine tatsächliche Besiedlung dieser Städte durch Leviten vermutlich gar nicht stattgefunden hat, vgl. HESS 1996, 308. 288
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
133
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte Die Levitenstädte müssen nicht notwendigerweise allesamt Kultstätten gewesen sein,294 zumal nirgendwo behauptet wird, dass in diesen Städten lokale oder überregionale Heiligtümer zu finden sind. Vielmehr werden diese Orte lediglich als Wohnstatt für die Leviten ausgewiesen, wie das hier verwendete Verb YŠB belegt (Num 35,2; Jos 14,4; 21,2).295 Außerdem werden die Levitenstädte – abgesehen von den Asylstädten – nirgendwo als heilige und ausgesonderte Städte betrachtet,296 obwohl dort Leviten und damit Kultbedienstete wohnen, die seit jeher einen Sonderstatus einnahmen. Somit muss man nicht in jeder Levitenstadt ein Heiligtum suchen. Möglicherweise haben die Leviten an einem von ihrem Residenzort unterscheidbaren Ort ihren kultischen Dienst vollzogen.297 Fraglich ist jedoch, weshalb im Abschnitt mit judäischen Levitenstädten wichtige Orte wie Bethlehem, wo zumindest nach Ri 17,7 ein Levit offenbar wohnte, und die Hauptstadt Jerusalem, wo sicherlich viele unterschiedliche Kultbedienstete lebten, nicht aufgenommen sind.298 Das Fehlen von Jerusalem kann zumindest nicht damit erklärt werden, dass Jerusalem bei der Eroberung des Verheißungslandes noch nicht eingenommen werden konnte. Denn dieser Einwand gilt auch für einige andere Levitenstädte,299 die noch eine ganze Weile von Kanaanäern besiedelt wurden. Die Absenz von wichtigen Kultstätten lässt zumindest an der historischen Zuverlässigkeit der Liste von Levitenstädten Zweifel aufkommen. Vielleicht wurden bestimmte Kultstädte im Südreich wie Arad, Beerscheba, Bethlehem und Mizpa schon deshalb übergangen, weil dort nicht-aaronidische Leviten ihren Dienst versa-
294
KALLAI 1986, 455 weist darauf hin, dass die Levitenstädte nicht notwendigerweise an Kultorten gelegen hätten. 295 Vgl. HARAN 1961a, 51. Nach HARTLEY 2005, 654 waren die Levitenstädte ganz normale Städte. Anders aber WELLHAUSEN 1927, 156f., dem zufolge den Levitenstädten jeweils alte Heiligtümer zugrunde lagen. 296 Vgl. GORDON 2013, 71. 297 Vgl. HARAN 1961a, 51f. Kritisch hierzu allerdings SPENCER 1980, 222, da diese Vermutung lediglich ein argumentum e silentio sei. 298 Vgl. hierzu NAʾAMAN 1986, 208. Nach WOUDSTRA 1981, 308f. deute dies auf das hohe Alter der Liste hin. BUTLER 2014, 228 vermutet, dass die benjaminitischen Leviten den priesterlichen Dienst in Jerusalem versehen haben, was das Fehlen von Jerusalem erklären könnte. Nach HUTTON 2012, 53f. fehlt Jerusalem, weil man die in Jerusalem beschäftigten Zadokiden von den Leviten trennen wollte. SVENSSON 1994, 83 weist noch auf die Orte Nob, Schilo und Dan hin, wo ebenfalls Leviten gewohnt haben, obschon diese Städte nicht unter die Levitenstädte aufgenommen worden sind. 299 Vgl. hierzu HUTTON 2012, 52f. Nach BLOCK 2015, 97 ist das Fehlen von Jerusalem, Bethel und Dan ein Hinweis darauf, dass die Liste in vorstaatlicher Zeit entstand.
134 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt hen.300 Dann wären diese Orte als Levitenstädte vermutlich ohnehin nicht in Frage gekommen. Aus alledem folgt, dass die Verbindung der Levitenstädte mit Heiligtümern nicht zwingend gefordert ist. Nach Jos 21 sind die Levitenstädte zumindest Orte, in denen Leviten angeblich gewohnt haben. Wo diese ihre kultischen Aufgaben verrichtet haben, wird nicht näher ausgeführt. Gerne werden literarhistorische Gründe für eine Verortung der Liste mit Levitenstädten herangezogen. Außerdem wird immer wieder angenommen, dass Jos 21 eine Form der Landverteilungstexte in Jos 13–19 voraussetzt. Da in Num 35 die beiden Institutionen Asyl- und Levitenstädte bereits miteinander verbunden sind, könnte Jos 21 auf Num 35 aufbauen, da nur auf diese Weise die Kongruenzen zu erklären sind. Vor dem skizzierten Hintergrund wird Jos 21 nicht älter als die genannten Texte bzw. eine hypothetische Urform dieser Texte sein.301 Mit dieser Erkenntnis ist aber nur etwas im Blick auf eine relative Chronologie der einzelnen Texte gewonnen. Für die Bestimmung des Alters der verwendeten Traditionen hilft diese Beobachtung nicht weiter. Ausweislich dieser relativen Chronologie kann die Liste der Levitenstädte in ihrer vorliegenden Form erst in nachexilischer Zeit entstanden sein. Trotz der späten Entstehungszeit des vorliegenden Textes könnten sich dahinter aber die unterschiedlichsten und teils sehr alten Traditionen, aber auch sehr junge und zeitgenössische Entwicklungen verbergen.302 Zum einen könnte sich in dieser Liste der geographische und soziale Einflussbereich der aaronidischen Priester der persischen Zeit widerspiegeln. Zum anderen könnten sich hier auch Vorstellungen der unterschiedlichen Priestergruppierungen der staatlichen Zeit niedergeschlagen haben. Schließlich wären auch Erinnerungen an vorstaatliche tribale Verhältnisse denkbar. Da man mit dieser Liste folglich einen Blick in die unterschiedlichsten Szenarien erhalten kann, lohnt sich die Beschäftigung mit der historischen Verortung der Liste mit Levitenstädten. Für die Datierung der Liste mit Levitenstädten sind verschiedene Beobachtungen zielführend. Die Voranstellung der Siedlungsgebiete der „Söhne Aarons“ in Juda scheint darauf hinzuweisen, dass die Liste offenbar in Juda entstanden ist. Für einen judäischen Hintergrund der Levitenstädte spricht auch der Umstand, dass das efraimitische Gebirge weitgehend ausgespart bleibt.303 300 Vgl. NAʾAMAN 1986, 218, der auch das Fehlen anderer wichtiger Kultstädte wie Dan, Bethel, Gilgal oder Nebo erklärt. Schon WELLHAUSEN 1927, 157 betont, dass einige berüchtigte Kultstätten absichtsvoll übergangen worden seien. BARTUSCH 2003, 98 Anm. 60 vermutet, dass das Fehlen wichtiger Heiligtümer darauf hinweisen könnte, dass die Leviten nicht nur für religiöse Tätigkeiten zuständig gewesen seien. 301 Vgl. hierzu auch BEN ZVI 1992, 88–91. 302 Vgl. LEUCHTER 2017, 19. 303 Vgl. PITKÄNEN 2010, 342.
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
135
Auch wenn die Liste in Juda aufgezeichnet worden ist, hilft dies für eine historische Verortung allerdings noch nicht wirklich weiter. Eine tatsächlich historische Verortung des Systems der Levitenstädte muss zumindest von vier Problemstellungen bzw. Voraussetzungen ausgehen: 1) 2)
3)
4)
Eine Institution von Levitenstädten ist keine Fiktion. Vielmehr hat es Levitenstädte in der Geschichte Israels tatsächlich gegeben.304 Ohne diese Voraussetzung ist jede historische Verortung sinnlos. Die kultische Institution der Verteilung von Leviten im Land muss nicht notwendigerweise mit dem vorliegenden System der Levitenstädte gleichgesetzt werden.305 Beide Dinge können auf unterschiedliche Traditionen zurückzuführen sein, sodass man dies nicht vorschnell vermischen sollte. Darüber hinaus können die Orte diachron gewechselt haben. Nicht umsonst sind die Ortsnamen in Jos 21 und 1Chr 6 teils sehr unterschiedlich, wofür nicht immer nachvollziehbare textkritische Argumente angeführt werden können. Falls es zu einem diachronen Wechsel gekommen ist, dann kann man aber nicht ausweislich der Verteilung historische Schlussfolgerungen anstellen. Fraglich ist darüber hinaus, ob diese ursprüngliche Liste nicht gänzlich von den Leviten zu lösen ist und erst in einem späten literarhistorischen Stadium mit den Leviten verbunden wurde. In diesem Falle hat die Liste für die historische Fragestellung nach den Leviten keinen eigentlichen Mehrwert.
Schon vor diesem schwierigen Hintergrund muss man methodisch zwischen der litararhistorischen Datierung der Liste mit den Levitenstädten im Josuabuch und der historischen Verortung der Institution der Levitenstädte bzw. der levitischen Präsenz in den entsprechenden Levitenstädten sorgsam unterscheiden.306 Außerdem ist zwischen der ursprünglichen Tradition von Levitenstädten und der späteren Verwendung dieser Liste durch die Redaktoren des Josuabuches zu unterscheiden.307 Die ursprüngliche Liste mit Levitenstädten kann somit viel älter sein als der Text des Josuabuches. Darüber hinaus kann man den Zeitpunkt der Entstehung der Liste nicht mit der Zeit 304 Nach ROSS 1973, 275–284 geht die vorliegende Liste auf eine Liste von Städten der Hiwiter zurück, die im Rahmen der Textüberlieferung fälschlicherweise den Leviten zugeschrieben wurde. Dagegen aber zu Recht SPENCER 1980, 235. GUNNEWEG 1965, 68f. differenziert darüber hinaus zwischen den Levitenstädten und der älteren Zuteilung von migrāš an die Leviten, wobei es sich um ein gewohnheitsrechtliches und existenznotwendiges Privileg handelt. 305 Vgl. BOLING 1985, 28. 306 Vgl. schon CODY 1975, 181. Zu einem Forschungsüberblick zu den Levitenstädten vgl. auch NOORT 1998, 195–197. 307 Vgl. ROSS 1973, 219f.
136 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt gleichsetzen, in der diese angebliche Institution in Israel eingeführt wurde. Die Liste könnte auf einen bestehenden Zustand reagieren, der dann mit einer Erzählung aus der Landnahmezeit literarisch erklärt wird. Darüber hinaus muss man den narrativen Kontext, in dem die Liste der Levitenstädte platziert ist, berücksichtigen.308 Die Fragestellung nach der Verortung der Levitenstädte wird noch dadurch verkompliziert, dass dieses System einen sehr künstlich konstruierten Eindruck macht, sodass nicht sicher ist, ob diese Zusammenstellung von Orten tatsächlich historische Gegebenheiten widerspiegelt. Gerade die schematische Anordnung der einzelnen Städte und die zahlenmäßig fast gleichartige Verteilung auf die zwölf Stämme lassen Zweifel an der historischen Zuverlässigkeit der Liste aufkommen, wie diese im MT vorliegt. Das schließt freilich nicht aus, dass ein vielleicht ursprüngliches Dokument stark überformt wurde. Die dem Endtext zugrundeliegende Liste, ihr Alter und ihre historischen Hintergründe gilt es folglich zu bestimmen. Für einen historischen Kern hinter dieser Liste bzw. für die Verwendung einer Tradition spricht zudem die Anordnung der Levitenstädte in bestimmten Clustern. Bei einer künstlichen und idealisierenden Konstruktion wären die einzelnen Städte sicherlich über das gesamte Stammesgebiet gerecht verteilt worden.309 Falls demnach ein historischer Kern hinter dieser Liste greifbar ist, dann wäre die Verteilung der Levitenstädte in bestimmten Clustern und die Lücken der Liste aufgrund von historischen Gegebenheiten zu erklären.310 Interessanterweise befinden sich die Levitenstädte der Kehatiter meist im judäischen Süden, diejenigen der Gerschoniter im galiläischen Norden und diejenigen der Merariter im Ostjordanland.311 Vielleicht liegt in diesen Angaben ein historischer Kern verborgen. Vielleicht ließen sich bestimmte Levitengruppen in eigenen Siedlungsgebieten nieder. Darüber hinaus ist ohnehin kaum zu erwarten, dass die Levitenorte gleichmäßig in Israel verteilt waren, wenn es sich hierbei um ein historisches Dokument handelt. Gerade die nicht idealisierte Verteilung könnte darauf hinweisen, dass sich hier eine ursprüngliche Tradition greifen lässt, der zufolge sich die Levitenstädte vor allem in den Bereichen des nördlichen und südlichen Querriegels sowie im
308
Vgl. BEN ZVI 1992, 84 Vgl. auch ALT 1953a, 295f.; MILLER 1987, 279. Nach AULD 1984, 105 wurde immer wieder von der idealisierten Verteilung abgewichen, was ebenfalls dafür sprechen könnte, dass hier eine historisch zuverlässige Liste vielleicht von 13 Städten aus Juda, Simeon und Benjamin verwendet worden ist. 310 Vgl. zum Problem NOTH 1950, 166f.; ALT 1953a, 296. Nach CODY 1969, 160 Anm. 39 muss es zudem zu keinem internen Streit hinsichtlich der Verteilung von Levitenstädten gekommen sein, da die einzelnen Levitengruppen voneinander geographisch getrennt werden. 311 Vgl. zu dieser Verteilung auch BLOCK 2015, 95. 309
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
137
galiläischen und südjudäischen Grenzgebiet befinden.312 Es stellt sich dann auch die berechtigte Frage, weshalb man gerade in Zentraljuda, Efraim und Manasse den Leviten keine Städte und Weideplätze zugestanden haben sollte. Jede historische Hypothese zu den Levitenstädten sollte gerade diese Aussparung erklären können.313 Diese auffälligen Lücken sollte man jedoch nicht dadurch auffüllen, dass es daneben noch andere Levitenstädte gab, die aber über kein dazugehöriges Weideland verfügten und deshalb nicht genannt würden.314 Dinge, die nicht erwähnt werden, sollte man nicht einfach hinzuerfinden. Besonders die auffälligen Lücken in Zentraljuda, Efraim und Manasse deuten zumindest nicht auf eine Institution von Leviten, die der Administration des gesamten Staatsgebietes gedient haben.315 Man sollte also vorsichtig sein, mit dieser Liste ein historisches Bild der Leviten zeichnen zu wollen. Ohnehin ist es problematisch, wenn man die geographische Verteilung der Levitenstädte mit exakten historischen Schlussfolgerungen zu verbinden trachtet, da es sich bei dieser Liste nicht notwendigerweise um ein historisches Dokument handeln muss. Zumindest ist ein solches ausweislich der klaren Strukturierung nicht mehr sicher zu bestimmen.316 Man sollte folglich nicht das voraussetzen, was erst zu beweisen ist. Alles in allem gibt es zwei Möglichkeiten, wie man mit einer historischen Verortung der Levitenstädte umgehen kann: Entweder man sieht in der vorliegenden Liste ein geographisches Dokument, das tatsächlich zumindest teilweise historische Erinnerungen widerspiegelt. Dementsprechend könnte diese Liste auf eine vorliegende Tradition der einzelnen Stammesgebiete zurückgreifen, wobei die einzelnen Orte nicht notwendigerweise im Besitz der jeweiligen Stämme gewesen sein müssen.317 Oder man beurteilt diese Liste als utopische Konstruktion, die entweder als Idealbild in der nachexilischen Zeit oder als Programmschrift für die noch ausstehende Landnahme diente.318 Immer wieder wird auch der archäologische Befund herangezogen, um die Liste mit den Levitenstädten zu datieren. Der archäologische Befund der meisten dieser Orte deutet klar in die Eisenzeit, vor allem ins 8. Jh. v. Chr.319 312
Vgl. SCHULZ 1987, 53. Vgl. ALT 1953a, 296f.; NOTH 1971, 131; SCHULZ 1987, 51f. 314 Vgl. ALT 1953a, 297. 315 Vgl. KLEIN 2006, 190. 316 Vgl. SCHMITT 1995, 34f. Das schließt freilich nicht aus, dass bei der Zusammenstellung der Liste ältere Ortslisten verwendet worden sind. Nach NAʾAMAN 1986, 217 haben z.B. auch die ägyptischen Pharaonen immer wieder ältere Listen mit Toponymen kopiert. 317 Vgl. zum Problem auch BEN ZVI 1992, 85. Kritisch hierzu aber SPENCER 1980, 237 Anm. 1. 318 Vgl. hierzu HARAN 1961a, 45–48. 319 Vgl. BOLING 1982, 492–494; HESS 2005, 970, der auch noch an das 7. Jh. v. Chr. denkt. BARTUSCH 2003, 102 vermutet hingegen, dass an vielen Orten Besiedlung im 10. Jh. v. Chr. durchaus belegt ist. 313
138 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass nicht alle Orte der Liste eindeutig zu identifizieren sind. Außerdem ist der Befund von Oberflächensurveys nicht immer über jeden Zweifel erhaben, da mitunter existente Siedlungsschichten an der Oberfläche nicht durch entsprechende Keramik vertreten sind.320 Die Beobachtung, dass es die erwähnten Städte zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte Israels archäologisch gegeben hat, darf darüber hinaus nicht zu dem vorschnellen Schluss verführen, dass diese Liste in genau diese Zeit datiert werden muss,321 da auch ein späterer oder früherer Autor eine solche Verteilung gebildet haben könnte. Problematisch ist zudem, dass das in der Liste skizzierte Gebiet eigentlich zu keinem Zeitpunkt von Israel effektiv beherrscht wurde. Dies gilt vor allem für das Stammesgebiet von Dan und die ostjordanischen Gebiete.322 Allerdings muss eine Besiedlung bzw. eine Beherrschung der Orte dieser Liste nicht schon zu dem Zeitpunkt gegeben sein, als diese Städte erwähnt wurden, vor allem wenn diese Liste programmatischen Charakter hat und nicht einen vorhandenen Zustand schildert.323 Folglich ist es unerheblich, ob die auf der Liste genannten Orte tatsächlich jemals von Israel beherrscht wurden.324 Trotz dieser Kritik muss festgehalten werden, dass selbst eine idealisierte Liste zumindest die Zeit und die näheren historischen Umstände der Verfasser reflektiert,325 selbst wenn damit nur ein nostalgisches oder utopisches Programm entworfen wird. Neben dem archäologischen Befund sind bisweilen auch historische Daten hinzugezogen worden, vor allem, wenn man biblische und außerbiblische Quellen unkritisch und erschöpfend auswertet. Immer wieder wurde vermutet, dass die Erwähnung des Ortes Geser genauere Anhaltspunkte für eine Datierung liefern könne. Denn erst unter David sei die Gegend um diese Stadt erobert worden (2Sam 5,25) und unter Salomo sei Geser endgültig unter israelitische Verwaltung gelangt (1Kön 9,15–17), sodass man mit der Zeit des Vereinten Königreiches einen terminus post quem erhalte. Darüber hinaus sei Geser von Pharao Schoschenq im letzten Drittel des 10. Jh. v. Chr. zerstört worden, worauf die Schoschenqliste (Nr.12) angeblich hinweise, sodass man einen terminus ante quem habe.326 Allerdings ist die oft vorgenommene Lesart Geser auf der Schoschenqliste nicht ganz unumstritten,327 sodass man damit eigentlich nicht sicher argumentieren kann. Auch die biblischen Daten
320
Vgl. BARTUSCH 2003, 102. Vgl. zum Problem SPENCER 1980, 215f. 322 Vgl. hierzu SCHMITT 1995, 40f. 323 Vgl. PITKÄNEN 2010, 345. 324 DEARMAN 1989, 63f. weist zudem darauf hin, dass die Levitenstädte des Stammes Ruben nicht zum Herrschaftsgebiet Israels gehörten. 325 Vgl. FINKELSTEIN 2012, 71 Anm. 47. 326 Vgl. ALBRIGHT 1945, 57. 327 Vgl. hierzu GASS 2015, 132 Anm. 74. 321
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
139
sind nicht über jeden Zweifel erhaben, sodass man auf derartige historische Zusatzannahmen eigentlich verzichten sollte. Für eine historische Verortung der Liste mit den Levitenstädten wird gelegentlich der Hinweis in 2Chr 11,13–15 herangezogen,328 wonach Jerobeam I. die Leviten aus dem Nordreich vertrieben habe, sodass die Liste, wenn diese tatsächlich auf historische Erinnerung zurückginge, davor entstanden sein müsste, da man sonst die nördlichen Städte nicht erklären könnte. Der Grund für die Vertreibung der Leviten aus dem entstehenden Nordreich wird meist in der Loyalität dieser Gruppe gegenüber den Davididen gesucht.329 Allerdings bürdet man auf diese Weise dem eher zweifelhaften Hinweis in 2Chr 11,13–15 zu viel Beweislast auf, vor allem, weil man hier ohne Begründung den Leviten eine gewisse Nähe zum davidischen Königshaus zuspricht. Alle bisherigen Rekonstruktionsversuche der historischen Realität hinter der Liste und der Funktion dieser Städte gestalteten sich als schwierig. Selbst wenn es einen Zeitpunkt in der Geschichte Israels gegeben haben sollte, zu dem die hier vorgelegte Anordnung und Verteilung der Levitenstädte passt, ist noch lange nicht gesagt, dass die Liste tatsächlich historische Sachverhalte aus genau dieser Zeit widerspiegelt.330 Hinzu kommt, dass es nicht nur einen einzigen Anlass für die Einrichtung von Levitenstädte gegeben haben muss. Vielmehr könnte sich diese Liste über längere Zeit hinweg entwickelt331 und unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt haben. In diesem Fall würde sich die Zeitspanne, in der die einzelnen Orte gesucht werden müssen, noch zusätzlich vergrößern. Bei der historischen Verortung der Liste mit Levitenstädte wurde zudem immer wieder auch zu klären versucht, vor welchem soziologischen Hintergrund diese Liste transparent ist. Dementsprechend stellt sich die Frage, welche Dienste von den Leviten in früher Zeit ausgeführt wurden.332 Verschiedene Dinge wurden hierfür vorgeschlagen, ohne dass es dafür zwingende Beweise gibt: Einberufung von Soldaten und Arbeiter, Einsammlung von Steuern und Abgaben, Dienst als Richter333 und Priester, Lehre der Mosetradition, Förderung der nationalen Einheit und Loyalität gegenüber YHWH.334 Immer wieder wurden die Leviten mit der königlichen Verwaltung in Verbindung gebracht, zumal die Levitenstädte in unmittelbarer Nähe zu königli-
328
Vgl. BUTLER 2014, 225. Vgl. AHARONI 1967, 273; BARTUSCH 2003, 107. 330 So aber AHARONI 1967, 269. Vgl. zum Problem auch SPENCER 1980, 246. 331 Vgl. hierzu auch HUTTON 2012, 66. 332 Zu einer soziologischen Verortung der Leviten vgl. auch HUTTON 2012, 78–81. 333 Kritisch hierzu BLOCK 2015, 100–105. 334 Vgl. BUTLER 2014, 226. Ähnlich auch HUTTON 2009, 228, der die Leviten als Lehrer der YHWH-Tora, Richter, intertribale Vermittler und Kultbedienstete an lokalen Heiligtümern sieht. Zu den vielfältigen Aufgaben der Leviten vgl. auch BARTUSCH 2003, 105f. 329
140 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt chen Domänen zu finden sind.335 Aber ob diese beobachtete Nähe auch eine funktionale Zuordnung zwischen Leviten und dem Königtum nahelegt, kann nicht sicher gesagt werden. Gelegentlich wird zudem der archäologische Befund der einzelnen Levitenstädte noch herangezogen, um die Funktion der dort ansässigen Leviten näher zu bestimmen. So könnten die Levitenstädte königliche Verwaltungszentren mit Kasemattenmauern und Lagerhallen gewesen sein.336 Ob jedoch eine derartige Verbindung zulässig ist, ist fraglich. Demgegenüber wird die These stark gemacht, dass die Institution der Levitenstädte nicht auf staatliche Initiative zurückgeführt werden kann. Vielmehr wären diese Orte unabhängige Lehrstätten der YHWH-Verehrung gewesen.337 Mitunter lagen diese Lehrstätten der YHWH-Tradition auch im Grenzgebiet oder gar in Territorien, die von anderen Mächten beherrscht wurden. Dementsprechend hätten die Leviten wie die Propheten das Volk auf die Bundestreue zu YHWH eingeschworen.338 Möglicherweise musste die Bevölkerung dieser oft pagan geprägten Orte von den Leviten in der YHWH-Verehrung unterrichtet werden. Die Leviten hätten dann die Fremden und die indigene Bevölkerung missioniert.339 Hier kommt man aber ebenfalls über Vermutungen kaum noch hinaus. Neuerdings wird aufgrund der Verteilung der Levitenstädte im Grenzgebiet vermutet, dass die Leviten als Vermittler zwischen einzelnen Stämmen aufgetreten sind, da sie sich genealogisch mit anderen Stämmen nicht verbunden haben.340 Gerade an der Grenze zum fruchtbaren Land könnten die Leviten zwischen der sesshaften Bevölkerung und den Halbnomaden vermittelt haben, auch wenn es hierfür keinen zwingenden textlichen Beleg gibt. Der Umstand, dass die Leviten nach den einzelnen Listen vor allem Grenzstädte zugewiesen bekamen, könnte auch damit zusammenhängen, dass den Autoren nur die Grenzlisten der Stammesterritorien vorlagen, aus denen dann 335
Vgl. METTINGER 1971, 98–101. Zu den Levitenstädten als legislative und judikative Zentren der nicht-priesterlichen Leviten, vgl. NEL 1989, 260–270. 336 Vgl. MAZAR 1960, 201. 337 Vgl. BOLING 1982, 496. Nach PETERSON 1980, 705–709 waren die Leviten für die YHWH-Lehre des Nordreichs in Form der Mose-Tradition zuständig. BLOCK 2015, 97 weist jedoch darauf hin, dass einige Levitenstädte fremde Gottheiten im Namen trügen. 338 Vgl. PETERSON 1980, 716f. 339 Vgl. PETERSON 1980, 719–723. Ähnlich auch BLOCK 2015, 118: „These institutions provided means for meeting Israel’s pastoral needs, for communal and clan expressions of faith, and for instruction on righteousness in everyday life.” 340 Vgl. HUTTON 2009, 228f. Ähnlich schon SCHULZ 1987, 53f., der den Leviten intertribale religiös-politische Funktionen und militärische Aufgaben an der Grenze zuschrieb. Auch BARTUSCH 2003, 105f. erwägt, ob die Leviten politisch-administrative und religiöse Aufgaben zu erfüllen hätten. HESS 1996, vermutet zudem, dass die Levitenstädte an den Grenzen des jeweiligen Stammesgebiets als Stätten für die Lehre und den Erhalt der YHWH-Religion gedient hätten. Nach GRAY 1986, 163 könnten die Leviten auch militärische oder fiskale Dienste übernommen haben.
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
141
die Levitenstädte bestimmt werden mussten.341 In diesem Fall sollte man die eigentümliche Verteilung nicht historisch überbewerten. Hinzu kommt, dass die Verortung an der Grenze zum Siedlungsland auch darauf hindeuten könnte, dass hier insgesamt ein unrealistisches Bild gezeichnet werden sollte. Gelegentlich wird sogar vermutet, dass die Listen mit Levitenstädten realistische und utopische Elemente enthalten.342 Zu den realistischen Dingen werden die Streuung der Leviten im Lande auch in Orten ohne Kultstätte, die Verteilung von Levitenstädten auch außerhalb des Verheißungslandes, die von den Priestern zu unterscheidende soziale und wirtschaftliche Position der Leviten sowie die numerisch höhere Anzahl der Leviten gegenüber den Priestern gezählt. Als utopische Elemente gelten hingegen die gleichen Abmessungen des Weidelandes um die 48 Levitenstädte, die ausschließliche Zuweisung von bestimmten Städten zu den Leviten sowie die Differenzierung zwischen Leviten und Priestern. Vielleicht wurde eine ursprüngliche Liste später mit derartigen unrealistischen, idealen und utopischen Dingen überformt. In diesem Fall müsste man die Liste nicht vollkommen als unrealistisches und unhistorisches Dokument beiseitelegen, zumal dieses Dokument auch historisch zuverlässige Anhaltspunkte enthalten könnte.343 Aber nicht alles, was durchaus glaubwürdig klingt, muss historisch zuverlässig sein. Denn selbst ein Autor kann bei einer fiktiven Darstellung realistische Elemente verwenden. Vor dem bereits skizzierten archäologischen, biblischen, außerbiblischen und soziologischen Hintergrund sind die unterschiedlichsten historischen Szenarien entworfen worden, wie die Liste der Levitenstädte oder eine Vorform historisch einzuordnen ist: Vorstaatliche Zeit344 Nur selten wird die ganz frühe Zeit Israels für eine Entstehung der Levitenstädte vermutet. Für eine derart frühe Datierung könnte das Fehlen des wichtigen nordisraelitischen Kultortes Dan auf der Liste sprechen, wo sich angeblich Gerschoniter niedergelassen haben sollen (Ri 18,30). Stattdessen wird der Stamm Dan in Jos 21 wie in Jos 19 im Süden verortet, was vermutlich in späterer Zeit eine unrealistische und unglaubwürdige Konstruktion gewesen wäre, die man daher vielleicht nicht tradieren wollte.345 Dementsprechend sei dieses utopische Dokument, das nie wirk-
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341
Vgl. ACHENBACH 2003, 595f. Vgl. HARAN 1961b, 157–163; HARAN 1985, 122–129. 343 Vgl. zum Problem KALLAI 1986, 457. 344 Vgl. KAUFMANN 1985, 65–71; PITKÄNEN 2010, 343f.; BUTLER 2014, 225, dem zufolge die Ursprünge der Liste bereits in vorstaatliche Zeit weisen. Auch nach HARTLEY 2005, 657 scheint die Liste auf die Zeit vor der Eroberung des Verheißungslandes zurückzugehen. 345 Vgl. auch KAUFMANN 1985, 69. 342
142 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt lich eingelöst worden ist, noch vor der Nordwanderung des Stammes Dan entstanden. Auch die Absenz von Jerusalem, das noch nicht erobert war, lasse sich mit dieser historischen Verortung begründen.346 Außerdem könnte man bei dieser frühen Datierung erklären, weshalb wichtige spätere Kultstädte auf der Liste noch fehlten. Die judäischen Levitenstädte sind zudem um Hebron herum lokalisiert. Diese Stadt hatte vor allem in vorstaatlicher Zeit eine herausragende Bedeutung, was ebenfalls für eine solch frühe Datierung sprechen würde. Bei einer solchen zeitlichen Verortung in die Landnahmezeit ist die Liste mit Levitenstädte jedoch bestenfalls eine utopische Konstruktion von Städten, die idealiter später als Levitenstädte dienen sollen.347 Für die utopische Konzeption der Liste könnte darüber hinaus auch sprechen, dass die strikte Trennung von Priester und Leviten auch territorial durch die Gabe spezifischer Lebensbereiche von Leviten unterstrichen werden sollte.348 Gegen diese zeitliche Ansetzung sind aber viele Gegenargumente stark zu machen. Denn weder das Fehlen von bestimmten Städten noch die Bedeutung einer Stadt zu einer bestimmten Zeit ist ein klarer Hinweis auf eine historische Verortung der Liste. Gegen eine solch frühe Zeit spricht darüber hinaus das Fehlen von Zentraljuda, Efraim und Manasse auf der Levitenliste, da man die Kerngebiete sicherlich nicht ausgeklammert hätte. Außerdem sind einige Orte vertreten, die in vorstaatlicher Zeit nicht zum Siedlungsgebiet Israels zählten, sodass mit der Zeit des Vereinten Königreiches eigentlich mindestens ein terminus post quem anzugeben ist.349 Folglich könne die Liste nicht aus vorstaatlicher Zeit stammen. Ob zudem die Trennung zwischen Priestern und Leviten in dieser Liste derart strikt vollzogen werden sollte, ist fraglich. Außerdem könnte ein späterer Autor ebenso ein für die Landnahmezeit passendes utopisches Konstrukt vorgelegt haben.350 Zeit des Vereinten Königreiches351 Für diese zeitliche Ansetzung spricht zumindest der Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt alle genannten Städte angeblich zu Israel gehört ha-
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346
Vgl. KAUFMANN 1985, 65. Dagegen aber KALLAI 1986, 455. Vgl. hierzu auch SOGGIN 1982, 203. 348 Vgl. KAUFMANN 1985, 67. 349 Vgl. ALT 1953a, 296f.; MAZAR 1960, 195. 350 Vgl. hierzu auch HUTTON 2012, 56. 351 Vgl. ALBRIGHT 1945, 49f.; MAZAR 1960, 204f.; AHARONI 1967, 269; METTINGER 1971, 98f.; ROSS 1973, 219f; HAUER 1982, 37–44; KALLAI 1986, 458; MILLER 1987, 282; SCHULZ 1987, 52f.; SPRONK 1994, 168; HAWK 2008, 645. Nach LEUCHTER 2017, 119f. seien zumindest einige Erinnerungen an die Politik zur Zeit Salomos und Jerobeams I. in der Liste der Levitenstädte, die freilich erst in persischer Zeit entstanden sei, enthalten. 347
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
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ben.352 Mit den Levitenstädten in den Grenzgebieten sei das Großreich unter David und Salomo militärisch abgesichert, für die Steuerverwaltung erschlossen und religiös reformiert worden.353 Die Aufgabe der Leviten wäre folglich gewesen, Steuern und Abgaben zu erheben sowie die königlichen Domänen in den eroberten Gebieten zu verwalten.354 Dementsprechend waren aber Levitenstädte im Kernland von Juda überhaupt nicht notwendig, da die Autorität von David und Salomo hier nicht hinterfragt wurde.355 Nach 1Kön 12,31 wurden im Nordreich unter Jerobeam I. nicht-levitische Priester eingesetzt, sodass die Institution der nördlichen Levitenstädte früher anzusetzen wäre.356 Mit anthropologischen Kriterien wird die Zeit des Vereinten Königreichs zudem für eine historische Verortung stark gemacht, da erst ab dieser Zeit angeblich eine zentrale politische Verwaltung und ein nationaler monotheistisch geprägter Kult möglich waren.357 Gelegentlich wird die Liste der Levitenstädte mit ägyptischen Priesterstädten358 oder mit Landlehen verglichen, wie sie in Texten aus Alalach belegt sind.359 Für eine frühe Datierung könnte die Verwendung des Begriffs maṭṭēh sprechen, vor allem wenn diese Bezeichnung tatsächlich nur bis ins 9. Jh. v. Chr. für „Stamm“ verwendet worden wäre.360 Für eine frühe Verortung der Liste mag auch die Ähnlichkeit zu der Liste mit Festungsstädten unter Rehabeam in 2Chr 11,6–10 sprechen, auch wenn deren Historizität ebenfalls umstritten ist. Zumindest decken beide Listen ähnliche Regionen ab, sodass immer wieder an eine annähernd zeitgleiche Entstehung der Festungsliste und der Levitenliste gedacht wurde.361 Möglicherweise bildet der Ver-
352 Vgl. hierzu ALBRIGHT 1945, 56. Zum Problem einer Verbindung der Liste mit der Zeit des Vereinten Königreichs vgl. allerdings ROSS 1973, 177–182. 353 Vgl. GRAY 1986, 163. Nach AHARONI 1967, 269 hat es in den unterworfenen Gebieten Königsland gegeben, das dann an die Leviten weitergegeben werden konnte. Kritisch hierzu aber NAʾAMAN 1986, 227, da die Grenzorte immer dann aus den Grenzbeschreibungen von Jos 13–19 genommen wurden, wenn keine adäquaten anderen Orte vorlagen. Insofern geht die beobachtete Verteilung der Levitenstädte an den Grenzen nicht notwendigerweise auf historische Gegebenheiten zurück. Vielleicht ist auch der Redaktor der Liste für diese Lokalisierung verantwortlich. 354 Gegen administrative Tätigkeiten der Leviten hingegen PETERSON 1980, 718. 355 Vgl. MAZAR 1960, 200. 356 Vgl. SOGGIN 1982, 203. 357 Vgl. hierzu HAUER 1982, 37–44. 358 Vgl. MAZAR 1960, 204f. 359 Vgl. HESS 1996, 309. 360 Vgl. PITKÄNEN 2010, 343. 361 Vgl. ALT 1953b, 314, der von einem Verhältnis „enger nachbarschaftlicher Berührung und gegenseitiger Ergänzung“ ausgeht. Ähnlich auch SCHULZ 1987, 53.
144 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
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lust von nördlichen Städten an Hiram, den König von Tyrus, zur Zeit Salomos einen terminus ante quem.362 Allerdings sind solche, vor allem textbasierte Schlussfolgerungen angesichts archäologischer, religionsgeschichtlicher und soziologischer Forschungen kaum noch haltbar. Für eine derart frühe Datierung müsste man zudem annehmen, dass die Einteilung der Levitengruppen bereits in sehr früher Zeit stattfand, was aber nicht unproblematisch ist.363 Wenn die Liste tatsächlich aus der Zeit des Vereinten Königreiches stammt, dann muss die Aussonderung und hohe Bedeutung der Aaroniden unter den levitischen Gruppierungen schon sehr bald erfolgt sein,364 was aber höchst umstritten ist. Gegen eine solch frühe Datierung spricht zudem der archäologische Befund der einzelnen Levitenstädte, der vor allem ins 8. Jh. v. Chr. weist.365 Darüber hinaus gibt es keine Hinweise auf literarische Aktivitäten am königlichen Hof oder auf ein mächtiges zentralistisch organisiertes Königreich im Süden vor der Mitte des 9. Jh. v. Chr.366 Außerdem ist die biblische Darstellung der Größe des Vereinten Königreiches keine historisch zuverlässige Konstruktion, sodass man diese unsicheren Daten nicht für die zeitliche Verortung der Liste mit Levitenstädten heranziehen sollte.367 Schließlich kann die auffällige räumliche Verteilung der Levitenstädte und das Fehlen in bestimmten Bereichen bei einer Datierung in die Zeit des Vereinten Königreiches kaum erklärt werden.368 Jerobeam II. und Usija369 Aufgrund von archäologischen Daten könnte man an das 8. Jh. v. Chr. für die historische Verortung der Liste von Levitenstädten denken, als die Leviten einen großen Einfluss auf die zeitgenössischen Propheten und die Autoren des Buches Deuteronomium hatten. Gerne wird an eine Entstehung der Liste im Nordreich unter Jerobeam II. gedacht, als man fast das gesamte Gebiet beherrschte, in dem die Levitenstädte lokalisiert
362 So AHARONI 1967, 272; KALLAI 1986, 458. Nach ALBRIGHT 1945, 58 hat Salomo im Verlauf seiner Herrschaft die Gliederung in Stämme zugunsten seines Distriktsystems aufgegeben, sodass die Liste mit Levitenstädten in der Frühzeit Salomos verfasst worden sei. Anders KALLAI 1986, 458, der wegen der Aufnahme Gesers und der Unterschiede zu den anderen Stammeslisten an die zweite Hälfte der Regierungszeit Salomos denkt. 363 Vgl. hierzu NELSON 1997, 238. 364 Vgl. auch die Bedenken von BEN ZVI 1992, 82. 365 Vgl. PETERSON 1980, 701–703; SPENCER 1980, 240. Nach PETERSON 1980, 714 haben fast zwei Drittel aller Levitenstädte (30 von 48 Orte) keine Keramik des 10. Jh. v. Chr. 366 Vgl. hierzu LEE-SAK 2017b, 785. 367 Vgl. KLEIN 2006, 187. 368 Vgl. DE VAUX 1966, 202f. 369 Vgl. PETERSON 1980, 714–716; BOLING 1982, 494; BOLING 1985, 29–31. Kritisch hierzu BLOCK 2015, 97 Anm. 10.
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
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werden können.370 Allerdings gilt dies weder für alle ostjordanischen Städte noch für die Levitenstädte des Südreichs Juda. Mitunter ist diese ältere Liste zunächst vom dtr. Redaktor nicht aufgenommen, sondern erst in nachexilischer Zeit aufgrund ihres hohen symbolischen Wertes in das Josuabuch integriert worden.371 Auf diese Weise wäre auch die Beobachtung zu erklären, dass die Darstellung der Levitenstädte offenbar erst spät in das Josuabuch kam. Allerdings sind die herangezogenen archäologischen Daten gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die richtige Bestimmung der Keramik der frühen Eisenzeit nicht ohne Probleme. Darüber hinaus sind Daten aus Oberflächensurveys nicht über jeden Zweifel erhaben.372 Außerdem ist die historisch-topographische Forschung bei der Identifizierung bestimmter Orte mittlerweile zu wesentlich differenzierteren Ergebnissen gekommen. Hinzu kommt, dass man im 8. Jh. v. Chr. nur noch über einen kleinen Staat Juda herrschte, sodass die vorgelegte Liste der Levitenstädte lediglich eine utopische und unrealistische Konzeption sein kann, wobei dies freilich nicht ausschließt, dass es tatsächlich diese vorexilische Institution an Levitenstädten gegeben haben könnte. Allerdings kann man dann zur Institution und Funktion der Levitenstädte kaum noch Konkretes herausarbeiten.373 Dementsprechend fehlt bei einer derartigen historischen Verortung dieser Liste eigentlich die soziologische und politische Grundlage. Ob zudem die Leviten für die Unterweisung in der YHWH-Tora im Land zuständig waren, worauf 2Chr 17,8 zur Zeit Joschafats hinweisen könnte, ist nicht sicher. Sollte dies der Fall sein, dann würde die Institution der Levitenstädte vielleicht schon in die Zeit Joschafats, d.h. ins 9. Jh. v. Chr., weisen.374 Aber auch das ist unsicher und kann sich bestenfalls auf 2Chr 17,8 stützen.
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Vgl. PETERSON 1980, 715f. Kritisch hierzu SPENCER 1980, 240f., zumal die Gebiete von Ruben und Gad vermutlich nicht von Jerobeam II. beherrscht wurden. Ähnlich LEESAK 2017b, 795, zumal auch die Städte in der nordwestlichen Küstenebene nicht zu Israel gehörten, die rubenitischen Städte moabitisch waren und es zwei Staaten Israel und Juda gab, was gegen eine einheitliche administrative Liste spricht. 371 Vgl. BOLING 1982, 497. 372 Bei archäologischen Untersuchungen wird immer wieder die Besiedlung von Orten wie Hebron, Anatot und Gibeon in der Eisenzeit I–IIA stark bezweifelt, obwohl diese Orte gerade für diese Zeit einen starken literarischen Nachklang in der Bibel gefunden haben, vgl. zum Problem auch KLEIN 2006, 188. 373 Vgl. SOGGIN 1982, 204. 374 Nach LEE-SAK 2017b, 794f. ist jedoch das 9. Jh. v. Chr. auszuschließen, da über zehn Orte nicht dauerhaft besiedelt waren, die ostjordanischen Gebiete von AramDamaskus besetzt blieben, die Städte von Ascher zu Phönizien gehörten und Nord- von Südreich politisch getrennt waren.
146 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt Hiskija375 Manchmal wird die Liste mit Levitenstädten mit der Kultreform Hiskijas376 verbunden, der priesterliche Absichten verfolgte und die Ideologie der Priesterschrift unterstützt hätte. Denn zugegebenermaßen blieben viele Vorschriften idealistisch und konnten kaum umgesetzt werden. Im Gegensatz dazu setzte die dtr. Schule ihre Ziele viel aggressiver durch. Zur Zeit Hiskijas kamen darüber hinaus priesterliche Familien nach dem Untergang des Nordreichs nach Juda, sodass es zu Auseinandersetzungen mit den in Juda ansässigen Aaroniden kommen musste.377 Somit wäre die Liste mit Levitenstädten ein Kompromissdokument zwischen Leviten und Aaroniden gewesen. Allerdings muss wohl auch die Zeit unter Hiskija ausscheiden, da eine solche Konzeption von Levitenstädten sicherlich auf den Widerstand der Assyrer gestoßen wäre.378 Außerdem gibt es für eine literarhistorische Verortung der Priesterschrift in die Hiskija-Zeit keine sicheren Indizien. Joschija379 Aufgrund der Nähe der Langliste der Levitenstädte zur Provinzliste von Juda (Jos 15) und aufgrund der Kultzentralisation, die mit einer Marginalisierung der Landheiligtümer verbunden war, wäre auch denkbar, dass diese Liste in spätvorexilischer Zeit gebildet wurde, um die Leviten für die entstandenen Verluste zu entschädigen. Denn nach 2Kön 23,8 brachte Joschija die Landpriester nach Jerusalem und nach 2Kön 23,19– 20 tötete er die Höhenpriester Samariens, sodass es nicht verwundert, dass es auf dem efraimitischen Gebirge keine Levitenstädte mehr gab. Allerdings müsste man dann annehmen, dass kleinere Levitenstädte Judas von den kultzentralistischen Maßnahmen Joschijas nicht betroffen waren, worüber nun die Liste mit Levitenstädten informiert.380 Die kultpolitischen Maßnahmen gerieten vielleicht ins Stocken, sodass der Ausführungsbefehl aus 2Kön 23,8 nicht überall befolgt wurde.381 Möglicherweise wurden aber auch schon vor Joschija einige Leviten in die kultischen Zentralorte Bethel und Jerusalem umgesiedelt, was die geographisch ungleiche Verteilung der Levitenstädte und das Fehlen im Kern-
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Vgl. HARAN 1985, 140–148. Kritisch zu einer Kultreform unter Hiskija jedoch GASS 2016, 58–84. 377 Vgl. HARAN 1985, 147f. 378 Vgl. hierzu auch KLEIN 2006, 188f. 379 Vgl. hierzu grundlegend ALT 1953a, 294–301. Hierauf aufbauend ALT 1953b, 313; NOTH 1971, 131f.; NAʾAMAN 1986, 227–236; SVENSSON 1994, 89; KIM 2000, 186f., der vor allem auf die beiden Orte Gibbeton und Ajalon verweist, die von Joschija angeblich erobert worden seien. 380 Vgl. NOTH 1971, 132. Zum Problem vgl. auch METTINGER 1971, 98. 381 Vgl. ALT 1953a, 300. 376
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land Juda bzw. Samaria ebenfalls erklären könnte.382 Vielleicht wurden einige evakuierte Leviten auch speziell in Benjamin und in den neu gewonnenen Randgebieten angesiedelt. Mitunter ist nur die Liste mit den Städten der Aaroniden als historisch zu betrachten, während alles andere sekundär dazu gewachsen ist. Vielleicht geht somit die Liste der Levitenstädte in Jos 21 auf eine bereits vorliegende Liste mit 13 Städten für die Aaroniden zurück, die dann in der Joschijazeit im 7. Jh. v. Chr. kreativ mit weiteren Städten ergänzt worden wäre.383 Gegen eine Verbindung der Liste der Levitenstädte oder einer Vorform derselben mit der Joschijazeit sprechen ebenfalls gewichtige Argumente. Denn für diesen Fall müsste man die Aussonderung und den hohen Rang der Aaroniden bereits in relativ früher Zeit ansetzen. Darüber hinaus beherrschte man in der Zeit Joschijas bestenfalls einen Bruchteil des Gebietes, in dem die Levitenstädte ausgewiesen werden,384 sodass es sich bestenfalls um eine utopische Liste ohne historische Realität handeln kann. Dementsprechend wäre die Liste mit Levitenstädten für die Restauration eines idealen Davidischen Reiches entworfen worden.385 Allerdings war die ideale Wiederherstellung des Vereinten Königreiches zu keinem Zeitpunkt unter Joschija möglich, da die Saiten im letzten Drittel des 7. Jh. v. Chr. die Herrschaft fast nahtlos von den Assyrern übernahmen. Selbst wenn diese Liste zu dieser Zeit bereits entstand, hätte sie sich spätestens beim vorzeitigen Tod Joschijas selbst erledigt, da damit der Traum von einem künftigen Großreich platzte. Dann hätte man auch keine landesweite Verteilung der Leviten mehr benötigt. Fraglich ist auch, weshalb man die bedeutende judäische Stadt Lachisch oder auch das dicht besiedelte Tal von Beerscheba und die Orte der Schefela in der Liste weitgehend übergangen, dagegen aber Städte wie Geser aufgenommen hat, die nie zum Königreich Juda gehörten.386 Außerdem war die angebliche Levitenstadt Bet-Schemesch zu dieser Zeit vermutlich überhaupt nicht besiedelt.387 Die literarhistorische Verbindung der Liste von Levitenstädten mit der Joschijanischen Reform ist zudem nicht unproblematisch, da man davon ausgehen muss, dass selbst in Juda diese Reform nur zögerlich vollzogen wurde.388 Außerdem erscheint fraglich, 382
Vgl. DE VAUX 1966, 203. Vgl. NAʾAMAN 1986, 227–236. Kritisch hierzu LEE-SAK 2017b, 795. 384 Vgl. NELSON 1997, 238. 385 Vgl. auch SVENSSON 1994, 89. 386 Vgl. FINKELSTEIN 2012, 74. 387 Vgl. LEE-SAK 2017b, 796. 388 Nicht ohne Grund hält SCHULZ 1987, 52 diese Konstruktion für unhaltbar, zumal auch noch ältere Vorlagen für die galiläischen und ostjordanischen Orte berücksichtigt worden seien. DE VAUX 1966, 202f. weist ebenfalls auf den noch verbliebenen Rest an Levitenstädten in Juda hin, den es eigentlich nicht mehr geben dürfte. 383
148 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt weshalb man im joschijanischen Deuteronomium überhaupt immer wieder auf die prekäre Situation der Landleviten eingehen musste (z.B. Dtn 26,11–13), wenn es die Versorgung mit Levitenstädten bereits gegeben hätte.389 Persische Zeit390 Für die Entstehung dieser Liste in nachexilischer Zeit spricht hingegen der späte Charakter einer derartigen Gliederung der einzelnen Levitengruppen,391 das vorausgesetzte Zwölfstämmesystem392 und die priesterliche Terminologie.393 Auch das Zahlenschema, die Trennung zwischen Priestern und Leviten sowie die Hinweise auf den Priester Aaron deuten auf den nachexilischen Ort der Liste mit Levitenstädten hin.394 Die weitgehende Aussparung des Gebiets von Samaria könnte zudem mit den Spannungen zwischen Judäern und Samariern zu verbinden sein, die in nachexilischer Zeit sich immer weiter bis zum Schisma verschärften. Offenbar sollte die besondere Stellung der einzelnen Levitengruppen in der Geschichte verankert werden, indem ihnen im Rahmen der Landverteilung ebenfalls Städte zugewiesen wurden, auch wenn das Ideal der Landlosigkeit der Leviten gewahrt bleiben musste.395 Zumindest literarisch stammt diese Liste aus der idealen vorstaatlichen Gründungszeit, die festlegen wollte, wie die Zukunft aussehen solle. Dementsprechend läge hier eine fiktive Konstruktion vor, die man nicht mit historischen und realen Gegebenheiten verbinden sollte. Hier könnte somit eine utopische bzw. programmatische Liste der nachexilischen Zeit gebildet worden sein, die über Levitenstädte informiert, die es so nicht gegeben haben muss.396 Vielleicht hat man auch Städtelisten verwendet, die zu keinem Zeitpunkt irgendwie historisch mit den Leviten verbunden waren. Trotz dieser kritischen Beobachtungen wird bisweilen davon ausge-
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Vgl. ACHENBACH 2003, 596. Vgl. WELLHAUSEN 1927, 153–158; SPENCER 1980, 238f.; BEN ZVI 1992, 101–105; SPENCER 1992a, 311; NELSON 1997, 239; LIVERANI 2005, 339; RÖSEL 2011, 333. 391 Vgl. HERTZBERG 1985, 119. Vgl. auch DE VAUX 1966, 202, der auf folgende nachexilische Entwicklungen hinweist: Unterscheidung von Priestern und Leviten, Organisation der Leviten in drei Klassen und die Bezeichnung der Priester als „Söhne Aarons“. 392 Vgl. NELSON 1997, 239. BARTUSCH 2003, 104 hingegen hält das Zwölfstämmesystem bereits für einen Entwurf des Vereinten Königreiches. 393 Vgl. zur priesterlichen Sprache ROSS 1973, 63f. 394 Nach SPENCER 1980, 239 gilt dies zumindest für den Rahmen, in dem die Liste in Jos 21 platziert ist. 395 Vgl. FRITZ 1994, 213. 396 Vgl. RÖSEL 2011, 333. Vor allem das zugrundeliegende Zahlenschema sei ein schlagender Beweis für den utopischen Charakter der Liste, vgl. SCHMITT 1995, 35. Nach DE VAUX 1966, 202 sind auch die vollständige Übergabe der Städte an die Leviten und die gleiche Abmessung des Weidelandes Hinweise auf den utopischen Charakter der Liste mit Levitenstädten. 390
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
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gangen, dass die Liste der Levitenstädte eine ursprüngliche judäische Liste (V.13–18) verwandte.397 Manchmal wird sogar vermutet, dass die Liste in Jos 21 von 1Chr 6 abhängig ist. Wenn dies tatsächlich der Fall wäre, dann könnte Jos 21 nur in nachexilischer Zeit entstanden sein. Der zeitgeschichtliche Hintergrund für die Entstehung der Liste könnte dann folgendermaßen bestimmt werden: Möglicherweise versuchten die Aaroniden nach dem Untergang Jerusalems die priesterliche Macht zu übernehmen, indem sie eine genealogische Verbindung zu den Leviten konstruierten, wobei sie aber den Landleviten jegliches Opferrecht absprachen. Mit der Liste der Levitenstädte konnten die Aaroniden zum einen ihren Vorrang gegenüber den übrigen Leviten begründen, zum anderen ihr plötzliches Auftreten mit ihrer geschichtlichen Verwurzelung legitimieren, zumal sie bereits in staatlicher Zeit verstreut über Gesamtisrael in einzelnen Levitenstädten gelebt haben.398 Hinzu kommt, dass in nachexilischer Zeit die Leviten offenbar getrennt voneinander an unterschiedlichen Orten im Land wohnten (Neh 12,27). Die an sich falsche Lokalisierung des Stammes Dan im Süden könnte vielleicht auf das antiquarische Interesse der Redaktoren hinweisen,399 die bewusst einen archaisch anmutenden Text kreieren wollten. Die Idee von Levitenstädten ist darüber hinaus vermutlich jünger als das Deuteronomium und das Heiligkeitsgesetz, da dort noch nicht von einer derartigen Versorgung der Leviten die Rede ist. Auch scheint es das Institut der Levitenstädte zur Zeit Nehemias und Esras noch nicht gegeben zu haben.400 Gegen eine derartige Spätdatierung der Liste spricht jedoch das Fehlen des judäischen Kerngebietes in der Liste der Levitenstädte sowie auch die immer noch ungeklärte Frage, ob das Josuabuch tatsächlich sehr späte Texte enthält.401 Gegen eine historische Verortung der Levitenstädte in die persische Zeit spricht zudem der mangelnde archäologische Befund an den Orten, die man sicher identifizieren kann.402 Hinzu kommt, dass einige judäische Orte sicher nicht zur persischen Provinz Yehud,
397
Vgl. BEN ZVI 1992, 101; NELSON 1997, 239. Vgl. zu dieser historischen Verortung der Liste mit Levitenstädten SPENCER 1980, 249–251. Fraglich ist allerdings, weshalb die nicht-priesterlichen Leviten trotz ihrer geringen Bedeutung wesentlich mehr Städte zugesprochen bekamen als die priesterlichen Leviten. 399 Vgl. zum Problem auch BARTUSCH 2003, 105, der eher von einer tatsächlich südlichen danitischen Präsenz ausgeht. 400 Vgl. ACHENBACH 2003, 596, der von einer idealen Konstruktion aus dem 4. Jh. v. Chr. ausgeht. 401 Vgl. NOTH 1971, 131. 402 Vgl. LEE-SAK 2017b, 787–793. 398
150 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt sondern zu Idumäa gehörten.403 Man müsste höchstens davon ausgehen, dass in den Levitenstädten die levitische Diaspora im Ausland gelebt hätte. Allerdings gilt dies zumindest nicht für die benjaminitischen Levitenstädte, die wohl zur Provinz Yehud gehörten. Fraglich ist zudem, weshalb wichtige perserzeitliche Orte der Provinz Yehud wie En-Gedi oder Ramat-Raḥel auf dieser Liste fehlen.404 Hellenistisch-hasmonäische Zeit405 Neuerdings wird auch erst die hellenistisch-hasmonäische Zeit für die historische Verortung der Liste mit Levitenstädten erwogen. Diese Liste diente in hasmonäischer Zeit vor allem zu propagandistischen Zwecken mit dem Ziel, den Glanz des Vereinten Königreiches wiederherzustellen und neue Gebiete zu erobern. Vielleicht spiegelt die Liste aber auch das eroberte Territorium am Zenit der Hasmonäer unter Alexander Jannaeus wider.406 Für eine derartige zeitliche Verortung spricht zumindest der archäologische Befund, zumal alle zehn der sicher identifizierbaren und ausgegrabenen Orte nicht nur in der Eisenzeit II, sondern auch der hellenistisch-hasmonäischen Zeit besiedelt waren, während in persischer Zeit entweder von einer Siedlungslücke oder einer eher schwachen Besiedlung auszugehen ist.407 Das weitgehende Fehlen von Orten auf dem efraimitisch-manassitischen Bergland könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Autor die Situation unter Johann Hyrkan im Zeitfenster zwischen der Zerstörung des Garizims (128 v. Chr.) und Sichems (108 v. Chr.) im Blick hatte.408 Dementsprechend skizzierte die Liste das Gebiet, das von den Hasmonäern wiederhergestellt werden sollte. Allerdings lassen sich 14 Orte kaum identifizieren, was die Beweiskraft dieser These merklich einschränkt. Bei anderen bislang vorgeschlagenen Orten gibt es entweder einen Siedlungshiat in der Eisenzeit II (2 Orte) oder in der hellenistisch-hasmonäischen Zeit (5 Orte), wobei man aber die entsprechenden Orte mit anderen Identifizierungsvorschlägen ersetzen könnte. Somit ist der archäologische Befund nicht eindeutig und sollte nicht vorschnell mit einer Institution von Levitenstädten historisch verbunden werden. Denn es wäre ja durchaus möglich, dass es sich hierbei um eine fiktive Liste von Orten handelt, die in der Zukunft von Leviten bewohnt werden sollen. Diese Orte müssen demnach zur Entste-
7)
403
Vgl. schon KAUFMANN 1985, 65. Nach JAPHET 2002, 180 geht es hier vielmehr um das Prinzip des unwiderruflichen Wohnrechts der Leviten im Lande, auch wenn die Mehrzahl der genannten Städte in persischer Zeit außerhalb der Provinz Yehud liegen. 404 Vgl. FINKELSTEIN 2012, 77. 405 Vgl. LEE-SAK 2017a, 358; LEE-SAK 2017b, 798–800. 406 Vgl. hierzu LEE-SAK 2017b, 799. 407 Vgl. LEE-SAK 2017b, 787–794, dem zufolge aber auch das erzielte Ergebnis nicht über jeden Zweifel erhaben ist. 408 Vgl. LEE-SAK 2017b, 799.
6. Historische Verortbarkeit der Levitenstädte
151
hungszeit der Liste weder in der Hand Israels noch aktuell besiedelt sein. Eine Datierung der Liste an das Ende des 2. Jh. v. Chr. ist ohnehin nicht unproblematisch, da man davon ausgehen müsste, dass zu so später Zeit noch Texte entweder ihren Weg ins Josuabuch fanden und damit andere Texte verdrängten oder große Ergänzungen vorgenommen wurden. Wie gesehen, ist jede historische Datierung der vorliegenden Liste oder einer Vorform derselben schwierig bis unmöglich, da der perfekt konstruierte Aufbau der Liste nach gelehrter Schreibtischarbeit aussieht. Dies schließt freilich nicht aus, dass es zugrundeliegende Listen gegeben haben könnte. Aber ob es sich seit jeher um eine Aufzählung von Levitenorten handelte, ist fraglich. Dementsprechend sollte man auch nicht mithilfe dieser Liste und ihrer eigentümlichen Verteilung historische Schlussfolgerungen zu den Leviten in vorexilischer Zeit anstellen. Ganz anders verhält es sich für die Zeit der Redaktoren des Josuabuches, die für die vorliegende Liste verantwortlich sind. Denn egal wie man die Liste von Levitenstädten und ihre Vorformen historisch und inhaltlich verortet, in der Zusammenstellung in Jos 21 drückt sich deutlich ein panisraelitischer Anspruch der Leviten aus,409 die sich im ganzen Land des Zwölfstämmebundes niederlassen und diesen Anspruch mit der idealen Gründungszeit legitimieren wollen. Die Leviten verstehen sich folglich nicht als eine lokale Größe ohne Bedeutung für Israel, sondern ihre Institution wird vielmehr vom gesamten Zwölfstämmebund getragen. Immer wieder wird darüber hinaus die Gabe der Levitenstädte bereits in der Vergangenheit verbal betont, was dann auch programmatischen Charakter für die Zukunft haben kann. Wenn man die Redaktion der Liste durch die priesterlichen Redaktoren des entstehenden Josuabuches in der persischen Zeit ansetzt, dann ist auch die Verteilung der Levitenstädte durchaus einleuchtend. Denn die Lücke in Jerusalem erklärt sich angesichts der levitischen Präsenz am Tempel. Außerdem könnte das Fehlen von Leviten in Samaria entweder eine antisamaritanische Spitze sein oder dem Mangel an geeigneten Ortsnamen im manassitischefraimitischen Gebirge geschuldet sein. Da die wichtigen nordisraelitischen Heiligtümer Dan und Bethel den illegalen Nordreichskult repräsentierten und daher ohnehin in nachexilischer Zeit schlecht angesehen waren, konnte man darauf bewusst verzichten. Zumindest dieses literarhistorische Minimum kann man mit guten Gründen rekonstruieren, während weiterführende Hypothesen stark zu hinterfragen sind. Die Liste mit Levitenstädten gibt folglich lediglich einen Einblick in die Motive der priesterlichen Redaktoren des Josuabuches, nicht aber in eine historische Institution. Hierüber ist nichts bekannt. Aus den unsicheren Angaben in Jos 21 sollte folglich keine tatsächliche Geschichte der Levitenstädte skizziert werden. 409
Vgl. OEMING 1990, 155.
152 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
7. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Anmerkungen Vor allem die Doppelungen in Jos 21 geben Anlass für literarkritische Hypothesen. Die Wiederaufnahme von V.3 in V.8 weist die Kurzliste offenbar als sekundären Nachtrag aus, der das Ergebnis der Langliste bereits antizipiert. Hinzu kommt, dass nur in der Kurzliste auf den Losentscheid sicher verwiesen wird, da die anderen Erwähnungen des Losentscheids in der Langliste (V.20.40) textkritisch zweifelhaft und ohnehin nicht konsequent bei allen levitischen Untergruppen eingetragen sind, was für eine Liste eigentlich zu erwarten wäre. Hinzu kommt, dass nur in der Langliste jeweils der Zusatz der Weideplätze zu finden ist, während in der Kurzliste nur von Levitenstädten ausgegangen wird. Aus alledem folgt, dass ausweislich der verwendeten Idiome und Inhalte beide Listen diachron voneinander zu scheiden sind. Außerdem liegt der Abschluss des Kapitels in den V.43–45 aufgrund seiner dtr. Terminologie nicht auf einer Linie mit dem Vorausgegangenen, wo priesterliche Begrifflichkeit überwiegt. Mit diesem dtr. Abschluss soll offenbar der Bogen zur Landnahme im dtr. redigierten Josuabuch Jos 1–11 geschlagen werden. Auf diese Weise konnte der priesterlich geprägte Abschnitt der Landverteilung an den vorausgegangenen Teil angebunden werden. Über diese beiden redaktionellen Zusätze in den V.4–8 und V.43–45 besteht weitgehend Einigkeit, auch wenn die literarhistorische Verortung dieser sekundären Zusätze schwierig ist. Während die Listen einem priesterlichen Autor und der Abschluss einem dtr. Bearbeiter zugeschrieben werden können, ist die diachrone Verortung der Schichten bislang kaum zufriedenstellend gelöst worden. Verschiedene literarkritische und redaktionsgeschichtliche Vorschläge wurden bislang für Jos 21 erwogen, die aber bisweilen nicht ohne Probleme sind und daher zum Widerspruch reizen: 1)
Noth (1971):410 Eine relativ komplizierte Redaktionsgeschichte wird von Noth entworfen, der die Einteilung der Stämme Israels in bestimmten Gruppen auf die schon vorliegende Städteliste zurückführt. Denn sonst ließe sich schwer erklären, weshalb Sebulon mit den ostjordanischen Stämmen oder Ostmanasse mit den galiläischen Stämmen verbunden wird. Aufgrund der Wiederaufnahme von V.3 in 8a sind die V.3–7 mit dem Losentscheid später hinzugefügt worden, sodass auch 8b mit dem Hinweis auf das Los sekundär sein muss. Vor dem Hintergrund, dass die Akteure der Vergabe der Levitenstädte in den V.1–2 ein Gremium, ab V.8 aber die „Söhne Israels“ sind, dürften auch die V.1–2 als redaktionell gedeutet werden, sodass die V.1–7 eine spätere Fortschreibung sind.
410 Vgl. NOTH 1971, 127.130f. Ähnlich auch CODY 1969, 163 Anm. 48, der die V.4–7 als spätere Interpolation ansieht, die frühestens hinzugetreten ist, als die Asylstädte ergänzt wurden.
7. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Anmerkungen
153
Hierbei wird allerdings nicht berücksichtigt, dass bereits in V.3 das Subjekt von der Verteilungskommission zu den „Söhnen Israels“ wechselt, was die beobachtete Spannung glättet. Die Gliederung der Städteliste in vier Untergruppen wird hingegen als ursprünglich beurteilt, wobei nur die Asylstädte sekundär aus Jos 20 ergänzt worden seien. Erst die Doppelung von Hebron als Leviten- und Asylstadt (V.11 und V.13) veranlasste die Einfügung der Asylstädte. Dementsprechend stammen 13a und die Ortsangabe „im Gebirge Efraim“ redaktionell aus Jos 20,7.411 Außerdem werde in V.11 und V.12 ein Ausgleich zur Tradition in Jos 14,13 und 15,13 geschaffen. Da V.13 syntaktisch auf einer Ebene mit V.12 liegt, wird die erste Hälfte mit der Angabe von Hebron als Asylstadt ebenfalls als sekundär beurteilt. Allerdings geschieht dies nur mit einer Zerstückelung des Textes, da nach Abzug der redaktionellen Zusätze von V.12 nur noch ein Torso „Und sie gaben ihnen … Hebron … mit seinen Weidegebieten“ übrigbleibt. Wenn man zudem die Asylstädte als redaktionell auffasst, dann sind auch die Zahlenangaben, die im Endtext perfekt zu den angegebenen Städten passen, sekundär hinzu gewachsen. Allerdings müsste man bei einer Deutung der Asylstädte als sekundäre Einträge mit einem Ausfall von nicht wenig Text bzw. mit einem Ersatz der zuvor genannten Levitenstädte durch Asylstädte rechnen. Dieser literarkritische Entwurf ist ohnehin an vielen Stellen kritisch zu hinterfragen. Fraglich ist nämlich, weshalb der Losentscheid in V.10 („das erste Los“) zur ursprünglichen Tradition zählen soll, wo doch ansonsten der Losentscheid erst in der sekundären Ergänzung der Kurzliste eingetragen wird. Auch ist die Zerteilung von V.11 nicht über jeden Zweifel erhaben, wenn der Ortsname Hebron in der gelehrt anmutenden Beschreibung hîʾ Ḥæbrôn als ursprünglich beurteilt wird. Das ist schon vor dem Hintergrund unwahrscheinlich, da dieser eingeschobene Nominalsatz im Josuabuch immer wieder auftritt (Jos 15,13.54; 20,7; 21,11) und aus Jos 14,15 sachlich herzuleiten ist. Insofern ist es unwahrscheinlich, dass gerade der Ortsname Hebron ursprünglich sein soll und das Demonstrativpronomen hîʾ redaktionell ergänzt worden wäre. Auch die Beurteilung der Asylstädte als sekundäre Zusätze ist nicht über jeden Zweifel erhaben,412 zumal die Erklärung hierfür Dinge voraussetzen muss, die erst zu beweisen wären. Zwar fehlt in Jos 13,18 die Asylstadt Bezer. Aber es ist keineswegs sicher, dass die rubenitischen Städte ohne Bezer aus Jos 21,36–37 sekundär in Jos 13,18 eingetragen wurden. Der umgekehrte Weg wäre ebenso möglich, wobei man zusätzlich Bezer als Asylstadt ergänzt hätte. Auch die auffällige Doppelung von Hebron auf zwei Quellen (Asylstadt und Levitenstadt) zu verteilen, ist nicht zwin411 412
Dagegen aber SAMUEL 2014, 323f. Vgl. hierzu die Argumente von SCHMITT 1995, 33f.
154 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt
2)
gend, da man nach dem Einschub der Kalebtradition wieder zum Erzählfaden zurückkehren musste.413 Außerdem ist der Wortlaut, der für die Asylstädte typisch ist, in beiden angeblichen Quellen zu finden: in V.11 die geographische Zusatzinformation „auf dem Gebirge Juda“ und in V.13 die Bezeichnung als „Stadt für den Totschläger“. Schließlich wird das durchdachte Zahlenschema nur mit den Asylstädten erreicht. Es ist zudem kein Grund erkennbar, weshalb man eine noch unregelmäßige Liste von nur 42 Levitenstädte gebildet haben sollte, die sich dann rein zufällig dank der Liste von sechs Asylstädten zur Zahl 48 ergänzen ließe, wobei die Asylstädte sich gerade so fügen, dass eine annähernd wohlgeordnete Struktur entsteht. Auld (1976):414 In Jos 21 seien vor allem zwei Spannungen auffällig. Die fragliche Verbindung der Aaroniden mit den Kehatitern (V.9–10 im Gegensatz zu V.4) und die unterschiedliche Anordnung der Stämme in der Kurz- und Langliste.415 Auld argumentiert vor allem textkritisch und redaktionsgeschichtlich: Der Autor von Jos 21 verwendete demnach eine Form von 1Chr 6, die noch nicht die Tradition von Hebron und Kaleb enthielt, und stellte das übernommene Material logisch um, wobei er die priesterlichen Aaroniden zu einer Untergruppe der Kehatiter machte. Darüber hinaus ergänzte er noch die einzelnen Zahlenangaben. Außerdem schuf er V.41, wo die Zahlenangabe von 48 Städten erzielt wird, und V.42, um nochmals zu betonen, dass die einzelnen Städte auch Weideplätze umfassten. Zudem ergänzte der Redaktor noch die V.1–2, während V.3 eine leicht überarbeitete Vorausnahme von 1Chr 6,49 sei. Bei der Wiederaufnahme in V.8 ergänzte er analog zu V.2 den Hinweis auf den Befehl YHWHs. Schließlich sei V.4 ebenfalls aus verschiedenen Textbausteinen und Eigenformulierungen zusammengesetzt worden.416 Auf den Redaktor gehen schließlich noch die V.10–12 zurück. Dementsprechend gehörten nur die V.5–7.9 und die V.13–40 zur vom Redaktor verwendeten Quelle (1Chr 6), wobei die Zahlenangaben noch nicht vorhanden waren. Alles andere sei redaktionell ergänzt worden. Der Hauptschwachpunkt dieser Theorie ist die angenommene literarhistorische Priorität von 1Chr 6 gegenüber Jos 21, die – wie gesehen – kaum wahrscheinlich ist. Außerdem muss man von einer wechselseitigen Interdependenz beider Texte ausgehen, da die Zahlenangaben eigentlich nur in Jos 21 angemessen verortet sind und dann von dort in 1Chr 6 eingetragen wurden. Die Beurteilung von den V.5–7 als verwendete Quelle
413 Vgl. ROSS 1973, 132f. Vgl. auch HUTTON 2012, 60, der von einer Wiederaufnahme ausgeht, die nach dem sekundären ausgleichenden Einschub nötig geworden sei. 414 Vgl. AULD 1976, 277–280. 415 Vgl. AULD 1979, 195. 416 Dagegen aber KARTVEIT 1989, 70, da V.4 formal ähnlich wie die V.5–7 gestaltet ist und es demnach keinen Grund gibt, V.4 als sekundäre Einleitung zu betrachten.
7. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Anmerkungen
155
ist außerdem schon vor dem Hintergrund unwahrscheinlich, dass V.8 mit dem Mittel der Wiederaufnahme auf V.3 zurückgreift und damit die V.4–7 und nicht nur die V.5–7 als Zusatz umrahmt. Görg (1991):417 Im Gesamtaufbau von Jos 21 liege eine Dublette vor, da die Levitenstädte in einer Kurz- (V.1–7) und einer Langliste (V.8–41) dargeboten werden. Die sechs Asylstädte werden auf eine Erweiterung zurückgeführt, da auf diese Orte in der Kurzliste nicht hingewiesen werde und die Doppelung von Hebron in den V.11–13 auf zwei Schichten zurückgeführt werden könne. Damit schließt sich Görg weitgehend den Überlegungen von Noth an. Allerdings sei nach Görg die hier vorliegende Stämmekombination sekundär und in der ursprünglichen Liste von Levitenstädten noch nicht zu finden gewesen. Nachdtr. und priesterliche Redaktoren schufen schließlich in spätnachexilischer Zeit den Endtext von Jos 21. Eine genaue Ausgliederung bzw. Zuweisung einzelner Teile an die ursprüngliche Tradition und verschiedenen Redaktionen wird leider nicht vorgenommen. Im Großen und Ganzen sind ähnliche Bedenken wie schon bei Noth vorzubringen. Fraglich ist zudem, woher die sekundäre und eigenwillige Stämmekombination stammt, wenn sie nicht schon in der verarbeiteten Liste mit Levitenstädten stand. Hier müssten die Motive der Redaktoren herausgearbeitet werden, die für diese Zusammenstellung verantwortlich waren. Fritz (1994):418 Nach Fritz bedingt die inhaltliche Spannung zwischen einer Gabe von Städten durch die „Söhne Israels“ und dem Losentscheid die sekundär ergänzten Zusätze. Vor dem Hintergrund dieses Kriteriums ist der Abschnitt mit dem Losentscheid in V.4–8 als Vorausnahme des dann folgenden Ergebnisses sekundär. Auch die Einsprengsel 10b „dass für sie das erste Los gewesen war“ und 20bα „und es waren die Städte ihres Loses“ werden aufgrund der Losthematik als redaktionell betrachtet. Dann stellt sich aber die Frage, weshalb nicht auch in V.40 „ihr Los“ als redaktionell gestrichen wurde. Ohnehin ist der Losentscheid in den beiden V.20.40 textkritisch nicht gesichert. Die Doppelung „Hebron“ in V.11–12 wird ebenfalls ausgeschieden, da „Hebron“ in V.13 am richtigen Platz wiederum genannt wird. Der Ausdruck hæʿārîm hāʾellæh „diese Städte“, der bereits in V.3 genannt wird, wird in 9b zudem wiederholt, sodass nur 9a zur ursprünglichen Tradition gehöre. Die Notiz mit der Namensnennung in 9b wird dementsprechend ohne Grund ausgeschieden. Außerdem schafft man auf diese Weise einen Satz 9a ohne Objekt, da nicht genannt wird, was eigentlich gegeben wird. Schließlich sei noch die Differenzierung der Aaroniden als Untergruppe der Kehatiter eine
3)
4)
417 418
Vgl. GÖRG 1991, 92. Vgl. FRITZ 1994, 210.
156 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt spätere Korrektur, sodass 10a und 20aβ ebenfalls ausgeschieden werden müssen. Ohne ersichtlichen Grund wird V.42 ausgeschieden. Fraglich sei auch, ob V.41 mit der Gesamtsumme der Levitenstädte sekundär wäre.419 Vielleicht war die syntaktische Auffälligkeit der Verbformation yiqtol-x für diese Ausscheidung verantwortlich. Problematisch ist bei dieser literarkritischen Rekonstruktion allerdings der holprige syntaktische Übergang von V.3 (wayyittenû + Objekt) über 9a (wayyittenû ohne Objekt) zu V.13 (nātenû), zumal sich der Übergang zu x-qatal nur vor dem Hintergrund des von Fritz als sekundär beurteilten V.12 erklären lässt. Außerdem wird nicht der Wechsel des Subjekts der Vergabe der Levitenstädte problematisiert. Während in V.1 eine Kommission für die Gabe der Levitenstädte angerufen wird, verteilen ab V.3 die „Söhne Israels“ selbst die jeweiligen Städte. Zwar wird die schlechte Verbindung von Aaroniden und Kehatitern durchaus gesehen und die ausgleichenden Verse werden als redaktionelle Zutaten beurteilt, aber die Spannung und Doppelung mit zwei wayyiqtol in V.4 und den unterschiedlichen Gruppen, die für die Gabe der Levitenstädte verantwortlich sind, wird nicht literarkritisch ausgewertet. Schmidt (2002):420 Aufgrund der Wiederaufnahme von V.3 in V.8 seien die V.4–8 nach Schmidt ein sekundärer Zusatz. Hinzu kommt, dass die Stämme in der Kurzliste in einer anderen Abfolge als in der Langliste aufgezählt werden und die dortigen Zahlenangaben bereits voraussetzen. Außerdem wird im Text zwischen den Aaroniden als einer Untergruppe der Kehatiter (4b) und einer eigenständigen levitischen Gruppe (V.13) unterschieden, die zudem als Priester eingesetzt sind. Dementsprechend muss in V.20 „die übrigen von den Söhnen Kehats“ sekundär sein, da durch diesen Zusatz die Aaroniden wie in der Ergänzung der V.4–8 als Untergruppe der Kehatiter gesehen werden, während die Angabe „die Leviten“ auch bei den übrigen Gruppen in V.27 und V.34 steht und dementsprechend bei V.20 nicht gekürzt werden muss. Darüber hinaus seien die V.10–12 sekundär, da hier die Aaroniden wiederum als Kehatiter ausgewiesen werden und der Losentscheid betont wird. Außerdem konnte mit dieser redaktionellen Ergänzung ein Ausgleich zu Jos 14 und 15 geschaffen werden, wo ebenfalls Kaleb und Hebron erwähnt werden. Auf diese Weise konnten beide Traditionen (Hebron als Stadt Kalebs und Levitenstadt) miteinander versöhnt werden. In V.16 sei „aus diesen beiden Stämmen“ sekundär ergänzt worden. Außerdem sei der Ausdruck wayehî (ʿārê) gôrālām in V.20 bzw. V.40 redaktionell, da der Losentscheid in der ursprünglichen Tradition noch nicht vorhanden war.
5)
419 420
So offenbar FRITZ 1994, 209. Vgl. SCHMIDT 2002, 113–120.
7. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Anmerkungen
157
Dieser literarkritische Entwurf geht auf die beobachteten Spannungen ein und trennt die Textteile konsequent angesichts der unterschiedlichen inhaltlichen Akzentsetzungen voneinander. Fraglich ist allerdings, weshalb das nachgeschobene hannôtārîm in V.26 nicht ebenfalls als sekundär beurteilt wird, da dieses Attribut nur für die Beurteilung der Aaroniden als Untergruppe der Kehatiter gebraucht wird. Darüber hinaus ist der Anschluss mit w-x-qatal in V.13 hinter dem Relativsatz mit x-yiqtol in V.9 zu erklären, zumal V.13 eine syntaktische Parallele zu V.12 ist, was aber als sekundärer Zusatz beurteilt wird. Knauf (2008)421: Ohne eigentliche Begründung werden 10b–12 und V.42 als spätere Fortschreibung ausgeschieden, wodurch im ersten Fall zumindest die Doppelung des Ortsnamens Kirjat-Arba/Hebron erklärt werden kann. Ansonsten scheint die Liste von Levitenstädten für Knauf einheitlich zu sein. Zumindest die Auffassung, dass V.42 ein Zusatz sein könnte, mag aufgrund des Wechsels zu yiqtol durchaus plausibel sein. Hier könnte redaktionell ein Abschlusssignal gesetzt worden sein. Mit diesem Entwurf wird aber weder die Wiederaufnahme von V.3 in V.8 noch die Spannung zwischen der Gabe der Levitenstädte durch die „Söhne Israels“ und dem Losentscheid berücksichtigt. Außerdem kann der Wechsel zu x-qatal in V.13 auf diese Weise ebenso wenig erklärt werden wie die eigentümliche Gegenüberstellung der „Söhne Aarons aus den Sippen des Kehatiters“ und „Söhne Aarons“, zumal die Kehatiter im Verlauf des Textes als „Söhne Kehats“ bezeichnet werden. Derartige Spannungen werden von Knauf überhaupt nicht problematisiert. Butler (2014):422 Butler verweist auf die Wiederholungen in den V.3.8.9 (wayyittenû) und in den V.4.10.13 (libnê ʾAharon), die jeweils eine neue Liste in den V.5–7 und V.13–40 eröffnen, wobei die kürzere Liste die frühere Langliste zusammenfasse. Außerdem rahme die Wiederholung von V.3 in V.8 die Kurzliste. Dementsprechend sei dann V.9 die ursprüngliche Eröffnung, während die V.10–12 aufgrund des Losentscheids und der Verbindung zu Jos 14–15 sekundär eingeschoben worden seien, worauf die Vorausnahme von V.13 in V.10 hinweise. Die ursprüngliche Tradition sei dann in den V.9.13–40 zu suchen, während alles andere redaktionell hinzuwuchs. Allerdings fehlt in V.9 das Subjekt, sodass der ursprüngliche Text kaum mit V.9 begonnen haben kann. Außerdem ist der syntaktische Übergang von V.9 zu V.13 nicht ohne Probleme. Auch die auffällige Differenzierung der „übrigen Kehatiter“ von den Aaroniden wird von Butler nicht in den Blick genommen. Schließlich ist fraglich, wie mit den Stellen umzugehen ist, die den Losentscheid eintragen.
6)
7)
421 422
Vgl. KNAUF 2008, 173. Vgl. BUTLER 2014, 218.
158 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt Samuel (2014):423 Nach Samuel seien möglicherweise die Verteilung der einzelnen Städte auf die Aaroniden und die drei levitischen Untergruppen sekundär hinzugetreten. Dementsprechend sei nicht nur die Kurzliste der V.4–6 angesichts der Wiederaufnahme sekundär, sondern auch diejenigen Passagen, die die Levitengruppen explizit nennen. Dann hätte man eine reine Ortsliste, die lediglich nach Stämmen sortiert ist, aber erst sekundär mit den einzelnen Leviten verbunden worden sei. Auf diese Weise könnte der künstliche Charakter der gleichmäßigen Struktur von Jos 21 angemessen erklärt werden. Die bereits in der Kurzliste zu beobachtende Aufteilung auf vier Gruppen wäre dann ein inhaltliches Kriterium für die Ausgliederung von den V.4–8, die nicht aus der Langliste übernommen, sondern sekundär in diese eingetragen worden wären. Dementsprechend würde die ursprüngliche Tradition aus den V.9.13*(ab nātenû)–18.20*(nur mimmaṭṭeh ʾæprāyim).21*(ab ʾæt ʿîr)–25.28–32.35– 39 bestehen. Fraglich ist aber, wie es zu einem späteren Zeitpunkt zu der recht eigenwilligen Zusammenstellung der zwölf gebenden Stämme gekommen sein soll und welche Gründe den Redaktor für dieses Arrangement bewogen hätten. Darüber hinaus werden die Städte aus Sebulon V.34 überhaupt nicht berücksichtigt, zumal bei einem Ausschluss von V.34 die Stammeszugehörigkeit der folgenden Städte fehlt. Der Halbstamm Ostmanasse in V.27 wird ebenfalls nicht einbezogen. Die Asylstadt Golan im Baschan würde ebenso nicht in der ursprünglichen Tradition zu finden sein, sodass man dann nur vier explizite Asylstädte hätte, was sich wiederum nicht mit Jos 20 verträgt. Schließlich wäre der Wechsel von wayyiqtol (V.9) zu qatal (V.13) zu erklären, der sich dem Einschub der V.10–12 verdankt.
8)
Die bisherigen text-, literar- und redaktionskritischen Überlegungen haben einige wertvolle Beobachtungen zur Genese von Jos 21 erbracht, wobei aber gelegentlich die nötige Stringenz und Konsequenz ausblieb. Deshalb lohnt sich ein neuer Zugang zu diesem schwierigen Kapitel.
8. Eigener Entwurf Der Beginn mit der Landverteilungskommission, die in Schilo wirkt, knüpft unmittelbar an entsprechende Passagen des Rahmens in Jos 14–19 an und ist redaktionell wohl frühestens auf dieser Ebene anzusetzen. Es handelt sich bei den V.1–2 vermutlich um eine spätpriesterliche Redaktion, die mit Num 34, 16–29 zusammenhängt. Gemäß V.1–2 ist die Landkommission unter Vorsitz 423
Vgl. SAMUEL 2014, 323f.
8. Eigener Entwurf
159
des Priesters Eleasar für die Landverteilung zuständig.424 Während in der früheren Version zunächst die „Söhne Israels“ nach V.3 den Leviten geeignete Städte abgetreten haben, wird in V.1–2 redaktionell der Wunsch der Leviten nach Versorgung vor eine priesterlich dominierte Kommission gebracht und dort der Fall gelöst. Durch diesen Eintrag wird auch das beigegebene migrāš „Umland“ der Stadt näher bestimmt. Es handelt sich bei migrāš nicht um Territorium, das beliebig genutzt werden kann, sondern es ist für die Viehwirtschaft gedacht, wie V.2 mit libhæmtenû zusätzlich betont. Da die Leviten aufgrund ihrer kultischen Funktionen im Gegensatz zu den anderen Stämmen keinen Erbbesitz erhalten sollen (Jos 18,7), der für Ackerbau genutzt werden kann, wird ihnen hier lediglich die Viehwirtschaft zugestanden. Spätestens auf dieser Ebene ist dann auch der Wechsel von einer Singularform migrāšāh „ihr Umland“ zu einer defektiv geschriebenen Pluralform migrāšæhā „ihre Weideplätze“ anzusetzen. Ab V.3 beginnt die ursprüngliche Tradition, die in gewisser Spannung zu den V.1–2 steht, da nirgendwo im unmittelbaren Kontext die Verteilung der Levitenstädte an die „Söhne Israels“ delegiert wird. In V.3 wird demgegenüber auf die Gabe der Städte durch die „Söhne Israels“ hingewiesen. Die Levitenstädte gehören auf diese Weise integral zum Erbteil der Stämme und werden von den Israeliten an die Leviten übergeben. Dies setzt freilich voraus, dass offenbar das Land schon vergeben ist, dass also die Landverteilung in Jos 14–19 bereits erfolgte. Auch dort ist zumindest redaktionell das Land eigentlich von den „Söhnen Israels“ verteilt worden (Jos 14,5). Die Gabe der Levitenstädte durch die „Söhne Israels“ nach V.3 löst zudem die Vorgabe in Num 35,2 ein, was wiederum zeigt, dass V.3 zur ursprünglichen Tradition gehört, die mit Num 35 zu verbinden ist. Demgegenüber ist V.1–2 ein modifizierender Zusatz, der die Landkommission einführt, um an Num 34,16–29 bzw. Jos 14–19 anzugleichen. Diese Harmonisierung in V.1–2 ist vermutlich dann eingetragen worden, als man entweder Jos 21 an Num 34 anpassen wollte, oder – was wesentlich wahrscheinlicher ist – als man den vorliegenden Ausführungsbericht zu den Levitenstädten hinter der Landverteilung einpasste. Da V.3 fast wortgleich in V.8 aufgenommen wird, um den Einschub der Kurzliste (V.4–8) zu begründen, wuchs der Überschuss in V.3 gegenüber V.8, minnaḥalātām ʾæl pî YHWH, vermutlich erst sekundär hinzu, als man betonen wollte, dass die Vergabe von Levitenstädten aus dem Erbteil der Stämme stammt. Es werden demnach nicht freie Städte zugewiesen, die niemandem gehörten. Vielmehr soll durch diesen Zusatz in V.3 unterstrichen
424
Nach GALIL 2018, 555f. werde der Priester Eleasar im priesterlichen Josuabuch noch vor Josua gestellt. Hier zeige sich, dass die Bedeutung und der Status Josuas abgenommen habe. Demgegenüber wird die Größe des Mose betont und Josua als sein toragehorsamer Nachfolger vorgestellt.
160 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt werden, dass die „Söhne Israels“ aus ihrem eigenen Gebiet Städte abtreten.425 Der Verweis auf einen Spruch YHWHs in diesem Zusatz (ʾæl pî YHWH) knüpft zudem an Num 35,1–8 an.426 Der Überschuss minnaḥalātām ʾæl pî YHWH in V.3 ist somit eine harmonisierende Glosse, die redaktionell keiner bestimmten Hand sicher zugewiesen werden kann. Vielleicht liegt diese Glosse auf einer Ebene mit V.1–2, wo die bereits vollzogene Landverteilung vorausgesetzt und damit die naḥalāh an die Zwölf Stämme verteilt ist. Diese Glosse kann aber ausweislich der verwendeten Sprache nicht mehr sicher zugeordnet werden. In den V.4–8 ist mit dem Mittel der „Wiederaufnahme“427 von V.3 in V.8 die Kurzliste eingeschoben worden. Die priesterliche Redaktion, die die Kurzliste vor die Langliste stellte, hat einen klaren erzählerischen Kontext, wonach die „Söhne Israels“ für die Gabe von Levitenstädten verantwortlich sind. Die Kurzliste ist aber nicht aus einem Guss. Die beobachtete Doppelung in V.4 mit zwei aufeinander folgenden wayyiqtol ist vermutlich wie schon bei der Landverteilung in Jos 15–19 ein Indiz dafür, dass ein priesterlicher Redaktor in 4a den Losentscheid nachträglich ergänzte und auch den Zusatz in den V.4–8 dementsprechend bearbeitete, indem er fast schon mechanisch vor der Zahlenangabe den Zusatz baggôrāl „durch das Los“ eintrug. Nur bei den „Söhnen Meraris“ in V.7 vergaß er diesen Zusatz offenbar. Interessanterweise haben die LXX und die chronistische Paralleltradition in 1Chr 6,48 diesen Zusatz. Hier zeigt sich, dass die Textüberlieferung mit der Ergänzung baggôrāl nicht einheitlich umgegangen ist. Der Losentscheid, der in der Langliste an wenigen Stellen nachgetragen worden ist (V.20 und V.40), wird somit auch in der Kurzliste eingetragen, wenn gleich am Anfang in 4a auf das Herauskommen des Loses (YṢʾ haggôrāl) verwiesen wird und bei der Verteilung immer wieder baggôrāl (V.4.5.6.) betont wird. Außerdem schlägt 4a bereits einen Bogen zu V.10, wo die Verbindung der „Söhne Aarons“ mit den „Sippen Kehats“, einer Untergruppe der Leviten, vorgegeben ist. Dass 4a mit V.10 zusammenhängt, zeigt schon die Wortwahl mišpeḥot Qehātî, die in Jos 21 nur an diesen beiden Stellen verwendet wird. Durch die sekundäre Vorschaltung von 4a wird das Folgende unter die Rubrik der „Sippen Kehats“ subsumiert. Die „Söhne Aarons“ aus 4b sind 425 Dieser Zusatz fehlt auch in der chronistischen Tradition (1Chr 6,49), wobei hier aber V.8 und nicht V.3 aufgegriffen wurde. 426 Zum Ausdruck pî YHWH im Hexateuch, der hier nach BOLING 1982, 485 auf den Losentscheid hinweist vgl. Ex 17,1; Lev 24,12; Num 3,16.39.51; 4,37.41.45.49; 9,18.20. 23; 10,13; 13,3; 14,41; 22,18; 24,13; 33,2.38; 36,5; Dtn 1,26.43; 8,3; 9,23; 34,5; Jos 9,14; 15,13; 17,4; 19,50; 21,3; 22,9. 427 Zu diesem Phänomen, das man nicht nur struktural, sondern auch literarkritisch auswerten kann, vgl. WIENER 1929, 2f.; KUHL 1952, 2–11; SEELIGMANN 1962, 314–325; TALMON 1978, 12–26; PARUNAK 1981, 160; LONG 1987, 385–399; ANBAR 1988, 398; GROSS 2012, 174–178.
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folglich ebenfalls Kehatiter, was aus 4b eigentlich nicht hervorgeht. Dort wird lediglich festgestellt, dass die „Söhne Aarons“ ebenfalls zu den Leviten zu zählen sind. Dies ist schon vor dem Hintergrund interessant, da sich die explizite Zuweisung „Leviten“, die in der Langliste bei den „Söhnen Kehats“ (V.20), den „Söhnen Gerschons“ (V.27) und den „Söhnen Meraris“ (V.34) steht, in der Kurzliste nur bei den „Söhnen Aarons“ in 4b in der Form „unter den Leviten“ findet. Auf diese Weise wird in 4b sichergestellt, dass die „Söhne Aarons“ ebenfalls zu den „Leviten“ zu zählen sind. Durch 4a werden dann die „Söhne Aarons“ implizit zu den Kehatitern gerechnet, sodass die Aaroniden sekundär mit dieser levitischen Untergruppe verbunden werden. Somit werden erst durch die Zusammenstellung von „Kehatiter“ (4a) und „Söhne Aarons“ (4b) beide Gruppen miteinander verknüpft, wobei die „Söhne Aarons“ zu einer Untergruppe der „Kehatiter“ werden, was redaktionell wiederum dazu führte, dass man zwischen den „Söhnen Aarons“ noch „übrige Kehatiter“ unterscheiden muss, weshalb in V.5 von derselben redaktionellen Hand der Zusatz hannôtārîm hinter libnê Qehāt eingetragen wurde. Ursprünglich waren die „Söhne Aarons“ eine eigenständige vierte Gruppierung, die ebenfalls zu den Leviten gezählt wurde und dementsprechend Levitenstädte zugesprochen bekam. Da es aber nach anderen Texten nur drei levitische Gruppen gegeben hat, mussten die Aaroniden sekundär zu Kehatitern werden. Auf redaktionelle Arbeit geht vermutlich auch die syntaktisch schwierige Ergänzung „Sippen“ in den V.5.6.7 zurück, die möglicherweise auf einer Ebene mit Num 26 steht. Auffälligerweise steht mišpeḥot in V.5 und V.6 unmotiviert vor maṭṭeh und differenziert nur die beiden Stämme Efraim und Issachar von den übrigen Stämmen. Denn nur bei diesen beiden Stämmen wird auf die „Sippen des Stammes Efraim“ bzw. die „Sippen des Stammes Issachar“ verwiesen. Die Differenzierung der beiden Stämme in Sippen ist zumindest ungewöhnlich. In V.7 steht demgegenüber die wahrscheinlich angezielte Ergänzung lemišpeḥotām „nach ihren Sippen“, die wohl in V.5 und V.6 ebenso zu erwarten wäre. Das gleiche Idiom wurde zudem auch in die Listen der Landverteilung Jos 13–19 durch eine sekundäre priesterliche Redaktion immer wieder eingetragen.428 Offenbar ist die Präposition l in V.5 und V.6 aufgrund der zahlreichen m im Laufe der Texttransmission untergegangen, was die beobachtete inhaltliche Spannung erzeugte. Ursprünglich sollten vermutlich die empfangenden levitischen Untergruppen der Kehatiter, Gerschoniter und Merariter „nach ihren Sippen“ differenziert werden und nicht nur die Stämme Efraim und Issachar. Die Wiederaufnahme von V.3 in V.8 wird noch durch den Losentscheid und den Befehl YHWHs ergänzt (kaʾašær ṣiwwāh YHWH beyad Mošæh baggôrāl), bevor dann in V.9 die eigentliche Langliste beginnen kann. Dass 428 Vgl. Jos 13,15.23.24.28; 15,1.12.20; 16,5.8; 17,2; 18,11.20.28; 19,8.10.23.31.32.39. 40.48; 21,7.33.40.
162 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt die Präpositionalverbindung baggôrāl offenbar später ergänzt wurde, zeigen schon seine Position am Schluss des Satzes und seine Trennung vom eigentlichen Hauptsatz durch den Nebensatz mit kaʾašær. Durch die Schlussposition von baggôrāl wird zudem die Kurzliste vom Losentscheid umrahmt (4a wayyeṣeʾ haggôrāl und V.8 baggôrāl), sodass diese Umklammerung die schwierigere syntaktische Stellung von baggôrāl am Satzende motiviert haben könnte. Somit liegt zumindest baggôrāl auf einer Ebene mit der redaktionellen Einleitung in 4a. Da der Verweis auf den Befehl YHWHs unterschiedlich formuliert wird, scheinen ʾæl pî YHWH und kaʾašær ṣiwwāh YHWH beyad Mošæh ebenfalls erst sekundär dazugekommen zu sein. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb bei der ansonsten wortgleichen Wiederaufnahme von V.3 nicht auch in V.8 ʾæl pî YHWH gesetzt worden wäre. Während der Nebensatz kaʾašær ṣiwwāh YHWH beyad Mošæh aufgrund der eigentümlichen Stellung vor baggôrāl vermutlich schon zur priesterlichen Redaktion gehört, die die Kurzliste bereits mit dem Losentscheid bearbeitet hat, ist ʾæl pî YHWH in V.3 eine Glosse, die den Auftrag aus Num 35 eingetragen hat. Die von der Redaktion verwendeten ursprünglichen Dokumente waren vermutlich Listen, die nicht in einem narrativen Kontext standen. Nicht umsonst wird in V.9 mit wayyittenû der Erzählfaden aufgegriffen, wobei man auf das dazugehörige Subjekt „Söhne Israels“ verzichten konnte, da dieses bereits in V.3 und dann auch in der Wiederaufnahme in V.8 stand. Die Doppelung von wayyittenû könnte darauf zurückzuführen sein, dass V.8 eine Wiederaufnahme von V.3 ist und V.9 die ursprünglich judäische Ortsliste mit den beiden Stämmen Juda und Simeon verbinden möchte, was diese Redundanz in der Ausdrucksweise erklären könnte. Der Abschnitt V.9–13 ist ohnehin schwierig, da hier viele Aussagen zusammengebracht wurden, die den Erzählverlauf nachhaltig stören. Hinzu kommt, dass hier vor allem das Verb NTN in wayyiqtol oder x-qatal verwendet wird, was eine gewisse Kohärenz trotz der Redundanz schafft.429 Ab V.9 wird von einer ersten priesterlichen Redaktion eine Langliste gebildet, die vermutlich auf zwei Dokumente zurückgeht. Von dieser Redaktion wird zum einen die vorliegende Gliederung in vier Gruppen („Söhne Aarons“, „Söhne Kehats“, „Söhne Gerschons“, „Söhne Meraris“) gebildet, zum anderen die Zahlenangaben ergänzt, damit tatsächlich 48 Städte entstehen, nämlich idealerweise vier Städte aus jedem der zwölf Stämme. Diese erste priesterliche Redaktion setzt zudem das Zwölfstämmesystem voraus, sodass auch die Erwähnung von Simeon und Dan auf diese Schicht zurückgehen muss. Diese Redaktion hat auch die Kurzliste mit Hilfe der Technik der Wiederaufnahme vorgeschaltet. Diese redaktionelle Zuschreibung ist schon 429 Dass gerade die V.9–13 schwierig sind, zeigt die von diesem Entwurf abweichende vorläufige Literarkritik in GASS 2020a, 324f., die aber vor dem literarhistorischen Hintergrund des Abschnitts Jos 20–22 zu korrigieren ist.
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ausweislich der exakten Zahlenangaben wahrscheinlich. Denn die Kongruenz der Zahlenangaben in Kurz- und Langliste weist darauf hin, dass diese Angaben vermutlich auf eine Hand zurückgeführt werden können. Die chronistische Paralleltradition zeigt demgegenüber, was passieren kann, wenn redaktionell verschiedene Dinge ineinander gearbeitet werden. Dann muss es nicht verwundern, wenn die Zahlen differieren. Die erste priesterliche Redaktion hat auch die ostjordanischen Städte in V.34–40 einbezogen, die zuvor unter den ursprünglichen Levitenstädten vermutlich noch nicht vorhanden waren. Dass die ostjordanischen Stämme Ruben und Gad nicht in den verwendeten Dokumenten vertreten waren, könnte die unterschiedliche LXX-Übersetzung für migrāšæhā andeuten. Denn die LXX verwendet nur bei den ostjordanischen Städten konsequent ein anderes Nomen (τὰ περισπόρια αὐτῆς anstelle von τὰ ἀφωρισμένα αὐτῇ). Bestimmt nicht ohne Grund fehlen die V.36–37 im MT. Bisweilen wird sogar vermutet, dass die Liste mit Asylstädten in Jos 20 um ostjordanische Städte gewachsen sein könnte, da die ostjordanischen Asylstädte in Jos 20,8 mit w-x-qatal mit dem Verb NTN angeschlossen werden, während bei den westjordanischen Städten wayyaqdišû verwendet wird. Allerdings scheint die Differenzierung in Jos 20,7–8 darauf zurückzugehen, dass die ostjordanischen Asylstädte wie schon die Landgabe an die ostjordanischen Stämme bereits zur Zeit des Mose erfolgt ist. Ein sukzessives Wachstum in Jos 20,7–8 lässt sich folglich nicht zwingend nachweisen. Die erste priesterliche Redaktion der Levitenstädte in Jos 21 kennt vermutlich noch nicht die Verteilung der Asylstädte in Jos 20. Denn die in die Langliste der Levitenstädte eingefügten Asylstädte folgen nicht der Anordnung in Jos 20. Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Redaktor in Jos 21 die Tradition in Jos 20 kannte. Vielmehr hat er eine andere Aufteilung aufgrund einer übernommenen Stämmegeographie vollzogen. Demgegenüber benötigt die Aussonderung der Asylstädte in Jos 20 den Abschnitt Jos 21 als Verständnisvoraussetzung. Denn wenn die sechs Asylstädte erst sekundär und zusätzlich in die Liste der Levitenstädte eingedrungen wären, dann würde das Zahlensystem der 48 Levitenstädte nachhaltig gestört sein. Aus alledem folgt, dass Jos 21 mit Num 35 zusammenhängt und als Voraussetzung für Jos 20 zu deuten ist.430 430
Die zweite Voraussetzung gilt freilich nur dann, wenn die Asylstädte integraler Teil der Liste von Levitenstädten sind, vgl. SAMUEL 2014, 324f. NOTH 1971, 127 hält die Asylstädte in Jos 21 hingegen für eine sekundäre Ergänzung, da angeblich die Asylstädte noch nicht in den parallelen Stücken zwischen Jos 13–19 und Jos 21 stehen und bei Hebron eine Doppelüberlieferung vorliegt (V.11 und 13), was auf zwei ineinander gearbeitete Systeme hinweisen könnte. Allerdings würde man bei Herauslösung der Asylstädte die formgebende Struktur von idealerweise vier Städte pro Stamm empfindlich stören. Nach ACHENBACH 2003, 597f. sollte offenbar durch die Verbindung von Asyl- und Levitenstadt der Einfluss der Landleviten auf die lokale Rechtsprechung gestärkt werden.
164 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt In der Langliste der Levitenstädte (Jos 21,9–41) sind die Asylstädte den anderen Städten jeweils vorangestellt, was zumindest andeutet, dass diese Städte einen gewissen Vorrang gegenüber den folgenden Levitenstädten haben könnten.431 Interessanterweise werden in der Langliste fünf Asylstädte für die Stämme Juda (V.13), Efraim (V.21), Manasse (V.27), Naftali (V.32), Gad (V.38) genannt, was in gewisser Spannung zu den vier levitischen Gruppierungen steht. Eigentlich gehört auch Bezer in V.36 zu den Asylstädten, auch wenn ein derartiger Zusatz im Text nicht gegeben wird.432 Demnach hat es drei westjordanische (V.13.21.32) und drei ostjordanische Asylstädte (V.27.36.38) gegeben, wobei die Kehatiter, die Gerschoniter und Merariter jeweils zwei Asylstädte zu stellen hatten, während die zu den Kehatitern gehörigen Aaroniden eine Asylstadt und die übrigen Kehatiter eine Asylstadt abtraten. Alles in allem ist auffällig, dass bei der Aufzählung der Asylstädte hinter dem Ortsnamen jeweils noch eine geographische Bezeichnung folgt, die nicht immer mit einer Stammesbezeichnung kongruent ist (Hebron im Gebirge Juda V.11433; Sichem auf dem Gebirge Efraim V.21; Golan in Baschan V.27; Kedesch in Galiläa434 V.32; Bezer in der Einöde des Mischors435 V.36 [LXX]; Ramot in Gilead V.38). Wenn die mit judäisch-simeonitischen Orten eröffnete Ortsliste ursprünglich vor den V.13*–16 stand, dann ist das Fehlen von Benjamin, das schließlich in V.17–18 folgt, überhaupt kein Problem. Dann wäre V.9 in der Tat der logische Anfang einer Liste von Städten aus dem Stammesgebiet von Juda und Simeon, auf die dann in V.17–18 die Ortsliste mit benjaminitischen Städten folgt. Allerdings hebt sich V.9 sprachlich ausweislich der Formulierung maṭṭeh benê + X leicht vom übrigen Kontext ab, sodass das Nomen benê in V.9 vermutlich eine spätere Glosse ist. Die Eröffnung in V.9 möchte offenbar schon vorab über die gebenden Stämme Juda und Simeon informieren. Die Ergänzung von Simeon ist schon deshalb nötig, um ein Zwölfstämmevolk herzustellen, das in der zugrundeliegenden Tradition noch nicht vorhanden war, zumal die verwendete judäische Liste noch nicht mit Simeon verbunden war. Insofern musste die erste priesterliche Redaktion bereits am Anfang in V.9 den Stamm Simeon nachtragen. Die Angabe meʾet šenê haššebāṭîm hāʾellæh im V.16 benötigt V.9, kann aber nicht auf einer Ebene wie V.9 lie-
431
Vgl. SOGGIN 1982, 204. Erklärungsbedürftig ist das Fehlen der Asylstadt Bezer in Jos 13,18, während dieser Ort in Jos 21,37 genannt wird und vielleicht aus Jos 20,8 herzuleiten ist, vgl. zum Problem DEARMAN 1989, 55f. 433 Anders hingegen in der Paralleltradition 1Chr 6,40, wo „Land Juda“ steht, vgl. KNOPPERS 2004, 432. Nach KARTVEIT 1989, 76 ist der Ausdruck „Land Juda“ eine junge politische Bezeichnung im Gegensatz zu „Gebirge Juda“. 434 In Jos 20,7 wird noch zusätzlich „im Gebirge Naftali“ ergänzt. 435 Nach KALLAI 1986, 461 ist „Mischor“ ein sekundärer Zusatz. 432
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gen, da hier der dtr. Begriff šebæṭ verwendet wird. Es handelt sich daher vermutlich um eine harmonisierende spätere Glosse. Der Umstand, dass hier der Stamm Simeon erwähnt wird, zeigt, dass die hier arbeitende erste redaktionelle Hand vom Zwölfstämmesystem, wie es in Jos 13–19 durchbuchstabiert wird, bereits beeinflusst war und unbedingt den Stamm Simeon ergänzen musste, wie dies auch in Jos 19,1–9 der Fall war. Demnach kann diejenige erste priesterliche Redaktion, die für die Zusammenstellung von 48 Levitenstädten verantwortlich ist, erst zu dem Zeitpunkt gearbeitet haben, als Simeon und Dan, aber auch Manasse und die ostjordanischen Stämme unverzichtbar waren. Sonst hätte man gut und gerne hier auf Simeon verzichten können. Diese erste priesterliche Redaktion setzt somit bereits den größeren Kontext Jos 13–19 voraus, da hier zum einen das Zwölfstämmevolk vorausgesetzt, zum anderen auch das Ostjordanland einbezogen wird. Zum Ausgleich mit Jos 14–15 wurde von einer spätpriesterlichen Redaktion die Kaleb-Tradition in die V.11–13* eingearbeitet. Aus diesem Grund ist V.10 von der eigentlichen Ortsliste getrennt, die in V.13* beginnt. Dass es sich bei den V.11–13* um einen nachträglichen Einschub handelt, zeigt schon die perfektive Verbalform nātenû, die zweimal gesetzt wird (V.12 und V.13) und auf die zweifach bereits geschehene Gabe von Städten hinweist (an Kaleb in V.12 und die Leviten in V.13).436 Während der perfektive Aspekt von nātenû in V.12 durchaus syntaktisch angezeigt ist, ist nātenû in V.13 bei der aktuellen Vergabe der Levitenstädte etwas deplatziert, lässt sich aber insgesamt satzsyntaktisch gut erklären (s.u.). Schon allein diese Beobachtung scheint darauf hinzudeuten, dass eine späte Hand nātenû in V.13 eingefügt haben wird. Von der ersten priesterlichen Redaktion wurde V.9 wohl direkt mit libnê ʾAharon, der nötigen Adressatenangabe in V.13, verbunden, worauf dann die Ortsliste folgte. Eine zweite priesterliche Redaktion ist für den Einschub von V.10 verantwortlich, der der Losentscheid nachträgt. Diese Redaktion schließt bestens an das Vorausgegangene in V.9 an und leitet danach mit wayyittenû lāhæm in V.11 zu libnê ʾAharon in V.13 über. Diese Redaktion ist in V.13 auch für den Zusatz „die Zufluchtsstadt des Totschlägers“ verantwortlich. Schließlich hat ein spätpriesterlicher Redaktor die Kalebtradition und die gelehrte Gleichsetzung von Kirjat-Arba = Hebron im Gebirge Juda hinter wayyittenû lāhæm eingetragen, wobei hier Formulierungen von Jos 20,7 aufgegriffen wurden. Diese spätpriesterliche Redaktion, die an Jos 14–15 angleicht, könnte mit der Redaktion, die für die V.1–2 verantwortlich ist, identisch sein, auch wenn sich hier keine eindeutige sprachliche Beweisführung nahelegt. Während ansonsten nur die erste priesterliche Redaktion die Gabe 436 Außerdem wird der Erzählfaden mit diesem Verb, das eine wichtige Funktion einnimmt, aufgegriffen, vgl. auch DILLMANN 1886, 571.
166 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt der Levitenstädte mit NTN ausdrückt, hat hier eine spätpriesterliche Redaktion dieses wichtige Verb, das an sich in Konkurrenz zum Losentscheid steht, aufgenommen, um den Erzählverlauf nicht durch den Einschub der Kalebtradition noch vor der eigentlichen Ortsliste unnötig zu stören. Die verwendete Zeitenfolge wayyittenû–nātenû–nātenû zeigt ebenfalls den Nachtragscharakter an. In V.11 lag zunächst schon die zuvor in V.8 und 9 verwendete Form wayyittenû vor, an die man geschickt die Gabe der Stadt Hebron an die Leviten anschließen konnte. Danach wechselt der Redaktor allerdings zu x-qatal, um einen vorzeitigen Sachverhalt (die Gabe von Hebron an Kaleb) einzuspielen. Da zudem Hebron schon an die Aaroniden vergeben war (V.11), musste der Anschluss an das Folgende in V.13 mit dem vorzeitigen x-qatal geschaffen werden, weshalb dieser Redaktor wiederum ein nātenû gesetzt hat.437 Schon aus diesem Grund konnte er nicht wayyittenû verwenden, sondern musste die Verbalform nātenû hinter das Präpositionalobjekt libnê ʾAharon setzen. Damit V.13 aber nicht asyndetisch beginnt, hat dieser Redaktor noch die Konjunktion w vor libnê ʾAharon ergänzt. Auf diese Weise erklärt sich die auf den ersten Blick rätselhafte Verwendung der Verbformationen von NTN (fünf Vorkommen in V.8–13). Der Ausdruck baʾaḥuzzātô in V.12 ist vermutlich eine späte Glosse, da diese Präpositionalverbindung in der Parallele 1Chr 6,41 fehlt. Vielleicht hängt diese Glosse mit V.41 zusammen, wo ebenfalls der Begriff ʾaḥuzzāh verwendet wird. Dann wäre hier sekundär eine Harmonisierung vorgenommen worden. Alles in allem ergibt sich folgendes literarhistorisches Bild der schwierigen V.9–13. Eine erste priesterliche Redaktion, die die Gabe der 48 Levitenstädte aus den Zwölf Stämmen Israels verantwortet, ist für die Einleitung in V.9 mit den beiden Stämmen Juda und Simeon verantwortlich. Eine zweite priesterliche Redaktion, die für V.10 verantwortlich ist, betont, dass es sich bei den Aaroniden nicht um eine weitere levitische Gruppierung, sondern um eine Unterabteilung der Kehatiter handelt. Außerdem wird der Losentscheid im Gegensatz zur Verteilung durch die Israeliten wiederum stark gemacht. Darüber hinaus wird in V.13 mit dem Zusatz „die Zufluchtsstadt des Totschlägers“ die Asylthematik eingespielt. Mit wayyittenû in V.11 wird mit Hilfe der Technik der Wiederaufnahme an V.9 angeknüpft und die Verbindung zu V.13 hergestellt. In V.11–12 wird schließlich von einer spätpriesterlichen Redaktion mit der von wayyittenû abweichenden Verbformation nātenû die Kalebtradition, wie sie bereits in Jos 14–15 vorgegeben war, nachgetragen. Die erste priesterliche Redaktion, die eine erste Form der Langliste geschaffen hat, kombinierte ab V.13 zwei vorliegende Ortslisten, die sie noch durch zusätzliche gelehrte Konstruktionen ausbaute und mit einer klaren 437
STEUERNAGEL 1900, 233 weist darauf hin, dass LXXA auf nātenû verzichtet.
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Struktur versah. Eine zweite priesterliche Redaktion, die schon in Jos 20,7–8 zu greifen war, hat schließlich noch den Ausdruck der Zufluchtstadt für den Totschläger ergänzt, wobei dies bei Bezer übersehen wurde. Der Umstand, dass es hier zu einer Lücke gekommen ist, zeigt, dass der Redaktor die Namen zwar aus Jos 21 genommen hat, aber in V.36 vielleicht ungenau gearbeitet hat. Allerdings sind V.36–37 aus der chronistischen Tradition im MT ergänzt worden, die ohnehin nicht den Zusatz der Asylstadt aufgenommen hat. Insofern muss das Fehlen von „die Zufluchtsstadt des Totschlägers“ im Fall von Bezer nicht verwundern. Die vom Redaktor verwendete judäisch-benjaminitische Ortsliste, die erst durch V.9 sekundär mit Simeon verbunden wurde, enthielt neun Namen. Da in der benjaminitischen Ortsliste in 1Chr 6,45 die Stadt Gibeon fehlt, wäre es durchaus möglich, dass erst im Rahmen dieser Redaktion Gibeon aufgrund der Ähnlichkeit zu Geba eingesetzt wurde, um die Zahl der benjaminitischen Orte auf vier zu heben. Wenn dies stimmt, dann hätte die ursprüngliche Liste von Benjamin nur drei Namen enthalten. Insofern hätte die ursprüngliche Liste die Idealzahl von zwölf Städten enthalten, die aber aufgrund des Systemdrucks (vier Städte jeweils von den zwölf Stämmen) verändert worden wäre. Danach folgen die Listen für die „Söhne Kehats“, die „Söhne Gerschons“ und die „Söhne Meraris“. Die erste priesterliche Redaktion hat hier jeweils die Zahlenangaben und die Schlussformel ergänzt. Außerdem hat sie – wie schon bei Simeon – zusätzlich den südlichen Stamm Dan eingeführt und anschließend zwei weitere Orte ergänzt. Für ein solches Wachstum spricht 1Chr 6,54, wo Ajalon und Gat-Rimmon genannt werden, aber offenbar zu den efraimitischen Städten gezählt werden. Vermutlich wurden auch die ostjordanischen Levitenstädte in den V.27 und V.36–39 sekundär von dieser ersten priesterlichen Redaktion ergänzt, zumal diese Redaktion ein Zwölfstämmevolk im Blick hatte, das Ost und West umfasst. Dass die Stämme Sebulon, Ruben und Gad nicht in allen Ausgaben vertreten waren, könnte die unterschiedliche LXX-Übersetzung für migrāšæhā andeuten. Außerdem hat die erste priesterliche Redaktion bei Sichem noch den Zusatz „auf dem Gebirge Efraim“ ergänzt, da nämlich Sichem eigentlich in Manasse liegt und daher nicht vom „Stamm“ Efraim gegeben werden kann. Durch diese geographische Bezeichnung konnte die überkommene Liste trotzdem ohne Probleme übernommen werden. In einem weiteren redaktionellen Schritt ist von einer zweiten priesterlichen Redaktion diese Liste mit vier Gruppen noch dergestalt verändert worden, dass man die Aaroniden zu einer Untergruppe der levitischen Kehatiter machte und dementsprechend immer wieder Korrekturen an den Nahtstellen einarbeitete. Hierbei ging man nicht einheitlich vor, was die sprachlichen und formalen Differenzen zu erklären vermag, die sich auch im kaum sinnvoll erklärbaren textkritischen Befund niedergeschlagen haben. Da man die „Söh-
168 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt ne Aarons“ zu den Kehatitern rechnete, musste man die eigentlichen „Söhne Kehats“ als hannôtārîm „die übriggebliebenen“ bezeichnen. Aus diesem Grunde stellte man in V.20 hannôtārîm mibbenê Qehāt „von den Söhnen Kehats übriggebliebenen“ nach und ergänzte in V.26 mimmišpeḥot benê Qehāt hannôtārîm „für die Sippen der übriggebliebenen Söhne Kehats“. Da man im zweiten Fall noch die Thematik der „Sippen“ ebenfalls ergänzte, wird diejenige Redaktion, die die Aaroniden unter die Kehatiter aufnahm, wohl auch für die Erweiterung mit „Sippen“ verantwortlich sein. Bei den „Söhnen Gerschons“ wurde von derselben Redaktion zu Beginn aufgrund der Sippenthematik in V.27 mimmišpeḥot „von den Sippen“ und in V.33 hagGeršunnî lemišpeḥotām „des Gerschoniters nach ihren Sippen“ ergänzt. Die singuläre Verwendung von Geršunnî zeigt ebenfalls den Nachtragscharakter an, der nicht nur aufgrund des Verweises auf die Sippen, sondern auch aufgrund seiner Form als Gentiliz mit Num 26 zu verbinden ist (Num 26,57). Ähnlich wurde auch bei den „Söhnen Meraris“ in V.34 hannôtārîm „übriggebliebenen“ fast schon mechanisch nachgestellt und in V.40 lemišpeḥotām hannôtārîm mimmišpeḥot „nach ihren Sippen, den Übriggebliebenen von den Sippen“ vor die Leviten gestellt. Der Umstand, dass der Zusatz hannôtārîm bei den „Söhnen Meraris“ eigentlich nicht nötig war, zeigt, dass hier offenbar redaktionell ergänzt wurde. Dem Entwurf der 48 Levitenstädte der ersten priesterlichen Redaktion liegen zwei Grunddokumente zugrunde. Eine judäisch-benjaminitische Ortsliste und eine Ortsliste der drei levitischen Gruppierungen (Anhang II), wobei höchstens das zweite Dokument mitunter ursprünglich mit Levitenstädten zu verbinden ist, während das judäisch-benjaminitische Dokument noch keinen Bezug zu den Leviten erkennen lässt. Eine levitische Verortung der judäischbenjaminitischen Liste ist schon vor dem Hintergrund eher unwahrscheinlich, da die „Söhne Aarons“ erst durch die erste priesterliche Redaktion zu Leviten und in einer zweiten priesterlichen Redaktion zu einer Untergruppe der Kehatiter wurden. Für ein ursprüngliches judäisch-benjaminitisches Dokument spricht der Umstand, dass es neun Orte für Juda gab, was dem ansonsten zu beobachtenden Zahlensystem widerspricht. Möglicherweise bestand der benjaminitische Teil der Liste nur aus drei Namen (Geba, Anatot und Almon). Nur diese drei Namen finden sich ebenfalls in der chronistischen Paralleltradition. Der Ort Gibeon wurde aber ergänzt, als die erste priesterliche Redaktion eine Liste mit Levitenstädten bilden wollte, bei der aus jedem Stamm idealiter vier Städte stammen. Daher hat man den ähnlich lautenden Namen Gibeon in V.17 vorangestellt, sodass man insgesamt die auffällige Anzahl von 13 Städten für die Aaroniden erhielt. Wenn man nicht die benjaminitische Ortsliste um einen Eintrag erhöht hätte, wäre man zum einen nicht im System vier Orte pro Stamm geblieben. Zum anderen wäre man auch in der Anzahl der Orte unter den Levitenstädten der Gerschonitern geblieben, was wohl verhindert
8. Eigener Entwurf
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werden sollte. Insofern musste hier die erste priesterliche Redaktion eingreifen und zumindest einen Ortsnamen bei Benjamin ergänzen. Die Orte der zweiten Liste sind textkritisch und auch hinsichtlich der Paralleltradition 1Chr 6 weitgehend konstant, sodass sich dahinter tatsächlich eine levitische Ortsliste verbergen könnte, die ihren Anfang bereits in V.3 hat.438 Diese Liste kannte weder das Zwölfstämmesystem noch die Zuweisung von vier Orten pro Stamm, noch die Zuordnung zu den einzelnen levitischen Untergruppierungen. In diesem Dokument gab es vermutlich noch nicht einen südlichen Stamm Dan und auch noch kein West-Manasse. Für die Ausscheidung dieser beiden Stämme spricht vor allem die chronistische Paralleltradition: 1)
2)
In 1Chr 6,54 werden die beiden Orte Ajalon und Gat-Rimmon noch zum Stamm Efraim gerechnet. Die chronistische Tradition kennt folglich keine Levitenstädte aus Dan. Die beiden Orte Elteke und Gibbeton sind hingegen direkt aus Jos 19,44 entnommen. Auf diese Weise erklärt sich auch die von Jos 19 abweichende Abfolge der Levitenstädte aus dem Stamm Dan. Offenbar hat man die Abfolge Elteke und Gibbeton aus Jos 19,44 genommen und vor die beiden Städte Ajalon (Jos 19,42) und Gat-Rimmon (Jos 19,45) gesetzt. Der Halbstamm West-Manasse wäre ebenfalls erst redaktionell entstanden, worauf die unterschiedlichen Listen in Jos 21 und 1Chr 6 hinweisen. Vor allem der Ort Gat-Rimmon in V.25 ist nicht sehr vertrauenswürdig, da es vermutlich nur eine Verdoppelung des gleichnamigen danitischen Ortes aus V.24 ist.
In diesem ursprünglichen Dokument der Ortsliste der Levitenstädte sind schließlich noch Städte der galiläischen Stämme vorhanden, deren Namensformen auch in der chronistischen Paralleltradition weitgehend konstant blieben. Zumindest gilt dies für die Stämme Issachar, Ascher und Naftali, während bei Sebulon eine größere und nicht ableitbare Varianz festzustellen ist. Die unterschiedlichen Listen, die in Jos 21 und 1Chr 6 belegt sind, könnten auch dem Umstand zu verdanken sein, dass die verwendeten Dokumente ursprünglich mehr und andere Namen enthielten. Erst als man diesen beiden Dokumenten das Zwölfstämmesystem und die Verteilung auf vier Gruppen überstülpte, kam es dann zu Kürzungen, die in Jos 21 – anders als in 1Chr 6 – vorgenommen wurden. Auf diese Weise würden sich einige Ortsnamensvarianten leicht erklären lassen, die nicht textkritisch und orthographisch voneinander abhängig sind. Vielleicht waren im efraimitischen Teil der Liste Kibzajim und Jokmeam enthalten. Dann hätte man insgesamt sieben efraimi438 Aus Efraim: Sichem, Geser, Kibzajim, Bet-Horon, Ajalon, Gat-Rimmon. Aus Issachar: Kischjon, Daberat, Jarmut, En-Gannim. Aus Ascher: Mischal, Abdon, Helkat, Rehob. Aus Naftali: Kedesch, Hammot-Dor, Kartan.
170 Die Levitenstädte (Jos 21; 1Chr 6) als eigenständiger priesterlicher Abschnitt tische Orte gekannt. Aufgrund des Systemdrucks wären dann die zwei danitischen Orte Ajalon und Gat-Rimmon abgespalten und die verbleibende Ortsliste unterschiedlich gekürzt worden. Mitunter gilt dies auch für die galiläischen Listen, die ebenfalls einige Differenzen aufweisen. Hier kommt man allerdings über Vermutungen kaum noch hinaus, da man keine gesicherten Zwischenstufen in der Textentwicklung nachweisen kann. Es hat zudem den Anschein, dass bereits das verwendete Dokument der Liste der nördlichen Levitenstädte das Zwölfstämmesystem noch nicht kannte. Ähnlich wie schon in Jos 14–19 gab es auch hier offenbar nur die Stämme Efraim, Issachar, Ascher, Naftali, wobei bei den Levitenstädten Sebulon zunächst fehlte. Die zu Jos 14–19 analoge Abfolge ist bei den galiläischen Stämmen beibehalten worden, da man bei den Gerschonitern zunächst von Ostmanasse herkam und daher mit Issachar einen benachbarten Stamm benötigte. Auf diese Weise wanderte dann Sebulon ans Ende der Liste der galiläischen Levitenstädte, noch vor den ostjordanischen Städten. Erst die erste priesterliche Redaktion baute die beiden vorliegenden Dokumente um, wobei sie das erste Dokument den „Söhnen Aarons“ zuwies und um den Ort Gibeon und den Stamm Simeon ergänzte, damit der Systemdruck (vier Orte pro Stamm) einigermaßen gewahrt bleibt, wobei die „Söhne Aarons“ als besonders wichtige Gruppe durchaus an erster Stelle stehen durften und dreizehn Orte erhalten mussten, damit sie nicht weniger als die „Söhne Gerschons“ erhielten, die bereits elf Orte besaßen und noch zwei Orte aus Ostmanasse erhielten. Das zweite Dokument ist hingegen um danitische Orte durch die Übernahme von Jos 19,44 sowie durch Orte aus Sebulon in V.34–35 erweitert worden. Außerdem hat man noch ostjordanische Orte ergänzt, indem man Jos 13,18 (Ruben) aufgenommen hat. Darüber hinaus wurde der Ort Bezer vorangestellt, der in einem weiteren redaktionellen Schritt als Asylstadt gedeutet wurde. Die Orte aus den Stämmen Sebulon, Manasse und Gad sind hingegen ohne wirkliche Verankerung in der Tradition bestimmt worden. Auffälligerweise ist dieses ursprüngliche Dokument der Levitenstädte nur zum Teil mit den Ortslisten aus Jos 16 und 19 kompatibel. Eine klare Übernahme wie bei der danitischen Ergänzung „Elteke – Gibbeton“ ist nicht festzustellen. Dass einige Orte mit Jos 16 und Jos 19 übereinstimmen, muss nicht verwundern, da man in beiden Listen repräsentative und bekannte Orte verwendet hat. Die beiden V.41 und 42 fassen die Verteilung der Levitenstädte schließlich zusammen. Hier sind keine Spannungen oder Doppelungen zur ersten priesterlichen Redaktion festzustellen, die die Vorgabe hatte, 48 Levitenstädte zu bestimmen. Höchstens die Verbalform tihyæ̑ nāh ist problematisch. Sie kann aber modal als Forderung verstanden werden, dass dieses Programm der Levitenstädte in Zukunft irgendwann umgesetzt werden soll. Der Ausdruck sebîbotæ̂ hā in V.42 ist zudem vermutlich von V.11 abhängig und präzisiert
8. Eigener Entwurf
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nachträglich das Umland der einzelnen Levitenstädte. Dieser Ausdruck mag folglich auf die spätpriesterliche Redaktion zurückgehen, die gewisse Angleichungen innerhalb von Jos 13–21 vorgenommen hat. Aufgrund der dtr. Idiomatik ist der Abschluss in V.43–45 vom Vorausgegangenen abzutrennen. Hier wird der Bogen zum dtr. Josuabuch geschlagen. Auf diese Weise werden die priesterlichen Texte in Jos 13–22 eingebunden und mit dem dtr. Josuabuch harmonisiert.
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8) Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
Vorbemerkungen Die Entlassung der Oststämme in Jos 22,1–8 erfolgt mit der Anerkennung von deren Leistungen bei der Landeroberung, mit der Ermahnung zum Gesetzesgehorsam und mit dem Segen.1 Der Abschnitt mit der Rückkehr der ostjordanischen Stämme bildet zum einen eine Brücke zu Jos 1,12–18,2 zum anderen aber auch einen Übergang zur folgenden Altarbaugeschichte,3 die die Erzählung von der Entlassung der Oststämme mit einer neuen theologischen Fragestellung fortführt.4 Gerade zum Anfang des Josuabuches in Jos 1,12–18 bestehen einige thematische und sprachliche Verbindungslinien.5 Die Rückkehr der Oststämme erfolgt zudem nicht direkt nach der Eroberung des Westjordanlandes, sondern erst nach dessen Verteilung, da erst zu diesem Zeitpunkt die Landgabe endlich abgeschlossen ist.6 Auffälligerweise spiegelt die Erzählung von der Entlassung der Oststämme noch nicht die Feindseligkeiten wider, die in der darauffolgenden Erzählung aufbrechen. Außerdem benötigt die Altarbauerzählung eigentlich nicht die Eröffnung in Jos 22,1–8.7 Darüber hinaus liegt in V.1–8 der Schwerpunkt auf der Rede Josuas, während es im Folgenden um eine dialogische Auseinandersetzung um den Altarbau der Oststämme geht. Hinzu kommt, dass spätere Handlungsträger wie Pinhas in V.1–8 noch gar nicht vorkommen und auch
1
Vgl. STEUERNAGEL 1900, 235. Mit Hilfe der Erzählung in Jos 22,1–8 werde die Rückkehr der 2 ½ Oststämme als Erfüllung einer expliziten Anordnung Josuas dargestellt, vgl. DUS 1964, 544. 2 HUBBARD 2009, 482 denkt an eine inclusio von Jos 1,12–18 und Jos 22,1–6. Zu dieser Verbindung vgl. auch MILLER/TUCKER 1974, 166; SOGGIN 1982, 212; KRAUSE 2014, 124f.; EDERER 2017, 300; KNITTEL 2019, 223. Nach OTTO 2012a, 491 bildet die post-dtr. Erzählung Jos 22,1–6 zusammen mit Dtn 3,18–20 und Jos 1,12–15 einen Erzählbogen. 3 Vgl. BUTLER 2014, 246. AULD 2012, 282 weist darauf hin, dass die einzelnen Versionen Jos 22 in ganz unterschiedliche Abschnitte gegliedert hätten. Eine exakte Trennung zwischen V.8 und V.9 sei folglich nicht über jeden Zweifel erhaben. 4 Vgl. KNITTEL 2019, 222f. 5 Vgl. GRAY 1986, 168; EDERER 2017, 301–303. 6 Vgl. KNAUF 2008, 184. 7 Vgl. hierzu KLOPPENBORG 1981, 351; KNITTEL 2019, 222. Anders hingegen ASSIS 2004b, 209.
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
nicht vorbereitet werden.8 Schließlich wird das Ostjordanland in V.4 wesentlich positiver als Nutzgebiet für die Oststämme qualifiziert als dies in der Altarbauerzählung der Fall ist, wo das ostjordanische Gebiet in V.19 lediglich als ʾaḥuzzatkæm „euer Nutzgebiet“ bezeichnet wird, während die Weststämme ʾæræṣ ʾaḥuzzat YHWH „Land des Nutzgebiets YHWHs“ besiedeln.9
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten Die Erzählung von der Entlassung der Oststämme weist zahlreiche textkritische und sprachliche Auffälligkeiten auf, die man bei der literarkritischen und redaktionsgeschichtlichen Analyse berücksichtigen muss. V.1: Dieser Vers beginnt mit der Partikel ʾāz „damals“. Durch diese Zeitangabe, die einen Neuansatz markiert, wird betont, dass die folgenden Ereignisse zur gleichen Zeit wie das Geschehen davor spielen.10 Mit der syntaktischen Konstruktion ʾāz + yiqtol wird zumindest keine zeitliche Nachordnung der Ereignisse von Jos 22 im Verhältnis zu Jos 21 explizit verfolgt.11 Es hat daher den Anschein, dass die Entlassung bereits erfolgt, bevor die Landverteilung abgeschlossen ist.12 Alles in allem wird die Entlassung der Oststämme nur relativ unbestimmt an das Vorausgegangene angefügt. Möglicherweise wird durch die Konstruktion mit der temporalen Partikel ʾāz angedeutet, dass Jos 22,1–8 ein Nachtrag ist.13 Auffälligerweise wird in V.1 kein Ort genannt, an dem die Stämme von Josua zusammengerufen werden.14 Offenbar ist hier bewusst auf den Ort verzichtet worden. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass der entsprechende Ort in der Erzählung, die Jos 22,1–8 vorlag,
8 Vgl. zu den Unterschieden auch SCHORN 1997, 205. Nach ASSIS 2004a, 535 reflektiert die Altarbauerzählung die Zeit nach dem Tod Josuas, was die andere Personenkonstellation erklären würde. 9 Vgl. KNITTEL 2019, 222. 10 Vgl. FRITZ 1994, 226. Nach NELSON 1997, 250 ist die Handlung von Jos 22 daher gleichzeitig mit dem Vorausgegangenen und somit ein gutes Beispiel für die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen. 11 Nach RABINOWITZ 1984, 54 ist dies nur für die Konstruktion ʾāz + qatal der Fall. BALLHORN 2011, 373 deutet ʾāz + yiqtol als „Neueinsatz in narrativen Texten“, der in loser Verbindung zum Vorausgegangenen steht. 12 Vgl. RABINOWITZ 1984, 60. Nach GK §107c steht ʾāz + yiqtol, wenn der allmähliche Vollzug oder das Andauern der Handlung in der Vergangenheit betont werden soll. 13 Vgl. RÖSEL 2011, 350. Zu dieser syntaktischen Konstruktion als Anzeiger für redaktionelle Arbeit vgl. RABINOWITZ 1984, 54–62. Schon HOLZINGER 1901, 91 rechnet hier mit einem Nachtrag. 14 Vgl. hierzu auch BALLHORN 2011, 355.
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten
175
bereits angegeben war. Jedenfalls sollte man nicht vorschnell den Ort Schilo aus V.9 hier ebenfalls eintragen.15 In V.1 lesen LXX, Peschitta und Vetus Latina libnê Reʾûben welibnê Gād „Söhne Ruben und Söhne Gad“ anstelle der in MT verwendeten Gentilizformen lāRuʾûbenî welagGādî, die von der Vulgata ebenfalls bestätigt werden.16 Die Gentilizia heben V.1–8 zumindest von der folgenden Altarbauerzählung ab,17 sodass beide Erzählungen vermutlich nicht auf derselben literarhistorischen Ebene liegen. Da die älteste Form der LXX (OG) an anderen Stellen von Ruʾûbenî nur die Lesart Ρουβην überliefert, ist in V.1 tatsächlich mit einer hebräischen Vorlage zu rechnen, die benê Reʾûben aufgewiesen hat.18 Allerdings scheint die Überlieferung der Versionen unterschiedliche Wege gegangen zu sein. Vermutlich war Ruʾûbenî die ursprüngliche Lesart in V.1, die aber dann an die übrigen Belege in Jos 22 angeglichen wurde,19 was bereits die hebräische Vorlage der LXX widerspiegelt. Die Präpositionalverbindung mit Gentilizia lāRuʾûbenî welagGādî des MT ist zumindest die lectio difficilior, die sich kaum aus der Form libnê Reʾûben welibnê Gād erklären lässt. Es hat zudem den Anschein, dass Gentilizia vor allem in späteren redaktionellen Texten verwendet werden.20 Die Gentilizia Ruʾûbenî und Gadî sind darüber hinaus gemeinsam nur in dtr. und chronistischen Texten belegt.21 Alles in allem sind die Gentilizia des MT textkritisch zu bevorzugen. Diese Beobachtung weist auf einen späten redaktionellen Text hin. Wie schon bei den Texten der Landverteilung in Jos 13–19 wird auch hier den beiden ostjordanischen Stämmen noch der Halbstamm Manasse hinzugesellt. Allerdings wird nur in V.1 statt šebæṭ das vor allem priesterlich geprägte Lexem maṭṭæh für „Stamm“ verwendet.22 Vielleicht wird hier in MT das Wort maṭṭæh gebraucht, da im Nachbarkapitel Jos 21 dieses Lexem wiederholt steht.23 Dann hätte man hier eine sekundäre Angleichung vorgenommen. 15
Gegen HUBBARD 2009, 481. Vgl. zum Problem GÖRG 1991, 97; BALLHORN 2011,
374. 16
Vgl. hierzu HOLZINGER 1901, 89, der überdies darauf hinweist, dass Targum anstelle von benê den Ausdruck šebæṭ verwende. 17 Vgl. KLOPPENBORG 1981, 351. 18 Vgl. GREENSPOON 1983, 150. 19 Jos 22,9.10.11.13.15.21.25.30.31.32.33.34. 20 Vgl. BOLING 1982, 508. Nach CORTESE 1990, 92 weisen die Gentilizia nicht auf priesterliche, sondern dtr. Sprache hin. 21 Dtn 3,12.16; 4,43; 29,7; Jos 1,12; 12,6; 13,8; 22,1; 2Kön 10,33; 1Chr 5,26; 12,38; 26,32. Vgl. hierzu auch KLOPPENBORG 1981, 351 Anm. 12. In 2Kön 10,33 findet sich jedoch die umgekehrte Reihenfolge Gaditer – Rubeniter. 22 Nach NOTH 1971, 133 war šebæṭ die ursprüngliche Lesart. Dagegen aber schon KEIL 1847, 373. LLOYD 1886, 335 weist noch auf hebräische Handschriften hin, die ebenfalls šebæṭ in Angleichung an V.7.9.10 lesen. BALLHORN 2011, 376 übersetzt maṭṭæh mit „Zweig“, um diese beiden Wörter voneinander zu unterscheiden. 23 Vgl. AULD 1980, 58.
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
Abgesehen von maṭṭæh ähnelt Jos 22,1 dem Neueinsatz von Jos 1,12, wo sich Josua ebenfalls an die gleichen Stämme wendet und um die Teilnahme der Oststämme an der Eroberung des Westjordanlandes bittet.24 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die hebräische Handschriftenüberlieferung immer wieder zwischen beiden Worten wechselt und entweder an Jos 21 oder Jos 1 angleicht.25 Alles in allem deutet die divergente textliche Überlieferung darauf hin, dass der Halbstamm Manasse erst sekundär ergänzt wurde.26 Der Wechsel zwischen šebæṭ und maṭṭæh ist ohnehin gerade für editorische Zusätze typisch.27 Vielleicht wurde maṭṭæh von einem Redaktor eingefügt, der den Halbstamm Manasse, der später in V.7–8 genannt wird, bereits am Anfang der Erzählung einführen wollte. V.2: In diesem Vers wird zumindest betont, dass der Befehl aus Jos 1,13– 15 und die Zusicherung der Oststämme aus Jos 1,16–18 vollumfänglich eingelöst worden sind. Gelegentlich wird die Josuarede in V.2 ab ʾattæm als Dublette zu V.3 bewertet, wobei lediglich die Befehlsgeber variieren. Während in V.2 Mose und Josua die Befehle aussprechen, an die sich die Oststämme gehalten haben, ist es in V.3 die miṣwat YHWH, die die Oststämme befolgt haben.28 Allerdings können die Befehle in V.2 und V.3 nicht so leicht voneinander differenziert werden, da Mose und Josua die YHWH-Befehle ebenfalls weitergeben. Hinzu kommt, dass Mose in V.2 explizit als ʿæbæd YHWH „Diener YHWHs“ bezeichnet wird. In 2a haben LXX und Vetus Latina offenbar eine Form der Wurzel ŠMʿ „hören“ anstelle von ŠMR „befolgen“ gelesen, was auf einen Lesefehler zurückgehen könnte.29 In V.2 und V.5 wird zudem die Formel ʾašær ṣiwwāh ʾætkæm Mošæh ʿæbæd YHWH aus Jos 1,13 aufgegriffen. In V.2 wird Josua somit als perfekter Nachfolger des Mose gezeichnet, auf den die Oststämme ebenso hörten. Die Nebeneinanderstellung von Mose und Josua könnte zu-
24 Allerdings in Jos 1,12 mit x-qatal (ʾMR) und in Jos 22,1 mit ʾaz yiqtol (QRʾ). In beiden Fällen wird das Thema der 2 ½ Stämme eingetragen. 25 Handschriften und alte Drucke bieten hier zudem die Lesart šebæṭ (ham)Menaššæh, vgl. DILLMANN 1886, 575; LLOYD 1886, 335; BENNETT 1895, 31; STEUERNAGEL 1900, 236; COOKE 1918, 201; BOLING 1982, 504. 26 Nach RÖSEL 2011, 350 liegt mit der Erwähnung des Halbstamms Manasse ein Nachtrag eines späten Redaktors vor. Kritisch hierzu MICHEL 2020, 338, der hier mit dem Befund von Dtn 3 und Jos 1 argumentiert, wo angeblich kein Nachtrag des Halbstamms Manasse festgestellt werden könne. 27 Vgl. zum Problem BUTLER 2014, 255. 28 Vgl. DEN HERTOG 2003, 62. In dem Zusatz V.5 wird der geforderte Toragehorsam zudem mit einem Befehl des Mose begründet. 29 Vgl. schon HOLMES 1914, 74. Nach BOLING 1982, 504 liegt hier eine teilweise Angleichung an 2b vor, wo MT das Verb ŠMʿ + b anstelle von ŠMR + ʾæt liest. HAWK 2000, 233 Anm. 8 weist darauf hin, dass die Befehle des Mose und YHWHs mit ŠMR, die von Josua hingegen nur mit ŠMʿ verbunden würden.
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten
177
dem die gleiche Autorität der beiden Anführer andeuten.30 Der Titel ʿæbæd YHWH „Diener YHWHs“ findet sich vor allem im ersten Teil des Josuabuches und in redaktionellen Stücken des zweiten Teils.31 Alles in allem haben die Oststämme die Vorgaben von Num 35 und Jos 1 erfüllt.32 Die Verwendung des Idioms ŠMʿ beqôl findet sich zwar auch in dtr. Kontexten. Allerdings bezieht sich dieser Ausdruck fast immer auf Gott und nur zweimal auf einen menschlichen Sprecher.33 Explizite Befehle Josuas werden zudem fast ausschließlich im ersten Teil des Josuabuchs gegeben.34 Nur im Rahmen der Versammlung in Schilo in Jos 18,8 gibt Josua den Befehl zur Auskundschaftung und Verzeichnung des Landes. Im zweiten Relativsatz überliefert LXXB zudem wie im ersten Relativsatz eine 3. Person Singular (ἐνετείλατο) anstelle der 1. Person Singular des MT (ṣiwwîtî).35 Dementsprechend wird auch hier die Autorität des Mose betont. Eben weil Mose zuvor den Befehl gegeben hatte, hörten die Oststämme auf die Stimme Josuas. V.3: Das Verb ʿZB wird nur hier in Bezug auf die Oststämme verwendet, die nach V.3 ihre westjordanischen Brüder nicht verlassen haben. Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass hier die Treue der Oststämme der Treue zu YHWH gegenübergestellt wird. Denn mit ʿZB wird im dtr. Kontext oft ein Verlassen YHWHs ausgedrückt.36 Dementsprechend könnte hier ein Bogen zur Abschiedsrede Josuas in Jos 24 geschlagen worden sein. Der Verweis auf die ʾaḥêkæm „eure Brüder“ in V.3 und V.4 deutet die geschwisterliche Verbundenheit der West- mit den Oststämmen an. Von einer Problematisierung des Verhältnisses, wie dies schließlich in der Altarbauerzählung der Fall ist, ist hier noch nichts zu spüren. Dementsprechend könnte es den Anschein haben, dass die Auseinandersetzung um den Altar der Oststämme entweder erst später entstand37 oder erst im Nachhinein mit V.1–8 verbunden wurde. Allerdings könnte schon hier angedeutet sein, dass sich die Oststämme seit jeher korrekt gegenüber den Weststämmen verhalten haben. Der spätere Vorwurf ist folglich haltlos und unbegründet. 30 Vgl. WOUDSTRA 1981, 316f. Anders hingegen SCHÄFER-LICHTENBERGER 1995, 216, der zufolge die Autorität Josuas mit der Ausführung seines Auftrags endet. Er weise lediglich auf die Einhaltung der Tora hin. 31 Jos 1,1.13.15; 8,31.33; 11,12; 12,6 (2x); 13,8; 14,7; 18,7; 22,2.4.5. Mit enklitischem Personalpronomen anstelle von YHWH noch in Jos 1,2.7; 9,24; 11,15. 32 Vgl. HUBBARD 2009, 482. Nach COLESON 2012, 158 weist V.2 hingegen auch auf Num 32,20–32 zurück. 33 Vgl. YOO 2018, 5. Nach HARSTAD 2004, 680 liegt hier die Bedeutung „gehorchen, aufmerksam auf die Stimme hören“ vor. BALLHORN 2011, 385 vermutet, dass sich dieses Idiom in den meisten Fällen auf „die Stimme Gottes, die es zu hören gilt“, bezieht. 34 Jos 1,10.16.18; 3,8; 4,16.17; 6,10; 8,4.8.29. 35 Vgl. HOLZINGER 1901, 89. 36 Dtn 28,20; 29,24; 31,16; Jos 24,16.20. 37 Vgl. DEN HERTOG 2003, 62.
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
Der Ausdruck zæh yāmîm rabbîm in V.3 unterstreicht den Umstand, dass sich die Eroberung des Westjordanlandes längere Zeit zog, auch wenn eine exakte Zeitangabe nicht angeführt wird. Bei dieser Konstruktion könnte es sich um einen eingeschobenen Nominalsatz handeln.38 Der Ausdruck yāmîm rabbîm bezieht sich vermutlich zurück auf Jos 11,18, wo der Kriegszug Josuas ebenfalls „viele Tage“ andauerte.39 Auf diese Weise wird verdeutlicht, dass die Eroberung des Westjordanlandes längere Zeit in Anspruch genommen hat, was durch die Summarien bisweilen verschleiert wird. Die weqatal-Form in 3b ist erklärungsbedürftig,40 da man hier entweder einfaches qatal oder wayyiqtol erwartet. Denn weqatal mit vergangenheitlicher Funktion ist höchstens bei redaktionellen Texten denkbar.41 Außerdem ist der Ausdruck ʿad hayyôm hazzæh nach zæh yāmîm rabbîm überflüssig, da bereits zæh yāmîm rabbîm den Umstand ausdrückt, dass etwas in der Vergangenheit begonnen hat und bis zur Gegenwart anhält.42 Falls man mit LXX die Konjunktion vor šemartæm löscht, erhält man eine chiastische Struktur mit den beiden Zeitangaben als innere Elemente und den Verbalaussagen als äußeren Rahmen.43 Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb MT die Konjunktion w eingetragen haben sollte. Es bleibt dabei: MT ist die lectio difficilior, während LXX den Text vereinfacht.44 Bisweilen wird vermutet, dass mit der Konstruktion in 3b vielleicht die Apodosis nach der erfüllten Protasis von 3a oder mit 3b eine andauernde Handlung in der Vergangenheit ausgedrückt werden soll.45 Aber auch diese Deutung ist unsicher. In 3b wird das Lexem mišmæræt von LXX, Vulgata, Peschitta und Vetus Latina nicht wiedergegeben. Dies mag auf Haplographie zurückzuführen 38
Nach NOTH 1971, 128 ist zæh eine Interjektion: „(das ist) nun schon lange Zeit (her)“. SOGGIN 1982, 211 denkt an den adverbialen Gebrauch von zæh. Ähnlich schon LLOYD 1886, 335. JOÜON/MURAOKA 2009, 498 §143a deuten zæh als demonstratives Adverb „here, there“ und geben den Ausdruck zæh yāmîm rabbîm mit „for a long time now“ wieder. Ähnlich HARSTAD 2004, 680. 39 Vgl. hierzu HOWARD 1998, 403. Zu diesem Bezug vgl. schon KNOBEL 1861, 476; DILLMANN 1886, 575 STEUERNAGEL 1900, 236; ROBINSON 1907, 369; COOKE 1918, 201; NELSON 1997, 250. Auch der Ägyptenaufenthalt (Num 20,15) und die Wüstenwanderung (Dtn 1,46; 2,1; Jos 24,7) haben yāmîm rabbîm gedauert. 40 Diese Form ist für STEUERNAGEL 1900, 236 nicht zu erklären, sodass er die Konjunktion w streicht und den Satz mit ʿad hayyôm hazzæh verbindet. Ähnlich EHRLICH 1910, 56; HOLMES 1914, 74; COOKE 1918, 201. Zumindest LXX hat die Konjunktion offenbar gestrichen, vgl. HOLZINGER 1901, 89. 41 Vgl. MICHEL 2020, 340 Anm. 29. 42 Vgl. EHRLICH 1910, 56. 43 Vgl. ASSIS 2004b, 210. 44 Nach MICHEL 2020, 340 ist eine beabsichtigte Änderung durch MT oder eine Verschreibung kaum zu begründen. Außerdem ist auch bei der LXX nicht klar, ob die Zeitangabe ʿad hayyôm hazzæh zum zweiten Satz gezogen werden muss. 45 Vgl. BUTLER 2014, 243. Dagegen aber MICHEL 2020, 340 Anm. 340.
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten
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sein.46 Die figura etymologica ŠMR mišmæræt ist ohnehin erklärungsbedürftig, zumal das Lexem mišmæræt kaum nicht-priesterlich erklärt werden kann. Denn nur Dtn 11,1 kennt diesen priesterlichen Begriff, der hier aber vielleicht Teil einer nachexilischen Fortschreibung ist.47 Die Formel ŠMR mišmæræt ist für unterschiedliche Dinge belegt: ganz allgemein für „Vorschriften halten“,48 „den Dienst versehen“49 oder „Wache halten“,50 auch wenn die genaue Abgrenzung der einzelnen Bedeutungen nicht immer sicher ist. Auffällig ist außerdem die Singularform miṣwat YHWH, die im Alten Testament nur dreimal belegt ist.51 Vetus Latina hat darüber hinaus in 3b die Lesart „unser Gott“ anstelle von ʾælohêkæm „euer Gott“. Auf diese Weise wird der Gemeinschaftscharakter zwischen Ost und West zusätzlich unterstrichen. V.4: Inhaltlich verweist V.4 mit dem Verbum NūḤ-H „Ruhe verschaffen“ auf ähnliche Aussagen in Jos 1,15 und Jos 21,44.52 Die Oststämme dürfen nun in ihr Nutzgebiet zurückkehren, wo ihre Familien bereits nach Jos 1,13 ihre Ruhe genießen. Das ist schon deshalb möglich, da nach V.4 die westjordanischen Brüder nun endlich ihre Ruhe erhalten haben – ausgedrückt mit xqatal –, die nach Jos 21,44 erst noch erreicht werden musste – ausgedrückt mit wayyiqtol. In 4a haben LXX und Vetus Latina die Lesart „unser Gott“ anstelle von ʾælohêkæm, vermutlich um zu verhindern, dass diese Aussage alleine auf die Oststämme bezogen werden muss.53 Wie schon in 3b soll offenbar der Gemeinschaftscharakter betont werden. Die Rückkehr der Oststämme wird in Jos 22,1–9 lexematisch unterschiedlich ausgedrückt.54 Vielleicht kann die differenzierte Ausdrucksweise auf verschiedene redaktionelle Hände zurückgeführt werden: 1)
In V.4 werden die Oststämme von Josua aufgefordert, sich umzuwenden (PNY) und zu den Zelten zu gehen (HLK leʾåhålêkæm). Nur in V.4 wird
46 Vgl. NELSON 1997, 245, der auf die Wiederholung der Konsonantenabfolge t – m hinweist, was diese Auslassung hervorgerufen haben könnte: ʾæt mišmæræt miṣwat. Ähnlich auch BOLING 1982, 504. Nach EHRLICH 1910, 56 ist hingegen miṣwat als Glosse zu streichen. MICHEL 2020, 341 denkt zudem an eine Vereinfachung des überladen wirkenden MT. 47 Vgl. OTTO 2012b, 1029. 48 Gen 26,5; Lev 8,35; 18,30; 22,9; Num 3,7; 9,19.23; Dtn 11,1; Jos 22,3; 1Kön 2,3; 2Chr 23,6; Sach 3,7; Mal 3,14. 49 Num 1,53; 3,7.8.28.32.38; 8,26; 18,3.4.8; 31,30.47; 1Chr 23,32; 2Chr 13,11; Neh 12,45; Ez 40,45.46; 44,8(2x).14.15.16; 48,11. 50 2Kön 11,5.6.7. In der Bedeutung „in der Gefolgschaft bleiben“ vgl. 1Chr 12,30. 51 Jos 22,3; 1Sam 13,13; Ps 19,9. 52 Nach FRITZ 1994, 226 ist NūḤ-H terminus technicus der Redaktion für den Abschluss der Landnahme. 53 Vgl. BUTLER 2014, 243. 54 Vgl. zu dieser Beobachtung auch DEN HERTOG 2003, 63.
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2) 3)
4)
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im Abschnitt Jos 22,1–9 die Präposition l in Verbindung mit einem Bewegungsverb gewählt.55 Eine analoge Verwendung derselben beiden Bewegungsverben PNY und HLK findet sich im Abschnitt Dtn–Jos nur noch in Dtn 16,7, allerdings in einem ganz anderen Kontext.56 Nach der Segnung und Entlassung (BRK + ŠLḤ) gehen die Oststämme nach V.6 zu ihren Zelten (HLK ʾæl ʾåhålêhæm).57 Hier wird nur ein Bewegungsverb verwendet und die direktive Präposition ʾæl gewählt. In einer zweiten Ansprache fordert Josua die Oststämme in V.8 explizit auf, zu ihren Zelten zurückzukehren (ŠūB ʾæl ʾåhålêkæm).58 Hier wird die doppelte Aussage von PNY und HLK durch ŠūB ersetzt, da mit diesem Verb ebenfalls die Umkehrung und die Bewegung ausgedrückt werden kann. In V.9 werden bei der Rückkehr der Oststämme beide Verben verwendet (ŠūB und HLK), wobei hier als Ziel nicht mehr die Zelte im Ostjordanland, sondern Gilead genannt wird, das zudem als ʾæræṣ ʾaḥuzzāh „Land des Nutzgebietes“ bezeichnet wird. Auffälligerweise taucht ʾæræṣ ʾaḥuzzāh bereits in V.4 als Ergänzung zu den Zelten auf. Wie die beiden Verse diachron zueinander zu verorten sind, ist jedoch fraglich.
Der Begriff ʾaḥuzzāh „Nutzgebiet“, der im Josuabuch nur in Jos 21–22 vorkommt,59 scheint auf Num 32 zurückzuverweisen, wo betont wird, dass erst nach erfolgreicher Eroberung des Westjordanlandes das Land der Oststämme als „Nutzgebiet“ gilt.60 Bei ʾaḥuzzāh könnte es sich um priesterliche Sprache handeln, mit der die beiden Teile von Jos 22 zusammengebunden werden.61 Im Gegensatz dazu wird das Ostjordanland in Jos 13–19 als naḥalāh bezeich-
55 Nach MICHEL 2020, 350 ist l die einzige korrekte Präposition für das direktive Syntagma von HLK. Allerdings gibt es zahlreiche Beispiele für die Verbindung von HLK + ʾæl, selbst in Dtn und Jos, vgl. Dtn 14,25; 26,2; Jos 1,16; 8,9; 9,6; 17,7; 22,4.6.9. Beispiele für HLK + l finden sich in Dtn und Jos nur in Dtn 16,7; Jos 2,16; 22,4. 56 In Dtn 29,17 wird PNY + HLK verwendet, um den Abfall zu fremden Göttern auszudrücken. PNY + HLK findet sich ansonsten noch in Ri 18,21; 1Sam 10,9; 1Kön 10,13; 2Kön 5,12. 57 Nach JOBLING 1980, 194 wird die Erzählung mit V.6 abgeschlossen. Die Spannung zwischen West- und Oststämmen war beseitigt und doch bricht diese bald wieder auf. 58 Nach HARSTAD 2004, 687 ist der Imperativ von ŠūB als Teil des Segens zu verstehen. Zur vielfältigen Bedeutung der Wurzel ŠūB vgl. SOGGIN 1976, 885–890; THOMPSON/MARTENS 1997, 56–58. 59 Jos 21,12.41; 22,4.9.19. 60 Num 32,5.22.29.32. Zu den Gefahren, die mit einer sofortigen Übergabe des Landes an die Oststämme verbunden sind, vgl. MCCONVILLE/WILLIAMS 2010, 84. Vgl. zur Solidaritätsverpflichtung der Oststämme auch EDERER 2017, 301. 61 Vgl. RÖSEL 2011, 350. Nach AULD 1984, 108f. handelt es sich dabei um rechtmäßig erworbenes, nicht natürliches Eigentum.
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten
181
net.62 Auf alle Fälle liegt hier definitiv kein dtr. Ausdruck vor. Denn in typisch dtr. Verweissystemen wird stattdessen auf die Wurzel YRŠ bzw. das Lexem yeruššāh zurückgegriffen.63 Es stellt sich somit die Frage, weshalb man in einem angeblich dtr. Text das eher priesterliche Lexem ʾaḥuzzāh verwendet. Zumindest wird dadurch der Verweiszusammenhang mit Jos 1,15 nicht direkt aufgenommen. Unwahrscheinlich ist zumindest die nachträgliche Ersetzung des dtr. mit einem eher priesterlichen Ausdruck. Auch der Bezug zu Num 32,29 wird nicht explizit aufgegriffen, da dort die Israeliten und nicht Mose selbst das Ostjordanland als ʾaḥuzzāh an die Oststämme geben sollen.64 Erst in Num 32,33 wird betont, dass Mose nach der Eroberung der beiden Amoriterreiche den 2 ½ Oststämmen ihre Siedlungsgebiete übergab.65 Alles in allem weist dieses Lexem zum einen auf die Altarbauerzählung voraus und auf die Levitenstädte zurück und lässt sich mit Texten aus dem Numeribuch zusammenstellen.66 Die Gabe des Ostjordanlandes durch Mose – ausgedrückt mit NTN – findet sich zudem nur in Jos 1,14.15, 13,8 und 18,7. Nur das Ostjordanland wird als naḥalāh (Jos 14,3; 17,4; 18,7) oder als ʾaḥuzzāh (Jos 22,4) von Mose an die Oststämme verteilt.67 Der Ausdruck ʾåhålêkæm „eure Zelte“ könnte ein Hinweis auf die nomadische Vergangenheit Israels sein, als man noch in Zelten wohnte.68 Allerdings wird bereits in Num 32,17 betont, dass die ostjordanischen Stämme bereits in befestigten Städten gelebt haben.69 Vielleicht wurde dieser archaisch anmutende Begriff generalisierend für alle Arten von Bewohnung verwendet. Allerdings wäre es auch möglich, dass dieser Ausdruck betonen möchte, dass hier eine vorübergehende, nicht dauerhafte und ruhelose Bewohnung im Blick ist. Auf diese Weise wäre ein Kontrast zur westjordanischen Bevölkerung geschaffen, die nach Jos 21,44 bereits einen Ruhezustand erreicht hat.70 LXX und Vetus Latina verzichten darüber hinaus auf den Titel ʿæbæd YHWH „Knecht YHWHs“ für Mose.71 Die Hinzufügung des Titels „Knecht 62 Jos 13,8.23.28; 14,3; 18,7. Nach BALLHORN 2011, 389 Anm. 898 bezeichne ʾaḥuzzāh keineswegs „eine reduzierte Form des Landbesitzes“. 63 Vgl. zu diesem Problem MICHEL 2020, 341. 64 Num 32,29. 65 Auf die Gabe durch Mose verweisen Jos 1,14.15; 12,6, wobei dort aber das Land als yeruššāh bezeichnet wird. Außerdem wird das Ostjordanland noch in Jos 13,8.15.24.29 erwähnt. 66 Vgl. hierzu MICHEL 2020, 341f. 67 HARSTAD 2004, 681 deutet den Ausdruck ʾæræṣ ʾaḥuzzatkæm als epexegetische Constructusverbindung „das Land, das Euer Nutzgebiet ist“. 68 Vgl. hierzu auch GRAY 1986, 169, der darauf hinweist, dass es sich hierbei nicht um die Zelte im Kriegslager handele. 69 Vgl. hierzu schon LLOYD 1886, 336. 70 Vgl. AULD 1984, 108. 71 Nach BOLING 1982, 505 könnte dies auf Haplographie zurückgehen, da Mošæh und ʿæbæd YHWH jeweils auf h auslauten. Nach YOO 2018, 6f. Anm. 21 ist der Titel ʿæbæd
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YHWHs“ betont die besondere Nähe des Mose zu Gott. Auf diese Weise wird der Vereinbarung zwischen Mose und den Oststämmen zusätzliches Gewicht verliehen.72 V.5: Die Verbindung ŠMR + meʾod ist fast ausschließlich im Deuteronomium und im Josuabuch belegt.73 Der Auftrag, die Gebote einzuhalten (ŠMR + laʿaśôt hammiṣwāh), findet sich ebenfalls nur in diesen beiden Büchern.74 Auch wenn der Ausdruck weʾæt hattôrāh „und die Weisung“ nach ʾæt hammiṣwāh „den Befehl“ eigentlich überflüssig ist, gibt es für eine Streichung als Glosse75 keinen einleuchtenden Grund. Denn die Abfolge ʾæt hammiṣwāh weʾæt hattôrāh ist zwar seltener als die umgekehrte Anordnung. Sie ist aber in den unterschiedlichsten Kontexten ebenfalls belegt,76 sodass man hier nicht literarkritisch arbeiten muss. Neben hammiṣwāh wird somit noch das Befolgen von hattôrāh eingeschärft, die von Mose befohlen wurde.77 LXX liest in 5a ʾotānû „uns“ anstelle von ʾætkæm „euch“ als Objekt von ṢWY, um zu betonen, dass der folgende Befehl an alle Söhne Israels und nicht nur an die Oststämme gerichtet ist. Dementsprechend sind die folgenden fünf mit Infinitiven ausgedrückten Forderungen für alle Israeliten verpflichtend. Die fünf Infinitivsätze hängen vermutlich nicht vom eröffnenden Imperativ šimrû ab.78 Hierfür spricht der Umstand, dass der erste Infinitivsatz nicht mit der Konjunktion w angeschlossen ist und damit syntaktisch nicht auf einer Ebene zum ersten Infinitivsatz mit laʿaśôt steht. Somit hängen diese Infinitivsätze vom Befehl des Mose ab, auf den im Relativsatz hingewiesen wird. Die einzelnen Idiome von V.5 finden sich auch im Deuteronomium:79
YHWH nicht nur in dtr. Kontexten belegt. Er erstreckt sich zudem in Jos 22 auf unterschiedliche literarische Strata. 72 Vgl. ASSIS 2004b, 210. 73 Dtn 2,4; 4,15; 24,8; Jos 22,5; 23,11. Außerdem noch Ps 119,4. In erweiterter Form in Dtn 4,9. 74 Dtn 6,25; 15,5; 28,1.15; Jos 22,5. Die ungewöhnliche Syntax šimrû meʾod laʿaśôt könnte darauf hinweisen, dass hier dem Verb ŠMR eine Abstufung zuzuordnen ist im Sinne von „einschätzen bzw. bewerten“, vgl. JOÜON/MURAOKA 2009, 407 §124o. Nach OSWALD 2009, 98 ist hier nicht das Tora-Buch, sondern die Kommunikationsstruktur von YHWH über Mose bzw. Josua zum Volk im Blick. 75 Vgl. FRITZ 1994, 220. 76 Vgl. HUBBARD 2009, 482f. Nach MICHEL 2019, 168 ist diese Formel in nachdtr. Texten gebräuchlich. 77 Jos 1,7; 22,5; 2Kön 21,8. In priesterlichem Kontext gibt es lediglich hattôrāh von YHWH, wobei es sich aber nur um eine Einzelbestimmung handelt (ḥuqqat hattôrāh), vgl. Num 19,2; 31,21. 78 Vgl. DEN HERTOG 2003, 63. BRAULIK 2006, 123 weist darauf hin, dass die Gesetzesbeachtung und das Verhältnis zu YHWH durch sieben Verben eingeschärft wird. 79 SPRONK 1994, 173f. zieht sogar eine direkte Verbindung zu Dtn 6,4–9.
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten
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ʾHB ʾæt YHWH:80 Diese Formel ist fast immer mit ʾælohîm + enklitisches Personalpronomen verbunden.81 Bisweilen finden sich noch weitere Ergänzungen.82 Mit dieser Idiomatik wird die ganze, unteilbare und alle Kraft fordernde Form der Liebe ausgedrückt.83 HLK bekol dæræk:84 Nicht immer sind bei diesem Idiom die Wege Gottes im Blick, sondern auch die Wege der eigenen Könige.85 Der Infinitivsatz lelālækæt bekål derākāyw „zu gehen auf der Gesamtheit seiner Wege“ fehlt in der Peschitta. Dies wird bisweilen darauf zurückgeführt, dass in V.5 entweder eine sekundäre Angleichung an Dtn 10,12 durch MT vorliegt86 oder dass die Kürzung auf Haplographie zurückzuführen ist.87 Mit diesem Idiom wird oft der Wandel auf Gottes Wegen verbunden, womit die Beachtung der Gottesgebote gemeint ist. Ausgeschlossen wird folglich die Fremdgötterverehrung.88 ŠMR miṣwāh:89 Dieses Idiom kann noch mit zusätzlichen Ausdrücken ergänzt werden, die synonym zu miṣwāh sind.90 Die Vorordnung von miṣwāh vor tôrāh ist auffällig, da bei einer Synekdoche wie hier zunächst der allgemeine vor dem speziellen Begriff steht, sodass man eigentlich „Weisung“ vor „Gebot“ erwarten würde.91 Hier sollte offenbar an das Einzelgebot in V.3 angeschlossen werden, wo es um die Beteiligung der Oststämme an der Landeroberung ging.
1)
2)
3)
80
Dtn 6,5; 11,1.13.22; 19,9; 30,16.20; Jos 22,5; 23,11; Ps 31,24; Dtn 13,4; 30,6. Nur in Ps 31,24 fehlt ʾælohîm + enklitisches Personalpronomen. 82 Dtn 13,4; 30,6. 83 Vgl. WALLIS 1973, 111. 84 Dtn 10,12; 11,22; Jos 22,5; 1Kön 8,58. 85 1Kön 16,26 (Jerobeam); 22,43 (Asa); 2Kön 22,2 (David). 86 Vgl. BUTLER 2014, 243. Eine sekundäre Angleichung an Dtn 10,12 ist aber eher unwahrscheinlich, da die Abfolge der Infinitivsätze in Dtn 10,12 im Vergleich zu V.5 abweicht. 87 Vgl. NELSON 1997, 245, der auf die gleiche Konsonantenabfolge w – l hinweist, die diese Haplographie begünstigt haben könnte. Ähnlich BOLING 1982, 505. 88 Vgl. HELFMEYER 1977, 435. 89 Ex 20,6; Lev 22,31; Dtn 4,2; 5,10.29; 7,9; 8,2.6; 11,8.22; 13,19; 19,9; 27,1; 28,9; Jos 22,5; 1Kön 8,61; 14,8; 2Kön 18,6; Neh 1,5.9; Ps 119,60; Spr 4,4; 7,2; 19,16; Koh 8,5; Dan 9,4. 90 Mit tôrāh in Ex 16,28. Mit mišpāt in Dtn 8,11; 11,34. Mit ḥuqqāh in Dtn 10,13; 28,45; 30,10.16; 1Kön 9,6; 2Kön 17,13. Mit ḥuqqāh und mišpāt in Dtn 7,11; 8,11; 26,17.18; 1Kön 8,58. Mit ʿedût und ḥuqqāh in Dtn 6,17; 2Kön 23,3; 1Chr 29,19. 91 Vgl. BRAULIK 2006, 122. 81
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
DBQ b:92 Im Josuabuch wird das „Anhangen an YHWH“ dem Abfall von YHWH in Jos 23,12 gegenübergestellt, wo man sich an den Rest der Nationen anhängt. ʿBD bekol lebāb ûbekol napšækā:93 Diese Formel mit YHWH als Objekt des Dienens findet sich nur im Deuteronomium und im Josuabuch.
4) 5)
Es hat den Anschein, dass man bei dieser Kette von Infinitivsätzen zunächst von Dtn 11,13 (1 + 5) ausging, dann ebenfalls 1Dtn 11,22 berücksichtigte (1 + 2 + 4), sodass man die Abfolge 1 + 2 + 4 + 5 erhielt, und schließlich noch die dritte Anweisung ergänzte, die im Deuteronomium in den unterschiedlichsten Kontexten und mit verschiedenen Ergänzungen berücksichtigt wird. In V.5 stehen somit zahlreiche dtr. geprägte Idiome, mit denen das Festhalten der göttlichen Weisungen eingeschärft wird.94 Es liegt hier somit ein Konzentrat dtr. Empfehlungen vor, wie tôrāh verwirklicht werden kann.95 Immer wieder wird in V.5 ein dtr. Einschub vermutet, da die ängstliche Ermahnung in V.5 kaum zum Lob davor passen würde.96 Allerdings könnte in V.5 für spätere Rezipienten bereits angedeutet sein, dass der Segen YHWHs an den Gehorsam des Volkes gebunden ist, auch wenn das hier nicht explizit ausgedrückt wird.97 V.6: Die Vetus Latina ersetzt in V.6 BRK durch DBR, vielleicht um die Doppelung des Segens zu V.8 bereits im Vorfeld zu vermeiden. Durch den mit der Entlassung verbundenen Segen wird die Selbstverpflichtung der Ost92
Dtn 11,22; 30,20; Jos 20,5; 2Kön 18,6 mit YHWH als Objekt des Anhangens. Nach HARSTAD 2004, 682 wird hier die Metapher der Ehe in Verbindung mit dem Bundesgedanken eingespielt. 93 Dtn 10,12; 11,13; Jos 22,5. Zu dieser Formel vgl. auch HARSTAD 2004, 682. 94 Vgl. hierzu FRITZ 1994, 226. Zum dtr. Stil von V.5 vgl. schon KNOBEL 1861, 476; HOLLENBERG 1874, 489; DILLMANN 1886, 575; HOLZINGER 1901, 91; THON 2006, 87; PITKÄNEN 2010, 359. Nach HAWK 2000, 234 Anm. 10 stammt auch die Konstruktion Imperativ + Infinitivketten aus dem Deuternomium. 95 Vgl. GÖRG 1991, 97. ASSIS 2004b, 211 weist auf Dtn 10,12–13; 11,22; 19,9 und 30,20 als Parallelen zu V.5 hin. Nach MICHEL 2020, 342 werden hier Dtn 10,12; 11,13.22; 26,17–18 und 30,16.20 miteinander vermischt. Ob man allerdings derartig viele Bezugsstellen benötigt, ist fraglich, zumal man auch mit wesentlich weniger Stellen auskäme, die zudem näher an V.5 formulierten. 96 Vgl. hierzu HOLZINGER 1901, 91. Zu dieser Möglichkeit vgl. SMEND 2002, 154; KRAUSE 2014, 411 Anm. 12, die die Empfehlung des Toragehorsams in V.5 in Analogie zu Jos 1,7–8 sehen. Außerdem sei V.5 nach BALLHORN 2011, 356 eine Dublette zu V.2, die mit dem Adverb raq zudem nur schwerfällig angeschlossen ist. Gegen eine Ausscheidung von V.5 aber WOUDSTRA 1981, 318 Anm. 6, der die Ermahnung durchaus als realistisch betrachtet. 97 Vgl. HERTZBERG 1985, 122, der darauf hinweist, dass schon ausweislich der Beteiligung an der Beute die Leistung der Oststämme nicht als verdienstvoll gegenüber dem Gebot YHWHs gesehen werden könne. Der hier betonte Toragehorsam gelte somit nicht für die Oststämme, sondern werde für spätere Generationen eingeschärft.
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten
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stämme, die in Jos 1,16–18 gegeben wurde, endgültig aufgehoben.98 Außerdem unterstreicht der Segen, dass das Ostjordanland als Siedlungsgebiet für israelitische Stämme durchaus legitim ist.99 Die Verbindung von BRK und ŠLḤ findet sich nur hier und in der Jakoberzählung,100 ohne dass dies für die Redaktionsgeschichte fruchtbar gemacht werden kann. Die chiastische Anordnung von BRK und ŠLḤ in V.6 und V.7 zeigt darüber hinaus die Korrespondenz von Entlassung und Segen, wobei hier Mose als Geber des Landes im Osten und Josua als Geber des Landes im Westen parallelisiert werden.101 Alles in allem werden die ostjordanischen Stämme durch diese Redeweise als integraler Teil Israels betrachtet, auch wenn sie jenseits des Jordans leben. Denn der durch den Jordan abgetrennte Wohnort wird durch den Segen durchaus legitimiert. V.7: In V.7–9 werden bekannte Themen wieder aufgegriffen und damit besonders eingeschärft: der Ort Schilo, die 2 ½ ostjordanischen Stämme (Ruben, Gad und Halbmanasse)102 sowie das Ostjordanland (Baschan und Gilead). Als einziges neues Element wird hier die reichhaltige Beute erwähnt.103 Die Zuweisung des Baschans an Halbmanasse wurde bereits in Jos 13,30– 31 näher ausgeführt. Nach Dtn 3,13 und Jos 17,1.5 werden aber Gilead und Baschan an Halbmanasse gegeben, sodass die Beschränkung lediglich auf den Baschan in V.7 auffällig ist.104 Da hier der Baschan und nicht wie ansonsten 98 Vgl. FRITZ 1994, 226. Nach GRAY 1986, 170 wird der Segen oft zur Begrüßung oder Entlassung gegeben und wird als automatisch und effektiv angesehen. Nach SCHARBERT 1973, 820 bedeutet der Segen Josuas lediglich, „daß er sie mit guten Wünschen verabschiedete“. Nach BALLHORN 2011, 396 stellt der Segen „ein Abschluss- und Trennungsritual“ dar. OTTOSSON 1991, 143 vermutet, dass in V.6 nur Ruben und Gad im Blick sind. 99 Vgl. ASSIS 2004b, 213. 100 In der Abfolge BRK + ŠLḤ in Gen 28,6; Jos 22,6 und in der Anordnung ŠLḤ + BRK in Gen 32,27; Jos 22,7. Nach BALLHORN 2011, 397 wird bei ŠLḤ-D keine Rückkehr mehr erwartet. 101 Vgl. GÖRG 1991, 97. Zur chiastischen Form vgl. auch EDERER 2017, 303f. Der Segen Josuas lässt sich zudem mit dem Mosesegen in Dtn 33 vergleichen, vgl. HUBBARD 2009, 483. 102 Nach HUBBARD 2009, 484 dient Manasse mit seinem west- und ostjordanischen Landbesitz als Stamm, der die Einheit Israels aus West und Ost symbolisiert und damit die Spannung zwischen geographischer Abtrennung und religiöser Zusammengehörigkeit überbrückt. Ähnlich auch NELSON 1997, 247; HOWARD 1998, 404; ASSIS 2004b, 214. Anders hingegen HESS 1996, 320, dem zufolge Manasse bereits die mögliche Zerrissenheit andeutet. Nach HAWK 2000, 235 zeigt sich am Beispiel Manasse das Problem von territorialer Verortung und Stammeszugehörigkeit, und damit verbunden von Land und Stamm. Bei Westmanasse ist das Land für den Siedlungsort entscheidend, für Ostmanasse die Stammesverbindungen zu den ostjordanischen Stämmen. 103 Vgl. hierzu ZIESE 2008, 359f. 104 Ähnlich aber in der Liste der Levitenstädte Jos 21,6; 1Chr 6,47, wobei in beiden Stellen eine ausschließliche Beschränkung auf den Baschan nicht zwingend ist.
186
Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
in Jos 22 Gilead erwähnt wird, könnte dies ein weiterer Hinweis darauf sein, dass die Erwähnung von Halbmanasse erst sekundär in diese Texte eingetragen wurde.105 Auffälligerweise wird in V.7 das Verb NTN wie in Jos 13,15 ohne Objekt verwendet. Offenbar soll hier betont werden, dass die Aktivität der beiden Anführer Mose und Josua hervorgehoben werden soll und nicht das verteilte Land.106 In V.7 überliefert MT zwei unterschiedliche Lesarten, entweder Ketiv meʿebær oder Qere beʿebær, was aber eigentlich zu keinem wirklichen Bedeutungsunterschied führt.107 Möglicherweise sollte hier der eher priesterliche Ausdruck meʿebær durch den synonymen dtr. Begriff beʿebær ersetzt werden.108 Auffällig ist, dass der Ausdruck meʿebær hayYarden nur zweimal belegt ist,109 während ansonsten immer meʿebær leYarden110 bzw. layYarden111 verwendet wird. Vielleicht sollte durch das Qere beʿebær das Missverständnis abgewehrt werden, dass mit meʿebær das Ostjordanland gemeint sein könnte.112 Durch das folgende yāmmāh ist zudem sichergestellt, dass meʿebær hayYarden nicht auf das Ostjordanland bezogen werden kann. Die auf Jordan folgende Richtungsangabe yāmmāh wird von den Versionen entweder mit „westwärts“ (Vulgata) oder „zum Meer hin“ (LXX, Vetus Latina) wiedergegeben. Dadurch wird eine gewisse Doppeldeutigkeit eingetragen. Denn zum einen könnte der erste Ausdruck meʿebær hayYarden an das Ostjordanland anknüpfen,113 während sich der zweite Ausdruck yāmmāh sicherlich auf das Westjordanland bezieht. Durch diese Ambiguität könnten die territorialen Schwierigkeiten, die später bei der Altarbauerzählung in Jos 22,9–34 auftreten, bereits hier angedeutet sein,114 was zumindest den Übergangscharakter dieser Sätze unterstreicht. Darüber hinaus könnte hier mit der Redeweise 105 Vgl. DEN HERTOG 2003, 63. Dagegen aber MICHEL 2019, 166 Anm. 5, der die These nicht für plausibel hält, dass Halbmanasse in allen Texten sekundär hinzugetreten sei. 106 Vgl. BOLING 1982, 510. HARSTAD 2004, 683 spricht hier von Brachiologie und ergänzt „Land“ als das implizierte Objekt. 107 Vgl. NOTH 1971, 128. Nach BOLING 1982, 505 bezeichnet der Ausdruck „jenseits des Jordans“ in der Regel die Region östlich des Jordans. Nach KEIL 1847, 275 sei das seltenere Ketiv meʿebær vorzuziehen. 108 Zu dieser Differenzierung vgl. IBAÑEZ ARANA 1981, 78. Zu beʿebær hayYarden vgl. Gen 50,10.11; Dtn 1,1.5; 3,8.20.25: 4,41.46.47; 11,30; Jos 1,14.15; 2,10; 5,1; 7,7; 9,1.10; 12,1.7; 13,8; 22,4.8; 24,8; Ri 5,17; 10,8; 1Sam 31,7. 109 Num 32,19; Jos 22,7. 110 Num 22,1; 34,15; Jos 13,32. 111 Num 32,19.32; 35,14; Jos 14,3; 17,5; 18,7; Ri 7,25; 1Chr 26,30. 112 Aus diesem Grund liegt hier nach OETTLI 1893, 195 eine „unnütze Korrektur“ vor. BOLING 1982, 505 weist noch auf LXXA hin, die auf diese Präpositionalverbindung verzichte. 113 Nach HAWK 2000, 234 bezieht sich dieser Ausdruck hier entgegen seiner sonstigen Verwendung jedoch ebenfalls auf das Westjordanland. 114 Vgl. hierzu BOLING 1982, 510; EDERER 2017, 304.
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten
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meʿebær hayYarden „jenseits des Jordans“ die Perspektive der Oststämme eingenommen sein,115 die vom Ostjordanland auf den Westen schauen. Mit diesem Blickwinkel liegt Cisjordanien tatsächlich „jenseits des Jordans“. Für diese Deutung spricht zumindest der Umstand, dass zuvor der ostjordanische Baschan genannt wird, von dem aus gesehen das Westjordanland tatsächlich meʿebær hayYarden „jenseits des Jordans“ liegt. Der priesterliche Ausdruck meʿebær hayYarden ist zumindest die schwierigere Lesart, da hier der Anschluss an das dtr. geprägte Josuabuch nicht vollzogen wird. Denn der Ausdruck beʿebær hayYarden yāmmāh findet sich nur im ersten Teil des Josusabuchs.116 Die Ausdrucksweise wegam kî könnte schließlich auf eine Ellipse hinweisen im Sinne von: „es ist noch hinzuzufügen, dass“.117 Allerdings folgt zunächst eine weitere Überleitung und erst in V.8 der eigentliche Nachtrag, was gegen diese Deutung spricht. Fraglich ist darüber hinaus, ob sich die Entsendung und der Segen von V.7–8 lediglich auf den Halbstamm Manasse beziehen, während Ruben und Gad schon in V.6 verabschiedet worden sind.118 Denn das enklitische Personalpronomen 3. Maskulin Plural bei den beiden Formen šilleḥām und yebārakem kann sich im Nahkontext eigentlich nur auf den zuvor genannten westlichen Teil von Manasse beziehen. Ob hier allerdings nur eine Entlassung und ein Segen für Westmanasse im Blick sind, ist jedoch fraglich. V.8: Die Redeeröffnung in V.8 wird von LXX gänzlich übergangen, während sie am Schluss von Vetus Latina bereits in V.7 abgekürzt mit dicens angefügt wird. Da die Redeeröffnung in LXX fehlt, muss die Syntax der folgenden beiden Sätze verändert werden:119 aus Imperativen werden daher qatal-Formen und die enklitischen Personalpronomina 2. Maskulin Plural werden zu enklitischen Personalpronomina 3. Maskulin Plural. Außerdem konnte in V.9 die erste Verbalform gestrichen werden. Fraglich ist, ob erst die spätere Tradition die beiden qatal-Formen, die in der Vorlage der LXX standen, missverstanden hat und aus diesem Grund am Anfang von V.8 und V.9 Ergänzungen vornehmen musste, oder ob die LXX MT bewusst abgeändert hat, oder ob eine gemeinsame hebräische Vorlage von LXX und MT unterschiedlich wiedergegeben wurde: 1)
MT ist zumindest inhaltlich schwierig. Denn eine erneute Ansprache an die Oststämme scheint wenig sinnvoll zu sein, zumal die Oststämme bereits verschwunden sind. Dementsprechend könnte LXX eine kritische 115
Vgl. HAWK 2000, 235. Jos 5,1; 12,7. 117 Vgl. EHRLICH 1910, 57. 118 Vgl. zum Problem schon LLOYD 1886, 336f. Nach KNITTEL 2019, 219 scheint sich der Segen des Nachtrags in V.7–8 lediglich auf Manasse zu beziehen. 119 Zu den Änderungen von LXX vgl. auch GREENSPOON 1983, 151. 116
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
Korrektur von MT sein.120 LXX habe folglich die Anrede getilgt. Vielleicht hat LXX den Imperativ mit der Aufforderung zur Aufteilung der Beute in 8b aber einfach nur falsch verstanden und aus der großen Beute die tatsächliche Aufteilung abgeleitet. Dementsprechend hätte dann LXX eine qatal-Form und nicht einen Imperativ gelesen.121 Allerdings wäre auch die andere Interpretation möglich, dass nämlich MT die Schwierigkeit der dreifachen Rückkehr der Oststämme in V.6, V.8 und V.9 dadurch aufgelöst haben könnte, dass die Indikative, wie sie noch bei der LXX-Version belegt sind, in V.8 zu Imperativen umgewandelt wurden.122 Möglicherweise gab es ursprünglich einen längeren Text, der sowohl Befehl als auch Ausführung enthielt.123 In diesem Fall wäre von MT und LXX unterschiedlich gekürzt worden.
2)
3)
Eine textkritisch eindeutige Entscheidung ist hier kaum noch möglich. Denn die ersten beiden Deutungen schaffen zusätzliche inhaltliche Schwierigkeiten, während bei der dritten Interpretation ein hypothetischer Langtext rekonstruiert wird, der unterschiedlich gekürzt wurde, was methodisch nur schwer kontrolliert werden kann. Das Lexem nækæs, das als akkadisches Lehnwort zu bewerten ist,124 kommt nur in späten Texten vor.125 Mit den beiden Ausdrücken rab meʾod126 und harbeh meʾod,127 die jeweils an Vieh und Bekleidung gefügt worden sind, werden die anderen Beuteobjekte aus Edelmetall gerahmt.128 Es fällt auf, dass in V.8 bei den Metallen die Abfolge Silber – Gold – Bronze gewählt wurde. Denn meistens wird stattdessen die Anordnung Gold – Silber – Bronze be120
Vgl. HOLZINGER 1901, 91; WOUDSTRA 1981, 318 Anm. 9. Anders hingegen DILL1886, 576, dem zufolge die Doppelung zu V.9 von MT durch die Rede behoben wurde, zumal die Oststämme kaum zweimal zurückkehren. Auf diese Weise könnte man zudem die sonderbare Wortstellung und die Partikel gam des MT erklären. Ähnlich COOKE 1918, 202, dem zufolge MT den Text veränderte, um die Doppelung zu V.6 zu vermeiden. 121 Vgl. zum Problem BUTLER 2014, 244. 122 Vgl. BENNETT 1895, 31; NELSON 1997, 245. Nach ROBINSON 1907, 370; HOLMES 1914, 74f. sei der Text von LXX ursprünglicher als MT. 123 Vgl. BOLING 1982, 505. 124 Vgl. FRITZ 1994, 226; HARSTAD 2004, 683. 125 2Chr 1,11.12; Koh 5,17; 6,2. Kritisch zu einer diachronen Beurteilung aufgrund der Beleglage aber WOUDSTRA 1981, 318f. Anm. 10. 126 Der Ausdruck rab meʾod ist nur selten belegt: Jos 11,4; 22,8; 1Kön 10,2; 2Chr 32,29; Esr 10,1; Ez 47,7; Joel 2,11. Nur bei dem Besuch der König von Saba ist dieser Ausdruck mit Reichtum verbunden. 127 Auch bei dem Ausdruck harbeh meʾod ist keine spezielle Prägung erkennbar: Gen 15,1; 41,49; Dtn 3,5; Jos 13,1; 22,8; 1Sam 26,21; 2Sam 8,8; 12,2.30; 1Kön 5,9; 10,10.11; 2Kön 21,16; 1Chr 20,2; 2Chr 14,12; 32,27; Neh 2,2; Jer 40,12. In Jos 13,1 ist harbeh meʾod redaktionell ergänzt worden. 128 Vgl. BOLING 1982, 510. MANN
1. Textkritische und sprachliche Auffälligkeiten
189
vorzugt.129 Die ganze Abfolge von Gold – Silber – Bronze – Eisen findet sich ansonsten nur noch in Num 31,22, wo es um die Reinigung und Entsündigung verschiedener Materialien geht und in 1Chr 22,14.16; 29,2.7, wo der Schatz für den Tempelbau durch David aufgezählt wird, der nach 2Chr 2,6.13 von einem Kunsthandwerker verarbeitet wird. Außerdem kommen diese vier Metalle im Josuabuch noch in Jos 6,19.24 vor, wo das Banngut beschrieben wird, das man dem Schatz YHWHs zukommen lassen soll. An allen Josuastellen wird die Abfolge Silber – Gold – Bronze – Eisen gewählt. Von der LXX wird gerade bei den letzten beiden Metallarten Eisen und Bronze unterschiedlich gekürzt.130 Bei der Aufzählung der Beutestücke wird von Vetus Latina zudem auf „Bronze“ verzichtet. Außerdem ist das Beutegut śalmāh „Kleider“ auffällig. Nur in der Auflistung der Tribute an Salomo in 1Kön 10,25// 2Chr 9,24 wird śalmāh ebenfalls genannt. Da der Imperativ ḥilqû in V.8 asyndetisch gefügt ist, kann man nicht davon ausgehen, dass hier eine Abfolge angedeutet werden soll, wonach die Verteilung nach der Rückkehr der Oststämme erst stattfinden soll. Beide Imperative sind hingegen parallele Anweisungen, die zu befolgen sind.131 Vielleicht spiegelt die Aufforderung, die Beute zu teilen, nicht nur eine traditionelle Vorgehensweise wider, sondern betont die nationale Einheit. Außerdem könnte damit eine Ermahnung verbunden sein, großzügig und altruistisch die Beute zu verteilen.132 Fraglich ist, ob es sich bei šālāl um die bei der Landnahme erzielten Beutestücke handelt oder allgemein um Beute, die von Feinden geraubt wird. Der Ausdruck ḤLQ-G + šālāl ist ebenfalls auffällig, da ansonsten ḤLQ-D für die Verteilung der Beute verwendet wird.133 Da die Oststämme über šālāl „Beute“ aus der Landeroberung verfügen, scheint das Gebot zur Vernichtungsweihe der kanaanäischen Städte nicht allzu strikt durchgeführt worden zu sein.134 Die Verteilung von Silber, Gold, Bronze und Eisen widerspricht nämlich den Angaben in Jos 6,19, wo diese Dinge Banngut sind und eigentlich in den Schatz YHWHs gehören.135 Insofern wird hier eigentlich gegen die Vorgaben zur Landeroberung verstoßen. Der Umstand, dass dieses Vorgehen 129 Ex 25,3; 31,4; 35,5.32; 1Chr 18,10; 22,14.16. Mit Voranstellung von Silber in 2Sam 8,10. 130 Vgl. HOLZINGER 1901, 89. NELSON 1997, 246 geht hier von Haplographie aus. Ähnlich auch BOLING 1982, 505. 131 Vgl. HOWARD 1998, 405 Anm. 8. Nach OETTLI 1893, 196 liegt in der Verteilung ein neuer Auftrag, was eventuell bereits durch die Verwendung von gam in V.7 angedeutet sein könnte. 132 Vgl. NELSON 1997, 251. 133 Gen 49,27; Ex 15,9; Ri 5,30; Ps 68,13; Spr 16,19; Jes 9,2; 33,23; 53,12; Sach 14,1. 134 Ob hier mit KNAUF 2008, 185 die Beuteverteilungsregeln in Num 31,25–47 eingehalten werden sollten, ist fraglich, da in V.8 auch andere Beuteobjekte als in Num 31 genannt werden. Zum Bezug zu Num 31 vgl. schon KEIL 1847, 375. 135 Vgl. MILLER/TUCKER 1974, 166.
190
Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
von Josua befohlen wird, entschärft nur kaum den Tatbestand. Fraglich ist allerdings, ob der Autor von Jos 22 die Bestimmungen im ersten Teil des Josuabuchs überhaupt vor Augen hatte. Nach Jos 8,27 gab es auch die Möglichkeit, dass die Sieger behemāh „Vieh“ und šālāl „Beute“ der Stadt Ai für sich erbeuten durften. In Jos 8,27 wird zudem betont, dass diese Verfahrensweise durchaus dem Wort YHWHs entspricht,136 wobei man sich auf aus Jos 8,2 bezieht. Allerdings wird nicht näher ausgeführt, um welche Art von šālāl „Beute“ es sich hierbei handelt. Vielleicht liegen in Jos 8 die Vorschriften aus Dtn 20,10–18 zugrunde, wonach man Beute aus entfernten Territorien durchaus besitzen darf. Die Aufteilung der Beute nach der Schlacht soll nach Num 31,27 zudem zwischen den Kriegern und dem Rest der Gemeinschaft erfolgen.137 Aus alledem folgt, dass die Bestimmungen zur Verteilung der Beute in Jos 22 eher auf die priesterliche Tradition zurückgreifen und weniger der dtr. Banngesetzgebung entsprechen. Fraglich ist, auf wen sich der Ausdruck ʾaḥîkæm „eure Brüder“ bezieht. Hierfür sind prinzipiell vier Deutungen möglich: Bisweilen werden die in V.8 erwähnten ʾaḥîkæm auf all diejenigen bezogen, die zum Schutz von Frau und Kindern im Ostjordanland zurückgeblieben sind.138 Zumindest sollten sich nach Jos 1,14 nur die gibbôrê haḥayil „Krieger der Kraft“ an der Eroberung des Westjordanlandes beteiligen, sodass vor diesem Hintergrund durchaus noch eine gewisse Anzahl an „Brüdern“ der Stämme Ostmanasse, Ruben und Gad im Ostjordanland verblieben sein können.139 Dementsprechend könnte durch diese kurze Notiz ausgedrückt sein, dass das ganze Volk sowohl am Verlustrisiko wie auch am Gewinn beteiligt werden sollte, da die Eroberung vom ganzen Volk Israel ausging.140 Allerdings könnte man unter ʾaḥîkæm die beiden Stämme Ruben und Gad141 als Brüder Manasses verstehen, zumal der Fokus ab V.7 auf den Stamm Manasse gerichtet wird. Dann könnte es sich um die ostjordanischen Brüder von Ostmanasse handeln. Allerdings hat bereits 7b vermut-
1)
2)
136
Ähnlich auch Jos 11,14. Vgl. EHRLICH 1910, 57; HOWARD 1998, 405. 138 So HARSTAD 2004, 688; KNAUF 2008, 185; BALLHORN 2011, 358. Auch nach KNOBEL 1861, 477; DILLMANN 1886, 576; OETTLI 1893, 195f.; ROBINSON 1907, 370; EHRLICH 1910, 57; GÖRG 1991, 98 sind mit den Brüdern die Stammesgenossen der 2 ½ Oststämme gemeint. 139 Vgl. hierzu auch HERTZBERG 1985, 122. 140 Vgl. HERTZBERG 1985, 122. MILLER/TUCKER 1974, 166 betonen ebenfalls, dass am Beispiel der ostjordanischen Stämme darauf habe hingewiesen werden sollen, dass die Landeroberung von ganz Israel unter der Führung Josuas beendet worden sei. 141 Vgl. hierzu auch DEN HERTOG 2003, 63. SPRONK 1994, 174 vermutet hier die Oststämme insgesamt. 137
2. Literarkritische Entwürfe und eigener Lösungsvorschlag
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lich wieder alle ostjordanischen Stämme im Blick, da das enklitische Personalpronomen 3. Maskulin Plural sich nicht auf Ostmanasse beziehen kann. Gelegentlich denkt man lediglich an diejenigen Manassiten, die nicht am Feldzug teilgenommen haben und im Ostjordanland verbleiben sind.142 Allerdings muss man bei dieser Deutung voraussetzen, dass in 7b–8 syntaktisch nur Ostmanasse allein gemeint sein kann. Bisweilen wird ʾaḥîkæm auf die westjordanischen Stämme bezogen, zumal die ʾaḥîkæm in V.3 und V.4 die Weststämme bezeichnete. Dann würde hier betont werden, dass die Oststämme die künftige Beute ebenfalls mit ihren Brüdern im Westen teilen sollen.143 Denn eine Verteilung der aktuellen Beute unter allen Stämmen nach der Entlassung kommt hier zu spät. Eigentlich hätte dies davor erfolgen müssen.144
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Eine eindeutige Interpretation von ʾaḥîkæm ist in 8b kaum möglich, da der Text hier keine genauen Bezüge anbietet. Zumindest die Optionen, die in 7b– 8 davon ausgehen, dass lediglich Ostmanasse angesprochen ist (2 und 3), sind syntaktisch eigentlich ausgeschlossen.145 Außerdem erweitert V.8 den Auftrag des Mose in Num 32,6 ein, wonach die Oststämme nicht nur bei der Eroberung mitwirken sollen, sondern nach V.8 auch mit der Beuteverteilung gerecht umgehen sollen.146
2. Literarkritische Entwürfe und eigener Lösungsvorschlag Für den kurzen Abschnitt Jos 22,1–8 gibt es einige literarkritische Entwürfe, die im Folgenden vorgestellt und bewertet werden sollen. Eine angemessene literarkritische und redaktionsgeschichtliche Einordnung von Jos 22,1–8 ist
142
Vgl. zu dieser Deutung RÖSEL 2011, 346, der auch andere Alternativen bietet. Vgl. HUBBARD 2009, 484. Kritisch hierzu aber WOUDSTRA 1981, 319 Anm. 12. Nach STEUERNAGEL 1900, 237 wird in 8b den Oststämmen steter Sieg gewünscht, damit Beute verteilt werden kann. Nach EDERER 2017, 304 können sich die Brüder auf die zurückgebliebenen Stammesgenossen im Ostjordanland oder die Weststämme beziehen. In beiden Fällen werde hier entweder eine geschwisterliche oder wechselseitige Solidarität beschworen. Ähnlich ASSIS 2004b, 214 Anm. 13. Nach DEURLOO 1995, 117 könnten hier auch beide Hälften Manasses zu wechselseitigem Teilen aufgefordert sein. 144 Vgl. DEN HERTOG 2003, 63. 145 HARSTAD 2004, 687 weist noch darauf hin, dass spätestens V.9 deutlich macht, dass die 2 ½ Oststämme in V.8 angesprochen werden. 146 Vgl. hierzu JOBLING 1986, 96. 143
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
auch damit verbunden, wie man diese Verse diachron mit der Altarbauerzählung verbindet:147 1)
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3)
Steuernagel (1900):148 Ausweislich der Idiomatik seien Jos 22,1–8 als dtr. zu bezeichnen. Dieser Abschnitt bilde den Abschluss der Erzählung von der Beteiligung der Oststämme an der Eroberung des Westjordanlandes. Lediglich V.5 und V.7–8 seien redaktionelle Nachträge. V.5 sei gänzlich von dtr. Formeln geprägt. Dementsprechend gehe dieser Vers auf eine dtr. Redaktion zurück. Gemäß 7a ziehe nur die eine Hälfte von Manasse ins Ostjordanland. Darüber hinaus seien 7b–8 ein weiterer Nachtrag, der V.6 zusätzlich ausführe. Außerdem habe eine priesterliche Redaktion den Ausdruck ʾaḥuzzāh in V.4 anstelle von dtr. yeruššāh eingetragen.149 Allerdings ist eine solche Ersetzung methodisch kaum zu kontrollieren, da hier vorausgesetzt wird, dass in einem postulierten dtr. Text nur dtr. Ausdrücke stehen dürfen. Hinzu kommt, dass die dtr. Prägung des Abschnitts nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Noth (1971):150 In Jos 22,1–6 liege zusammen mit Jos 21,43–45 und Jos 23,1–16 der dtr. Abschluss der Landnahmeüberlieferung vor. In diesem Sinne sei der Abschnitt V.1–6 das Gegenstück zu Jos 1,12–18. Die V.7–8 seien hingegen eine redaktionelle Klammer zur Episode vom Altarbau, der ursprünglich nur von Ruben und Gad betrieben worden sei. Mithilfe der Formulierung in 7b habe der Zusatz ohne Probleme angeschlossen werden können. Das Fehlen Ostmanasses in der ursprünglichen Altarbauerzählung wird daher zunächst dadurch erklärt, dass Manasse getrennt von Ruben und Gad entlassen wird. Außerdem sollte Ostmanasse seine Beute mit seinen ostjordanischen Brüdern Ruben und Gad teilen. Allerdings ist der Bezug von 7b–8 auf Ostmanasse allein problematisch. Dann ist aber auch fraglich, weshalb diese redaktionelle Klammer eingetragen werden musste. Kloppenborg (1981):151 Aufgrund der dtr. Idiomatik gingen V.1–6 auf einen dtr. Redaktor zurück, während es sich bei V.7–8 um eine spätere Glosse handele, die die Verteilung von Manasse auf west- und ostjordanische Siedlungsgebiete eintrage und ähnlich wie V.1–6 mit Entlassung und Segen ende. Bei dieser Erklärung werden aber die nachklappenden
147 Da die Altarbauerzählung die Entlassung der Oststämme aufnimmt und fortführt, aber V.1–6 nicht auf die folgenden Ereignisse hinweisen, setze die Altarbauerzählung offenbar V.1–6 voraus, vgl. THON 2006, 87. 148 Vgl. STEUERNAGEL 1900, 236f. 149 Vgl. hierzu auch DILLMANN 1886, 575. Zu dem dtr. Ausdruck yeruššāh vgl. Dtn 2,5.9.12.19; 3,20; Jos 12,6.7; Ri 21,17; 2Chr 20,11; Ps 61,6; Jer 32,8. 150 Vgl. NOTH 1971, 133. 151 Vgl. KLOPPENBORG 1981, 351f.
2. Literarkritische Entwürfe und eigener Lösungsvorschlag
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Imperative Josuas in V.8 nur unzureichend eingeordnet, da die Erzählung bereits mit V.7 hätte schließen können. Boling (1982):152 Möglicherweise sei Jos 22,1–5 von Dtr2 eingefügt worden, wobei dieser Abschnitt mit Jos 1,12–18 einen Rahmen bilde. In V.1–5 liege wiederum eine typisch dtr. Rede vor, auch wenn sich diese Rede nicht an ganz Israel wie im folgenden Kapitel, sondern nur an die Oststämme richte. Ebenfalls von Dtr2 stammten V.6–8, die einen redaktionellen Übergang zur Altarbauerzählung darstellten. Problematisch ist jedoch, dass bei dieser Lösung die Sendung und Entlassung zweimal ausgedrückt werden und der Appell Josuas überhaupt nicht erklärt wird. Gray (1986):153 Die dtr. Darstellung der Entlassung der Oststämme in V.1–6 sei in V.7–8 noch durch weitere Notizen zur Entlassung und Ansiedlung von Ostmanasse ergänzt worden. Mit V.9 folge schließlich der Übergang zur nachexilischen, redaktionellen Erzählung vom Altarbau der Oststämme im Jordantal. Auch hier werden wiederum V.7–8 allein auf Ostmanasse bezogen, was aber eigentlich nicht möglich ist. O’Brien (1989):154 Während Jos 22,1–4.6 bereits zu DtrG zu rechnen seien, die den Erzählfaden der Beteiligung der Oststämme an der Eroberung des Westjordanlandes zum Abschluss brächten, sei V.5 eine nomistische Ergänzung, die die Beachtung der Tora einschärfen solle. Außerdem gehörten V.7–8 bereits zur Altarbauerzählung, die eine späte priesterliche Ergänzung sei. Dagegen spricht aber der Umstand, dass V.7–8 kaum priesterliche Sprache verwenden und die Bezüge zu dtr. Texten wesentlich stärker sind. Fraglich ist überdies, ob V.5 ein redaktioneller Einschub ist, da die Ermahnung zum Toragehorsam durchaus zur Entlassung der Oststämme passt. Fritz (1994):155 Die Entlassung der Oststämme liege offenbar auf einer literarhistorischen Ebene mit deren Verpflichtung in Jos 1,12–18. Da es sich bereits bei Jos 1,12–18 um einen Nachtrag handele, der Num 32 aufgreife und erst relativ spät angefügt worden sei, scheine daher auch Jos 22,1–6 ein redaktioneller Einschub zu sein, der erst nach der dtr. Redaktion eingetragen worden sei, um die besondere Situation der Oststämme nach der Landeroberung und Landverteilung hervorzuheben. Lediglich 1b mit der Erwähnung von Halbmanasse156 und der Ausdruck weʾæt hattôrāh „und die Weisung“ in V.5 werden als überflüssige Glossen bewertet. Die V.7–8 seien hingegen eine redaktionelle Klammer, um den Halbstamm Manasse nachzutragen, zumal ursprünglich nur Ruben und Gad die Handlungsträger gewesen seien. Für den Nachtragscharak-
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Vgl. BOLING 1982, 508. Vgl. GRAY 1986, 168f. 154 Vgl. O’BRIEN 1989, 75. 155 Vgl. FRITZ 1994, 220. 156 Vgl. FRITZ 1994, 226. 153
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
ter von V.7 spricht die Wiederaufnahme der Verben ŠLḤ und BRK.157 Allerdings wird mit dieser Argumentation nur V.7 als Nachtrag begründet. Fraglich bleibt weiterhin, weshalb der an sich unnötige V.8 als nachgeschobener Imperativ (MT) oder als Indikativ (LXX) ebenfalls noch ergänzt wurde. Außerdem gibt es für die Deutung von weʾæt hattôrāh als Glosse keine einsichtige Begründung. 8) Schorn (1997):158 Als korrespondierendes Gegenstück zu Jos 1,12–18 hebe der spätdtr. Abschnitt Jos 22,1–6 die Verpflichtung der Oststämme Ruben, Gad und Halbmanasse zur Eroberung des Westjordanlandes auf. In V.7–8 handele es sich um eine Glosse, wobei sich die Entlassung und Segnung in 7b nicht nur auf Ostmanasse, sondern auf die Oststämme insgesamt bezögen.159 Den Nachtragscharakter zeige auch die auffällige Inversion des Satzes in 8a an. Die Glosse in V.8 könne mit dem endzeitlichen Motiv der Teilhabe Israels an den Schätzen der Völker gemäß Sach 14,14 zusammenhängen, was auf einen späten Einschub hinweise. Ob man allerdings einen derartigen Bezug ziehen darf, ist fraglich, da es hierfür keinen zwingenden sprachlichen Hinweis gibt, zumal die Unterschiede in Sach 14,14 auffällig sind. Denn die unterschiedliche Abfolge von Gold und Silber, der Begriff bægæd anstelle von śalmāh sowie die andersartige präpositionale Ergänzung lārob meʾod in Sach 14,14 sprechen gegen eine Verbindung der beiden Stellen. 9) Nentel (2000):160 Der Abschnitt Jos 22,1–8 könnte ein spätdtr. Zusatz sein, der zahlreiche Bezüge zu Jos 1 aufweist. Denn hier wird auf die Mahnung Josuas an die 2 ½ ostjordanischen Stämme in Jos 1,12–15 verwiesen, an der Landnahme im Westjordanland teilzunehmen. Darüber hinaus spielt V.5 auf Jos 1,7f. an. Außerdem scheinen V.7–8 eine noch spätere Glosse zu sein. Hier wird Mose als Geber des Ostjordanlandes wie schon in Jos 1,14–15 bezeichnet. Eine Zweiteilung von Jos 22,1–8 ist durchaus plausibel. Inwieweit aber die Parallelen in Jos 1 auch in Jos 22 herangezogen werden dürfen, ist fraglich. 10) den Hertog (2003):161 Die dtr. Grunderzählung bestehe aus V.1.2aα.3–4 (bis ʾåhålêkæm).6, wobei V.2 ab ʾattæm eine Dublette zu V.3 bilde. Außerdem sei die mit einem Relativsatz erweiterte Präpositionalverbindung ʾæl ʾæræṣ ʾaḥuzzatkæm eine redaktionelle Klammer, die schon auf die spätere Problematisierung des Verhältnisses zu den Oststämmen hinweise, zumal diese Stämme bereits von Mose ihr Nutzgebiet im Ostjordanland erhalten hätten. Außerdem seien die fünf Infinitivsätze in V.5 nicht 157
Vgl. FRITZ 1994, 226. Vgl. SCHORN 1997, 205–208. 159 Vgl. hierzu schon KUENEN 1886, 339, der auf den eigentlichen Bezugspunkt der enklitischen Personalpronomina verweist. 160 Vgl. NENTEL 2000, 99. 161 Vgl. DEN HERTOG 2003, 62f.66f. 158
2. Literarkritische Entwürfe und eigener Lösungsvorschlag
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vom eröffnenden Imperativ abhängig, sondern explizierten die von Mose befohlene Weisung. Darüber hinaus seien V.7–8 diverse Ergänzungen, die redaktionsgeschichtlich nicht eingeordnet werden können. Fraglich ist jedoch, weshalb V.2* größtenteils eine Dublette zu V.3 sein sollte, zumal es in beiden Versen um unterschiedliche Dinge geht (V.2: Befehl Moses und Josuas; V.3: Befehl YHWHs). Ausweislich der Beobachtung, dass Jos 22 thematisch an Jos 1 anschließt, sollte man eher erwarten, dass V.3 mit dem Befehl YHWHs ein Nachtrag ist, da V.2 perfekt an Jos 1,12–15 anschließt, wo tatsächlich ein Befehl Moses und Josuas gegeben wird. 11) Römer (2006):162 Vielleicht gehöre Jos 22,1–6 zusammen mit Jos 21,43– 45 und Jos 23 zum DtrG. Die Rückkehr der Oststämme schaffe dann einen Ausgleich zwischen der Konzeption des Jordans als Grenze des Verheißungslandes und der Realität von israelitischen Stämmen jenseits des Jordans. Allerdings ist die Zuweisung von V.1–6 zum DtrG aufgrund von priesterlichen Ausdrücken unsicher. Es scheint sich hierbei eher um einen späten Text zu handeln, der dtr. und priesterliche Sprache miteinander verbindet. 12) Albertz (2007):163 Während Jos 22,1–6 als dtr. beurteilt werden, seien V.7–8 ein priesterlicher Zusatz, der nötig geworden sei, um diese Erzählung an das Folgende anzubinden, wo es zunächst nur um die beiden ostjordanischen Stämme Ruben und Gad gegangen sei, die in Gilead gesiedelt hätten. Auf diese Weise habe ein Ausgleich zum dtr. V.1 mit seiner Erwähnung von Halbmanasse geschaffen werden können, der schließlich im Baschan verortet worden sei. Dieser Entwurf setzt vermutlich voraus, dass es ursprünglich zwei voneinander unabhängige Erzählungen gab: Die Entlassung der Oststämme (Jos 22,1–6: dtr. mit Halbmanasse) und der Altarbau (Jos 22,9–34: priesterlich ohne Halbmanasse). Nur vor diesem Hintergrund sei der Einschub in V.7–8 verständlich. Allerdings ist aufgrund der Verwendung von maṭṭæh bei Halbmanasse fraglich, ob dieser Stamm bereits zur dtr. Erzählung gehört haben kann. Man müsste folglich mit einer sekundären Änderung von dtr. zu priesterlichen Ausdrücken ausgehen. 13) Knauf (2008):164 Jos 22,1–6 setze im Rahmen der Endredaktion die sogenannte Hexateuchredaktion mit ihrer Mischung von dtr. und priesterlicher Sprache fort. Aufgrund der Verdoppelung des Segens seien V.7–8 eine Fortschreibung. Allerdings wird auf diese Weise nur V.7 erklärt, da die Aufforderungen in V.8 eigentlich keine Explikation des Segens sind.
162
Vgl. RÖMER 2006, 530f.; RÖMER 2010, 92f. Vgl. ALBERTZ 2007a, 212f. 164 Vgl. KNAUF 2008, 179f.;184f. 163
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14)
15)
16)
17)
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Erklärungsbedürftig ist zudem, weshalb es zu einer derartigen Fortschreibung gekommen sein soll. Ballhorn (2011):165 Eine dtr. Gebotsredaktion habe 3b und V.5 eingefügt. In V.8 werde das eigenständige Nebenthema des geraubten Reichtums sekundär nachgeliefert. Noch später ist der Manassevers V.7 eingeschoben worden, der den Übergang von V.6 zu V.8 zusätzlich unterbricht. Eine Manasse-Redaktion habe zudem den Halbstamm Manasse in V.1 nachgetragen. Die von Ballhorn zuvor erarbeiteten Beobachtungen sind jedoch fast ausschließlich inhaltlicher Art, ohne dass deutliche sprachliche Brüche oder eindeutige literarische Kriterien geltend gemacht werden können. Bieberstein (2011):166 Die Beteiligung von Ruben, Gad und Halbmanasse an der Eroberung des Westjordanlandes könnte zu einem dtr. Horizont gehören, der die Texte Dtn 3,18–20,167 Jos 1,12–15, Jos 4,12–13 und Jos 22,1–4.6–9 umfasse. Wie allerdings V.5 sowie die priesterlich gefärbte Idiomatik innerhalb von Jos 22,1–8 zu beurteilen ist, wird nicht näher ausgeführt.168 Auch der Bezug zu Num 32 wird weitgehend ausgeblendet. Braulik (2011):169 Die Entlassung der Oststämme im dtr. geprägten Abschnitt V.1–4.6 gehöre noch zur dtr. Landeroberungserzählung (DtrL).170 Erst relativ spät sei V.5 eingefügt worden, der auf ein anderes Bezugssystem zurückgehe. Für die Zugehörigkeit zu einer DtrL sprechen zumindest zwei Verweissysteme mit ʿæbæd YHWH und dem Verb NūḤ.171 Wie allerdings die V.7–8 literarhistorisch einzuordnen sind und wie das Verhältnis zur folgenden Altarbauerzählung bestimmt werden kann, wird nicht näher von Braulik ausgeführt. Rösel (2011):172 Die Erzählung von der Entlassung der Oststämme sei dtr. geprägt. Während in der ursprünglichen Tradition nur Ruben und Gad genannt würden, solle durch die Fortschreibung in V.7 betont werden, dass auch noch der Halbstamm Manasse zu den Oststämmen gehöre. Auf eine spätere Eintragung von V.8, die überdies nichts mit dem Halbstamm Manasse zu tun habe, weise das akkadische Lehnwort nekāssîm hin. Hinzu komme, dass der Eroberungskrieg, der von einem vereinten Israel geführt worden sei, sich überhaupt nicht mit Beute beschäf-
Vgl. BALLHORN 2011, 365. Vgl. BIEBERSTEIN 2011, 163–165. 167 Zu diesem Bezug vgl. auch EDERER 2017, 301. 168 Nach BIEBERSTEIN 1995, 101 ist V.5 eine nomistische Ergänzung (DtrN), die sekundär in DtrR eingetragen wurde. 169 Vgl. BRAULIK 2011, 142f. 170 Dagegen aber die gewichtigen Argumente bei MICHEL 2020, 337–351. 171 Vgl. BRAULIK 2011, 103.140. 172 Vgl. RÖSEL 2011, 345f. 166
2. Literarkritische Entwürfe und eigener Lösungsvorschlag
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tige. Der Anfangsvers Jos 22,1 mit seiner Erwähnung von Halbmanasse korrespondiere zudem mit Jos 1,12. Dementsprechend sei der Hinweis in V.1 auf Halbmanasse eine sekundäre Eintragung. Hierauf weise auch die Verwendung des priesterlichen Begriffs maṭṭæh anstelle des dtr. šebæṭ hin. Allerdings lässt sich eine redaktionelle Eintragung von Halbmanasse in V.1 kaum allein mit der Korrespondenz zu Jos 1,12 begründen, zumal dort ebenfalls bereits die 2 ½ Oststämme erwähnt werden. Hinzu kommt, dass sich auch die Landnahme mit Beute beschäftigt, was aus der Erzählung der Eroberung von Ai in Jos 8 hervorgeht. Dementsprechend könnte V.8 eine sekundäre Angleichung und Explikation von Jos 8 sein. An die Beuteverteilung seien folglich auch die Oststämme gebunden. Diese Schlussfolgerung gilt freilich nur dann, wenn Jos 22 literarhistorisch jünger als Jos 8 ist. Auf der Ebene des Endtextes lassen sich zumindest derartige Bezüge herstellen. Aber ob das auch für das diachrone Wachstum der Texte gilt, ist fraglich. 18) Yoo (2018):173 Der Abschnitt Jos 22,1–8 gehe auf drei Schichten zurück. Eine nicht-dtr. bzw. nicht-priesterschriftliche Quelle umfasse 1a.2–3a.6* (A). Die Erwähnung von Halbmanasse in 1b gehöre zu einer redaktionellen Erweiterung (B), die die vorliegende Quelle mit dtr. und priesterlichen Konzeptionen harmonisiert habe. Die Abschnitte 3b–5 und 6b*–8 seien später redaktionell von einer dtr. Hand ergänzt worden (C), wobei 6b* die in V.4 geforderte Heimkehr zu den Zelten einlöse und daher von derselben dtr. Hand ergänzt worden sein müsse. In V.4 werde zudem dtr. und priesterliche Sprache gleichermaßen verwendet, sodass diese dtr. Redaktion als postpriesterschriftlich zu klassifizieren sei. Selbst die Erwähnung von Halbmanasse von V.7 gehe auf die dtr. Hand (C) zurück, auch wenn dieser Halbstamm erst durch die Erweiterung B eingetragen worden sei. Fraglich bei diesem Entwurf ist jedoch die Abtrennung ab 3b, zumal es hierfür abgesehen von dem schwierigen weqatal keine zwingenden Kriterien gibt und auch schon in 3a Bezüge zu dtr. Texten bestehen.174 19) Knittel (2019):175 Der Abschnitt Jos 22,1–8* sei ein innerjosuanischer Bezugstext, der zur dtr. Grundschicht des Josuabuches gehöre, während die Altarbauerzählung eine schriftgelehrte post-priesterschriftliche Auseinandersetzung über die Orientierung der Diaspora am Zentralheiligtum sei. Die Entlassung des Halbstammes Manasse in V.7–8 sei darüber hinaus ein nicht organisch angeschlossener Nachtrag. Außerdem sei Jos 22 173
Vgl. YOO 2018, 4–9. BALLHORN 2011, 356 verweist jedoch auf eine inhaltliche Spannung. Denn 3b unterbreche das in 3a und 4a angesprochene Brüderthema. Da allerdings hier auf den Gottesbefehl verwiesen wird, dem zufolge die Oststämme ihre Brüder bei der Eroberung unterstützen müssen, ist diese Beobachtung nicht zwingend. 175 Vgl. KNITTEL 2019, 223f. 174
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
von einer Halb-Manasse-Redaktion bearbeitet worden. Fraglich ist allerdings, wie V.7–8 literarhistorisch zu bewerten sind, die irgendwie nachgeschoben wirken.176 20) Michel (2020):177 Aufgrund von zahlreichen sprachlichen und inhaltlichen Beobachtungen könne man versuchsweise einen älteren dtr. Text in V.2.3a.4ab (bis einschließlich leʾåhålêkæm).6 rekonstruieren. Allerdings fehlt hier mit V.1 eine Einleitung mit Nennung der Oststämme, die man bei dieser Rekonstruktion irgendwie ergänzen müsste. Auch die doppelt ausgedrückte Rückkehr zu den Zelten – verbunden mit der schwierigen Präposition ʾæl in V.6178 – ist problematisch, sodass V.6 mitunter ebenfalls zu streichen wäre. Als Abschluss einer vermuteten DtrL scheidet dieser Text zumindest aus. Eine Literarkritik, die die sprachlichen Probleme von Jos 22,1–8 ernstnimmt, kann offenbar nur ein Fragment rekonstruieren, das kaum für sich selbst stehen kann. Aus alledem folgt: Der schwierige Abschnitt Jos 22,1–8 konnte bislang noch nicht konsensfähig in die Redaktionsgeschichte des Josuabuches insgesamt eingeordnet werden. Alle Versuche, zumindest in Jos 22,1–6 einen Text zu finden, der seit jeher zu einem dtr. geprägten Josuabuch gehört habe (ob im Rahmen von DtrL oder DtrG bzw. DtrN), sind schon vor dem Hintergrund der Beobachtung eigentlich hinfällig, dass offenbar Jos 13–22 insgesamt in das dtr. Josuabuch aufgrund der Technik der Wiederaufnahme eingeschoben worden ist.179 Trotzdem wird zumindest der Abschnitt Jos 22,1–6 meist einem dtr. Redaktor zugeschrieben.180 Die von dtr. Idiomatik abweichenden Ausdrücke, die gerne mit priesterlichen Texten verbunden werden, müssen dementsprechend entweder textkritisch geändert (maṭṭæh zu šebæṭ) oder im Deuteronomium (mišmæræt in Dtn 11,1)181 bzw. in angeblich nichtpriesterlichen Textschich-
176
Zum Problem dieser Redaktionsgeschichte vgl. MICHEL 2020, 335f. Anm. 11. Vgl. MICHEL 2020, 349–351. 178 Eine solche Konstruktion ist vermutlich priesterlich motiviert, vgl. MICHEL 2020, 351 Anm. 65. 179 Vgl. hierzu GASS 2019b, 22–24. 180 Vgl. zur dtr. Prägung von V.1–6 KUENEN 1886, 339; SMEND 1912, 313; COOKE 1918, 200; RUDOLPH 1938, 238; WELLHAUSEN 1963, 133; DUS 1964, 544; NOTH 1971, 133; MILLER/TUCKER 1974, 166; KLOPPENBORG 1981, 351f.; GRAY 1986, 169; NELSON 1997, 247; SCHORN 1997, 205; THON 2006, 87; RÖSEL 2011, 345; AULD 2012, 283; BLUM 2012, 151; KNITTEL 2019, 222; MICHEL 2019, 167. Nach HOLZINGER 1901, 91 lag dem dtr. Redaktor zudem ein ursprünglicher Text zur Entlassung der Oststämme vor, der mit Num 32 zu verbinden war. Die frühere Exegese sah in Jos 22 vor allem den sogenannten Jehowisten am Werk, vgl. KNOBEL 1861, 475. 181 Vgl. SCHORN 1997, 206 Anm. 327. 177
2. Literarkritische Entwürfe und eigener Lösungsvorschlag
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ten verortet werden (ʾaḥuzzāh).182 Innerhalb von diesem dtr. Abschnitt könnten zudem die V.1–5 eine kleine dtr. Übergangsrede gewesen sein, wie dies auch an anderen Punkten der dtr. geprägten Geschichtserzählung anzutreffen sei.183 Allerdings kann Jos 22,1–6 aus mehreren Gründen nicht ein alter dtr. Text sein:184 1)
2)
3) 4)
5)
Es ist fraglich, ob die priesterlich geprägte Lesart maṭṭæh textkritisch zu šebæṭ geändert werden kann, zumal die zuverlässigsten Handschriften in V.1 für die Lesart maṭṭæh sprechen.185 Allerdings ist die Verwendung von Gentilizia wie hier lāRuʾûbenî welagGādî eher in dtr. Texten zu finden, sodass hier offenbar ein dtr.-priesterlicher Mischstil vorliegt. Die figura etymologica ŠMR mišmæræt lässt sich kaum dtr. erklären. Denn Dtn 11,1 scheint Teil einer nachexilischen Fortschreibung zu sein.186 Auch die Streichung des priesterlichen Lexems mišmæræt ist weder textkritisch noch literarkritisch angezeigt, zumal es keinen Grund für einen sekundären Eintrag in einen gut verständlichen Text gibt. Die Singularform miṣwat YHWH ist in dtr. Texten nirgendwo belegt, was ebenfalls gegen einen dtr. Text spricht. Die Verwendung des priesterlichen Lexems ʾaḥuzzāh ist in zweierlei Hinsicht auffällig. Zum einen wird in dtr. Texten der Alternativausdruck yeruššāh eingetragen (Jos 1,15). Zum anderen haben dtr-priesterliche Texte den Begriff naḥalāh (Jos 14,3; 18,7). Nur in Num 32 wird das Nutzland der Oststämme wie hier als ʾaḥuzzāh bezeichnet (Num 32,5.22. 29.32). Schließlich ist der Beginn von Jos 22,1–6 mit ʾaz + yiqtol ein Anzeiger für einen redaktionellen Nachtrag und kein plausibler Übergang zum Abschluss einer dtr. Landnahmeerzählung.187
Aus alledem folgt: Jos 22,1–6 kann kein ursprünglicher, ausschließlich dtr. Text gewesen sein, der zu einem größeren dtr. geprägten Erzählkomplex (DtrL oder DtrG) gehörte.188 Hier zeigt sich vielmehr ein dtr.-priesterlicher Mischstil, der trotz seines typisch dtr. Kolorits eine Angleichung an die umgebenden priesterlich geprägten Texte anzielt. Insgesamt gibt es in V.1–6 keinen Hinweis für sekundäre Nachträge. Auch die Aufforderung zum be182 Vgl. RUDOLPH 1938, 238. KRAUSE 2014, 125 Anm. 267, der bei dem Begriff ʾaḥuzzāh in V.4 von einer nachträglichen Retusche ausgeht. 183 Vgl. NELSON 1997, 250. 184 Vgl. hierzu auch NIHAN 2012, 84f. 185 Vgl. MICHEL 2020, 338. 186 Vgl. OTTO 2012b, 1029. 187 Vgl. zu derartigen Problemen auch MICHEL 2020, 337–339. Nach BECKER 1990, 68 sei Jos 22 nur relativ locker an das Vorausgegangene angeschlossen. 188 Nach BECKER 1990, 72 gehören V.1–6 zum spät-dtr. DtrN und V.7–8 wie auch die folgende Altarbauerzählung zu einer späteren Redaktion im Umkreis von RP.
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ständigen Toragehorsam in V.5 muss nicht als nomistischer Nachtrag beurteilt werden, zumal der Imperativ in V.5 bestens an die Imperative in V.4 anschließt. Möglicherweise liegt hier eine literarische Brücke zur Altarbauerzählung in Jos 22,9–34 vor, da sich dort die Oststämme entgegen aller Gerüchte an die Vorgaben der Tora gebunden fühlen. Lediglich in V.6 scheint es zu einer kleinen Glosse gekommen zu sein. Denn die Verbalform wayyelekû suggeriert bereits, dass die Oststämme schon zu ihren Zelten gegangen wären. Dann erübrigt sich aber sowohl die weitere Fortführung in V.7–8 wie auch die Altarbauerzählung in Jos 22,9–34. Hinzu kommt, dass diese Verbalform als überschüssiges Element den Chiasmus zu 7b zerstört. Außerdem lässt sich auf diese Weise die auffällige Präpositionalverbindung ʾæl ʾåhålêhæm erklären, da diese eigentlich mit dem Verb ŠLḤ verbunden werden muss. Vielleicht hat der Glossator hier an V.9 angleichen wollen, wo ebenfalls die Wurzel HLK verwendet wurde. Möglicherweise sollte aber auch ausgedrückt werden, dass die Oststämme nach Segen und Entlassung tatsächlich sich in Bewegung gesetzt haben. Immer wieder wurden V.7–8 mit guten Gründen als Nachträge gesehen,189 wobei aber umstritten ist, wie, wann und weshalb diese Verse angefügt wurden. Einige sprachliche und inhaltliche Auffälligkeiten heben V.7–8 zumindest vom Übrigen ab. Folgende Beobachtungen sind aufschlussreich: 1)
Anscheinend ist 7a eine sachliche Erklärung, die den Erzählfaden sprengt.190 In diesem Vers wechselt die Perspektive von den ostjordanischen Stämmen zu Manasse. Ein solcher Blickwinkel auf beide Teile des Stammes Manasse ist durch die Erzählung bislang nicht vorbereitet. Schon aus inhaltlichen Gründen scheint hier ein Nachtrag vorzuliegen, der dieses zusätzliche Thema einträgt. In 7a wird das Verb NTN objektlos gebraucht. Bei Mose fehlt zudem die Apposition ʿæbæd YHWH „Knecht YHWHs“. Außerdem wird hier die priesterliche Präpositionalverbindung meʿebær hayYarden verwendet. Dementsprechend ist 7a sprachlich auffällig, was ebenfalls für einen parenthetischen Nachtrag sprechen könnte.
2)
189
Vgl. KUENEN 1886, 339; RUDOLPH 1938, 239; MILLER/TUCKER 1974, 166; HERTZ1985, 123. Nach BALLHORN 2011, 357 wird ab V.7 ein Seitenthema eingeführt. Anders hingegen HOLZINGER 1901, 91, der hier eine komplexe Redaktionsgeschichte aus einer alten Quelle annimmt, nach der Josua die Oststämme mit Segenswünschen entlassen habe (V.6) und die Stämme mit viel Vieh etc. heimgekehrt seien. Erst durch die Einschiebung von 7a und dem Neuansatz in V.9 sei der Text in eine Ansprache umgewandelt worden. Nach WELLHAUSEN 1963, 133 stamme V.8 vom Jehowisten, während 7a eine Glosse und 7b der Übergang von V.6 auf V.8 sei. 190 Nach HOWARD 1998, 404 handele es sich bei V.7 um eine parenthetische Erklärung der besonderen Situation von Manasse durch den Autor. RUDOLPH 1938, 239 hält 7a für eine „überflüssige Begründung für v.1b“. BERG
3)
4)
5)
6)
2. Literarkritische Entwürfe und eigener Lösungsvorschlag
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Außerdem verweist 7b erneut auf die Entlassung und Segnung durch Josua, was zusätzlich mit wegam kî hervorgehoben wird.191 Durch die Formulierung wegam kî und die Wiederholung der Sendung und Segnung wurde der durch 7a unterbrochene Erzählfaden in chiastischer Form wiederum aufgegriffen. Die Abfolge von Senden und Segnen in 7b ist schließlich logisch problematisch, zumal BRK mit der Progressform wayyiqtol angeschlossen wird. Denn es ist kaum ersichtlich, weshalb Josua die Oststämme zunächst entlassen und dann die bereits aufgebrochenen Stämme segnen sollte. Der Segen sollte wie in V.6 der Entlassung vorausgehen. Durch die Umstellung wird aber zweierlei bewirkt: Zum einen erhält man einen Chiasmus zu V.6. Zum anderen kann V.8 organisch als Teil der letzten Worte Josuas an die Oststämme und als Explikation des Segens angeschlossen werden. Schon aus diesem Grund hat man die Formulierung aus V.6 umgeformt, um die Parenthese zu den beiden Siedlungsgebieten Manasses einzutragen und die Imperative in V.8 nachtragen zu können. Darüber hinaus unterscheiden sich MT und LXX in V.8, was ebenfalls darauf hindeutet, dass hier literarisch gearbeitet wurde. In MT ist offenbar mithilfe von Imperativen der Inhalt des Segens nachgereicht worden, der darin bestand, dass die Oststämme große Beute errungen haben.192 In LXX wird lediglich ein weiteres Mal festgestellt, dass die Oststämme endlich zurückkehren und die mitgebrachte Beute verteilen. Die sprachliche Einordnung von V.8 ist schwierig. Das akkadische Lehnwort nekāsîm scheint zumindest einen Nachtrag anzudeuten.193 Außerdem werden in V.8 drei Varianten für Vielheit eingeführt (rabbîm, rab meʾod und harbeh meʾod), die typisch für späte Sprache sein dürften. Schließlich bleibt die Referenz von „eure Brüder“ derart unbestimmt, dass man sie aus dem bisherigen Kontext nicht erschließen kann.194 Schon aufgrund dieser vielen Schwierigkeiten ist es unwahrscheinlich, dass V.7–8 jemals zu V.1–6 gehörten.
Aus alledem folgt: In Jos 22,1–8 liegt insgesamt späte Sprache vor, die dtr. und priesterliche Idiomatik integriert und die Entlassung der Oststämme mit dem umgebenden Kontext harmonisiert, nachdem der priesterliche Abschnitt des Josuabuches Jos 13–22* in das dtr. Josuabuch aufgenommen worden ist. 191 Nach DEN HERTOG 2003, 63 weist die Ausdrucksweise wegam kî neben der Wiederaufnahme der Entlassung und des Segens auf eine Ergänzung hin. Vgl. auch NELSON 1997, 251. 192 Vgl. hierzu RUDOLPH 1938, 239, dem zufolge in V.8 der Inhalt des Segens, den der Glossator vermutlich vermisste, nachgereicht wird, wobei 7b als Einleitung V.6 wiederholend aufgreift. 193 Vgl. hierzu ASSIS 2004b, 214 Anm. 10. 194 Vgl. zu den Problemen MICHEL 2020, 343f.
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Die Rückkehr der ostjordanischen Stämme (Jos 22,1–8)
Für eine alte dtr. Erzählung gibt es keinen zuverlässigen Hinweis, auch wenn V.1–6 mit zahlreichen dtr. Ausdrücken gespickt ist. Abgesehen von der Verbalform wayyelekû lässt sich kein Nachtrag literarkritisch abheben. Mit dieser Glosse, die die Rückkehr der Stämme explizit betont, wird der Eindruck erzeugt, dass sich V.7–8 infolge des parenthetischen Einschubs lediglich auf Manasse beziehen. Ohne wayyelekû sind in V.7–8 vermutlich die Oststämme insgesamt im Blick. Außerdem bilden V.7–8 keine redaktionelle Brücke zur Altarbauerzählung, sondern sind Angleichungen an andere Erzählungen zu den Oststämmen. In V.7 wird die Länder übergreifende Bedeutung von Manasse herausgestellt, die für den folgenden Konflikt bereits eine Lösungsmöglichkeit anbietet. Darüber hinaus wird in V.8 das Thema von der Verteilung der Beute aus Num 31,27 aufgegriffen. In 9a wird zudem mit wayyāšubû das Verb ŠūB, das nur in dieser Fortschreibung zu finden ist, verwendet und auf diese Weise der Anschluss zur Altarbauerzählung hergestellt. Umgekehrt wird durch die Glosse in V.6 wayyelekû mit dem Verb HLK an V.4 und V.9 angeknüpft.
3. Zur literarhistorischen Verortung von Jos 22,1–8 Vermutlich ist Jos 22,1–8 ein später redaktioneller Text, der zwischen die Abhandlung zu den Levitenstädten in Jos 21 und der Altarbauerzählung Jos 22,9–34 gestellt worden ist. Dieser Text scheint schon deshalb spät entstanden zu sein, weil es keine Anzeichen für ein früheres Textstadium gibt. Der älteste Teil dieses Abschnitts (Jos 22,1–6 ohne wayyelekû) bestand aus einer Rede Josuas an die 2 ½ Oststämme. Dieser Abschnitt war vor allem dtr. geprägt und setzte den früheren dtr. Abschluss in Jos 21,43–45 fort. Zur Angleichung an den umgebenden Kontext wurden vereinzelt priesterliche Lexeme eingearbeitet (maṭṭæh und ʾaḥuzzāh), wobei das Lexem ʾaḥuzzāh in Spannung nicht nur zu dtr., sondern auch zu priesterlichen Konzeptionen steht. Beide Worte finden sich aber in Jos 21 und 22. Schon diese Beobachtung legt es nahe, dass hier ein später Redaktor lexematisch einen Ausgleich zum Kontext herstellen wollte. Auf den späten Charakter dieses Abschnitts deutet auch der Umstand hin, dass hier zwar das aus Num 32 bekannte Lexem ʾaḥuzzāh verwendet wird, dort aber – bis auf den Nachtrag in Num 32,33 – nur von den beiden Stämmen Gad und Ruben die Rede ist, die zudem nicht mit Gentilizia, sondern mit benê + Gad/Ruben dargestellt werden. Mit dieser Josuarede wird folglich das Thema der Hilfe bei der Landeroberung durch die Oststämme aus Jos 1,12–15 aufgegriffen, aber aufgrund des priesterlichen Kontextes leicht verändert, auch wenn die dtr. Idiomatik immer noch stark ist. Literarhistorisch wurde der älteste Teil von Jos 22,1–8 vermutlich erst eingetragen, nachdem Jos 13–22 bereits im dtr. Josuabuch stand. Durch diese dtr. Lob- und Mahnrede konnte zudem der Anschluss zur konfliktiven Al-
3. Zur literarhistorischen Verortung von Jos 22,1–8
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tarbauerzählung hergestellt werden. Eigentlich war das Verhalten der Oststämme schon vor dem Altarbau vorbildlich. Zum einen konnte mit Jos 22,1– 6 gerade dieser Umstand noch zusätzlich unterstrichen werden, zum anderen konnte in der Mahnrede schon auf Gefahren hingewiesen werden, die bei einem Abfall von YHWH durchaus möglich sind, vor allem wenn man es an Toragehorsam mangeln lässt. Durch die Wiederaufnahme der beiden Verben BRK und ŠLḤ in 7b konnte zum einen die Parenthese in 7a eingetragen und die erneute Josuarede in V.8 angeschlossen werden. Allerdings musste hier die Abfolge der beiden Verben umgestellt werden, da die Josuarede offenbar zum Inhalt des Segens werden sollte. Durch diese Umstellung ŠLḤ-BRK wurde mit den Verben eine chiastische Struktur geschaffen, die die Verhältnisse des in zwei Hälften geteilten Stammes Manasse in den Mittelpunkt stellte. In der Fortschreibung in 7a wird noch einmal bewusst darauf hingewiesen, dass Ostmanasse eigentlich im Baschan zu verorten ist. Während ansonsten Ostmanasse in Gilead und Baschan zu suchen ist, wird mit diesem Zusatz die erkannte Spannung zum Siedlungsgebiet von Gad in Gilead behoben, die zuvor in Jos 13 aufgrund der Zusammenstellung und Harmonisierung der unterschiedlichsten Traditionen entstand. In der Fortschreibung in V.8 ist außerdem noch die Verpflichtung zur Aufteilung der Beute mit den eigenen Stammesgenossen (ʾaḥîkæm) zusätzlich eingeschärft worden, die in Num 31,27 gefordert wurde. Auf diese Weise wird allerdings ein Widerspruch zu den dtr. Vorgaben erzeugt, die gerade die Edelmetalle für den Schatz YHWHs reservieren. Somit wurde auch in V.8 ein Ausgleich zwischen divergierenden Vorgaben angezielt, die in der dtr. und priesterlichen Tradition entwickelt wurden. Auf diese Hand geht vermutlich auch der Anschluss wayyāšubû in V.9 zurück, der das Verb ŠūB aus V.8 erneut aufnimmt und mit der Abfolge ŠūB und HLK an den Befehl in V.4 PNY und HLK anschließt. Durch die Glosse wayyelekû in V.6 wird zudem der Anschein erweckt, dass die Oststämme bereits zu ihren Zelten zurückgekehrt sind. Dementsprechend können sich Segen und Entlassung in V.7–8 nur noch auf Ostmanasse alleine beziehen, auch wenn sich das enklitische Personalpronomen 3. Maskulin Plural aufgrund der Wiederaufnahme von V.6 nur auf alle 2 ½ Oststämme beziehen kann. Hinzu kommt, dass 7a lediglich eine Parenthese ist, die den Erzählzusammenhang sprengt. Für diese Glosse spricht auch der Umstand, dass hier HLK im Gegensatz zu V.4 mit der Präposition ʾæl verbunden wird. Diese Präpositionalverbindung verdankt sich dem Ausdruck ŠLḤ ʾæl ʾåhålêhæm. Aus alledem folgt: In Jos 22,1–8 lässt sich kein alter und ursprünglicher Kern herausarbeiten. Vielmehr wurde hier ein Ausgleich zwischen dtr. und priesterlichen Konzeptionen angezielt, um die unterschiedlichen Traditionen zu den 2 ½ Oststämmen miteinander zu versöhnen und die folgende Altarbauerzählung einzuführen.
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland (Jos 22,9–34) Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
Vorbemerkungen Die Erzählung vom Altarbau der ostjordanischen Stämme Ruben, Gad und Halbmanasse in Jos 22,9–34 ist in vielerlei Hinsicht schwierig. Neben der schwierigen literargeschichtlichen Einordnung von Jos 22,9–34 entweder in einen priesterlichen oder dtr. Kontext1 lassen die zahlreichen sprachlichen Probleme erkennen, dass die biblischen Erzähler im Hebräischen offenbar nicht mehr wirklich sattelfest waren. Aufgrund dieser beiden Beobachtungen liegt es zumindest nahe, dass dieser Text wenigstens in seiner jetzigen Form erst relativ spät entstanden sein kann.2 Außerdem stellt sich die Frage, wo dieser Altar stand und wie damit von den ostjordanischen Stämmen umgegangen wurde. Auf alle Fälle war dieser Altar den Autoritäten der Gemeinde Israel als offensichtliches Konkurrenzheiligtum zum Zentralheiligtum, das sich in der Landnahmezeit in Schilo befand, so sehr suspekt, dass man der von Pinhas3 geführten Inquisition militärischen Nachdruck verlieh, indem 1 In Jos 22,9–34 werden vor allem priesterliche Idiome verwendet, z.B. nāśîʾ, ʿedāh, ʾaḥûzzāh, miškan YHWH vgl. KLOPPENBORG 1981, 361; FRITZ 1994, 221; SCHORN 1997, 209; ASSIS 2004a, 529f. Zu weiteren priesterlichen Ausdrücken, vgl. HOLZINGER 1901, 91; PETERSEN 1980, 136; NOORT 2001, 157 Anm. 31; NOORT 2009, 106; PITKÄNEN 2010, 368; MICHEL 2019, 167. Allerdings werden auch dtr. Ausdrücke wie hayyôm, ʾælohê Yiśrāʾel oder YHWH ʾælohênû verwendet, vgl. HOLZINGER 1901, 91. Nach SOGGIN 1982, 214f. sind dtr. und priesterliche Redaktionen greifbar, wobei die ursprüngliche Form kaum noch herausgearbeitet werden kann. Schon nach VON RAD 1934, 159f. lasse sich eine priesterliche Grundschicht aufgrund einer „redaktorisch-homiletischen Bearbeitung“ kaum noch bestimmen. Zur Forschungsgeschichte mit der Deutung der priesterlichen und dtr. Idiomatik vgl. ASSIS 2004a, 530f. Nach SCHORN 1997, 209f. werden schließlich auch chronistische Idiome wie MRD oder MʿL verwendet, was darauf hindeute, dass es sich bei Jos 22,9–34 um einen spätpriesterlichen Text handeln werde. 2 Vgl. hierzu MICHEL 2020, 345. Außerdem wäre auf die zahlreichen figurae etymologicae zu verweisen, die aufgrund der Häufung in Jos 22 ebenfalls andeuten, dass es sich um einen späten Text handeln wird, vgl. MICHEL 2020, 349, da figurae etymologicae sich vor allem in späten Texten gehäuft finden. 3 Nach PITKÄNEN 2010, 360 werde die Untersuchung nicht auf der höchsten Ebene durchgeführt, da weder Josua noch Eleasar beteiligt seien. Erst in V.30 werde Pinhas explizit als Priester bezeichnet, während sich das Attribut hakkohen an den übrigen Belegstellen ebenfalls auf seinen Vater Eleasar beziehen könnte. Insofern lässt sich die Zuspit-
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
man dem Priester noch die Anführer der zehn westjordanischen Stämme beigesellt hat.4 Auf diese Weise konnte der größtmögliche Druck gegen die willfährigen Apostaten im Ostjordanland ausgeübt werden. Das Problem des Altarbaus der Oststämme kann auf zweierlei Weise biblisch herausgearbeitet werden. Dabei ist eine dtr. und eine priesterliche Argumentationslinie denkbar: 1)
2)
Möglicherweise hat man zur Zeit der Abfassung von Jos 22 die Bestimmung aus Dtn 12,5 einzig auf den Tempel von Jerusalem bezogen. Die exklusive Beschränkung des Kultortes auf Jerusalem ist zumindest nicht unmöglich, auch wenn in Dtn 12,5 lediglich behauptet wird, dass nur Gott den Kultort aussuchen darf, nicht der Mensch.5 Die spätere Engführung auf nur einen erlaubten Kultort, der schließlich mit dem Tempel von Jerusalem identisch ist, muss hier folglich noch nicht notwendigerweise im Blick sein.6 Vielleicht ist hier aber auch Lev 17,8f. im Blick, wonach jedes Opfer an den Eingang des Begegnungszeltes gebracht werden muss. Jeder, der dagegen verstößt, muss nach diesem priesterlichen Text unbedingt getötet werden.7 Bei dieser Begründung würde sich auch der Kriegsanlass bestens erklären. Hinzu kommt, dass die Oststämme trotz des Altarbaus of-
zung von KNAUF 2008, 185, dass sich Pinhas im Laufe der biblischen Erzählungen von einem Zeloten zu einem General in Jos 22 wandele, nicht belegen. Anders hingegen AULD 2012, 293, dem zufolge in Jos 22 der kriegerische Pinhas aus Num 25 und 31 gezähmt werde. Auch nach ORGAN 2001, 214 ist Pinhas hier ein Diplomat und Bürokrat, aber nicht mehr ein Krieger. In Jos 22 soll offenbar betont werden, dass die Inquisition von einem Priester zu leiten sei. Nach BOLING 1982, 512 sei hier zudem von einem Hauptpriester die Rede. Dies könnte zumindest die Determination nahelegen. In der Relecture von Flavius Josephus wird die Bedeutung des Priesters Pinhas noch zusätzlich betont, vgl. BEGG 1997, 7. Da Pinhas bereits die Sünde von Baal-Pegor beseitigen konnte, war er offenbar für die jetzige Aufgabe besonders befähigt, vgl. HESS 1996, 321. ORGAN 2001, 217 betont, dass Pinhas immer dann auftaucht, wenn es um kultische Reinheit und nationalem Überleben geht. 4 ZIESE 2008, 364 Anm. 14 weist darauf hin, dass der Ausdruck ʾælæf „Tausendschaft“ militärischen Charakter habe. Nach AULD 2011, 376 sei diese Delegation zudem weniger zur Verhandlung als vielmehr zur Einschüchterung geschickt worden. Anders hingegen HARSTAD 2004, 695, der ʾælæf für ein Synonym für „Stamm“ hält. 5 Vgl. hierzu KNAUF 2008, 182. Nach BUTLER 2014, 259 wäre dann der Hauptanklagepunkt der Untersuchungskommission die menschliche Wahl dieses Heiligtums, was durch das emphatische „für Euch“ in V.16 ausgedrückt werde. Dann wäre nicht der Ort an sich das Problem, sondern die Art und Weise, wie dieser Kultort bestimmt wurde. 6 Vgl. WOUDSTRA 1981, 328. 7 Vgl. hierzu HOWARD 1998, 406. Schon KLOPPENBORG 1981, 356 vermutet, dass in Jos 22 die viel rigidere priesterliche Zentralisierung des Kultwesens im Blick ist. Nach PITKÄNEN 2016b, 33 hängt zudem die dtn Zentralisationsforderung vom priesterlichen Konzept ab, das bereits während des Exodus entwickelt wurde.
Vorbemerkungen
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fenbar als minderwertiger Teil Israels gelten, da sonst eine derart kriegerische Reaktion der westjordanischen Stämme nicht gerechtfertigt wäre.8 Die Erzählung vom Altarbau der ostjordanischen Stämme lässt sich intertextuell mit zahlreichen biblischen Texten verbinden.9 So könnte der Verweis auf „einen Mann“ in V.20, der durch seine Untreue Unheil über Israel gebracht hat, auf Num 16,22 anspielen. Die Anrufung der Gottesepitheta in V.22 ist auf den Beginn von Ps 50 transparent. Der Hinweis auf das Wissen YHWHs könnte auf Ps 44,21 verweisen. Die Vorstellung vom „Zeugen“ erinnert schließlich an die Jakob-Laban-Erzählung in Gen 31.10 Bisweilen wird vermutet, dass sich die Beschreibung des Altars als „groß an Erscheinung“ in V.10 auf die Beschreibung des „Baums des Wissens um Gut und Böse“ beziehen könnte, der nach Gen 3,6 ebenfalls „begehrenswert für die Augen“ gewesen ist.11 Allerdings lässt sich diese Verbindung nicht ausweislich der verwendeten Lexeme nachweisen. Die Erzählung vom Altarbau der Oststämme ist formal schließlich mit Num 32 zu vergleichen.12 Hinzu kommt, dass Num 32 und Jos 22 die Erzählung von den ostjordanischen Stämme rahmen.13 Aufgrund dieser vielen intertextuellen Verweisstellen legt sich die Vermutung nahe, dass die beiden Parteien ihre jeweilige Sichtweise des Vorfalls mit biblischen Zitaten untermauern wollten. Neben der priesterlichen Idiomatik werden in Jos 22 auch zahlreiche priesterliche Konzeptionen aufgegriffen: 1)
In Jos 22 findet sich die priesterliche Vorstellung von der Stiftshütte, die in Schilo lagert und in der der Priester Pinhas die Kultgeschäfte verrichtet.14 Darüber hinaus ist das Konzept, dass ein Einzelner durch sein kultisches Fehlverhalten die ganze Gemeinschaft gefährden könnte, ebenfalls priesterlich.15
2)
8
Vgl. HUBBARD 2009, 486. Fraglich ist jedoch, ob ein Krieg gegen die Oststämme nur dann möglich wäre, wenn der Gegner nicht mehr integral zu den „Söhnen Israels“ gezählt wurde, vgl. ORGAN 2001, 213; BUTLER 2014, 258. HUBBARD 2009, 486 geht sogar von einem Heiligen Krieg aus, der die richtige YHWH-Verehrung sicherstellen möchte. 9 Vgl. zum Folgenden AULD 2002, 283–285; AULD 2011, 376–378. 10 Zu einem Vergleich zwischen Jos 22 und Gen 31 mit den Parallelen und den Unterschieden, vgl. ASSIS 2004a, 539f. Nach NOORT 2020, 239 wird in Jos 22 ein Wettstreit mit Bibelzitaten geführt. 11 Vgl. AULD 2011, 378. 12 Vgl. JOBLING 1986, 100; PITKÄNEN 2010, 373f. Vgl. hierzu auch JOBLING 1980, 188–199. 13 Vgl. PITKÄNEN 2016a, 29; PITKÄNEN 2016b, 324. 14 Nach DIEBNER/SCHULT 1974, 36 sei der Ortsname Schilo redaktionell eingetragen worden, da der miškan YHWH vom Kontext her in Schilo verortet werden müsse. 15 Vgl. NELSON 1997, 248.
208 3)
Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
In Jos 22 spiegelt sich zudem das priesterliche Bedürfnis nach einer korrekten Durchführung des Kultes und nach Maßnahmen bei kultischen Vergehen wider. Möglicherweise sollten konkurrierende Ansprüche gegen die Aaroniden ausgeschaltet werden, was erklären würde, weshalb der Aaronide Pinhas die Untersuchung leitet.16
4)
In Jos 22 geht es zudem um den Ausgleich von verschiedenen vorliegenden Traditionen. Auf der einen Seite beschränkt sich die priesterliche Landkonzeption auf das Westjordanland (Num 34). Auf der anderen Seite beginnt das Verheißungsland nach dtr. Auffassung bereits nach der Überschreitung des Arnon (Dtn 2–3).17 Nach dtr. Vorstellung können somit Israeliten auch außerhalb des Verheißungslandes leben. Sie müssen aber im Rahmen der Orthopraxie das kultische Zentralisationsgebot beachten, da nur am Zentralheiligtum legitimer Opferdienst erlaubt sei.18 Die Ausübung eines orthodoxen Kultes war zudem für die Gemeinschaft wichtig, da nur im Kult die Präsenz Gottes erfahrbar war und auf diese Weise Wohlergehen gesichert werden konnte.19 Wahre YHWH-Verehrung ist zudem nur auf dem Boden des Verheißungslandes möglich.20 Dieser Geschichte geht es vor allem um die Gemeinschaft der Oststämme am YHWH-Kult und möglicherweise auch um die nationale Einheit.21 Da die Oststämme nicht mehr im eigentlichen Verheißungsland leben, sind sie zum einen wie bei der Sünde von Bet-Pegor besonders anfällig für eine Fremdgötterverehrung, zum anderen für die Zentralautorität nur schwer zu kontrollieren. Nicht ohne Grund wird zur Klärung der Sachlage der auf derartige Konflikte spezialisierte Priester Pinhas eingeführt. Auf diese Weise erklärt sich auch der Umstand, dass nicht Josua oder Eleasar die Verhandlungen federführend betreiben.22 Es hat zudem den Anschein, dass diese Geschichte 16
Vgl. KLOPPENBORG 1981, 359. KNOHL 1995, 208 Anm. 26 sieht zudem Anklänge an die Sprache des Heiligkeitsgesetzes (V.17 mit Num 31,16; V.18 mit Num 32,13; V.31 mit Num 16,3). Nach FARBER 2016, 69 Anm. 131 könnte diese Erzählung ursprünglich zu einem Zyklus mit Pinhas-Erzählungen gehört haben. Dies ist zwar nicht prinzipiell auszuschließen, kann aber auch nicht mit validen Kriterien bewiesen werden. 17 Vgl. ALBERTZ 2007a, 213f. Nach BIEBERSTEIN 2011, 163f. kam das Ostjordanland nur aufgrund des Fehlverhaltens der beiden Amoriterkönige Sihon und Og in den Besitz der Israeliten. 18 Nach SCHÄFER-LICHTENBERGER 1995, 211 hätten die Oststämme nach Meinung der Weststämme gegen das Zentralisationsgebot in Dtn 12 verstoßen. 19 Vgl. auch KNAUF 2008, 182. 20 Vgl. hierzu SNAITH 1978, 332, der auf 2Kön 5,17 verweist, wo heiliger Boden für die YHWH-Verehrung bereitgestellt wird. Ähnlich NOORT 2001, 158. 21 Vgl. zu letzterem NELSON 1997, 249. 22 Nach HUBBARD 2009, 487 liegt hier ein religiöses Vergehen vor, da ein Priester zur Klärung der Sachlage gesendet wird. FARBER 2016, 69 vermutet, dass entweder die Erzählung nach dem Tod Josuas spiele, oder dass Josua nicht mehr aktiv die Israeliten anführe.
1. Textkritische und sprachliche Probleme
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den Jerusalemer Priestern in der Figur des Pinhas ein Zeugnis ihrer YHWHTreue ausstellt, da man schon bei Verdacht eines Abfalls von der Orthopraxie einschreitet.23 Eine mögliche Schuld der Oststämme, die ganz Israel belasten könnte, wird jedoch glücklicherweise nicht gefunden. Hier zeigt sich die enge Verbundenheit beider Gruppierungen, da der Zorn Gottes auch über die westjordanischen Stämme kommen kann, wenn es im Ostjordanland zu Verfehlungen gegen YHWH kommen sollte.24 Dies musste durch die Untersuchungskommission geklärt werden.
1. Textkritische und sprachliche Probleme Der Text von Jos 22,9–34 ist an vielen Stellen problematisch. Insofern verwundert es nicht, dass auch die alten Versionen immer wieder mit diesem schwierigen Text haderten, um eine möglichst adäquate Übersetzung zu erreichen. Im Folgenden sollen die vielen Probleme versweise vorgestellt werden, wobei vor allem das Zeugnis der LXX und der Vulgata herangezogen wird.25 Auffälligerweise werden von den Versionen viele redundante Angaben unterschiedlich gekürzt. Diese Kürzungen sollten vermutlich den Redefluss vereinfachen. Dementsprechend muss hier nicht notwendigerweise auf einen ursprünglichen Text geschlossen werden. Wahrscheinlich haben die Versionen die Langatmigkeit des redundanten Textes bewusst dort beseitigt, wo es leicht möglich war. Auf eine frühere Kurzversion kann somit ausweislich der stringenteren Übersetzungen der alten Versionen nicht ohne Weiteres geschlossen werden. Denn zum einen kann man mit den Versionen unterschiedliche Kurztexte rekonstruieren. Zum anderen gibt es keinen einleuchtenden Grund für die Erweiterungen des MT. Außerdem geht Vulgata gerade bei komplizierten syntaktischen Konstruktionen recht eigenwillige Wege,26 die aber nicht auf einen anderen hebräischen Text schließen lassen müssen. V.9: Nur in V.9 ergänzt LXX vor Manasse noch υἱῶν „Söhne“, sodass an die zuvor erwähnten „Söhne Ruben und Söhne Gad“ angeglichen wird. Denn bei allen anderen Erwähnungen von Manasse wird nicht τὸ ἥμισυ φυλῆς υἱῶν Μανασση „Hälfte des Stammes der Söhne Manasse“ verwendet. Bisweilen wird hinsichtlich der Abfolge der Stämme Ruben und Gad in LXX abgewiNach GALIL 2018, 555 werde die Person Josuas im priesterlichen Josuabuch oft ignoriert, während die Bedeutung des Mose hervorgehoben werde. Es ist zumindest nach NOORT 2009, 106 auffällig, dass in dieser Erzählung Josua und Eleasar keine Rolle mehr spielen. 23 Vgl. auch GÖRG 1991, 102. 24 Vgl. hierzu SCHORN 1997, 216. Nach COLESON 2012, 161 war dieses Vorgehen kongruent mit den Vorgaben von Dtn 13,12–15. 25 Nach AULD 2012, 292 habe LXX die ursprüngliche Tradition bewahrt, die noch mehr Sympathien für die Oststämme gezeigt habe und später überarbeitet worden wäre. 26 Z.B. V.16. 17b. 18. 22. 23. 28. 34.
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
chen (Gad – Ruben in V.10.11.15 im Gegensatz zu MT).27 Beide Beobachtungen verdeutlichen, dass die Textüberlieferung bei den jeweiligen Angaben zu den Stämmen noch relativ flexibel war und offenbar keine einheitliche Schreibweise angezielt wurde. Insofern ist es in diesem Text auch schwierig, ausweislich des divergierenden Befundes verschiedene Textschichten anzunehmen. V.10: Nach V.10 haben die Oststämme einen mizbeaḥ „Altar“ gebaut. Die LXX betont zusätzlich die Unrechtmäßigkeit des Altarbaus, indem sie hier das Wort βωμός verwendet, das ansonsten nur bei fremden Altären gebräuchlich ist.28 Selbst als der Disput beigelegt war, ändert dies nichts an der Bezeichnung, dass dieser Altar ein fremder Altar bleibt, was durch Josua höchstamtlich bestätigt wird.29 Vulgata verzichtet zudem auf die zusätzliche Nennung der 2 ½ Stämme in V.10, was eine leicht zu erklärende Verkürzung des Textes ist. Der neu errichtete Altar scheint zudem relativ groß gewesen zu sein (gādôl lemarʾæh),30 sodass man die unterschiedlichsten Opferarten auf ihm darbringen konnte.31 Allerdings könnte der Verweis auf die Größe andeuten,32 dass es sich nicht um einen Opferaltar handeln kann. Vielmehr sollte die Installa27
Zum Problem der Stammesnamen vgl. auch NOORT 2009, 107f. Nach MÄKIPELTO 2018, 26f. kann der Wechsel in der Bezeichnung von βωμός zu θυσιαστήριον in V.28f. nicht auf eine theologische Intention des Übersetzers zurückgehen, um die Legitimität des Altars zu betonen. Denn in V.34 wird wiederum der Ausdruck βωμός verwendet. 29 Vgl. zur Tradition der LXX RÖSEL 2002, 19f.; AULD 2011, 378f.; AULD 2012, 288f.; KNITTEL 2019, 219 Anm. 81. Allerdings ist zu betonen, dass LXX in Jos 22 weitgehend dem MT folgt, vgl. SCHENKER 2011, 49. Auch die nachbiblische Relecture durch Flavius Josephus und Pseudo-Philo’s LAB zeigt eine besondere Betonung der Rolle Josuas, vgl. BEGG 1997, 18. Nach AULD 2012, 289 habe Josua zudem bereits in der ursprünglichen Tradition in V.34 gestanden. 30 AULD 2012, 283 weist darauf hin, dass lemarʾæh nur noch in Gen 2,9 vorkommt. Ob allerdings hier eine intertextuelle Verbindung vorliegt, ist fraglich. Nach HARSTAD 2004, 690 soll durch diesen Begriff ausgedrückt werden, dass es sich um einen großen Altar handelt, der deshalb von weitem sichtbar ist. OTTOSSON 1991, 143 vermutet, dass der Altar aufgrund seiner Größe eine schnelle Reaktion der Weststämme hervorrufen sollte. Nach EHRLICH 1910, 57 gibt lemarʾæh den Zweck des Altars an: „nur zum Ansehen, zur Schau“. Schon KEIL 1847, 376 deutet lemarʾæh funktional: „groß, daß er von Allen gesehen, bemerkt werden konnte.“ Ähnlich KNOBEL 1861, 477. 31 Vgl. DEN HERTOG 2003, 63. Anders hingegen ASSIS 2004a, 538; ASSIS 2004b, 216, der bezweifelt, ob der Altar ausweislich seiner Größe für Opferhandlungen überhaupt geeignet sei. Nach SCHENKER 2011, 53 sei die Lesart der Vetus Latina zu bevorzugen, die hier in conspectu Domini „im Angesicht YHWHs“ liest, was später aufgrund von theologischen Gründen korrigiert werden musste, zumal ein konkurrierender Altar außerhalb des Zentralheiligtums nicht in der Gegenwart YHWHs errichtet sein könne. 32 Vgl. THON 2006, 86. Nach AULD 1984, 114 war der Altar nicht nur eine „miniature replica“. 28
1. Textkritische und sprachliche Probleme
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tion lediglich ein Erinnerungszeichen im Westjordanland für die Oststämme sein, das sie aufgrund der Größe auch jenseits des Jordans sehen konnten.33 Nur vor diesem Hintergrund konnte der Altar den Argwohn der religiösen Anführer erregen. Abgesehen von der Größe wird aber nicht näher ausgeführt, welche Funktion dieser Altar gehabt haben könnte.34 Problematisch ist zudem, dass archäologisch vor allem flache Opferplätze für Brandopfer genutzt wurden.35 Insofern ist es schwierig, hier einen ansehnlichen Opferaltar zu rekonstruieren. Obschon der Altar nach V.10 als außerordentlich groß beschrieben wird, löst er sich aufgrund der unterschiedlichen Verortung regelrecht auf,36 die im Folgenden diskutiert werden muss. Der schwierige Begriff gelîlôt wird von LXX auf der einen Seite in V.10 mit Gilgal (Γαλγαλα) gleichgesetzt,37 auf der anderen Seite in V.11 hingegen mit Gilead (Γαλααδ) übertragen. Auf diese Weise kann die west- und ostjordanische Verortung des Altars noch zusätzlich unterstrichen werden. Der Standort des Altars wird somit in der LXX unterschiedlich angegeben. Diese Deutung könnte aber auch schon im MT angelegt sein. Nach V.10 wird der Altar nämlich in den gelîlôt westlich des Jordans verortet, zumal hier explizit das Land Kanaan erwähnt wird, das sich ausschließlich auf Cisjordanien bezieht.38 Hinzu kommt, dass das Adverb šām „dort“ in V.10 Bezug auf das
33
POLASKI 2007, 43 verweist darauf, dass die Wurzel RʾY in V.28 wiederum aufgegriffen wird. Der Altar soll also in Zukunft betrachtet werden. 34 Nach HUBBARD 2009, 485f. könnte er wie der Turm von Babylon Arroganz ausdrücken oder Idolatrie wie bei kanaanäischen Heiligtümern andeuten oder eine Symbolfunktion wie bei den Altären der Erzeltern haben. 35 Vgl. SCHORN 1997, 213. 36 Vgl. EDERER 2017, 307. Auch nach BOLING 1982, 511 werde hier ein ironischer Zug eingetragen: Während man den Altar aufgrund seiner Größe kaum übersehen konnte, ist seine Lokalisierung verloren gegangen. Die Größe des Altars ist HAWK 2000, 236 zufolge die einzige zuverlässige Angabe. Nach BUTLER 2014, 258 ist der Altar zudem ein Ort nur des Anschauens, nicht des aktiven Handelns. 37 LXXB liest hier tatsächlich Gilgal, vgl. NELSON 1997, 248, der aber die These ablehnt, dass in der ursprünglichen Tradition die Konkurrenz zwischen den beiden Heiligtümern von Schilo und Gilgal thematisiert worden wäre. Zu einer Deutung von gelîlôt als Gilgal vgl. DILLMANN 1886, 576; MÖHLENBRINK 1938, 248; SNAITH 1978, 334f.; HERTZBERG 1985, 125; HOWARD 1998, 406; BUTLER 2014, 257. Dagegen aber mit guten Gründen SCHORN 1997, 212f.; NOORT 2001, 157; COLESON 2012, 161. Hinzu kommt, dass die LXX-Handschriften an dieser Stelle uneinheitlich sind. HARSTAD 2004, 689f. vermutet in gelîlôt einen Ortsnamen. Anders hingegen BALLHORN 2011, 414, der eher von einer Funktionsbezeichnung wie „Gegend, Umkreis“ ausgeht. 38 Vgl. NOORT 2009, 114. Nach EDERER 2017, 307 drücke die Präpositionalverbindung „auf dem Jordan“ aus, dass der Altar möglicherweise im Jordan aufgestellt worden wäre, was aber an sich auszuschließen wäre. Die Präposition ʿal kann allerdings auch direktiv „hin zu“ verstanden werden oder lediglich eine räumliche Nähe einer höhergelegenen Sache „an, bei“ andeuten.
212
Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
zuvor im Relativsatz genannte „Land Kanaan“ nimmt.39 Zu einer westlichen Lokalisierung des Altars passt auch der Anspruch der Oststämme, dass sie sich selbst zu Israel zählen, wie auch die Bezeichnung des Ostjordanlandes als „unrein“ in V.19. Schon aus diesen Gründen musste der Altar eigentlich im Westjordanland stehen,40 da nur auf diese Weise die Zugehörigkeit der Oststämme zu Israel sinnenfällig ausgedrückt werden konnte.41 V.11: Im darauffolgenden V.11 wird hingegen der Altar offenbar ins Ostjordanland verlegt.42 Auf diese Weise konnte der Kultfrevel noch gesteigert werden. Denn nun liegt der unerlaubte Altar auch noch außerhalb des Verheißungslandes, in dem allein eine legitime Kultausübung erlaubt ist.43 Fraglich ist, ob man die ungenauen Lokalisierungen dergestalt deuten darf, dass es eine Steinaufschüttung am Ostufer und ein altarähnliches Monument am Westufer gegeben habe.44 Eine solche Rekonstruktion ist nur eine Harmonisierung des schwierigen Textbefundes. In V.11 wird mithilfe von drei Präpositionalverbindungen mit ʾæl die direktive Stoßrichtung noch zusätzlich gesteigert. Dieser Altar liegt nämlich ʾæl mûl ʾæræṣ Kenaʿan „zur Vorderseite/Gegenseite von Kanaan“, ʾæl gelîlôt hayYarden „zu den gelîlôt des Jordans“ und ʾæl ʿebær benê Yiśrāʾel „gegen die Söhne Israel“. Diese direktiven Präpositionalverbindungen geben zusätzliche Informationen zur Verortung des umstrittenen Altars, die allerdings nicht eindeutig sind und daher auch nicht wirklich weiterhelfen:45
39
Vgl. DEN HERTOG 2003, 63. Vgl. KNOBEL 1861, 478f.; HOLZINGER 1901, 92. Zu einer westjordanischen Lokalisierung vgl. auch SPRONK 1994, 175. Anders hingegen OTTOSSON 1969, 134f., dem zufolge der Altar im Ostjordanland auch die Herrschaft YHWHs über die ostjordanischen Gebiete begründen könnte. 41 Vgl. schon KEIL 1847, 376. Nach RUDOLPH 1938, 239f. ist vor dem umgebenden Kontext nur eine westjordanische Verortung sinnvoll. 42 Vgl. NOORT 2009, 115. NOORT 2020, 228 denkt ebenfalls an eine ostjordanische Lokalisierung des Altars, was dann problemlos möglich wäre, wenn man den Relativsatz in 10aβ ausscheidet. Für eine ostjordanische Lokalisierung spricht auch die Beobachtung, dass in Gilead die Disputation geführt wird. Zum YHWH-Kult im Ostjordanland, der durch die Mescha-Stele belegt werde, vgl. OTTOSSON 1984, 102f. 43 Vgl. NOORT 2001, 158. Vielleicht wird hier ein Diskurs über Heiligtümer außerhalb des Verheißungslandes angestoßen. Zur umstrittenen Lokalisierung des Altars westlich oder östlich des Jordans und damit verbundenen weiteren Problemen vgl. OTTOSSON 1969, 134; WOUDSTRA 1981, 321. HESS 1996, 320; PITKÄNEN 2010, 359 vermuten, dass es sich um ein Grenzheiligtum ähnlich wie die Heiligtümer von Bet-El und Dan handeln könnte. 44 Vgl. HERTZBERG 1985, 126. Nach ORGAN 2001, 213 ist die Erzählung ohnehin auf Uneindeutigkeiten ausgelegt. 45 Nach FRANKEL 2011, 186 kann man diese Verortungen auch auf das Westjordanland beziehen, sodass der Altar ursprünglich im Westen errichtet worden wäre. Ein YHWH-Altar im Westen kann aber nicht der Anlass für den Vorwurf des Fremdgötterkultes bilden. 40
1)
2)
3)
1. Textkritische und sprachliche Probleme
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Die erste Verbindung ʾæl mûl könnte zwar „gegenüber von“ heißen, aber die Grundbedeutung von mûl ist wohl eher „nahe an der Vorderseite“.46 Dementsprechend könnte hier daran gedacht sein, dass der Altar gerade noch im Westjordanland nahe dem Jordanufer liegt.47 Auch wenn in V.11 meist ein Ortswechsel postuliert wird, ist dies ausweislich dieser Präpositionalverbindung nicht sicher. Auch die Präpositionalverbindung ʾæl gelîlôt ist schwierig zu deuten. Es kann sich nämlich bei gelîlôt um einen Ort oder ein Gebiet handeln.48 Es hat zudem den Anschein, dass mit gelîlôt ein Alternativbegriff für den Jordanbezirk kikkār gegeben wird. Denn kikkār ist eine reduplizierte Nominalform von KRR „rund sein, rollen“, das seinerseits ein Synonym zu GLL ist. Wenn es sich dementsprechend um den Jordanbezirk handelt, kann nicht mehr sicher gesagt werden, ob es sich hier um das Westoder das Ostjordanland handelt. Auch die letzte Präpositionalverbindung ʾæl ʿebær könnte andeuten, dass sich der Altar noch auf der Seite befindet, die zu den Söhnen Israels gehört. Dann hätte diese Idiomatik die Perspektive der Oststämme eingenommen. Die zusammengesetzte Präposition ʾæl ʿebær wird zudem nur hier mit einem menschlichen Agens verbunden. Vielleicht sollte hier angedeutet werden, dass dieser Altar sich gegen die Söhne Israels wendet, was die Reaktion Israels durchaus erklären könnte.49 Hinzu kommt, dass eine Näherbestimmung mit mizrāḥāh oder ähnlichem fehlt, zumal das Lexem ʿebær zunächst „Überschreitungsstelle“ heißt und dementsprechend noch nicht genau festgelegt ist. Dementsprechend kann ʿebær entweder „Seite“ oder „Gegenseite“ bedeuten.50 Somit könnte der Ausdruck ʾæl ʿebær benê Yiśrāʾel auch „auf der Seite von den Söhnen Israels“ bedeuten und sich hier auf das Westjordanland beziehen.51
Mit den komplizierten und uneindeutigen Formulierungen soll vermutlich lediglich eine möglichst (un)genaue Verortung angegeben werden. Ein kon46 HARSTAD 2004, 690 deutet diesen Ausdruck mit „at the frontier“, „at the edge“ bzw. „on the boundary“. COOKE 1918, 203 denkt an eine westjordanische Verortung: „facing the same way as“. NOORT 2020, 228 deutet mûl als „Vorderseite“, sodass hier der östliche Rand Kanaans im Westjordanland im Blick sein könnte. 47 Vgl. SNAITH 1978, 332. 48 Vgl. HUBBARD 2009, 485. 49 Nach BOLING 1982, 512 werde hier eine Zweideutigkeit eingetragen. Denn ʿebær könnte sich auf beide Seiten beziehen, vgl. hierzu auch HAWK 2000, 237. Nach BUTLER 2014, 258 meint die Präpositionalverbindung ʾæl ʿebær „an der Grenze“, sodass der Altar tatsächlich im Westjordanland liegen könnte. Anders NOTH 1971, 134, dem zufolge V.11 auf das Ostufer des Jordans verweist. Aus diesem Grund sei V.11 auch sekundär ergänzt worden. 50 Vgl. GEMSER 1952, 350f., der zumindest das vergleichbare Idiom beʿebær untersucht. 51 Vgl. GEMSER 1952, 352; NOORT 2020, 228.
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
kreter Ort wird mit diesen verschleiernden Aussagen zumindest nicht bestimmt.52 In V.11 wird in der Version der Vulgata das Gerücht darüber hinaus nicht mehr in direkter Rede vermittelt, sondern von Boten übermittelt (et ad eos certi nuntii detulissent). Außerdem wird der Altar gemäß der LXX ohne Determination geboten. Schließlich wird die Präposition mûl von LXX als Nomen gebûl wiedergegeben.53 Die auffällige Größe des Altars und seine Lokalisierung im Bereich des Jordans musste aber sicherlich das Interesse der westjordanischen Stämme erregt haben.54 Die Reaktion der westjordanischen Stämme auf diesen Altar beruht nach V.11 jedoch allein auf dem Hörensagen und einem ansonsten nicht bestätigten Gerücht.55 Nach diesem Missverständnis würde der Altar im Ostjordanland stehen, was aber nach V.10 eigentlich nicht der Fall sein kann. Die unterschiedliche Verortung könnte folglich auf der Erzählstrategie beruhen. Die fehlerhafte Lokalisierung im Ostjordanland basiert nämlich nur auf dem Hörensagen.56 Der eigentliche Altar befand sich im Westjordanland. V.12: Die Wiederaufnahme von wayyišmeʿû benê Yiśrāʾel aus V.11 in V.12 wird von LXX und Vulgata gestrichen,57 was aber sicher die lectio facilior ist. Offenbar haben die alten Versionen dies als unnötige Dittographie gedeutet.58 Allerdings handelt es sich bei wayyišmeʿû benê Yiśrāʾel vermutlich um eine Wiederaufnahme, die einen sekundären Einschub anzeigt. Außerdem wird von LXX auf ʿedāh verzichtet, wenn die Gruppe, die sich versammelt, als πάντες οἱ υἱοὶ Ισραηλ bezeichnet wird. Vulgata bietet sogar nur omnes. Der Ausdruck kål ʿadat benê Yiśrāʾel wird somit nicht immer wiedergegeben und könnte daher literarkritisch verdächtig sein, zumal er nicht als singularisches Subjekt zur Pluralform wayyiqqāhalû gefügt werden kann. Als Objekt wäre der Ausdruck kål ʿadat benê Yiśrāʾel nur bei einer Veränderung von 52 Vgl. auch SCHORN 1997, 212. Vielleicht ist die missverständliche Redeweise darauf zurückzuführen, dass in V.10 eine westjordanische und in V.11 eine ostjordanische Perspektive auf die Verortung des Altars eingenommen wird. Denn alle drei Angaben in V.11 könnten darauf hinweisen, dass das Ostjordanland nicht zu Israel gehört, wobei der Jordan die Grenze bildet, vgl. ASSIS 2004b, 217f. DUS 1964, 533 entwickelte die eigenwillige Vorstellung, dass der von Orakelkühen gezogene Karren mit der Lade aufgrund des Jordans nie ins Ostjordanland kommen konnte, was dazu führte, dass das Gebiet jenseits des Jordans als minderwertig betrachtet wurde. Aus diesem Grund entstand auch der ostjordanische Sonderkult an einem eigenen Altar, wie dies in Jos 22 berichtet wird. Dagegen aber zu Recht schon VINK 1969, 75f. 53 Vgl. HOLMES 1914, 75. 54 Vgl. ASSIS 2004b, 216. 55 Vgl. hierzu auch SPRONK 1994, 175. 56 Vgl. zum Problem THON 2006, 86; KNITTEL 2019, 219, die zusätzlich auf 1Sam 13,4 verweist, wo auf ähnliche Weise eine von der Realität differierende Nachricht wahrgenommen wird. 57 Vgl. HOLMES 1914, 75. 58 So auch BUTLER 2014, 244, der sich gegen ein Homoioteleuton ausspricht.
1. Textkritische und sprachliche Probleme
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QHL von reflexiven N- zu aktiven H-Stamm denkbar, sodass auch diese Deutung eigentlich ausscheidet. Da die Pluralform wayyiqqāhalû besser zu den zuvor genannten „Söhnen Israels“ passt, könnte der Ausdruck kål ʿadat benê Yiśrāʾel sekundär ergänzt sein.59 Allerdings könnte auch der Autor selbst diese erklärende Apposition eingetragen haben. Außerdem wird von LXX und Vulgata beim abschließenden Infinitivsatz die Präpositionalverbindung ʿalêhæm zu laṣṣābāʾ gezogen. Darüber hinaus wird die schwierige Syntax des determinierten Nomens ṣābāʾ umgangen: ὥστε ἀναβάντες ἐκπολεμῆσαι αὐτούς bzw. ut ascenderent et dimicarent contra eos. V.13: In V.13 wird von Vulgata auf das Subjekt benê Yiśrāʾel verzichtet sowie das lange Präpositionalobjekt durch ad illos abgekürzt. Darüber hinaus erweitert LXX die Genealogie des Pinhas um die Angabe „Sohn Aarons“, wobei aber bei den weiteren Erwähnungen des Pinhas in V.30.31.32 nur noch die Angabe „der Priester“ ergänzt wird und auf die Filiation verzichtet wird, ähnlich wie MT in V.30. V.14: Der syntaktisch schwierige V.14 wird von der Vulgata maßgeblich gekürzt (et decem principes cum eo singulos de tribubus singulis), sodass alle schwierigen Elemente von 14b entfallen. LXX versucht MT möglichst Wort für Wort wiederzugeben, wobei aber die Präpositionalverbindung leʾalefê Yiśrāʾel nicht berücksichtigt wird. Peschitta verzichtet zudem auf bêt ʾāb. Die doppelte Erwähnung von bêt ʾāb ist zumindest auffällig und wurde immer wieder als Dittographie bewertet.60 Das erste bêt ʾāb ist zumindest im umgebenden Kontext schwierig, da dort von einer Zehnzahl die Rede ist, was zu den Stämmen Israels, nicht aber zu den Väterhäusern passt. Die Verwendung des priesterlich geprägten Lexems maṭṭæh, das nur hier in Jos 22 auftaucht, ist auffällig, da ansonsten in Verbindung mit Manasse der Alternativausdruck šebæṭ steht.61 Fraglich ist, ob man daher alle Verweise auf den Halbstamm Manasse als redaktionelle Ergänzung bewerten darf.62 V.16: In V.16 verzichtet LXX auf die zweite Angabe hayyôm,63 während Vulgata den Zeitmarker „heute“ überhaupt nicht bietet. Mitunter ist das zweite hayyôm in MT gesetzt worden, um beide Aussagen aneinander anzugleichen. Dann stellt sich aber die Frage, ob die Doppelung von hayyôm nicht durch einen Redaktor geschaffen wurde. Darüber hinaus belegt Vulgata einen 59
Vgl. DEN HERTOG 2003, 64. Vgl. NOTH 1971, 130. 61 Dieser Ausdruck ist für CORTESE 1990, 105 ein Hinweis dafür, dass es sich bei Jos 22,9–34 um einen nachpriesterlichen Text handeln müsse. Schon COOKE 1918, 202 vermutet, dass späte Ergänzungen auch dtr. Phraseologie übernommen haben können. 62 Nach LAUGHLIN 2015, 204 gehörte Manasse nicht zur ursprünglichen Version. Anders hingegen GERMANY 2019, 329, dem zufolge der Umstand, dass es hier um die 2 ½ ostjordanischen Stämme geht, belegen würde, dass Jos 22,9–34 eine späte Erzählung sei. 63 Vgl. BUTLER 2014, 244. Entweder handelt es sich um eine Dittographie des MT oder um eine Vereinfachung durch LXX. 60
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Kurztext, bei dem die redundanten Formulierungen des MT eingeebnet wurden. Auffällig ist zudem, dass den ostjordanischen Stämmen in V.16 MʿL, ŠūB und MRD vorgehalten wird. Die drei Vergehen der Oststämme wirken überfüllt, sodass man durchaus daran denken darf, dass hier redaktionell gearbeitet wurde. Die einzelnen Lexeme haben unterschiedliche Bedeutung: Das Lexem MʿL, das ausschließlich in späten Texten vorkommt,64 bezeichnet die Untreue gegenüber Gott, da ein eingegangenes Vertrauensverhältnis gebrochen wurde.65 In den meisten Fällen handelt es sich bei MʿL um einen theologischen Begriff, mit dem das Verhältnis zu Gott auf die Ebene des ethischen Kriteriums der personalen Treue verlagert wird.66 Außerdem wird durch diese Treulosigkeit die kultische Reinheit gestört, was zu einer Wiederherstellung nötigt.67 Diese Idiomatik zieht darüber hinaus eine intertextuelle Verbindung zur Achanerzählung in Jos 7, wo die Treulosigkeit eines Einzelnen zu einer Bestrafung der Israeliten führte. Das Lexem MʿL wird zudem im Kontext der Sünde von Bet-Pegor in Num 31,16 erwähnt, sodass es nicht verwundert, dass dieses Idiom in Jos 22 ebenfalls verwendet wurde. Außerdem lässt sich MʿL noch mit der nachexilischen Mischehenproblematik verbinden.68 Das Lexem MʿL ist darüber hinaus Antonym zu QDŠ (Dtn 32,51). Schon aus diesem Grund gehört zu MʿL neben der Verletzung des Bundes auch der Bereich des Sakrilegs gegen das Heilige.69 Wahrscheinlich bezeichnet MʿL den Umstand, dass Heiliges profaniert worden ist.70 In chronistischer Tradition wird MʿL meist mit Götzendienst verbunden.71 Vor diesem Hintergrund ist auch die Verwendung in Jos 22 zu erklären, zumal hier noch als synonymes Idiom ŠūB meʾaḥarê YHWH gebraucht wird. Mit dem Ausdruck ŠūB meʾaḥarê YHWH ist vermutlich die Rückkehr zu Götzendienst gemeint.72 Damit verbunden ist eine Abkehr von Gott,73 weshalb YHWH nicht mehr mit dem Volk sein wird. Dieser Aspekt wird
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2)
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Vgl. KNIERIM 1971a, 920; RINGGREN 1984, 1039; WAKELY 1997, 1020. Vgl. hierzu auch WAKELY 1997, 1020. 66 Vgl. KNIERIM 1971a, 921f. 67 Vgl. FRITZ 1994, 223. Zu diesem Begriff vgl. auch MILGROM 1976, 236–239; MILGROM 1991, 345–356. 68 Vgl. MICHEL 2019, 174. 69 Vgl. MILGROM 1991, 345–349. 70 Vgl. MILGROM 1991, 351. 71 Vgl. RINGGREN 1984, 1040f. 72 Nach GRAUPNER 1993, 1156 ist bei der Wurzel ŠūB „sich abwenden“ in theologischem Gebrauch der Bruch des ersten Gebotes und damit verbunden die Schuld des Volkes im Blick. Nach THOMPSON/MARTENS 1997, 56 bedeutet ŠūB „in the context of moral and spiritual lapses departure (turning away) from Yahweh“. 73 Vgl. SOGGIN 1976, 888. 65
1. Textkritische und sprachliche Probleme
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bereits in der Kundschaftererzählung Num 14,43 besonders betont.74 Die Idiomatik ŠūB meʾaḥarê YHWH hat einen Schwerpunkt in Jos 22, wo sie sowohl im Vorwurf der Untersuchungskommission, wie auch in der Antwort der Oststämme belegt ist.75 Während sich dieser Ausdruck nicht im Deuteronomium findet, steht er zweimal in priesterlichem Kontext.76 Eine Abwendung von YHWH hat in beiden Fällen die Vernichtung zur Folge. Das Idiom ŠūB meʾaḥarê kommt auch in politischem Kontext vor, oft mit tödlichen Folgen. Offenbar hat man den Oststämmen vorgeworfen, dass sie sich von YHWH abgewendet haben, was durchaus mit der durch MʿL ausgedrückten Treulosigkeit verbunden werden kann. Es hat zudem den Anschein, dass die religiösen Autoritäten Angst davor hatten, dass die Oststämme fremden Göttern auf diesem Altar opfern könnten.77 Der zu MʿL synonyme Begriff MRD bezeichnet im profanen Bereich die politische Revolte, um die Abhängigkeit zu einem Oberherrn abzuwerfen und die politische Selbstständigkeit zu erlangen.78 Dies erfolgte in der Regel durch die Aufkündigung des Vasallenverhältnisses, indem die Tributleistungen eingestellt und fremde Koalitionen eingegangen werden. Völkerrechtlich handelt es sich um Bundesbruch.79 Fast immer geht es um eine Auflehnung, die noch nicht vollendet ist.80 Im Vergleich zu seinem Synonym PŠʿ wird das Lexem MRD im Alten Testament vor allem im Kontext der Großmachtpolitik der Assyrer verwendet, aus der man sich befreien wollte, indem man sich gegen den Großkönig auflehnte.81 Es verwundert daher nicht, dass dieses Verb frühestens in reichsaramäischen Texten außerbiblisch belegt ist.82 In theologischem Gebrauch wird folglich die Abhängigkeit Israels zu YHWH in politischen Kategorien gesehen. Auffälligerweise findet sich das Lexem MRD nicht in den von der Kommission erwähnten Beispielerzählungen Num 25 und Jos 7. Als Antonym zu MRD wird in V.27 das Idiom ʿBD ʾæt ʿabodāh verwendet,83 sodass es bei MRD vermutlich um die Unterlassung des korrekten YHWH-Dienstes geht.84 Das Lexem MRD ist vor dem Hinter-
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74
Vgl. zur Idiomatik in der Kundschaftererzählung FABRY 1993, 1137f. Jos 22,16.18.23.29. Nach GRAUPNER 1993, 1156 könnte diese Idiomatik auf ältere Überlieferung zurückgehen; sie ist zumindest keine dtr. Schöpfung. 76 Num 14,43; 32,15. Darüber hinaus noch in 1Sam 15,11; 1Kön 9,6; Jer 3,19. 77 Vgl. auch HESS 1996, 321. Nach KELLERMANN 1989, 113 habe es hingegen einen gileaditischen YHWH-Kult auf diesem Altar gegeben. 78 Vgl. hierzu CARPENTER/GRISANTI 1997, 1098f.; HUBBARD 2009, 488. Ähnlich schon LLOYD 1886, 340. 79 Vgl. SCHWIENHORST 1984, 2. 80 Vgl. KNIERIM 1971b, 926. 81 Vgl. SCHWIENHORST 1984, 3. 82 Vgl. KNIERIM 1971b, 925. 83 Vgl. SCHWIENHORST 1984, 4. 84 Nach CARPENTER/GRISANTI 1997, 1098 geht es bei MRD um praktizierte Idolatrie. 75
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grund eines assymetrischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen YHWH und Israel zu deuten. Deshalb ist auch zu befürchten, dass ein Abfallen Israels von YHWH durch falschen YHWH-Dienst massiv bestraft wird. Mit MRD wird der Versuch beschrieben, sich dem Treue- und Dienstverhältnis gegenüber YHWH zu entziehen.85 Aus alledem folgt, dass den Oststämmen gemäß V.16 Treulosigkeit (MʿL), Apostasie (ŠūB) und Rebellion (MRD) gegenüber YHWH vorgeworfen wird.86 Nach Ansicht der religiösen Anführer haben die ostjordanischen Stämme durch ihren Altarbau in den Bereich der göttlichen Sphäre eingegriffen, was weitreichende Folgen heraufbeschwören könnte, wie die genannten Beispielerzählung vom Baal-Pegor (Num 25) oder vom Israeliten Achan (Jos 7) hinlänglich gezeigt haben. Schon die Verwendung des Lexems MʿL hat einen Bezug zu beiden Erzählungen nahegelegt,87 da das Lexem MʿL in Num 25 wie in Jos 7 prominent verwendet wird. V.17: Der Artikel vor nægæf „Plage“ in V.17 wird von LXX nicht wiedergegeben. Auf diese Weise wird das deiktische Moment des MT aufgegeben, da es hier nicht um die bereits aus Num 25 bekannte Plage gehen muss. Insofern könnte LXX die Aussage des MT verallgemeinert haben. Die in V.17 angesprochene „Plage“ könnte damit zusammenhängen, dass man die Sünde von Pegor noch nicht getilgt hat.88 Die Frage in V.17 begründet zudem die vorausgegangene Frage in V.16, die ihre Präsupposition nicht offenlegt.89 Außerdem dient die persuasive Frage von V.17 der Selbstkonfrontation.90 Durch diese „Zweifelsfrage“91 wird zudem das sündige Tun drastisch gesteigert. 85
Vgl. KNIERIM 1971b, 927. Vgl. KLOPPENBORG 1981, 352. Der Altarbau ist nach KNAUF 2008, 186 Verrat und Rebellion gegen YHWH und Israel. Da es nach Ansicht der westjordanischen Stämme nur einen zentralen Verehrungsort geben kann, wird auf dem umstrittenen Altar möglicherweise ein fremder Gott verehrt, vgl. HUBBARD 2009, 488. HOWARD 1998, 412 vermutet demgegenüber, dass die Untersuchungskommission die Durchführung von Opfern auf diesem Konkurrenzaltar eigentlich nicht beklagt habe. Die Antwort der Oststämme zeigt aber sehr genau, dass sie die kultischen Probleme durchaus kennen. 87 Darüber hinaus verwundert es nicht, dass Pinhas die Erzählung von Baal-Pegor erwähnt, in der er eine maßgebliche Rolle gespielt hat, vgl. STEUERNAGEL 1900, 237. 88 Nach PREUSS 1986a, 229 liegt hier priesterliche Sprache vor, wobei es um die Strafe für den Abfall des Volkes von YHWH geht. SWART 1997, 26 weist darauf hin, dass dieses Lexem „a divine plague or blow executed by God with disastrous consequences for the victims“ bedeute. 89 Vgl. STASZAK 2021, 388 (8.1.5.1.2). 90 Vgl. STASZAK 2021, 72 (2.4.3.).310 (5.6.1.4.). HARSTAD 2004, 696 deutet hameʿat als „elative“ oder als „elliptical comparison“. 91 Vgl. hierzu ZOBEL 1984, 1035. Durch den Fragesatz werde die Anklage bestätigt und erhärtet. Über das Urteil könne kein Zweifel bestehen. Nach CARROLL RODAS 1997, 1017 wird mithilfe dieser rhetorischen Frage der Abfall von Gott ausgedrückt. 86
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V.18: In V.18 wird von LXX der Ausdruck ʿadat Yiśrāʾel wie in 12b ohne den priesterlichen Begriff ʿedāh wiedergegeben: ἐπὶ πάντα Ισραηλ anstelle von ʾæl kål ʿadat Yiśrāʾel. Interessanterweise belegt Vulgata (reliquistis) wie schon in V.16 das Verb ŠūB und verzichtet offenbar auf die Wiedergabe von MRD. Die Passage wehāyāh ʾattæm timredû hayyôm beYHWH wird von Vulgata somit nicht wiedergegeben.92 Neben diesem textkritischen Problem, kommt noch hinzu, dass die Syntax in V.18 schwierig ist.93 Denn die ersten beiden yiqtol-Formen lassen sich eigentlich nicht als individuelle Sachverhalte der Zukunft deuten, da in beiden Fällen hayyôm „heute“ steht. Meist wird bei vergleichbaren Fällen mit hayyôm anstelle einer yiqtol-Form ein Partizipialsatz verwendet, der auf Gegenwart abzielt.94 Darüber hinaus wird die Syntax noch durch ein eingeschobenes wehāyāh zusätzlich unterbrochen, der in die Zukunft weist. Somit wird durch wehāyāh angedeutet, dass es sich um zukünftige Sachverhalte handelt. Ob sich diese Handlungen noch im jeweiligen „heute“ abspielen, ist fraglich. V.19: Von LXX und Vetus Latina wird in V.19 meʿaṭ „klein“ anstelle von e ṭ meʿāh „unrein“ gelesen. Dies könnte entweder auf eine innergriechische Entwicklung von μιαρα zu μικρα zurückzuführen sein, oder auf ein Missverständnis des MT durch die beiden Versionen. Ob damit ein feindlich gesinnter Blick aufs Ostjordanland und eine Geringschätzung zu verbinden ist, ist allerdings fraglich.95 Entgegen der dtr. Tradition wird das Ostjordanland nach Ansicht der religiösen Anführer nach V.19 als „unrein“ bezeichnet. Diese Klassifizierung des Ostjordanlandes wird unterschiedlich gedeutet: 1)
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Vielleicht hängt die Unreinheit des Ostjordanlandes damit zusammen, dass dieses Gebiet durch die Eingliederung in das assyrische Provinzsystem im 8. Jh. v. Chr. von fremden Völkern besiedelt worden ist.96 Auf diese Weise wären fremde Götter eingewandert. Darüber hinaus könnte hier auch angedeutet sein, dass das Ostjordanland den Oststämmen und nicht YHWH gehört, zumal dieses Gebiet als
92 Vgl. hierzu auch HOLZINGER 1901, 90. HARSTAD 2004, 697 deutet diesen Satz als Protasis in einem Konditionalgefüge, wobei auf die Konjunktion ʾim verzichtet wurde. 93 REITERER 1993, 96 weist darauf hin, dass hier zudem die Präposition ʿal regulär in Verbindung mit der Wurzel QṢP anstelle von ʾæl stehen sollte. 94 Vgl. MICHEL 2020, 347. 95 Vgl. zum Problem BUTLER 2014, 244. SCHENKER 2011, 54, weist darauf hin, dass LXX und Vetus Latina betonen, dass das Land zu klein sei, was vielleicht damit zusammenhängt, dass der Altar als Zufluchtsaltar gebaut wurde. Dieser Altar wäre somit angesichts der geringen Distanzen zum Zentralheiligtum in Schilo als Zufluchtsaltar nicht notwendig gewesen. Kritisch hierzu MICHEL 2019, 166 Anm. 3. NOORT 2009, 107 weist darauf hin, dass die geographische Opposition „rein-unrein“ auffällig ist. 96 Vgl. FRITZ 1994, 224; NELSON 1997, 250. RÖSEL 2011, 348 weist jedoch darauf hin, dass Ähnliches auch für Samaria gelte, was aber überhaupt nicht im Blick sein kann, zumal Samaria zum Verheißungsland gehöre.
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ʾaḥuzzatkæm „euer Grundbesitz“ bezeichnet wird, während das Westjordanland als ʾaḥuzzat YHWH „Grundbesitz YHWHs“ gedeutet wird. Dieses andere Besitzverhältnis würde folglich das Ostjordanland unrein machen.97 Hier könnte folglich die priesterliche Vorstellung entwickelt sein, dass der Jordan die Grenze des Verheißungslandes ist und die ostjordanischen Gebiete nicht dazugehören. Nur Kanaan bildet das Eigentumsland YHWHs und Israels, nicht aber Gilead.98 Manchmal wird vermutet, dass in V.19 ausgedrückt werden soll, dass die ostjordanischen Stämme den Altar zur Reinigung des Ostjordanlandes gebaut hätten.99 Für einen derartigen Zweck ist der Konkurrenzaltar aber eigentlich nicht geeignet. Reinigung muss vom Zentralheiligtum ausgehen.100
Allerdings wird die Unreinheit nur als eine Möglichkeit in diesem Konditionalsatz geschildert, ohne dass hier tatsächlich den Oststämmen vorgehalten wird, dass sie sich in einem unreinen Land befinden.101 Der Satz in V.19 ist dementsprechend weniger eine deklaratorische, als vielmehr eine deliberative Aussage. Denn das Ostjordanland wird hier nicht dezidiert abgelehnt.102 Der Verdacht der Unreinheit des Ostjordanlandes bleibt zudem im weiteren Verlauf der Erzählung bestehen, ohne dass dieses Problem gelöst wird. In V.19 wird zudem eine andere Option vorgeschlagen, die Mose nach Num 32,30 den Oststämmen bereits angeboten hat. Denn die Oststämmen können auch
97 Vgl. HUBBARD 2009, 489; BUTLER 2014, 260; EDERER 2017, 309f. OTTOSSON 1969, 135 deutet die Unreinheit nur im kultischen Kontext, da YHWH nur in Kanaan wohnt, wobei ihm aber auch das Ostjordanland gehört. 98 Vgl. KLOPPENBORG 1981, 361. Demgegenüber betont DEURLOO 1995, 118: „Der Jordan, der als feierliche Eröffnung von JHWHs Landgabe und Zukunft überquert worden ist, solidarisiert und trennt nicht. Der Jordan ist keine Grenze.“ Nach BALLHORN 2011, 412f. ist mit Gilead das gesamte Ostjordanland gemeint. Vgl. hierzu auch JOBLING 1986, 116. Schon KEIL 1847, 375 vermutet, dass mit Gilead alle ostjordanischen Gebiete Israels gemeint seien. 99 Vgl. PITKÄNEN 2010, 360. Ähnlich schon KAUFMANN 1963, 241f.; WOUDSTRA 1981, 325. Dagegen aber mit guten Gründen FRANKEL 2011, 190. 100 Vgl. hierzu ZIESE 2008, 365. 101 Vgl. auch ASSIS 2004b, 222f. Nach DUS 1964, 534 ist das Ostjordanland unrein, da die Lade aufgrund des Jordans nicht in dieses Gebiet kommen konnte und die Oststämme deshalb nie an der geforderten Einheit des Kultplatzes teilhaben konnten. Außerdem müsse nach DUS 1964, 538 ein Land, das nicht zum Besitzland YHWHs gehört, nicht gleich als „unrein“ betrachtet werden. Anders jedoch LLOYD 1886, 341, dem zufolge das Ostjordanland unrein ist, da es von Heiden bewohnt wird und sich das Zentralheiligtum im Westjordanland befindet. Nach DIEBNER/SCHULT 1974, 34 ist das Ostjordanland als Ausland unrein. 102 Vgl. KNITTEL 2019, 226.
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im eigentlichen Verheißungsland ansässig werden, was in Num 32,30 und V.19 mit dem Idiom ʾḤZ-N + betāwæk ausgedrückt wird.103 Außerdem ist das Lexem ʾl im Satz weʾotānû ʾæl timrodû falsch punktiert, da hier mit vielen hebräischen Handschriften eine Negationspartikel ʾal zu lesen ist.104 Die schwierige Konstruktion von MRD mit der Präpositionalverbindung ʾotānû könnte die Bedeutung, die dieses Verb beim Verhalten gegenüber Stämmen bezeichnet, von der Bedeutung unterscheiden, die es hat, wenn es ein Verhalten gegenüber YHWH ausdrücken soll. Im ersten Fall hätte man wie hier ʾæt bei den Stämmen verwendet, im zweiten Fall bei YHWH hingegen die Präposition b.105 Während LXX die beiden Sätze mit timrodû mit einer Apostasie gegenüber YHWH verbindet, scheint die Vulgata durch die Abwandlung von ʾælohênû zu dei vestri davon auszugehen, dass die Oststämme nicht noch einen weiteren Altar abgesehen vom dem „Altar YHWHs, eures Gottes“ bauen dürften. V.20: LXX beginnt diesen Vers abweichend mit οὐκ ἰδοὺ. Die erste Frage in 20a dient als Feststellung,106 die die bekannte Erzählung von Achan in Jos 7 einspielt. Vermutlich ist wehûʾ ʾîš ʾæḥād ein nominaler Umstandssatz, der noch auf die Frage zu 20a konzessiv zu beziehen ist.107 Die schwierige Syntax von 20b spiegelt sich zudem auch in den Übersetzungsversuchen der Versionen wider.108 In 20b tragen LXX und Vulgata die Vorstellung ein, dass hier ein Mensch „alleine“ für seine Verfehlung bestraft wurde.109 Bei dem letzten Satz von 20b könnte man darüber hinaus erwägen, dass ʾîš ʾæḥād aus dem Vordersatz zusätzlich hinzuzudenken wäre. Dann müsste man hier folgendermaßen übersetzen: „nicht (als einzelner Mann) ist er gestorben“.110 Allerdings wird in 20b oft ein Fragesatz erwogen, auch wenn man ansonsten in vergleichbaren Fällen eigentlich halôʾ erwartet. Da es aber an anderen
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KNIGHT 2002, 58 weist aber darauf hin, dass diese Aussage ein leeres Versprechen ist, zumal das Land zuvor an die 9 ½ Stämme bereits verteilt wurde. JOBLING 1986, 115 vermutet, dass die ostjordanischen Israeliten den Raum der im Westjordanland noch verbliebenen Kanaanäer einnehmen könnten. 104 Vgl. HARSTAD 2004, 698; BUTLER 2014, 245. 105 Vgl. BARTHÉLEMY 1982, 69. HARSTAD 2004, 698f. punktiert hier zudem kausatives MRD-H anstelle von MRD-G. Dann hätten die Oststämme durch ihr Verhalten die Weststämme in ihre Revolte gegen YHWH hineingezogen. Ähnlich schon ROBINSON 1907, 373; EHRLICH 1910, 58. 106 Vgl. STASZAK 2021, 348 (6.6.2.4.). 107 Vgl. STEUERNAGEL 1900, 238. 108 Vgl. hierzu HOLMES 1914, 75. 109 Zum Problem der einzelnen Versionen vgl. BUTLER 2014, 245. 110 Ähnlich schon KEIL 1847, 381; OETTLI 1893, 197. Nach HARSTAD 2004, 699 bezieht sich die Negationspartikel auf ʾîš ʾæḥād.
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Stellen negierte Fragesätze mit lôʾ ebenso gibt, darf man auch in 20b einen Interrogativsatz ansetzen.111 V.21: Die Doppelung der Verben ʿNY und DBR in V.21 wird von Vulgata zu responderuntque verkürzt, während LXX den MT bestätigt. Außerdem belegen einige Handschriften die Präposition ʾæl statt ʾæt, was aber sicherlich nur eine Vereinfachung des hebräischen Textes darstellt.112 Außerdem ergänzt LXX am Schluss des Satzes offenbar noch ein leʾmor, indem sie mit dem Ausdruck λέγοντες schließt. V.22: Die drei Gottesepitheta zu Beginn von V.22 werden von der Vulgata als Aufzählung (fortissimus Deus Dominus) und von LXX im ersten Fall als Nominalsatz wiedergegeben (῾Ο θεὸς θεός ἐστιν κύριος), während im zweiten Fall eine Aufzählung folgt, die das vorgezogene Subjekt des folgenden Satzes bildet, das mit αὐτὸς wiederum aufgegriffen wird (καὶ ὁ θεὸς θεὸς κύριος αὐτὸς οἶδεν). Die Oststämme beginnen ihre Antwort, die sich nicht an Pinhas, sondern nach V.21 an die Stammesvertreter wendet,113 mit einem Bekenntnis zu ʾel ʾælohîm YHWH „Gott, Elohim, YHWH“.114 Der Ausdruck ʾel ʾælohîm YHWH kann syntaktisch als Aufzählung einzelner Gottesepitheta115 oder als Nominalsatz verstanden werden,116 wobei dann die Constructusverbindung „Gott der Götter“ entweder monolatrisch117 oder als Superlativ gedeutet werden kann.118 Auf alle Fälle wird durch die Anrufung von YHWH als Zeugen die Orthodoxie der Oststämme unterstrichen und der Vorwurf des Götzendienstes dezidiert abgewiesen.119 Während YHWH nach V.22 bereits weiß, dass der Altar nicht mit schlechten Motiven gebaut wurde – dies wird mit dem Partizipialsatz hûʾ yodeaʿ ausgedrückt –, sollen dies auch die Söhne Israels wissen, wobei hier eine 111 Vgl. STASZAK 2021, 172 (3.3.1.4.), der darauf hinweist, dass die negierte Frage in 20b noch unter dem halôʾ von 20a steht. Zum Problem vgl. auch BALLHORN 2011, 434 Anm. 1007. 112 Vgl. HOLZINGER 1901, 90. Zur Lesart ʾæl vgl. EHRLICH 1910, 58. 113 Nach WOUDSTRA 1981, 326 wird hier Pinhas nicht als dominierende Figur gesehen, zumal es hier um eine Sache von nationaler Tragweite geht. 114 Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Übersetzung dieser drei Gottesepitheta vgl. HOWARD 1998, 411f.; HAWK 2000, 240; KNIGHT 2002, 54; COLESON 2012, 163. Nach LLOYD 1886, 342 liegt hier eine steigernde Aufzählung von Gottesepitheta vor. DEURLOO 1995, 118 deutet diese Aufzählung als gewichtig und beschwörend. 115 Vgl. STEUERNAGEL 1900, 238; NOTH 1971, 130; WOUDSTRA 1981, 325; FRITZ 1994, 219; BALLHORN 2011, 435; REIMER 2012, 15. Nach DILLMANN 1886, 578f. liegt hier ein dreifacher Gottesname vor, der durch Verdoppelung noch gesteigert werde. 116 Vgl. schon DUS 1964, 538. 117 Vgl. auch KNAUF 2008, 186. 118 Vgl. zu letzterem BOLING 1982, 515; HESS 1996, 322. 119 Vgl. EDERER 2017, 310. Vielleicht soll die unklare Ausdrucksweise der Oststämme ihre bislang ungeklärte Zugehörigkeit zu Israel ausdrücken, vgl. HAWK 2000, 240.
1. Textkritische und sprachliche Probleme
223
yiqtol-Form der gleichen Wurzel verwendet wird: hûʾ yadāʿ.120 Hinzu kommt, dass die ostjordanischen Stämme das Urteil über ihren Fall Gott überlassen.121 Er hätte sie schon längst bestraft, wenn sie den Altar mit gotteslästerlichen Motiven gebaut hätten. Außerdem wird 22b von Vulgata recht frei übertragen (si praevaricationis animo hoc altare construximus non custodiat nos sed puniat in praesenti). Ob hier Vulgata einen anderen hebräischen Text gehabt hat, ist fraglich. Darüber hinaus wird tôšîʿenû von LXX, Vulgata und Peschitta in die dritte Person verändert, was eine Lesart yôšîʿenû voraussetzen würde.122 Dies ist sicher die leichtere Lesart, da es auf diese Weise nicht zu einem Wechsel von der Er- in die Du-Perspektive kommt.123 Der MT ist wohl die lectio difficilior, für die es keine schlüssige Erklärung gibt. Schon aus diesem Grund sollte MT hier nicht abgeändert werden, auch wenn hier Spannungen erzeugt werden. Vielleicht wenden sich die Oststämme mit der Du-Anrede bewusst an Gott, der im weiteren Verlauf der Anklage sicherlich die Oststämme retten wird. V.23: Die Opferart minḥāh wird von LXX in V.23 nicht wiedergegeben. Außerdem wird die Verbalform yebaqqeš von Vulgata und Peschitta durch zusätzliche Verben ergänzt.124 Während die Untersuchungskommission den Oststämmen bislang nicht vorgeworfen hat, dass sie falsche und illegitime Opfer auf diesem umstrittenen Altar dargebracht haben, reagieren die Oststämme genau in diese Richtung und betonen, dass sie in keinster Weise geopfert haben. Die Opferarten werden wiederholt aufgezählt, nämlich ʿôlāh – minḥāh – zibḥê šelāmîm (V.23), ʿôlāh – zæbaḥ (V.26), ʿôlāh – zæbaḥ – šælæm (V.27), ʿôlāh – zæbaḥ (V.28), ʿôlāh – minḥāh – zæbaḥ (V.29).125 Lediglich die beiden Opferarten ʿôlāh – zæbaḥ sind in diesen Aufzählungen konstant erhalten. Ob die Ergänzung von minḥāh oder die Differenzierung zu zibḥê šelāmîm auf redaktionelle Arbeit zurückzuführen ist, ist fraglich126 und muss bei der literarkritischen Untersuchung besprochen werden. Zumindest die Vulgata gibt diese Opferarten relativ wörtlich wieder, während LXX nur bei der Übertragung von zæbaḥ als θυσία eine stets einheitliche Übersetzung gewählt hat. 120
Vgl. hierzu HAWK 2000, 241. Vgl. GÖRG 1991, 98. 122 Vgl. hierzu BUTLER 2014, 245. Vgl. zu den Problemen von V.22 schon EHRLICH 1910, 58; HOLMES 1914, 76; EISSFELDT 1922, 284*. 123 Dagegen jedoch COOKE 1918, 206, dem zufolge hier die westjordanische Gesandtschaft im Blick ist. KNOBEL 1861, 479 vermutet, dass hier eine Anrede an Gott eingeschoben wurde. 124 Vgl. HOLZINGER 1901, 90. 125 Vgl. zum Problem der Opferarten auch BALLHORN 2011, 437f., dem zufolge hier alle möglichen Opferarten angesprochen und ihre Ausübung auf dem Altar ausgeschlossen werden sollen. 126 FRITZ 1994, 225 sieht minḥāh daher als Glosse. Nach GRAY 1986, 172 könnte es sich bei minḥāh ursprünglich ebenfalls um ein Tieropfer gehandelt haben. 121
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
V.24: Das Zentrum der Antwort der ostjordanischen Stämme bildet der Verweis auf die Kinder, der aber nur auf dem ersten Blick mit der sogenannten Kinderfrage in Ex 13,14 oder Dtn 6,20 zusammenhängt,127 da die sprachlichen Berührungspunkte eigentlich minimal sind. Lediglich die Lexeme māḥār „morgen“,128 leʾmor „folgendermaßen“ und māh „was“ haben diese Texte gemein, während in Jos 22,24 ʾMR statt ŠʾL und Plural statt Singular bei „Kinder“ steht. Eine bessere Parallele bietet hingegen Ex 12,26, in der das Verb ʾMR „sagen“, das pluralische Objekt benêkæm „eure Kinder“ und das Interrogativpronomen māh „was“ verwendet wird. Trotz der auffälligen formalen und sprachlichen Unterschiede wird in V.24 das Motiv der Kinderfrage kreativ übernommen. Denn der Ausblick in die Zukunft der Kinder wird noch in V.25 und 27 durch die Ausdrücke bānênû – benêkæm unterstrichen. Vielleicht stehen die Ritualtexte in Ex 12–13, die die Kinderfrage ebenfalls verwenden, im Hintergrund der Erzählung. Dementsprechend könnte es auch in Jos 22 in erster Linie um eine Teilnahme am Kult gehen. V.25: In V.25 fehlt der Vokativ benê Reʾûben ûbenê Gād in LXX ganz und in Peschitta ist er ans Ende von V.24 gewechselt.129 Demnach könnte es sich hierbei um einen späteren Zusatz handeln, der von den Übersetzungen an unterschiedlichen Stellen des Textes eingetragen werden konnte. Da aber die Bezeichnung benê Reʾûben ûbenê Gād auch sonst oft in Jos 22 verwendet wird, muss man hier nicht notwendigerweise eine spätere redaktionelle Hand vermuten. V.27: Fraglich ist, ob V.27 andeuten könnte, dass vor diesem Altar tatsächlich der Dienst YHWHs dargebracht wird, zumal sich das enklitische Personalpronomen bei lefānāyw auf YHWH, auf den Altar oder den Zeugen beziehen könnte.130 Da aber lefānāyw dem „Dienst YHWHs“ nachgestellt ist, wird die Angabe „vor seinem Angesicht“ auf „YHWH“, dem nächstliegenden Referenzpunkt des enklitischen Personalpronomens, zu beziehen sein, sodass hier 127 Vgl. MICHEL 2019, 172. Die Kinderfrage bezieht nach NELSON 1997, 252f. zudem den Rezipienten mitein. Nach PITKÄNEN 2016b, 322 geht die Kinderfrage auf priesterliche Autoren zurück. KLOPPENBORG 1981, 370 vermutet bei der Kinderfrage eine katechetische Funktion. 128 Nach HARSTAD 2004, 708 hat das Wort māḥār die generelle Bedeutung „in the future“. Ähnlich ANDRÉ 1984, 814, dem zufolge die Bedeutung gelegentlich auch mit „künftig“ wiedergegeben werden kann. 129 Vgl. STEUERNAGEL 1900, 238; HOLZINGER 1901, 90; BUTLER 2014, 245. 130 Vgl. zu dieser Mehrdeutigkeit BUTLER 2014, 262. Nach KLOPPENBORG 1981, 368 ist auf diesem Altar tatsächlich geopfert worden. Auch THON 2006, 91 vermutet, dass sich das enklitische Personalpronomen auf den Altar bezieht. Nach DUS 1964, 535 sind gemäß der ursprünglichen Tradition durchaus auf diesem Altar Opfer dargebracht worden. Neuerdings deutet FRANKEL 2011, 182 den Satz hinsichtlich eines Opferdienstes der Oststämme auf diesem Altar.
1. Textkritische und sprachliche Probleme
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das Zentralheiligtum gemeint ist.131 Hinzu kommt, dass das Idiom lifnê YHWH im Josuabuch mit dem Begegnungszelt in Schilo verbunden ist.132 V.28: Von LXX und Vulgata wird in V.28 die inhaltlich schwierige 1. Person Plural „wir werden sagen“ zu der besser passenden Formulierung „sie werden sagen“ verändert, was die lectio facilior ist, da in der Zukunft nicht mehr die aktuelle Wir-Gruppe agieren kann. Der schwierigere MT muss folglich nicht verändert werden. Vulgata hat zudem nur hier eine Abweichung von der Aufzählung der Opferarten des MT, da sie für zæbaḥ mit sacrificium die ansonsten für minḥāh verwendete Übersetzung einträgt. Für zæbaḥ hätte man ansonsten victimas erwartet. LXX und Vulgata haben darüber hinaus am Schluss die vom MT abweichende Abfolge „zwischen euch und zwischen uns“, sodass durch LXX zusätzlich am Schluss noch der Ausdruck „und zwischen unseren Söhnen“ ergänzt werden konnte (ἀνὰ μέσον ὑμῶν καὶ ἀνὰ μέσον ἡμῶν καὶ ἀνὰ μέσον τῶν υἱῶν ἡμῶν). In der Vulgata wird darüber hinaus auf die nähere Qualifikation des Altars als tabnît verzichtet. V.29: In der LXX fehlt bei der Aufzählung wie schon in V.23 die Opferart minḥāh, während die anderen Opfer abweichend vom MT wiedergegeben werden: τοῖς καρπώμασιν καὶ ταῖς θυσίαις σαλαμιν καὶ τῇ θυσίᾳ τοῦ σωτηρίου.133 Während in LXX der Zeitmarker hayyôm zur Infinitivkonstruktion mit MRD gezogen wird, fehlt er in der Vulgata völlig.134 Dementsprechend könnte auch hier sekundär gearbeitet worden sein. Jedenfalls ist der MT hier nicht über jeden Zweifel erhaben. V.30: In V.30 verzichtet die Vulgata offenbar auf den Ausdruck neśîʾê hāʿedāh und verschlankt dadurch den Text,135 der durch die Aufzählung von verschiedenen Gruppen ohnehin in Spannung zu V.14 steht. Demgegenüber streicht LXX den zweiten Ausdruck werāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel, ergänzt aber noch ein kol vor der ersten Bezeichnung.136 In V.30 und V.31 wird darüber hinaus von LXX der Stamm Manasse ergänzt, und zwar ohne das ansonsten übliche ḥaṣî šebæṭ, dafür aber mit der an die vorausgehenden Stämme angleichende 131
Vgl. hierzu schon KEIL 1847, 393; DILLMANN 1886, 579; DE FRAINE 1947, 309; NELSON 1997, 252; HARSTAD 2004, 710; MICHEL 2019, 169f.; NOORT 2020, 229. 132 Vgl. FOWLER 1987, 387. 133 Vgl. STEUERNAGEL 1900, 239. 134 Vgl. HOLZINGER 1901, 90. 135 Denn die Übersetzung principes legationis Israhel steht in V.21 zumindest für rāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel. 136 Ob diese Beobachtung ausreicht, um mit BUTLER 2014, 245 den zweiten Ausdruck als sekundären Einschub zu bewerten, ist fraglich, da die Vulgata genau anders entschieden hat. Nach EHRLICH 1910, 61 ist nur die Konjunktion w zu streichen und der Ausdruck rāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel als Apposition zu deuten. Ähnlich schon OETTLI 1893, 198. Gegen eine Streichung auch HOLMES 1914, 76f.
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Pluralform benê. Auch diese Beobachtung zeigt, dass bei der Behandlung des Halbstammes Manasse nicht einheitlich vorgegangen wurde. V.31: Die Vulgata ersetzt in V.31 die redundante Aufzählung der Oststämme durch ein simples ad eos. Außerdem wird der letzte Satz von LXX und Vulgata auf einer syntaktisch gleichen Ebene wie der vorausgegangene Satz beigeordnet, wobei das stärkere ʾāz unberücksichtigt bleibt.137 V.32: In den V.32.33.34 fehlt in MT der Halbstamm Manasse.138 Dieser Mangel wird von LXX an allen drei Stellen behoben. Vulgata verzichtet darüber hinaus auf eine erneute Nennung des Priesters Pinhas, da dieser bereits im vorausgegangenen Satz V.31 erwähnt wurde. V.33: In LXX fehlt die zusätzliche Erwähnung von haddābār. Vulgata betont den Aspekt des Hörens (placuitque sermo cunctis audientibus) und verschiebt auf diese Weise den Akzent vom Sehen („in den Augen gut sein“) zum Hören. Darüber hinaus wird von LXX das auffällig nachgestellte Subjekt des zweiten Verbalsatzes benê Yiśrāʾel als nomen rectum zu ʾælohîm gezogen, wenn hier die Genitivkonstruktion τὸν θεὸν υἱῶν Ισραηλ geboten wird. Dies ist aber syntaktisch eigentlich nicht möglich. Allem Anschein nach hat LXX die schwierige Syntax des MT verbessert. Denn in V.33 ist die zweite Erwähnung der benê Yiśrāʾel problematisch, da hinsichtlich der Satzteilfolge nicht Verb-Objekt-Subjekt, sondern Verb-Subjekt-Objekt zu erwarten wäre.139. Außerdem ist das zweite benê Yiśrāʾel nicht nötig, da das Subjekt der pluralischen Verbform wayebārakû bereits zuvor genannt wird.140 Auch der folgende Satz weloʾ ʾāmerû laʿalôt ist problematisch, da hier offenbar die Infinitivkonstruktion das Objekt des Verbs ʾMR bildet.141 Schließlich wird der Relativsatz am Schluss von LXX aufgelöst, indem man die Stämme zu ʾæræṣ zieht und aus yošebîm bāh einen eigenen Satz bildet: καὶ κατῴκησαν ἐπ᾽ αὐτῆς. V.34: Die Vulgata gibt V.34 eigenwillig wieder, wenn sie bewusst betont, dass die Oststämme den Altar gebaut haben (quod extruxerant). Schließlich ergänzt LXX den Hauptprotagonisten Josua als Subjekt von V.34 (καὶ ἐπωνόμασεν ᾿Ιησοῦς). Bei dieser Veränderung werden die Stämme auf den Altar bezogen, wodurch der Altar bewusst als Bauwerk der Oststämme ausgewiesen wird. Außerdem wird von LXX noch ein zusätzlicher Satz „und er sprach“ vor der Konjunktion kî eingeführt. Darüber hinaus setzt LXX anstelle der Präpositionalverbindung bênotênû „zwischen uns“, was ja eine Beziehung 137
Nach HARSTAD 2004, 715 sei ʾāz mit „now, as things are“ wiederzugeben. Nach COOKE 1918, 209 ist das die ursprüngliche Lesart, da der Halbstamm Manasse erst sekundär in die Erzählung eingeführt wurde. 139 Vgl. MICHEL 2020, 347. 140 Nach HARSTAD 2004, 715f. preist Israel nur hier im Josuabuch seinen Gott mit einer Segensformel. Nach SCHARBERT 1973, bedeutet BRK-D in diesem Fall, „aus Dankbarkeit die bārūk-Formel auf JHWH anwenden“. 141 MICHEL 2020, 347 weist noch auf die geänderte bessere Satzteilfolge der LXX hin. 138
2. Literarkritische Entwürfe
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zwischen den west- und den ostjordanischen Stämmen andeutet,142 die Angabe ἀνὰ μέσον αὐτῶν „in der Mitte von Ihnen“, die sich auf die Oststämme beschränkt. Am Schluss der Erzählung wird somit berichtet, wie der umstrittene Altar entweder von den Oststämmen oder von Josua nach der Version der LXX benannt wird.143 Allerdings ist umstritten, ob der Name des Altars lediglich ʿEd ist,144 ob hier ein Satzname angedacht ist oder ob der Text an dieser Stelle lückenhaft ist.145 Vielleicht ist hier auch bewusst der MT aus theologischen Gründen gekürzt worden, um den anstößigen Text zu glätten.146 In V.34 steht zudem ein fast schon monotheistisches Bekenntnis, auch wenn hier die Existenz anderer Gottheiten noch nicht explizit verneint wird.147 Denn der abschließende identifizierende Nominalsatz lautet YHWH hāʾælohîm „YHWH ist der Gott“. Außerdem wird von LXX das abschließende Bekenntnis, dass YHWH der Gott ist, zu einem Bekenntnis der Oststämme umformuliert, dass YHWH ihr Gott ist: ὅτι κύριος ὁ θεὸς αὐτῶν ἐστιν.
2. Literarkritische Entwürfe Eine Literarkritik zum priesterlich geprägten Abschnitt Jos 22,9–34 ist aufgrund der Textkritik, der oft problematischen Syntax, aber auch zahlreicher inhaltlicher Probleme schwierig. Insofern verwundert es kaum, dass bislang nur wenige differenzierte literarkritische Untersuchungen vorliegen:148 1)
Noth (1971):149 In Jos 22 sei eine Ortsätiologie verwendet worden, die über den Namen eines Altars im Jordantal informieren will.150 Allerdings
142 Allerdings sind die Israeliten bereits nach V.32 abgezogen, sodass hier auch die Oststämme im Blick sein könnten, vgl. FRANKEL 2011, 187. 143 Nach HARSTAD 2004, 716 zeigt die Konjunktion kî an, dass der eigentliche Name des Altars folgt. Nach FRANKEL 2011, 187 bezieht sich V.34 auf ein Bündnis zwischen Gad und Ruben, dass sie an der YHWH-Verehrung teilhaben. Der Altar trage folglich den Namen „Gilead“. 144 Nach RUDOLPH 1938, 240 konnte ʿed hinter Gād orthographisch leicht wegfallen. 145 Vgl. zum Problem von V.34 KEIL 1847, 384f.; LLOYD 1886, 345f.; STEUERNAGEL 1900, 239; HOLZINGER 1901, 91; GORDIS 1931, 287f.; WOUDSTRA 1981, 329f.; SIMIANYOFRE 1986, 1120; PITKÄNEN 2010, 356; BALLHORN 2011, 457; BUTLER 2014, 246. Nach HERTZBERG 1985, 126 überliefert die altsyrische Übersetzung den Ortsnamen „Altar des Zeugnisses“. Nach DILLMANN 1886, 581 könnte der Ortsname Gilead gelautet haben. 146 Vgl. zum Problem BARTHÉLEMY 1982, 69f.; HARSTAD 2004, 716–718. Nach NOTH 1971, 135 ersetzt das unverdächtige Wort ʿed das ursprünglich anstößige Toponym. 147 Vgl. MICHEL 2019, 170 Anm. 19. Nach GORDIS 1931, 288 sei bênotênû zum letzten Satz zu ziehen, da es hier darum gehe, dass die Oststämme ebenfalls YHWH verehren dürfen. Ein monotheistisches Bekenntnis sei hier inhaltlich nicht erforderlich. 148 Zur Forschungsgeschichte von Jos 22 vgl. insgesamt BALLHORN 2011, 347–355. 149 Vgl. NOTH 1971, 133–135.
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2)
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sei die zugrundeliegende Ortsätiologie stark von priesterlichen Redaktoren umgearbeitet worden, sodass kaum noch die ursprüngliche Tradition erhoben werden könne. Vor allem der Halbstamm Ostmanasse scheint nach Noth erst sekundär eingetragen worden zu sein, und zwar in der Form haṣî šebæṭ haMenaššæh (V.9.10.13.15.21) und benê Menaššæh (V.30.31), zumal in den V.25 und 32–34 nur von den „Söhnen Ruben“ und „Söhnen Gad“ die Rede ist. Dementsprechend sei die Erweiterung nicht konsequent in den ursprünglichen Text eingetragen worden. Hinzu kommt, dass die LXX diesen Mangel offenbar erkannt und behoben hat. Darüber hinaus sei V.11 nach Noth ein sekundärer Zusatz. In V.25 könnte außerdem die Apposition benê Reʾûben ûbenê Gād „Söhne Ruben und Söhne Gad“, die zum enklitischen Personalpronomen hinter ûbênêkæm gefügt wurde, ein Zusatz sein,151 der zudem in den Versionen unterschiedlich platziert wurde, was ebenfalls den Nachtragscharakter andeuten könnte. Bei benê Reʾûben ûbenê Gād handelt es sich aber eher um einen Vokativ und damit um eine Anrede der Nachkommen der westjordanischen Stämme an die Oststämme. Schließlich sei werāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel in V.30 ein Zusatz, der sich V.14 verdanke. Auf diese Weise wird neben den „Fürsten“ eine weitere Gruppe eingetragen, die nur durch kreative Exegese und einem Missverständnis von V.14 erzeugt wurde. Die Überfüllung des Textes durch verschiedene Vorwürfe oder Opferarten wird jedoch nicht literarkritisch ausgewertet. Auch die Hinweise auf das dtr. Josuabuch werden – vermutlich systemimmanent – von Noth nicht in die Diskussion einbezogen. Fritz (1994):152 Auch nach Fritz sei Jos 22,9–34 eine Ortsnamensätiologie, bei der aber der Name des Altars ausgefallen sei. Darüber hinaus wird der Halbstamm Manasse ebenfalls als redaktionelle Erweiterung betrachtet, wodurch der vorliegende Text an die vorausgesetzte Stämmegeographie angeglichen werden kann. Die Erzählung vom Altarbau stamme nach Fritz weitgehend von einem nachpriesterschriftlichen Redaktor. Nur die V.11 und 20 seien sekundär hinzugekommen. Denn V.11 unterbricht unnötig die Handlung und V.20 trägt noch die Achanerzählung aus Jos 7 nach. Hier könnte man zusätzlich ergänzen, dass V.20 den nachpriesterschriftlichen Text an das dtr. geprägte Josuabuch angleicht. Außerdem sei noch V.27*–29 hinzugefügt worden, da es sich hierbei um
150 DUS 1964, 535–537 rekonstruiert ebenfalls eine ursprüngliche Tradition. Leider begründet er die redaktionellen Elemente nicht einzeln. Sekundär sei nach DUS 1964, 540– 542 zumindest der Altar vom Gileadgebirge ins Jordantal verlegt und als ein Altar, der nicht zum Opfern gedacht war, gedeutet worden. Außerdem wurde das Konzept der Wohnung in V.19 und die Ostmanassiten ergänzt. Für diese Änderungen seien ein priesterschriftlicher, dtr. und zadokidischer Redaktor verantwortlich, vgl. DUS 1964, 542–546. 151 Vgl. NOTH 1971, 135. 152 Vgl. FRITZ 1994, 218–222.
2. Literarkritische Entwürfe
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eine Wiederholung handele, die zudem sachlich überflüssig sei. Bei der Ausscheidung von V.27*–28 könnte man zusätzlich auf den Befund der Vetus Latina verweisen. Weshalb man aber V.29 ebenfalls als Zusatz bewerten soll, ist fraglich. Schorn (1997):153 Nach Schorn weisen nur zwei kleinere Schwierigkeiten auf literarkritische Arbeit innerhalb von Jos 22,9–34 hin. Zum einen scheint der Stamm Ostmanasse an allen Stellen nachgetragen zu sein. Zum anderen ist der Verweis auf die Achanerzählung in V.20 sekundär, da durch diesen Vers der Gang der Erzählung unnötig unterbrochen wird. Allerdings werden hier viele Befunde, die text- bzw. literarkritisch ausgewertet müssen, nicht beachtet. den Hertog (2003):154 Eine sehr differenzierte Literarkritik wird von den Hertog geboten, wobei aber nicht alle sprachlichen Beobachtungen überzeugen. Zunächst gehöre auch nach den Hertog der Halbstamm Manasse an allen Stellen in Jos 22 nicht zur ursprünglichen Tradition. In V.9 nehme zudem der letzte Relativsatz die Spannung aus der Erzählung, da die Oststämme explizit auf den Befehl des Mose im Ostjordanland ansässig geworden seien. Dementsprechend könnte dieser Relativsatz mitunter sekundär sein. Allerdings bleibt die Spannung im Erzählverlauf erhalten, da der eigentliche Konflikt in die Zukunft verlagert wird. Denn all das, was aktuell gilt, könnte von zukünftigen Generationen kritisch hinterfragt werden. Hinzu kommt, dass nur die Aussage ʿal pî YHWH beyad Mošæh mitunter problematisch sein könnte, zumal nur hier die Landnahme mit göttlichem Befehl legitimiert wird. Der ganze Relativsatz muss folglich nicht gestrichen werden. Der Hinweis in 9b geht zudem auf die Zusage des Mose in Num 32,29 zurück, wonach ʾæræṣ hagGilʿād den Oststämmen als ʾaḥuzzāh gegeben wird. In V.9 wird folglich wörtlich der Befehl des Mose aufgegriffen, sodass es sich hierbei nicht um eine redaktionelle Zutat handeln muss. Ob darüber hinaus eine literarische Verbindung von V.9 zu V.4 vorliegt, ist fraglich, da dort nur die Aktivität des Mose, nicht aber ein Befehl betont wird. Alles in allem ist eine Ausscheidung von einem Teil von V.9 nicht notwendig. Nach den Hertog sei V.11 aufgrund der Wiederaufnahme von wayyišmeʿû benê Yiśrāʾel in V.12 ein Nachtrag. Diese oft angeführte Beobachtung der Wiederaufnahme ist überzeugend, da auf diese Weise im Landverteilungstext Jos 13–19 immer wieder Nachträge markiert werden.155 In V.12 passe darüber hinaus „die Gesamtheit der Gemeinde der Söhne Israels“ nicht zum pluralischen Verb, sodass es sich dabei um einen Zusatz handeln könnte. Für einen Zusatz spricht auch die abweichende Überlie-
3)
4)
153
Vgl. SCHORN 1997, 206f. Vgl. DEN HERTOG 2003, 63–66. 155 Vgl. hierzu GASS 2019b passim. 154
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
ferung der alten Übersetzungen. Allerdings kann das hier verwendete Kollektiv durchaus als pluralische Größe verstanden werden. In V.13 werden von den Hertog alle redundanten Elemente gestrichen, sodass nur noch der Satz wayyišleḥû … ʾæt Pînḥās bæn ʾælʿāzār hakkohen übrigbleibt. Aber auf diese Weise wird dem direktiven Verb ŠLḤ der Zielpunkt genommen, der dann bestenfalls als kontextgetilgt erschlossen werden könnte. Da in Jos 22 ansonsten das Lexem šebæṭ für „Stamm“ verwendet wird, mag der Ausdruck lekol maṭṭôt Yiśrāʾel in 14a in Verbindung mit 14b sekundär ergänzt worden sein, um den vielleicht missverständlichen Ausdruck bêt ʾāb noch präziser zu fassen. Fraglich ist aber, weshalb eine Redaktion hier eine zusätzliche Unklarheit erzeugt haben soll. Denn eine Zusammenführung zweier unabhängiger Erzähltraditionen, die dann die Spannungen erst erzeugt haben könnte, lässt sich nicht erkennen. Vielmehr sind hier die einzelnen Elemente von Num 1,16 (neśîʾê maṭṭôt ʾabôtām und rāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel) aufgenommen und kreativ miteinander verbunden worden. Die beiden Infinitivsätze mit ŠūB und MRD in V.16 seien nach den Hertog inhaltliche Dubletten, wobei der nachklappende Infinitivsatz mit MRD als sekundäre Ergänzung interpretiert wird. Diese redaktionelle Deutung wird zudem mit V.19 verbunden. Da nämlich V.19, in dem das Verb MRD prominent vertreten ist, sekundär ist, müsse es auch in V.16 redaktionell sein. Aus dieser Argumentation folgt aber auch, dass in V.22 der Satz ʾim bemæræd ebenfalls nicht ursprünglich sein kann. Hinzu kommt, dass ʾim bemæræd weʾim bemaʿal beYHWH eine Doppelung ist, die auf redaktionelle Arbeit hinweisen kann. Allerdings stellt sich aber zurecht die Frage, weshalb in V.22 dieser Satz vorangestellt wurde. Der nachklappende Satz 17b, der die Plage über die Gemeinde YHWHs herausstellt, könnte nach den Hertog ebenfalls ein Nachtrag sein,156 zumal die satzsyntaktische Einordnung des wayyiqtol aufgrund des eingeschobenen Relativsatzes schwierig ist. Die beiden V.18 und 20 sind nach den Hertog ebenfalls redaktionell, da beide betonen, dass durch die Verfehlung von nur wenigen Personen die ganze Gemeinde Israels bestraft wird, was durch die Wurzel QṢP in beiden Versen verbal und nominal ausgedrückt wird. V.19 wird hingegen nur aufgrund der Einleitung mit weʾak als weiterer sekundärer Eintrag bewertet. Allerdings muss V.19 kein Nachtrag sein, da hier die Option von Num 32,30 aufgegriffen werden könnte, wonach die Oststämme auch in Cisjordanien sesshaft werden könnten. Ob durch den Bau des Altars die behauptete Unreinheit des Landes zudem behoben werden kann, wird in V.19 nicht gesagt, sodass man auch nicht eine redaktionelle Verbindung von V.19 zu V.11, wo der Altar im Ostjordanland steht, herstellen darf. Eine Unterscheidung zwischen zwei Altären 156
Bei dieser Beurteilung ist DEN HERTOG 2003, 64.67 nicht konsequent.
2. Literarkritische Entwürfe
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ist zuvor noch nicht getroffen worden, sodass die neue Bezeichnung der miškan YHWH ebenfalls nicht auffällig sein muss. Zudem wird der zweite Altar erst am Ende von V.19 genannt. Ob dieser Hinweis allerdings einen weiteren Altar andeutet, ist fraglich, ganz abgesehen davon, zu welchem Zweck noch ein zusätzlicher Altar gebaut werden soll. Aufgrund des schwierigen Übergangs zur 2. Person Singular in V.22 könnte nach den Hertog der letzte Vetitiv redaktionell sein. Es könnte hier aber auch ein Fehler in der Textüberlieferung vorliegen. In V.25 sei der Vokativ „Söhne Ruben und Söhne Gad“ sekundär ergänzt worden, noch bevor der Halbstamm Manasse jeweils eingetragen wurde. Denn ansonsten hätte man hier ebenso die 2 ½ Stämme erwartet. Weshalb aber erst ein Redaktor die Notwendigkeit verspürt haben sollte, das enklitische Personalpronomen -kæm durch einen Vokativ zu erklären, kann eigentlich nicht begründet werden. Darüber hinaus seien nach den Hertog V.28–29 ein Nachtrag aufgrund des neuen Redeeinsatzes mit wannoʾmær, zumal die Sachlage mit V.27 schon befriedigend gelöst sei. Außerdem hat 28b das logische Problem verursacht, dass hier zwischen dem „wir“ und „unseren Vätern“ differenziert wird. Denn das „Wir“ der Erzählung sind eigentlich die Väter.157 Nur aufgrund der beiden Idiome miškan YHWH und mizbeaḥ YHWH ʾælohênû, die im angeblich sekundären V.19 auftauchen, wird von den Hertog auch noch V.29 einer späteren Redaktion zugesprochen, zumal V.28 mit der Wiederaufnahme von bênênû ûbênêkæm aus V.27 schließt, was gegen eine gleichzeitige Ergänzung von V.28 und V.29 spricht. Allerdings ist bênênû ûbênêkæm bei den Hertog keine klassische Wiederaufnahme, da diese Verbindung in der Mitte und nicht am Schluss von V.27 steht. Der Ausdruck rāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel „Anführer der Tausendschaften Israels“ in V.21 und V.30 sei nach den Hertog aufgrund der Beobachtung, dass diese Elemente bereits in V.14 in redaktionellem Kontext stehen, ebenfalls als sekundäre Ergänzung zu bewerten, auch wenn das nicht näher erklärt wird. Demgegenüber muss aber betont werden, dass alle drei Stellen durchaus nicht auf einer Linie liegen. Denn in V.14 wirkt der asyndetisch gefügte, possessive Nominalsatz nicht nur syntaktisch sperrig, sondern hier wird zwischen den beiden Begriffen nāśîʾ und roʾš nicht unterschieden. Im Gegensatz dazu tauchen in V.21 die rāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel als eigenständig handelnde Gruppe auf und in V.30 werden beide Gruppierungen sogar voneinander differenziert, was durch die Konjunktion w verdeutlicht wird. Zwar hat den Hertog zahlreiche interessante Beobachtungen zusammengetragen, aber die literarkritische und redaktionsgeschichtliche Auswertung ist jeweils nicht über jeden Zweifel erhaben.
157
Zum Problem vgl. auch RÖMER 1990, 318; BALLHORN 2011, 363.
232
Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
Thon (2006):158 Von Thon wird in V.24–27 und V.34 der Überrest einer alten Ortsätiologie für einen Opferaltar der Oststämme vermutet. Hierfür muss man aber auch noch loʾ leʿôlāh weloʾ lezābaḥ in 26b als sekundär streichen. Für die Vermutung einer ursprünglichen Tradition in V.24–27 und V.34 spricht angeblich der Umstand, dass in diesen Abschnitten nur Ruben und Gad erwähnt werden. Diese Beobachtung gilt allerdings auch für die V.32 und 33. Vielleicht sollten beide Verse als Überleitung zu V.34 gesehen werden.159 Außerdem werden die beiden Opferarten zæbaḥ und šelāmîm in V.27 getrennt verwendet, was für priesterliche Texte eher untypisch sei. Dies könnte ebenfalls auf eine frühere Tradition hinweisen. Schließlich werde in V.28 der Kommunikationsgang von V.27 mit eindeutiger Intention wiederholt. In der ursprünglichen Tradition wäre somit ein Altar errichtet worden, auf dem die Oststämme Opfer dargebracht hätten. Auf diese Weise sollte demonstriert werden, dass auch sie einen Anteil an YHWH haben. Auch wenn hinter Jos 22,9–34 tatsächlich eine alte Tradition verborgen sein könnte, wirkt diese Reduktion, die keine narrative Eröffnung und Schilderung des eigentlichen Problems kennt, etwas gezwungen. Knauf (2008):160 Der Text von Jos 22,9–34 sei nach Knauf nur an wenigen Stellen durch redaktionelle Glossen erweitert worden. Zu diesen sekundären Ergänzungen gehören in V.10 der Relativsatz ʾašær beʾæræṣ Kenāʿan „die im Land Kanaan (liegen)“,161 in V.11 ʾæl gelîlôt hayYarden „zu den Jordan-Kreisen hin“ und in V.14 lebêt ʾāb „für die Familie“. Eine überzeugende Begründung für all diese Erweiterungen fehlt allerdings. Ballhorn (2011):162 In V.9 sei die umfangreiche Landgabebeschreibung in 9bβγ. sekundär nachgetragen worden. Auch V.11 sei eine Zufügung zur Lokalisierung des Altarbaus. Die Anklagerede der Untersuchungskommission wurde in V.18.20 ergänzt, wobei anschließend noch V.19 eingefügt wurde, der den Erzählzusammenhang unterbricht. Bei der Verteidigungsrede der Oststämme sei V.28 mit seinen vielfältigen Doppelungen ein redaktioneller Einschub, dem anschließend noch V.29 angefügt wurde. Schließlich habe eine Manasse-Redaktion den Halbstamm Manasse in den V.9.10.11.13.15.21.30.31 eingetragen. Zwar ist an den von Ballhorn genannten Stellen redaktionell gearbeitet worden, aber die Bestimmung ganzer Verse als sekundär geht am sprachlichen, inhaltli-
5)
6)
7)
158
Vgl. THON 2006, 90. Vgl. THON 2006, 91. 160 Vgl. KNAUF 2008, 180–185. 161 Nach KNAUF 2008, 185 hätte hier ein Glossator diesen Relativsatz eingetragen, da für ihn gelîlôt wie ein Pseudonym für Gilgal klingt und daher eine westjordanische Verortung naheliegen würde. Ähnlich auch DIEBNER/SCHULT 1974, 36 Anm. 1. 162 Vgl. BALLHORN 2011, 365f. 159
2. Literarkritische Entwürfe
233
chen und textkritischen Befund weitgehend vorbei. Vor allem die abweichenden Lesarten der LXX und Vetus Latina sollten in die Diskussion einbezogen werden. Frankel (2011):163 In der Antwort der Oststämme sei 26b.27aα sekundär ergänzt worden, um den Verdacht zu entkräften, dass jemals auf dem Altar Opfer dargebracht worden seien. Hinzu kommt, dass der Opferdienst in 27aβ besser an den Altarbau in 26a anschließt. Fraglich ist jedoch, ob der Infinitivsatz in 27aβ einen Opferdienst in der Gegenwart andeutet, aufgrund dessen dann in der Zukunft die Akzeptanz durch die Weststämme folgt. Auch V.28–29 gehen nach Frankel auf einen späteren Redaktor zurück, der die zuvor verwendete Idiomatik aufgreift. Da dieser Altar als tabnît des YHWH-Altars gebaut wurde, verdeutliche er, dass selbst ohne Opferdienst eine Verbundenheit zu den Weststämmen bestehe. Damit werde der Akzent vom Opfer auf den Abbildcharakter verschoben. In 22bβ könnte man anstelle von tôšîʿenû die Form ʿāśînû lesen, was eine ähnliche Abfolge wie in V.26 ʿŚY + libenôt ergibt. Darüber hinaus kann dann 23bβ als Abschluss des Konditionalsatzgefüges in V.22–23 bestimmt werden, während der Hinweis auf Opfer in 23bα hingegen sekundär ergänzt worden sei, zumal die beiden mit der Konjunktion weʾim verbundenen Infinitivsätze bei diesem Entwurf syntaktisch sperrig sind. Außerdem werde das Verb ʿŚY in V.24 ebenfalls aufgegriffen. Allerdings muss man für diese Lösung zu stark in den Text eingreifen. Außerdem sei V.11 und der Relativsatz in V.10 sekundär ergänzt worden, da ein späterer Redaktor die Lage des Altars im Westjordanland lokalisierte, zumal ein YHWH-Altar nur im Verheißungsland zulässig ist, aber gegen die Zentralitätsforderung verstieß.164 Auch wenn V.19–20 die vorhergehenden Verse ohne Spannung fortführen, gehen sie nach Frankel ebenfalls auf einen späteren Redaktor zurück. Allerdings ist in V.19– 20 die Zentralitätsforderung nicht offenkundig. Ob somit der Beginn mit weʾak einen Nachtrag markiert, ist fraglich. Der Verweis auf die Sünde Achans in V.20 sei zudem eine Doppelung zur Verfehlung in Pegor. Die Ereignisse um Achan spielten jedoch im Westjordanland und auch hier wurde ein göttliches Gebot gebrochen. Aus diesen Gründen hat ein Redaktor V.20 ergänzt. Bei diesem Entwurf muss aber bisweilen stark in den Text eingegriffen werden.
8)
Abgesehen von der detaillierten literarkritischen Auseinandersetzung von den Hertog werden die literarhistorische Probleme von Jos 22 meist großzügig übergangen. Allerdings musste die von den Hertog durchgeführte Literarkritik an vielen Stellen kritisch hinterfragt werden.165 Darüber hinaus wird von 163
Vgl. FRANKEL 2011, 181–191. Vgl. FRANKEL 2011, 188 Anm. 99. 165 Kritisch hierzu auch MICHEL 2019, 168 Anm. 12. 164
234
Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
den Hertog der Befund der LXX oder der Vetus Latina überhaupt nicht herangezogen. Durch eine konsequente Spätdatierung des Textes werden zudem literarische Vorstufen ausgeblendet und a priori sogar ausgeschlossen. Bevor ein eigenständiger literarkritischer Vorschlag erwogen werden kann, sollen zunächst die inhaltlichen und formalen Probleme von Jos 22 zusammengestellt werden, die bei einer Endtextlektüre nur schwer gelöst werden können: 1)
2)
Unterschiedliche Texttraditionen: Die Textüberlieferung der alten Versionen ist an einigen Stellen in Jos 22 nicht wirklich nachvollziehbar. Hier könnten folglich Nachträge vorliegen. Vor allem die redundanten Aufzählungen erwecken den Eindruck, dass hier sekundär ergänzt worden ist. Dies betrifft vor allem die uneinheitliche Ergänzung von Ostmanasse. Meist wird daher dieser Halbstamm als sekundäre Ergänzung gesehen.166 Hierfür spricht jedenfalls, dass zumindest in den V.32–34 Ostmanasse fehlt. Möglicherweise ist Ostmanasse von der Redaktion an diesen Stellen vergessen worden.167 Mit der Rückkehr der ostjordanischen Stämme wird zudem an Num 32 angeknüpft, wo es ebenso zunächst nur um die beiden Stämme Ruben und Gad ging. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass in der ursprünglichen Tradition Halbmanasse noch nicht im Blick war. Darüber hinaus werden die Opferarten nicht einheitlich wiedergegeben. Vor allem das Speiseopfer minḥāh ist schon vor dem textkritischen Befund nicht über jeden Zweifel erhaben und auch zibḥê šelāmîm scheint eine sekundäre Bildung zu sein, sodass in der ursprünglichen Tradition möglicherweise nur die beiden Opferarten ʿôlāh und zæbaḥ standen. Der priesterliche Terminus ʿedāh wird in unterschiedlichen Verbindungen gebraucht: In V.12 versammelt sich die kål ʿadat benê Yiśrāʾel, in V.16 und V.17 kommt eine (kol) ʿadat YHWH in den Blick, wobei es sich um eine kultische Vereinigung handelt, in V.18 und V.20 wird eine kål ʿadat Yiśrāʾel genannt. Die Übersetzungen dieser Begriffe durch LXX und Vulgata sind uneinheitlich, wobei nur bei ʿadat YHWH (V.16 und V.17) eine gewisse Texttreue und eine einheitliche Textüberlieferung erkannt werden kann. Bei den anderen Begriffen mit dem Wort ʿedāh könnte es sich um glossenartige Ergänzungen handeln (V.12, V.18 und V.20). Die beiden Halbverse 19b und 21b werden in den alten Versionen sehr unterschiedlich wiedergegeben. Das mag daran liegen, dass zum einen
166 Vgl. MÖHLENBRINK 1938, 246; NOTH 1971, 133; FRITZ 1994, 220; SCHORN 1997, 206f.; ALBERTZ 2007a, 212 Anm. 39. 167 Vgl. SCHORN 1997, 206f. Gegen eine durchgängige Ausscheidung von Halbmanasse aber STEUERNAGEL 1900, 237; MICHEL 2019, 166 Anm. 5. Nach HERTZBERG 1985, 126 sei es in der ursprünglichen Tradition zudem zunächst nur um Gilead gegangen.
2. Literarkritische Entwürfe
235
die Syntax nicht unproblematisch ist, zum anderen aber auch in beiden Fällen redaktionelle Eintragungen nicht ausgeschlossen werden können. Aus alledem folgt, dass an den genannten Stellen aufgrund des textkritischen Befundes mit redaktioneller Arbeit gerechnet werden kann. Allerdings sollte man erst dann von sekundären Eintragungen ausgehen, wenn noch andere literarkritische Beobachtungen gemacht werden können. Uneinheitlichkeiten in der Wiedergabe durch die Versionen müssen somit nicht notwendigerweise literarkritisch gedeutet werden. Unterschiedliche Deutung des Altars: Der Altar der Oststämme wird in der Sekundärliteratur ganz unterschiedlich als Warnzeichen, als Grenzverletzung,168 als Unabhängigkeitserklärung oder als Zeichen für das Zerwürfnis zwischen Ost und West interpretiert.169 Darüber hinaus könnte der Altar noch ein Hinweis auf die Zugehörigkeit der Oststämme zu Israel gewesen sein,170 vor allem wenn dieser Altar im Westjordanland gebaut worden ist. Auf dem Altar werden nach den ostjordanischen Stämmen allerdings keine tierischen Opfer dargebracht, weder Brandnoch Schlachtopfer. Darüber hinaus wird in V.23 betont, dass auch kein Speiseopfer aus pflanzlicher Opfermaterie auf dem Altar zubereitet wird.171 Auf diesem Altar werde somit nicht geopfert, er dient vielmehr lediglich als Zeuge für die Zugehörigkeit der ostjordanischen Stämme zur Kultgemeinschaft mit YHWH.172 Dementsprechend legt dieser Altar trotz der räumlichen Trennung Zeugnis für die ethnische und religiöse Solidarität der Oststämme mit Israel ab.173 Problematisch ist jedoch, dass ein mizbeaḥ „Altar“, der schon etymologisch aufgrund der Ableitung von der Wurzel ZBḤ mit Schlachtung zu tun haben muss,174 hier nur als Zeuge für die Zusammengehörigkeit der beiden durch den Jordan getrennten
3)
168
Vgl. SOGGIN 1982, 211. Vgl. ZIESE 2008, 362. 170 Nach WOUDSTRA 1981, 321 Anm. 6. 171 FRITZ 1994, 225 sieht minḥāh daher als Glosse. Nach GRAY 1986, 172 könnte es sich jedoch bei minḥāh ursprünglich ebenfalls um ein Tieropfer gehandelt haben. 172 NELSON 1997, 248 weist auf die Parallele in Jes 19,19–21, wo ein Altar in Ägypten ebenfalls Zeuge für die Gemeinschaft mit YHWH ist. Ähnlich PITKÄNEN 2010, 359f. Nach NOORT 2009, 124f. steht die Altarbauerzählung von Jos 22 ideengeschichtlich zwischen der MT- und der LXX-Version von Jes 19,25. SOGGIN 1982, 213f. vermutet, dass hier mit ʿed nicht eine Grenzfestung oder Festungsheiligtum im Blick ist, sondern eher ein Monument für einen ʿād „Pakt, Allianz“, sodass es ursprünglich gar nicht um eine Auseinandersetzung zwischen west- und ostjordanischen Stämmen ging. ACHENBACH 2020, 56 zieht eine Parallele zum Altarbau des Mose zu Refidim (Ex 17,14–15). 173 Vgl. ALBERTZ 2007a, 213. 174 Vgl. DEN HERTOG 2003, 76. Auf diese Spannung weist auch AULD 1984, 115 hin: „A slaughter place but no slaughter“. Nach AVERBECK 1997, 889 kann ein Altar ebenfalls an eine frühere Theophanie erinnern. 169
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
Gebiete herangezogen wird.175 Da somit der (Nicht-)Altar, der nur Zeuge ist, den priesterlichen Interessen des Textes eigentlich widerspricht, könnte es sich um ein dem Text vorgegebenes Element handeln.176 Eine weitere Deutung des Altars liegt im kurzen Abschnitt V.28 vor. Denn nun wird behauptet, dass es sich ohnehin nicht um einen wirklichen Altar gehandelt hat, sondern nur um ein Abbild eines Altars. Der Begriff tabnît bezeichnet eine bildliche Darstellung in Form eines Modells oder eines Plans.177 Allerdings ist dieser Altar kein Modell für das Zentralheiligtum, sondern eher eine Kopie des Vorbilds.178 Als maßstabsgerechte Replik erinnert dieser Altar somit an den Altar des Zentralheiligtums, ist aber kein Vorbild für den zentralen Altar. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, da der umstrittene Altar der Oststämme zeitlich später errichtet wurde. Da der Altar somit eine Replik des Zentralaltars sein sollte, musste der Altar „groß an Aussehen“ sein. Es handelt sich demnach um einen großen Symbolaltar,179 auf dem nicht geopfert werden soll, sondern der daran erinnern soll, dass legitime Opfer ei175 Vgl. zum Problem auch NOORT 2001, 158f. NOORT 2020, 232–237 verweist auf die Altarbaunotizen der Erzelternerzählungen, wo die Altäre auf die Beanspruchung des Landes für YHWH und Israel hinweisen, ohne dass diese mit Opferhandlungen verbunden wären. Nach FRANKEL 2011, 181f. sei hingegen in der ursprünglichen Tradition der Altar tatsächlich als Opferaltar verwendet worden. Als Opferaltar für YHWH sei dieser Altar ein Zeuge für die Verbundenheit der Oststämme zum Westen gewesen. 176 Vgl. KLOPPENBORG 1981, 366f., der noch auf den in V.27 verwendeten nicht-priesterlichen Ausdruck ʿabôdāh oder die separate Verwendung der beiden nicht-priesterlichen Opferarten zæbaḥ und šelāmîm hinweist. 177 Vgl. zum Lexem tabnît auch BALLHORN 2011, 449. VAN LEEUWEN 1997, 645 vermutet, dass tabnît ein „model or design for something built“ sei. Nach POLASKI 2007, 43 kann es sich bei tabnît auch um ein verschriftetes Modell handeln, das freilich nicht genauso perfekt ist wie das Original, da es nie verwendet wird. Offenbar bekommen nach Jos 22 die Oststämme das Recht, das Vorbild zumindest zu kopieren. Auf diese Weise zeigt sich die Zugehörigkeit zu Israel. WAGNER 1973, 704 weist allerdings darauf hin, dass in V.28 noch die ursprüngliche Bedeutung „Bauwerk“ anzusetzen wäre, zumal im vorausgehenden Kontext vom Bau des Altars die Rede sei. Es handele sich folglich um ein Bauwerk des Altars YHWHs, das die Väter errichtet haben. LLOYD 1886, 344 denkt an „structure“, „building“, „image or likeness of a thing“. Nach GRAY 1986, 173 ist wohl an die Bedeutung „construction“ zu denken. 178 Vgl. HAWK 2000, 243; HARSTAD 2004, 710. Als „Ab- oder Nachbild“ des Altars des Zentralheiligtums deutet KEIL 1847, 384 die tabnît. Anders DILLMANN 1886, 580, dem zufolge die tabnît anders als das Zentralheiligtum aussehe. Auf diese Weise wird folglich verdeutlicht, dass der umstrittene Altar keine angemessene Opferstätte sein könne. STEUERNAGEL 1900, 239 betont hingegen, dass YHWH-Altäre sich von heidnischen Altären unterscheiden, sodass hier dieser YHWH-Altar ausweislich der Bauweise die Zugehörigkeit zu den YHWH-Verehrern sicherstelle. Ähnlich ROBINSON 1907, 374. Nach COLESON 2012, 164 liegt hier eine Kopie vor, die aufgrund der Form, nicht ihrer Funktion an die kopierte Sache erinnert. 179 Vgl. auch GÖRG 1991, 101.
4)
2. Literarkritische Entwürfe
237
gentlich nur am Zentralheiligtum darzubringen sind. In der Fiktion der Erzählung wäre dies der miškan YHWH in Schilo.180 Somit verweist diese tabnît auf den eigentlichen Altar im Zentralheiligtum als die wahre Mitte der Gemeinde Israels.181 Dieser Altar repräsentiert darüber hinaus als tabnît auch den späteren Jerusalemer Opferkult.182 Die Nachbildung des Altars ist dementsprechend ein materialisiertes Bekenntnis zum einzig legitimen Kult auf dem einzigen Altar Israels.183 Diese positive Deutung von tabnît ist aber nicht über jeden Zweifel erhaben. Denn die Bezeichnung tabnît muss nicht neutral oder positiv konnotiert sein, da in 2Kön 16,10 beim fremden Altar aus Damaskus, den der Südreichkönig Ahas nachbauen lässt, dieses Lexem ebenfalls gewählt wird.184 Darüber hinaus gilt eine tabnît als funktionaler Repräsentant des Originals.185 Dementsprechend kann eine tabnît durchaus auch für den Opferkult herangezogen werden.186 Alles in allem wird der Altar der Oststämme in der Erzählung unterschiedlich gedeutet: als Zeuge für die Zugehörigkeit der Oststämme zu Israel oder als Replik des zentralen Altars Israels. Kategorisch wird zumindest immer wieder ausgeschlossen (V.23.26.28), dass unerlaubte Opfer auf diesem Altar jemals dargebracht worden sind. Vielmehr sind Opfer nur auf dem Zentralaltar vor YHWHs Angesicht erlaubt (V.27.29). Auffälligerweise wird der Opferdienst nur in der Antwort der Oststämme problematisiert, während die Untersuchungskommission den Oststämmen gemäß V.16 vor allem Treulosigkeit (MʿL), Apostasie (ŠūB) und Rebellion (MRD) gegenüber YHWH vorwirft. Wie dies aber konkret ausgesehen haben könnte, wird nicht näher ausgeführt. Lediglich der Bau eines Altars könnte bereits als Abfall von YHWH gedeutet werden. Auch in der Reaktion der Delegation und der „Söhne Israels“ wird das Problem des Opferdienstes nicht aufgegriffen. Unterschiedliche Bestimmung der „Söhne Israels“: Durch die Redeweise von den „Söhnen Israels“ werden offenbar die ostjordanischen Stämme
180 Nach SCHMID 1968, 50 ist der miškan YHWH das Begegnungszelt in Schilo. Ähnlich KELLERMANN 1986, 67. 181 Vgl. GÖRG 1991, 101. Nach NOORT 2020, 232 deute die Bezeichnung tabnît zudem darauf hin, dass es sich nicht um einen Opferaltar handele. 182 Nach KNAUF 2008, 187 könnten auf diesem Altar durchaus Opfer dargebracht worden sein, die auf den Jerusalemer Kult verweisen. Ähnlich DIEBNER/SCHULT 1974, 36, denen zufolge die Auffassung, dass der Altar nicht dem Opferkult diene, fiktiv sei. Nur offiziell sei auf den YHWH-Altären der Diaspora nicht geopfert worden. 183 Vgl. SCHENKER 2011, 52. 184 Nach AULD 2012, 283 wird nur noch der Altar des Ahas als „groß“ in 2Kön 16,15 bezeichnet. 185 Vgl. KNITTEL 2019, 221. 186 Nach EHRLICH 1910, 60 hebt sich dieser Altar hinsichtlich seiner Bauweise von einem Opferaltar für YHWH ab, da er vielleicht keine Feuerstätte besaß.
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
aus Israel ausgeschlossen, zumal diese Stämme als „Söhne Ruben“ bzw. „Söhne Gad“ bzw. „Hälfte des Stammes Manasse“ bezeichnet werden und schon in V.9 von den „Söhnen Israels“ abgehoben werden.187 Somit wird bereits am Anfang der Erzählung hervorgehoben, dass die 2 ½ Oststämme nicht zu den „Söhnen Israels“ gehören. In V.11 erfahren die „Söhne Israels“ ein Gerücht über die Oststämme. In V.12 versammeln sich die „Söhne Israels“, zu denen offenbar nicht die Oststämme gehören, da man sonst den Fall in der gemeinsamen Versammlung hätte diskutieren können. In V.13 wird eine Untersuchungskommission von den „Söhnen Israels“ gesendet, die nach V.32 wieder zu den „Söhnen Israels“ zurückkehrt. In V.33 akzeptieren die „Söhne Israels“ die Erklärung der Oststämme, zumal aufgrund des korrekten Verhaltens der Oststämme die Hand Gottes nicht über die „Söhne Israels“ nach V.31 gekommen ist.188 Aus alledem folgt, dass im Text an fast allen Stellen klar zwischen den „Söhnen Israels“ und den Oststämmen differenziert wird. Höchstens in V.31 könnte man die Oststämme auch zu den „Söhnen Israels“ zählen. Darüber hinaus könnte man auch die Bezeichnungen ʾælohê Yiśrāʾel (V.16) und kål ʿadat Yiśrāʾel (V.18.20) inklusiv verstehen,189 auch wenn das nicht gesichert ist, da die westjordanischen Stämme dies auf sich selbst beziehen könnten. Außerdem zeichnet der Text gänzlich eine westjordanische Perspektive, da der Jordan nach V.25 als Grenze des Verheißungslandes gilt und die Weststämme die „Gemeinde Israels“ oder die „Söhne Israels“ bilden.190 Erst nach Abschluss der Untersuchung gelten nach V.31 auch die ostjordanischen Stämme zumindest ansatzweise als Israel.191 Dieser Sachverhalt ist zuvor durch den Altarbau verdunkelt worden, da der Vorwurf im Raum stand, dass man auf diesem Konkurrenzaltar Opfer mitunter auch für fremde Götter darbringen könnte. Außerdem wird klar zwischen dem eigentlichen Verheißungsland, das auch als ʾæræṣ Kenaʿan bezeichnet wird (V.9.10.11.32) und das als ʾaḥuzzat YHWH gilt (V.19), und dem Ostjordanland unterschieden, das als ʾæræṣ hagGilʿād firmiert (V.9.13.15. 32) und das lediglich als ʾaḥuzzāh der Oststämme gewertet wird (V.19). In Jos 22 wird somit die Diskussion aus Num 32 wiederum aufgegriffen, wo bereits zwei Optionen dargestellt werden, für die sich die Oststämme entscheiden können. Allerdings fehlt in Num 32 noch die klare Positio-
187
Vgl. auch EDERER 2017, 306. Nach KNIGHT 2002, 54 hätten sich die „Söhne Israels“ durch einen ungerechtfertigten Feldzug sogar versündigen können. 189 Vgl. KNIGHT 2002, 56. 190 Vgl. hierzu NELSON 1997, 249. Nach NOORT 2009, 122 ist der Jordan aber nie eine wirkliche Grenze gewesen. 191 Vgl. HOWARD 1998, 407. 188
3. Eigener Entwurf
239
nierung der Weststämme. Dieses Desiderat wird in Jos 22 aufgearbeitet und gelöst. Vor dem skizzierten Hintergrund soll versucht werden, die einzelnen Wachstumsstufen von Jos 22 herauszuarbeiten.192 Wiederum ergeben sich Bezüge zum Abschnitt der Landverteilung im Josuabuch Jos 13–19 und zum letzten Teil des Numeribuchs. Im Folgenden soll am Text entlang gegangen und die jeweiligen Spannungen und Zusätze ausgewertet werden.
3. Eigener Entwurf Die Einheit beginnt in V.9 mit einer Doppelung von zwei wayyiqtol-Formen, wobei wayyāšubû hinsichtlich seiner Verbvalenz unvollständig ist, da man eine direktive Präpositionalverbindung erwartet. Der erste Satz in V.9 greift vermutlich den Befehl aus Jos 22,8 zur Rückkehr auf. Insofern scheint die Form wayyāšubû sekundär eingesetzt worden zu sein, damit man Jos 22,1–8 besser einbinden konnte.193 Da die ursprüngliche Tradition hinter Jos 22 den Abschluss des in Num 32 eröffneten Handlungsbogens bildet, werden vermutlich alle Erwähnungen des Halbstammes Manasse auf diejenige Redaktion zurückzuführen sein (V.9.10.13.15.21.30.31), die die Konzeption des Zwölfstämmevolk in den Abschnitt Jos 13–22 eingetragen hat. Vermutlich ging es in Num 32 zunächst ebenfalls nur um die beiden Stämme Ruben und Gad. Dementsprechend sind alle Erwähnung von Ostmanasse wohl sekundär. Vermutlich muss V.11 als Glosse ausgeschieden werden. Auf den sekundären Charakter könnte die Wiederaufnahme der Redeeröffnung von V.11 wayyišmeʿû benê Yiśrāʾel in V.12 hinweisen.194 Denn das zweite wayyišmeʿû in V.12 könnte höchstens als resümierend gedeutet werden, aber nicht als wirkliche Progressform.195 Hinzu kommt, dass LXX auf das zweite wayyišmeʿû benê Yiśrāʾel verzichtet, was sicherlich die lectio facilior ist. In der Anklage der „Söhne Israels“ geht es darüber hinaus weniger um die Lage des Altars, als vielmehr um die Existenz des Altars. Diese Beobachtung 192
Vgl. hierzu auch GASS 2020b, 44f. Allerdings ist in Num 32,18.22 ebenfalls von einer Rückkehr der Oststämme nach gemeinsamer Landnahme die Rede, sodass wayyāšubû auch auf diesen Erzählbogen zurückgreifen könnte. 194 Auf diese Weise wäre die Ortsangabe durch zwei nachtragende Korrekturen verbessert worden, vgl. hierzu DEN HERTOG 2003, 63. Nach STEUERNAGEL 1900, 237 ist die dreimalige Präpositionalverbindung ohnehin verdächtig. Schon OETTLI 1893, 196 deutet V.11 als „spätes Interpretament“. Nach RUDOLPH 1938, 240 sollten die Oststämme durch diesen Zusatz entlastet werden, da auf diese Weise das Konkurrenzheiligtum nicht mehr auf heiligem Boden stand. 195 Vgl. MICHEL 2020, 346. 193
240
Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
könnte ebenfalls auf den Nachtragscharakter von V.11 hinweisen, da die Lage des Altars zunächst unerheblich war. Alleine der Umstand, dass die Oststämme einen Altar gebaut haben, mit dem sie von YHWH abfallen konnten (ŠūB meʾaḥarê YHWH), war für die „Söhne Israels“ ein schwerwiegendes Vergehen. Nach dtn Verständnis ist wahre YHWH-Verehrung nur am zentralen Heiligtum erlaubt. Jeder Opferkult an illegitimen Stätten war somit der Apostasie verdächtig, egal ob im Ost- oder Westjordanland. Vielleicht lässt sich aufgrund des Nachtragscharakters von V.11 das determinierte hammizbeaḥ in V.11 erklären. Es geht eben um genau den Altar, den die Oststämme bei ihrer Rückkehr gebaut haben. Die Determination zeigt zudem an, dass es nicht wie in der ursprünglichen Tradition lediglich um die Existenz eines solchen Altars geht, sondern die Verortung soll hervorgehoben werden. „Der“ Altar steht nach V.11 offenbar im Ostjordanland. Durch die Lage außerhalb des eigentlichen Verheißungslandes wird die Situation noch zusätzlich verschärft.196 Die Schwierigkeiten, die die redaktionelle Ergänzung in V.11 einträgt, wird durch LXX behoben, da der Altar indeterminiert eingetragen wird. Die Lesart der LXX ist somit nicht ursprünglich, sondern als lectio facilior eine Erleichterung des redaktionell ergänzten MT. Außerdem wird der faktische Altarbau der Oststämme in V.11 auf der Ebene des Hörensagens angesiedelt. Schon die Kunde von einem möglicherweise illegitimen Altar löst eine massive Gegenaktion der „Söhne Israels“ aus, die aber durch die Entsendung einer Untersuchungskommission abgemildert wird, sodass es nicht sofort zum Kriegszug gegen die angeblichen Apostaten kommt. Aus alledem folgt: V.11 ist von einer Redaktion eingetragen worden, die zum einen die Verfehlung verschärft, da der Altar im möglicherweise unreinen Ostjordanland gebaut wurde,197 und zum anderen die Reaktion der westjordanischen Stämme noch zusätzlich auflädt, da diese schon aufgrund des Hörensagens zu einer militärischen Auseinandersetzung bereit sind. Außerdem wird auf diese Weise der angebliche Standort des umstrittenen Altars verschleiert. Er wird auf der Ebene des Endtextes mit literarischen Mitteln geradezu ortlos, wodurch seine Anstößigkeit eigentlich gemildert wird. Die Pluralform wayyiqqāhalû in V.12 passt eigentlich nur zu den zuvor genannten „Söhnen Israels“ und nicht zu dem singularischen Ausdruck kål ʿadat benê Yiśrāʾel. Demnach könnte man vermuten, dass der Ausdruck kål ʿadat benê Yiśrāʾel eine redaktionelle Ergänzung sein könnte. Allerdings findet sich der Satz wayyiqqāhalû kål ʿadat benê Yiśrāʾel Šiloh bereits in Jos 18,1, wo die Nennung des Subjekts nötig ist. Vermutlich liegt daher trotz der syntaktischen Schwierigkeiten eine constructio ad sensum vor, die durch die Wahl
196
Vgl. MICHEL 2020, 346. Nach OTTOSSON 1991, 144 liegt daher Bundesbruch vor. Nach AVERBECK 1997, 896, hätte man einen Altar nur dann im Ostjordanland bauen können, wenn dieses nicht „unrein“ wäre. 197
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des Pluralverbs betonen möchte, dass sich die einzelnen Mitglieder der Gemeinde der „Söhne Israels“ zusammengefunden haben. Zu derjenigen spätpriesterlichen Redaktion, die den Vorwurf des Altarbaus noch zusätzlich verschärft hat, gehören vermutlich auch diejenigen Stellen, die neben der Treulosigkeit und Apostasie noch die Auflehnung gegen YHWH thematisieren, wobei hierfür das Lexem MRD verwendet wird. Für den Nachtragscharakter dieser Stellen sprechen verschiedene Beobachtungen: Das Wort MRD weist neben Jos 22 einen gewissen Schwerpunkt in späten, vor allem chronistischen Texten auf. Nur in der Kundschaftergeschichte Num 14,9 wird MRD in theologischem Gebrauch innerhalb des Pentateuchs verwendet, während es in Gen 14,4 in profaner Bedeutung steht. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Stellen mit MRD auf eine sekundäre Hand zurückzuführen sind. 1)
2)
3)
4)
In V.16 ist die nachklappende asyndetisch gefügte Infinitivkonstruktion limrådkæm hayyôm beYHWH eine Doppelung zu lāšûb hayyôm meʾaḥarê YHWH. Der Infinitivsatz mit MRD setzt zudem mit der Auflehnung gegen YHWH einen neuen Akzent und verschärft das Vergehen noch zusätzlich. Der Infinitivsatz lāšûb hayyôm meʾaḥarê YHWH ist hingegen eng mit dem Lexem MʿL verbunden. Die Apostasie ist folglich eine Konkretion der Treulosigkeit. Dementsprechend werden die beiden Vorwürfe MʿL – ŠūB durchaus zur ursprünglichen Tradition gehört haben, während die mit MRD ausgedrückte Revolte gegen YHWH sekundär eingetragen worden wäre. Auch in V.18 ist wehāyāh ʾattæm timredû hayyôm beYHWH eine fast ähnlich gebaute Doppelung zu 18a, wobei durch die Verbalform wehāyāh der Zukunftsaspekt betont werden sollte, der bei dem Zeitmarker hayyôm verwischt wird. Es geht damit sicher um ein für die Zukunft offenes Geschehen im Heute und im Morgen. Außerdem ergänzt 19b noch mit der Auflehnung der Oststämme gegen die „Söhne Israels“ einen neuen Aspekt. Denn eine Revolte gegen YHWH durch einzelne Personen beeinträchtigt auch das Verhältnis YHWHs zu seinem Volk. Durch diesen Zusatz wird die Konkurrenzsituation des umstrittenen Altars der Oststämme zum einen wahren Zentralheiligtum betont, während in der ursprünglichen Tradition lediglich der Abfall von YHWH durch Treulosigkeit und Apostasie beschrieben wurde. Der Satz ʾim bemæræd weʾim bemaʿal beYHWH in 22b ist eine Doppelung, die auf redaktionelle Arbeit hinweisen könnte. Da das Lexem MʿL bereits in V.16 eng in den Erzählgang eingebunden ist und dort nicht gestrichen werden kann, kann nur der erste Ausdruck mit MRD eine sekundäre Ergänzung sein, was zudem zu den übrigen Beobachtungen ebenfalls passt. Dementsprechend ist bemæræd weʾim eine redaktionelle Ergänzung.
242 5)
Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
In V.29 wird die Aussage der Apostasie noch durch ein vorangestelltes limrod beYHWH zusätzlich spezifiziert. Durch die Voranstellung von limrod beYHWH musste ursprüngliches lāšûb hayyôm meʾaḥarê YHWH mit der Konjunktion w angeschlossen werden. Außerdem wird in 29b eine Aussage über das Zentralheiligtum ergänzt. Nur auf diesem darf der wahre Opferkult stattfinden. Mit Blick auf die analoge redaktionelle Zuspitzung in V.19 scheint auch 29b zusammen mit limrod beYHWH sekundär eingetragen zu sein. Auch die Formulierung mizbaḥ YHWH ʾælohênû in beiden Versen könnte andeuten, dass die Zusätze in V.19 und 29b auf einer literarhistorischen Ebene liegen. Auch auf die Vorstellung vom miškan YHWH, die der Redaktor bereits in seinem Ausgangstext in V.19 vorfand, wird in 29b nicht verzichtet. Offenbar ist 29b mit Verwendung von vorliegendem Material und redaktionellen Floskeln ergänzt worden.
Aus alledem folgt, dass die Aussagen mit MRD vermutlich sekundäre Erweiterungen sind, mit der ein Redaktor den Abfall der Oststämme von YHWH noch zusätzlich bestimmen wollte. Dieser Abfall wendet sich auch gegen die „Söhne Israels“, da der einzig legitime Opferkult nur am Zentralheiligtum stattfinden dürfe. In V.20 wird noch die Achanerzählung Jos 7 eingetragen, die zunächst nichts mit der ursprünglichen Erzählung gemein hat. Nur durch den Gedankengang, dass ein Einzelner mit seinem Verhalten die Gemeinschaft schädigen kann und beide dafür bestraft werden, lässt sich diese Verbindung herstellen. Ansonsten ist der Altarbau mit dem Vergehen des Achan kaum vergleichbar, da Achan sich am Banngut vergeht, das für YHWH reserviert ist. Hier könnte man zusätzlich ergänzen, dass durch die Ergänzung von V.20 die Erzählung vom Altarbau viel besser in das dtr. geprägte Josuabuch eingebunden wird. Außerdem schließt V.20 logisch nicht an V.19 an, sondern führt den Gedankengang von V.18 weiter. Offenbar hat ein dtr. Redaktor diesen Vers rein mechanisch an das Ende der Rede der Untersuchungskommission gesetzt, ohne zu beachten, dass V.20 an dieser Stelle schlecht platziert ist. Außerdem konnte in der vorausgehenden Diskussion gezeigt werden, dass die in Jos 22 genannten Opferarten nicht einheitlich von den Versionen wiedergegeben wurden. Dementsprechend hat es den Anschein, dass das Speiseopfer minḥāh wie auch die zibḥê šelāmîm sekundäre Bildungen sind. Demgegenüber standen in der ursprünglichen Tradition möglicherweise nur die beiden Opferarten ʿôlāh und zæbaḥ. Die anderen Opferarten gehen folglich auf einen Glossator zurück. Mit der Technik der Wiederaufnahme des kurzen Satzes kî ʿed hûʾ bênênû ûbênêkæm ist V.27–28 eingetragen worden. In diesem Zusatz wurde die Aussage noch für die künftigen Geschlechter erweitert, indem der Begriff dorôtênû zweimal aufgegriffen wurde. Außerdem wurde die Behauptung, dass der Altar ein Zeuge sein soll, dahingehend präzisiert, dass der Altar
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lediglich eine Replik sein soll, auf der aber keine wahren Opfer dargebracht werden können. Auch hier wird betont, dass der eigentliche Opferdienst nicht vor dem umstrittenen Altar, sondern „vor dem Angesicht YHWHs“ stattfinden soll, was sich auf der Ebene der Erzählung nur auf das Zentralheiligtum in Schilo beziehen kann. In der Ergänzung V.27–28 wurde schließlich noch der Vorwurf aus V.25 aufgegriffen, dass die Oststämme aufgrund der territorialen Trennung durch den Jordan keinen Anteil an YHWH haben. Die Wortwahl, die in diesem Zusatz verwendet wird ist aufschlussreich: 1)
2)
Die figura etymologica ʿBD ʾæt ʿabodāh findet sich mit einem Schwerpunkt in Num 3–4 und Num 8–9.198 Mit dieser Formulierung sind Kultaktivitäten im Begegnungszelt verbunden.199 In Num 8,11 wird zudem der Dienst der Leviten auf wörtlich gleiche Weise dargestellt, wie dies in Jos 22,27 für die Oststämme behauptet wird. Außerdem ist der Ausdruck ʾên ḥelæq vor allem vor dem Hintergrund der Leviten transparent, die ebenfalls keinen „Anteil“ noch Erbe bei den Israeliten erhalten haben.200 Zusammen mit der Beobachtung, dass auch die Leviten keinen Anteil haben, drängt sich der Verdacht auf, dass hier die Oststämme wie die Leviten behandelt werden. Insofern verwundert es auch nicht, dass die Erzählung in Jos 22 bestens an die Ausführungen zu den Levitenstädten anschließt. In dieser Ergänzung wird argumentativ auf die Leviten als Präzendenzfall verwiesen: Landlosigkeit muss nicht Ausschluss aus der Kultgemeinschaft bedeuten.201
Es gibt neben der Technik der Wiederaufnahme und der inhaltlichen Anknüpfung an die Situation der Leviten noch eine weitere Beobachtung, dass V.27– 28 eine sekundäre Ergänzung sein müssen. Denn in der Vetus Latina, die aus einer früheren Form der LXX erstellt wurde, fehlt auffälligerweise genau dieser Abschnitt.202 Zwar ist nicht auszuschließen, dass es bei der Vetus Latina zu einem Textverlust gekommen sein könnte, aber die redundante Aufnahme von Lexemen aus dem bisherigen Kontext in Verbindung mit einem 198 Vgl. MICHEL 2019, 172. Die Formulierung ʿBD ʾæt ʿabodāh findet sich in Num 3, 7.8; 16,9 mit miškān, und in Num 4,30; 7,5; 8,19.22; 18,6.21 mit ʾohæl môʿed. HARSTAD 2004, 710 gibt dieses Idiom mit „to serve the divine service of the Lord“ wieder. 199 Vgl. NOORT 2020, 229. 200 Vgl. Dtn 12,12; 14,27.29; Jos 18,7. Ähnlich auch Dtn 18,1 mit negiertem Verbalsatz. Immer wieder wird aufgrund der Formulierung ʾên ḥelæq in V.25 ein Bezug zu Neh 2,20 vermutet, vgl. MICHEL 2019, 171, wo den „Ausländern“ Sanballat aus Samaria, Tobija von Ammon und dem Araber Geschem vorgeworfen wird, dass sie weder „Anteil“, noch Anrecht oder Erinnerung an Jerusalem haben. Ähnlich auch GOLDSTEIN 2002, 72–81, der ebenfalls auf Neh 13,4–9 verweist. 201 Vgl. MICHEL 2019, 173. 202 Nach SCHENKER 2011, 52 sei der Altar somit als Zeugnis der Einheit zwischen den ost- und westjordanischen Stämmen errichtet worden. Auch DEN HERTOG 2003, 65f. vermutet, dass V.28 eine Erweiterung ist.
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
neuen bislang nicht vorbereiteten Thema scheinen für einen Einschub zu sprechen. Die Unterscheidung zwischen der Gruppe der neśîʾê hāʿedāh und der rāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel in V.30 ist überraschend. Denn nach Num 1,16 werden die „Fürsten der Stämme ihrer Väter“ als rāʾšê ʾalefê Yiśrāʾel bezeichnet, sodass zwischen der Gruppe der neśîʾîm und der Anführer der Tausendschaften nicht zu unterscheiden wäre. Das gleiche gilt für Num 10,4. Dementsprechend ist die Unterscheidung zwischen beiden Gruppierungen in V.30 auffällig. Da zudem hinsichtlich der Teilnehmer der Untersuchungskommission auch die alten Versionen unterschiedliche Lösungen vorschlagen, hat es den Anschein, dass es sich bei den Erwähnungen der „Anführer der Tausendschaften Israels“ in 21b und V.30 um sekundäre Glossen handelt, die sich aus der schwierigen Erwähnung in V.14 herausentwickelt haben. Da 21b zudem eine Doppelung zu 21a ist (ʿNY vs. DBR), wobei nur 21a das für das Verständnis wichtige Subjekt bietet, ist 21b in seiner Gesamtheit vermutlich eine sekundäre Ergänzung, zumal die Antwort der Oststämme sich sicherlich nicht nur an die „Anführer der Tausendschaften Israels“, sondern auch an Pinhas richtete. In V.34 scheint die Präpositionalverbindung bênotênû „zwischen uns“ auffällig zu sein, da die Präposition bayin ansonsten in Jos 22 immer ohne infigiertem t verwendet wird (V.25.27.28) und sich in der doppelten Form bênênû ûbênêkæm „zwischen uns und zwischen euch“ findet. Hinzu kommt, dass die Formel kî ʿed hûʾ bênênû ûbênêkæm auch in V.27 und V.28 vorkommt,203 sodass der abgekürzte Satz kî ʿed hûʾ bênotênû zumindest auffällig ist. Vor diesem Hintergrund scheint bênotênû in V.34 eine spätere Glosse zu sein. Im Folgenden sollen die Ergebnisse zur Literargeschichte von Jos 22,9–34 kurz skizziert werden. Auch wenn eine ursprüngliche Tradition sich dem Zugriff weitgehend entzieht, konnten mehrere redaktionelle Hände erkannt werden, die die Aussage des Textes modifiziert haben. Die priesterliche Redaktion, die bereits ein Landverteilungsdokument in Jos 13–19* geschaffen hat, hat vermutlich nicht nur als Vorbild die beiden ostjordanischen Stämme Ruben und Gad in Jos 13 vorgeschaltet, sondern auch die Rückkehr dieser Stämme und den Altarbau in Jos 22 berichtet, um die priesterliche Erzählung abzuschließen. Es gibt zumindest keine sprachlichen oder formalen Argumente gegen eine Verbindung dieser priesterlich geprägten Texte. In dieser redaktionellen Schicht wird der Altar im Westjordanland errichtet, um ein Zeichen der Zugehörigkeit zu den „Söhnen Israels“ zu setzen. In dieser Schicht wird stets zwischen den „Söhnen Israels“ und den „Söhnen Ruben und den Söhnen Gad“ sorgsam unterschieden. Offenbar ge203 Offenbar diente die Aussage, dass der Jordan als Grenze „zwischen uns und zwischen euch“ von YHWH gegeben wurde (V.25), als Vorlage dafür, dass genau an dieser Grenze ein „Zeuge“ von den Oststämmen errichtet wurde.
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hören die Oststämme zwar zur YHWH-Gemeinde, sie siedeln aber nicht wie die „Söhne Israels“ im eigentlichen Verheißungsland. Denn die Oststämme wohnen in Gilead in ihrem eigenen Nutzgebiet und nicht in Kanaan im Nutzgebiet YHWHs. Mit dieser Schicht wird somit der in Num 32 eröffnete Erzählbogen zum Abschluss gebracht, da nun die Frage geklärt wird, inwieweit die Oststämme zur Kultgemeinde gehören können. Hier wird zudem betont, dass der Altar ein Zeuge für alle kommenden Generationen dafür sein soll, dass die Oststämme ebenfalls zur Kultgemeinde gehören. Dementsprechend ist der Altar kein Opferaltar für Brand- oder Schlachtopfer, sondern nur ein Mahnmal, das die Verbindung zwischen West und Ost anzeigen soll. Auf keinen Fall werden auf dieser Installation Opfer an irgendwelche fremde Gottheiten dargebracht, auch wenn genau dieser Vorwurf von der Untersuchungskommission erhoben wird, indem man den Oststämmen Treulosigkeit und Abwendung von YHWH weg vorwirft. Die „Söhne Israels“ mutmaßen nämlich, dass die Oststämme mitunter zu fremden Göttern abgefallen sind, wodurch die Sünde von Bet-Pegor wiederum begangen wurde, als man sich durch Mischehen mit fremden Völkern und vor allem deren Göttern nach Num 25 eingelassen hat. Falls die Oststämme tatsächlich der Versuchung erlegen sind, dann ist der Vorwurf, dass die Sünde von Bet-Pegor immer noch aktuell ist (V.17), durchaus angebracht. Dass es in dieser Schicht vor allem um kultische Folgen geht, zeigt auch die Bezeichnung Gemeinde YHWHs (V.16.17). Folglich stehen vor allem Fragen im Raum, die mit der richtigen und angemessenen YHWH-Verehrung zusammenhängen. Nationale oder ethnische Details der Zugehörigkeit zu den „Söhnen Israels“ stehen nicht im Mittelpunkt und werden auch nicht wirklich behandelt. Eine priesterlich-dtr. Redaktion, die von einem Zwölfstämmevolk ausgeht, ergänzte an zahlreichen Stellen den Halbstamm Manasse, wobei aber bisweilen dieser Eintrag vergessen wurde, was von den alten Versionen wiederum korrigiert wurde. Diese Redaktion könnte mit derjenigen Redaktion zusammenhängen, die bereits in Jos 13–19 für die jetzige Anordnung der einzelnen Textteile verantwortlich war und ein Zwölfstämmevolk konstruiert hat.204 Eine dtr. Redaktion, die vielleicht mit der dtr. Erzählredaktion aus Jos 13– 19 zusammenhängt, hat in V.20 einen Hinweis auf die Achanerzählung (Jos 7) ergänzt. Auf diese Weise wurde der priesterlich geprägte Text von Jos 22,9–34 bestens in das dtr. Josuabuch Jos 1–12.23–24 eingebunden, auch wenn die Argumentation hier auffälligerweise nachklappt und eigentlich nicht mehr benötigt wird. Zum Zeitpunkt dieser dtr. Redaktion befand sich der Abschnitt Jos 13–22 offenbar bereits im Josuabuch. Eine spätpriesterliche Redaktion hat den Vorwurf an die Oststämme noch weiter gesteigert, indem man den ostjordanischen Stämmen neben Treulosigkeit und Apostasie noch zusätzlich Auflehnung gegen YHWH vorwarf. Nun 204
Vgl. GASS 2019b, 374.
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tritt das Zentralheiligtum besonders in den Mittelpunkt. Dort muss die YHWHVerehrung stattfinden und nicht auf einem Konkurrenzaltar. Während in der ursprünglichen Tradition der Fremdgötterkult abgewehrt werden musste, ist nun die Kulteinheit im Blick. Der YHWH-Dienst kann folglich nur noch auf dem Altar „vor dem Angesicht YHWHs“ stattfinden (V.27), der sich vor der Wohnung YHWHs befindet (V.28). Eine solche Engführung des Kultes auf einen Opferort wird nun von den Oststämmen anerkannt. Durch den Bau einer Replik des zentralen Altars (V.28) demonstrieren sie ihre Zugehörigkeit zu den „Söhnen Israels“. Dieser Symbolaltar wird demnach weder für Opfer an fremde Götter – wie in der ursprünglichen Tradition – noch an YHWH verwendet. Die Altarreplik der Oststämme ist folglich nur noch ein Zeuge für die späteren Generationen, dass die Oststämme trotzdem zur Kultgemeinde gehören, auch wenn sie keinen Anteil am Verheißungsland besitzen. Damit wird aber auch eine gewisse Unterordnung zum Ausdruck gebracht, da zwischen den Oststämmen und den „Söhnen Israels“ unterschieden wird. Nur in V.31 wird sich das von Pinhas verwendete „uns“ auf beide Parteien beziehen, wenn er festhält, dass sich YHWH betôkenû „in unserer Mitte“ befindet. Aus diesem Grund kommt es nicht zu einer Bestrafung der „Söhne Israels“. Hier kann es sich somit um beide Gruppen handeln, zumal von einem Kultfrevel die west- wie auch die ostjordanischen Stämme betroffen gewesen wären. Allerdings wird bereits im folgenden Vers wieder die räumliche (Kanaan vs. Gilead) und ethnische Trennung („Söhne Israels“ vs. „Söhne Ruben und Söhne Gad“) eingetragen. Im Rahmen der spätpriesterlichen Redaktion wird der Altar zudem ins Ostjordanland verlagert (V.11), wo er nicht mehr notwendigerweise auf heiliger Erde steht und sich ohnehin für rechtmäßige Opfer nicht mehr eignet. Kleinere Glossen, die sich mittels kreativer Exegese aus dem Text heraus entwickelt haben, sind an wenigen Stellen eingetragen worden. Durch diese marginalen Ergänzungen wurde der Argumentationsgang bisweilen etwas verkompliziert. Vor allem die Glossen zu den Tausendschaften oder zu den unterschiedlichsten Opferarten erschweren ein angemessenes Textverständnis.
4. Zur historischen Verortung der priesterlichen Grunderzählung Im Folgenden soll der Blick auf die Art des Altars und dessen ursprünglichen Verwendungszweck geworfen werden, während andere Facetten des Textes weitgehend ausgeblendet werden müssen. Fragen der historischen Verortung205 können bestenfalls angedeutet werden. 205 FRITZ 1994, 221 denkt an die nachexilische Zeit, da in Jos 22 bereits die dtr. Kultzentralisation vorausgesetzt und das Ostjordanland als kultisch unrein betrachtet werde.
4. Zur historischen Verortung der priesterlichen Grunderzählung
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Der Altar ist bereits in der ursprünglichen priesterlichen Grunderzählung ein „Zeuge“ dafür, dass die Oststämme einen Anteil an der YHWH-Verehrung besitzen und ebenso rechtmäßig vor dem Zentralheiligtum opfern dürfen. Durch diesen Altar-„Zeugen“ wird die Zugehörigkeit auch für künftigen Generationen unterstrichen. Die mehrfache Benennung des Altars als „Zeugen“ ist jedoch auffällig. Denn das hebräische Lexem ʿed bezeichnet eigentlich im Gerichtsverfahren den Zeugen, der über eine begangene Tat Auskunft geben kann, um auf diese Weise die Wahrheitsfindung abzusichern.206 Aber auch Objekte können als ʿed eingesetzt werden. Darüber hinaus wird noch beim Bundesschluss auf „Zeugen“ verwiesen,207 die die Zuverlässigkeit des geschlossenen Vertrags bezeugen. Der Altar als „Zeuge“ dient somit ebenfalls der Wahrheitsfindung in zukünftigen Zeiten und unterstreicht die Zuverlässigkeit der Verbindung zwischen Ost und West. Dementsprechend stellt dieser Altar die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Vereinbarung sicher.208 Fraglich ist jedoch, weshalb ein Altar, der in seiner Bedeutung – wie schon die Erzählung verdeutlicht – gründlich missverstanden werden konnte, als Nach DIEBNER/SCHULT 1974, 34 belässt die Jerusalemer Orthodoxie den Diasporagemeinden ihre Kultstätte, die aber relativiert werden. Bisweilen wird der Konflikt zwischen Nehemia und Tobija, dem ammonitischen Knecht, aus Neh 2,19f. und 13,1–9 als Hintergrund von Jos 22 gesehen, vgl. GOLDSTEIN 2002, 43–81. Für eine historische Verortung in die Zeit Esras und Nehemias vgl. auch SCHORN 1997, 219–221; DEN HERTOG 2003, 72–80. Möglicherweise soll das Heiligtum im ägyptischen Elephantine durch die Erzählung von Jos 22 desavouiert werden. Nach KNAUF 2008, 183 hatte am Ende des 5. Jh. v. Chr. die Kultzentralisationspartei noch nicht die Mehrheit hinter sich, da der zerstörte Tempel von Elephantine doch wiederum aufgebaut werden durfte und die Erlaubnis zu Speise-, Rauchund Schlachtopfern gegeben wurde. Nach VINK 1969, 76f. sollte mit der Erzählung in Jos 22 betont werden, dass es auch außerhalb des Verheißungslandes Altäre mit begrenztem kultischen Gebrauch geben darf. Insofern könnte in Jos 22 die Kultpraxis in Elephantine legitimiert werden. Nach KNAUF 135f. weist Jos 22 in das 5./4. Jh. v. Chr., als es um die Erlaubnis für Konkurrenzheiligtümer auf dem Garizim, in Marescha und in Elephantine geht. Gegen eine Verbindung zu Elephantine aber KLOPPENBORG 1981, 364; PITKÄNEN 2010, 366. Zu einer frühen Verortung in der frühstaatlichen Zeit vgl. BUTLER 2014, 254. Nach MÖHLENBRINK 1938, 249 will die vorliegende kultpolemische Erzählung die Bedeutung des Heiligtums von Gilgal, um das sich die Stämme Ruben, Gad und Benjamin scharten, gegenüber dem Zentralheiligtum in Schilo einengen. Anders neuerdings LIPIŃSKI 2018, 30f., der das YHWH-Heiligtum auf dem Nebo als historischen Kern von Jos 22 sieht. Auch SIMIAN-YOFRE 1986, 1120 vermutet einen vorexilischen YHWH-Altar als Grenzheiligtum nahe am Jordan. Allerdings spricht schon KUENEN 1886, 107 dieser Erzählung jeglichen historischen Wert ab: „an absolutely unhistorical invention“. 206 Vgl. hierzu VAN LEEUWEN 1976, 211–214; SIMIAN-YOFRE 1986, 1112–1116; CHISHOLM 1997, 337. 207 Vgl. auch WOUDSTRA 1981, 328f. 208 Nach CHISHOLM 1997, 338 erinnert der Altar als „Zeuge“ an die geschlossene Vereinbarung. In Jos 22 werde der Verpflichtung zur Loyalität gegenüber YHWH gedacht. Nach VAN LEEUWEN 1976, 212 solle der Altar ein Zeuge dafür sein, dass YHWH auch der Gott der Oststämme ist.
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„Zeuge“ für die kultische Loyalität der Oststämme verwendet wurde. Denn der Altar wird ja eigentlich zweckentfremdet und umgewidmet, da auf ihn keine Schlachtopfer mehr dargebracht werden.209 Mit dem Blick auf die Zukunft wurde offenbar befürchtet, dass man den Oststämmen irgendwann vorwerfen könnte, dass sie nach V.25 keinen Anteil mehr an YHWH haben könnten.210 Schon aus diesem Grund war dieser Symbolaltar nötig, um zumindest die kultische Zusammengehörigkeit zu betonen.211 Mit der priesterlichen Grunderzählung soll folglich begründet werden, dass die ostjordanischen Stämme ebenfalls zur Kultgemeinde Israel gehören. Diese Stämme Israels sind folglich keine Apostaten, die fremden Göttern unrechtmäßige Opfer darbringen, sondern gehören integral zu Israel,212 auch wenn sie sich nicht im eigentlichen Verheißungsland niedergelassen haben. Die religiöse Zugehörigkeit von Ruben und Gad zur Kultgemeinde Israel wird folglich mit einer Erzählung aus der Landnahmezeit begründet. Es geht in der priesterlichen Grunderzählung nicht um ethnische oder nationale Fragen, sondern um YHWH-Verehrung, da in V.16 und 17 von der ʿadat YHWH „Gemeinde YHWHs“ die Rede ist.213 Zwar ist der Jordan nach V.25 ein Element der Abgrenzung, das aber durch den Altar als Zeugnis für die Einheit der „Söhne
209
Nach Ausweis der Vetus Latina könnte es sich bei diesem Altar vielleicht um einen wirklichen YHWH-Altar gehandelt haben, auf dem zwar nicht geopfert wurde, der aber als Zufluchtstätte für die ostjordanischen Stämme diente, vgl. SCHENKER 2011, 55f. Auf diese Weise erklärt sich auch die Rezeptionsgeschichte von Jos 22. Denn nach Pseudophilo’s LAB musste der Altar zerstört werden. Als reiner Symbolaltar, der lediglich eine Nachbildung des Zentralheiligtums ist, wäre dies nicht notwendig gewesen. 210 Nach THON 2006, 86 könnte hier der Nord-Süd-Konflikt (kein Anteil an David) in einen West-Ost-Konflikt verwandelt sein. Allerdings sind beide Konfliktarten trotz des Wortes ḥelæq kaum miteinander vergleichbar. Denn die Nordstämme behaupten von sich selbst, keinen Anteil an David zu haben, da sie nicht zu Juda gehören wollen, während die Oststämme befürchten, von den Weststämmen an der YHWH-Verehrung gehindert zu werden. 211 Eine Deutung als Erinnerungszeichen könnte auch vor dem Hintergrund des Josuabuches und der Parallele zur Landnahmeerzählung in Jos 3–4 naheliegen, auch wenn dort der Weg in die entgegengesetzte Richtung, nämlich ins Verheißungsland führt. ZIESE 2008, 360 verweist darauf, dass in Jos 3,15f. die Israeliten an den Rand des Jordans kamen, was den gelîlôt entsprechen könnte, dass auch in Jos 4,7 ein Erinnerungszeichen errichtet wird und dass nach Jos 4,6.22 eine Kinderfrage ausgelöst wird. Dieses intertextuelle Bezugssystem ergibt sich aber erst bei einer Endtextlektüre. Die priesterliche Grunderzählung hatte jedoch vermutlich noch nichts mit dem dtr. Josuabuch gemein. 212 Vgl. hierzu auch FRITZ 1994, 221; ASSIS 2004b, 228. 213 Der Ausdruck ʿadat YHWH findet sich ebenso in Num 31,16, wo die Sünde von BetPegor beklagt wird. Dementsprechend wird auch in Jos 22 auf die Kultvereinigung der ʿadat YHWH verwiesen, die dann aktiv wird, wenn es zu Fremdgöttermissbrauch kommen könnte.
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Israels“ behoben wird.214 Der Altar sei zudem ein Zeichen für die Einheit zwischen den west- und ostjordanischen Stämmen. Dies werde durch die auffällige Größe des Erinnerungsaltars und dessen Lage am Jordan besonders unterstrichen.215 Darüber hinaus wird erst am Schluss in V.31 betont, dass YHWH „in unserer Mitte“ ist. Offenbar hat erst zu diesem Zeitpunkt die Delegation endlich ebenfalls erkannt, dass beide Gruppen eigentlich zusammengehören.216 Hier wird zudem auf die Aussage aus V.22 zurückgegriffen, wo YHWH bereits die richtige Intention der Oststämme „erkannt“ hat. In V.31 haben dies auch die „Söhne Israels“ endlich „erkannt“. In V.31 wird offenbar nicht mehr zwischen der Gesamtheit der Gemeinde und den Oststämmen unterschieden, da nun davon die Rede ist, dass YHWH „in unserer Mitte“ ist. YHWH ist somit das einigende Band zwischen beiden Gruppen. Beide Befürchtungen, dass zum einen die Oststämme durch illegitimen Kult Verderben über ganz Israel bringen könnten und dass zum anderen die Weststämme die Oststämme von Israel ausklammern könnten, sind somit nicht begründet. Erst in V.31 bezieht sich der Ausdruck „Söhne Israels“ auf beide Gruppen, da nämlich sowohl die Oststämme wie auch die Weststämme vor weiterem Übel bewahrt werden. Allerdings wird die Einheit im folgenden Vers durch die territorialen Bezeichnungen Gilead vs. Kanaan und durch die Stammesnamen „Söhne Ruben und Söhne Gad“ vs. „Söhne Israels“ wieder aufgebrochen. Dieser isolationistische und separatistische Blick der westjordanischen Stämme wird auch in den folgenden Versen nicht aufgegeben, während die Oststämme ihre Zugehörigkeit zu Israel durch den Altar augenscheinlich demonstriert haben.217 Auch wenn immer wieder behauptet wird, dass Jos 22 eine Ortsätiologie sein soll, muss festgehalten werden: In Jos 22 liegt eigentlich keine Ortsätiologie vor,218 zumal der genaue Standort des Altars nicht angegeben wird. Auch der Name dieses Altars wird in V.34 geflissentlich verschwiegen, was
214
Vgl. BUTLER 2014, 262. Nach REIMER 2012, 15 ist die Einheit Israels nach Jos 22 ohnehin fragil. 215 Vgl. ASSIS 2004a, 538. Die Einheit Israels zeige sich nach REIMER 2012, 17 nicht in einer Überwindung von tribaler Fragmentierung oder Unterschiede, sondern in einer Behebung von Idolatrie. Es gehe somit um die gemeinsame Gottesverehrung. 216 Vgl. ASSIS 2004b, 228. 217 Vgl. zum Problem ASSIS 2004b, 229f. Anders hingegen KLOPPENBORG 1981, 355, dem zufolge in Jos 22 nicht die Interessen der Oststämme vertreten werden, sondern lediglich erzählt wird, wie Israel durch die Hilfe von Ruben und Gad vor Strafe bewahrt wird. 218 Für eine ursprüngliche Ortsätiologie vgl. NOTH 1971, 134. Anders MENES 1932, 270–276, der Jos 22 für eine Ätiologie der Synagoge ohne Altar hält. Dagegen aber mit guten Gründen VINK 1969, 75; KLOPPENBORG 1981, 362f.; SCHORN 1997, 218. Neuerdings deutet KNITTEL 2019, 226 die Ostjordanier von Jos 22 als Chiffre für das Diasporajudentum im Allgemeinen. Kritisch hierzu aber zu Recht MICHEL 2020, 333 Anm. 3.
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Zur (literar)historischen Verortung des Altarbaus im Ostjordanland
bei einer Ortsätiologie zumindest sehr auffällig ist,219 da ja gerade der eigenwillige Name durch eine ätiologische Erzählung erklärt werden soll. Dies könnte höchstens dadurch erklärt werden, dass die ursprüngliche Namenstradition bewusst unterdrückt worden wäre.220 Da der Altar bereits in der ursprünglichen priesterlichen Grunderzählung ein Zeuge für die Zugehörigkeit der ostjordanischen Stämme zur Kultgemeinde Israel ist, ist er vermutlich mehr als nur eine literarische Fiktion. Allerdings wurde der Altar mit Hilfe der äußerst vagen Darstellung über den Standort des Altars und durch redaktionelle Eingriffe immer mehr in die Ortlosigkeit verschoben, sodass er sich zusehends zum Symbolaltar wandelte.
219 Vgl. MICHEL 2019, 169. Nach DIEBNER/SCHULT 1974, 35 handelt es sich ohnehin um einen fiktiven Altar an einem fiktiven Ort. 220 Vgl. RÖSEL 2011, 349, dem zufolge die vage Darstellung über den Standort des Altars durchaus eine ältere Tradition nahelegen könnte. Allerdings wäre dann die ursprüngliche Tradition unterdrückt worden.
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251
Ergebnisse und Folgerungen Ergebnisse und Folgerungen
Der Textabschnitt Jos 20–22 ist ausweislich der großen Disparität seiner Bestandteile literarhistorisch und redaktionsgeschichtlich nur schwer einzuordnen. Mit Jos 19,49–51 ist zuvor zumindest ein klares Abschlusssignal für die Landverteilung in Jos 13–19 gegeben, sodass ab Jos 20 ein neuer Abschnitt folgen kann, der in Form eines Anhangs noch zu klärende Fragen thematisiert. Während somit die Grenze nach vorne deutlich vorgegeben ist, ist die Abgrenzung nach hinten umstritten. Dies zeigt sich schon an der Beobachtung, dass die Zuweisung von Jos 22 unterschiedlich erfolgt. Entweder man sieht Jos 22 als letzten Teil der Nachträge zur Landverteilung oder man betrachtet dieses Kapitel als Beginn der Abschlusskapitel des Josuabuches. Vor allem synchron orientierte Studien arbeiten sich an der Frage ab, wie man mit Jos 22 umgehen soll, um eine intersubjektiv vermittelbare Struktur innerhalb von Jos 20–24 herauszuarbeiten. Insgesamt ergeben sich vier Optionen: 1)
Immer wieder wird Jos 22 mit den folgenden beiden Abschiedsreden in Jos 23–24 verbunden.1 Somit wird Jos 22 zu den abschließenden Ereignissen gezählt, in denen es in erster Linie um Paränese und richtigen YHWH-Gehorsam gehe,2 was auch durch das Leitwort ʿBD ausgedrückt werde. Für diese Abgrenzung lasse sich zumindest die Beobachtung anführen, dass mit dem dtr. geprägten Text in Jos 21,43–45 eine Buchgrenze klar markiert werde.3 Außerdem könne Jos 22 als Verabschiedung der Oststämme betrachtet werden, was gut zu den Abschiedsreden Josuas in Jos 23–24 passe.4 Darüber hinaus könne man Jos 22–24 als Abschluss und Ausblick des Josuabuches deuten.5 Bisweilen wird hinter Jos 13–21 1
Vgl. GRAY 1986, 168; HARSTAD 2004, 675; COLESON 2012, 36. Vgl. HESS 1996, 316; PITKÄNEN 2010, 25–27. Außerdem könne es in Jos 22 um die Frage von den eigentlichen Grenzen gehen, wer zu Israel gehöre und wer nicht, vgl. ZIESE 2008, 41. 3 Vgl. KNAUF 2007, 220f.; PITKÄNEN 2010, 27. Anders hingegen NOTH 1971, 19, der Jos 21,43–45 als Anfang des dritten Abschnittes deutet, wo es um abschließende Anweisungen für das Leben im Kulturland gehe: letzte Ermahnungen Josuas in Jos 21,43–23,16; der Landtag von Sichem in Jos 24,1–28; drei Gräbertraditionen in Jos 24,29–33. 4 Vgl. HOWARD 1998, 401f. 5 EDERER 2017, 21 presst diese drei Kapitel darüber hinaus in unterschiedliche Kompositionsschemata und entwickelt entweder ein A+B1+B2-Schema (Konfliktbeilegung um Status der Oststämme in Jos 22 und zwei Abschiedsreden in Jos 23–24) oder ein 2
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2)
3)
Ergebnisse und Folgerungen
eine konzentrische Struktur vermutet,6 was ebenfalls darauf hindeutet, dass Jos 22 nicht zum Vorausgehenden gehören könne. Allerdings wirken derartige Strukturbeobachtungen sehr artifiziell. Hinzu kommt, dass die herausgearbeiteten Strukturlinien immer wieder durch gegenläufige Linien durchbrochen werden. Außerdem wird oft nicht berücksichtigt, dass bei einer Ausgliederung von Jos 22 der narrative Abschluss der Landverteilung von Jos 13–19 wegfällt. Schon vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob Jos 22 lediglich ein weiterer Appendix zum zweigeteilten Josuabuch sein kann, das Landeroberung (Jos 1–12) und Landverteilung (Jos 13–21) zusammenstellt.7 Denn ohne Jos 22 fehlt ein Abschluss der Landeroberung und Landverteilung. Außerdem könnte man Jos 19,49–51 als Abschluss der Landverteilung deuten, sodass ab Jos 20 der dritte Teil des Josuabuchs beginne (Jos 20– 24), wo es um die Konstruktion der Identität Israels gehe.8 Bisweilen wird bei derartigen Analysen der Textbereich Jos 20–22 in zwei Abschnitte gegliedert. In Jos 20–21 gehe es um die Vorsorge für den Frieden im Lande, während Jos 22 Maßnahmen beschreibe, wie man einen Bürgerkrieg vermeiden könne.9 Demgegenüber ist aber festzuhalten, dass erst Jos 22 als natürlicher Abschluss zur Landverteilung gesehen werden kann.10 Erst nachdem die ostjordanischen Stämme in ihre Wohngebiete zurückgekehrt seien, ist folglich die Landverteilung wirklich abgeschlossen. Eine Abtrennung von Jos 20–22 von der Landverteilung in Jos 13–19 ist somit schwierig zu begründen. Schließlich wird vermutet, dass die abschließenden Kapitel Jos 20–24 allesamt zum zweiten Teil des Josuabuches in Jos 13–24 gehörten und insgesamt die Ansiedlung im Land beschrieben, wobei es sich bei Jos 22–24 um drei abschließende Berichte handele.11 Eine Zweiteilung des Josuabuches in Landnahme (Jos 1–12) und Landgabe (Jos 13–24)12 blendet jedoch den Umstand aus, dass die eigentliche Landgabe bereits mit Jos 19,49–51 abgeschlossen ist und sich die Idiomatik spätestens ab Jos 23 merklich ändert.
A1+A2+B–Schema (zweifaches Konsolidierungsgeschehen in Jos 22–23 und Schlusspunkt unter Tora und Josuabuch in Jos 24). Hierfür können aber bestenfalls inhaltliche Kriterien herangezogen werden. Ob ein stark gewachsener Endtext aber nur mit synchronen Mitteln sowie fast ausschließlich mit inhaltlichen subjektiven Beobachtungen und Bewertungen angemessen gedeutet werden kann, ist stark zu bezweifeln. 6 Vgl. HAWK 2000, 181. 7 Vgl. SOGGIN 1982, 2f. Zu Jos 22 als Appendix vgl. ABADIE 2005, 7. 8 Vgl. BUTLER 2014, 190; LAUGHLIN 2015, 199. 9 Vgl. hierzu BOLING 1982, vii–x. 10 Vgl. MILLER/TUCKER 1974, 7; WOUDSTRA 1981, 43f. 11 Vgl. HUBBARD 2009, 62. 12 Vgl. FRITZ 1994, viif.
Ergebnisse und Folgerungen
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Aufgrund der Wiederaufnahme von wîhôšuaʿ zāqen bāʾ bayyāmîm aus Jos 13,1 in Jos 23,1 ist Jos 13–22 hingegen als eigenständiger Abschnitt gekennzeichnet. Hinzu kommt, dass die Thematik und Idiomatik von Jos 20–22 weitgehend priesterlich geprägt ist, sodass man berechtigterweise von einem priesterlichen Josuabuch in Jos 13–22 ausgehen darf, das freilich zu einem späteren Zeitpunkt dtr. überarbeitet wurde. Die deutliche Abschlussnotiz zur Landverteilung in Jos 19,49–51 weist jedoch formal Jos 20–22 als eigenständigen Textbereich aus, der darüber hinaus durch den Buchschluss in Jos 21,43–45 durchbrochen wird, was bei der literarhistorischen Verortung der einzelnen Teile berücksichtigt werden muss. Diese letzte Option ist am plausibelsten und wird im Folgenden übernommen.
4)
Zunächst konnte gezeigt werden, dass es sich bei dem priesterlich geprägten Abschnitt zu den Asyl- und Levitenstädten in Jos 20–21 vermutlich um den Ausführungsbericht zu Num 35 handelt. Darüber hinaus sind Wachstumsspuren innerhalb von Jos 20–21 erkennbar, die vermutlich mit der Redaktionsgeschichte von Num 35 verbunden werden können. Demgegenüber ist ein gemeinsames Wachstum mit den Landverteilungstexten in Jos 13–19 in Jos 20– 21 nicht zu erkennen. Hierzu passt auch die Beobachtung, dass erst zu einem späten Zeitpunkt die Gabe der Levitenstädte in Jos 14,4 vorbereitet wurde,13 was ebenfalls für eine ursprüngliche Unabhängigkeit des Abschnitts Jos 20– 21 von Jos 13–19 spricht. Lediglich in Jos 22,9–34 lässt sich nachweisen, dass hier der Erzählfaden, der bereits in Num 32,1–32 begonnen wurde, zu einem passenden Ende geführt wird. Denn nachdem das Westjordanland erobert und verteilt worden ist, werden schließlich die Oststämme in ihre Siedlungsgebiete ins Ostjordanland entlassen. Es hat somit den Anschein, dass sich innerhalb von Jos 22 eine priesterliche Redaktion als letzter Abschnitt der Landverteilung abgrenzen lässt. Vermutlich ergänzte eine priesterliche Redaktion, die bereits für ein Landverteilungsdokument in Jos 13–19 verantwortlich war, die Rückkehr der ostjordanischen Stämme Ruben und Gad. Der priesterliche Abschnitt Jos 13– 19.2214 beginnt folglich mit der in der Vergangenheit liegenden Landgabe an die Oststämme und endet mit deren Rückkehr, wobei der Altarbau die Zugehörigkeit des Ostens zusätzlich problematisiert. Die priesterliche Redaktion hat folglich nicht nur als Vorbild die beiden ostjordanischen Stämme Ruben und Gad in Jos 13 vorgeschaltet, sondern auch die Rückkehr dieser Stämme und den umstrittenen Altarbau in Jos 22 berichtet, um die priesterliche Erzählung abzuschließen und den in Num 32 eröffneten Erzählbogen zum Abschluss zu bringen. In Jos 22 wird darüber hinaus die Frage geklärt, inwieweit die Oststämme zur Kultgemeinde Israel gehören können. Denn die Oststäm13 14
Vgl. GASS 2019b, 375. Vgl. hierzu Anhang III.
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Ergebnisse und Folgerungen
me siedeln in Gilead in ihrem eigenen Nutzgebiet und nicht in Kanaan im Nutzgebiet Jahwes. Der Altar im Westjordanland15 soll somit ein Zeichen der Zugehörigkeit zu den „Söhnen Israels“ setzen. Der Altar ist darüber hinaus ein Zeuge für alle kommenden Generationen, dass die Oststämme ebenfalls zur Kultgemeinde Israel gehören. Brand- oder Schlachtopfer werden auf diesem Altar somit nicht dargebracht. Demnach kann man den Oststämmen auch nicht Treulosigkeit und Abwendung von YHWH vorwerfen. Die Oststämme sind folglich nicht zu fremden Göttern abgefallen; die Sünde von Bet-Pegor nach Num 25 hat sich somit nicht wiederholt. In der priesterlichen Redaktion in Jos 22 geht es vor allem um kultische Fragen, die mit der richtigen und angemessenen Jahweverehrung zusammenhängen. Nationale oder ethnische Details der Zugehörigkeit zu den „Söhnen Israels“ werden hier noch nicht behandelt. Eine priesterlich-dtr. Redaktion ergänzte an zahlreichen Stellen den Halbstamm Manasse, um die Konzeption eines Zwölfstämmevolkes zu realisieren. Vermutlich handelt es sich um die gleiche Redaktion, die bereits in Jos 13–19 für die jetzige Anordnung der einzelnen Texte verantwortlich war und ebenfalls das Zwölfstämmevolk einspielte. Aus alledem folgt, dass sich die beiden Redaktionen, die im Abschnitt der Landverteilung in Jos 13–19 arbeiteten, auch in Jos 22 nachweisen lassen, sodass zunächst ein ursprünglicher Erzählzusammenhang von Jos 13–19.22 geschaffen wurde, der idiomatisch mit dem Numeribuch zusammenhängt und den dort begonnenen Erzählbogen abschließt. Unabhängig von Jos 13–19.22 wurde etwa zeitgleich im Anschluss an Num 35 die Verteilung der Asyl- und Levitenstädte in Jos 20–21 gebildet,16 wobei auch hier wiederum mehrere Redaktionen nachweisbar sind, die sich ihrerseits aber weder in Jos 13–19 noch in Jos 22 finden lassen: 1)
Zunächst wurde vermutlich eine erste Fassung der Levitenstädte in Jos 21 gebildet. Hierfür verwendete man zwei Quellen:17 eine Ortsliste der Leviten, die sekundär mit den drei levitischen Gruppen der Kehatiter, Gerschoniter und Merariter verbunden wurde, und eine judäischbenjaminitische Ortsliste, die sekundär mit den Aaroniden verknüpft wurde. Aus diesen beiden Dokumenten schuf zunächst eine erste priesterliche Redaktion ein ursprüngliches Dokument von 48 Levitenstädten unabhängig von Jos 13–19.22, indem die vorliegende Levitenliste mit der auf die Aaroniden bezogenen judäisch-benjaminitischen Liste verbunden wurde. Von dieser Redaktion wurden die Aaroniden noch nicht als Gruppe der Kehatiter gesehen. Außerdem wurde von dieser Redaktion mit dem Mittel der Wiederaufnahme eine Kurzliste (Jos 21,3–8) der Langliste (Jos 21,9–42) vorgeschaltet. Darüber hinaus wurden die ein15
Hierauf verweist deutlich Jos 22,10. Vgl. Anhang IV. 17 Vgl. zu den beiden Quellen Anhang II. 16
Ergebnisse und Folgerungen
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zelnen Städte den levitischen Gruppen der Kehatiter, Gerschoniter und Merariter zugewiesen sowie ostjordanische Orte für die Merariter ergänzt. Diese erste Redaktion geht zum einen von einem Zwölfstämmevolk, zum anderen von den Aaroniden als eigenständige Gruppe neben den drei levitischen Untergruppen aus. Schon aus diesem Grund musste diese Redaktion die beiden Stämme Simeon und Dan wie auch die ostjordanischen Stämme ergänzen. Diese Redaktion kennt wie schon Jos 19,40–46 die südliche Verortung des Stammes Dan und ergänzt zwei weitere danitische Städte. Außerdem weist sie den Ort Sichem, der eigentlich zum Stammesgebiet von Manasse gehört, durch die Angabe „auf dem Gebirge Efraim“ implizit dem Stamm Efraim zu. Eine zweite priesterliche Redaktion schuf schließlich den Grundbestand der Darstellung der Asylstädte in Jos 20. Außerdem wurde in Jos 21 jeweils der Zusatz ergänzt, dass es sich um eine Asylstadt handelt. Auf diese Weise wurde in Jos 20–21 ein Ausführungsbericht zu Num 35,1– 15 geschaffen. Ähnlich wie in Jos 13–19 wurden auch hier der Losentscheid und die Sippenthematik nachgetragen, ohne dass beide Redaktionen miteinander gleichgesetzt werden könnten. Offenbar hat der hier arbeitende Redaktor gespürt, dass diese Dinge im Ausführungsbericht noch fehlten und ergänzt werden müssten. Eine priesterlich-dtr. Redaktion trug anschließend in Jos 20,6 eine Angleichung an Num 35,16–32 ein, sodass Num 35 und Jos 20–21 eine gewisse Einheit neben Jos 13–19.22 bildeten.
2)
3)
Spätestens eine dtr. Redaktion hat schließlich Jos 20–21 mit Jos 13–19.22 vereint und mithilfe der Technik der Wiederaufnahme in das dtr. Josuabuch Jos 1–12.23–24 eingebunden. Außerdem hat die dtr. Redaktion in Jos 20,4 die Verhandlung mit den Ältesten am Stadttor eingetragen und bei der Ergänzung von Jos 20–21 den feierlichen Abschluss in Jos 21,43–45 angeschlossen. Die dtr. Redaktion parallelisierte darüber hinaus noch in Jos 22,20 die Probleme mit dem unerlaubten Altar der Oststämme mit der Sünde des Achan, die im dtr. Josuabuch in Jos 7 erzählt wird.18 Eine derartige Wachstumsgeschichte kann somit den eingeschobenen dtr. Text in Jos 21,43–45, der für die oben beschriebenen abweichenden Strukturentwürfe verantwortlich ist, bestens erklären. Offenbar war dieser dtr. Einschub einer anderen Hand nicht gut genug, die ergänzend mit Jos 21,42a–c (LXX) noch Jos 19,49–50 einspielte. Offenbar sollte auf diese Weise demonstriert werden, dass erst nach der Gabe der Asyl- und Levitenstädte die Landverteilung zu einem guten Ende gekommen sei. Dieser Textzusatz, der nur in der LXX zu finden ist, geht vermutlich auf eine hebräische Vorlage zurück, die aber vom MT nicht übernommen wurde. 18
Zur Verbindung des priesterlichen mit dem dtr. Josuabuch vgl. Anhang V.
256
Ergebnisse und Folgerungen
Danach haben noch vier weitere Redaktionen den Textbereich Jos 20–22 sukzessive fortgeschrieben, die kaum mit den Ergänzungen von Jos 13–19 zusammengebracht werden können:19 1)
Eine spätpriesterliche Redaktion stellte in Jos 21,1–2 die Landkommission unter Vorsitz des Priesters Eleasar in Angleichung an Jos 14 und Jos 19 voran. Außerdem wurde noch die Kalebtradition aus Jos 15,13 zusammen mit den Angaben zu Kirjat-Arba/Hebron aus Jos 20,7 kombiniert und in Jos 21,11–13* eingetragen. Auf diese Redaktion könnte auch die seltene Ergänzung „rings um sie her“ in Jos 21,42 zurückgehen. Es ist darüber hinaus denkbar, dass diese spätpriesterliche Redaktion für die Verschärfung des Vorwurfs des unerlaubten Altarbaus in Jos 22 verantwortlich war: Hierzu gehören alle Stellen, die neben der angeblichen Treulosigkeit und Apostasie der Oststämme noch die Auflehnung gegen Jahwe thematisieren (Jos 22,11.16*.18*.19*.22*.27*–28.29*). Nun tritt das Zentralheiligtum besonders in den Mittelpunkt. Nur dort darf die Jahweverehrung stattfinden und nicht auf einem Konkurrenzaltar. Während in der ursprünglichen Tradition der Fremdgötterkult noch abgewehrt werden musste, ist nun die Kulteinheit im Blick. Der Jahwedienst kann folglich nur noch auf dem einen Altar „vor dem Angesicht Jahwes“ stattfinden (Jos 22,27), der sich vor der Wohnung Jahwes befindet (Jos 22,28). Eine solche Engführung des Kultes auf einen Opferort wird von den Oststämmen anerkannt. Durch den Bau einer Replik des zentralen Altars (Jos 22,28) demonstrieren sie lediglich ihre Zugehörigkeit zu den „Söhnen Israels“. Dieser Symbolaltar wird demnach weder für Opfer an fremde Götter – wie in der ursprünglichen Tradition – noch an Jahwe verwendet. Die Altarreplik der Oststämme ist folglich nur noch ein Zeuge für die späteren Generationen, dass die Oststämme trotzdem zur Kultgemeinde gehören, auch wenn sie keinen Anteil am Verheißungsland besitzen. Eine dtr. Redaktion glich Jos 20 an Dtn 4, Dtn 19 und Dtn 23 an. Aufgrund des in Jos 20,6 bereits vorgegebenen Stichwortes des Wohnens in der Asylstadt wurde nun in Jos 20,5 die Forderung nachgetragen, dass der flüchtige Totschläger nicht ausgeliefert werden dürfe. In diesem dtr. Zusatz wird der Status des Totschlägers mit einem geflohenen Sklaven gleichgesetzt. Außerdem wird darüber hinaus der nicht-vorhandene Hass des Totschlägers als weiteres Kriterium für die Beurteilung der Tat erwähnt. Auf diese Hand gehen vermutlich auch die dtr. Einträge in Jos 20,3 (rôṣeaḥ und bibelî dāʿat) zurück, da diese Ausdrücke nur in Jos 20,5 ebenfalls belegt sind. In Jos 20,8 wurde schließlich die ostjordanische Liste mit Asylstädten durch das zusätzliche Verb nātenû erweitert, das aufgrund von x-qatal auf die in der Vergangenheit liegende Gabe der Asylstädte durch Mose gemäß Dtn 4,41–43 verweist.
2)
19
Vgl. zur Redaktionsgeschichte insgesamt Anhang I.
Ergebnisse und Folgerungen
3)
4)
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Die Rede Josuas an die 2 ½ Oststämme in Jos 22,1–6 (ohne wayyelekû) ist schließlich von einer priesterlich-dtr. Redaktion geschaffen worden. Mit dieser Josuarede wurde das Thema der Hilfe bei der Landeroberung durch die Oststämme aus Jos 1,12–15 aufgegriffen, aber aufgrund des priesterlichen Kontextes leicht verändert, auch wenn die dtr. Idiomatik immer noch stark durchscheint. Durch diese priesterlich-dtr. Lob- und Mahnrede konnte zudem der Anschluss zur konfliktreichen Altarbauerzählung in Jos 22,9–34 hergestellt werden. Durch die Technik der Wiederaufnahme konnte schließlich die Parenthese in Jos 22,7a eingetragen und die erneute Josuarede in Jos 22,8 angeschlossen werden. In dieser Fortschreibung wird noch einmal bewusst darauf hingewiesen, dass Ostmanasse eigentlich im Baschan zu verorten sei. Außerdem wurde die Verpflichtung zur Aufteilung der Beute mit den eigenen Stammesgenossen (ʾaḥîkæm) zusätzlich eingeschärft, die bereits in Num 31,27 gefordert wurde. Auf diese Hand geht vermutlich auch der Anschluss wayyāšubû in Jos 22,9 zurück, der das Verb ŠūB aus Jos 22,8 aufnimmt.
Kleinere Glossen sind schließlich an wenigen Stellen in Jos 20–22 eingetragen worden. Durch diese marginalen Ergänzungen wurde der Argumentationsgang bisweilen etwas verkompliziert. Bei diesen Eintragungen lässt sich allerdings keine bestimmte redaktionelle Hand greifen. Alles in allem lässt sich die Wachstumsgeschichte von Jos 20–22 schlüssig innerhalb des priesterlichen Josuabuches Jos 13–22 nachvollziehen. Zum einen ist die Gabe der Asyl- und Levitenstädte in Jos 20–21 relativ unabhängig vom Kontext entstanden und gewachsen, zum anderen schließt die Altarbauerzählung durch die Oststämme in Jos 22 bereits an die priesterliche Grundschicht in Jos 13–19 an und ist mit dieser gewachsen, wobei die Idiomatik des letzten Teils des Numeribuchs aufgenommen wurde. Aus alledem folgt somit, dass die priesterlichen Teile des Josuabuchs vermutlich ursprünglich mit dem Numeribuch verbunden waren. Erst sekundär sind dann Jos 13–19.22 und Jos 20–21 in das dtr. Josuabuch Jos 1–12.23–24 aufgenommen worden.20 Anschließend kam es noch zu spätpriesterlichen und dtr. Harmonisierungen. Im Rahmen der Aufnahme der priesterlichen Teile in das dtr. Josuabuch könnte somit eine Art Hexateuch entstanden sein, der den Tetrateuch und die DtrL zusammenführte. Dieser Hexateuch war vermutlich noch nicht mit dem dtr. Richterbuch verbunden, wofür auch die Doppelungen der dtr. Erzählungen in Jos 13–19 sprechen.21 Zumindest die Wachstumsgeschichte von Jos 13–22 im Anschluss an Num 26–36 lässt diese Option durchaus plausibel erscheinen. 20 Meist wird bislang nur die dtr. Prägung des Josuabuches wahrgenommen, vgl. HAWK 2005, 567–569. 21 Vgl. hierzu auch GASS 2019b, 214–297.
Fehler! Kein Text mit angegebener Formatvorlage im Dokument.
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Anhang I Übersetzung von Jos 20–22 Quellen: Normal: Ortsliste der Leviten, die sekundär mit den drei levitischen Gruppen verbunden wurde. Normal/unterstrichen: judäisch-benjaminitische Ortsliste, die sekundär mit den Aaroniden verbunden wurde. Priesterliche Redaktionen (unabhängig von Jos 13–19): Fett/gepunktet: erste priesterliche Redaktion, die ein ursprüngliches Dokument von 48 Levitenstädten unabhängig von Jos 13–19 und Jos 20 geschaffen hat. Fett/gestrichelt: zweite priesterliche Redaktion, die für ein ursprüngliches Dokument der Asyl- und Levitenstädte verantwortlich war und den Ausführungsbericht zu Num 35,1–15 lieferte. Fett/kursiv/gepunktet: priesterlich-dtr. Redaktion, die Erweiterungen aus Num 35,16–32 einträgt. Priesterliche Redaktionen: Fett: priesterliche Redaktion, die für ein Landverteilungsdokument in Jos 13– 19 verantwortlich war. Diese Redaktion hat die Landgabe an Ruben und Gad durch Mose als Vorbild vorangestellt und den Erzählfaden durch die Rückkehr der beiden ostjordanischen Stämme abgeschlossen. Fett/kursiv: priesterlich-dtr. Redaktion, die von einem Zwölfstämmevolk ausging und den Halbstamm Manasse ergänzte. Fett/unterstrichen: spätpriesterliche Redaktion, die den Vorwurf des unerlaubten Altarbaus noch weiter ausgebaut hat. Fett/doppelt unterstrichen: spätpriesterliche Redaktion, die die Landkommission unter Vorsitz des Priesters Eleasar in Angleichung an Jos 14 und 19 vorangestellt hat, auf einer Linie mit Jos 13,18; 14,4 liegt und die Kalebtradition eintrug. Fett/kursiv/unterstrichen: priesterlich-dtr. Redaktion, die den Abschnitt Jos 22* an Jos 1,12–18 angeglichen und dabei priesterliche Lexeme aus Jos 21 aufgegriffen hat.
Anhang I – Übersetzung von Josua 20–22
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Dtr. Redaktionen: Kursiv: dtr. Redaktion zur Einbindung in das dtr. Josuabuch. Kursiv/unterstrichen: dtr. Erweiterung, die an Dtn 4 anglich. Normal/gestrichelt: harmonisierende Fortschreibungen. g esp err t: Glosse.
Jos 20 1 Und es redete YHWH zu Josua folgendermaßen: 2„Rede zu den Söhnen Israels folgendermaßen: ‚Gebt euch Aufnahmeorte, von denen ich zu euch geredet habe durch die Hand Mose, 3damit dorthin fliehen möge ein Totschläger, der jemanden erschlagen hat aus Versehen, ohne Erkenntnis! Sie sollen euch als Aufnahme vor dem Löser des Bluts sein. 4 Und er soll in eine von diesen Städten fliehen und er soll am Eingang des Stadttores stehen und er soll vor den Ohren der Ältesten jener Stadt seine Angelegenheit vorbringen. Und sie sollen ihn in die Stadt zu sich aufnehmen und sie sollen ihm einen Ort geben und er soll mit ihnen wohnen. 5Und wenn der Löser des Bluts hinter ihm nachjagt, dann sollen sie den Totschläger nicht in seine Hand ausliefern; denn ohne Erkenntnis hat er seinen Nächsten erschlagen, wobei jener ihn nicht hassend (war) seit gestern (und) vorgestern. 6 Und er soll wohnen in jener Stadt bis zu seinem Stehen vor der Gemeinde zur Urteilsfindung, bis zum Tod des Hohenpriesters, der in jenen Tagen sein wird. Dann mag zurückkehren der Totschläger und gehen in seine Stadt und in sein Haus, in die Stadt, aus der er geflohen ist. 7Und sie heiligten Kedesch in Galiläa auf dem Gebirge Naftali, und Sichem auf dem Gebirge Efraim, und Kirjat-Arba – jenes (ist) Hebron – auf dem Gebirge Juda. 8Und jenseits des Jordan, östlich von Jericho, haben sie gegeben: Bezer in der Wüste, in der Ebene, vo m S ta mm Rub en, und Ramot in Gilead, vo m S ta mm G ad, und Golan in Baschan, vo m S tamm Man as se . 9Diese waren die Städte der Festsetzung für die Gesamtheit der Söhne Israels und für den Fremden, der in ihrer Mitte weilte, damit dorthin jeder fliehen konnte, der jemanden aus Versehen erschlagen hatte, damit er nicht durch die Hand des Lösers des Blutes stirbt, bevor er vor der Gemeinde gestanden hat. Jos 21 1 Und es traten heran die Väterhäupter der Leviten an den Priester Eleasar und an Josua, den Sohn des Nun, und an die Väterhäupter der Stämme bezüglich der Söhne Israel. 2Und sie redeten zu ihnen in Schilo im Land Kanaan folgendermaßen: „YHWH hat befohlen durch die Ver-
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Anhang I – Übersetzung von Josua 20–22
mittlung des Moses, uns Städte zu geben zum Wohnen, und deren Weideplätze für unser Vieh.“ 3Und es gaben die Söhne Israels den Leviten von ihrem Erb teil n a ch dem Spruch Y H W H s diese Städte und deren Weideplätze. 4 Und es kam heraus das Los bezüglich der Sippen des Kehatiters und es bekamen die Söhne Aarons, des Priesters unter den Leviten, vom Stamm Juda und vom Stamm Simeon und vom Stamm Benjamin durch das Los dreizehn Städte 5und die übriggebliebenen Söhne Kehats von den Sippen des Stammes Efraim und vom Stamm Dan und vom halben Stamm Manasse durch das Los zehn Städte. 6Und die Söhne des Gerschon (bekamen) von den Sippen des Stammes Issaschar und vom Stamm Asser und vom Stamm Naftali und vom halben Stamm Manasse im Baschan durch das Los dreizehn Städte, 7die Söhne Meraris nach ihren Sippen vom Stamm Ruben und vom Stamm Gad und vom Stamm Sebulon zwölf Städte. 8Und es gaben die Söhne Israels den Leviten diese Städte und deren Weideplätze, wie YHWH durch die Vermittlung des Moses befohlen hatte, durch das Los. 9 Und sie gaben vom Stamm der Söhn e Juda und vom Stamm d er Söhn e Simeon diese Städte, die man mit Namen nannte. 10Und es geschah den Söhnen Aarons aus den Sippen des Kehatiters, aus den Söhnen Levi, dass für sie das erste Los gewesen war. 11Und sie gaben ihnen die Stadt des Arba, des Vaters des Anok – jene ist Hebron – im Gebirge Juda, und deren Weideplätze rings um sie her. 12Aber das Umland der Stadt und ihre Gehöfte hatten sie Kaleb, dem Sohn Jefunnes, mit N u tzr e ch t fü r ihn gegeben. 13Und bezüglich der Söhne Aarons, des Priesters, hatten sie gegeben: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Hebron und seine Weideplätze, und Libna und seine Weideplätze, 14Jattir und seine Weideplätze, Eschtemoa und seine Weideplätze, 15und Holon und seine Weideplätze, Debir und seine Weideplätze, 16und Aschan und seine Weideplätze, und Jutta und seine Weideplätze, Bet-Schemesch und seine Weideplätze: neun Städte von d ies en b e iden Clan s. 17Und vom Stamm Benjamin: Gibeon und seine Weideplätze, Geba und seine Weideplätze, 18Anatot und seine Weideplätze, und Almon und seine Weideplätze: vier Städte. 19Die Gesamtheit der Städte der Söhne Aarons, der Priester: dreizehn Städte und ihre Weideplätze. 20 Und bezüglich der Sippen der Söhne Kehats, der von den Söhnen Kehats übriggebliebenen Leviten – und es waren die Städte ihres Loses vom Stamm Efraim: 21Und sie gaben ihnen: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Sichem und seine Weideplätze auf dem Gebirge Efraim, und Geser und seine Weideplätze, 22und Kibzajim und seine Weideplätze, und Bet-Horon und seine Weideplätze: vier Städte. 23Und vom Stamm Dan: Elteke und seine Weideplätze, Gibbeton und seine Weideplätze, 24Ajalon und seine Weideplätze, Gat-Rimmon und seine Weideplätze: vier Städte. 25 Und von der Hälfte des Stammes Manasse: Taanach und seine Weide-
Anhang I – Übersetzung von Josua 20–22
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plätze, und Jibleam und seine Weideplätze: zwei Städte. 26Die Gesamtheit der Städte: zehn und ihre Weideplätze für die Sippen der übriggebliebenen Söhne Kehats. 27 Und bezüglich der Söhne Gerschons von den Sippen der Leviten – vom halben Stamm Manasse: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Golan im Baschan und seine Weideplätze sowie Beeschtera und seine Weideplätze: zwei Städte. 28Und vom Stamm Issachar: Kischjon und seine Weideplätze, Daberat und seine Weideplätze, 29Jarmut und seine Weideplätze, En-Gannim und seine Weideplätze: vier Städte. 30Und vom Stamm Ascher: Mischal und seine Weideplätze, Abdon und seine Weideplätze, 31Helkat und seine Weideplätze und Rehob und seine Weideplätze: vier Städte. 32Und vom Stamm Naftali die Zufluchtsstadt des Totschlägers Kedesch in Galiläa und seine Weideplätze und Hammot-Dor und seine Weideplätze und Kartan und seine Weideplätze: drei Städte. 33Die Gesamtheit der Städte des Gerschoniters nach ihren Sippen: dreizehn Städte und ihre Weideplätze. 34 Und bezüglich der Sippen der Söhne Meraris, der übriggebliebenen Leviten – vom Stamm Sebulon: Jokneam und seine Weideplätze, Karta und seine Weideplätze, 35Dimna und seine Weideplätze, Nahalal und seine Weideplätze: vier Städte. 36Und vom Stamm Ruben: Bezer und seine Weideplätze und Jahza und seine Weideplätze, 37Kedemot und seine Weideplätze, und Mefaat und seine Weideplätze: vier Städte. 38Und vom Stamm Gad: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Ramot in Gilead und seine Weideplätze und Mahanajim und seine Weideplätze, 39 Heschbon und seine Weideplätze, Jaser und seine Weideplätze; die Gesamtheit der Städte: vier. 40Die Gesamtheit der Städte (gehörten) den Söhnen Meraris nach ihren Sippen, den Übriggebliebenen von den Sippen der Leviten, und es war ihr Los zwölf Städte. 41 Die Gesamtheit der Städte der Leviten inmitten des Nutzlandes der Söhne Israel: 48 Städte und ihre Weideplätze. 42Und es sollen diese Städte existieren: Stadt für Stadt und ihre Weideplätze rings um sie her. So (sei es) bezüglich der Gesamtheit dieser Städte. 43 Und es gab YHWH Israel die Gesamtheit des Landes, das er ihren Vätern zu geben geschworen hatte. Und sie nahmen es in Besitz und wohnten darin. 44 Und es verschaffte YHWH ihnen Ruhe ringsumher, ganz wie er ihren Vätern geschworen hatte. Und nicht hielt stand ein Mann vor ihrem Angesicht von der Gesamtheit ihrer Feinde. Die Gesamtheit ihrer Feinde hatte YHWH in ihre Hand gegeben. 45Nicht war gefallen ein Wort dahin von der Gesamtheit der guten Worte, die geredet hatte YHWH zum Haus Israel. Die Gesamtheit traf ein.
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Anhang I – Übersetzung von Josua 20–22
Jos 22 1 Damals rief Josua die Rubeniter und die Gaditer und die Hälfte des Stammes Manasse. 2Und er sagte zu ihnen: „Ihr habt die Gesamtheit befolgt, die euch Mose, der Knecht YHWHs, geboten hat, und habt auf meine Stimme gehört bezüglich der Gesamtheit, die ich euch befohlen habe. 3 Nicht habt ihr verlassen eure Brüder – dies (waren) vielen Tage – bis zu diesem Tag und habt befolgt die Befolgung des Befehls Yhwhs, eures Gottes. 4Und nun hat Yhwh, euer Gott, euren Brüdern Ruhe verschafft, wie er zu ihnen geredet hatte. Und nun kehrt um und geht in Bezug auf euch zu euren Zelten in das Land eures Nutzgebietes, das euch Mose, der Knecht YHWHs, jenseits des Jordan gegeben hat! 5Nur befolgt sehr, den Befehl und die Weisung zu tun, das euch Mose, der Knecht Yhwhs, befohlen hat, zu lieben YHWH, euren Gott, und zu gehen auf der Gesamtheit seiner Wege und zu befolgen seine Befehle und ihm anzuhängen und ihm zu dienen mit der Gesamtheit eures Herzen und mit der Gesamtheit eures Lebens!“ 6Und es segnete sie Josua und er entließ sie und sie g ingen zu ihren Zelten. 7 Der (einen) Hälfte des Stammes Manasse hatte Mose in Baschan gegeben und seiner (anderen) Hälfte hatte Josua bei ihren Brüdern jenseits des Jordan, nach Westen gegeben. Und als Josua sie zu ihren Zelten entließ, segnete er sie. 8 Und er sagte zu ihnen folgendermaßen: „Mit großem Reichtum kehrt zu euren Zelten zurück und mit sehr viel Vieh, mit Silber und mit Gold und mit Bronze und mit Eisen und mit Kleidern sehr viel! Teilt die Beute eurer Feinde mit euren Brüdern!“ 9 Und es kehrten zurück und es gingen die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse weg von den Söhnen Israel, weg von Schilo, das im Land Kanaan (liegt), um zu gehen ins Land Gilead, ins Land ihres Nutzgebietes, in dem sie sich angesiedelt haben auf Befehl YHWHs durch die Hand Mose. 10 Und sie kamen zu den Steinkreisen des Jordan, die im Land Kanaan (sind), und es bauten die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse dort einen Altar oberhalb des Jordans, einen Altar groß bezüglich des Aussehens. 11 Und es hörten die Söhne Israels folgendermaßen: „Siehe es haben gebaut die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse den Altar in Richtung auf das Land Kanaan, hin zu den Steinkreisen des Jordan, zur gegenüberliegenden Seite der Söhne Israel.“ 12 Und es hörten die Söhne Israel und sie versammelten sich, (nämlich) die Gesamtheit der Gemeinde der Söhne Israel, in Schilo, um hinaufzuziehen gegen sie zum Kampf. 13 Und es sandten die Söhne Israel zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zur Hälfte des Stammes Manasse zum Land Gilead Pinhas, den Sohn des Priesters Eleasar.
Anhang I – Übersetzung von Josua 20–22 14
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Und zehn Fürsten (waren) mit ihm, je ein Fürst für ein Vaterhaus bezüglich der Gesamtheit der Stämme Israels und ein jeder (war) ein Anführer ihrer Väterhäuser. Sie (gehörten) zu den Tausendschaften Israels. 15 Und sie kamen zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zur Hälfte des Stammes Manasse ins Land Gilead und sie sprachen zu Ihnen folgendermaßen: 16 So hat die Gesamtheit der Gemeinde YHWHs gesagt: Was (soll) diese Treulosigkeit, die ihr begangen habt am Gott Israels, um euch abzuwenden heute von YHWH, indem ihr gebaut habt für euch einen Altar, um euch aufzulehnen heute gegen YHWH? 17 Ist zu wenig für uns die Sünde von Pegor, von der wir uns nicht gereinigt haben bis zu diesem Tag, worauf die Plage über die Gemeinde YHWHs geschah? 18 Und Ihr wendet euch ab heute von YHWH und es wird geschehen: Ihr werdet euch heute gegen YHWH auflehnen und morgen wird er über die Gesamtheit der Gemeinde Israels zürnen. 19 Und gewiss, wenn unrein das Land eures Nutzgebietes (ist), kommt für euch herüber ins Land des Nutzgebietes YHWHs, wo die Wohnung YHWHs steht, und siedelt euch an in unserer Mitte und gegen YHWH nicht dürft ihr euch auflehnen und gegen uns dürft ihr euch nicht auflehnen, indem ihr für euch baut einen Altar abgesehen vom Altar YHWHs unseres Gottes. 20 Hat nicht Achan, der Sohn Serachs, Treulosigkeit geübt gegenüber dem Bann, sodass über die Gesamtheit der Gemeinde Israels der Zorn war, obwohl jener ein einzelner Mann (war)? Ist er nicht umgekommen wegen seiner Sünde? 21 Und es antworteten die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse und sie spr ach en zu den Anführ ern der Taus end sch af t en I sr ae l s : 22 Der Gott der Götter (ist) YHWH, der Gott der Götter (ist) YHWH. Er (ist) erkennend und Israel, jenes wird erkennen. Wenn in Auflehnung und wenn in Treulosigkeit gegen YHWH, (dann) sollst du uns nicht retten an diesem Tag, 23 dafür dass wir uns einen Altar gebaut haben, um uns von YHWH abzuwenden! Und wenn wir hinaufsteigen ließen auf ihm Brandopfer und Sp eiseopf er und wenn wir auf ihm darbringen Schlachtopfer des H e i ls, YHWH, er würde es vergelten. 24 Vielmehr aus Besorgnis haben wir dies getan, folgendermaßen: Morgen werden eure Söhne zu unseren Söhnen sagen, folgendermaßen: Was (ist) euch und YHWH, dem Gott Israels? 25 Und eine Grenze hat YHWH gegeben zwischen uns und zwischen euch, Söhne Ruben und Söhne Gad: den Jordan. Nicht habt ihr einen Anteil an
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Anhang I – Übersetzung von Josua 20–22
YHWH! Und es könnten eure Söhne unsere Söhne abbringen, YHWH zu fürchten. 26 Und wir sagten: Lasst für uns doch machen, um einen Altar zu bauen, nicht für Brandopfer und nicht für Schlachtopfer. 27 Sondern ein Zeuge (ist) jener zwischen uns und zwischen euch und zwischen unseren Geschlechtern nach uns, um zu verrichten den Dienst YHWHs vor ihm mit unseren Brandopfern und mit unseren Schlachtopfern und mit unseren Heilsopfern. Und nicht werden sagen eure Söhne morgen zu unseren Söhnen: Nicht habt ihr einen Anteil an YHWH. 28 Und wir sagten: Und es wird sein, dass sie sagen werden zu uns und zu unseren Geschlechtern morgen. Und wir werden antworten: Seht die Nachbildung des Altars für YHWH, die gemacht haben unsere Väter, nicht für Brandopfer, und nicht für Schlachtopfer, sondern ein Zeuge (ist) jener zwischen uns und zwischen euch. 29 Es sei fern von uns, uns aufzulehnen gegen YHWH und uns heute abzuwenden von YHWH, indem wir einen Altar für Brandopfer, für Speiseopf er, und für Schlachtopfer bauen, abgesehen von dem Altar YHWHs unseres Gottes, der vor seiner Wohnung (steht). 30 Und es hörten der Priester Pinhas und die Fürsten der Gemeinde und d ie Anführ er der T au send sch af ten I sra e l, die mit ihm (waren), die Worte, die sprachen die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Söhne Manasse und es war gut in ihren Augen. 31 Und es sagte Pinhas, der Sohn des Priesters Eleasar, zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zu den Söhnen Manasse: Heute haben wir erkannt, dass in unserer Mitte YHWH (ist). Indem ihr nicht verübt habt gegen YHWH diese Treulosigkeit, habt ihr damit gerettet die Söhne Israel aus der Hand YHWHs. 32 Da kehrten zurück Pinhas, der Sohn des Priesters Eleasar, und die Fürsten weg von den Söhnen Ruben und weg von den Söhnen Gad aus dem Land Gilead ins Land Kanaan zu den Söhnen Israel und erstatteten ihnen Bericht. 33 Und es war gut die Sache in den Augen der Söhne Israel und die Söhne Israel segneten Gott und sagten nicht, hinaufzuziehen zu ihnen zum Krieg, um das Land zu vernichten, in dem die Söhne Ruben und die Söhne Gad wohnend (waren). 34 Und es benannten die Söhne Ruben und die Söhne Gad den Altar, dass jener ein Zeuge (sei) zw isc hen uns, dass YHWH der Gott ist.
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Anhang II: Quellen in Jos 21 Quelle I: Judäisch-Benjaminitische Ortsliste 13
Hebron und seine Weideplätze, und Libna und seine Weideplätze, 14Jattir und seine Weideplätze, Eschtemoa und seine Weideplätze, 15und Holon und seine Weideplätze, Debir und seine Weideplätze, 16und Aschan und seine Weideplätze, und Jutta und seine Weideplätze, Bet-Schemesch und seine Weideplätze […] 17[…] Geba und seine Weideplätze, 18Anatot und seine Weideplätze, und Almon und seine Weideplätze.
Quelle II: Ortsliste der drei levitischen Gruppen 3
Und es gaben die Söhne Israels den Leviten […] diese Städte und deren Weideplätze. […] 20 […] vom Stamm Efraim: 21 […] Sichem und seine Weideplätze […], und Geser und seine Weideplätze, 22und Kibzajim und seine Weideplätze, und Bet-Horon und seine Weideplätze. […] 24Ajalon und seine Weideplätze, GatRimmon und seine Weideplätze. […] 28 Und vom Stamm Issachar: Kischjon und seine Weideplätze, Daberat und seine Weideplätze, 29Jarmut und seine Weideplätze, En-Gannim und seine Weideplätze. […] 30Und vom Stamm Ascher: Mischal und seine Weideplätze, Abdon und seine Weideplätze, 31Helkat und seine Weideplätze und Rehob und seine Weideplätze. […] 32Und vom Stamm Naftali […] Kedesch in Galiläa und seine Weideplätze und Hammot-Dor und seine Weideplätze und Kartan und seine Weideplätze.
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Anhang III: Priesterliches Josuabuch (Jos 13–19.22) Priesterliche Redaktionen Normal: priesterliche Redaktion, die für ein Landverteilungsdokument in Jos 13–19 verantwortlich war. Diese Redaktion hat die Landgabe an Ruben und Gad durch Mose als Vorbild vorangestellt und den Erzählfaden durch die Rückkehr der beiden ostjordanischen Stämme abgeschlossen. kursiv: priesterlich-dtr. Redaktion, die von einem Zwölfstämmevolk ausging und den Halbstamm Manasse ergänzte. Jos 13-19* Jos 22 […] 9 und es gingen die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse weg von den Söhnen Israel, weg von Schilo, das im Land Kanaan (liegt), um zu gehen ins Land Gilead, ins Land ihres Nutzgebietes, in dem sie sich angesiedelt haben auf Befehl YHWHs durch die Hand Mose. 10 Und sie kamen zu den Steinkreisen des Jordan, die im Land Kanaan (sind), und es bauten die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse dort einen Altar oberhalb des Jordans, einen Altar groß bezüglich des Aussehens. […] 12Und es hörten die Söhne Israel und sie versammelten sich, (nämlich) die Gesamtheit der Gemeinde der Söhne Israel, in Schilo, um hinaufzuziehen gegen sie zum Kampf. 13Und es sandten die Söhne Israel zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zur Hälfte des Stammes Manasse zum Land Gilead Pinhas, den Sohn des Priesters Eleasar. 14Und zehn Fürsten (waren) mit ihm, je ein Fürst für ein Vaterhaus bezüglich der Gesamtheit der Stämme Israels und ein jeder (war) ein Anführer ihrer Väterhäuser. Sie (gehörten) zu den Tausendschaften Israels. 15Und sie kamen zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zur Hälfte des Stammes Manasse ins Land Gilead und sie sprachen zu Ihnen folgendermaßen: 16So hat die Gesamtheit der Gemeinde YHWHs gesagt: Was (soll) diese Treulosigkeit, die ihr begangen habt am Gott Israels, um euch abzuwenden heute von YHWH, indem ihr gebaut habt für euch einen Altar […]? 17Ist zu wenig für uns die Sünde von Pegor, von der wir uns nicht gereinigt haben bis zu diesem Tag, worauf die Plage über die Gemeinde YHWHs geschah? 18Und Ihr wendet euch ab heute von YHWH […] und morgen wird er über die Gesamtheit der Gemeinde Israels zürnen. 19Und gewiss, wenn unrein das Land eures Nutzgebietes (ist), kommt für euch herüber ins Land des Nutzgebietes YHWHs, wo die Wohnung YHWHs steht, und siedelt euch an in unserer Mitte […]. 21Und
Anhang III – Priesterliches Josuabuch (Jos 13–19.22)
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es antworteten die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse […]: 22Der Gott der Götter (ist) YHWH, der Gott der Götter (ist) YHWH. Er (ist) erkennend und Israel, jenes wird erkennen. Wenn […] in Treulosigkeit gegen YHWH, (dann) sollst du uns nicht retten an diesem Tag, 23 dafür dass wir uns einen Altar gebaut haben, um uns von YHWH abzuwenden! Und wenn wir hinaufsteigen ließen auf ihm Brandopfer […] und wenn wir auf ihm darbringen Schlachtopfer […], YHWH, er würde es vergelten. 24 Vielmehr aus Besorgnis haben wir dies getan, folgendermaßen: Morgen werden eure Söhne zu unseren Söhnen sagen, folgendermaßen: Was (ist) euch und YHWH, dem Gott Israels? 25Und eine Grenze hat YHWH gegeben zwischen uns und zwischen euch, Söhne Ruben und Söhne Gad: den Jordan. Nicht habt ihr einen Anteil an YHWH! Und es könnten eure Söhne unsere Söhne abbringen, YHWH zu fürchten. 26Und wir sagten: Lasst für uns doch machen, um einen Altar zu bauen, nicht für Brandopfer und nicht für Schlachtopfer. 27Sondern ein Zeuge (ist) jener zwischen uns und zwischen euch […]. 29Es sei fern von uns, […] uns heute abzuwenden von YHWH, indem wir einen Altar für Brandopfer […], und für Schlachtopfer bauen […]. 30 Und es hörten der Priester Pinhas und die Fürsten der Gemeinde […], die mit ihm (waren), die Worte, die sprachen die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Söhne Manasse und es war gut in ihren Augen. 31Und es sagte Pinhas, der Sohn des Priesters Eleasar, zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zu den Söhnen Manasse: Heute haben wir erkannt, dass in unserer Mitte YHWH (ist). Indem ihr nicht verübt habt gegen YHWH diese Treulosigkeit, habt ihr damit gerettet die Söhne Israel aus der Hand YHWHs. 32 Da kehrten zurück Pinhas, der Sohn des Priesters Eleasar, und die Fürsten weg von den Söhnen Ruben und weg von den Söhnen Gad aus dem Land Gilead ins Land Kanaan zu den Söhnen Israel und erstatteten ihnen Bericht. 33 Und es war gut die Sache in den Augen der Söhne Israel und die Söhne Israel segneten Gott und sagten nicht, hinaufzuziehen zu ihnen zum Krieg, um das Land zu vernichten, in dem die Söhne Ruben und die Söhne Gad wohnend (waren). 34Und es benannten die Söhne Ruben und die Söhne Gad den Altar, dass jener ein Zeuge (sei) […], dass YHWH der Gott ist.
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Anhang IV Asyl- und Levitenstädte (Num 35 + Jos 20–21)
Quellen: Normal: Ortsliste der Leviten, die sekundär mit den drei levitischen Gruppen verbunden wurde. Normal/unterstrichen: judäisch-benjaminitische Ortsliste, die sekundär mit den Aaroniden verbunden wurde. Priesterliche Redaktionen (unabhängig von Jos 13–19): Fett/gepunktet: erste priesterliche Redaktion, die ein ursprüngliches Dokument von 48 Levitenstädten unabhängig von Jos 13–19 und Jos 20 geschaffen hatte. Fett/gestrichelt: zweite priesterliche Redaktion, die für ein ursprüngliches Dokument der Asyl- und Levitenstädte verantwortlich war und den Ausführungsbericht zu Num 35,1–15 lieferte. Fett/kursiv/gepunktet: priesterlich-dtr. Redaktion, die Erweiterungen aus Num 35,16–32 eintrug. g esp err t: Glosse. Num 35* Jos 20 1 Und es redete YHWH zu Josua folgendermaßen: 2„Rede zu den Söhnen Israels folgendermaßen: ‚Gebt euch Aufnahmeorte, von denen ich zu euch geredet habe durch die Hand Mose, 3damit dorthin fliehen möge […] der jemanden erschlagen hat aus Versehen! […] Sie sollen euch als Aufnahme vor dem Löser des Bluts sein. […] 6Und er soll wohnen in jener Stadt bis zu seinem Stehen vor der Gemeinde zur Urteilsfindung, bis zum Tod des Hohenpriesters, der in jenen Tagen sein wird. Dann mag zurückkehren der Totschläger und gehen in seine Stadt und in sein Haus, in die Stadt, aus der er geflohen ist. 7Und sie heiligten Kedesch in Galiläa auf dem Gebirge Naftali, und Sichem auf dem Gebirge Efraim, und KirjatArba – jenes (ist) Hebron – auf dem Gebirge Juda. 8Und jenseits des Jordan, ö s tlich von Jer icho, […] Bezer in der Wüste, in der Ebene, vo m Stamm Ruben , und Ramot in Gilead, vo m Stamm G a d, und Golan in Baschan, vo m Sta mm Ma nas s e. 9Diese waren die Städte der Festsetzung für die Gesamtheit der Söhne Israels und für den Fremden,
Anhang IV – Asyl- und Levitenstädte (Num 35 + Jos 20–21)
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der in ihrer Mitte weilte, damit dorthin jeder fliehen konnte, der jemanden aus Versehen erschlagen hatte, damit er nicht durch die Hand des Lösers des Blutes stirbt, bevor er vor der Gemeinde gestanden hat. Jos 21 […] 3Und es gaben die Söhne Israels den Leviten von ihr e m Erb teil n ach d e m Spru ch Y H W H s diese Städte und deren Weideplätze. 4Und es kam heraus das Los bezüglich der Sippen des Kehatiters und es bekamen die Söhne Aarons, des Priesters unter den Leviten, vom Stamm Juda und vom Stamm Simeon und vom Stamm Benjamin durch das Los dreizehn Städte 5und die übriggebliebenen Söhne Kehats von den Sippen des Stammes Efraim und vom Stamm Dan und vom halben Stamm Manasse durch das Los zehn Städte. 6Und die Söhne des Gerschon (bekamen) von den Sippen des Stammes Issaschar und vom Stamm Asser und vom Stamm Naftali und vom halben Stamm Manasse im Baschan durch das Los dreizehn Städte, 7die Söhne Meraris nach ihren Sippen vom Stamm Ruben und vom Stamm Gad und vom Stamm Sebulon zwölf Städte. 8Und es gaben die Söhne Israels den Leviten diese Städte und deren Weideplätze, wie YHWH durch die Vermittlung des Moses befohlen hatte, durch das Los. 9 Und sie gaben vom Stamm der Söhne Juda und vom Stamm d er Söh n e Simeon diese Städte, die man mit Namen nannte. 10Und es geschah den Söhnen Aarons aus den Sippen des Kehatiters, aus den Söhnen Levi, dass für sie das erste Los gewesen war. 11Und sie gaben 13[…] bezüglich der Söhne Aarons, des Priesters, […] die Zufluchtsstadt des Totschlägers Hebron und seine Weideplätze, und Libna und seine Weideplätze, 14Jattir und seine Weideplätze, Eschtemoa und seine Weideplätze, 15und Holon und seine Weideplätze, Debir und seine Weideplätze, 16und Aschan und seine Weideplätze, und Jutta und seine Weideplätze, Bet-Schemesch und seine Weideplätze: neun Städte von d iesen b e iden Clans. 17Und vom Stamm Benjamin: Gibeon und seine Weideplätze, Geba und seine Weideplätze, 18 Anatot und seine Weideplätze, und Almon und seine Weideplätze: vier Städte. 19Die Gesamtheit der Städte der Söhne Aarons, der Priester: dreizehn Städte und ihre Weideplätze. 20 Und bezüglich der Sippen der Söhne Kehats, der von den Söhnen Kehats übriggebliebenen Leviten – und es waren die Städte ihres Loses vom Stamm Efraim: 21Und sie gaben ihnen: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Sichem und seine Weideplätze auf dem Gebirge Efraim, und Geser und seine Weideplätze, 22und Kibzajim und seine Weideplätze, und Bet-Horon und seine Weideplätze: vier Städte. 23Und vom Stamm Dan: Elteke und seine Weideplätze, Gibbeton und seine Weideplätze, 24Ajalon und seine Weideplätze, Gat-Rimmon und seine Weideplätze: vier Städte. 25 Und von der Hälfte des Stammes Manasse: Taanach und seine Weide-
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Anhang IV – Asyl- und Levitenstädte (Num 35 + Jos 20–21)
plätze, und Jibleam und seine Weideplätze: zwei Städte. 26Die Gesamtheit der Städte: zehn und ihre Weideplätze für die Sippen der übriggebliebenen Söhne Kehats. 27 Und bezüglich der Söhne Gerschons von den Sippen der Leviten – vom halben Stamm Manasse: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Golan im Baschan und seine Weideplätze sowie Beeschtera und seine Weideplätze: zwei Städte. 28Und vom Stamm Issachar: Kischjon und seine Weideplätze, Daberat und seine Weideplätze, 29Jarmut und seine Weideplätze, En-Gannim und seine Weideplätze: vier Städte. 30Und vom Stamm Ascher: Mischal und seine Weideplätze, Abdon und seine Weideplätze, 31Helkat und seine Weideplätze und Rehob und seine Weideplätze: vier Städte. 32Und vom Stamm Naftali die Zufluchtsstadt des Totschlägers Kedesch in Galiläa und seine Weideplätze und Hammot-Dor und seine Weideplätze und Kartan und seine Weideplätze: drei Städte. 33Die Gesamtheit der Städte des Gerschoniters nach ihren Sippen: dreizehn Städte und ihre Weideplätze. 34 Und bezüglich der Sippen der Söhne Meraris, der übriggebliebenen Leviten – vom Stamm Sebulon: Jokneam und seine Weideplätze, Karta und seine Weideplätze, 35Dimna und seine Weideplätze, Nahalal und seine Weideplätze: vier Städte. 36Und vom Stamm Ruben: Bezer und seine Weideplätze und Jahza und seine Weideplätze, 37Kedemot und seine Weideplätze, und Mefaat und seine Weideplätze: vier Städte. 38Und vom Stamm Gad: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Ramot in Gilead und seine Weideplätze und Mahanajim und seine Weideplätze, 39 Heschbon und seine Weideplätze, Jaser und seine Weideplätze; die Gesamtheit der Städte: vier. 40Die Gesamtheit der Städte (gehörten) den Söhnen Meraris nach ihren Sippen, den Übriggebliebenen von den Sippen der Leviten, und es war ihr Los zwölf Städte. 41 Die Gesamtheit der Städte der Leviten inmitten des Nutzlandes der Söhne Israel: 48 Städte und ihre Weideplätze. 42Und es sollen diese Städte existieren: Stadt für Stadt und ihre Weideplätze […]. So (sei es) bezüglich der Gesamtheit dieser Städte.
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Anhang V Verbindung priesterliches/dtr. Josuabuch Kursiv: dtr. Redaktion zur Einbindung in das dtr. Josuabuch. g esp err t: Glosse. Jos 13-19* Jos 20 1 Und es redete YHWH zu Josua folgendermaßen: 2„Rede zu den Söhnen Israels folgendermaßen: ‚Gebt euch Aufnahmeorte, von denen ich zu euch geredet habe durch die Hand Mose. 3damit dorthin fliehen möge […] der jemanden erschlagen hat aus Versehen […]! Sie sollen euch als Aufnahme vor dem Löser des Bluts sein. 4 Und er soll in eine von diesen Städten fliehen und er soll am Eingang des Stadttores stehen und er soll vor den Ohren der Ältesten jener Stadt seine Angelegenheit vorbringen. Und sie sollen ihn in die Stadt zu sich aufnehmen und sie sollen ihm einen Ort geben […]. 6Und er soll wohnen in jener Stadt bis zu seinem Stehen vor der Gemeinde zur Urteilsfindung, bis zum Tod des Hohenpriesters, der in jenen Tagen sein wird. Dann mag zurückkehren der Totschläger und gehen in seine Stadt und in sein Haus, in die Stadt, aus der er geflohen ist. 7Und sie heiligten Kedesch in Galiläa auf dem Gebirge Naftali, und Sichem auf dem Gebirge Efraim, und Kirjat-Arba – jenes (ist) Hebron – auf dem Gebirge Juda. 8Und jenseits des Jordan, ö s tlich von Jer icho, […] Bezer in der Wüste, in der Ebene, vo m S ta mm Ru b en, und Ramot in Gilead, vo m Stamm G ad, und Golan in Baschan, vom Stamm M a nass e. 9Diese waren die Städte der Festsetzung für die Gesamtheit der Söhne Israels und für den Fremden, der in ihrer Mitte weilte, damit dorthin jeder fliehen konnte, der jemanden aus Versehen erschlagen hatte, damit er nicht durch die Hand des Lösers des Blutes stirbt, bevor er vor der Gemeinde gestanden hat. Jos 21 […] 3Und es gaben die Söhne Israels den Leviten von ihr e m Erb teil n ach d e m Spruch Y H W H s diese Städte und deren Weideplätze. 4 Und es kam heraus das Los bezüglich der Sippen des Kehatiters und es bekamen die Söhne Aarons, des Priesters unter den Leviten, vom Stamm Juda und vom Stamm Simeon und vom Stamm Benjamin durch das Los dreizehn
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Anhang V – Verbindung priesterliches/dtr. Josuabuch
Städte 5und die übriggebliebenen Söhne Kehats von den Sippen des Stammes Efraim und vom Stamm Dan und vom halben Stamm Manasse durch das Los zehn Städte. 6Und die Söhne des Gerschon (bekamen) von den Sippen des Stammes Issaschar und vom Stamm Asser und vom Stamm Naftali und vom halben Stamm Manasse im Baschan durch das Los dreizehn Städte, 7die Söhne Meraris nach ihren Sippen vom Stamm Ruben und vom Stamm Gad und vom Stamm Sebulon zwölf Städte. 8Und es gaben die Söhne Israels den Leviten diese Städte und deren Weideplätze, wie YHWH durch die Vermittlung des Moses befohlen hatte, durch das Los. 9 Und sie gaben vom Stamm d er Söhn e Juda und vom Stamm der Söhn e Simeon diese Städte, die man mit Namen nannte. 10Und es geschah den Söhnen Aarons aus den Sippen des Kehatiters, aus den Söhnen Levi, dass für sie das erste Los gewesen war. 11Und sie gaben ihnen die Stadt des Arba, des Vaters des Anok – jene ist Hebron – im Gebirge Juda, und deren Weideplätze rings um sie her. 12Aber das Umland der Stadt und ihre Gehöfte hatten sie Kaleb, dem Sohn Jefunnes, mit N u tzr e ch t fü r ihn gegeben. 13Und bezüglich der Söhne Aarons, des Priesters, hatten sie gegeben: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Hebron und seine Weideplätze, und Libna und seine Weideplätze, 14Jattir und seine Weideplätze, Eschtemoa und seine Weideplätze, 15 und Holon und seine Weideplätze, Debir und seine Weideplätze, 16und Aschan und seine Weideplätze, und Jutta und seine Weideplätze, BetSchemesch und seine Weideplätze: neun Städte von d iesen b e iden Clan s. 17Und vom Stamm Benjamin: Gibeon und seine Weideplätze, Geba und seine Weideplätze, 18Anatot und seine Weideplätze, und Almon und seine Weideplätze: vier Städte. 19Die Gesamtheit der Städte der Söhne Aarons, der Priester: dreizehn Städte und ihre Weideplätze. 20 Und bezüglich der Sippen der Söhne Kehats, der von den Söhnen Kehats übriggebliebenen Leviten – und es waren die Städte ihres Loses vom Stamm Efraim: 21Und sie gaben ihnen: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Sichem und seine Weideplätze auf dem Gebirge Efraim, und Geser und seine Weideplätze, 22und Kibzajim und seine Weideplätze, und Bet-Horon und seine Weideplätze: vier Städte. 23Und vom Stamm Dan: Elteke und seine Weideplätze, Gibbeton und seine Weideplätze, 24Ajalon und seine Weideplätze, Gat-Rimmon und seine Weideplätze: vier Städte. 25Und von der Hälfte des Stammes Manasse: Taanach und seine Weideplätze, und Jibleam und seine Weideplätze: zwei Städte. 26Die Gesamtheit der Städte: zehn und ihre Weideplätze für die Sippen der übriggebliebenen Söhne Kehats. 27 Und bezüglich der Söhne Gerschons von den Sippen der Leviten – vom halben Stamm Manasse: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Golan im Baschan und seine Weideplätze sowie Beeschtera und seine Weideplätze: zwei Städte. 28Und vom Stamm Issachar: Kischjon und seine Weideplätze, Daberat und seine Weideplätze, 29Jarmut und seine Weideplätze, En-Gannim und seine Weideplätze: vier Städte. 30Und vom Stamm Ascher: Mischal und
Anhang V – Verbindung priesterliches/dtr. Josuabuch
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seine Weideplätze, Abdon und seine Weideplätze, 31Helkat und seine Weideplätze und Rehob und seine Weideplätze: vier Städte. 32Und vom Stamm Naftali die Zufluchtsstadt des Totschlägers Kedesch in Galiläa und seine Weideplätze und Hammot-Dor und seine Weideplätze und Kartan und seine Weideplätze: drei Städte. 33Die Gesamtheit der Städte des Gerschoniters nach ihren Sippen: dreizehn Städte und ihre Weideplätze. 34 Und bezüglich der Sippen der Söhne Meraris, der übriggebliebenen Leviten – vom Stamm Sebulon: Jokneam und seine Weideplätze, Karta und seine Weideplätze, 35Dimna und seine Weideplätze, Nahalal und seine Weideplätze: vier Städte. 36Und vom Stamm Ruben: Bezer und seine Weideplätze und Jahza und seine Weideplätze, 37Kedemot und seine Weideplätze, und Mefaat und seine Weideplätze: vier Städte. 38Und vom Stamm Gad: die Zufluchtsstadt des Totschlägers Ramot in Gilead und seine Weideplätze und Mahanajim und seine Weideplätze, 39Heschbon und seine Weideplätze, Jaser und seine Weideplätze; die Gesamtheit der Städte: vier. 40Die Gesamtheit der Städte (gehörten) den Söhnen Meraris nach ihren Sippen, den Übriggebliebenen von den Sippen der Leviten, und es war ihr Los zwölf Städte. 41 Die Gesamtheit der Städte der Leviten inmitten des Nutzlandes der Söhne Israel: 48 Städte und ihre Weideplätze. 42Und es sollen diese Städte existieren: Stadt für Stadt und ihre Weideplätze […]. So (sei es) bezüglich der Gesamtheit dieser Städte. 43 Und es gab Yhwh Israel die Gesamtheit des Landes, das er ihren Vätern zu geben geschworen hatte. Und sie nahmen es in Besitz und wohnten darin. 44 Und es verschaffte YHWH ihnen Ruhe ringsumher, ganz wie er ihren Vätern geschworen hatte. Und nicht hielt stand ein Mann vor ihrem Angesicht von der Gesamtheit ihrer Feinde. Die Gesamtheit ihrer Feinde hatte YHWH in ihre Hand gegeben. 45Nicht war gefallen ein Wort dahin von der Gesamtheit der guten Worte, die geredet hatte YHWH zum Haus Israel. Die Gesamtheit traf ein. Jos 22 […] 9[…] und es gingen die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse weg von den Söhnen Israel, weg von Schilo, das im Land Kanaan (liegt), um zu gehen ins Land Gilead, ins Land ihres Nutzgebietes, in dem sie sich angesiedelt haben auf Befehl YHWHs durch die Hand Mose. 10Und sie kamen zu den Steinkreisen des Jordan, die im Land Kanaan (sind), und es bauten die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse dort einen Altar oberhalb des Jordans, einen Altar groß bezüglich des Aussehens. […] 12Und es hörten die Söhne Israel und sie versammelten sich, (nämlich) die Gesamtheit der Gemeinde der Söhne Israel, in Schilo, um hinaufzuziehen gegen sie zum Kampf. 13Und es sandten die Söhne Israel zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zur Hälfte des Stammes Manasse zum Land Gilead Pinhas, den Sohn des Priesters Eleasar.
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Und zehn Fürsten (waren) mit ihm, je ein Fürst für ein Vaterhaus bezüglich der Gesamtheit der Stämme Israels und ein jeder (war) ein Anführer ihrer Väterhäuser. Sie (gehörten) zu den Tausendschaften Israels. 15Und sie kamen zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zur Hälfte des Stammes Manasse ins Land Gilead und sie sprachen zu Ihnen folgendermaßen: 16So hat die Gesamtheit der Gemeinde YHWHs gesagt: Was (soll) diese Treulosigkeit, die ihr begangen habt am Gott Israels, um euch abzuwenden heute von YHWH, indem ihr gebaut habt für euch einen Altar […]? 17Ist zu wenig für uns die Sünde von Pegor, von der wir uns nicht gereinigt haben bis zu diesem Tag, worauf die Plage über die Gemeinde YHWHs geschah? 18Und Ihr wendet euch ab heute von YHWH […] und morgen wird er über die Gesamtheit der Gemeinde Israels zürnen. 19Und gewiss, wenn unrein das Land eures Nutzgebietes (ist), kommt für euch herüber ins Land des Nutzgebietes YHWHs, wo die Wohnung YHWHs steht, und siedelt euch an in unserer Mitte […]. […] 21 Und es antworteten die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Hälfte des Stammes Manasse und sie sprach en zu d en Anführern der Tausendsch af ten Israels. 22Der Gott der Götter (ist) YHWH, der Gott der Götter (ist) YHWH. Er (ist) erkennend und Israel, jenes wird erkennen. Wenn […] in Treulosigkeit gegen YHWH, (dann) sollst du uns nicht retten an diesem Tag, 23 dafür dass wir uns einen Altar gebaut haben, um uns von YHWH abzuwenden! Und wenn wir hinaufsteigen ließen auf ihm Brandopfer und Speiseopf er und wenn wir auf ihm darbringen Schlachtopfer d es He ils, YHWH, er würde es vergelten. 24Vielmehr aus Besorgnis haben wir dies getan, folgendermaßen: Morgen werden eure Söhne zu unseren Söhnen sagen, folgendermaßen: Was (ist) euch und YHWH, dem Gott Israels? 25Und eine Grenze hat YHWH gegeben zwischen uns und zwischen euch, Söhne Ruben und Söhne Gad: den Jordan. Nicht habt ihr einen Anteil an YHWH! Und es könnten eure Söhne unsere Söhne abbringen, YHWH zu fürchten. 26Und wir sagten: Lasst für uns doch machen, um einen Altar zu bauen, nicht für Brandopfer und nicht für Schlachtopfer. 27Sondern ein Zeuge (ist) jener zwischen uns und zwischen euch […]. […] 29Es sei fern von uns, […] uns heute abzuwenden von YHWH, indem wir einen Altar für Brandopfer, für Sp e is eopf er, und für Schlachtopfer bauen […]. 30Und es hörten der Priester Pinhas und die Fürsten der Gemeinde und die Anführ er d er Tau sendsch af ten Israel, die mit ihm (waren), die Worte, die sprachen die Söhne Ruben und die Söhne Gad und die Söhne Manasse und es war gut in ihren Augen. 31Und es sagte Pinhas, der Sohn des Priesters Eleasar, zu den Söhnen Ruben und zu den Söhnen Gad und zu den Söhnen Manasse: Heute haben wir erkannt, dass in unserer Mitte YHWH (ist). Indem ihr nicht verübt habt gegen YHWH diese Treulosigkeit, habt ihr damit gerettet die Söhne Israel aus der Hand YHWHs. 32 Da kehrten zurück Pinhas, der Sohn des Priesters Eleasar, und die Fürsten weg von den Söhnen Ruben und weg von den Söhnen Gad aus dem Land Gilead ins Land Kanaan zu den Söhnen Israel und erstatteten ihnen Bericht.
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Und es war gut die Sache in den Augen der Söhne Israel und die Söhne Israel segneten Gott und sagten nicht, hinaufzuziehen zu ihnen zum Krieg, um das Land zu vernichten, in dem die Söhne Ruben und die Söhne Gad wohnend (waren). 34Und es benannten die Söhne Ruben und die Söhne Gad den Altar, dass jener ein Zeuge (sei) zw is ch en uns, dass YHWH der Gott ist.
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Stellenregister (in Auswahl)
Gen 2,9 210 3,6 207 4,10 24 9,6 25 14,4 241 19,20 18 31 207 Ex 2,22 113 4,14–16 88 6,23 88 6,25 81 12,26 224 13,14 224 17,14f. 235 20,24 32 21,12–21 11 21,13 32, 67 33,14 121 Lev 17,8f. 206 25,32 106 25,32f. 42 Num 1,16 230, 244 3,20 113 4,2–20 108 8,11 243 10,4 244 14,9 241 14,43 217 16,22 207 18,20–24 77 25 218, 245, 254 26,57 168 27 78 31,16 216, 248
31,22 189 31,25–47 189 31,27 190, 202f., 257 32 207, 234, 239, 245 32,1–32 253 32,16 82 32,17 181 32,28 82 32,29 181, 229 32,30 221, 230 32,33 181, 202 32,5.22. 29.32 199 33,53 120 32,6 191 34 208 34,2–12 3 34,16–29 4, 159 35 253 35,1–8 13, 78, 88, 160 35,1–15 255 35,2 82f., 85, 133, 159 35,3 83 35,4f. 84, 118 35,6 18, 78, 118 35,8 78, 98f. 35,9f. 15 35,9–11 18 35,9–15 64 35,9–29 78 35,9–34 11, 13 35,11 44 35,11f. 27 35,12 22, 35, 52 35,13 13, 18 35,15 18, 51 35,16–32 255 35,22–32 65 35,25 34, 37 35,28 40, 42 35,33 38f.
296
Dtn 2f. 208 3,13 185 3,18–20 196 4,41–43 11, 13, 17, 43, 45f., 48f., 66, 256 4,42 20, 29, 33 4,43 116 6,20 224 10,12 183 11,1 179, 199 11,13 184 11,22 184 12,5 206 12,10 121 13,12–15 209 16,7 180 19,1–13 11 19,2 46, 73, 115 19,3 18 19,4 20, 66 19,6 27, 34 19,7–9 13 19,8f. 46 19,9 46 19,10 27 19,11 29 19,12 52 20,10–18 190 21,1–9 39 22,2 65 23,16f. 66 32,51 216 Jos 1–12 1 1–12.23 5 1,1–9 122 1,2 120 1,5 122, 124 1,6 124 1,7f. 194 1,11 124 1,12 176, 197 1,12–15 196, 202, 257 1,12–18 173, 192–194 1,13 124, 176, 179 1,13.15 121
Stellenregister
1,13–15 176 1,14 190 1,15 179, 181, 199 1,16–18 176, 185 3,15f. 248 4,6.22 248 4,7 248 4,12f. 196 6,19 189 7 216, 218, 228, 242, 245, 255 8,2 190 8,27 190 11,16–23 120 11,18 178 13–22 5 13,1 8, 46 13,8–33 14 13,12 112 13,15 186 13,18 153, 164, 170 13,26 114 13,30f. 185 13,32 47, 66 14,1 4, 81 14,1–5 3, 8 14,2 83, 96 14,3 199 14,4 133, 253 14,5 159 14,6 81 14,12 86 14,13 153 14,14 104, 130 15,10 106 15,13 105, 153, 256 15,19 86 17,1.5 185 17,3–6 78 17,4 96 17,4.14 86 17,6 115 18,1 81, 240 18,1–10 4 18,7 159, 199 18,8 177 19,1–9 107, 165 19,11 114 19,13 98
Stellenregister 19,15 114 19,17–39 113 19,35 113 19,38 96 19,40–46 255 19,40–48 111 19,41 106 19,42 169 19,44 169f. 19,45 169 19,49 6 19,49f. 6 19,49–51 3, 5, 8, 251–253 19,50 6 19,50f. 119 19,51 4, 14f. 20 11–75 20,4 255 20,7 104, 110, 115, 153, 165 20,7f. 117 20,8 112, 115, 164 21 77–171 21,1–3 80–86 21,4–8 86–96 21,9 129 21,9–42 96–119 21,11 46 21,13 46 21,21 46 21,32 45 21,38 80 21,42 8, 105 21,43–45 5, 119–124, 251, 253, 255 21,44 179, 181 22,1–8 173–203 22,4 121 22,7 102 22,9–34 205–250 22,19 118 22,20 255 23f. 1, 251 23,1 8, 124 23,9 122, 124 23,12 124, 184 23,13 124 23,14 122–124
Ri 17,7 133 18,30 92, 113, 144 2Sam 5,25 138 1Kön 8,56 123 9,15–17 138 10,25 189 12,25 110 12,31 143 2Kön 10,10 123 23,8 146 23,19f. 146 1Chr 2,2 129 2,9.18 130 2,42 130 6 77–171 6,39 88 6,39–66 124–132 6,40 164 6,41 106, 166 6,45 167 6,46–48 94 6,48 160 6,49 93, 130f., 160 6,50 89, 129 6,54 167, 169 6,56 88, 112 6,61 113 6,62 89, 114 6,63f. 116 24,7 87 2Chr 2,6.13 189 9,24 189 11,6–10 143 11,13–15 139 17,8 145
297
298 Neh 2,19f. 247 2,20 243 12,22 81 12,27 149 13,1–9 247 13,4–9 243 Ps 44,21 207 50 207
Stellenregister Jes 19,19–21 235 19,25 235 Hos 6,8f. 71 Sach 14,14 194
Sachregister
Aaroniden 102–108 Altar 67f. Altar-Asylie 67, 70 Älteste 30f., 65 Amnestie 40 Asylrecht 68 Ausführungsbericht 64 Banngut 189, 242 Blutrache 25, 70 DtrL 5, 196, 198f., 257 Erzählung 80 Fahrlässigkeit 21, 73 Fremdgötterkult 246 Gentiliz 168, 175, 199 Gerschoniter 112–114 Götzendienst 216 Heiliger Krieg 207 Heiligtum 67–70, 134 Heiligtumsasyl 13 Hexateuch 2, 257 Hohepriester 37–41, 71f. Ignoranz 73 Kapitaldelikte 30 Kehatiter 108–111 Kinderfrage 224 Kulteinheit 246
Kultzentralisation 72, 82f., 146, 208, 247 Leviten 13, 38 Levitenstädte 12f. Losentscheid 79, 83, 86, 92, 94, 96, 98, 104, 117, 129, 153, 156f., 162, 166, 255 Merariter 114–119 Muschiten 113 Oberpriester 38 Offenbarungsformel 15 Redeeröffnung 187 Resakralisierung 72 Ruhe 121, 124 Säkularisierung 72f. Schlussformel 107f., 112, 114, 117 Schwur 120f. Torbereich 65 Toreingang 31 Totschlag 11 Vernichtungsweihe 189 Wiederaufnahme 6, 8, 94, 96, 119f., 162, 166, 198, 214, 229, 231, 239, 243, 253, 255, 257 Zwölfstämmesystem 148, 165 Zwölfstämmevolk 96, 107, 165, 167, 239, 245, 254f.
300
Hebräische Lexeme
ʾāz 174 ʾāḥ 191 ʾaḥuzzāh 105, 181, 199, 202 ʾên 243 ʾæl mûl 213 ʾHB 183 ʾḤZ 105, 221 ʾMR 15, 226 behemāh 190 belî dāʿat 19f. bêt 113 BDL 17, 73 BRK 180, 185, 203 goʾel haddām 23–26 gibbôrê haḥayil 190 gelîlôt 211, 213 ger 50f. GLL 213 DBQ 184 DBR 15, 18, 82, 122, 184, 222 har 44 harbeh 188 HYY 90, 118 HLK 180, 183 zæbaḥ 223, 225, 234 ZBḤ 235 ḥelæq 243 ḥaṣî 111 ḤLQ 189 ḤṢY 111 ṭemeʿāh 219 yad Mošæh 18 yāmmāh 187
Yarden Yerîḥô 47 yeruššāh 181, 199 YʿD 36, 49f. YṢʾ 87, 90 YRŠ 120, 181 YŠB 30, 34, 66, 83, 85, 120, 133 kohen 108 hakkohen haggādôl 38 kikkār 213 kol 120 KRR 213 migrāš 83–85, 115 midbar 47 mûl 47, 213 mûʿādāh 50 môt yûmāt 25 mizbeaḥ 32, 210, 235 mizrāḥāh 47 maḥaṣît 111 maṭṭæh 143, 176 mîšôr 47 makkeh næpæš 19, 66 minḥāh 223, 235 meʿebær 186f. meʿaṭ 219 māqôm 32f., 67 miṣwāh 183 miṣwat YHWH 179 mirʿæh 84 marʿît 84 mišmæræt 179, 199 mišpāḥāh 116 MʿL 216, 218, 237 MRD 217f., 221, 237, 241f. nægæf 218 naḥalāh 85, 105, 199 nækæs 188 neśîʾîm 244
Hebräische Lexeme NGŠ 81f. NūḤ 121, 179, 196 NūS 18, 45 NQB 102 NTN 17, 83, 85, 122, 163, 186, 200 NTN beyad 122 NTN māqôm 30
qāhāl 36 QDŠ 44, 102, 216 QHL 215 QṬL 16 QLṬ 17 QṢP 230 QRʾ 50, 102, 129 QRY 44
SGR 66 ʿæbæd 177 ʿæbæd YHWH 196, 200 ʿebær 213 ʿād 235 ʿed 235, 247 ʿedāh 36, 234 ʿôlāh 223, 234 ʿārê hammûʿādāh 50, 64 ʿārê miqlāṭ 16, 74 ʿBD 184, 217, 243 ʿūD 50 ʿZB 177 ʿNY 222 ʾSP 30, 65 ʿṢR 16 PNY 180 PŠʿ 217 ṢWY 82, 182
rab 188 rôṣeaḥ 19 rîʾšonāh 103 RDP 33 RṢḤ 19 śalmāh 189 šebæṭ 107 šegāgāh 20–22, 66 šālāl 190 ŠGG 20 ŠGY 21 ŠūB 42, 203, 217f., 237 ŠLḤ 180, 185, 203 ŠMʿ 176 ŠMʿ beqôl 177 ŠMR 176, 179, 182f., 199 tabnît 237 tôšāb 51
301
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Namenregister
Aaron 87, 108, 113, 148 Achan 218, 221, 242, 255 Ahas 237 Alexander Jannaeus 150 Astarte 112 David 72, 126, 138, 143, 189 Eleasar 81f., 159, 209, 256 Enak 104 Esra 149 Gerschom 92, 113 Gerschon 92 Hiram 144 Hiskija 146 Jerobeam I. 139, 143 Jerobeam II. 71, 145
Johann Hyrkan 150 Joschafat 145 Joschija 72, 146f. Kaleb 44, 104–106, 130, 156, 166, 256 Levi 90 Mose 43, 49, 71, 92, 113, 176f., 182, 185f., 195, 220, 256 Muschi 113 Nehemia 149, 247 Pinhas 205, 208f., 215, 244, 246 Rehabeam 143 Salomo 71, 123, 138, 143f., 189 Schoschenq 138 Usija 144
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Ortsregister
Abdon 113 Ajalon 110, 127, 146, 167, 169f. Ajin 106f. Almon 80, 108, 168 Anatot 80, 108, 145, 168 Arad 133 Aschan 106f. Aschtarot 112 Baal-Pegor 218 Beerscheba 133, 147 Beeschtera 112f. Bethel 134, 146, 151 Bethlehem 133 Bet-Horon 109f. Bet-Pegor 216, 245, 248, 254 Bet-Schemesch 97, 106, 147 Bezer 47f., 101, 116, 127, 153, 164, 170 Bileam 111 Dimna 98, 114 Daberat 113 Damaskus 237 Dan 133f., 142, 151 Debir 106 Elephantine 247 Elteke 110, 170 En-Gannim 113 En-Gedi 150 Eschtemoa 106 Galiläa 45 Garizim 150, 247 Gat-Rimmon 111, 127, 169f. Geba 108, 168 Geser 109f., 138, 147 Gibbeton 110, 146, 170 Gibeon 108, 145, 169f. Gilead 211, 249 Gilgal 134, 211, 247 Golan 5, 48, 101, 110, 112, 127 Hammot-Dor 113
Hebron 17, 44, 46, 83, 101, 104–106, 112, 127, 130, 142, 145, 153–157, 166, 256 Helkat 113 Heschbon 80, 114 Holon 106 Ir-Schemesch 106 Jahza 114 Jarmut 113 Jaser 114 Jattir 106 Jericho 47, 66 Jerusalem 70, 118, 133, 142, 149, 151, 206 Jibleam 111 Jokmeam 100, 109f., 169 Jokneam 114 Jutta 106 Kanaan 81, 249 Karta 114 Kartan 114 Kattat 114 Kedemot 114 Kedesch 43–45, 101, 110, 112f., 127 Kibzajim 100, 109f., 169 Kirjatajim 113 Kirjat-Arba 46, 104, 130, 165, 256 Kischjon 113 Kitron 114 Lachisch 147 Libna 106 Mahanajim 114 Marescha 247 Mefaat 114 Mischal 113 Mizpa 133 Nahalal 114 Nebo 134, 247 Nob 133
304 Rakkat 113 Ramat-Raḥel 150 Ramot 101, 110, 112, 115, 127 Ramot-Gilead 71 Rehob 113 Rimmon 98, 114
Ortsregister Schilo 14, 70, 81f., 133, 175, 185, 205, 207, 243, 247 Sichem 17, 44, 46, 71, 101, 106, 109f., 112, 127, 150, 255 Taanach 110 Tabor 114