Arbeitszeitschutz: Das Arbeitszeitnotgesetz und die übrige arbeitszeitrechtliche Gesetzgebung des Reichs seit 9. Novemberg 1918 [2. Aufl. Reprint 2020] 9783111397542, 9783111034775


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German Pages 386 [409] Year 1927

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Arbeitszeitschutz: Das Arbeitszeitnotgesetz und die übrige arbeitszeitrechtliche Gesetzgebung des Reichs seit 9. Novemberg 1918 [2. Aufl. Reprint 2020]
 9783111397542, 9783111034775

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Linier dem Sachregister befindet fich ein ausführliches Verzeichnis der

Guttentagschen Sammlung

Deutscher Reichs­ und Preußischer Gesetze — Textausgaben mit Anmerkungen; Taschenformat —,

die alle wichtigeren Gesetze in unbedingtzu­ verlässigem Abdruck und mit mustergültiger Erläuterung wiedergibt.

Gnttentagsche Sammlung Str. 188 a. Deutscher Reichsgesetze. Str. 138 a. Textausgaben mit Anmerkungen und Sachregister.

Arbeiterschutz und Arbeitsrecht 1. Auflage bearbeitet von

Dr. Adolf Günther.

2. Auflage 1. Teil:

Arbeitszeitschutz DaS Arbeitszeitnotgesetz und die übrige arbeitSzeitrechtliche Gesetzgebung des Reichs seit 9. November 1918

erläutert von

Dr. Richard Schneider, Archivar beim Reichstag unter Mitwirkung von

Dr. Adolf Günther, o. Professor an der Universität Innsbruck.

Berlin und Leipzig 1927.

Walter be Grüg ter L Eo. vormals G. I. Göschen'sche Verlagshandlung — I. Guttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit Sc Comp.

Vorwort. Bon der als Band 138 a der Guttentagschen Sammlung erschienenen Zusammenstellung der seit November 1918 veröffentlichten Gesetze und Ver­ ordnungen über „Arbeiterschutz und Arbeitsrecht" wird hiermit der erste Teil einer Neuauflage vor­ gelegt, der die Arbeilszeitgesetzgebung bis Ende Juli 1927 behandelt.

Unterzeichneter war bei Abfassung der 1. Auf­ lage als Professor an der Universität Berlin und Referent im Reichsarbeitsministerium in der Lage gewesen, den damals übrigens noch ungleich kleineren Stoff selbst zu bearbeiten. Dadurch, daß er nun­ mehr an einer Universität außerhalb des Reichs lehrt und seit Ausscheiden aus dem Ministerium auch nicht mehr den unmittelbaren Einblick in die gesetzgeberischen Vorgänge besitzt, sah er sich außer­ stande, die notwendig gewordene Neuauflage selbst bzw. allein mit hinreichender Sachkunde zu be­ arbeiten. Auf Anregung des Verlags hat sich nun Herr Dr. Richard Schneider, Archivar beim Reichstag, freundlichst bereit erklärt, seine bewährte Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse in den Dienst der Neuauflage zu stellen. Indem ihm hier­ durch bester Dank ausgesprochen wird, sei noch bemerkt, daß diesem ersten Teil der Neuauflage

6

Vorwort,

wettere Bände folgen werden, sodaß tn absehbarer Zett das gesamte neuere Arbeitsrecht, kurz kommenttert, in der Guttentagschen Sammlung vorhanden sein wird. Innsbruck, Im August 1927.

Dr. Adolf «ünther, ordentl. Professor der pol. Ökonomie und Soziologie an der Universität Innsbruck.

Inhaltsverzeichnis. Sette Sozialpolitische Gi»leit«ug...................................................

13

Etnftihrnng In die ArbeitSzeitgesetzgebnng

88

.................

I. »schnitt. Gesetzliche Vorschriften allgemeiner Lrt »der die «egellmg der Arbeitszeit der Arbeiter »nd Angestellte» .....................................................................

49

Anordnung über die Regelung der Arbeits­ zeit gewerblicher Arbeiter. Bom 23. No­ vember 1918............................................................

49

Dienstdauervorschriften für daS Betriebs- und Berlehrsperfonal der Deutschen Reichsbahn ....

58

Lohntarisvertrag für die Arbeiter der Reichsbahn. .

61

Tarifvertrag für die Arbeiter im Bereiche der Deut­ schen ReichSpost............................................................

74

Verordnung über die Regelung der Arbeits­ zeit der Angestellten während der Zeit der wirtschaftlichen Demobilmachung, vom 18. März 1919...............................................

78

Erlab des Preußischen Ministers für Handel und Ge­ werbe und deS Preußischen Minister- des Innern betr. Richtlinien für die Behandlung der Bahnhofs­ wirtschaften und der BahnhofSverlaufSsteNen in gewerbepolizeilicher Beziehung..............................

92

Verordnung über die Arbeitszeit. Bom 21. Dezember 1923 ...............................................

106

ArbeitSzeitnotgesetz (Gesetz zur Abänderung der ArbeitSzeitverordnung). Bom 14. April 1987

106

8

Inhaltsverzeichnis.

Seite über die Arbeit-zeit. (Neue vom 14. April 1927 .................

112

Au-führung-bestim mungen zur Verordnung über die Arbeit-zeit, vom 17. April 1924 ..........................

170

Ergänzung der Au-führung-bestim mungen vom 17. April 1924 zur Verordnung über die Arbeits­ zeit. vom 29. April 1927 ......................................

177

Ausführung-bestimmungen zu 8 9 der Verordnung über die Arbeit-zeit, vom 29. April 1927 .................

183

Preußische Au-führung-bestimmungen zur ArbeitS-eitverordnung. vom 24. Juni 1924 .................

186

Erlaß des Preußischen Minister- für Handel und Gewerbe vom 26. April 1927 betr. Gesetz zur Ab­ änderung der Arbeitszeitverordnung vom 14. April 1927 ............................................................................

193

Erlaß des Reichsarbeitsministers betr. Überstunden­ arbeit. vom 9. November 1926 ..........................

196

Durchführung der Arbeitszettvorschriften (Schreiben des Reichsarbeitsministers vom 10. November 1926)

199

Verordnung Fassung.)

Richtlinien über die Regelung der Dienstzeit der Reichsbeamten................................................................ 202

ReichSangestellten-Tarifvertrag. vom 2. Mai 1924 (24. Mär- 1925)...........................................................

206

Tarifvertrag für die Arbeiter bei den Reichsverwal­ tungen. vom 8. Juni 1926 (18. Mai 1927) . .

210

II. Abschnitt. Auf Grund des § 120« der Gewerbe­ ordnung für einzelne Gewerbezweige und Einzelbetriebe erlassene Verordnungen über die Arbeitszeit

223

Verordnung zum Schutze der Preßluft­ arbeiter. vom 28. Juni 1920 .....................

223

Verordnung über die Einrichtung und den Betrieb von Anlagen zur Herstellung von

Inhalt-verzeichnis.

9 Sette

Bleifarben und anderen Vleiverbindungen. Bom 27.Januar 1920 .................

225

Verordnung über die Ausführung von An­ streicherarbetten in Schiffsräumen. Bom 2. Februar 1921 .......................................................

228

Verordnung über die Ausführung von An­ streicherarbeiten in Schiffsräumen. Bom 12. Mai 1927 ...........................................................

230

III. Abschnitt. Auf Grund deS 8 7 der Verordnung über die Arbeitszeit erlassene Verordnungen - .

230

Verordnung über die Arbeitszeit in Koke­ reien und Hochofenwerken. Bom 20. Ja­ nuar 1925 ................................................................

230

Durchführung der Verordnung vom 20. Januar 1925 (Erlaß deS ReichSarbeitSministerSvom 2. Mai 1925)

234

Verordnung über die Arbeitszeit in Gas­ werken. Bom 9. Februar 1927 ......................

237

Verordnung über die Arbeitszeit in Metall­ hütten. Bom 9. Februar 1927 ......................

239

Verordnung über die Arbeitszeit in Glas­ hütten und Glasschleifereien. Bom 9. Fe­ bruar 1927 ................................................................

241

Verordnung über die Arbeitszeit in Stahl­ werken, Walzwerken und anderen An­ lagen der Großeisenindustrie. Bom 16. Juli 1927 ............................................................

244

IV. Abschnitt. Sonstige für besondere Gewerbezweige und Einzelbetriebe erlassene gesetzliche Bestim­ mungen ......................................................................................247

Verordnung über die Arbeitszeit in den Bäckereien und Konditoreien. Bom 23. November 1918.................................................... 247

10

Inhaltsverzeichnis. Sette

Gesetz zur Abänderung der Verordnung über die Arbeit-zeit in den Bäckereien und Konditoreien vom 28. November 1918 («eich-gesetzbl. 6.132 9). vom 16. Juli 1927 262 Verordnung, betreffend eine vorläufige Landarbeit-ordnung, vom 24. Januar 1919 276 Die Arbeit-zeit in den landwirtschaftUchen Tarifver­ trägen (eine auf Grund de- im Tarifarchiv deReichsarbeitsamts befindlichen Material- ver­ faßte Abhandlung) ........................................................ 284 Verordnung über die Arbeit-zeit in Krankenpflegeanstalten. vom 13. Februar 1924 . Grundsätze zur Durchführung der Verordnung über die Arbeit-zeit in Krankenpflegeanstalten (Erlaß des ReichSarbeitSministerS vom 17. Mai 1924) . . .

306

312

Erlaß de- Preußischen Minister- für BolkSwohlfahrt und de- Preußischen Minister- für Handel und Gewerbe vom 28. Januar 1927, betr. Durch­ führung der Verordnung über die Arbeit-zeit in Krankenpflegeanstalten....................................................324 Tarifvertrag für die Krankenschwestern in den Kranken­ anstalten de- Reichs, vom 25. Juli 1925 . . .

326

V. Abschnitt. Gesetzliche Vorschriften über die Regelung der Arbeit-zeit jugendlicher und weiblicher Arbeiter

329

Verordnung über die Beschäftigung jugend­ licher Arbeiter auf Steinkohlenberg­ werken. vom 25. März 1927 ..........................

329

Verordnung über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Walz- und Hammerwerken. vom 25. März 1927 ....................................................... 333 Verordnung über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern

Jrchalttver-eichntS.

11 Seite

in Glashütten, GlaSschletfereieu und GlaSbetzereien sowie Sandbläsereien. vom 25. März 1927 ........................................... 334

VL Abschuitt. Gesetzliche Vorschriften Wer GonutagS ruhe nutz eiue» allgemeine» Feiertag.........................386 Verordnung über Sonntagsruhe im Handels­ gewerbe und in Apotheken, vom 5. Fe­ bruar 1919..................................................................... 335 Richtlinien für die Bewilligung von Ausnahmen vom verbot der Sonntag-arbeit im Handel-gewerbe, vom 21. Februar 1924 ........................................... 339 Ergänzung der Richtlinien vom 21. Februar 1924. vom 27. Juli 1925 .................................................... 343 Erlaß des ReichSarbeit-ministerS Über die behördliche und tarifliche Regelung der Sonntag-arbeit, vom 24. Januar 1925 ........................................................ 343 Gesetz über einen allgemeinen Feiertag, vom 17. April 1919.................................................... 345

VII. Abschnitt. Internationale Regelung der Arbett-zeit

347

Washingtoner Übereinkommen, betreffend Festsetzung der Arbeit-zeit in gewerb­ lichen Betrieben auf acht Stunden täg­ lich und achtundvierzig Stunden wöchent­ lich ...................................................................................... 347 Ergebnisse der Londoner Konferenz der Arbeit-minister von Belgien, Deutschland, Frankreich, Sroßbtttannien und Italien über da- Washingtoner Übereinkommen................................................................. 362

Sachregister.................................................................................. 366

12

Angabe der Abkürzungen. Ang BO. — Verordnung über die Regelung der ArbeitSzeit der Angestellten vom 18. März 1919. ArbAO. — Anordnung über die Regelung der ArbeitSzeit gewerblicher Arbeiter vom 23. No­ vember 1918/17. Dezember 1918. ASchG. — Entwurf eines Arbeitsschutzgesetzes, 37. Son­ derheft zum Reichsarbeitsblati. AZNG. — Arbeitszeitnotgesetz — Gesetz zur Abänderung der ArbeitSzeitverordnung v. 14. April 1927. AZBO. — Verordnung über die Arbeitszeit vom 21. De­ zember 1923. B. — Amtliche Begründung. Back BO. — Verordnung über die Arbeitszeit in den Bäckereien und Konditoreien vom 23. No­ vember 1918. Drs. — Drucksache. GO. — Gewerbeordnung für daS Deutsche Reich. LG. — Landgericht. OLG. — Oberlandesgericht. RABl. — Reichsarbeitsblatt, amtlicher Teil. RAMinister — Reichsarbeitsminister. RG. — Reichsgericht. RGBl.--- Reichsgesetzblatt, Teil I. RTDrs. — Reichstagsdrucksache. RBO. -- Reichsversicherungsordnung. BO. 5. 2. 19 — Verordnung über Sonntagsruhe im Handels­ gewerbe undin Apotheken v. 5. Februar 1919. BO. 13. 2. 24 — Verordnung über die Arbeitszeit in Kranken­ pflegeanstalten vom 13. Februar 1924. WP. — Wahlperiode. Wll. — Washingtoner Übereinkommen über die Fest­ setzung der Arbeitszeit in gewerblichen Be­ trieben vom 29. November 1919.

Sozialpolttische Einleitung. Die nachstehende Übersicht über das Zustandekommen deS neuen Arbeitszeitgesetzes wird seinen Zusammenhang

mit dem Arbeitsrecht im allgemeinen und dem Arbeits­ schutz im besonderen deutlich machen; sie zeigt den Werde­

gang der Gesetzgebung auf diesem Gebiete, läßt erkennen, wie chr Rahmen allmählich toeiter gespannt wurde, wie in ihm sich hygienische und kullurpolitische Gesichtspunkte

entfalteten.

In einem knappen Überblick über Zusammen­

hänge zwischen Arbeitszeitgesetzgebung und Wirt­ schaft sollen hier gewisse sozialpolitische Hinweise gegeben So sehr sich auch — und mit vollem Rechte —

werden.

das Gebiet des Arbeitsrechts von dem der allgemeinen Sozialpolitik aus Gründen des arbeitsteiligen Wissenschafts­

betriebes gesondert hat, so sehr erfordert es doch eine in so hohem Maße strittige Gesetzgebung, wie die de- Arbeits­ zeitrechts, daß gewisse wirtschaftlich-soziale Hintergründe,

von denen aus allein der Werdegang der Gesetzgebung, chre Zielsetzung und praktische Wirkung beurtellt werden

können, aufgezeigt werden.

Selbstverständlich kann da-

in einer kommentierten Textausgabe nur in ganz groben

Zügen und allgemeinen Umrissen geschehen.

Indem Bolles

(s.

S. 22)

vom Gesetze

anerkannt

und

damit

die

als die

Arbeitskraft wichtigstes frühere,

des

deutschen

nationales heute

kaum

Gut

noch

verständliche Zurückhaltung des Gesetzgebers auf diesem Gebiete ausgegeben wurde, ist zwar die richtige, wirtschaft-

14

«rbett-zeitschutz.

lich, hygienisch und kulturell befriedigende Verwendung diese- Gute- eingeleitet worden; indes besteht noch längst

keine Einmütigkeit darüber, wa- hier im einzelnen geschehen soll, wieweit in-besondere Eingriffe de- Gesetzgeber- in

den Arbeit-vertrag theoretisch möglich und praktisch wirk­ sam sind.

Die von Brentano al- erstem scharf gesehenen

Zusammenhänge

-wischen

Arbeit-zeit,

Arbeits­

leistung und Arbeitslohn stehen vielmehr heute mehr

denn je im Vordergründe.

Leider sind die großangelegten

Enqueten des ReichSwirtschaftSratS, die vom Verein für Sozialpolittt

angeregt

wurden,

noch

keineswegs abge­

schlossen; vielmehr läßt das, was bisher hierüber veröffent­ licht wurde, ungeahnte Schwierigkeiten aller Feststellungen

auf diesem Gebiete erkennen; kaum, daß über die anzu­

wendenden Verfahrensweisen volle Einigung erziett werden konnte.

Soviel wissen wir immerhin negativ, daß die

früheren einschlägigen Ermittlungen mangels unanfecht­ barer Methode und hinreichenden Umfangs außerstande sind, uns ein wissenschaftlich einwandfreies Bild der Sach­ lage zu geben.

Man wird deshalb, solange unser Erfahrungsmaterial

begrenzt und eine experimentelle Ergänzung diese- Mate­ rial- noch kaum ernstlich versucht ist, gewisse mehr oder

weniger theoretische Überlegungen nicht ganz ausschalten können.

Theoretisch sind schließlich notwendigerweise auch

viele der gesetzgeberischen Bemühungen.

Schon der Um­

stand, daß sie nach Zweck und Durchführung nicht einheitlich

waren, ja daß wiederhott der Kur- gewechselt wurde, zeigt eine Unsicherheit hinsichtlich der Wirkung gesetzlicher Be­

stimmungen über die Arbeitszeit; freilich sind die Richtungs­ änderungen in der Gesetzgebung auch auf politische Gründe,

16

Sozialpolitische Einleitung.

auf wechselnde Mochtverhältnisse, ungleichen Einfluß der

Anteressentenverbände auf die Gesetzgebung zurückzuführen. Welche Gründe die entscheidenden waren, wird kaum zu ermitteln sein. Im großen ganzen ist, wie auch auf andern Gebieten des Arbeitsrechts, eine gewisse rückläufige Be­

wegung seit den Umsturztagen unverkennbar; ob sie, wie

viele meinen, ausschließlich als „sozialpolitische Reaktion"

anzusprechen ist, steht immerhin dahin; jedenfalls mußte die Haltung des Gesetzgeber- von den allgemeinen poli­ tischen und zumal wirtschaftlichen Verhältnissen beeinflußt sein; während der Inflation konnten schwerlich dieselben

Gesichtspunkte im Vordergrund stehen wie nach der Stabilisierung der Währung, zudem bleibt die Krage, ob nicht neben andern, vor allem wirtschaftspolitischen und — selbst­

verständlich — außenpolitischen, auch gewisse sozialpolitische Maßnahmen an dem Ausmaß, das die Geldentwertung

schließlich im^Reich erfuhr, mitgewirkt haben.

War die-

— was hier nicht zu entscheiden ist — der Fall, dann liegt eS nahe, die ArbeitSrechtS- und Arbeiterschutzgesetz­ gebung nicht zuletzt auch vom währungspolitischen Stand­

punkt aus zu beurteilen.

Bei alledem blieb die Gesetz­

gebung nicht unberührt von Vorgängen außerhalb Deutsch­ lands, von der Regebmg derselben Materien in industriell

und kutturell verwandten Ländern, schließlich von den inter­ nationalen Vorgängen auf diesem Gebiete (f. u. S. 41 f.).

Die Gesetzgebung hat aber auch erkannt, wie schwankend und wechselnd der Tatbestand der „Arbeit" und der „Arbeits­

kraft" ist und sein muß. Die zahlreichen, schwer übersehbaren Ausnahmebestimmungen zu

grundlegenden

Sätzen

springen zu einem erheblichen Tell jener Einsicht.

man einmal die

ent­

Hat

Sozialgesetzgebung als „Paragraphen-

16

«rbeit-zeitschutz.

gestrüpp" bezeichnet — und das noch vor den Neukodi-

fikationen seit November 1918 —, so war daS eigentlich kein Spott, sondern barg Anerkennung; denn indem die

Gesetzgebungsmaschine sich nicht auf generelle Regelungen beschrüntte, brachte sie eine — wenn auch keineswegs stets

verwirklichte — Tendenz -um Ausdruck, den Einzelfall zu beachten und die Schablone zu vermeiden.

Schablone

war es nicht weniger, wenn vor dem Kriege überhaupt fast jede Regelung der Arbeitszeit erwachsener Männer

verworfen

wie

wenn

hernach

vorbehalllos

Acht­

der

stundentag als Allheilmittel proklamiett wurde. Die gegenwättige gesetzgeberische Lage ist der letztgenannten Forde­

rung immerhin viel näher wie dem Grundsatz des laisserfaire.

Sie übersieht aber gewisse Zwangsläufigkeiten der

Gegenwatt nicht, denen gegenüber die Einführung des Achtstundentags vor dem Kttege eine recht einfache Sache gewesen wäre.

Wie wenig die Gesetzgebung aus der ersten Zeit der Republik — trotz der Vereinbarung der Spitzenverbände

vom 16. November 1918 — innerlich von Arbeitgeberseite übernommen worden war, zeigte der Zustand, der sich

nach Ablauf der Geltungsdauer der ArbAO. und AngVO. Ende 1923 — d. h. gegen Ausgang der Inflation — ergab.

Der Zustand war in der Tat „unhaltbar (S. 30).

Denn

wenn die Unternehmer auch mit dem Hinweis auf größere

Arbeitsleistung

als

Voraussetzung

der

Beendigung

der

Inflation, der Aufrechterhaltung einer sanietten Währung, der Expottsteigerung usw. vielfach recht behielten, so war auf der andern Seite mit einer für Arbeit-zeitbeschränkung

eingenommenen öffenttichen Meinung und damit zu rechnen, daß gegenüber der Borkttegszeit, ttotz aller rückläufiger

17

SoztalpoMische Einleitung.

Erscheinungen, mindesten- politisch die Kraft der Arbeiter

und ihrer Verbände gewachsen ist.

Auch war die Unter­

ernährung de- Krieg- während der Inflation nur teilweise

behoben worden, volle Ausnutzung der Arbeitskraft aber setzte volle Arbeitskraft und ungebrochenen Arbeitswillen voraus. S. 32 sind Einwendungen, die von interessierter Seite

gegen da- Interregnum in der Arbeitszeitregelung geltend gemacht wurden, zusammengestellt. ES ist unmöglich, diese

Bedenken an dieser Stelle im einzelnen auf ihre Richtigkeit

hin zu prüfen.

Nur einige- wenige sei herauSgegrifsen.

Hinweise auf die Arbeitslosigkeit, die durch verlängerte Arbeit-zeit vermehrt werden könnte, sind nicht ohne weitereschlüssig; denn einmal haben frühere, auf Unterbringung

möglichst zahlreicher Arbeiter oder Angestellter in den

Betrieben hinzielende Bestimmungen keineswegs einwandfrei gewirkt; dann aber ist da- Gegenargument nicht ohne

weiteres von der Hand zu weisen, daß nur auf Grund ge­ steigerter Gesamtproduktion die Arbeitslosigkeit beseitigt

werden könne und daß wenigstens während einer Über­

gangszeit erhöhte Arbeitszeit zur

Produktionssteigerung

unerläßlich sei. Umgekehrt sollen auch die Gründe der Gegen­ seite nicht unbesehen angenommen werden; gewiß hat sich Überarbeit auch da, wo sie — gegebenenfalls durch Hinzu­

nahme neuer Arbeitskräfte — vermieden werden konnte, behauptet. Der Umfang dieser überarbeit muß nach den Feststellungen

deS

Reicharbeitsblattes (s. S. 34) in der

Tat beträchtlich gewesen sein.

Die Umkehr von Inflation

zu Stabllisierung hatte die Gewerkschaftsbewegung zurück­

geworfen, mangels Selbsthllse mußte sie um so mehr bemüht sein, die leicht erreichbare Klinke der Gesetzgebung in die Hand zu bekommen. Günther-Schneider, Arbeitszettschutz.

2

18

ArbeitSzettschutz.

Angesichts dieser Verhältnisse ergab sich die Neuregelung

de- Arbeitszeitrechts, wenn auch nur erst provisorisch, als kaum zu umgehende Notwendigkeit. Die bloße Ratifizierung

deS Übereinkommens von Washington, oft gefordert, konnte aus Gründen, die eine Mitteilung des Reichsarbeitsministers vom 30.1.25 klar erkennbar machte, nicht als Lösung in

Betracht kommen. „Unsere Verluste, Lasten und Bindungen",

so heißt es hier einwandfrei, „infolge des Krieges sind so viel schwerer als die aller andern großen Staaten, unsere wirtschaftliche Zukunft ist so ungeklärt, daß niemand von Deutschland ein Borangehen in der Frage der Ratifizierung erwarten kann."

(Siehe auch S. 45).

Hier sei angemerkt,

daß nach Lage der Dinge sehr wohl überlegt werden müßte,

ob internationale Regelungen auf sozialpolitischem Gebiete nicht grundsätzlich von der ganz ungleichen Bedeutung aus­ gehen müßten, die dem Arbeitskraftfaktor in den einzelnen Industrieländern zukommt. „Arbeitsintensive" und „kapital­

intensive" Länder stehen vor prinzipiell ganz andern Lagen; wo die Arbeitskraft teilweise für den fehlenden Boden-

und Kapitalfaktor mit aufkommen muß, muß sie — bei aller selbstverständlichen Schonung und Schätzung — sich

doch unter Umständen freier bewegen können als in Ländern mit Boden- und Kapitalüberschuß.

Der Grundsatz sozialer

Gerechtigkeit, dem alle Sozialpolitik und alles Arbeitsrecht unterworfen bleibt, erfordert dann Lösungen nicht im Sinn

unbedingter Gleichmachung, sondern im Sinn des Aus­ gleichs:

Waren-,

wobei freilich

freier Weltmarkt hinsichtlich

Kapitalien- und Arbeitskrästeverkehrs

des

Voraus­

setzung sein sollte.

Die

unlängst

abgeschlossene

Berufs-

und

Betriebs­

zählung zeigt das Deutsche Reich weiterhin aus dem Wege zum Industriestaat und zur großbetrieblichen Wirtschasts-

19

Sozialpolitische Einleitung. weise.

Mag man eS bedauern, man muß damit rechnen;

dem Arbeitsrecht erwachsen damit immer dringlichere Auf­ gaben, vielleicht 4/s der Gesamtbevölkerung unterliegen

seinen Vorschriften mittelbar oder unmittelbar.

ES ist im

Begriff, „Bürgerliches Recht" zu werden. Im selben Maße aber,

wie

die

großen

Massen

des

deutschen

Volke-

zu Arbeitnehmern werden, ist ihr Einkommen als Lohn ein abgeleitetes, sind sie auf die wittschastlichen Erfolge zumal

der

großen

Unternehmungen

angewiesen.

Ungeheuer

verantwortungsvoll ist die Lage des Gesetzgebers, der auf dieser Grundlage arbeitet, der der Wirtschaft keine Ketten

anlegen darf und doch gegenüber privatwirtschastlichem Denken immer wieder auf soziale Notwendigkeiten Hin­

weisen muß.

Manches wird davon abhängen, daß sich in

den Spitzen der großen Unternehmungen privat- mit volkswittschaftlichem und sozialem Geiste und Verständnis paart:

nicht im Sinn eines endgültig überwundenen patriarchali­ schen Systems mit zwangsweise auferlegten Wohlfahrts-

einrichtungen, sondern im Sinne neuzeitlicher Sozialpolitik, die mit der Formel „konstitutionelle Fabrik" die Schwierig­

keiten so wenig lösen will, wie es jene ältere Richtung des Arbeitgebettums mit der Parole „Herr im eignen Haus"

vermochte. Es liegen hinreichend Zeichen dafür vor, daß sich Wandlungen beim Unternehmertum, das sich heute der Gesellschaft für soziale Reform zur Verfügung gestellt hat, vorbereiten; Wandlungen sind auch aus gewerkschaft­

licher Seite zu verzeichnen, wenn sie auch nicht eindeutig

sind; Arbeitsgemeinschaften müssen wieder das gemeinsame Ziel sein.

Die in neuer Fassung vorliegende, hier hauptsächlich darzustellende Arbeitszeitverordnung stellt den Grundsatz 2*

ArbeitSzeitschutz.

20

des Achtstundentage- auf. Die zahlreich vorgesehenen Aus­ nahmen sind teils solche, die das Gesetz selbst trifft (a),

teils

festzulegende (b),

tarifvertrag-mäßig

teils

solche,

welche mit behördlicher Genehmigung stattfinden (c) (s. S. 36). Gegenüber der Regelung, die verwandte Materien vor dem Kriege fanden, sehen wir den Tarifvertrag als neue Rechts­

quelle; das entspricht der bedeutenden, wenn auch manchmal

überschätzten Rolle, welche die tarifliche Abmachung im neuen Arbeitsrecht allgemein inne hat. — Dabei ist die

zehnstündige Arbeitszeit überall die Grenze, bis zu der gegangen werden darf.

Der Arbeitstarifvertrag hat eine

neue Bedeutung dadurch gewonnen, daß die in ihm fest­

gesetzte Arbeitszeit auch nach seinem Ablauf nicht über­

schritten werden darf. Man wird annehmen müssen, daß die Verordnung in sehr

vielen Fällen nur als Rahmen gelten wird, innerhalb dessen die korporative Abmachung beider Gruppen einen erheb­

lichen Spielraum besitzt.

Dieser Grundsatz ist richtig.

Er

gibt der Selbsthilfe der Organisationen, was ihnen aus Grund ihrer Macht und Verantwortung gegeben werden

darf, ohne ihnen das ganze Feld zu überantworten. Die Aufgabe, die hierdurch den Praktikern des Arbeits­ rechts und des Arbeiterschutzes erwächst,

wenig

prinzipiell Neues:

denn

ein

enthält für sie

beträchtlicher

Teil

aller heute gellenden Normen setzt sich aus solchen des

Gesetzes l-uzüglich der Verwaltung) und solchen der vertrag­ lichen Regelung zusammen.

Selbstverwaltung ist in

sozialpolllischen Dingen schon heute vielfach die Regel, in ihrer Erweiterung llingen die Wünsche vieler Unternehmer­

und Arbellnehmergruppen zusammen, wie kürzlich erst aus

der Hamburger Tagung der Gesellschaft für soziale Reform

Gozialpolltifche Einleitung. hervortrat.

21

Zweifellos wird die Verordnung durch die

Erfahrungen, welche auf der neu geschaffenen Grund­ lage durch die Parteien gesannnell werden, nicht nur er­ gänzt werden, sondern eS werden sich auch diejenigen Stellen

-eigen, wo Abänderungen notwendig werden.

Daß diese

Erfahrungen in nicht zu ferner Zeit gewertet werden, geht

schon au- dem provisorischen Charatter der ArbeitSzeitverordnung hervor. So wird sich jeder, der mit ihr in der PraxiS

arbeitet, seiner Mission bewußt sein, an der künftigen end­ gültigen Arbeitszeitgesetzgebung Deutschlands mitzuwirken.

22

Einführung in die Arbeitszettgesetzgebung. Der verlorene Weltkrieg konnte dem deutschen Volke

trotz der unerhört harten Friedensbedingungen sein wert­ vollstes Gut, die Arbeitskraft, nicht rauben. Verwendung muß dazu

führen, die

Ihre richtige

drückenden Kriegs­

schulden zu tilgen, das verlorene Kapital und den verlorenen Kredit wiederzuerlangen und den Wettbewerb mit

Auslande bestehen zu können.

dem

Die Erkenntnis von der

höchsten Wichtigkeit der Arbeitsleistung eines jeden Deut­ schen kommt bereits in dem Erlaß der Reichsregierung

vom

1. März 1919 (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 52

vom 3. März 1919) zum Ausdruck: „Noch größer als die politische Gefahr ist die wirtschaftliche Notlage unseres Volkes.

Da lautet das erste Gebot: An die Arbeit!

Nur sie kann

uns retten. Im neuen Deutschland sott Arbeit sozialpolitische Pflicht sein, Müßiggang und genußsüchtiges Drohnentum mit allen Mitteln unterdrückt und ausgemerzt werden.

Vorwärts

drum auf dem Wege

organisch ausbauender

Arbeit!"

Jeder Deutsche hat also nicht nur das Recht aus Arbeit —

„Recht" bedeutet hier kein juristisches Recht, kein subjektives Recht der Einzelperson, sei es privater, sei es öffentlicher

Natur; denn Art. 163 Abs. 2 der Verfassung, wonach jedem Deutschen

die Möglichkeit

gegeben

werden

soll,

durch

wirtschaftliche Arbeit seinen Unterhalt zu erwerben, enthält

Einführung in die Arbetts-eitgefetzgebung.

23

lediglich ein Programm und wendet sich an den Gesetzgeber (Kaskel) —, sondern auch die Pflicht -urArbeit, wie schon {1

des So-ialisierungsgesetzes vom 23. 3.19 (RGBl. S.

341) ausdrücklich betont: „Jeder Deutsche hat unbeschadet seiner persönlichen Freiheit die sittliche Pflicht, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie e- das Wohl der Gesamtheit erfordert —"

wörtlich

mit

Art. 163 Abs. 1

(§ 1

Abs. 1

stimmt also

der Verfassung überein).

Das Wort „Pflicht" ist hier nicht gebraucht

im Sinne

des Arbeitszwanges, sondern der starken moralischen Kraft

und des klaren entschiedenen Pflichtbewußtseins der Ge­

samtheit gegenüber.

In der Erkenntnis, daß die Arbeitskraft „das höchste wirtschaftliche Gut" sei (so das Sozialisierungsgesetz §1 Abs. 2; Art. 157 Abs. 1 der Verfassung, der dem §1

Abs. 2 entspricht, betont dies nicht ausdrücklich), wird sie unter den besonderen Schutz des Reichs gestellt (Art. 157

Abs. 1).

Der Grundgedanke der Arbeitsschutzgesetzgebung

ist also, die Arbeitskraft des Arbeitnehmer- nicht nur als

persönliches

Gut bei ihrer Verwendung im ArbeitSver-

HLltnis vor Schaden zu bewahren, sondern sie auch als ein Stück Nationalgut staatlich besonders zu schützen.

Rechtlich blldet der hier zu behandelnde Arbeitszeit­ schutz den einen Tell des gesamten Arbeitsschutzes, während

der andere Tell den Betriebsgefahrenschutz zum Gegen­ stände hat. Der Arbeitszellschutz kann hygienischer (sanitärer)

oder kultureller Art sein. Je nachdem der gesetzlich

geregelte Zeitabschnitt im

Arbeitsverhältnis der einzelne Arbeitstag oder die einzelne

Arbeitswoche ist, sprechen wir von einem Tage-- oder Wochen­

schutz.

Die Regelung erstreckt sich auf die Höchstdauer

«rbettszeitschutz.

24

(Maximalarbeitstag, Maximalarbeitswoche), die Bertei­

lung (Feierstunden, Feiertage) und die Unterbrechung (Pausen, Mindestruhezeiten, Ruhetage) der Beschäftigung

(SaSkel S. 166).

Die geschichtliche Entwicklung deS ArbeitszeitschutzeS zeigt, daß in allen Kulturländern sich schon früh die Einsicht durchgesetzt hat, daß daS System unverhältnis­

mäßig langer Arbeitszeiten die Gesundheit und die Leistungs­ fähigkeit schädige.

AuS dieser Erkenntnis entsprangen die

ersten Anfänge einer Beschränkung der Arbeitszeit aus sozialpolitischen Gründen durch Festlegung eines hygieni­

schen Höchstarbeitstages.

Wie in allen anderen Ländern,

wurden auch in Deutschland zuerst Frauen und Jugendliche

geschützt.

So erging unter dem 9. März 1839 daS „Preu­

ßische Regulativ über die Beschäftigung jugend­ licher Arbeiter in Fabriken", das neben dem Verbot der Fabrikarbeit für Kinder unter neun Jahren die Beschrän­ kung der Arbeitszeit der Jugendlichen unter sechzehn Jahren

aus zehn Tagesstunden brachte.

Eine Erweiterung erfuhr

das Regulativ im Laufe der Zeit insofern, als im Jahre

1855 das Schutzalter auf zwölf Jahre erhöht wurde und die jugendlichen Arbeiter bis zum vollendeten vierzehnten

Lebensjahre nur sechs Stunden täglich zur Arbeit heran­ gezogen werden dursten.

Arbeiterschutzes,

Diese preußische Regelung deS und

verstärkt

wurde, wurde in die norddeutsche, später die

Reichs­

die

allmählich

erweitert

gewerbeordnung vom 21. März 1869 übernommen. Titel VH^dieser Gewerbeordnung ist für die Folgezeit die

Grundlage des gewerblichen Arbeiterschutzes geblieben.

Das Anwachsen der deutschen Industrie und die damit verbundene Zunahme der Zahl der jugendlichen und weib-

26

Einführung in Me ArbettSzettgesetzgebrwg.

lichen Arbeiter führten im Jahre 1878 zur ersten Vorschrift -um Schutze der Arbeiterinnen.

Sie beschränkte sich aller­

dings darauf, dem Bundesrat die Befugnis

geben, die

Arbeitszeit der Arbeiterinnen in gewissen Industriezweigen zu verkürzen.

Die häufig al- „Arbeiterschutzgesetz- bezeich­

nete Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891

brachte dann für Deutschland zum

erstenmal die

Fest­

setzung eine- Höchstarbeitstages auch für erwachsene

Arbeiter, wenn auch zunächst nur für die Frauen.

Die

in vielen Betrieben übliche oder notwendige Zusammen­

arbeit der Frauen mit Männern führte aber dazu, daß auch

diese vielfach den Vorteil der gesetzlichen Regelung mit genossen.

weitere

DaS Jahr 1908 brachte schließlich durch eine

Novelle

zur

Gewerbeordnung,

insbesondere

durch Einführung des zehnstündigen Höchstarbeitstages für

Frauen und Jugendliche, den Arbeitsschutz auf den Stand,

den er bis zum Kriege einnahm und zum Teil heute noch einnimmt.

Hiernach war die Arbeitszeit der gewerblichen Ar­ beiter grundsätzlich nur insoweit gesetzlich beschränkt, al-

dies aus Rücksichten der Gesundheit oder Sittlichkeit nötig

erschien.

Die erwähnten Schutzvorschristen, insbesondere

daS Verbot der gewerblichen Kinderarbeit, die Beschränk

kungen der Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter und der Arbeiterinnen und ihr Ausschluß von bestimmten Beschäf­ tigungen

entsprangen

ausschließlich

oder

überwiegend

solchen Gründen. ArbeitSzeitbeschränkungen für erwachsene

männliche Arbeiter bestanden grundsätzlich nicht.

Nur in

besonders gesundheitsschädlichen Gewerben war für diese Arbeiter eine Höchstarbeitszeit festgesetzt. Sie galt dann nicht nur für Arbeiter, sondern auch für Betriebsbeamte, Werk-

Arbeitszeitschutz.

meister und Techniker. Für Angestellte, und zwar beiderlei

Geschlechts, beschränkte sich im übrigen der Arbeitsschutz aus offene Verkaufsstellen, für die eine ununterbrochene

Mindestruhezeit von zehn bis elf Stunden und eine an­

gemessene Mittagspause vorgeschrieben waren; eine mittel­ bare Arbeilszeitbeschränkung ergab sich außerdem aus den

Vorschriften über den Ladenschluß während gewisser Nacht­ stunden (Begründung zum ASchG. S. 45/46, an die sich,

wie hier bemerkt sei, die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Arbeitszeitschutzes tellweise wörtlich anlehnt). Außer den beiden oben erwähnten Novellen zur Ge­

werbeordnung sind noch als besonders wichtig zu nennen: die Abänderungsgesetze zur Gewerbeordnung vom 30. Juni

1900 und vom 27. Dezember 1911 sowie das Kinderschutzgeseh vom 30. März 1903 (ergänzt durch Gesetz vom 31. Juli

1925 —RGBl. S. 162), welches eine bedeutende Ergänzung des Schutzes der Gewerbeordnung darstellt. Der Kriegsausbruch verbot vorläufig jede Weiterent­

wicklung des Arbeitsrechts und im besonderen des Arbeits­

schutzes; das Gesetz vom 4. August 1918 (s. unten) hob fast sämtliche Arbeiterschutzbestimmungen auf, da alle verfüg­

baren Arbeitskräfte rücksichtslos für militärische Zwecke frei­

gemacht werden mußten. Seit der Staatsumwälzung lebte die alte Forderung der

Arbeiter

Antrag



1869:

im Reichstag

Eisenacher

Programm, 1885:

(RT.-Drucks. Nr. 10, II. Session

1885/86), 1891: Erfurter Programm —, den Acht­ stundentag allgemein einzuführen, wieder mächtig auf

und wurde der Hauptfaktor der politischen und wirt­ schaftlichen Kämpfe. Der Regierung erwuchs also vor allem die Aufgabe, einen den Bedürfnissen der Zeit und

Einführung in die «rbettszettgesetz-ebung.

genügenden Ar­

den Anforderungen der Arbeitnehmer

beitsschutz -u schaffen.

Der

27

während deS Krieges not­

wendigerweise betriebene Raubbau an menschlicher Ar­ beitskraft sollte nicht weiter fortgesetzt werden, die außer

Kraft gesetzten Arbeiterschutzbestimmungen mußten wieder

Gültigkeit vom

erlangen.

(Die BO. über Arbeiterschutz

12. 11. 18 — RGBl. S. 1309 hob das Gesetz

betreffend

Ausnahmen

von

Beschäftigungs­

beschränkungen gewerblicher Arbeiter vom4.8.14 — RGBl. S. 333 — auf.)

Bor allem sollte die lange

Ausdehnung der Arbeitszeit eingeschränkt werden.

Entsprechend

der

Ankündigung

de-

Rats

der

Bolksbeauftragten vom 12.11.18 (RGBl. S. 1303), welche die Einführung des achtstündigen Höchstarbeitstages

spätesten- zum 1. Januar 1919 in Aussicht stellte, wurde

durch die Demobilmachungsverordnungen über die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeiter vom 23.11./ 17.12.18 (RGBl. S. 1334, 1436) und der Angestellten

vom 13.3.19 (RGBl. S. 315) für alle gewerblichen Ar­ beiter und für alle Angestellten ohne Unterschied des Alters,

des Geschlechts und der Betriebsgröße die achtstündige Arbeitszeit verbindlich festgelegt. Zum erstenmal in der

deutschen

Gesetzgebung tritt

also hier der Gedanke des kulturellen HöchstarbeitStages

neben den des hygienischen.

Da aber eine völlig schematische Durchführung deS Acht­ stundentages in einzelnen Fällen aus Gründen der ökono­ mischen Zweckmäßigkeit und der volkswirtschaftlichen Ent­

wicklung nicht möglich ist und zu wirtschaftlichen Schwierig­ keiten führen muß, wurden Ausnahmen zugelassen (Be­ fugnis der DemobümachungSkommission).

SS

Arbeitszeitschutz.

Die Einfügung der BO. in das System de- bisher be­ stehenden Rechts war bei der Art des Entstehen- (Schnellig­ keit — stark politischer Einschlag) nur in beschränktem Maße möglich. Man mußte sich damit begnügen, die gesetzlichen Bestimmungen, die den Vorschriften der DemobilmachungSB O. zuwiderliefen, als aufgehoben -u erklären. Eine baldige einheitliche Regelung war daher erwünscht, bei der auch die Grundbegriffe besser herausgearbeitet werden und eine wissenschaftliche Vertiefung Platz greifen sollte. Deshalb legte die Reichsregierung im August 1921 den Entwurf eine- Gesetzes über die Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter (Drucks, des Reichsrats 223/1921) und im Mai 1922 den Entwurf eines Gesetzes über die Ar­ beitszeit der Angestellten (Drucks. deS Reichsrats 123/1922 vor (s. hierzu: Verhandlungen und Gutachten des Vorläufigen Reichswirtschastsrats, Vorarbeiten zu den Arbeitszeitgesetzen für Arbeiter und Angestellte, 28. Son-derheft des RABl.). Noch vor der Beratung der Entwürfe im Reichsrat und Reichstag trat im Jahre 1923 eine derartige Verschlech­ terung der gesamten wirtschaftlichen Lage ein, die eine grundlegende Änderung nötig machte.

Die Vereinbarungen, die -wischen den Parteien der „Großen Koalition" und der Reichsregierung am 5./6. Ok­ tober 1923 zustande kamen, lauten (wörtlich vom ReichsarbeitSminister in der Begründungsrede zum AZNG. wiederhott — 304. Sitzung, III. WP. 1924/27): „Die schwere Not unsere- Landes läßt eine Steigerung der Gütererzeugung dringend geboten erscheinen. Das wird nur unter restloser Ausnutzung der technischen Errungen­ schaften bei organisatorischer Verbesserung unserer Wirt-

Einführung in die ArbeitS-eitgesetzge-ung.

29

schäft und emsiger Arbeit jede- einzelnen zu erreichen sein. Reben der Steigerung der Produktion durch diese Mittel wird auch die Neuregelung der ArbeitSzeitgesetze unter

grundsätzlicher Festhaltung des Achtstundentag- als Normal-

arbeitStag nicht zu umgehen sein.

Dabei ist auch die Mög­

lichkeit der tariflichen oder gesetzlichen Überschreitung der

jetzigen Arbeitszeit im Interesse einer volttwirtschaftlich

notwendigen Steigerung und Verbilligung der Produktion

vorzusehen. Für die öffentlichen

Verwaltungen finden ähnliche

Grundsätze Anwendung."

Dementsprechend

wurde

in aller Elle der Entwurf

eines vorläufigen Gesetzes über tRT.-Drucks. 6279, I. WP. 1920/23)

die Arbeitszeit aufgestellt, wobei

folgende Gesichtspunkte Beachtung fanden: a) Förderung und Verbilligung der Gütererzeugung,

dabei b) möglichste Berücksichtigung der sozialpolllischen Be­ lange, dadurch

c) Beseitigung wesentlicher Hemmungen für die Be­ tätigung des Arbeitswillens.

Deshalb: a) Grundsätzliche Festhaltung am Achtstundentag, dabei

aber b) Ausnahmen, und zwar

1. auf Grund tariflicher Vereinbarungen,

2. auf Grund behördlicher Genehmigung. Der beiden

Entwurf stellte nur ein Abänderungsgesetz der

Demobllmachungsverordnungen

(ArbAO.

23.11.18 und AngBO. vom 18. 3.19) dar.

vom

Er behandelt

30

ArbeitSzettschutz.

Arbeiter und Angestellte, mußte aber davon absehen, den

gesamten Inhalt

der noch dem Reichsrat vorliegenden

Gesetzentwürse für Arbeiter und für Angestellte zu ersassen.

Infolge der inzwischen eingetretenen weiteren Erschwe­

rung der

politischen und wirtschaftlichen Lage gelangte

das Gesetz nicht mehr im Reichstag zur Verabschiedung.

Inzwischen lief jedoch die Geltungsdauer der ArbAO.

und AngBO. (letztmalig durch BO. vom 29.10.23 — RGBl. S. 1037 — bis zum 17.11. 23 verlängert) ab, und es

trat ein völlig unhaltbarer Zustand ein.

In Kraft waren

nur noch wieder die bis zum Erlaß der Demobilmachungs­

verordnungen gültigen Vorschriften der Gewerbeordnung. Auf Grund des Ermächtigungsgesetzes vom 8. 12. 23

(RGBl. S. 1179) griff die Reichsregierung auf den Entwurf

eines vorläufigen Gesetzes über die Arbeitszeit zurück und

setzte diesen mit geringfügigen Änderungen in Form einer Verordnung über die Arbeitszeit vom 21. 12. 23 (RGBl. S. 1249) in Kraft.

Der Geltungsbereich ist derselbe wie in den beiden

Demobllmachungsverordnungen, d. h. Zisf. I der ArbAO.

und § 11 der AngBO. (Ausdruck gewerblicher Arbeiter im

weiteren Sinne des Tit. VII GO. zu verstehen).

Im ein­

zelnen sei folgendes hervorgehoben: Hausgehilsen fallen nicht unter die BO. (der Ent­

wurf eines Hausgehilsengesetzes liegt z. Zt. dem Reichsrat vor).

Für

die

in

der

Krankenpflege

beschäftigten

Personen besteht eine besondere BO. (S. 306). Ebenso ist die Arbeitszeit in der Landwirtschaft durch eine besondere Verordnung geregelt geblieben (S. 276).

Dagegen ist der Bergbau wieder eingeschlossen.

Solange

galt das Gesetz über die Arbeitszeit im Bergbau

Einführung in die Arbeitszeitgesetzgebung.

31

unter Tage vom 17. 7. 22 (RGBl. S. 668). Ziff. I ArbAO.

begriff den gesamten Bergbau ein. Durch das Gesetz vom 17.7.22 wurde der Bergbau unter Tage besonders geregelt,

da die zur Zeit des Erlasses nicht ausreichende Kohlenversor­ gung dazu zwang, in den Kohlenbergwerken Überschichten zu verfahren.

Die Einführung solcher

Überschichten stieß

jedoch aus den Widerstand der BergarbeiterverbLnde, die befürchteten, es möchte hierdurch eine dauernde Verlänge­ rung der tariflich vereinbarten Arbeitszeit, die der Über­

lieferung

dieses

Berufszweiges

entsprechend kürzer

als in den meisten anderen Betrieben, entstehen.

ist,

Das

Gesetz bezweckte, derartig unbegründeten Befürchtungen vorzubeugen, indem es die regelmäßige Arbeitszeit sestlegt.

Der Entwurf beschränkte das Gesetz auf den Steinkohlen­

bergbau unter Tage. Im Reichstag drang die vom Sozial­ politischen Ausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats in seinem Gutachten vom 29.6. 21 gewünschte Ausdehnung

auf den gesamten Bergbau unter Tage durch.

Die hauptsächlichsten Bestimmungen des Gesetzes sind in den §8 der AZBO. ausgenommen.

Für das Berkehrsgewerbe bleibt Ziff. III der ArbAO.

weiter maßgebend. Beamte fallen nicht unter die AZBO. (das Ber-

hättnis des Beamten zum Reiche oder Staate ist ein öffent­ lich-rechtliches, der Beamte erhält keinen Lohn, sondern eine

Rente), wohl aber Arbeiter und Angestellte in Be­ trieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts. Hinsichtlich der Arbeitszeit in Bäckereien und Kon­

ditoreien besteht eine

besondere BO. vom

23.11.18,

die durch Gesetz vom 16. Juli 1927 (RGBl. S. 183) ab­ geändert worden ist.

ArbettSzeitschutz.

32

Die Vorschriften des Vetneb-rätegesetze- bleiben uw*

berührt.

Die Uberstundenbezahlung wird nicht einbezogen.

Hingegen regelt die neue AZBO. diese Frage.

gelegte

Arbeitsdauer

ist

grundsätzlich

des Zulässigen zu verstehen.

An

als

Die fest­

Obergrenze

den Bestimmungen

des bürgerlichen und des Arbeit-rechts über den Umfang

der Leistungspflicht der Arbeitnehmer wird, soweit die BO.

nichts anderes bestimmt, nichts geändert (§§611,613 BGB., § 121 GO. Arbeitsvertrag, Arbeitsordnung, §§ 60,61 HGB.,

«124b, 134 GO.). Im Laufe der Zeit war die AZBO. vom 21.12. 23 zahlreichen Angriffen sowohl von Arbeitgeber- wie auch

von Arbeitnehmerseite ausgesetzt.

Bon Arbeitnehmer­

seite wurde eingewendet:

a) Die nach der AZBO. möglichen und vielfach in An­ spruch genommenen langen Arbeitszeiten seien sozial­

politisch bedenklich und mit der bestehenden Arbeits­

losigkeit nicht vereinbar. b) Tarifverträge würden von Arbeitgebern gekündigt, um eine längere, nach § 6 zulässige Arbeitszeit be­

willigt zu erhalten. c) Unter der Geltung der AZBO. seien vielfach die

vor ihrem Inkrafttreten üblichen Lohnzuschläge für die über 48 Stunden

wöchenUich

hinausgehende

Arbeitszeit in Fortfall gekommen.

d) Die Mehrarbeit über 10 Stunden müsse stets von der behördlichen Genehmigung abhängig gemacht

werden. e) Die Möglichkeit, eine an sich ungesetzliche, aber von den

Arbeitnehmern

freiwillig

geleistete

Arbeit

unter Umständen straffrei zu lassen, hätte zu großen

Einführung in die Arbeitszettgesetzgebong.

33

Unzuträglichkeiten geführt. (Diese Vorschrift bildete die Hauptursache für die vielfachen Klagen und

Beschwerden über allzu lange Arbeit-zeiten.)

Von Arbeitgeberseite wurde betont: a) Die Überschreitung der Zehnstundengrenze sei für

gewisse Gewerbezweige, für die sie bisher unmöglich wäre, bisweilen erforderlich.

Z. B. Steinkohlen­

bergbau. b) Das Bedürfnis, einzelnen Arbeitern gewisse Borund Nacharbeiten auch über zehn Stunden hinaus

zu gestatten, sei unabweisbar. Aus den Erwägungen heraus, zu denen diese Klagen

der Arbeitnehmer und Arbeitgeber anregten, und zugleich auch in der Erkenntnis, daß durch die überhandnehmende Überstundenarbeit ihr Arbeitsbeschaffungsprogramm (RT.-

Drucks. Nr. 2921, III. WP. 1924/27 — und Erlaß des ReichS-

arbeitSministers vom 9.11. 26 — RABl. S. 373, abgedruckt S. 196 unten) gefährdet sei, entschloß sich die ReichSregie-

rung, den Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung der AZBO. (RT.-Drucks. Nr. 3245, III. WP. 1924/27) mit folgender Begründung vorzulegen: „Die ungünstigen Verhältnisse aus dem Arbeitsmarkte

haben in letzter Zeit die Klagen immer lauter werden lassen, daß die nach

der gellenden

ArbeitSzellregelung

möglichen und vielfach in Anspruch genommenen langen Arbeitszeiten sozialpolllisch bedenklich und mit

der be­

stehenden Arbeitslosigkeit nicht vereinbar seien. Die Reichs­

regierung ist bemüht gewesen,

die

Berechtigung dieser

Klagen zu prüfen, indem sie durch eine Erhebung der ReichSarbeitsverwattung die tatsächliche Dauer der ArbeitS-

zeit in einigen wichtigen Industrien seststellen ließ. Günther-Schneider, Arbetts zett schütz.

3

Diese

34

ArbettSzettschutz.

Erhebung konnte bei ihrer Schwierigkeit und bei der Be­

schränkung der zur Verfügung stehenden Zeit nur einen

verhältnismäßig kleinen Dell der Industrie umfassen und deshalb kein vollständiges Blld liefern.

Sie ist im RABl.

Nr. 5 vom 10. 2. 27 veröffentlicht. Auch diese Teilerhebung bestätigt die Klage über den großen Umfang der über­

arbeit in gewissen Industrien, wenngleich Mißbrauche nicht in dem Umfang sestgesteltt wurden, wie vielfach angenommen worden war.

Der schon im Laufe des letzten Jahres unternommene Versuch, im Verwaltungsweg eine Einschränkung der über­ arbeit und eine strengere Durchführung der ArbeitSzeit-

vorschristen zu erreichen, hat sich nicht als ausreichend er­ wiesen. Auch die weitere Durchführung des § 7 der Arbeits­ zeitverordnung, auf Grund dessen in letzter Zeit für einige besonders gesundheitsgefährliche Gewerbezweige verschiedene

neue Ausführungsverordnungen ergangen sind, genügt nicht, da sich die Verordnungen nur in den beteiligten Industrie­ zweigen auswirken.

Unter diesen Umständen hat sich die Reichsregierung, entsprechend der von ihr kürzlich in der Regierungserklärung

gegebenen Zusage, zu einer sofortigen Abänderung der Arbeitszeitverordnung

entschlossen.

Sie

war sich

von

vornherein darüber klar, daß diese Abänderung nicht so weit gehen könne, wie sie der neuerdings im Reichstag

von

einer

Fraktion

eingebrachte

Jnitativgesetzentwurf

fordert, der, von den sonstigen erhobenen Forderungen ganz abgesehen, jede produktive Mehrarbeit mit einem

Schlage rechUich beseitigen würde.

Eine derartig starre

Durchführung des Achtstundentags würde der deutschen Wirtschaft Lasten auserlegen, die sie heute nicht zu tragen

Einführung in die ArvettSzettgefetzgebuug.

36

vermag. Sie ginge nicht nur weit über die Regelung hinaus, die da- Washingtoner Übereinkommen über die Arbeit-zeit

vorsieht, sondern auch über alle-, waS, soweit bekannt, in

irgendeinem Lande der Welt bisher gesetzlich verwirklicht worden ist.

Eine Notregelung — und um sie allein kann

e- sich hier handeln — darf nicht das geltende ArbeitSzeit-

recht völlig umstürzen und die endgültige Regelung vorweg­

nehmen, die das bereit- dem Reichsrat vorliegende ArbeitSschutzgesetz bringen soll.

Sie muß sich vielmehr auf die

dringlichsten Abänderungen der Arbeitszeitverordnung be­

schränken, besonder- auf die Beseitigung derjenigen Vor­ schriften, die in den besonderen, bei Erlaß der Arbeitszeit­ verordnung bestehenden Ausnahmeverhältnissen ihren Grund

hatten, unter den heutigen veränderten Verhältnissen aber nicht mehr berechtigt oder erforderlich erscheinen.

Zugleich

muß die strenge Durchführung des geltenden Rechte­ stärker als bisher gesichert werden. Da- sind die Absichten, die der vorliegende Gesetzentwurf verfolgt.

Fall- sie er­

reicht werden, wird das ausreichen, um bestehende Miß­

stände zu beseitigen und einen bis zum Inkrafttreten einer endgültigen gesetzlichen Regelung erträglichen Zustand zu schaffen."

Wegen der Dringlichkeit der Vorlage wartete die Reichs­ regierung eine Begutachtung durch den Reichswirtschaftsrat

vor Weitergabe an den Reichsrat nicht erst ab. Da- Gesetz löste bereüs im Reich-rat die heftigsten Kämpfe aus, die am 2.4.27 bei der 1. Beratung im Plenum

de- Reichstags (304. Sitzung) fortgesetzt wurden, wo der Reichsarbeitsminister die Vorlage nochmals eingehend be­

gründete. Vom Ausschuß wurde das Gesetz am 6. und 7.4. beraten und zunächst nur ein mündlicher Bericht erstattet

y

36

«rbett-zettfchutz

(RT.-Drucks. Nr. 3338, III. WP. 1924/27). — Später er-

folgte schriftlicher Bericht (RT.-Drucks. Nr. 3392). — Nach lebhaftesten Auseinandersetzungen wurde das Gesetz vom Reichstag am 8. 4. 27 (309. Sitzung) gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Demokraten, Kommunisten und der

Wirtschaftlichen Bereinigung verabschiedet.

DaS Gesetz will der endgültigen Regelung durch das ASchG. nicht vorgreifen, sondern stellt lediglich eine Not­

regelung dar, daher heißt es allgemein Arbeitszeitnotgesetz. Mit den durch dieses Gesetz erfolgten Änderungen

wurde die AZBO. neugefaßt und als Verordnung über die

Arbeitszeit vom 14. 4. 27 im RGBl. S. HO ver­

öffentlicht.

Inhalt der neuen AZBO. A. Grundsatz: Achtstundentag. B. Ausnahmen: a) kraft Gesetzes:

1. Umlegung ausgefallener Arbeitsstunden ($ 1), 2. Mehrarbeit nach Wahl des Arbeitgebers an 30 Tagen

(§3),

3. Jnstandhaltungs- und Reinigungsarbeiten u. a. (§ 4), — 1 bis 3: Arbeitszeit bis 10 Stunden, zu l ev. auch über 10 Stunden —

4. Notfälle, außerordentliche Fälle, Gefährdung des Arbeitsergebnisses,

unverhältniSmäßiger

Schaden

(§ 10), 6. Vorbereitung--und ErgänzungSarbeiten (außer §7); — 4 und 6: zulässige Arbeitszeit über 10 Stunden —

Einführung in die ArbettS-eUgesetzgebung.

37

b) kraft Tarifvertrag- ($ 6): Arbeit-zeit über 10 Stunden nicht zulässig;

c) mit behördlicher Genehmigung:

1. Mehrarbeit für einzelne Betriebe (§ 6): a) au- betriebstechnischen Gründen, ß) aus allgemein wirtschaftlichen Gründen; — Arbeitszeit bis zu 10 Stunden — 2. Mehrarbeit über 10 Stunden: aus dringenden Gründen des Gemeinwohls tauch $7); zu a) und c):

für Gewerbezweige oder Gruppen von beitern, die unter besonderen Gefahren Leben und Gesundheit arbeiten ($ 7):

Ar­ für

1. auS dringenden Gründen des Gemeinwohl-, — Arbeitszeit 10 ev. über 10 Stunden (dann behörd­ liche Genehmigung) — 2. falls die Überschreitung in langjähriger Übung sich als unbedenklich erwiesen hat, — Arbeitszeit bis zu 8% Stunden —. C, Nach Ablaus einer tarifvertraglichen Regelung der Arbeitszeit ist innerhalb der nächsten 3 Monate keine längere Arbeitszeit als im Tarifvertrag zugelassen (§ 6). D. Für Mehrarbeit ist als angemessene Vergütung grundsätzlich ein Ausschlag von 25% zu zahlen (§ 6a).

Diese Verpflichtung besteht nicht: a) wenn 48-Stunden-Woche nicht überschritten, b) bei Arbeitsbereitschaft (§ 2), c) bei Borbereitungs- und ErgänzungSarbeiten (§4),

38

«rbett-zeitschntz.

d) sofern e- sich um Notfälle ober Naturereignisse u. a.

($ 10, j 6 Abs. 1 Satz 1, L. Teil) handelt,

e) bei Saisonarbeiten, sofern Ausgleich stattfindet. E. Befreiung

der weiblichen Arbeitnehmer während

der Schwangerschaft und der Stillzeit auf Wunsch ijetzt

Muß-Borschrift, früher „tunlichst-). F. Strafbestimmungen: Auch die Zulassung der freiwillig geleisteten Mehr­ arbeit ist jetzt strafbar (§ 11).

Das

ist

die

wichtigste

Änderung

durch

da-

AZNG.

G. Die AZBO. ist ein Schutzgesetz für die Arbeit­ nehmer, sie regelt nur die öffentlich-rechtliche Seite deArbeitszeitschutzes, greift in das VertragsverhältniS nicht ein. Es ist kein Arbeitszwanggesetz, an sich ist niemand zur Arbeitsleistung verpflichtet.

Ohne Zweifel bringt die durch das AZNG. geänderte AZBO. gegenüber der alten Fassung sozialpolitische Ver­

besserungen, indem bestehende Mißstände beseitigt worden sind und ein erträglicher Zustand bis zur endgültigen Rege­ lung durch das ASchG. Platz greift. Zur größeren Über­ sichtlichkeit der geltenden Arbeitszeitbestimmungen hat die

neue BO. keineswegs geführt; sie trägt durchaus den Cha­ rakter einer im Wege des Kompromisses erzielten Gesetzes­ maßnahme.

Aber das mag hingenommen werden, da,

wie bereits oben erwähnt, es sich um eine Notregelung handelt, die der endgültigen Lösung durch das neue ASchG.

harrt, von dem die Arbeitgeber und Arbeitnehmer da-

Beste erhoffen, damit endlich einmal der Kampf um die Arbeitszeit,

daS umstrittenste Problem

der Sozialpolitik,

Einführung in die «rdettS-eUgesetzge-ung. abgeschlossen werden kann.

39

Der zurzeit dem Vorläufige«

Reichswirtschaftsrat vorliegende Entwurf des Arbeitsschutz­

gesetzes, aus dem bereits mehrere Bestimmungen in der neuen AZBO. Ausnahme gefunden haben, besteht aus fünf Ab­ schnitten, von

denen

der erste

allgemeine Vorschriften

enthüll, der zwette den BetriebSgesahrenschutz -um Gegen­

stände hat, während der dritte die ArbeitSzett, der viette die Sonntagsruhe, der fünfte den Ladenschluß behandelt.

Im sechsten Abschnitt ist die Arbeitsaufsicht, im siebenten

die Durchführung des Gesetzes geregelt.

Der hier vor»

nehmlich in Bettacht kommende dritte Abschnitt über die

ArbellSzeit enthält Vorschriften a) allgemeiner Art, b) über

erhöhten Schutz für weibliche und jugendliche Arbeitnehmer, c) über das Nachtbackverbot, d) über die Durchführung der

arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen.

Die Grundgedanken der Neuregelung sind nach der amt­ lichen Begründung folgende: „Anlaß, eine Neuordnung des Arbeitsschutzes im gegen­ wärtigen Zeitpunkt in Angriff zu nehmen, bot die not­

wendig gewordene endgültige Regelung der ArbellSzeit.

Die Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1923 hat,

wie es die Verordnung selbst in ihrer Einleitung zum Aus­ druck bringt und auch die Reichsregierung seitdem mehrfach

anerkannt hat, nur eine vorläufige Regelung getroffen. Eine endgülttge Regelung im Wege der ordentlichen Gesetz­

gebung sollte diese die Arbeitnehmerschaft im besonderen

Maße berührende Frage erfahren, sobald eine hinreichende Klärung der wittschaftlichen Verhältnisse eingetreten wäre. Die mit der Neuordnung der Währung eingeleitete Be­ festigung der Wirtschastsverhättnisse in den letzten drei Jahren läßt die Inangriffnahme der Arbell geboten er-

40

«rbettSzettschutz.

scheinen.

Eine Reihe von Gewerbezweigen hat -war noch

mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Der Entwurf sucht jedoch auch den Bedürfnissen dieser

Gewerbezweige Rechnung zu tragen und die gesamte Rege­ lung so auszugestalten, daß sie auch in wirtschaftlich un­

günstigen Zeiten die nötige Bewegungsfreiheit gibt.

Die

gesetzliche Regelung wird eine Reihe von Streitfragen aus

dem Gebiet der Arbeitszeit beseitigen, die sonst kaum ohne

schwere Erschütterung des Wirtschaftslebens zwischen den

Beteiligten ausgetragen werden würde.

Sie wird eS

schließlich ermöglichen, von der Durchführung des $ 7 der

Arbeitszeitverordnung für alle in Frage kommenden Ge­

werbezweige mit den daraus erwachsenden großen Schwie­

rigkeiten abzusehen.

Hinzu kommt, daß die Arbeitszeit­

regelung auch in den Vordergrund internationaler Erörte­

rungen gerückt ist, die eine Nachprüfung erforderlich machen,

ob die deutsche Wirtschaftslage eine dem Washingtoner Übereinkommen über die Arbeitszeit entsprechende gesetz­ liche Regelung der Arbeitszeit gestattet."

(S. 34.)

„Die Arbeitszeitverordnung von 1923 war von vorn­ herein nur als eine vorläufige Regelung gedacht und als solche gekennzeichnet.

Sie ist auch in ihrer engen An­

lehnung an die von ihr wieder in Kraft gesetzten Demobil­

machungsverordnungen in keiner Weise geeignet, die deut­ schen Arbeitszeitverhältnisse

endgültig zu

regeln.

Ab­

gesehen von der unbefriedigenden Tatsache, daß eines der wichtigsten Gebiete des Arbeitsrechts nicht im Wege der ordentlichen Gesetzgebung geregelt ist, hat die Arbeitszeit­ verordnung insbesondere auch die Undurchsichtigkeit des

bisherigen Zustandes aufrecht erhalten, die sich aus dem Nebeneinanderbestehen

der

Vorschriften

der

Gewerbe-

Einführung in bie Arbeitszeitgesetzgebung.

41

Ordnung und der Bestimmungen der Demobilmachungs-

verordnungen ergibt.

Diese Undurchsichtigkeit ist durch die

neue Arbeitszeitverordnung sogar noch

erhöht

worden,

indem sie neben die wieder in Kraft gesetzten früheren Be­

stimmungen ihre eigenen Vorschriften setzt, ohne dabei das Verhältnis der sich häufig widersprechenden Bestimm

mungen zueinander klar zu regeln. ArbeitSzeitverordnung auch

auf.

Daneben weist die

erhebliche Mängel

inhaltlich

Sie gibt auf Grund der Demobilmachungsverord-

nungen sehr weitgehende, jetzt den obersten Landesbehörden

zustehende Ausnahmebefugnisse, die zwar in einer Zeit

größter Umwälzungen notwendig waren, die aber aus die Dauer unerträglich erscheinen.

Außerdem erscheint es,

wie schon oben ausgesührt ist, auf die Dauer nicht angängig, daß über den Arbeitsschutz, der in erster Linie Sache der öffentlich-rechtlichen Regelung ist, die Tarifvertragsparteien

nach fast unbegrenztem Belieben entscheiden."

(S. 47.)

„Bei der Aufstellung des vorliegenden Entwurfs ist von dem Grundgedanken ausgegangen, daß bei der Neuregelung

der Arbeitszeit auf der einen Seite den Bedürfnissen des deutschen Wirtschaftslebens Rechnung zu tragen

ist, daß diese aber mit den schon bisher weitgehend ver­ wirklichten

Anforderungen

Einklang zu bringen sind. einer

Ratifizierung

im Auge behalten.

des

der

Sozialpolitik

in

Dabei wurde die Möglichkeit

Washingtoner

Übereinkommens

Das Ergebnis ist der vorliegende Ent­

wurf, der in Anknüpfung an den bisherigen Rechtszustand den berechtigten Bedürfnissen der Wirtschaft weitgehend

entgegenkommt, zugleich aber auch die Arbeitnehmerschaft vor einer zu weitgehenden Ausnutzung der Arbeitskraft schützt und den mit der Einführung des Achtstundentags

42

ArbeitSzettschutz.

erreichten Kulturfortschritt innerhalb der möglichen Grenzen sichert." (©. 49.) DaS eben erwähnte Washingtoner Übereinkom­ men ist daS erste von den sechs Übereinkommen, welche die allgemeine Konferenz der durch Tell XIII des Vertrags von Versailles begründeten Internationalen Arbeitsorganisation auf ihrer ersten Tagung in Washington im November 1919 neben sechs Vorschlägen über Arbeits­ schutzmaßnahmen angenommen hat. Die Übereinkommen sind:

1. Entwurf eines Übereinkommens, betreffend die Fest­ setzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich. 2. Entwurf eines Arbeitslosigkeit.

Übereinkommens,

betreffend

die

3. Entwurf eines Übereinkommens, betreffend die Be­ schäftigung der Frauen vor und nach der Niederkunft.

4. Entwurf eines Übereinkommens, Nachtarbeit der Frauen.

betreffend

die

6. Entwurf eines Übereinkommens, betreffend daMindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit.

6. Entwurf eines Übereinkommens, Nachtarbeit der Jugendlichen.

betreffend

die

Bon den sechs Übereinkommen sind hier außer Nr. 1 die unter Nr. 3, 4 und 6 aufgeführten von besonderer Bedeu­ tung; hiervon hat Deutschland dem unter 3 genannten durch Gesetz vom 16. Juli 1927 -»gestimmt (RGBl. II S. 497). Vgl. auch das entsprechende Gesetz über die Beschäf­ tigung vor und nach der Niederkunft, ebenfalls

Einführung in die ArVettS-eitgesetzgÄuvg.

vom 16. Juli 1927 (RGBl. 6.184).

43

Da- Übereinkommen

über den Achtstundentag (Nr. 1) ist alS wichtigste- 6.347 abgedruckt.

Der Stand der Ratifizierung diese- Übereinkommens in den anderen beteiligten Ländern ist zurzeit folgender: In England ist die Frage der Ratifikation noch nicht

geklärt, Frankreich totU erst ratifizieren, fall- Deutschland eS tut,

Belgien

hat

auf

Grund

de-

Gesetze- vom

14. Juni 1921 ohne Vorbehalt am 4. August 1926 ratifi­ ziert, während Italien im Jahre 1924 unter dem Vor­

behalt ratifiziert hat, daß die Ratifikation erst in -rast

tritt, sobald Belgien, Frankreich, Deutschland, die Schweiz

und Großbritannien ratifizieren. Unter ähnlichem Borbehalt hat Österreich ratifiziert. Die Schweiz hat bi-her eine Rattfikatton abgelehnt, die Tschechoslowakei hat im

August 1921 ratifiziert ohne Vorbehalt.

In Schweden

für die nächste Zeit kaum zu

ist eine Rattfikatton

er­

matten; auch für Amerika kommt eine Rattfikatton zurzeit nicht in Frage, da diese- Land der Internationalen ArbeitS-

organisatton bisher

nicht angehött. (S. die Begründung

-um ASchG. S. 101 f.)

Was zunächst Deutschlands frühere Stellung zur Schaf­

fung eines internattonalen Arbeit-rechts anlangt, so hatte bereit- am 5. Oktober 1918 der damalige Reichskanzler in seiner

Programmrede

erklätt,

die

Deutsche

Regierung

werde bei den Fttedensverhandlungen dahin Witten, daß in die Verträge Borschttften über Arbeiterschutz und Arbeiter­

versicherung ausgenommen werden, welche die vettragschliehenden Regierungen verpflichten, in ihren Ländern binnen einer gemessenen Fttst ein Mindestmaß gleichattiger

oder doch gleichwettiger Einttchtungen zur Sicherung von

44

ArbeitSzettschutz.

Leben und Gesundheit sowie zur Versorgung der Arbeiter

bei Krankheit, Unfall und Invalidität zu treffen.

Bald

darauf begannen im ReichSarbeitSamt unter Mitwirkung des Auswärtigen Amts und des

Preußischen Handels­

ministeriums Beratungen über die Aufstellung eines sozial­ politischen Programms für den Weltfriedensvertrag.

Den

Beratungen, an denen Vertreter der Arbeitgeber und der

Gewerkschaften sowie bekannte Sozialreformer tellnahmen, lag ein Entwurf der Deutschen Gesellschaft für Bötterrecht zugrunde.

Unter Berücksichtigung der Beschlüsse der Ge-

werkschastskonferenzen in Leeds (Juli 1916) und in Bern (Oktober 1917) — diese Beschlüsse sind in dem Werke von

Stefan

Bauer

„Arbeiterschutz

und

Völkergemeinschaft",

Zürich 1918, Druck und Verlag von Orell Füßli, zusammen­

gestellt — kam ein in 27 Punkte gegliedertes Programm zustande, das nicht nur, wie die Ankündigung des Reichs­ kanzlers vom 5. Oktober 1918 erwarten ließ, Sozialver­ sicherung und Arbeiterschutz umfaßt, sondern auch für das Arbeitsrecht — im engeren Sinne — gewisse Grundsätze

ausspricht.

Besonders eingehend beschäftigt sich das Programm

mit dem Arbeiterschutze.

Der

Achtstundentag

wird

für alle Arbeiter in gewerblichen Betrieben fest­ gelegt; die Nachtarbeit zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr

morgens wird grundsätzlich verboten.

Den Arbeitern ist

wöchentlich eine zusammenhängende Ruhepause von min­

destens 32 Stunden zu gewähren. Weitere Punkte betreffen den Schutz der weiblichen Arbeiter, insbesondere der Wöch­

nerinnen und das Alter für die Zulassung von Kindern zur Lohnarbeit (Drucks, der Nationalversammlung Nr. 215, S. 35).

Einführung in die ArbeitSzeitgesetzgebung.

46

Dieser grundsätzlichen Bejahung der Berechtigung deS AchtftundentageS entspricht auch die jetzige Haltung der

deutschen Reichsregierung gegenüber der Ratifikation deS Washingtoner Übereinkommens, die in der RT.-Drucks.

Nr. 442, III. WP. 1924/26 klar zum Ausdruck kommt. Der Text dieser Drucksache sei im folgenden wiedergegeben.

Der Reichsarbeitsminister. IIIB 600/25.

Berlin, den 30. Januar 1925.

An das Bureau des Reichstags Berlin. Betrifft:

Reichsregierung

Übereinkommen übex

und

den

Washingtoner

Achtstundentag.

In der Anlage übersende ich ergebenst einen Sonder­

abdruck „Achtstundentag" auS dem Reichsarbeitsblatt 1924 Nr. 17 mit der Bitte, den letzten fettgedruckten Absatz

des Sonderabdrucks über die Erklärung der Reichsregie­ rung zur Ratifikation de- Washingtoner Übereinkommen-

über den Achtstundentag als Reichstagsdrucksache ver­

vielfältigen und in der Vollsitzung des Reichstags, in der der HauShall 1925 des ReichSarbeitSministeriumS zur Beratung steht, an die Herren Mitglieder des ReichStagS

verteilen zu lassen.

Im Auftrage gez. Dr. Sitzler.

Auszug: Die Reichsregierung hat die Ratifikation de- Über­ einkommens von Washington über den Achtstundentag

niemals grundsätzlich abgelehnt.

Die jetzige deutsche Ge­

setzgebung über die ArbeitSzett ist von der Reich-regierung

46

ArbeitSzettfchatz.

stets als eine Notgesetzgebung betrachtet und gekennzeich­

net worden, an der sie von vornherein nicht länger fest­ halten wollte, als e- die ganz außerordentlich schwierige

Lage Deutschlands erfordert.

Unsere Verluste, Lasten

und Bindungen infolge des Kriege- sind so viel schwerer

als die aller anderen großen Staaten, unsere wirtschaft­ liche Zukunft ist so ungeklärt, daß niemand von Deutsch­ land ein Borangehen in der Frage der Ratifizierung er­

warten kann. Das gilt um so mehr, als der Jnhatt des Übereinkommens und demnach auch daS Maß der Bin­ dung bisher in Gesetz und Praxis der einzelnen Lander

eine

sehr

verschiedene

Auslegung

gefunden

haben.

Deutschland ist gern bereit, mit den übrigen in Betracht

kommenden Staaten eine Verständigung hierüber herbeizuführen und würde sich in diesem Falle zu einer Ratifi­

kation des Washingtoner Übereinkommen- bereitfinden. Dabei muß die Reichsregierung als selbstverständlich voraussetzen, daß zur Verhütung außerordenllicher Ge­

fährdung deutscher LebenSnotwendigkeiten der Artikel 14 des Washingtoner Abkommens Anwendung findet.

Die in der obigen Äußerung des Reichsarbeitsministers angedeuteten,

der

Ratifikation

sich

entgegenstellenden

Schwierigkeiten, die hauptsächlich darin bestehen, daß das Übereinkommen nicht alle Besonderheiten des wirtschaft­

lichen

Lebens

der

verschiedenen

Länder

berücksichtigen

konnte und die Auslegung bei vielen Fragen bestritten war,

hatten bereits im September 1924 zu einer Besprechung der Arbeit-minister Deutschlands, Englands, Frankreichs und

Belgien- unter Tellnahme des Direktors de- Internationalen

Arbeitsamts in Bern geführt. Da e- in dieser Besprechung

noch nicht gelang, alle AuSlegungSzweifel zu beseitigen, kam

Einführung in die ArbettSzettgesetzgeLung.

47

es auf Anregung England- -u einer zweiten Besprechung der Arbeit-minister unter Zuziehung Italien- im März 1926

in London, deren Ergebnisse schriftlich niedergelegt sind. Sie sind S. 362 unten abgedruckt. Die Londoner Konferenz hat bei allen betelligten Regierungen den Eindruck hinter­

lassen, daß bei vernunftgemäßer und nicht zu enger Aus­ legung de- Übereinkommen- seine Ratifikation durchau-

Der Entwurf de- ASchG. ist denn auch

möglich erscheint.

nach Ansicht der Reich-regierung mit den Bestimmungen de- Übereinkommen- vereinbar, so daß bei seiner Annahme

Ratifizierung

der

Schwierigkeiten

nicht

entgegenstehen

würden (Begründung S. 48/49).

In den Rahmen der internationalen Regelung der Arbeitszeit gehören außer den erwähnten Übereinkommen da- Übereinkommen betreffend den wöchentlichen Ruhe­ tag

in

gewerblichen

Betrieben (angenommen auf

der dritten Jahrestagung in Genf 1921) und das auf der siebenten Tagung (Genf 1925) beschlossene Übereinkommen über die Nachtarbeit in Bäckereien. Dieses letztere Über­

einkommen,

daS

dem Reichstag mit Drucks. Nr. 2723,

III. WP. 1924/26 am 26. November 1926 zur Kenntnis vorgelegt ist, bedarf zu seiner Durchführung in Deutsch­

land

keinerlei

BäckBO. vom

gesetzgeberischer

Maßnahmen,

23. 11. 18 (S. 247)

da

die

allen seinen Anfor­

derungen gerecht wird. Die Reichsregierung beabsichtigt, auch an dieser Regelung

festzuhalten. Wenn im November 1926 von der Vorlegung eines Gesetzentwurfes zur Ratifizierung des Überein­

kommens abgesehen wurde, so geschah dies lediglich auS

dem Grunde, well die in der Verordnung über die Arbeits­

zeit in den Bäckereien und Konditoreien enthaltenen Be-

48

Ar-eUSzeitschutz.

stimmungen in den Entwurf des ASchG. mitübernommen

worden sind.

Da dieser neben dem Übereinkommen über

die Nachtarbeit in Bäckereien auch noch andere inter­

nationale Übereinkommen zur Durchführung bringen soll,

wird beabsichtigt, Übereinkommen

vorzuschlagen.

gemäß

die in

Ratifizierung

einem

der

gemeinsamen

entsprechenden

Gesetzentwurf

Die Vorlage erfolgte lediglich, um die Frist

Art. 405,

Abs. 5

9.12. 26) zu wahren.

des

Friedensvertrages (Ablauf

Unter diesen Umständen hatte der

Reichsarbeitsminister den Reichstag gebeten, die Be­ ratung des Übereinkommens nicht vorwegzunehmen, sondern mit derjenigen des Entwurfs des ASchG. seinerzeit

zu verbinden (RTDrs. Nr. 2723, III. WP. 1924/26).

Mwrdmmg über die Regel««- -er Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter.

Vom 23. November 1918 (RGBl. S. 1334)'. (Die

durch (]

gekennzeichneten Bestimmungen bleiben

gemäst $ 14 der Verordnung über die Arbeitszeit vom 21. De» zember 1923/14. April 1927 — s. unten @.166 — aufgehoben.)

Auf Grund des Erlasses des Rates der Volks­ beauftragten über die Errichtung des Retchsamts für die wirtschaftliche Demobilmachung (Demobil­ machungsamt) vom 12. November 1918 (Reich-« Gesetzbl. S. 1304) ergeht hiermit folgende An­ ordnung über die Regelung der Arbeitszeit' gewerblicher Arbeiter: I. Die Regelung umfaßt die gewerblichen Arbeiter' in allen gewerblichen Betrieben' ein­ schließlich des Bergbaus, in den Betrieben des Reichs, des Staates, der Gemeinden und Gemeinde­ verbände, auch wenn sie nicht zur Gewinnerzielung betrieben werden', sowie in landwirtschaftlichen Nebenbetrieben gewerblicher Art'. 1. Ergänzt und abgeändert durch BO. v. 17.12.18 (RGBl. @. 1436); der Text ist in der dadurch hergestellten Fassung

wiedergegeben. 2. Bgl. auch Aufruf v. 12.11.18 (RGBl. S. 1303). 3. Gewerblicher Arbeiter ist, wer auf Grund eines Dienst­ vertrags in einem

Gewerbebetriebe der in

Günther-Schneider, Arbeit-,eitichutz.

l. bezeichneten

4

L0

Lrbetts-eitschutz.

Art alS Geselle, Sehllfe, Lehrling, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter usw. sür Zwecke deS Gewerbebetriebs beschäftigt wird (Syrup: „Die Regelung der Arbeit-zeit, Einstellung, Entlassung und Entlohnung gewerblicher Arbeiter"; aus Ver­ anlassung des Reich-ministerium- für wirtschaftliche Demobil­ machung; Heymann 1919). S. aber auch Begriffsbestimmung in j 11 BetriebSrätegesetz. Die Vorschriften gelten nicht für Handel-angestellte, auch nicht für Perfonen, die eine wissen­ schaftliche oder künstlerische Tätigkeit auSüben. Eine Regelung der Arbeit-zeit für bestimmte Berufe er­ folgte noch durch 80. v. 23.11.18 (unten S. 247 ff.); für Angestellte durch 80. v. 18. 3. 19 (S. 78); für das Pflegepersonal in Krankenpflegeanstalten durch 8- v. 13.2.24 (S. 306). 4. Für die Landwirtschaft kommt die vorläufige Land­ arbeit-ordnung (unten S. 276) in Betracht. Auch eine Bahnhofswirtschaft stellt einen gewerblichen Betrieb dar (Urteil des Kammergerichts v. 6. 2. 23 — IW. 1924, S. 220).

Für Gärtnereien besteht eine zweifelsfreie gesetzgeberische Regelung nicht. Unter Umständen kann also die Frage der Arbeit-zeit in Gärtnereien auch durch die 8LAO. ihre Regelung erhalten (s. unten S. 276).

5. Bgl die Begriffsbestimmungen de- Betriebsrätegesetzes in 5$ 66, 67. 6. Bgl. auch 5 2 der Borläufigen Landarbeitsordnung (unten S. 280). Bisher fanden Arbeiterschutzbestimmungen in der Regel keine Anwendung auf landwirtschaftliche Nebenbetriebe.

[II.1 Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit aus­ schließlich der Pausen darf die Dauer von acht Stunden nicht überschreiten. Wenn in Abweichung hiervon durch Vereinbarung eine Verkürzung der Arbeitszeit an Vorabenden der Sonn- und Fest­ tage herbeigeführt wird, kann der Ausfall der

Regelung der AÄeitSzett gewerblicher Arbeiter.

51

Arbeitsstunden an diesen Tagen auf die übrigen Werktage verteilt werden. I 1. S. jetzt § 1 der AZVO. 6. 118.

III. Für die in verkehrsgewerben, einschließlich der Eisenbahn«, Post- und Telegraphenverwaltung' erforderlichen, durch die Zettverhältntsse bedingten, allgemeinen Ausnahmen von vorstehenden Vor­ schriften sind alsbald Vereinbarungen zwischen Be­ triebsleitungen und den Arbeitnehmerverbänden zu treffen. Sollten die Vereinbarungen nicht inner­ hall» zweier Wochen zustandekommen, bleiben weitere Anordnungen Vorbehalten. 1. Die deutschen Eisenbahnen werden jetzt in Vollzug des Art. 98 der Reich-verfassung durch ein selbständige-, eine juristische Person darstellende» wirtschaftliche» Unternehmen betrieben und verwaltet. Diese» Unternehmen ist eine Gesell-

schast mit der Firma .Deutsche Reichsbahn.Gesellschaft''