Anatomie des Menschen: Teil 1 Allgemeine Anatomie, Rücken, Bauch, Becken, Bein [2. Aufl. Reprint 2011] 9783111586687, 9783111213200

“The Waldeyer was an absolute must. [...] This book was worth its weight in gold: Didactically and with respect to conte

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German Pages 383 [388] Year 1953

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Table of contents :
Allgemeine Anatomie
Begriff und Einteilung
Die anatomische Nomenklatur
A. Die Baumaterialien des Körpers
I. Die Zelle
II. Die Gewebe
III. Blut und Lymphe
IV. Das Knochenmark
V. Herkunft und Gliederung des Baumateriales
B. Der Bauplan des menschlichen Körpers
I. Achsen und Ebenen
II. Gliederung des Körpers
III. Proportionen
C. Allgemeine Skelet- und Gelenklehre
I. Die Form der Knochen
II. Die Architektur des Knochens
III. Das Periost
IV. Die Knochenverbindungen
D. Allgemeine Muskellehre
I. Muskelmechanik und Muskelformen
II. Hilfseinrichtungen des Muskels
E. Allgemeine Gefäßlehre
I. Aufgaben und Einteilung des Gefäßsystems. Blutkreislauf
II. Mechanik des Gefäßsystems
III. Der Aufbau der Gefäßwand
IV. Die lymphatischen Apparate
V. Allgemeines Verhalten der Gefäße
VI. Übersicht über die großen Arterienstämme des Körperkreislaufes
VII. Übersicht über die großen Venenstämme des Körperkreislaufes
VIII. Die großen Lymphgefäßstämme
F. Übersicht über das Darmsystem
I. Gliederung des Darmsystems
II. Aufbau des Darmsystems
G. Übersicht über das Nervensystem
I. Das animalische oder zerebrospinale Nervensystem
II. Das autonome, vegetative oder viszerale Nervensystem
H. Die Haut und ihre Anhangsgebilde
I. Die Haut
II. Die Anhangsgebilde der Haut
Der Rücken
Begriff, Grenzen und Oberflächengestaltung
A. Die Wirbelsäule
I. Die Wirbel
II. Die Bänder und Gelenke der Wirbelsäule
III. Die Wirbelsäule als Ganzes
IV. Die Bewegungen der Wirbelsäule
V. Die Wirbelrippenverbindungen
B. Die Muskeln des Rückens
I. Die oberflächlichen oder Gliedmaßenmuskeln des Rückens
II. Die langen, tiefen oder autochthonen Rückenmuskeln
III. Die Faszien des Rückens
C. Der Wirbelkanal
I. Rückenmarkshäute, Gefäße und Räume des Wirbelkanales
II. Das Rückenmark
D. Die Gefäß- und Nervenversorgung des Rückens
Die Nackengegend
Der Bauch
A. Die Bauchwand
Beobachtung beim Lebenden und Einteilung in Regionen
I. Vordere und seitliche Bauchwand
II. Die hintere Bauchwand
Nerven- und Gefäßversorgung der vorderen und hinteren Bauchwand
III. Die obere Bauchwand. Das Zwerchfell
Zwerchfellöffnungen
B. Bauchhöhle und Bauchorgane
I. Kurzes Studium der eröffneten Bauchhöhle
II. Die Entwicklung der Gekröse
III. Die Organe des oberen Bauchraumes
IV. Gefäß- und Nervenversorgung der Organe des oberen Bauchraumes
V. Die Organe des unteren Bauchraumes
VI. Die Gefäße des unteren Bauchraumes
C. Der Situs retroperitonaealis
I. Die Organe des Retroperitonaealraumes
II. Die Gefäße und Nerven des Retroperitonaealraumes
Das Becken
A. Die Beckenwände
I. Die Knochen des Beckengürtels
II. Die Bandverbindungen des Beckens
III. Das Becken als Ganzes
IV. Die Muskeln des kleinen Beckens
V. Der Beckenboden
VI. Die Öffnungen der Beckenwände
VII. Die Gefäße und Nerven der Beckenwände
B. Der Inhalt des Beckenraumes
I. Übersicht über die Harn- und Geschlechtsorgane
II. Die Differenzierung der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane
III. Die Beckeneingeweide beim Mann
IV. Die viszeralen Gefäße und Nerven des Beckens
V. Die Beckeneingeweide bei der Frau
C. Der Damm und die äußeren Geschlechtsorgane
I. Die äußeren Geschlechtsorgane
II. Die Muskeln des Dammes
III. Die Gefäße und Nerven der äußeren Geschlechtsorgane
D. Der Bindegewebsapparat des Beckens
I. Das Bindegewebe des kleinen Beckens (Pars intrapelvina)
II. Das Bindegewebe der Dammgegend (Pars extrapelvina)
Die untere Gliedmaße
A. Systematische Anatomie der unteren Gliedmaße
I. Der Bewegungsapparat
II. Übersicht über die Arterienversorgung der unteren Gliedmaße
III. Die Venen der unteren Gliedmaße
IV. Die Lymphgefäße und -knoten der unteren Gliedmaße
V. Übersicht über die Nervenversorgung der unteren Gliedmaße
B. Topographische und angewandte Anatomie der unteren Gliedmaße
I. Die Gesäßgegend
II. Der Oberschenkel
III. Die Kniegegend
IV. Der Unterschenkel
V. Der Fuß
Sachverzeichnis
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Anatomie des Menschen: Teil 1 Allgemeine Anatomie, Rücken, Bauch, Becken, Bein [2. Aufl. Reprint 2011]
 9783111586687, 9783111213200

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A. W A L D E Y E R Anatomie des Menschen I. T E I L

Anatomie des Menschen Ein Grundriß für Studierende und Ärzte dargestellt nach systematischen, topographischen und praktischen Gesichtspunkten von P R O F . D R . MED. E T P H I L .

A.

WALDEYER BERLIN-MARIEN FELDE

I. T E I L Allgemeine Anatomie / Rücken / Bauch / Becken / Bein

Mit 271, meist farbigen Abbildungen

II.

AUFLAGE

BERLIN

1953

W A L T E R DE GRUYTER & CO. VORMALS G. J. G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G - J. G U T T E N T A G , V E R L A G S B U C H H A N D L U N G - G E O R G R E I M E R — K A R L J. T R Ü B N E R — V E I T & C O M P .

Verlagsarchiv

Alio Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Copyright 1953 b y W a l t e r d e G r u y t e r & C o . vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit Sc Comp. Berlin W 35, Genthiner Straße 13 Arohiv-Nr. 5124 53 Printed in Austria Druck von Globus I I in Wien VI

ν

V o r w o r t Es ist nicht die Aufgabe eines Grundrisses der Anatomie, das gewaltige Tatsachenmaterial der großen anatomischen Lehr- und Handbücher auf möglichst engem Raum zusammenzudrängen. Ein Grundriß soll vielmehr eine Sichtung des Stoffes vornehmen, das Wesentliche herausschälen, durch Darstellung, Druck, Bild usw. hervorheben und das weniger Wichtige zurückdrängen. Nur so kann er dem Anfänger, der in der Fülle der systematischen Tatsachen zu ersticken droht, ein Führer sein. Richtschnur für die Auswahl und Anordnung des Stoffes muß der Gesichtspunkt sein, daß es die vornehmste Aufgabe der Anatomie ist, dem Arzte das nötige Rüstzeug für sein praktisches Handeln zu geben. Es wurde deshalb der Versuch unternommen, schon frühzeitig von der systematischen Anatomie zur topographischen Anatomie, von der Analyse zur Synthese vorzudringen, den Bau des lebenden Menschen zu erfassen. Es erschien mir notwendig, den spröden Stoff der Anatomie durch Betonung funktioneller Zusammenhänge und durch Hinweise auf Nachbargebiete, auf die Physiologie, Pathologie und Klinik zu beleben. Manchem mag diese Art der Darstellung unwissenschaftlich erscheinen. Doch weiß ich aus Erfahrung, wie gerade der strebsame Student aufhorcht, wenn er auch nur kleine Hinweise auf Anwendungsmöglichkeiten, die er auch ohne genauere Kenntnis des Krankheitsbildes verstehen kann, erhält. Entwicklungsgeschichtliche und vergleichend anatomische Tatsachen sind nur so weit (meist im Kleindruck) eingeflochten, wie es für das Verständnis endgültiger Formen und zur Erklärung von Varietäten notwendig erscheint. Die Zellen- und Gewebelehre wird in einem allgemeinen Abschnitt über die Baumaterialien des Körpers vorausgeschickt. Die mikroskopische Anatomie der Organe ist nur kurz im Kleindruck abgehandelt und an Hand schematisierter Übersichtsbilder nur dort etwas eingehender besprochen, wo es für das Verständnis der Funktion eines Organes notwendig ist. Zum Studium dieser Gebiete muß der Student im allgemeinen auf die speziellen Lehrbücher zurückgreifen. Es entspricht der Absicht des Verlages, wenn dem Text eine große Zahl von Abbildungen beigegeben wurde. Sie sollen nicht mit den Abbildungen bewährter Atlanten und Lehrbücher wetteifern. Sie gestatten aber die knappe Fassung des Textes und ermöglichen es, daß der Grundriß auch ohne Zuhilfenahme größerer Werke verwendet werden kann. Größtenteils sind sie nach eigenen Präparaten und solchen der Sammlung des Anatomischen Institutes zu Berlin von den Herren Eifler, Dr. Laabs, Dr. Loeschmann, Massias, Sieland und Sprenger gezeichnet. Ein kleiner Teil wurde unverändert oder umgezeichnet übernommen.

VI

Vorwort

Grundsätzlich werden die neuen anatomischen Namen verwendet. Wo diese stark von den alten Namen abweichen, sind die alten in eckigen Klammern hinzugefügt. Vielen habe ich für freundliche Hilfe zu danken. Herr Prof. Stieve stellte die Mittel des Institutes zur Verfügung, Herr Prof. Fahrenholz gab mir manchen wertvollen Rat bei der Herstellung der Zeichnungen, Herr Prof. v. Herrath überließ mir sein Schema des Milzkreislaufes und überarbeitete das Milzkapitel, Herr Doz. Dr. Groth und Herr Oberpräparator Seifert unterstützten mich bei mancher technischen Arbeit, Herr Oberassistent Dr. Wodtke und Fräulein Dr. Redslob lasen die Korrekturen, Frau E. Kämmerling half bei der Aufstellung des Sachregisters. Den Herren Zeichnern fühle ich mich zu besonderem Dank verpflichtet für die verständnisvolle Zusammenarbeit und große Sorgfalt. Mit Verehrung und Dankbarkeit gedenke ich meiner anatomischen Lehrer, besonders Rudolf Ficks und Wilhelm v. Möllendorffs, wenn ich auch in der Art der Darstellung eigenwillige Wege gegangen bin. B a b e l s b e r g , im Februar 1942.

A. W a l d e y e r

Vorwort

zur

Ii. A u f l a g e

Mein Versuch, in einem Grundriß der Anatomie schon frühzeitig von der systematischen zur topographischen und angewandten Anatomie vorzudringen und durch Betonung funktioneller Zusammenhänge die Verbindungen zur Physiologie, Pathologie und Klinik herzustellen, fand einen solchen Widerhall, daß die I. Auflage innerhalb eines Jahres vergriffen war. Bereits 1943 lag die II. Auflage im Umbruch vor. Nachdem sie in Leipzig ein Opfer des Bombenkrieges geworden war, begann der Verlag unter großen Mühen und Opfern in Wien mit dem Satz. Anfang 1945 lagen beschriftete Klischees, Fahnenkorrekturen und ein Teil der Druckbogen im Umbruch vor. Acht Jahre gingen dahin, bis all die natürlichen und künstlichen Schwierigkeiten überwunden waren und der Druck vollendet werden konnte. Für all die Mühen und finanziellen Opfer bin ich dem Verlag zu besonderem Dank verpflichtet. Möge das Buch zu den alten Freunden noch zahlreiche neue gewinnen. Berlin-Marienfelde, im Oktober 1953.

A.

Waldeyer

VII

Inhalt Seite

Allgemeine Anatomie

1

Begriff und Einteilung

1

Die anatomische Nomenklatur

3

A. Die B a u m a t e r i a l i e n des K ö r p e r s

3

I. Die Zelle

3

II. Die Gewebe

9

1. Das Epithelgewebe

IO

2. Das Binde- und Stützgewebe

T

a) Die Bestandteile des Bindegewebes

4

Μ

α) Die Zellen ß) Die Fasern γ) Die amorphe Grundsubstanz

16

·

7

I

b) Die Formen des Bindegewebes

17

c) Die Formen des Stützgewebes

20

α) Das Knorpelgewebe

20

ß) Das Knochengewebe. .

22

Die Knochenentwicklung.

24

3. Das Muskelgewebe

27

4. Das Nervengewebe

29

I I I . Blut und Lymphe

36

IV. Das Knochenmark

39

V. Herkunft und Gliederung des Baumateriales B. D e r B a u p l a n des m e n s c h l i c h e n K ö r p e r s I. Achsen und Ebenen I I . Gliederung des Körpers I I I . Proportionen

40 44 44 46 46

VIII

Inhalt Seite

C. A l l g e m e i n e

S k e l e t - und Gelenklehre

I. Die Form der Knochen II. Die Architektur des Knochens

48 49 50

III. Das Periost

50

IV. Die Knochenverbindungen

51

1. Die Fugen

51

2. Die Gelenke

52

D. A l l g e m e i n e

Muskellehre

I. Muskelmechanik und Muskelformen II. Hilfseinrichtungen des Muskels E. A l l g e m e i n e

Gefäßlehre

I. Aufgaben und Einteilung des Gefäßsystems. Blutkreislauf

55 55 58 59 59

II. Mechanik des Gefäßsystems

60

III. Der Aufbau der Gefäßwand

61

IV. Die lymphatischen Apparate

64

V . Allgemeines Verhalten der Gefäße V I . Übersicht über die großen Arterienstämme des Körperkreislaufes V I I . Übersicht über die großen Venenstämme des Körperkreislaufes

66 69 70

V I I I . Die großen Lymphgefäßstämme

70

F. Ü b e r s i c h t ü b e r d a s D a r m s y s t e m

71

I. Gliederung des Darmsystems II. Aufbau des Darmsystems G. Ü b e r s i c h t ü b e r d a s N e r v e n s y s t e m I. Das animalische oder zerebrospinale Nervensystem II. Das autonome, vegetative oder viszerale Nervensystem

72 73 74 75 76

1. Der Sympathikus

80

2. Der Parasympathikus

82

H. D i e H a u t u n d i h r e A n h a n g s g e b i l d e

85

I. Die Haut II. Die Anhangsgebilde der Haut

85 88

1. Die Drüsen

88

2. Die Haare

89

3. Die Nägel

90

Inhalt

IX Seite

Der Rücken

91

Begriff, Grenzen und Oberflächengestaltung



Α. D i e W i r b e l s ä u l e

93

I. Die W i r b e l

93

1. Die G r u n d f o r m des Wirbels

93

2. Die B r u s t w i r b e l

94

3. Die Halswirbel

95

4. Die Lendenwirbel

97

5. D a s K r e u z b e i n

98

6. D a s Steißbein

99

II. Die B ä n d e r und Gelenke der Wirbelsäule

99

1. Die Zwischenwirbelscheiben und B ä n d e r

99

2. Die Zwischenwirbelgelenke

101

3. Die Verbindungen der Wirbelsäule m i t dem K o p f

101

I I I . Die Wirbelsäule als Ganzes

103

I V . Die Bewegungen der Wirbelsäule

104

V . Die Wirbelrippenverbindungen

B. D i e M u s k e l n

des

105

Rückens

106

I. Die oberflächlichen oder Gliedmaßenmuskeln des R ü c k e n s II. Die langen, tiefen oder autochthonen R ü c k e n m u s k e l n 1. Lateraler Muskelstrang

109 110

2. Medialer Muskelstrang

112

3. Die kurzen N a c k e n m u s k e l n

113

4. R ü c k e n m u s k e l n ventraler H e r k u n f t

114

I I I . Die Faszien des R ü c k e n s

114

C. D e r W i r b e l k a n a l

115

I. R ü c k e n m a r k s h ä u t e , Gefäße und R ä u m e des W i r b e l k a n a l e s II. D a s

- D. D i e

106

Rückenmark

115 117

1. F o r m und L a g e

117

2. D e r A u f b a u des R ü c k e n m a r k s und die N e r v e n b a h n e n

118

a) Die Zellen und Zellgruppen des R ü c k e n m a r k s

119

b) Die weiße Substanz

122

α) Die aufsteigenden B a h n e n

122

ß) Die absteigenden B a h n e n

124

Gefäß-

und

Die N a c k e n g e g e n d

Nervenversorgung

des

Rückens

126 127

χ

Inhalt Seite

Der Bauch

129

A. D i e B a u c h w a n d Beobachtung beim Lebenden und Einteilung in Regionen I. Vordere und seitliche Bauchwand 1. Oberflächliche Schichten

129 129 131 131

2. Die Bauchmuskulatur

133

3. Die Binnenschichten (Fascia transversalis und Peritonaeum)

137

4. Leistenband, Leistenkanal und Samenstrang

139

I I . Die hintere Bauchwand Nerven- und Gefäßversorgung der vorderen und hinteren Bauchwand I I I . Die obere Bauchwand. Das Zwerchfell

141 143 146

Zwerchfellöffnungen

149

B. B a u c h h ö h l e u n d B a u c h o r g a n e

150

I. Kurzes Studium der eröffneten Bauchhöhle II. Die Entwicklung der Gekröse I I I . Die Organe des oberen Bauchraumes 1. Der Magen

150 159 163 164

2. Der Zwölffingerdarm

167

3. Die Leber

164

4. Gallenblase und Gallenausführungswege

173

5. Die Bauchspeicheldrüse

178

6. Die Milz

175

IV. Gefäß- und Nervenversorgung der Organe des oberen Bauchraumes

179

1. Die Arterien

179

2. Die Venen

180

3. Die Lymphgefäße

182

4. Die Nerven

183

V. Die Organe des unteren Bauchraumes

183

1. Der Dünndarm

183

2. Der Dickdarm

187

VI. Die Gefäße des unteren Bauchraumes

191

ι . Die Arterien und Venen

191

2. Die Lymphgefäße vom Dünn- und Dickdarm

193

Inhalt

XI Seite

C. D e r S i t u s r e t r o p e r i t o n a e a l i s I. Die Organe des Retroperitonaealraumes 1. Nieren

193 194 194

a) Form, Lage und Bestandteile

194

b) Hüllen und Befestigungsmittel

196

c) Übersicht über den mikroskopischen Aufbau

197

2. Die Harnleiter

200

3. Die Nebennieren

201

II. Die Gefäße und Nerven des Retroperitonaealraumes

202

χ. Die Bauchaorta

202

2. Die untere Hohlvene

204

3. Die Lymphknoten und Lymphgefäße

205

4. Die Nerven

206

Das Becken

207

A. D i e B e c k e n w ä n d e I. Die Knochen des Beckengürtels I I . Die Bandverbindungen des Beckens

207 207 209

1. Die Schamfuge

209

2. Das Kreuzdarmbeingelenk

210

3. Die Kreuzsteißbeinverbindung

212"

I I I . Das Becken als Ganzes

212

1. Maße des weiblichen Beckens

212

2. Geschlechtsunterschiede des Beckens

214

3. Die Beckenneigung

215

IV. Die Muskeln des kleinen Beckens V. Der Beckenboden V I . Die Öffnungen der Beckenwände V I I , Die Gefäße und Nerven der Beckenwände B. D e r I n h a l t d e s B e c k e n r a u m e s I. Übersicht über die Harn- und Geschlechtsorgane 1. beim Mann

216 217 222 223 224 225 225

a) Die männlichen Harnorgane

225

b) Die männlichen Geschlechtsorgane

225

2. bei der Frau

225

a) Die weiblichen Harnorgane

225

b) Die weiblichen Geschlechtsorgane

226

Inhalt

XII

Seite

II. Die Differenzierung der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane

226

1. Die Differenzierung der inneren Genitalien

226

2. Die Differenzierung der äußeren Genitalien

229

III. Die Beckeneingeweide beim Mann

229

1. Der Mastdarm

229

2. Harnblase und Harnleiter

231

3. Die inneren männlichen Geschlechtsorgane

235

a) Hoden und Nebenhoden

235

b) Samenleiter, Samenstrang und Bläschendrüse

238

c) Prostata und Pars prostatica der Harnröhre

*

d) Lage und Bauchfellbeziehungen der Bsckenorgane IV. Die viszeralen Gefäße und Nerven des Beckens

239 240 242

1. Die viszeralen Äste der A. ilica interna

242

2. Die Venen des kleinen Beckens

243

3. Die vegetativen Nervengeflechte des kleinen Beckens

243

V. Die Beckeneingeweide bei der Frau

244

1. Der Mastdarm

244

2. Harnblase, Harnröhre und Harnleiter

244

3. Die inneren weiblichen Geschlechtsorgane

245

a) Lage und Bauchfellbeziehungen

245

b) Der Eierstock

246

c) Der Nebeneierstock

249

d) Der Beieierstock

249

e) Der Eileiter

249

f) Die Gebärmutter

250

g) Die Scheide

253

4. Die zyklischen und Schwangerschaftsveränderungen am weiblichen Genitale

. 254

a) Veränderungen an der Uterusschleimhaut

254

b) Veränderungen in der Muskelwand des Uterus

255

c) Veränderungen an der Scheide und den äußeren Genitalien

256

d) Veränderungen an den Eierstöcken

256

α) Reifung und Platzen der Follikel

256

ß) Der gelbe Körper

257

e) Die Einbettung des Eies C. D e r D a m m

und

die

äußeren

Geschlechtsorgane

258 258

I. Die äußeren Geschlechtsorgane

259

1. Untersuchung am Lebenden

259

a) bei der Frau

259

b) beim Mann

261

XIII

Inhalt

Seite

2. D i e S c h w e l l k ö r p e r

262

a) D i e S c h w e l l k ö r p e r d e r F r a u

262

b) D i e S c h w e l l k ö r p e r des M a n n e s

263

3. H a r n s a m e n r ö h r e u n d P e n i s

265

Erektion, Ejakulation und Orgasmus

266

I I . D i e M u s k e l n des D a m m e s

266

I I I . D i e G e f ä ß e u n d N e r v e n der ä u ß e r e n G e s c h l e c h t s o r g a n e D. D e r

Bindegewebsapparat

des

267

Beckens

270

I. D a s B i n d e g e w e b e des k l e i n e n B e c k e n s (Pars i n t r a p e l v i n a ) II. D a s B i n d e g e w e b e der D a m m g e g e n d

270

(Pars e x t r a p e l v i n a )

273

1. i m B e r e i c h der F o s s a ischiorectalis

273

2. im B e r e i c h des D i a p h r a g m a u r o g e n i t a l e

274

Die untere Gliedmaße A. S y s t e m a t i s c h e

275 Anatomie

der

unteren

Gliedmaße

275

I. D e r B e w e g u n g s a p p a r a t

275

1. D a s O b e r s c h e n k e l b e i n

275

Die P a t e l l a

'.

. 277

2. D a s H ü f t g e l e n k

277

3. Die M u s k e l n der H ü f t e

280

a) Innere oder v o r d e r e H ü f t m u s k e l n

280

b) Ä u ß e r e oder hintere H ü f t m u s k e l n

280

4. Die M u s k e l n des O b e r s c h e n k e l s

284

a) V o r d e r e M u s k e l n des O b e r s c h e n k e l s ( E x t e n s o r e n )

286

b) M u s k e l n der t i b i a l e n Seite ( A d d u k t o r e n )

287

c) H i n t e r e M u s k e l n des O b e r s c h e n k e l s (Flexoren)

289

5. Die K n o c h e n des U n t e r s c h e n k e l s

290

a) D a s S c h i e n b e i n

290

b) D a s W a d e n b e i n

291

6. D a s K n i e g e l e n k

292

a) D i e G e l e n k k ö r p e r u n d - f l ä c h e n

292

b) Die G e l e n k k a p s e l

293

c) D i e V e r s t ä r k u n g s b ä n d e r d e r K a p s e l

294

d) D i e inneren B a n d a p p a r a t e

294

e) D i e G e l e n k h ö h l e

296

f) K o m m u n i z i e r e n d e

Schleimbeutel

g) N i c h t oder selten k o m m u n i z i e r e n d e h) D i e M e c h a n i k des K n i e g e l e n k e s

296 Schleimbeutel

296 297

XIV

Inhalt Seite

7. Die Verbindung der Unterschenkelknochen

298

8. Das Skelet des Fußes

299

a) Die Fußwurzelknochen

300

α) Das Sprungbein

300

ß) Das Fersenbein

301

γ) Das Kahnbein

302

8) Die Keilbeine

303

ε) Das Würfelbein

303

b) Die Mittelfußknochen

303

c) Die Zehenknochen

304

9. Die Gelenkverbindungen des Fußes a) Das obere Sprunggelenk b) Das untere Sprunggelenk c) Der Articulus calcaneocuboideus

304 304 . 305 307

d) Die restlichen Gelenke der Fußwurzel

"307

e) Die Fußwurzelmittelfußgelenke

307

f) Die Zehengrundgelenke

307

g) Die Mittel- und Endgelenke der Zehen

308

h) Wichtige Fußsohlenbänder

308

10. Die Muskeln und Faszien des Unterschenkels

308

a) Die vordere oder Extensorengruppe

308

b) Die seitliche oder Fibularisgruppe

309

c) Die hintere oder Flexorengruppe

310

α) Oberflächliche Schicht oder Wadenmuskeln

310

ß) Tiefe Schicht der Flexorengruppe

312

d) Die Wirkung der Unterschenkelmuskeln auf den Fuß

313

e) Die Unterschenkelbinde

314

1 1 . Die Faszien und Muskeln des Fußes a) Die Faszien des Fußes

315 315

b) Die Muskeln des Fußrückens

315

c) Die Fußsohlenmuskeln

315

α) Die Muskeln des Großzehenballens

315

ß) Die Muskeln des Kleinzehenballens

316

γ) Die mittleren Fußsohlenmuskeln d) Sehnenscheiden und Schleimbeutel am Fuß 12. Das Fußgewölbe und der Fuß als Ganzes II. Übersicht über die Arterienversorgung der unteren Gliedmaße Wichtige Gefäßverbindungen im Bereich der unteren Gliedmaße

317 318 31S 319 323

III. Die Venen der unteren Gliedmaße

325

IV. Die Lymphgefäße und -knoten der unteren Gliedmaße

326

Inhalt

XV Seite

V. Übersicht über die Nervenversorgung der unteren Gliedmaße

326

1. Der Plexus lumbosacralis

326

a) Der Plexus lumbalis

327

b) Der Plexus sacralis

328

α) Plexus ischiadicus

328

ß) Plexus pudendalis

331

γ) Plexus coccygicus

333

2. Muskelgruppen und ihre Nervenversorgung B. T o p o g r a p h i s c h e

und a n g e w a n d t e A n a t o m i e der unteren

333 Gliedmaße

. . . 334

I. Die Gesäßgegend

334

II. Der Oberschenkel

336

1. Die Leistenbeuge

337

2. Die Oberschenkelvorderseite

339

3. Der Canalis obturatorius

341

4. Die Oberschenkelrückseite

341

III. Die Kniegegend

342

1. Die Kniekehlengegend

343

2. Die vordere Kniegegend

344

IV. Der Unterschenkel 1. Die tiefen Gefäß- und Nervenstraßen der Rückseite

345 347

2. Die tiefen Gefäß- und Nervenstraßen der vorderen und fibularen Seite . . . 348 V. Der Fuß

349

1. Die Knöchelgegend

349

2. Der Fußrücken

350

3. Die Fußsohle

352

Sachverzeichnis

355

Allgemeine Anatomie Begriff und Einteilung A n a t o m i e (vom gr. 1 anatemnein, aufschneiden) heißt wörtlich Zergliederungskunde. Die Z e r g l i e d e r u n g , die Zerlegung eines Organismus in seine Formbestandteile war nie Selbstzweck, sondern entsprang dem Bestreben des Menschen, durch diese Zerlegung einen tieferen Einblick in den Aufbau und die Organisation eines Lebewesens zu bekommen, als es durch die einfache Betrachtung und Betastung der äußeren Form möglich war. Zu dieser einen Methode, mit den Händen einen vollendeten Bau zu zerstören, um ihn im Geiste wieder aufzuführen, sind im Laufe der Zeit zahlreiche neue gekommen. Die ursprüngliche Forschungsmethode hat aber dem ganzen Wissensgebiet den Namen gegeben. So verstehen wir heute unter A n a t o m i e die L e h r e vom B a u der Organismen. Entsprechend der Einteilung der Organismen in Pflanzen und Tiere kann man auch von Pflanzen- und Tieranatomie, P h y t o - und Zootomie, sprechen. Ein Teil der letzteren ist die A n a t o m i e des Menschen (Anthropotomie). Die Lehre vom B a u des Menschen interessiert uns aus e r k e n n t n i s t h e o r e tischen und p r a k t i s c h e n Gesichtspunkten. Wir wollen ein Urteil über die S t e l l u n g des Menschen im N a t u r g a n z e n gewinnen und durch möglichst intensives Erfassen der F o r m des lebenden Menschen die Grundlagen für das ärztliche Handeln schaffen. Denn Kenntnis der Form ist Voraussetzung für das Verstehen der Funktion (Physiologie), Kenntnis der n o r m a l e n F o r m und Funktion Voraussetzung für das Erkennen des K r a n k h a f t e n (pathologische Anatomie und Physiologie). Alle Formen und Formbestandteile, die wir mit dem unbewaffneten Auge erfassen können, gehören in das Gebiet der makroskopischen Anatomie. Analysieren wir den Feinbau des Körpers mit Hilfe des Mikroskopes, so sprechen wir von mikroskopischer Anatomie. Sie zerfällt in die Zellen- und Gewebelehre (Histologie) und die mikroskopische Anatomie der Organe. Die einfache Beschreibung der durch makro- und mikroskopische Analyse gewonnenen Befunde bezeichnen wir als beschreibende oder deskriptive Anatomie. Funktionelle, entwicklungsgeschichtliche und vergleichend-anatomische Gesichtspunkte lassen die Organe des Körpers zu höheren Einheiten, den Systemen, zusammenfassen. Wir pflegen gewöhnlich folgende Systeme zu unterscheiden: 1. das Skeletsystem (Knochen, Bänder, Gelenke) = passiver 2. das Muskelsystem

Bewegungsapparat;

= aktiver

3. das Darmsystem (auch Eingeweidesystem); a) Verdauungswerkzeuge b) Atmungswerkzeuge 4. das System der Harn- und Geschlechtswerkzeuge; 5. das Gefäßsystem; 6. das Nervensystem; 7. das System der Sinneswerkzeuge und der Haut. 1

gr. = griechisch. Waldeyer, Anatomie I. 2. Aufl.

2

Allgemeine Anatomie. Die Baumaterialien des Körpers

Die Analyse und Beschreibung des Körpers nach diesen Systemen nennen wir systematische Anatomie. Ihre Kenntnis ist die Voraussetzung für die topographische Anatomie. Diese letztere ist eine ausgesprochene Synthese. In ihr beschäftigen wir uns mit der Gruppierung, mit dem räumlichen Nebeneinander der Organe und Systeme in den einzelnen Gegenden (Regionen) des Körpers. Soweit topographisch-anatomische Vorstellungen dem A r z t bei der Diagnose und Therapie helfen können, nennen wir sie auch praktische oder angewandte Anatomie. Bezieht sich die topographische Anatomie nur auf die Erfordernisse des Chirurgen, so heißt sie auch chirurgische Anatomie. Die plastische Anatomie lehrt die Gestalt und die Proportionen des ganzen menschlichen Körpers, besonders aber die Modellierung seiner Oberfläche. D a diese durch die darunter gelegenen Organe dauernd verändert wird, versucht sie durch die Haut hindurch Knochen, Muskeln und Sehnen in Ruhe und Bewegung zu erkennen. Sie ist besonders für den bildenden Künstler von großem Wert. Doch auch der Arzt wird mit geschulten Händen und Augen Schönes und Mißgestaltetes, Gesundes und Krankes unterscheiden. Die vergleichende Anatomie hält Heerschau unter der bunten Fülle der verschiedenen Daseinsformen der Organismen und versucht, sie sinnvoll zu ordnen. Sie will das f o r m e n m ä ß i g Gleichwertige, das Homologe, im A u f b a u der Lebewesen herausfinden und dann die Abwandlungen des Homologen in der Tierwelt feststellen. Dabei findet sie Übergänge hinsichtlich der Z a h l (ζ. B . Rippen), der L a g e und der F o r m e n (ζ. B . Herz). Sie stellt dabei fest, daß bestimmte Organe (ζ. B . die Kiemenbögen) beim Verlust ihrer ursprünglichen Funktion nicht vollständig verschwinden, sondern für andere Aufgaben sinnvoll umgebaut werden (Zungenbein, Gehörknöchelchen, Kehlkopfskelet). Sie zeigt uns, wie seltene Befunde beim Menschen (ζ. B . hinsichtlich der Größe, Form und Lage der Muskeln) ein Zustandsbild verkörpern, wie wir es bei einer anderen Art i m m e r antreffen, und erklärt damit viele V a r i e t ä t e n . Allgemein stellen wir dabei eine Entwicklung vom Einfachen zum Komplizierten, vom Niederen zum Höheren fest. Als Krönung der Schöpfung erkennen wir den Menschen. Die Phylogenese oder S t a m m e s g e s c h i c h t e versucht auf Grund der gewonnenen vergleichend-anatomischen Kenntnisse die Stammesverwandtschaft der Tierformen zu erforschen, Stammbäume der Arten aufzustellen. Die Ontogenese oder E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e d e s E i n z e l w e s e n s verfolgt die Entwicklung des Individuums von der befruchteten Eizelle bis zum Tode. Der Hauptwert wird dabei auf die Embryonalentwicklung, die Differenzierung des Keimes bis zur Ausbildung eines dem fertigen Wesen annähernd gleichen Gebildes gelegt. Beim Menschen reicht sie bis zur Geburt. Diese ist ein Markstein in der Entwicklung, weil das Individuum jetzt in erhöhtem Maße den Einflüssen der Umwelt ausgesetzt ist. Die Entwicklungsvorgänge gehen aber weiter. In den knorpligen Skeletteilen treten neue Knochenkerne auf, die Nerven erhalten ihre Markscheiden, innersekretorische Organe und Keimdrüsen entwickeln sich langsam weiter und bilden erst mit dem Auftreten der Geschlechtsreife die Geschlechtsprodukte. Auch nachdem der Körper zwischen dem 20.—25. Lebensjahr seine Vollendung erreicht hat, gibt es noch keinen Stillstand. A n einem Organ früher, am anderen später, treten R ü c k b i l d u n g s v o r g ä n g e auf. Die Gesamtheit der Entwicklungsvorgänge nach der Geburt bezeichnen wir als postembryonale Entwicklung. Die Entwicklungsgeschichte beschreibt uns an Entwicklungsstufen und Entwicklungsreihen, wie aus einfachen Formen durch Differenzierung kompliziertere entstehen. Wir stellen dabei fest, daß höhere Tiere Entwicklungsstufen durchlaufen, die bei niederen als Dauerformen bestehen [Meckel 1832). Diese Erkenntnis wurde von E. Haeckel im b i o g e n e t i s c h e n G r u n d g e s e t z auf die knappste Formel gebracht: Die Ontogenese ist eine kurze Rekapitulation der Phylogenese.

3

Die Zelle

O n t o g e n e s e und P h y l o g e n e s e versuchen beide das W e r d e n einer Form, die Morphogenese, zu erforschen. Nachdem ein Entwicklungsvorgang in seinem Ablauf vollkommen erkannt ist, bleibt die Frage, warum er so und nicht anders abläuft. Man versucht im Experiment zu eruieren, welche in oder außerhalb des Keimes gelegenen K r ä f t e die Entwicklung beeinflussen. Diesen Fragen der kausalen Genese geht die E n t w i c k l u n g s m e c h a n i k nach. Jede Zelle, jedes Gewebe, Organ, Organsystem, schließlich jedes Individuum und jede Art ist in eine gewisse Umwelt gestellt und muß sich in ihr behaupten oder untergehen. Beim Studium dieser U m w e l t e i n f l ü s s e können wir feststellen, daß die Form nicht unbedingt starr, sondern in bestimmten Grenzen abwandelbar ist. Sie vermag sich gemäß der ihr innewohnenden R e a k t i o n s b r e i t e auf die Umwelt einzustellen und zweckentsprechend abzuändern. Form und Funktion sind somit gemeinsam zu betrachten. Nach der Trennung von Anatomie und Physiologie im vorigen Jahrhundert gingen beide Disziplinen zunächst eigene Wege. Seit langem versucht man wieder in Forschung und Unterricht den Beziehungen zwischen Form und Funktion nachzugehen. In neuerer Zeit stellen die biologische Anatomie (Böker) und die Anatomie funktioneller Systeme (Benninghoff) die Abhängigkeiten zwischen Form und Funktion besonders stark in den Vordergrund. Da das erstrebenswerte Ziel der Anatomie eine möglichst intensive Kenntnis v o m A u f b a u des l e b e n d e n Menschen sein soll, ist es selbstverständlich, daß die Anatomie auch alle neueren physikalischen und klinischen Methoden, die einen Einblick in den Menschen gewähren, benützen muß. So hat die Einführung der verschiedenen Spiegel, der Röntgenstrahlen, der Kontrastmittel, der Laufbilder unsere an der Leiche gewonnenen Vorstellungen vom A u f b a u des Menschen bestätigt, erweitert oder auch vollständig abgeändert. Die anatomische Nomenklatur Die Anatomie hat sich eine eigene Kunst- und Fachsprache mit vorwiegend lateinischen und teilweise griechischen Namen geschaffen. Die Namen sind nicht immer sinnvoll, weil sich im Laufe der Jahrhunderte die V o r s t e l l u n g e n über Form und Funktion eines Gegenstandes änderten, nicht aber der Name. Nach der zweimaligen Bereinigung der Nomenklatur (1895 und 1935) ist vieles besser geworden. Die jetzt festgelegten Namen sind von den meisten Ländern angenommen und ermöglichen eine bessere Verständigung im internationalen Schrifttum. Die Fülle der Namen wirkt auf die meisten jungen Medizinstudenten zunächst abschreckend. Nachdem man erst die Grundausdrücke, Termini generales, kennengelernt hat, ist diese Fachsprache bei einer gewissen lateinischen Vorbildung bald zu erlernen. Man betrachte aber die so gelehrt wirkende Fachsprache immer nur als ein Hilfsmittel. Es sei immer unser Ziel, die Formen und Formbestandteile zu erfassen und nicht nur die zur Verständigung notwendigen Namen zu lernen. Mancher Arzt wird später einen großen Teil der Namen vergessen und trotzdem eine gute Kenntnis der Formen des menschlichen Körpers besitzen.

A. Die Baumaterialien des Körpers I. Die Zelle Nachdem schon Hooke Ende des 17. Jahrhunderts bei Pflanzen hexagonale, prismatische Kammern, die er mit den Honigzellen der Bienen verglich und Zellen nannte, festgestellt hatte, sprechen 1838 Schleiden für die Pflanzen und 1839 Schwann für die Tiere aus, daß sie aus kleinsten, bläschenförmigen Gebilden, den Z e l l e n , beständen. Sie sollten eine feste Hülle und einen flüssigen Inhalt besitzen. Wie man später feststellte, fehlt den meisten tierischen Zellen die feste Hülle, die Zellmembran. Bei Pflanzen bestehen die derben Zellwände aus Zellulose. Während man früher annahm, daß sich Zellen aus dem „Urschleim" bilden könnten {Generatio spontanea), stellte R. Virchow den Satz: „Omnis cellula e cellula" auf. Zellen können also nur durch Teilung von Zellen entstehen. Die einfachsten Lebewesen, die 1·

4

Allgemeine Anatomie. Die Baumaterialien des Körpers

P r o t i s t e n , bestehen nur aus e i n e r Zelle. Alle höheren Organismen, die M e t a p h y t e n und M e t a z o e n , bestehen aus Zellverbänden. Diese entstehen alle aus e i n e r Zelle, der durch die Vereinigung von E i und Samenzelle entstandenen befruchteten E i z e l l e . Die Z e l l e n s i n d m o r p h o l o g i s c h u n d f u n k t i o n e l l d i e k l e i n s t e n , a u s l e b e n der Masse b e s t e h e n d e n L e b e n s e i n h e i t e n . Jede Zelle besteht aus dem Z e l l e i b oder Zytoplasma und dem K e r n oder Nucleus.

1. Der Zelleib Das Zytoplasma läßt i . das P r o t o p l a s m a , die eigentlich tätigen Bestandteile, 2. das M e t a p l a s m a , im Zytoplasma nachträglich entstandene, für die einzelnen Zellarten spezifische Differenzierungsprodukte (Myofibrillen, Neurofibrillen usw.), und 3. das P a r a p l a s m a , Objekte und Produkte des Zellstoffwechsels (Einschlüsse von sehr wechselnder Form, Zahl und Größe), unterscheiden. Zentrosphäre

Diplosom

Colgi-Apparat,

Archoplasma

Endopegmn

Abb. i. Zellschema Das Protoplasma besteht aus verschiedenen Eiweißkörpern, Lipoiden, viel Wasser und einigen Salzen. E s ist eine zähflüssige, leicht quellungsfähige Substanz. Durch Erhitzen und Zusatz von Konservierungs- (Fixations-) Mitteln wird es gefällt und zeigt feine, körnige Gerinnsel, die der lebenden Zelle fehlen. Durch lokale Verdichtung können im Protoplasma S t r u k t u r e n auftreten (Abb. i), die nach Flemming aus netzförmig angeordneten Fäden (der Filarsubstanz), nach Altmann aus feinen Körnchen {Granula) bestehen und nach Buetschli ein schaumiges Waben werk bilden. Die feinen Körnchen im Protoplasma, auch M i k r o s o m e n oder P l a s m o s o m e n genannt, sind in der lebenden Zelle durch die sogenannten „ v i t a l e n " Farbstoffe (Neutralrot, Methylenblau u. a.) darstellbar. Auch bei Dunkelfeldbeleuchtung sind sie in ihr sichtbar. Z u Fäden aneinandergereiht, werden sie auch als Mitochondrien, Chondriosomen, Chondriokonten, Piastosomen und Plastochondrien bezeichnet. Die B e d e u t u n g d e r P l a s m o s o m e n ist nicht geklärt. Man hat sie als relativ unwichtige, paraplasmatische R e s e r v e s t o f f e , aber auch als w i c h t i g e O r g a n e l l e n angesehen, die bei der Speicherung verschiedener Stoffe, bei der Sekretbildung und der Entstehung der Fibrillen, j a sogar bei der Vererbung eine wichtige Rolle spielen sollen. Als wichtige Organe enthält der Zelleib noch das Z e n t r a l k ö r p e r c h e n (Zentriol, Zentrosom) und das B i n n e n g e r ü s t (Golgi-Apparat, Netzapparat, Endofegma [Kopsch]).

Die Zelle

5

Das Zentralkörperchen, Zentrosom Das Zentralkörperchen ist ein äußerst kleines, stark lichtbrechendes Körnchen, das in einem besonderen Protoplasma, dem Archoplasma, liegt. Häufig sind auch zwei (Diplosom) oder mehrere Körnchen vorhanden. Um die Körnchen liegt zunächst ein hellerer, dann ein dunklerer Plasmabezirk (die Zentrosphäre). Von der Zentrosphäre gehen bei der Zellteilung feine, radiäre Protoplasmastrahlungen aus. Die Bedeutung des Zentralkörperchens für die Zellteilung ist noch nicht geklärt, zumal es den Zellen der höheren Pflanzen fehlt. Das Binnengerüst, der Golgi-Apparat, Endopegma Der Go/gi-Apparat kommt in den meisten tierischen Zellen vor. Er ist ein netzartiges Balkenwerk, das bei den polar differenzierten Epithelzellen zwischen Kern und freier Oberfläche liegt, das bei den Nervenzellen den Kern korbartig umgibt und bei Endothelien und Geschlechtszellen um die Zentrosphäre liegt. Bei besonders a k t i v e n (Drüsen-) Zellen ist der Binnenapparat gut ausgebildet. Sehr verschieden bei den einzelnen Tierarten, bei den verschiedenen Zellformen ist die chemische Zusammensetzung. Er besteht aus einer osmiophilen und einer osmiophoben Substanz. Das Paraplasma Neben den hier erwähnten Dauerorganen finden sich stark wechselnde E i n s c h l ü s s e von F e t t , Lipoiden, Eiweißen und K o h l e h y d r a t e n . Sie kommen in T r o p f e n und K r i s t a l l f o r m vor und sind als Reservematerial aufzufassen. Ein Urteil über die Verteilung der Salze gibt uns das Aschenbild. In den Eizellen finden sich als paraplasmatische Stoffe die D o t t e r k ö r n e r . Es sind stark lichtbrechende, Eisen und Phosphor enthaltende Eiweißlipoidgemische, die den jungen Keimlingen als Nahrung dienen. Säugetiere, die frühzeitig im Uterus eine Nahrungsquelle finden, haben d o t t e r a r m e Eizellen. Vögel und die anderen tieferstehenden Wirbeltiere, die sich lange aus dem eigenen Nahrungsvorrat erhalten und entwickeln müssen, haben d o t t e r r e i c h e Eier. Unter den nichtkonstanten Zelleinschlüssen sind noch die P i g m e n t e zu erwähnen. Sie kommen als Abbauprodukte des Blutfarbstoffes, als Abnutzungserscheinungen (Lipochrome) in Muskel-, Herzmuskel- und Nervenzellen und als autochthon gebildete Melanine vor.

2. Der Zellkern, Nucleus Der Zellkern ist in den meisten Zellen in der Einzahl vorhanden. Meist liegt er zentral im Zytoplasma. Doch kann er auch an den Rand gedrängt sein. Die Kernform paßt sich gewöhnlich der Zellform an. Er besteht aus der K e r n m e m b r a n , dem K e r n s a f t , dem achromatischen oder L i n i n g e r ü s t , den c h r o m a t i s c h e n S u b s t a n z e n und den K e r n k ö r p e r c h e n . In der lebenden Zelle ist der Kern ein strukturloses Bläschen, in dem man evtl. die stärker lichtbrechenden Kernkörperchen erkennen kann. Bei Schädigungen und Fixierungen treten im Kern Gerinnungen auf. Diese künstlichen, nicht reversiblen Ausflockungen färben sich mit den üblichen, basischen Kernfarbstoffen. Sie ergeben für die verschiedenen Zellarten ein charakteristisches Bild und ermöglichen einen Vergleich mit veränderten Kernformen. Die Kernmembran liegt an der Grenze von Zytoplasma und Kern. Sie verhindert das Ausfließen des Kernsaftes, der sich beim Anstich der Kernmembran in das Zytoplasma ergießt. Sie verschwindet bei Beginn der Zellteilung.

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Allgemeine Anatomie. Die Baumaterialien des Körpers

Der Kernsaft ist wahrscheinlich von flüssiger Konsistenz. Die genaue Zusammensetzung ist noch unbekannt. E r dient wahrscheinlich dem Stoffwechsel des Kernes und ermöglicht durch seine Konsistenz die Verformbarkeit des Kernes. Das Liningerüst bildet in fixierten Kernen ein sehr variables Netzwerk, das sich mit den üblichen, basischen Kernfarbstoffen n i c h t anfärbt. Im lebenden Kern bildet die L i η i noder a c h r o m a t i s c h e Substanz wahrscheinlich die Wände von kleinen, blasigen K a m mern, in denen sich die chromatische Substanz (gr. chroma, Farbe) in Suspension befindet. Das Chromatin oder die chromatische Substanz färbt sich mit den üblichen Kernfarbstoffen. Im fixierten Kern liegt das Chromatin in Form feiner Körnchen (Chromiolen) auf dem nicht gefärbten Liningerüst, das dadurch fast vollständig verdeckt wird. In der lebenden Zelle befindet es sich wahrscheinlich in Suspension. Bei der Zellteilung sammelt sich das Chromatin zu den C h r o m o s o m e n , die wir als die Hauptträger der Vererbung auffassen. Wenn sich das Chromatin für die einzelnen Chromosomen in Bläschen oder Kammern aus Linin befindet, so kann man sich die Umwandlung der A r b e i t s f o r m des Kernes in die T e i l u n g s f o r m leicht vorstellen. Zusammenziehung der Bläschen müßte die dichten, stark gefärbten Chromosomen ergeben. Die Kernkörperchen o d e r N u c l e o l i sind rundliche Körperchen, die einzeln oder zu mehreren im Kern vorkommen. Sie färben sich im Gegensatz zum Chromatin n i c h t mit b a s i s c h e n , sondern mit s a u r e n Farbstoffen. Sie bestehen aus dem Paranuklein und sind wahrscheinlich als Stoffwechselprodukte aufzufassen. Gehäuft finden sie sich bei den dotterreichen Eiern während des Wachstums. Während der Zellteilung lösen sie sich meistens auf und werden wohl verbraucht. Kern und Zytoplasma stehen in einer gewissen Wechselwirkung. Sicher findet ein Stoffaustausch zwischen beiden statt. Nicht selten sehen wir bei Zelltätigkeit Kernveränderungen. Sobald die normale Zelltätigkeit gestört, die Zelle geschädigt ist oder abstirbt, kann der Kern sich verkleinern und verdichten (Pyknose des Kernes) oder in einzelne Stücke zerfallen (Karyorhexis). Als Ausdruck der Zusammenarbeit von Kern und Zytoplasma beim Zellstoffwechsel finden wir meistens ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Größe des Zelleibes und des Kernes (Kernplasmarelation, R. Hertwig). Mit dem Wachstum des Zelleibes wächst auch der Kern. Verkleinert sich (ζ. B. beim Hungern) der Zelleib, so verkleinert sich auch der Kern. D a nur die aktiven Bestandteile des Zelleibes, das Protoplasma, nicht dagegen die paraplasmatischen Einlagerungen beim Kernplasmaverhältnis in Rechnung zu setzen sind, ist eine genaue Massenbestimmung häufig erschwert. In vielen Organen schwanken bei gleicher Zellgröße die Kerngrößen beträchtlich. Ihre Massen verhalten sich dabei wie 1 : 2 : 4 u s w · Man hat daraus den Schluß gezogen, daß das Kern Wachstum immer nur rhythmisch, und zwar durch Verdopplung der Ultrateilchen erfolgen könne.

3. Lebenserscheinungen der Zellen Der Stoffwechsel. Die Zellen besitzen die Fähigkeit, Stoffe aus der Umgebung aufzunehmen, in der Zelle zu verarbeiten und die Schlacken wieder auszuscheiden. Meist sind diese Vorgänge nicht mit dem Auge, sondern nur mit physiologischen Methoden zu erfassen. Durch die Vitalfärbung, die Aufnahme und Aufspeicherung nicht oder kaum giftiger Farbstoffe (Trypanblau, Lithionkarmin usw.), haben wir manchen Einblick in die physiologische Zellarbeit gewonnen. Ob die Plasmosomen bei dem Zellstoffwechsel eine größere Bedeutung haben, ist noch nicht sicher festgestellt. Die Speicherung erfolgt in Form von Körnchen und in Vakuolen. Größere Teilchen (Tusche, Kohlenstaub, Bakterien, Zerfallsprodukte abgestorbener Zellen usw.) können von bestimmten Zellen umflossen, in V a k u o l e n aufgenommen, verdaut oder entgiftet werden. Diesen Vorgang bezeichnen wir als Phagozytose.

Die Zelle

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Die aufgenommenen Stoffe können zu zelleigenen Stoffen umgebaut und zum Aufbau und Wachstum der Zelle verwendet werden (Baustoffwechsel) oder als E n e r g i e s p e n d e r für viele Zellfunktionen dienen (Betriebstoffwechsel). Für die in der Zelle erfolgenden O x y d a t i o n s v o r g ä n g e ist eine Aufnahme von Sauerstoff und eine Abgabe von Kohlensäure notwendig. Wir sprechen von Zellatmung. Der Sauerstoffbedarf ist bei den einzelnen Zellarten sehr verschieden. E r hängt von der Zellarbeit ab. Bewegung. Eine weitere Erscheinung vieler lebender Zellen ist die Bewegungsfähigkeit. Bei vielen tierischen Zellen kann man mit Zeitraffaufnahmen (bei den Pflanzenzellen meist schon durch einfache Beobachtung) eine B e w e g u n g f e i n e r K ö r n c h e n (.Mitochondrien) im Zytoplasma beobachten. Diese Strömung im Innern des Zelleibes braucht zu keiner Gestaltsveränderung der Zelle zu führen. Manche Zellen im Organismus besitzen aber wie die einzelligen A m ö b e n die Fähigkeit, Scheinfüßchen, Pseudopodien, auszustrecken, an einem Stützpunkt anzuheften und den übrigen Zelleib nachzuziehen. Diese A r t der Gestalts- und Ortsveränderung bezeichnen wir als amöboide Bewegung. Die zu solcher Leistung befähigten Zellen pflegen wir Wanderzellen zu nennen. D a sie auch imstande sind, Fremdkörper zu umfassen und aufzunehmen, heißen sie auch F r e ß z e l l e n , Phagozyten. Angelockt werden solche Freßzellen durch chemische Reize, ζ. B . Zerfallsprodukte bei Entzündungen ('Chemotaxis). Diese A r t der Bewegung ist an keine besonderen Differenzierungen im Zytoplasma gebunden. Sie ist eine allgemeine Erscheinung des Zytoplasmas. Bestimmte Zellen tragen an ihrer Oberfläche feine Härchen oder Zilien. Jedes Härchen steht mit einem stark lichtbrechenden, nahe der Oberfläche liegenden B a s a l k n ö t c h e n , das als das Bewegungszentrum aufgefaßt wird, in Verbindung. Die feinen Flimmerhärchen biegen sich alle nach einer Richtung und schnellen dann in ihre Ruhelage zurück. Der so entstehende, nach einer bestimmten Richtung erfolgende Flimmerstrom erinnert an ein wogendes Kornfeld. Beim Menschen finden sich solche Flimmerzellen vor allem in den L u f t w e g e n , weiter in den E i l e i t e r n und in der G e b ä r m u t t e r . D a der Flimmerstrom in den Atemwegen mundwärts gerichtet ist, können feine Staubteilchen durch ihn wieder nach außen befördert werden. Die Flimmerbewegung erfolgt unabhängig vom Nervensystem, setzt sich von einem Härchen auf das andere und von einer Zelle auf die andere fort. Durch Reize (Wärme, chemische Stoffe usw.) kann die Bewegung gefördert werden. Zellen, die nur mit e i n e m meist stärkeren, beweglichen Härchen versehen sind, bezeichnen wir als Geißelzellen. Die Muskelbewegung. U m häufig und schnell Bewegungen ausführen zu können, bilden t i e r i s c h e Organismen Muskelzellen aus. In ihrem Zytoplasma finden wir feine, kontraktionsfähige Fäden, die Myofibrillen (s. Muskelgewebe S. 27). Reizbarkeit. Lebende Zellen haben weiter die Eigenschaft, Reize aufzunehmen und mit Form- und Zustandsänderungen zu reagieren. Die höher differenzierten Zellen antworten auf die verschiedenartigsten Reize meist mit spezifischer Reaktion. Eine Muskelzelle wird sich kontrahieren, eine Geschmackszelle wird mit Geschmacks-, eine Riechzelle mit Geruchs-, eine Sehzelle mit Lichtempfindungen auch dann reagieren, wenn der Reiz nicht adäquat, d. h. für die Zelle nicht spezifisch ist. So reagieren ζ. B . die auf Licht eingestellten Sehzellen auch auf mechanische Reize (Schlag gegen das Auge) mit Lichtempfindungen. Wachstum und Vermehrung. Schließlich hat die lebende Substanz noch die Fähigkeit durch Stoffaufnahme und Assimilation zu wachsen und durch Teilung neue Zellen zu bilden. Ursprünglich kommt die Teilungsfähigkeit allen Zellen zu. Mit der fortschreitenden Differenzierung und Spezialisierung nimmt die Teilungsfähigkeit ab. Ausgebildete Nervenzellen haben die Teilungsfähigkeit vollständig verloren. Sie gehören

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

zu den langlebigen Zellen, erreichen meist das Alter des Individuums. Gehen sie vor dem Tode des Individuums zugrunde, so können sie nicht durch neue Zellen ersetzt werden. Die kurzlebigen, weniger differenzierten Zellen behalten ihre Teilungsfähigkeit zeitlebens. Wir pflegen eine d i r e k t e Z e l l t e i l u n g oder Amitose und eine i n d i r e k t e Z e l l t e i l u n g oder Mitose (gr. mitos, Faden) zu unterscheiden. Meist entstehen durch Teilung der Mutterzelle zwei gleiche Toch terzeilen. Sind die letzteren ungleich groß, so sprechen wir von Knospung. Die direkte Zellteilung, Amitose Sie besteht in einer Durchschnürung des Kernes, der meist eine Teilung des Zellleibes folgt. Bleibt die Durchschnürung des Zelleibes aus, so kommt es zur Bildung von R i e s e n z e l l e n . Sie enthalten in einem großen Zelleib mehrere Kerne. Amitosen sind im gesunden Organismus sehr selten, erfolgen meist nur bei Zellen, die in ihrer Vitalität herabgesetzt sind. Die indirekte Zellteilung, Mitose Die Mitose ist ein sehr komplizierter Vorgang, durch den eine möglichst g l e i c h m ä ß i g e T e i l u n g der Zelle, vor allem des K e r n m a t e r i a l e s sichergestellt wird. Die

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^sSsSe»'· Abb. 2.

/ 9 Schema der indirekten Zellteilung

chromatische Substanz des Kernes wandelt sich bei ihr in Chromosomen, Stäbchen-, haken-, faden-, kommaförmige Gebilde um. Die Chromosomen werden als die H a u p t t r ä g e r d e r V e r e r b u n g angesehen. E s ist somit sehr wichtig, daß das Material möglichst gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilt wird. Die Z a h l u n d d i e F o r m d e r C h r o m o s o m e n ist bei den einzelnen Tierarten sehr verschieden, für jede Tierart aber konstant. Der Mensch hat 46—48 Chromosomen. Die langen, fadenförmigen Chromosomen mancher Tiere ordnen sich bei der Vorbereitung der Teilung zu einem aufgeknäuelten Faden (Mitos). Dieser Tatsache verdankt der ganze Vorgang der M i t o s e den Namen.

Die Mitose pflegen wir meist in 4 Stadien, die P r o p h a s e , die M e t a p h a s e , die A n a p h a s e und die T e l o p h a s e einzuteilen. Prophase. Falls nur e i n Z e n t r o s o m vorhanden ist, teilt es sich in das D i p l o s o m . Um die beiden Zentrosomen tritt eine sternförmige Strahlung (Astrosphäre) des Zytoplasmas auf. Die Zentrosome weichen auseinander, zwischen ihnen tritt eine aus feinen Fäden bestehende Spindel auf (Abb. 2 b).

Die Gewebe

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D e r K e r n wird dichter, färbt sich dunkler, das Chromatin ordnet sich zu den Chromosomen um, die evtl. ein K n ä u e l (Monospirem) bilden. Die Kernmembran, die Kernkörperchen und das Liningerüst lösen sich auf. Metaphase. Die Z e n t r o s o m e n rücken an die Pole (c). Zwischen ihnen spannen sich die Fäden der Zentralspindel aus (d). In den C h r o m o s o m e n tritt ein Teilungsspalt (c) auf. Sie ordnen sich in der Mitte zwischen den Zentrosomen, in der Ä q u a t o r i a l e b e n e , zu dem M u t t e r s t e r n , dem Monaster (d). Die Fäden der Zentralspindel stehen mit den Chromosomen in Verbindung. Das Z y t o p l a s m a verdichtet sich an der Zelloberfläche und verflüssigt sich mehr und mehr im Bereich der Zentralspindel. Anaphase. Die schon vorher angedeutete Teilung der Chromosomen wird vollständig. Die Teilungshälften wandern auf die Pole zu (e). Aus dem Mutterstern entstehen die T o c h t e r s t e r n e , die Doppelsterne, Diaster. Zwischen den Tochtersternen erscheinen fädige Strukturen, die V e r b i n d u n g s f a s e r n . Am Äquator der Zelle tritt eine leichte Einschnürung des Zytoplasmas auf. Telophase. D e r Z e l l e i b schnürt sich allmählich vollständig durch (g, h). Die C h r o m o s o m e n ordnen sich in Form zweier Knäuel (g) an (Dispirem), verschwinden dann vollständig. Das Chromatin hat die ursprüngliche Anordnung wieder angenommen (h). Kernmembran, Nukleolen erscheinen wieder. Näheres über die feineren Vorgänge, den Rhythmus, die Dauer, die Ursachen der Zellteilung und ihre Bedeutung für die Vererbung bitte ich in den Lehrbüchern der Histologie und der Vererbungslehre nachzulesen.

4. Alter und Tod der Zellen Das Alter der Zellen schwankt in weiten Grenzen. Manche hochentwickelte Zellen (ζ. B. die Nervenzellen) leben so lange wie das Individuum. Weniger differenzierte Zellen werden dauernd abgenützt und abgestoßen, erreichen nur ein Alter von einigen Monaten. Zellschädigungen und Absterbeerscheinungen zeigen sich vor allem am K e r n . Das C h r o m a t i n wird dichter, färbt sich stärker, verklumpt (Pyknose, pyknos = dicht), löst sich in Körnchen auf und verschwindet schließlich vollständig (Chromatolyse, chroma = Farbe, lyein = lösen). Beim Tode des Individuums sterben zunächst die sauerstoffbedürftigen, hochentwickelten Zellen ab. Die weniger differenzierten können noch stunden- evtl. tagelang weiterleben. Entnimmt man einem „sogenannten Toten" solche weniger differenzierte Zellen und züchtet man sie in einer Nährflüssigkeit, so können sie außerhalb des Körpers noch weiterwachsen (Explantat).

II. Die Gewebe Bei den einzelligen Lebewesen leistet die e i n e Zelle alle für die Erhaltung des Individuums und der Art notwendigen Aufgaben. Sie nimmt die Nahrung auf, verarbeitet sie und scheidet die Schlacken aus. Sie bewegt sich in ihrer Umwelt, bildet dafür evtl. schon eine Art von Muskelfibrillen aus, nimmt die Reize der Umwelt auf, verarbeitet die Reize und reagiert darauf zweckentsprechend. Durch Teilung sichert sie die Erhaltung der Art. Bei den mehrzelligen Lebewesen, den Metazoen, kommt es zu einer A r b e i t s t e i l u n g und damit auch zu einer morphologischen D i f f e r e n z i e r u n g der Zellen. Die durch die Vereinigung von Ei und Samenfaden entstandene, befruchtete Eizelle ist zunächst noch omnipotent. Sie ist noch imstande, alle Zellformen des zukünftigen Individuums zu bilden. Diese Vielseitigkeit der Leistung bleibt auch noch auf dem Zweizellenstadium erhalten. Lösen sich bei niederen Tieren die beiden Zellen oder werden

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

sie experimentell getrennt, so kann es noch zur Entwicklung zweier vollständiger, wenn auch kleinerer Individuen kommen (Eineiige Zwillinge). Mit der weiteren Teilung, vor allem mit der Ausbildung bestimmter Zellformen nimmt zwar die Arbeitsleistung der neuen Zellformen zu, die Vielseitigkeit der Leistung, die Potenzen, nehmen aber entsprechend ab. V e r b ä n d e g l e i c h a r t i g d i f f e r e n z i e r t e r Z e l l e n u n d i h r e A b k ö m m l i n g e bezeichnen wir als Gewebe. I m Pflanzenreiche unterscheiden wir Epithel- und Stützgewebe. Im Tierreich kommen zu diesen v e g e t a t i v e n G e w e b e n noch die a n i m a l e n G e w e b e , das Muskel- und Nervengewebe. M e h r e r e G e w e b e vereinigen sich zu einem Organ, das mit einer g e s e t z m ä ß i g a u f g e b a u t e n F o r m eine b e s t i m m t e F u n k t i o n verbindet. Dabei braucht die Funktion nur an eins der zum A u f b a u dienenden Gewebe gebunden zu sein. Organe mit gleichgerichteter Funktion werden zu Organsystemen oder Apparaten zusammengefaßt. Neben diesen physiologischen Gesichtspunkten werden auch noch morphologische und entwicklungsgeschichtliche bei der Aufstellung der Organsysteme herangezogen.

1. Das Epithelgewebe Das E p i t h e l g e w e b e bedeckt als k o n t i n u i e r l i c h e Z e l l a g e die ä u ß e r e n und i n n e r e n O b e r f l ä c h e n des Körpers. Die meist deutlich gegeneinander abgegrenzten Zellen sind durch eine feine Kittsubstanz oder durch Zellfortsätze oder durch beides miteinander verbunden. Die Kittsubstanz ist bei vielen Epithelien gegen die freie Oberfläche zu dem sogenannten Schlußleistennetz verfestigt. Zwischen den Epithelien finden sich feine Spalten, die Interzellularlücken. Sie dienen dem Stoffwechsel der Zellen. D a die Epitheüen bis auf verschwindende Ausnahmen k e i n e B l u t g e f ä ß e besitzen, muß die E r n ä h r u n g von der Unterlage aus erfolgen. Der Gewebssaft zirkuliert in den Gewebsspalten und umspült dabei die Seitenflächen der Epithelzellen. Bei besonders dicken Epithelien sind die Spalten zwischen den Zellen groß. Dadurch treten die Verbindungen zu den Nachbarzellen als Interzellularbrücken besonders hervor. Bei der künstlichen Isolierung der Epithelien reißen die Zellbrücken ab und geben der Oberfläche ein stachliges Aussehen ( S t a c h e l z e l l e n ) . Durch die Interzellularbrücken ziehen noch feine Differenzierungen des Zytoplasmas, die Tonofibrillen. Sie können mehrere Zellbereiche durchlaufen, sind in ganz bestimmter Weise angeordnet und als Stützeinrichtungen aufzufassen. D a die Epithelien die Oberflächen abschließen, wird eine Hauptaufgabe die E r h a l t u n g d e r K ö r p e r f l ü s s i g k e i t sein. Die mit Gewebssaft gefüllten Interzellularlücken sind deshalb gegen die äußere Oberfläche durch die oben erwähnten Schlußleisten abgeschlossen. Eine Vermehrung der Zellagen, die Umformung und Umwandlung der oberflächlichen Schichten (Verhornung) wird vor Flüssigkeitsverlust schützen und dazu noch einen mechanischen Schutz bieten. Die meisten Epithelien sind durch ein homogen erscheinendes Häutchen, die Basalmembran, gegen das darunter gelegene Bindegewebe abgegrenzt. Die Basalmembran wird wahrscheinlich v o m Epithel- und Bindegewebe gebildet und hilft bei der Befestigung der Epithelien auf der Unterlage. Nach der Form und Zahl der Schichten pflegen wir das Epithel einzuteilen in: . 1. Plattenepithel

ί einschichtiges j mehrschichtiges

2. Kubisches (isoprismatisches) Epithel 3. Zylinderepithel ( einschichtiges (Hochprismatisches < mehrschichtiges (selten) Epithel) l mehrstufiges, mehrreihiges 4. Übergangsepithel

Epithelgewebe

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Das einschichtige Plattenepithel (Abb. 3«) besteht aus polygonalen Zellen, die niedriger als breit sind. E s findet sich an inneren Oberflächen (als Auskleidung der Lungenalveolen, der Körperhöhlen, der Gelenke und Gefäße), die mechanisch nicht stark beansprucht werden. Die Zellen haben hier häufig wellige Umrisse. Ist das Epithel besonders platt, so können die Kerne sich über die Oberfläche vorwölben. Das die Gefäße und die serösen Höhlen auskleidende, dünne Epithel wird gewöhnlich als Endothel bezeichnet. A n Stellen, wo ein besonders intensiver Stoffaustausch stattfindet (Lungenalveolen), können die Kerne verlorengehen und die Epithelien zu kernlosen Platten werden. Beim geschichteten Plattenepithel (Abb. 40) ist die basale Zellage zylindrisch. Von ihr aus erfolgt die dauernde Erneuerung der Zellen. Mit dem Vorrücken der Zellen gegen die äußere Oberfläche platten sie sich mehr und mehr ab. Die obersten Zellen werden laufend abgestoßen. Bei äußeren Oberflächen kommt es zu einer Verhornung der oberflächlichen Zellagen.

a

b

e

A b b . 3. Einschichtige Epithelien. Schema. α Platten-, b kubisches, c Zylinderepithel mit Kutikularsaum (Darmepithel), Sch = Schlußleistennetz.

d

e

f

fi

A b b . 4. d Mehrstufiges, flimmerndes Zylinderepithel. Μ = Schleimzelle. Schema, e Mehrschichtiges Plattenepithel. Schema. / Übergangsepithel der gefüllten Blase. Schema. f1 Übergangsepithel der entleerten Blase. Schema. Das stärkeren Insulten ausgesetzte, mehrschichtige Plattenepithel finden wir auf den Lippen, in der Mundhöhle, in der Speiseröhre, in der Scheide, auf den Schamlippen, in Teilen der Harnröhre, auf der Eichel, dem inneren Blatt der Vorhaut und auf der Vorderfläche der Hornhaut. Als Epidermis der Haut (an der Oberfläche verhornt) bekleidet es die gesamte Körperoberfläche.

Das kubische oder isoprismatische Epithel (Abb. 3 b) steht zwischen dem Plattenund dem Zylinderepithel. Wir finden es auf der Vorderfläche der Linse, in einigen Drüsen und Drüsenausführungsgängen. Das einschichtige Zylinderepithel (Abb. 3c) treffen wir im Magen-Darmkanal, in vielen Drüsen und Drüsenausführungsgängen an. Mit F l i m m e r n versehen kommt es im Uterus, den Eileitern und den kleineren Bronchen vor. Die Zylinderzellen des Nebenhodenganges tragen starre Fortsätze, die Stereozilien. Neuerdings bringt man diese starren Fortsätze mit dem Sekretionsvorgang in Beziehung und nennt sie Sezernenten.

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

Beim mehrstufigen oder mehrreihigen Zylinderepithel (Abb. 4d) sitzen a l l e Zellen der Basis auf; doch nur die längsten erreichen die Oberfläche. Die K e r n e der Zellen liegen, je nach der Länge der Zellen, in verschiedener Höhe. Die Kerne der längsten Zellen haben die oberflächlichste Lage. Die bis zur Oberfläche reichenden Zellen tragen häufig einen Flimmerbesatz (Atemwege mit Ausnahme der kleineren Verzweigungen). Als z w e i s t u f i g e s , nicht mit Flimmern versehenes Epithel kommt es in vielen größeren Drüsenausführungsgängen vor. Beim mehrschichtigen Zylinderepithel sitzen n i c h t (wie beim mehrstufigen) alle Zellen der Basis auf. Die o b e r f l ä c h l i c h e Lage besteht aus Zylinderzellen. E s kommt relativ selten vor, findet sich am Übergang vom geschichteten Plattenepithel zum mehrstufigen Zylinderepithel und im Scheitel der Bindehaut {Fornix conjunctivae). Das Übergangsepithel ist besonders der Dehnung angepaßt. Im g e d e h n t e n Z u s t a n d e können wir (Abb. 4/) eine basale, kubische und eine oberflächliche, platte Zelllage unterscheiden. Die oberflächliche Zellage hat h ä u f i g 2 K e r n e und einen feinen K u t i k u l a r s a u m . Im n i c h t g e d e h n t e n Z u s t a n d e (Abb. 4/ x ) ordnen sich die basalen Zellen in mehreren Zellagen übereinander, die oberflächlichen wölben sich gegen die Oberfläche vor. E s kommt vor in den ableitenden Harn wegen (den Nierenkelchen, dem Nierenbecken, dem Harnleiter, der Harnblase und der Pars prostatica der Harnröhre) .

Die Differenzierungen des Epithels Für bestimmte Aufgaben finden sich an den Epithelien besondere Oberflächenbildungen. So tragen die Zylinderzellen des Atmungsapparates (Abb. 4 d) feine Flimmerhaare, die alle nach einer Richtung flimmern und eingeatmete ^rrm^. Fremdkörper wieder nach außen befördern. Das auf Stoffaufnahme (Resorption) Zotte eingestellte Darmepithel (Abb. 3 c) trägt auf der freien OberDrüsenmündungen fläche einen von zahlreichen feinen Poren Darmepithel durchsetzten Kutikularsaum, der aus verDrüse dichtetem Zytoplasma (längsgeschnitten) besteht. Damit ist für das Darmepithel ein Drüsen (von mechanischer Schutz der Fläche gesehen) und gleichzeitig die Resorptionsmöglichkeit gewährleistet.

Abb. 5. Schema einer Zotte (Erhebung über die Oberfläche und Resorption von Stoffen; Gefäße i n n e n gelegen) und Drüsen (Einsenkung der Oberfläche, Sekretion von Stoffen; Gefäße außen gelegen). A — Arterie (punktiert); F = Vene (weiß); Ch = Chylusgefäß (schwarz); Pfeile zeigen die Stromrichtung an.

Um die Möglichkeit, Stoffe aufzunehmen, zu erhöhen, kann die Oberfläche als Zotte vorgebuchtet werden (Abb. 5).

Die Stoffabgabe (die Sekretion) kann ebenfalls durch Vergrößerung der Oberfläche erreicht werden. Sie erfolgt durch E i n s e n k u n g des sezernierenden Epithels in die Tiefe, in die bindegewebige Unterlage, in Form von Schläuchen und Bläschen (Drüsen). (Vgl.Abb.5.)

Epithelgewebe. Drüsen

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Die Drüsen Bestimmte Epithelien haben die F ä h i g k e i t S t o f f e a u s d e m B l u t e a u f z u n e h m e n , in der Z e l l e zu v e r a r b e i t e n , z u s p e i c h e r n u n d s c h l i e ß l i c h als s p e z i f i s c h e s P r o d u k t a u s z u s c h e i d e n . W i r nennen die für jede Drüse charakteristischen Produkte Sekrete, wenn sie weiterhin im Organismus bestimmte A u f gaben zu erfüllen haben, Exkrete, wenn sie als Stoffwechselschlacken ausgeschieden werden. Die e i n f a c h s t e F o r m der Drüse ist die einzellige. Sie kommt als Becherzelle an vielen inneren Oberflächen des Körpers vor. Sie speichert in ihrem bauchigen, der Oberfläche zugewendeten Teil die ΛΠΧ Vorstufen des Sekretes in Form von P r ä m u z i n k ö r n e r n . Der K e r n liegt v o m Zytoplasma umgeben im b a s a l e n Teil. Ist die Zelle ganz mit Sekret gefüllt, so platzt sie an der freien Oberfläche und entleert den Schleim. Die Wand fällt zusammen. V o m basalen Teil aus erfolgt die Regeneration der Zelle und die B i l d u n g neuen Sekretes.

w

Liegen sezernierende Zellgruppen (ζ. B . Becherzellen) ΓΠΛ im Oberflächenepithel, so sprechen wir von endoepithelialen Drüsen. Bei weiterer Vergrößerung der sezernierenden Oberfläche senken sich die Drüsenzellen meistens in die Tiefe, in das daruntergelegene Bindegewebe. Wir sprechen dann von A b b . 6. Schema der verschiedenen Drüsenformen. hypo- oder exoepithelialen 1 einfache, 2 verzweigte, 3 zusammengesetzte tubulöse Drüse, Drüsen. Die in die Tiefe ge- 4 tubulöse Knäueldrüse, 5 tubuloazinöse, 6 tubuloalveoläre, 7 alveoläre Drüse. Die sezernierenden Abschnitte sind rückten Drüsen bilden gewöhnpunktiert. lich einen a u s f ü h r e n d e n , nicht sezernierenden und einen das spezifische Sekret liefernden Abschnitt, das D r ü s e n e n d s t ü c k , aus. Alle Drüsen, die ihr Sekret mit oder ohne Ausführungsgang auf eine Oberfläche abgeben, bezeichnen wir als exokrine oder offene Drüsen. W i r d das Sekret direkt an das B l u t oder die L y m p h e abgegeben, so sprechen wir von endokrinen, inkretorischen oder geschlossenen Drüsen (auch Drüsen mit innerer Sekretion). Nach der F o r m (Abb. 6 ) teilen wir die Drüsen in einfache (i), verzweigte (2) und zusammengesetzte (3) ein. Das sezernierende Endstück (in A b b . 6 punktiert) kann schlauchförmig, tubulös (x—4), beerenförmig, azinös (5), und bläschenförmig, alveolär (6 u. 7), sein. M i s c h f o r m e n sind die tubuloazinöse (5) und die tubuloalveoläre (6) Drüse. Auch diese können wieder verzweigt und zusammengesetzt sein. Die zusammengesetzten können Ausführungsgänge I., II. und III. Ordnung besitzen. Die tubulösen Drüsen sondern meistens ein d ü n n f l ü s s i g e s Sekret ab, haben deshalb eine f e i n e D r ü s e n l i c h t u n g (Lumen). Hierher gehören die Magen-, Darm-, Uterus- und Schweißdrüsen. Ihre Endstücke können gerade verlaufen (Glandulae intestinales im Dünn- und Dickdarm) oder stark geknäuelt sein (Abb. 6, 1 u. 4) (Schweißdrüsen).

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Allgemeine Anatomie. Die Baumaterialien des Körpers

Alveoläre Drüsen sondern meistens ein d i c k f l ü s s i g e s Sekret, Schleim oder Talg ab. Die Endstückzellen sind nicht besonders hoch, das Lumen ist weit. Auch sie kommen einfach, verzweigt oder zusammengesetzt vor (Schleim-, Talg-, Tarsal- und Milchdrüsen). A l v e o l o t u b u l ä r e Mischformen sind die Pylorus-, Duodenal-, manche Schleimdrüsen, Lunge und Prostata. Abteilungen der zusammengesetzten Drüsen werden durch (interlobuläres) Bindegewebe zu kleineren und größeren Läppchen zusammengefaßt. In diesen bindegewebigen Scheidewänden ( S e p t e n ) liegen die größeren Ausführungsgänge, Blut- und Lymphgefäße. Die Drüsen können das Sekret direkt oder mittels feiner Sekretkanälchen in das Lumen ausscheiden. Diese können z w i s c h e n benachbarten Zellen ( z w i s c h e n z e l l i g , ζ. B . Ohrspeicheldrüse, Tränendrüse) oder in der Zelle ( b i n n e n z e l l i g , ζ. B. Belegzellen des Magens) liegen. Nach der A r t d e s S e k r e t i o n s v o r g a n g e s können wir die Drüsen in holokrine (gr. holos, ganz; krinein absondern) und merokrine (gr. meros,Teil), die letzteren wieder in ekkrine und apokrine einteilen. Bei der h o l o k r i n e n D r ü s e wandelt sich die g a n z e Zelle in Sekret um und geht zugrunde. Bei der m e r o k r i n e n D r ü s e scheiden die Zellen das Sekret aus oder stoßen einen T e i l des Zelleibes ab. Die Zellen bleiben aber erhalten und können mit der Sekretion von vorn beginnen. Die e k k r i n e n D r ü s e n bilden das Sekret im Zelleib und geben es durch die freie Oberfläche ins Lumen ab. Die Zelle bleibt ganz erhalten (Schweißdrüsen). Die a p o k r i n e n D r ü s e n (Milch- und große Schweißdrüsen) stoßen den sekretgefüllten, gegen das Lumen vorgebuchteten Teil der Zelle ab. Der basale, kerntragende Teil der Zelle regeneriert und beginnt von neuem mit der Sekretion. Die Regeneration

des E p i t h e l s

erfolgt von den basalen Zellen aus. Geschädigte Zellen werden aus dem Zellverband ausgestoßen; die Nachbarzellen schließen die Lücke. Bei Epitheldefekten der Oberfläche (Wunden) schieben sich die Nachbarzellen über den Defekt, vermehren sich durch Mitosen und e p i t h e l i a l i s i e r e n die Wundfläche. Geht das Epithel an benachbarten Wundflächen verloren, so kann es zu Verklebungen und Verwachsungen der Flächen kommen. 2. D a s B i n d e - u n d S t ü t j g e w e b e Für das Binde- und Stützgewebe ist die Ausbildung einer G r u n d - oder Interzellularsubstanz charakteristisch. Die Z e l l e n t r e t e n ihr gegenüber mehr oder minder z u r ü c k . Zusammensetzung und Form der Interzellularsubstanz sind den mechanischen Aufgaben angepaßt. Das Bindegewebe hat die verschiedenen Organe und Organteile zu umhüllen, zu verbinden und Gefäße und Nerven heranzuführen. Das Stützgewebe gibt als Skeletsystem dem Körper die nötige Stütze. Entsprechend diesen Aufgaben ist dieses Gewebe im I n n e r n untergebracht. Alle Binde- und Stützgewebe gehen aus dem e m b r y o n a l e n G a l l e r t g e w e b e oder Mesenchym hervor, stammen wie dieses vom mittleren Keimblatt, dem Mesoderm, ab. Wir pflegen sie einzuteilen in: i . Bindegewebe, 2. Fettgewebe, 3. Knorpelgewebe, 4. Knochengewebe. a) D i e B e s t a n d t e i l e des

Bindegewebes

Das Bindegewebe besteht aus Zellen und Interzellularsubstanz. Die letztere ist von den Zellen ausgeschieden und läßt eine amorphe Grundsubstanz und verschiedene Arten von Fasern unterscheiden.

Bindegewebe

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α) Die Zellen des Bindegewebes Fibrozyten (Abb. j a ) . E s sind unregelmäßig begrenzte, stark abgeplattete Zellen mit ovalem Kern. In der Kantenansicht erscheinen sie spindelförmig. Die feinen Ausläufer des Zytoplasmas sind färberisch nur schwer darstellbar. Körnchen und Vakuolen liegen zentral im Zelleib, in der Nähe des Kernes. Die Fibrozyten speichern bei der vitalen Färbung Farbstoffe n u r s c h w e r und in Form feiner Granula. Die feinen Zellfortsätze hängen häufig mit Nachbarzellen zusammen, bilden ein Synzytium. Man darf die Fibrozyten n i c h t als s t a r r e Zellformen auffassen. Sie können auf Reize hin ihre Fortsätze einziehen, sich abrunden und nach v. Möllendorff in Histiozyten umwandeln. Nach v. Möllendorff ist dieser Vorgang auch reversibel. Histiozyten oder r u h e n d e W a n d e r z e l l e n (Abb. jb und c). Sie liegen meistens in der Nähe größerer Gefäße, sind a m ö b o i d beweglich und haben deshalb auch eine sehr w e c h s e l n d e F o r m . Der K e r n ist gewöhnlich d u n k l e r , der Z y t o p l a s m a l e i b p l u m p e r . E r enthält größere G r a n u l a und z a h l r e i c h e V a k u o l e n . In flüssiger Umgebung nimmt er eine rundliche Form an (c). Bei der Vitalfärbung speichern die Histiozyten den Farbstoff in Form g r ö b e r e r Granula. Nach v. Möllendorff sind sie als R e i z u n g s f o r m e n der Fibrozyten aufzufassen. Andere Autoren halten sie für selbständige Zellformen, die sich selbständig vermehren und besonders Fremdkörper speichern (Makrophagen). Ruhende Wanderzellen werden sie genannt, weil man annahm, daß es sich um weiße Blutzellen A b b . 7. Zellen des Bindegewebes (nach v. Möllendorf}), handele, die sich im Binde- a = Fibrozyt; b und c = Histiozyten; d = Mastzelle; e = Plasmazelle. gewebe ausgebreitet hätten. Wanderzellen. Die verschiedenen Formen der weißen Blutzellen können im Bindegewebe angetroffen werden (s. Blut S. 38). Man nimmt gewöhnlich an, daß sie aus dem B l u t in das Bindegewebe e i n g e w a n d e r t sind. Nach v. Möllendorff sollen sie sich auch im Bindegewebe bilden können. Die Mastzellen (Abb. yd) sind rundlich oder haben grobe, lappige Fortsätze. Sie finden sich manchmal gehäuft in Gefäßnähe. Das Zytoplasma ist angefüllt mit g r o b e n , rundlichen G r a n u l a , die in Wasser leicht löslich sind und sich mit basischen Farbstoffen sehr lebhaft färben. Die Granula stehen den Schleimsubstanzen nahe und sollen M u k o i t i n p o l y s c h w e f e l s ä u r e , das H e p a r i n , einen die Blutgerinnung hemmenden Stoff, enthalten. Plasmazellen (Abb. j e ) . Sie finden sich nicht regelmäßig im Bindegewebe, treten bei erhöhtem Stoffwechsel (in der Darmwand während der Verdauung und beim Gewebszerfall) auf. E s sind meistens rundliche Zellen, deren Zytoplasma sich ebenfalls basisch färbt. Sie zeigen k e i n e deutliche Granulierung. Exzentrisch vom K e r n liegt ein hellerer Zytoplasmahof. Der Kern zeigt ein zentrales, gröberes Chromatinkorn im Zentrum und stärkere Chromatinschollen unmittelbar an der Kernmembran {Radkern).

Allgemeine Anatomie.

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Die Baumaterialien des Körpers

ß) Die Fasern des Bindegewebes

aa) Die Fibrillen (Abb. ioa) F i b r i l l e n sind feine, 0,3—0,5 μ dicke, unverzweigte, feine Fäserchen, die beim Kochen Leim (gr. kolla) ergeben und deshalb als leimgebende oder kollagene Fibrillen bezeichnet werden. Sie haben eine große Zugfestigkeit, sind praktisch kaum dehnbar. Durch Behandlung mit verdünnten Säuren quellen sie auf, werden unsichtbar. I m Polarisationsmikroskop erscheinen sie positiv einachsig doppelbrechend. Meistens sind sie zu verschieden dicken Bündeln, den Fibrillenbündeln, zusammengelagert (Abb. 10). Diese haben im n i c h t g e d e h n t e n Zustande einen w e l l i g e n Verlauf. Bei der Dehnung werden die Wellen ausgeglichen. Einer weiteren Dehnung setzen die Fibrillen starken Widerstand entgegen. In Bindegeweben, die nicht in einer bestimmten Richtung beansprucht werden, durchflechten sie sich s c h e i n b a r regellos in den verschiedensten Richtungen. Sie sind sicherlich aber auch hier auf ein bestimmtes Konstruktionsprinzip eingestellt, das wir nur nicht ohne weiteres analysieren können.

ßß) Die elastischen Fasern (Abb. ioa) Eine weitere Faserdifferenzierung in der Interzellularsubstanz sind die elastischen Fasern. Sie bestehen aus Elastin, sind wie ein Gummiband stark dehnbar und kehren, wenn sie nicht überdehnt sind, in ihren Ausgangszustand zurück. Sie unterscheiden sich weiter von den kollagenen Fibrillen durch das s t a r k e L i c h t b r e c h u n g s v e r m ö g e n , durch die größere Widerstandsfähigkeit gegen Säuren und Alkalien, durch V e r z w e i g u n g und N e t z b i l d u n g und durch die w e c h s e l n d e D i c k e (Abb. 10). Wenn im Häutchenpräparat die kollagenen Fibrillen durch Säurezusatz aufgequollen und unsichtbar geworden sind, treten die elastischen Fasern besonders schön hervor. Sie gabeln sich häufig, gehen mit Nachbarfasern Verbindungen ein, bilden gröbere oder feinere Netze. Dichtere elastische Netze gehen kontinuierlich in homogene, durchlöcherte, e l a s t i s c h e H ä u t e (gefensterte Membranen) über. Sind im mikroskopischen Präparat elastische Fasern durchschnitten, haben sie durch Abtrennung von dem elastischen Netzwerk ihre Spannung verloren, so krümmen sich die freien Enden hakenförlnig. Mit Orzein und Resorzinfuchsin lassen sich die elastischen Fasern spezifisch färben.

γγ)

Die Retikulin-, Gitter- oder argyrophilen Fasern (Abb. 9)

E s sind äußerst feine Fasern, die aus Retikulin, das dem Kollagen verwandt ist, bestehen. Durch S i l b e r i m p r ä g n a t i o n färben sie sich schwarz, während kollagene Fibrillen sich braun färben. Man nimmt an, daß sie Vorstufen der kollagenen Fibrillen sind ( p r ä k o l l a g e n e F a s e r n ) . Kollagene Fasern sollen sich wieder in Retikulinfasern umwandeln können. Sie sind wie die kollagenen doppelbrechend, aber etwas widerstandsfähiger gegen Säuren. Der Zusammenhang von Retikulinfasern und kollagenen ist nachgewiesen. In lymphatischen Organen und Schleimhäuten bilden sie ein feines Netzwerk (Reticulum), das den Retikulumzellen als Stütze dient. Sie beteiligen sich an der Bildung der Basalmembranen. Muskelfasern, Drüsenendstücke, Blut- und Lymphkapillaren, Fettzellen usw. umspinnen sie in Form von G i t t e r n (Gitterfasern, schön in der Leber darstellbar).

Die D e h n b a r k e i t der Retikulinfasern ist wahrscheinlich (Nagel), doch nicht mit Sicherheit erwiesen, da von Gitter fasern umsponnene Kapillaren auch durch die Verschiebung der Maschen gedehnt werden können.

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Bindegewebe

γ)

Die amorphe Substanz

kann flüssig und mehr oder minder verfestigt sein. Sie liegt zwischen den Fibrillen (Interfibrillarsubstanz) und wird auch als Kittsubstanz {Schaffer) bezeichnet.

b) D i e F o r m e n des

Bindegewebes

a) Das Mesenchym oder embryonale Gallertgewebe (Abb. 8a) Bei jungen Embryonen finden wir zwischen den Organanlagen ein Netzwerk von sternförmig verzweigten Zellen mit relativ großen Kernen. Die weiten Interzellularräume sind mit einer zähflüssigen Masse gefüllt. E s f e h l t noch jegliche F a s e r b i l d u n g . Nur die verschiedene Größe der Interzellularräume läßt Epithelien und embryonales Gallertgewebe unterscheiden. Dieses embryonale Bindegewebe ist das Muttergewebe aller übrigen Stützgewebe.

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Abb. 8 a. Embryonales Gallertgewebe. Vergr. 35omal.

A b b . 8b. Gallertiges Bindegewebe aus der Nabelschnur. Vergr. 3 50 mal.

ß) Das gallertige Bindegewebe (Abb. 8 b) ist bei niederen Tieren weit verbreitet. Es fehlt dem erwachsenen Menschen, findet sich aber noch in der Nabelschnur. Die netzförmige Anordnung der Zellen erinnert an das embryonale Gallertgewebe. Die Interzellularsubstanz besteht aus einer amorphen, schleimigen, gallertartigen Masse, in der kollagene F i b r i l l e n in den verschiedensten Richtungen verlaufen. Kapsel

γ) Das retikuläre Bindegewebe (Abb. 9) E s besteht wie die beiden vorigen aus einem Netzwerk von Zellen (den Retikulumzellen). Diesen liegen die feinen Retikulin- oder argyrophilen (gr, argyros = Silber; philos = liebend) Fasern an. Die Interzellularräume sind mit freien Zellen, vorwiegend Lymphozyten und Gewebsflüssigkeit gefüllt. Die R e t i k u l u m z e l l e n haben eine besondere Fähigkeit, Fremdkörper zu speichern, evtl. abzutöten (Bakterien), sich abzurunden, sich abzulösen und zu „freien" Zellen zu werden (Makrophagen). W a l d e y e r , Anatomie I. 2. Aufl.

Zellen

Retikulumzellen Retikulinfasern

Lymphozyten

A b b . 9. Retikuläres Bindegewebe aus dem Randsinus eines Lymphknotens.Vergr.5oomal.

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

Das retikuläre Bindegewebe findet sich in den Lymphknoten, der Milz, dem Knochenmark und vielen Schleimhäuten. Die Retikulinfasern umspinnen als Gitterfasern Kapillaren, Drüsen, Muskeln usw. Durch Speicherung von Fett können Retikulumzellen zu Fettzellen werden. Auch die Perizyten der Blutkapillaren werden von einigen Autoren als umgeformte Retikulumzellen angesehen.

δ) Das fibrilläre Bindegewebe In ihm herrschen die Fibrillen und Fasern vor. Nach der Z a h l , G r ö ß e und R i c h t u n g d e r F a s e r n teilen wir es in l o c k e r e s (locker verfilztes, interstitielles), in d e r b v e r f i l z t e s und p a r a l l e l f a s e r i g e s Bindegewebe ein. Das lockere Bindegewebe (Abb. io«) enthält verschieden dicke, kollagene Fibrillenbündel, die wellig und in den verschiedensten Richtungen verlaufen. Diese Anordnung der Fasern ermöglicht eine gute Verschieblichkeit. E s schiebt sich in die Spalten zwischen anderen Geweben (Muskel-, Nervenfasern usw.) und faßt sie zu kleineren und größeren

Fibrillenbündel Bündel

kollagner Fibrillen Fibrillenbündel (schräggeschnitten)

Fibrozyt

Fibrillenbündel (quergeschnitten

Histiozyt

Elastische

Fasern

Fibrozytenkerne

b

A b b . io.

Fibrilläres Bindegewebe.

α Lockeres Bindegewebe,

b Derb verfilztes Bindegewebe.

Bündeln zusammen (Endomysium, Endoneurium). Die F i b r i l l e n b ü n d e l stehen einerseits mit dem feinen Gitterfasernetz (s. Retikulinfasern) in Verbindung, andererseits stehen sie auch mit dem selbständig verlaufenden, elastischen Raumgitter in funktioneller Wechselwirkung. Bei Z u g b e a n s p r u c h u n g werden zunächst die elastischen Fasern gedehnt, gleichzeitig die Wellen der kollagenen Fibrillen ausgeglichen. Weiterer Dehnung setzen die kollagenen Fibrillen einen starken Widerstand entgegen. Beim Nachlassen des Zuges bringt die bei der Dehnung in der elastischen Faser gespeicherte Energie sie wieder in den Ausgangszustand zurück. Die Fibrillenbündel werden wieder in Wellen gelegt. Zwischen den Fibrillenbündeln liegen die Zellen (s. S. 15) und feine und gröbere, mit Gewebslymphe gefüllte Spalten. Das lockere Bindegewebe geht fließend in das derb verfilzte Bindegewebe (Abb. 10 b) über. Die Zahl und meistens auch die Dicke der sich durchflechtenden Fibrillenbündel nimmt zu. Entsprechend werden die Spalten zwischen ihnen kleiner. Auch der Zellreichtum nimmt ab. Es bildet die Lederhaut. Sind die Fibrillenbündel flächenhaft, in Lamellen angeordnet, so sprechen wir auch von lamellärem Bindegewebe. Es umhüllt als Perimysium externum die Muskeln, als Perineurium die Nerven.

Bindegewebe

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Parallelfaseriges Bindegewebe (Abb. I i α und b) findet sich als Ausdruck einseitiger Zugbeanspruchung in den S e h n e n und B ä n d e r n . Die parallel verlaufenden Fibrillen bündel werden durch feines, lockeres Bindegewebe zusammengehalten. Die S e h n e n -

Fibrozytenkerne [Flächenansicht) [im Querschnitt)

Fibrillenbündel Fibrozyten [im Querschnitt)

Peritenonium

Fibrozytenkerne (Kantenansicht)

A b b . I i a . Sehne. Längsschnitt. Vergr. 5oomal.

A b b . ni>. Sehne. Querschnitt. Vergr. 300mal.

z e l l e n (Fibrozyten) sind stark abgeplattet. Ihr Zytoplasma schiebt sich mit unregelmäßig gestalteten Plättchen zwischen die Fibrillenbündel. Sie erscheinen deshalb auf dem Querschnitt sternförmig. Die abgeplatteten Kerne sind in der Flächenansicht oval, in der Kantenansicht stäbchenförmig. Meistens liegen mehrere Kerne in der Längsrichtung der Sehne in Gruppen hintereinander. In den gewöhnlichen Sehnen sind nur wenige elastische Fasern I t & l ® ; vorhanden. Parallelfaseriges, vorwiegend aus elastischen Fasern bestehendes Bindegewebe findet sich an einigen Stellen des Körpers in Form elastischer Sehnen und Bänder. Wegen ihrer gelben Farbe werden sie auch als „gelbe Bänder" bezeichnet. Beim Menschen sind elastisch die Ligamenta interarcualia (zwischen den Bogen der Wirbel). Bei Vierfüßlern, besonders den Geweihe tragenden, findet sich das starke, elastische Nackenband.

Ρ

ε) Das Fettgewebe wird vorwiegend auf D r u c k beansprucht, leitet bereits zu den Stützgeweben über. Es besteht aus großen, blasigen, mit Fett gefüllten Zellen, die von feinen Retikulinfasern umsponnen und durch kollagene und elastische Fasern zu größeren Gruppen, den F e t t l ä p p c h e n , zusammengefaßt werden. In den Fettzellen ist das Zytoplasma und der Kern auf eine schmale Randzone verdrängt worden. Häufig wölbt sich das Fett auch gegen den schmalen, r a n d s t ä n d i g e n K e r n vor. Er erscheint nach der Lösung des Fettes als L o c h k e r n . Bei der üblichen Einbettung A b b . 12. Fettzellen neeinem Gefäß (aus werden durch fettlösende Substanzen (Alkohol, Äther, Xylol) ben dem großen Netz eines die Fette herausgelöst. Die Fettzellen erscheinen dann als leere, Meerschweinchens). blasige Räume, an deren Rand der Kern liegt. Durch Osmium- Unten: Fettzelle im Schnitt (stärker vergr.). tetroxyd können die Fettzellen elektiv schwarz, durch Sudan III und Scharlachrot rot gefärbt werden. Das Fettgewebe tritt immer in der N ä h e v o n G e f ä ß e n auf. F e t t l ä p p c h e n werden von selbständigen Gefäßästen versorgt. Die enge Beziehung zum Gefäßsystem ermöglicht bei Überangebot von Fett eine Speicherung (Speicherorgan). Bei Bedarf kann es wieder an den Körper abgegeben werden.

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

Bei Keimlingen tritt das Fettgewebe an charakteristischen Stellen des embryonalen Bindegewebes, in den sogenannten F e t t k ö r p e r n auf. Hier wird das F e t t zunächst in feinen Vakuolen gespeichert. Diese fließen zusammen und füllen schließlich die ganze Zelle aus. Beim Erwachsenen sind es vor allem retikulumähnliche Zellen (siehe Knochenmark), die sich in Fettzellen umwandeln.

Das Fettgewebe dient dem Körper aber auch an vielen Stellen als Baufett. E s füllt leere Räume zwischen den Organen aus und bildet besonders unter der Haut druckelastische Polster. Bei D r u c k b e l a s t u n g werden die von Gitterfasern umsponnenen und durch zugfeste, kollagene Fasern und Lamellen zu Fettläppchen zusammengefaßten Fettzellen abgeplattet. Die sie umspinnenden Hüllen fangen den Druck auf und führen die Druckpolster nach dem Aufhören der Belastung in ihren Ausgangszustand zurück. A n den wichtigsten Stellen (ζ. B . Fußsohle) bleibt auch bei starker Abmagerung dieses mechanisch wichtige Baufett erhalten.

c) D i e F o r m e n des

Stützgewebes

Bei niederen Tieren und in der Rückenseite (Chorda dorsalis) der Keimlinge finden wir das Chordagewebe. Große, blasige, mit Flüssigkeit gefüllte und mit einer festen Membran versehene Zellen werden durch eine kräftige Faserschicht zusammengehalten. Eine Interzellularsubstanz ist n i c h t ausgebildet. Das Chordagewebe hat neben einer Druckschon eine gewisse Biegungsfestigkeit. E s steht somit zwischen dem Fett- und dem Knorpelgewebe. a) Das Knorpelgewebe Der Knorpel besitzt Druck- und Biegungsfestigkeit. I m Gegensatz zum Chordagewebe werden die mechanischen Aufgaben von der gut ausgebildeten Interzellularsubstanz

A b b . 13. α Faserknorpel (Discus intervertebralis). Vergr. 300 fach. b Hyaliner Knorpel (Trachea). Vergr. ioofach. c ElastischerKnorpel (Ohrmuschel). Vergr. 200 fach.

J/C/e/Jflf. übernommen. Die Zellen treten zurück. Der Knorpel ist schneidbar und nicht so hart wie das Knochengewebe. Nach der A r t der Interzellularsubstanz unterscheiden wir 1. hyalinen, 2. elastischen und 3. Faserknorpel (auch knorpelhartes Bindegewebe genannt).

Knorpelgewebe

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aa) Der hyaline Knorpel (Abb. 136) E r kommt im Respirationsapparat (Nase, Kehlkopf, Luftröhre, Bronchen), und als Rippen- und Gelenkknorpel vor. In dünner Lage ist er durchscheinend (gr. hyalos), in dicker bläulich weiß. Die wasserreichen Knorpelzellen enthalten F e t t und G l y k o g e n . Sie liegen einzeln, zu zweien oder in größeren Gruppen in Höhlen der Grundsubstanz, den Knorpelhöhlen. Zwei und mehr in einer Knorpelhöhle liegende Zellen sind durch Teilung aus einer Zelle hervorgegangen. Wir finden deshalb (Abb. 13δ) im I n n e r n des Knorpels größere Zellgruppen. Sie können zwischen sich neue Interzellularsubstanz ausbilden {interstitielles Wachstum). Die Zellen sind hier gewöhnlich rundlich, an Nachbarflächen abgeplattet. A n der Oberfläche des Knorpels sind sie abgeplattet, gehen kontinuierlich in die Fibrozyten der K n o r p e l h a u t , des Perich ondriums, über. Hier erfolgt durch Umwandlung der Fibrozyten der Knorpelhaut und Bildung von Knorpelgrundsubstanz das appositioneile Wachstum.

A b b . 14. Schema v o m B a u des Knorpels (nach Benninghoff). D a s linke Drittel (α) zeigt in der Grundsubstanz die Faserwicklungen verschiedener Ordnung. D a s mittlere Drittel (b) zeigt den hyalinen Knorpel. Die Faserwicklungen sind verdeckt. Das rechte Drittel (c) zeigt den elastischen Knorpel, die Einlagerung elastischer Fasern. Die weißen P u n k t e und die sie umgebenden Ringe stellen die Chondrone, druckelastische Polster, dar.

Die Grundsubstanz besteht aus k o l l a g e n e n F a s e r n und einer schleimartigen Masse, dem C h o n d r o m u k o i d . Der Verlauf der kollagenen Fibrillen entspricht ähnlich wie im Bindegewebe den mechanischen Beanspruchungen. E r wurde vor allem von Benninghoff erforscht. Nach ihm werden (Abb. 14) einzelne oder Gruppen von Knorpelzellen von kollagenen Fibrillen umsponnen. Die dadurch entstehenden Kugeln wirken als druckelastische Körper und werden als Chondrone bezeichnet. Die C h o n d r o n e werden wieder durch kollagene Fibrillen zusammengewickelt. Die aus dem Innern aufsteigenden Fibrillen biegen an der Oberfläche bogenförmig um und bilden die tangential verlaufenden Fasern des Perichondriums. Das Chondromukoid hält die Fibrillen zusammen. Die unmittelbar die Zellen umgebende, zuletzt abgelagerte Schicht färbt sich besonders intensiv und wird auch als Knorpelkapsel bezeichnet. Das Chondromukoid in den Chondronen färbt sich gewöhnlich dunkler als das z w i s c h e n den Chondronen liegende. Die kollagenen Fibrillen sind gewöhnlich nicht sichtbar. Sie sind durch die C h o n d r o i t i n s c h w e f e l s ä u r e maskiert. D a die Knorpel keine Blut- und Lymphgefäße haben, die Ernährung also von der Oberfläche aus durch Diffusion erfolgen muß, treten im Innern schon frühzeitig (mit 18—20 Jahren) degenerative Erscheinungen, Kalkeinlagerungen und Asbestfasern, auf. Die letzteren entstehen durch Umwandlung der Grundsubstanz. ßß) Der elastische oder Netzknorpel (Abb. 13 c) Zum Unterschied vom hyalinen enthält er noch zusätzlich ein N e t z w e r k v o n e l a s t i s c h e n F a s e r n . E r bekommt dadurch ein g e l b l i c h e s Aussehen und eine s t ä r -

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

k e r e B i e g s a m k e i t . Die Zellen liegen meistens einzeln oder zu zweien. Eine Gruppenbildung der Zellen und Verkalkung fehlt. Zellen und Grundsubstanz unterscheiden sich sonst kaum v o m hyalinen Knorpel. Vorkommen: Ohrmuschel, Kehldeckel, knorpel des Kehlkopfes und Ohrtrompete.

γγ)

Processus vocalis des

Gießbeckenknorpels,

Spitzen-

Der faserharte Knorpel ( d a s k n o r p e l h a r t e B i n d e g e w e b e ) (Abb. 13a)

Die von einem feinen Hof von Knorpelgrundsubstanz umgebenen, meist einzeln vorkommenden Knorpelzellen liegen zwischen Bündeln gut sichtbarer Fibrillen. Der Faserknorpel steht mit seinen s i c h t b a r e n , nicht maskierten Fibrillen und den Knorpelzellen zwischen dem Bindegewebe und dem hyalinen Knorpel. E r kommt in den Zwischenwirbelscheiben und der Schamfuge vor. ß) Das Knochengewebe Das Knochengewebe besteht aus Zellen, kollagenen Fibrillen, interfibrillärer Grund- (Kitt-) Substanz und verschiedenen Salzen (Kalziumphosphat, Kalziumkarbonat, Magnesiumphosphat, Kalziumfluorid, Kalziumchlorid und Alkalisalzen). Die Salze sind in der interfibrillären Grundsubstanz wahrscheinlich in Form von Kristallen eingebettet. Sie geben dem Knochen seine große H ä r t e und F e s t i g k e i t . Störungen in der Salzablagerung, die wahrscheinlich unter Vitamineinfluß erfolgt, führen zu Verkrümmungen der Beine (Rachitis). Kalksalzschwund während der Schwangerschaft kann zu starken Deformationen des Skeletes {Osteomalazie) führen. Entfernt man durch Behandlung mit Säuren die Kalksalze aus einem Knochen, so läßt er sich wie Knorpel biegen (Knochenknorpel, Ossein). Dieser entkalkte Knochen ist in seinem Aufbau aber kein Knorpel, sondern ein fibrilläres Bindegewebe. Zerstört man durch Glühen die organischen Bestandteile, so bleibt das anorganische Skelet zurück. E s besitzt noch die Form und die Struktur des ursprünglichen Knochens. Dieser kalzinierte Knochen hat aber seine Elastizität verloren, ist spröde und brüchig. Schnitte durch den Knochen (Abb. 16) lassen schon mit unbewaffnetem Auge kompakten Knochen und schwammartige, spongiöse Knochenbälkchen erkennen. Den kompakten Knochen treffen wir in der Diaphyse der Röhrenknochen und an den Oberflächen der platten und kurzen Knochen. Der spongiöse Knochen findet sich im Innern der kurzen und platten Knochen und in den Epiphysen der Röhrenknochen. In den Maschen des spongiösen Knochens ist das blutbildende, rote Knochenmark untergebracht. Die Knochenzellen oder Osteozyten sind abgeplattete, ovoide Zellen. Ihre nach allen Seiten abgehenden, feinen Z e l l f o r t s ä t z e bilden untereinander ein S y n z y t i u m . Sie liegen in Höhlen der Grundsubstanz, den Knochenhöhlen, ihre feinen Fortsätze in den Knochenkanälchen. (Abb. 15). Nach der A r t d e r A n o r d n u n g d e r F i b r i l l e n unterscheiden wir den g r o b f a s e r i g e n oder g e f l e c h t a r t i g e n und den f e i n f a s e r i g e n oder L a m e l l e n k n o c h e n . aa) Der geflechtartige Knocken Beim geflechtartigen Knochen durchflechten sich wie beim verfilzten Bindegewebe die Fibrillenbündel in den verschiedensten Richtungen. Man könnte ihn als ein verknöchertes Bindegewebe bezeichnen. E r kommt bei niederen Tieren zeitlebens, beim Menschen und den Säugern während der Knochenentwicklung, beim Erwachsenen nur an den Nahtstellen der Schädelknochen und an den Ansatzstellen der Bänder und Sehnen vor. Im allgemeinen wird er beim erwachsenen Menschen durch den funktionstüchtigeren Lamellenknochen ersetzt.

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Knochengewebe ßß) Der Lamellenknochen

Beim erwachsenen Menschen haben wir fast ausschließlich den funktionstüchtigeren Lamellenknochen. Seinen A u f b a u können wir am besten an einem Querschnitt durch die K o m p a k t a eines Röhrenknochens erkennen (Abb. 15). U m die quergetroffenen Gefäß- oder Havers sehen Kanäle finden wir eine konzentrische Schichtung. Schichten (Lamellen) von Grundsubstanz wechseln mit Lagen von Knochenzellen ab. Die um einen Gefäßkanal geordneten konzentrischen, Spezial- oder Havers sehen Lamellen bezeichnen wir als Havers sches System oder Osteon. Drei solcher Osteone sind in A b b . 16 körperlich dargestellt. Sharpeysche

Fasern

Volkmann scher

Kanal

Außere Generallamellen

Resorptionslinie sehe Lamellen

—Schaltlamellen

A b b . 15. Querschnitt durch die Kompakta eines Röhrenknochens.

Vergr. g o n i a l .

Der äußeren oder inneren Oberfläche des Knochens parallel verlaufen die äußeren bzw. inneren General- oder Grundlamellen. Die Zwickel zwischen den Havers sehen Lamellensystemen sind mit Schaltlamellen ausgefüllt. Die Lamellen bestehen aus kollagenen Fibrillen, die durch Kittsubstanz zusammengehalten werden. Die Fibrillen e i n e r Lamelle sind gleichgerichtet, haben einen aufsteigenden, spiraligen Verlauf. Die Fibrillen benachbarter Lamellen überkreuzen sich in verschieden großen Winkeln. (Man vergleiche in A b b . 16 den schematisch eingetragenen Fibrillenverlauf in den äußeren Generallamellen und in den Lamellen der auseinandergezogenen Osteone.) Zwischen den Lamellen liegen die abgeplatteten Knochenzellen. Sie senden ihre Ausläufer durch die Lamellen zu benachbarten Zellagen. Die äußerste Lamelle eines Osteons ist durch eine stärker lichtbrechende, wohl fibrillenfreie Resorptionslinie gegen die Umgebung abgegrenzt (Abb. 15). Die Schaltlamellen (Abb. 15) sind als die Bruchstücke (Brekzien) früherer Lamellensysteme aufzufassen. Ändert sich die Belastung des Knochens, so werden die Osteone, die der Ausdruck der mechanischen Beanspruchung sind, umgebaut. U m Platz für neue Osteone zu schaffen, werden die alten teilweise durch Osteoklasten abgebaut.

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

Die Havers sehen Kanäle stehen (siehe den Längsschnitt auf A b b . 16) miteinander und mit den perforierenden oder Volkmann sehen Kanälen in Verbindung. Die letzteren dringen von der äußeren Oberfläche (Abb. 16) oder auch v o m Knochenmark aus in den Knochen ein, d u r c h b o h r e n die Lamellensysteme und bilden um sich k e i n e eigenen Lamellen. Übergänge zwischen Volkmann sehen und Havers sehen Kanälen werden beobachtet. Die Räume des spongiösen Knochens kann man als erweiterte Havers sehe Kanäle auffassen (Abb. 16). Einzelne Lamelle der äußeren Generallamellen

— Osteon lauseinanciergezogen)

Sharpty sehe Fasern

Enreilerte Η avers sehe Kanäle Sponziosa tubulosa)



Volkmannscher Kanal mit Blutgefäß

Periost llaversscher

Kanal

mit

Blutgefäß

Abb. 16. Schema vom Aufbau des Knochens (nach Benninghoff). 3 Osteone und 3 äußere Generallamellen sind hochgezogen dargestellt, um den Steigungswinkel der Fibrillen in benachbarten Lamellen zu zeigen. V o m Periost aus ziehen Sharpey sehe Fasern und Blutgefäße in den Knochen. Die Räume der Spongiosa sind zum Teil als stark erweiterte Havers sehe Kanäle dargestellt.

Die Ernährung des Knochens erfolgt von der Knochenhaut, dem Periost, aus durch die oben genannten Gefäßkanäle. Das Knochenmark erhält durch ein bis zwei größere Löcher, die Foramina nutricia, eigene größere Arterienäste, die Aa. nutriciae. Die Knochenentwicklung Die Knochenbildung erfolgt durch die Osteoblasten. E s sind spezialisierte Mesenchymzellen, die sich in Reihen anordnen und um sich eine zunächst kalkfreie Grundsubstanz, das Osteoid, absondern. Sie sargen sich dabei gleichsam ein, behalten aber mit ihren Fortsätzen die Verbindung zu den Nachbarzellen. Durch spätere Kalkablagerung wird aus dem O s t e o i d der festere Knochen. In dem Osteoid differenzieren sich Fibrillen und interfibrilläre (Kitt-) Substanz. Die vollständig vom Knochengewebe umgebene Zelle bezeichnen wir als Osteozyt. Sie hat damit im wesentlichen ihre Knochen-

Knochengewebe

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bildung abgeschlossen. Die Anlagerung neuen Knochens erfolgt von oberflächlich verbliebenen Osteoblasten. Dieser Vorgang wiederholt sich stets von neuem. Der Knochen wächst somit durch Apposition. Der A b b a u von Knochen erfolgt durch mehrkernige Riesenzellen, die Polykaryozyten oder Osteoklasten. Sie hegen in Buchten des Knochens, den Howshipschen Lakunen. Die Knochenentwicklung kann direkt im embryonalen Bindegewebe (primäre, endesmale oder direkte Verknöcherung) oder durch Ersatz der knorpelig vorgebildeten Skeletteile erfolgen (indirekte oder Ersatzknochenbildung).

1) Die primäre, endesmale oder direkte

Verknöcherung

Durch direkte Verknöcherung entstehen die Deck- oder Belegknochen (die K n o chen des Schädeldaches und die meisten Knochen des Gesichtsschädels). Sie beginnt mit einer regen Zellvermehrung und Vaskularisation im Mesenchym. Die Osteoblasten bilden Knochensubstanz. Neue Knochenbälkchen lagern sich an den Rändern an. So wächst er radiär, bis er die Nahtstellen erreicht, indem immer weiter Bindegewebe in Knochensubstanz umgebildet wird. Solange an den Rändern, den Nähten noch umwandlungsfähiges Bindegewebe vorhanden ist, kann der Knochen weiter wachsen. Ist die unverknöcherte Mesenchymzone an den Nähten verbraucht, so kommt es zur knöchernen Vereinigung der benachbarten Knochen. D a mit dem Flächenwachstum die Schädelhöhle größer werden soll, muß ständig an der Innenfläche Knochen Perichondral e durch Osteoklasten abgebaut und an der äußeren Knochenmanschette Oberfläche durch Osteoblasten angebaut werden. der Diaphyse F r ü h z e i t i g e N a h t v e r k n ö c h e r u n g führt zu M i k r o z e p h a l i e , zu abnorm kleiner Schädelkapsel.

2) Die indirekte oder

Knchoruiraler Knochen

Ersatzknochenbildung

Bei der Ersatzknochenbildung werden knorpelig — —Blasenknorpel vorgebildete Skeletstücke, die in ihrer Form vollständig dem späteren Knochen entsprechen, durch Knochen e r s e t z t . Der Knorpel wird dabei nicht direkt in Knochen umgewandelt, sondern zunächst Knorpelige zerstört. A n seine Stelle tritt der Knochen. Dieser ErEpiphyse satz des Knorpels kann von innen her (enchondrale) und von außen her (perichondrale Ossifikation) erfolgen. Bei den kurzen Knochen tritt gewöhnlich A b b . 17. Längsschnitt durch einen zuerst die enchondrale, bei den langen oder Röhrenkleinen Röhrenknochen mit periknochen die perichondrale, dann erst die e n c h o n chondraler Knochenmanschette und enchondraler Verknöcherung. Der d r a l e V e r k n ö c h e r u n g auf. primäre Markraum ist weiß. a) Die perichondrale Verknöcherung. Sie beginnt in der Diaphyse. Die zellreiche Kambiumschicht der Knorpelhaut {Perichondrium) liefert die Osteoblasten, die das Bindegewebe des Perichondriums ähnlich wie bei der endesmalen Verknöcherung in geflechtartigen Knochen umwandeln. E s entsteht dadurch auf dem Schaft der Diaphyse des knorpeligen Skeletstückes eine Knochenmanschette, die ihm eine größere Festigkeit verleiht. b) Die enchondrale Verknöcherung. Sie beginnt mit charakteristischen Veränderungen im Knorpel (Abb. 17). Die K n o r p e l z e l l e n v e r m e h r e n s i c h , ordnen sich in

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

Reihen an (Säulenknorpel) und quellen auf (Blasenknorpel). Die Knorpelgrundsubstanz verkalkt. In den so veränderten Knorpel dringen durch die p e r i c h o n d r a l e K n o c h e n m a n s c h e t t e Knospen der zell- und blutgefäßreichen Kambiumschicht des Perichondriums ein und zerstören zum Teil die verkalkte Knorpelgrundsubstanz. Die dadurch freigewordenen Knorpelzellen gehen zugrunde. So entsteht der primäre Markraum. Die miteingedrungenen Bindegewebszellen differenzieren sich zum primären Knochenmark und zu Osteoblasten. Die letzteren lagern auf den erhalten gebliebenen Resten der verkalkten Knorpelgrundsubstanz den enchondralen Knochen ab. Die Zerstörung verkalkten Knorpels und die Bildung enchondralen Knochens schreitet von der Diaphyse gegen die Enden der Epiphysen vor. Die letzteren bleiben zunächst knorpelig. Sie bilden durch Vermehrung der Zellen und durch Anlagerung vom Perichondrium aus stets neuen Knorpel. In dem Maße, wie dieser gegen die Diaphyse wächst, wird er v o m Markraum aus angenagt, zerstört und durch enchondralen Knochen ersetzt. So erfolgt das Längenwachstum des Röhrenknochens. Schließlich wachsen auch in die Epiphysen vom Perichondrium aus Gefäße ein. Im Zentrum der Epiphysen erfolgen dieselben Knorpelveränderungen wie vorher in der Diaphyse (Reihenstellung, Aufblähung der Knorpelzellen, Verkalkung der Knorpelgrundsubstanz). E s folgt die Auflösung des Knorpels und die Bildung von enchondralem Knochen (Knochenkern der Epiphyse). Der Verknöcherungsvorgang schreitet radiär gegen die Peripherie fort. E s bleibt schließlich nur eine schmale Knorpelzone an den Enden als Gelenkknorpel und gegen die Diaphyse hin als Epiphysenfuge erhalten. In der E p i p h y s e n f u g e findet weiterhin eine rege Knorpelbildung besonders gegen die Diaphyse statt. Der neugebildete Knorpel wird in der oben beschriebenen Weise immer wieder durch enchondralen Knochen ersetzt. Ist mit dem Abschluß des Wachstums die definitive Länge des Knochens erreicht, so verschwindet die Epiphysenfuge, die Epiphyse verbindet sich knöchern mit der Diaphyse. Gleichzeitig mit dem Längenwachstum erfolgt das Dickenwachstum durch Anlagerung neuer, perichondraler Schichten von außen und Resorption vorher gebildeten Knochens von innen her. Der Markraum wird ständig vergrößert. Wenn man überlegt, daß der zuerst gebildete Röhrenknochen bequem in der späteren Markhöhle untergebracht werden kann, so wird man verstehen, daß der zuerst gebildete Knochen (sowohl der perichondrale wie der enchondrale) vollständig abgebaut wird. Es muß somit der Knochen des Erwachsenen nur aus perichondralem Knochen bestehen. Die Zell Vermehrung in der Epiphysenfuge steht unter hormonalem Einfluß. Ist diese gestört (bei der Rachitis und der Chondrodystrophie), so ergeben sich Störungen im Längenwachstum. Bei mechanischen Schäden (den Epiphysenlösungen) hört das Längenwachstum vollständig auf.

Vom ersten Lebensjahr ab wird der primitivere Geflechtknochen allmählich durch den funktionstüchtigeren Lamellenknochen ersetzt. Auch beim Erwachsenen erfolgt bei einer Änderung der Beanspruchung (ζ. B . nach einem Knochenbruch) ein Umbau des Knochens. E s werden neue Lamellensysteme gebildet, nachdem alte abgebaut sind. Dieser neue Knochen ist durch eine hellere, fibrillenfreie R e s o r p t i o n s l i n i e gegen den alten abgesetzt. In den spongiösen Knochen (den Epiphysen, der Diploe der platten Knochen und den kurzen Knochen) bleibt das embryonale Knochenmark als rotes Knochenmark erhalten. In der Diaphyse der Röhrenknochen wandelt es sich in gelbes oder Fettmark um. Das letztere besitzt aber die Fähigkeit, sich bei Bluterkrankungen und starken Blutverlusten wieder in rotes Knochenmark zu verwandeln. Nach dem A b s c h l u ß d e s W a c h s t u m s nimmt der Zellreichtum in der inneren oder Kambiumschicht des Periostes ab. Durch den Reiz eines Knochenbruches vermehren sich die Zellen wieder und sondern als Osteoblasten den Kallus ab, der die Bruchenden wieder vereinigt (s. S. 50).

Muskelgewebe

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Mit der Knochenbildung verwandt ist die Zahnbeinbildung. Die Bildungszellen nennen wir hier Odontoblasten. Das Zement der Zahnwurzel besteht aus geflechtartigem Knochen.

3. Das Muskelgewebe Das Muskelgewebe ist durch die Ausbildung feiner, intraplasmatischer, in der Längsrichtung der Zelle verlaufender Fäserchen, der Myofibrillen, gekennzeichnet. Diesen Myofibrillen schreiben wir die ausgiebige Verkürzungs- (Kontraktions-) Möglichkeit in der Längsrichtung zu. Wenn die Fibrillen sich auch nicht immer leicht färberisch darstellen lassen, so ist doch nur bei ihrem Nachweis mit Sicherheit von einer Muskelzelle zu sprechen. Mit wenigen Ausnahmen (M. dilatator pupillae und Muskelzellen an den Endstücken der Schweiß- und Speicheldrüsen, die ektodermal entstehen) stammt die gesamte Muskulatur wie das Stützgewebe vom mittleren Keimblatt ab.

Wir pflegen gewöhnlich i . glatte, 2. quergestreifte Skelet-, 3. quergestreifte Herzmuskulatur zu unterscheiden.

a) Die glatte Muskulatur Die glatte Muskulatur setzt sich aus langgestreckten (40—500 μ langen, 4 — 2 0 μ breiten), spindelförmigen Zellen zusammen, die in der Mitte einen stäbchenförmigen Kern besitzen. Vereinzelt können sie im Bindegewebe vorkommen. Meistens ordnen sie sich zu geschlossenen Bündeln oder Platten, die durch Bindegewebe zusammengehalten werden. Zwischen den Myofibrillen, besonders an den Kernpolen, liegt das nicht weiter differenzierte Sarkoplasma (gr. sarx = Fleisch). In ihm finden wir häufig feine Körnchen. Im Endokard, in der Aortenwand und an einigen anderen Stellen sind v e r z w e i g t e , glatte Muskelzellen nachgewiesen worden (Abb. 18α). Sie bilden s y n z y t i a l e N e t z w e r k e , in denen die Fibrillen aus dem einen Zellbereich in den anderen verlaufen. Neuerdings (Stieve) wird auch ein synzytialer Zusammenhang im dichter gelagerten Muskelverband (Uterus) angenommen. Dichter gelagerte, glatte Muskulatur (Abb. 18 b, b\) zeigt im Querschnitt eine p o l y g o n a l e F e l d e r u n g . Nur die größeren Felder enthalten den im Zentrum gelegenen Kern. Die kleineren, kernlosen Felder entsprechen den zugespitzten Enden der Zellen. Die glatte Muskulatur ist nicht dem Willen unterworfen (unwillkürlich). Sie wird vom S y m p a t h i k u s versorgt, dessen Nervenfasern sich zwischen den Muskelzellagen netzartig verzweigen und schließlich in ein feines Nervenfibrillennetz auflösen. Die genaue Art der Endverzweigung ist noch umstritten (Stoehr, Boeke). Glatte Muskulatur kommt in den Eingeweiden, den Gefäßen und in der Haut vor.

b) Die quergestreifte Skeletmuskulatur Sie setzt sich zusammen aus Einzelfasern, die eine Länge von 15 cm und eine Dicke von 0,1 mm erreichen können. Im Gegensatz zur glatten und Herzmuskulatur besitzt jede Faser eine feine, äußere Hülle, das Sarkolemm. Mit Silber lassen sich im Sarkolemm Gitterfasern darstellen. Jede Skeletmuskelfaser hat z a h l r e i c h e (bis zu Hunderten) ovale K e r n e , die im allgemeinen a n d e r P e r i p h e r i e unter dem Sarkolemmschlauch Hegen. Sie ist demnach als ein Synzytium aufzufassen. Die Myofibrillen zeigen eine Querstreifung (Abb. 18 d), die dadurch zustande kommt, daß stärker lichtbrechende Abschnitte mit schwächer lichtbrechenden abwechseln. D a in allen Fibrillen die dunkleren und helleren Abschnitte in gleicher Höhe liegen, reicht die Quer-

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Allgemeine Anatomie. Die Baumaterialien des Körpers

streifung durch die ganze Breite der Faser. Die dunkleren, im polarisierten Licht doppeltlichtbrechenden {anisotropen) Scheiben (meist mit Q bezeichnet) werden durch eine hellere M i t t e l s c h e i b e (Μ) halbiert. Die hellere, einfach lichtbrechende (isotrope), mit / bezeichnete Scheibe wird durch einen feinen, dunkleren Z w i s c h e n s t r e i f e n (Z), der als eine feine, durchlöcherte M e m b r a n (Grundmembran) aufgefaßt wird, ebenfalls halbiert. Die feine Membran soll durch ihre Löcher die Myofibrillen hindurchtreten lassen und die Glieder der einzelnen Fibrillen auf derselben Höhe halten. Zwischen den Fibrillen findet sich auch hier Sarkoplasma. Durch stellenweise stärkere Ansammlung von Sarkoplasma kann es zu Bündelbildung der Fibrillen kommen (Abb. i8d), die im Querschnitt (Abb. 18Λ) eine Felderung ergibt. Im Sarkoplasma finden wir eine wechselnde Zahl von feinen K ö r n c h e n (Eiweiß, Glykogen und Lipoide). Sie häufen sich in dauernd tätigen Muskeln (Herz) und geben ihnen ein trübes Aussehen. In den Skeletmuskeln kommen trübe und helle Fasern nebeneinander vor. Man faßt sie hier aber auch als Funktionszustände auf, die ineinander übergehen können.

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Abb. 18. Muskelgewebe. Synzytiales Netz glatter Muskulatur (a) [Ausschnitt aus Β enninghoff, 1926]. Glatte Muskulatur der Darmwand, längs- (b) und quer- (fej) geschnitten. Herzmuskulatur, längs- (c) und quer- (Cj) geschnitten. Skeletmuskelfaser längsgeschnitten (d). Bündel quergestreifter Skeletmuskelfasern (d^j. Vergr. a — 200mal; b, = soomal; c, cx = 300mal; d = yoomal; dt = 200mal. A = synzytiale Verbindung; Ka = Kapillare; Bk = Bindegewebskern; Mk = Muskelkern; G — Glanzstreifen; Q = dunkle, anisotrope Scheibe; J = helle, isotrope Scheibe; 5 = Sarkolemm.

Die Skeletmuskelfasern werden durch Bindegewebe zu größeren, selbständig wirkenden Einheiten, den Muskeln, zusammengefaßt. Da die Muskelfasern sich bei der Kontraktion verkürzen und verdicken, muß sich das Bindegewebe dieser Formveränderung anpassen können, die Verschiebung der Fasern gegeneinander ermöglichen und gleichzeitig die Gefäß- und Nerven Versorgung gewährleisten. Das in oder a u f dem Sarkolemm gelegene G i t t e r f a s e r n e t z gibt der weichen Masse der e i n z e l n e n Muskelfaser Halt und ermöglicht die Dickenzunahme. Mehrere Muskelfasern werden durch schraubige Kollagenfaserwicklungen zu selbständig wirkenden Einheiten, den Primärbündeln oder F l e i s c h f a s e r n (Feneis), zusammengefaßt. Diese Primärbündel sind durch sehnenparallele „neutrale" Fasern so untereinander verbunden, daß sie sich gegeneinander verschieben können. Zwischen einzelnen G r u p p e n v o n P r i m ä r b ü n d e l n treffen wir stärkere B i n d e g e w e b s m e m b r a n e n , die die N e r v e n u n d Gefäße führen und durch Herabsetzung der Reibung die Verschiebung der Muskelbündel

Herzmuskulatur, Nervengewebe

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gegeneinander erleichtern. Das gesamte im Muskel gelegene Bindegewebe bezeichnet man als Perimysium internum (Endomysium). E s geht über in das den ganzen Muskel einhüllende Perimysium externum. Dieses besteht aus sich überkreuzenden Bindegewebsfasern, ist ebenfalls nach A r t eines Scherengitters gebaut, kann sich der Formänderung des Muskels anpassen. In selteneren Fällen ist noch eine eigene Muskelfaszie als Führungsröhre (ζ. Β . M. sartorius) ausgebildet. Die Blutgefäße und Nerven verlaufen mit ihren größeren Ästen zwischen den Primärbündeln in der Richtung der „neutralen" Fasern. I m Primärbündel zweigen sich die Arteriolen zu einem Kapillarnetz auf, das mit den langgestreckten, in der Längsrichtung der Muskelfaser verlaufenden Maschen direkt dem Sarkolemmschlauch aufliegt. Der Muskel wird motorisch und sensibel versorgt. Die feinen Aufzweigungen der motorischen Fasern enden mit den motorischen Endplatten (Abb. 22) unter dem Sarkolemmschlauch. Die sensiblen, über den Spannungszustand des Muskels orientierenden Fasern enden an den Muskelspindeln. Dies sind im Perimysium gelegene, reichlich mit Gefäßen und Nerven versorgte Bündel von Muskelfasern, die sich durch Sarkoplasmareichtum auszeichnen und durch eine eigene, bindegewebige Hülle zusammengehalten werden. Beim Übergang vom Muskel in die Sehne verlieren wahrscheinlich die Muskelfibrillen ihre Querstreifung und werden zu Sehnenfibrillen. Das Perimysium wird zum Peritenonium. Gruppen von Muskeln werden durch bindegewebige Scheidewände, die Septa intermuscularia, zusammengefaßt. Sie gehen von der oberflächlichen Körperfaszie aus und ziehen meistens zum Knochen. Auch um einzelne, meistens spiralig verlaufende Muskeln (Sternocleidomastoideus, Sartorius) können sich b i n d e g e w e b i g e F ü h r u n g s r ö h r e n bilden, die die Zugrichtung sicherstellen.

c) Die quergestreifte Herzmuskulatur Die Herzmuskelfaser hat Querstreifung wie die Skeletmuskelfaser, einen zentral gelegenen Kern, synzytiale Verbindungen und kein Sarkolemm, wie sie auch bei der glatten Muskulatur nachgewiesen sind. Sie nimmt somit eine Mittelstellung zwischen der Skelet- und der glatten Muskulatur ein. Die s a r k o p l a s m a r e i c h e n Muskelfasern bilden miteinander langgestreckte Netze (Abb. 18 c). A n den Polen der zentral gelegenen, ovalen Kerne findet sich reichlich Sarkoplasma, das feine Körnchen, die Sarkosomen, enthält. Auch F e t t r ö p f c h e n und P i g m e n t k ö r n c h e n können hier vorkommen. Die Querstreifung ist bei der Herzmuskulatur nicht immer leicht zu erkennen. Manchmal findet man zwischen zwei Kerngebieten dunkle, die ganze Faser durchsetzende Quer- oder Glanzstreifen. Ihre Bedeutung ist umstritten. Die G e f ä ß v e r s o r g u n g der Herzmuskulatur ist besonders reichlich. Das Reizleitungssystem des Herzens besteht aus besonders sarkoplasmareichen Fasern (Purkinjesehe Fasern). Die wenigen Fibrillen liegen an der Oberfläche. Die Muskelfasern bilden sich aus den M y o b l a s t e n . Bei der Herzmuskulatur bilden sie von Anfang an ein Synzytium. Bei der Skeletmuskelfaser sind sie zunächst einkernig. Durch mehrfache Kernteilungen, denen keine Zellteilung folgt, entstehen die kernreichen Fasern. Die Kerne liegen zunächst zentral. Mit der Zunahme der Fibrillen werden sie an die Oberfläche verlagert, was wohl eine Bedeutung für den Kernstoffwechsel hat.

4. Das Nervengewebe Das Nervengewebe besteht aus den reizleitenden Nervenzellen und der stützenden, isolierenden und ernährenden Neuroglia. Beide stammen v o m selben Mutterboden, dem äußeren Keimblatt, dem Ektoderm, ab. Schon in früher Embryonalzeit differenzieren sich die Mutterzellen in Neuro- und Glioblasten.

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Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

a) D i e N e r v e n z e l l e n (Neurozyten, Ganglienzellen) Die N e r v e n z e l l e n kommen vorwiegend im Zentralnervensystem (dem Gehirn und Rückenmark) vor. In der Peripherie liegen sie in besonderen N e r v e n k n o t e n (den

Abb. 19. Abb. 19. Riesenpyramidenzelle der motorischen Region der Großhirnrinde. Fibrillendarstellung [nach Bielschowsky]. Ν = Neurit. Abb. 20. Motorische Vorderwurzelzelle (Wtss/-Färbung) [nach Bielschowsky']. D = Dendrit; Uk = Ursprungskegel; Κ = K e r n ; Kk = Kernkörperchen. Abb. 21. Purkinje sehe Zelle der Kleinhirnrinde (nach Bielschowsky). a = Zellleib; b = Neurit; c = Kollaterale·

A b b . 21.

Ganglien) und auch vereinzelt in verschiedenen Organen. Ein Neurozyt besteht aus dem Zelleib, der den Zellkern enthält, und 2 Arten von Fortsätzen, den Dendriten und dem Neurit. Der große Kern ist hell, sehr c h r o m a t i n a r m und enthält ein großes, dunkles Kernkörperchen (Nucleolus). Das Zytoplasma (Neuroplasma) zeigt in der fixierten Nervenzelle die Neurofibrillen und die chromatophile Substanz. Beide Strukturen lassen sich nur mit besonderen Färbemethoden darstellen. Die Neurofibrillen (Abb. 19) sind

Nervengewebe

31

feine Fäserchen, die den Zelleib und die Fortsätze durchziehen und sich in die Nachbarzellen fortsetzen. Sie kommen wahrscheinlich auch in der lebenden Zelle vor und werden als die eigentlichen, reizleitenden Elemente aufgefaßt. Die chromatophile Substanz (Abb. 20) findet sich zwischen den — Gliakerne Neurofibrillen in Form grober Schollen, die der Zelle ein tigergeflecktes ---Dendriten Aussehen geben(Tigroid-oderNisslNervenzelle Schollen). E s handelt sich wahrscheinlich um hochwertige Nahrungsstoffe. Aus der Veränderung des Nissl-Bildes pflegt der Pathologe gewisse Schlüsse zu ziehen. Zentrale... Kollaterale Die Dendriten (gr. dendros = Nervenfaser Baum) gehen mit breiter Basis von Ν eurilemmktrn der Zelle ab, verzweigen sich mehrfach und geben der Nervenzelle ein — Markscheide baumkronenartiges Aussehen. Ranvierscher Die Aufzweigung ist außerordentlich Schnürring vielgestaltig. Bei der Kleinhimzelle (Abb. 21) liegen die Dendritenverzweigungen wie bei einem Spalier in F.ndoneuratscheide Markhaltiges einer Ebene. Die Nissl-Schollen Neurilemm setzen sich (Abb. 20) in die Dendriten Peripherische Nervenfaser fort, während sie dem Neuriten Schmidlfehlen. Der Neurit setzt sich meistens schärfer vom Zelleib ab. E r enthält k e i n e Nissl-Schollen. Auch das dem Ursprung anliegende Zytoplasmafeld ist schollenfrei und heißt Ursprungskegel (Abb. 20 Uk). Innerhalb des Zentralnervensystems gehen vom Neuriten Seitenäste, Kollateralen, ab, die sich aufzweigen und Verbindungen zu Nachbarzellen herstellen (Abb. 22). Innerhalb von Gehirn und Rückenmark liefern die Neuriten den Hauptbestandteil der w e i ß e n S u b s t a n z . Außerhalb desselben ordnen sie sich zu Bündeln, den p e r i p h e r i s c h e n N e r v e n . Die Neuriten sind immer von einer feinen Scheide, dem Neurilemm, umgeben. Sie besteht aus Gliazellen, den Schwann sehen Zellen. In das Zytoplasma dieser Gliazellen ist bei den meisten Neuriten eine fettähnliche

Lantermannsche Einkerbung

Motorische Endplatte

Muskelfasern

A b b . 22. S c h e m a eines motorischen N e u r o n s (verändert nach v. Möllendorff). Die peripherische N e r v e n f a s e r ist durchschnitten gezeichnet, weil sie in W i r k l i c h k e i t viel länger ist. D a s g a n z e N e u r o n ist v o n Glia (hellgrau) umgeben. S o w e i t sie innerhalb des Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m s liegt, nennen wir sie z e n t r a l e G l i a , soweit sie d e n peripherischen N e r v e n u m g i b t , h e i ß t sie p e r i p h e r i s c h e G l i a oder N e u r i l e m m . V o r d e m E i n t r i t t in den M u s k e l hört z u n ä c h s t die Markscheide (schwarz) a u f ; d a s Neurilemm verschmilzt mit dem Sarkolemm.

Substanz, das Myelin, eingelagert. E s gibt den Neuriten ein w e i ß e s Aussehen. Die myelinhaltige Hüllschicht nennen wir Markscheide. Fehlt das Myelin, so sprechen wir von m a r k l o s e n oder g r a u e n Nervenfasern. Der eigentliche Neurit innerhalb seiner Hüllen heißt Achsenzylinder und besteht aus Neurofibrillen und Neuroplasma. In gewissen A b -

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Allgemeine Anatomie.

D i e Baumaterialien des

Körpers

ständen ist die Markscheide unterbrochen, die Nervenfaser gleichsam eingeschnürt (Ranviersehe Schnürringe, A b b . 22). Das Neurilemm ist aber auch an den Schnürringen vorhanden. Zwischen zwei Schnürringen liegt jedesmal ein Neurilemm- oder Schwannscher Kern. Das Gebiet würde also einem Zellbezirk entsprechen. Wesentlich feinere, trichterförmige Einschnürungen, die Schmidt-Lantermann sehen Einkerbungen, teilen die Markscheide noch in die z y l i n d r o k o n i s c h e n S e g m e n t e . Wird durch die üblichen, histologischen Methoden das M y e l i n herausgelöst, so erscheint in der Markscheide ein feines Gerüstwerk, das Neurokeratingerüst. E s ist wahrscheinlich ein Kunstprodukt. Die peripherischen, markhaltigen Nervenfasern werden noch von einer feinen Membran aus argyrophilen oder Gitterfasern umgeben. K u r z vor dem Eintritt in das Erfolgsorgan verlieren die markhaltigen Nerven ihre Markscheide. Beim Eintritt in die quergestreifte Muskelfaser (Abb. 22) geht das Neurilemm in das Sarkolemm über. Die Fibrillen des nunmehr hüllenlosen Achsenzylinders bilden unter dem Sarkolemm ein feines Netzwerk, die motorische Endplatte. F o r m d e r N e r v e n z e l l e n . F o r m und Größe der Nervenzellen sind sehr variabel. N a c h der Z a h l der F o r t s ä t z e unterscheiden wir u n i p o l a r e , p s e u d o u n i p o l a r e , b i p o l a r e und m u l t i p o l a r e Nervenzellen. Die u n i - u n d b i p o l a r e n F o r m e n k o m m e n vorwiegend in den höheren Sinnesorganen, die p s e u d o u n i p o l a r e n in den Spinalganglien vor. B e i den letzteren g e h t nur ein F o r t s a t z v o n der Zelle a b , der sich bald in einen p e r i p h e r i s c h e n , aus der Peripherie zur Zelle leitenden und einen z e n t r a l e n , z u m R ü c k e n m a r k leitenden F o r t s a t z teilt. M u l t i p o l a r sind die Zellen der s y m p a t h i s c h e n Ganglien u n d die meisten Zellen des Zentralnervensystems. D i e multipolaren Zellen lassen wieder einen Deiierssch.cn und einen Golgischen T y p unterscheiden. B e i m Golgi-Typ verzweigt sich der N e u r i t bald nach d e m A b g a n g v o m Zelleib i m Zentralnervensystem. D e r N e u r i t des Deitersschen Τ y ρ (ζ. Β . Vorderwurzelzellen des Rückenmarkes) ist lang und v e r z w e i g t sich erst in der Peripherie. E i n e besondere F o r m der multipolaren Zellen sind die Pyramidenzellen des Zentralnervensystems.

Die Neuronentheorie Nervenzellen mit allen ihren Fortsätzen bezeichnen wir als Neurone. Man nahm ursprünglich an, daß die Neurone keine direkte Verbindung mit anderen Zellen hätten und daß die Leitung durch einfache Anlagerung, Kontakt, vor sich ginge. W i r haben aber bereits oben (S. 30) gesehen, daß mit Sicherheit der Übergang von Neurofibrillen aus einer Nervenzelle in die andere nachgewiesen ist. Die Neurofibrillen können aber auch in die Zelleiber anderer Gewebe (Muskulatur, Epithel) eintreten und sich netzförmig verzweigen. Damit läßt sich der Zellbegriff als ein scharf abgegrenztes Gebilde nicht mehr halten. Andererseits beobachten wir, daß beim Durchschneiden von Nervenfasern die peripherischen Enden der Achsenzylinder zugrunde gehen und damit die Leitfähigkeit verlorengeht. Das zentrale Ende der Faser wird zunächst auch geschädigt, wächst dann aber wieder aus. Dabei streben die Neurofibrillen den erhalten gebliebenen Neurilemmscheiden des peripherischen Stumpfes wieder zu und können nach 3 — 6 Wochen die Erregungsleitung wiederherstellen. Man muß somit den Z e l l e i b der Nervenzelle als E r n ä h r u n g s - o d e r t r o p h i s c h e s Z e n t r u m für alle ihre Fortsätze annehmen. Die Erregungsleitungen setzen sich meistens aus mehreren solchen trophischen Zentren, Neuronen, zusammen. D a der Ausfall verschiedener trophischer Zentren bestimmte klinische Symptome ergibt, müssen wir aus didaktischen Gründen den Neuronbegriff beibehalten, wenn er sich auch morphologisch nicht in der früheren Form halten läßt.

b) Die Neuroglia (Abb. 23) Die Neuroglia entwickelt sich aus den ektodermalen Glioblasten. Sie hat stützende und ernährende Aufgaben. N a c h d e m O r t ihres Vorkommens unterscheiden wir zentrale (im Zentralnervensystem) und peripherische Glia (in den Nerven und peripherischen Ganglien). Nach der F o r m u n d G r ö ß e i h r e r Z e l l e n , die nur mit besonderen Methoden

33

Nervengewebe

vollständig darstellbar sind, unterscheiden wir Makroglia (auch Astrozyten genannt), Mikroglia (nach ihrem Entdecker Hortegazdlen benannt) und Oligodendroglia (gr. oligos = wenig; dendron = Baum). Die Makrogliazelle (AZ) hat einen großen, runden, chromatinreichen Kern. Vom Zellleib gehen sternförmig (Astrozyten) lange FortH.7. sätze ab. Einer oder mehrere dieser Fortsätze sitzen meistens mit einem flächenhaft verbreiterten Ende einem Gefäß auf (Gliafuß). FeineFäserchen (die Gliafasern) verlaufen im Zytoplasma der Zelle und der Zellfortsätze, erreichen auch Nachbarzellen und die Gefäße, bilden wohl ein dreidimensionales Stützgerüst. An Grenzschichten (ζ. B . Hirnoberfläche) bilden sie Grenzmembranen. Die Gliafüße fließen in einem gewissen Abstand von den Gefäßen zu einer Grenzschicht zusammen. E s entsteht dadurch zwischen dem Gefäß und dieser Grenzschicht ein feiner Lymphraum. Das mesodermale Gefäß ist durch diese A b b . 23. Gliazellen (schematisch zusammenGrenzschicht scharf gegen das ektodermale gestellt). A Z = Astrozyt (Makrogliazelle); Nervengewebe abgesetzt. Die e n g e n B e z i e G — Gefäß; HZ = Hortegazelle (Mikroglia); h u n g e n zum G e f ä ß s y s t e m und der NachΝΖ = Nervenzelle; OZ = Oligodendrogliazelle. weis von feinen Körnchen in den Fortsätzen lassen daran denken, daß die Zellen dem Gefäßsystem Stoffe entnehmen und sie den sehr empfindlichen Nervenzellen zuleiten. Die Mikrogliazellen {HZ) haben einen länglichen, dunklen Kern und zahlreiche stark verzweigte Fortsätze. Sie liegen gehäuft in der Nähe der Gefäße, können Stoffe, besonders Lipoide, in Form von Granula speichern, sich abrunden und wahrscheinlich wandern. Sie räumen zerstörtes Gewebe weg ( A b r ä u m z e l l e n ) . Die Oligodendrogliazellen (OZ) besitzen wenige gering verzweigte Fortsätze und einen kleinen, runden Kern. Sie liegen vorwiegend in unmittelbarer Nähe der Nervenzelle und ihrer Fortsätze. Als Mantelzellen oder Satelliten schließen sie in den Ganglien die Ganglienzellen gegen das umgebende mesodermale Bindegewebe ab (Abb. 25). Die Nervenzellen haben somit allen anderen Geweben gegenüber eine Sonderstellung. Bis auf die intraplasmatischen Endaufzweigungen tritt die Nervenzelle niemals mit dem umgebenden Bindegewebe und den Gefäßen in direkte Verbindung. Sie ist überall, im Zentralnervensystem durch die zentrale Glia, im Nerven durch das Neurilemm, in den Ganglien durch die Satelliten, durch Neuroglia eingehüllt. Diese Hüllschicht wird wahrscheinlich der sehr empfindlichen Nervenzelle aus dem Säftestrom des Körpers elektiv die nötigen N ä h r s t o f f e zuführen und gleichzeitig eine I s o l i e r u n g der Erregungsleitung gewährleisten.

c) D i e p e r i p h e r i s c h e n N e r v e n (Abb. 24) Nerven sind die zu Bündeln zusammengefaßten N e u r i t e n von Neurozyten, deren Zelleiber im Zentralnervensystem oder in besonderen Nervenzellknoten (den Ganglien) liegen. Eine größere oder kleinere Zahl von Neuriten (Nervenfasern) wird (Abb. 24«) durch Bindegewebe, das Perineurium, zu einem Bündel zusammengefaßt. V o m Perineurium, aus zieht noch lockeres Bindegewebe, das Endoneurium, in das Bündel zwischen die einzelnen Nervenfasern und tritt mit der oben beschriebenen Gitterfasermembran in W a l d e y e r , Anatomie I. a. Aufl.

3

34

Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

Verbindung. Mehrere Bündel wiederum werden durch lockeres Bindegewebe, das Epineurium, zu einem Nerven zusammengefaßt. Im Efiineurium finden wir die größeren Gefäße und Fettzellen. Im Nervenquerschnitt kann man bei stärkerer Vergrößerung sehr wohl die halbmondförmigen, der Markscheide dicht anliegenden N e u r i l e m m - oder

Epinenrium

'

Perineurium



Neurilemmkern — Endoneurium



A b b . 24. α Stück eines Querschnittes durch den N. ischiadicus des Menschen. Vergr. ioofach. b Ein Ausschnitt daraus bei stärkerer Vergrößerung (yoofach). Az = Achsenzylinder; Bk = Bindegewebskern; En = Endoneurium; Msch = Markscheide; Sk = Schwannscher oder Neurilemmkern.

Schwann sehen Kerne (Abb. 246 Sk) von den ovalen B i n d e g e w e b s k e r n e n (Bk) unterscheiden. Die Nervenfasern erreichen eine Länge von über 1 m. Sie ziehen ζ. B. von ihrem Zelleib im Rückenmark zu den Großzehenmuskeln. Nervenzellen können somit eine Ausdehnung haben, wie wir sie bei keiner anderen Körperzelle finden.

d) Die Ganglien Ansammlungen von Nervenzellen in der Peripherie bezeichnen wir als Ganglien. Die Spinalganglien der Rückenmarksnerven und die gleichwertigen Ganglien sensibler Hirnnerven bestehen aus rundlichen Ganglienzellen, die nur einen Fortsatz beUrsprungskegel

Mantelzellen

Neurit

Bindegewebe

Nucleus

Kapsel

A b b . 25. Zwei pseudounipolare Zellen aus einem Spinalganglion vom Menschen. Vergr. 5oomal. Abb. 26. Multipolare, sympathische Ganglienzelle, umgeben von einem Kranz von Mantelzellen (Satelliten) [nach Bielschowsky].

A b b . 26.

sitzen (pseudounipolar), der sich bald T-förmig in einen peripherischen und einen zentralen Ast teilt. Der Zelleib ist von einem Kranz von Mantelzellen (Satelliten) umgeben.

35

Nervengewebe

Die sympathischen Ganglien enthalten kleinere, mit zahlreichen Fortsätzen versehene, multipolare Ganglienzellen. Die Mantelzellen sind spärlicher, bilden keine geschlossene Hülle. In den Gangüen treffen wir außerdem in den verschiedensten Richtungen angeschnittene Nervenfasern an. Zwischen dem Nervengewebe finden wir Bindegewebe, das an der Oberfläche zu einer festen Kapsel verdichtet ist.

e) Die Nervenendigungen Das Grundprinzip besteht darin, durch Aufzweigimg der Neurofibrillen eine möglichst große Oberfläche und damit einen möglichst innigen K o n t a k t mit anderen Zellen zu gewinnen. Z u diesem Zweck verschwinden zunächst die Markscheiden, dann auch die Schwann sehen Scheiden. a) Die motorischen Nervenendigungen Eine motorische Nervenfaser (Abb. 22) teilt sich in der Nähe der Muskelfasern in mehrere Äste, die zu verschiedenen Muskelfasern ziehen. Beim Eintritt in die Muskelfaser verschmilzt das Neurilemm mit dem Sarkolemm. Die Neurofibrillen bilden hyfolemmal (unter dem Sarkolemm) ein flächenhaftes Netzwerk, von dem feine, k n o p f f ö r m i g e E n d i g u n g e n in das Sarkoplasma reichen (motorische Endplatte). Außer der motorischen Faser soll an die Muskelfaser noch eine m a r k l o s e F a s e r heranziehen, die den T o n u s der Muskeln regeln soll. Die m a r k l o s e n , e f f e r e n t e n , s y m p a t h i s c h e n N e r v e n (zur glatten Muskulatur und den Drüsen) bilden in der Peripherie Netze (ζ. B . Plexus myentericus und submueosus), von denen einzelne Nervenfasern abgehen, sich in ein feines Terminalretikulum (Stöhr) auflösen, das sich den zu innervierenden Zellen anlegt, vielleicht in sie eindringt (Abb. 27). ß) Die sensiblen Nervenendigungen (Abb. 28) Die a f f e r e n t e n , z u m Zentralnervensystem leitenden Nervenfasern beginnen in der Peripherie 1. mit freien Nervenendigungen, 2. mit Tastzellen und Tastkörperchen, 3. mit Lamellenkörperchen. E s herrscht unter ihnen ein großer Formenreichtum. Über die physiologischen Leistungen der verschiedenen Endigungen sind wir noch nicht endgültig orientiert.

A b b . 27. Motorische Nervenendigung auf glatter Muskelzelle der Harnblase. N a c h Stöhr jr. Vergr. 1200 mal.

Die freien Nervenendigungen finden wir a m häufigsten im E p i t h e l (Abb. 28b) und im B i n d e g e w e b e . Die Nervenfasern bilden nach Verlust ihrer Scheiden ein reich verzweigtes Endbäumchen, dessen freie Enden mit ösenartigen Verdickungen in oder z w i s c h e n den Zellen liegen. Solche freien Nervenendigungen finden sich auch in besonderen Endapparaten, den Sehnenspindeln (am Übergang der Sehne in den Muskel) und den Muskelspindeln (s. S. 29). Tastzellen kommen in den tieferen Schichten der E p i d e r m i s und in der ä u ß e r e n W u r z e l s c h e i d e d e r H a a r e vor. A n ihrer Basis verbreitern sich die Neurofibrillen einer marklosen Nervenfaser zu einem Tastmeniskus. Sind zwei oder mehr Tastzellen zu einer Gruppe vereinigt, so sprechen wir von Tastkörperchen. Aus zwei (Abb. 28«) bis vier Zellen bestehende Tastkörperchen kommen als Grandry sehe Körperchen im Schnabel der Vögel vor. Tastkörperchen aus zahlreichen Tastzellen treffen wir als Meißner sehe Körperchen (Abb. 286) in den Papillen der Lederhaut, besonders zahlreich an der Vola manus und Planta pedis. Abgeplattete, meist mit der Längsachse quergestellte Tastzellen formen ein längliches, bis zu 100 μ langes und 60 μ breites, ovales, von einer bindegewebigen Hülle umgebenes Körperchen, 3*

Allgemeine Anatomie.

36

Die Baumaterialien des Körpers

in dem der Nerv nach Verlust seiner Scheiden in Spiraltouren verläuft und dabei Tastmenisken zwischen den Zellen bildet. Lamellenkörperchen (Abb. 28 c) sind ovale oder rundliche, mit unbewaffnetem Auge sichtbare, 0,5—4,5 mm lange, 1—-2 mm dicke Gebilde, die einen Innenkolben (Ik) und eine wechselnde Zahl von konzentrisch geschichteten Lamellen (Κ) besitzen. In dem Innenkolben bildet der scheidenlose Achsenzylinder (Az) ein feines Fibrillennetz. Die Lamellen enthalten einen mit F l ü s s i g k e i t g e f ü l l t e n R a u m . A n den Grenzen der Lamellen liegen flächenhaft ausgebreitete F i b r o z y t e n . Nach der Za,hl der Lamellen und anderen feinen Unterschieden hat man sie meist nach dem Entdecker mit verschiedenen Namen belegt. Hierher gehören die Krauseschen Endkolben der Bindehaut und anderer Schleimhäute (vielleicht Kälterezeptoren), die Genitalnervenkörperchen und die Vater-

A b b . 28a.

A b b . 28b.

A b b . 28c.

A b b . 28a. Zweizeiliges Grandrysches Körperchen. Vergr. i575mal (nach Boeke). p.N = periterminales Netzwerk; Az = Achsenzylinder. A b b . 28 b. Freie Nervenendigung im Epithel (etwas schematisiert) und Meißner sches Körperchen in einer Papille der Lederhaut. Vergr. 200mal. f. Ε = freie Nervenendigung; Str.c. = Stratum corneum; Str.l. = Stratum lucidum; Str.gr. = Stratum granulosum; Str.sp. = Stratum spinosum; Str.z. = Stratum zylindricum; M.K. = Meißner sches Körperchen; Ν = Nervenfaser. A b b . 28 c. Vater-Pacini sches Körperchen (nach Sobotta). Vergr. 36 mal. Ik = Innenkolben; Az — Achsenzylinder; Κ = Kapseln; Ν = Nervenfaser.

Pacinischen Körperchen. Die letzteren sind die größten und finden sich in den tieferen Schichten der Haut (Subkutis), im Mesenterium, im Pankreas, an den größeren Gefäßen usw.

III. Blut und Lymphe B l u t und Lymphe können wir als flüssige Gewebe auffassen, die aus verschiedenen Arten von Zellen und reichlicher, flüssiger Interzellularsubstanz, dem Blutplasma, bestehen. Die L y m p h e steht dem Gewebssaft näher, enthält mehr Flüssigkeit und relativ wenig Zellen. Das B l u t enthält mehr und verschiedenartigere Zellen und weniger Flüssigkeit. Das Blut (lateinisch sanguis; griechisch haima) setzt sich aus flüssigen (Plasma) und geformten Bestandteilen (Zellen) folgendermaßen zusammen:

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Blut und Lymphe

Blutplasma Blut Blutkörperchen

Blutserum Fibrinogen Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) Weiße Blutkörperchen (Leukozyten) Blutplättchen (Thrombozyten)

Granulozyten

azidophile (eosinophile) neutrophile basophile

kleine Agranulozyten I große (Lymphozyten) | (Monozyten)

1. Das Blutplasma Das flüssige B l u t p l a s m a besteht aus verschiedenen, arteigenen E i w e i ß e n , aus L i p o i d e n , zahlreichen S a l z e n , dem F i b r i n o g e n und einem zeitlich wechselnden Gehalt an N ä h r s t o f f e n (Trauben- oder Blutzucker, Fett, Eiweiß) und S t o f f w e c h s e l p r o d u k t e n (Harnstoff, Aminosäuren, Ammoniak), H o r m o n e n usw. Bei Schädigung der Gefäßwand, beim Ausströmen aus den Gefäßen und beim Tode gerinnt das Blut. Dabei wird das Fibrinogen unter dem Einfluß eines Fermentes, der T h r o m b o k i n a s e , in Anwesenheit von Ca-Ionen als Fibrin in Form feiner F ä d e n ausgeschieden. In dem Gerüstwerk der Fibrinfädchen wird der größere Teil der Blutzellen zusammengebacken (Blutkuchen, Cruor sanguinis). Die übrigbleibende, aus dem Blutkuchen herausgepreßte Flüssigkeit nennen wir Serum. Es enthält meist nur wenige weiße Blutkörperchen. Der Gerinnungsvorgang ist eine Schutzeinrichtung des Körpers. Er versucht durch die Gerinnung, die Schorfbildung, die Wunde zu schließen und einen weiteren Blutverlust zu verhindern. Bei fehlender Gerinnung (bei den sogenannten B l u t e r n ) sind selbst kleine Wunden lebensgefährlich.

2. Die geformten Bestandteile des Blutes, die Blutkörperchen (Abb. 29) a) Die roten Blutkörperchen oder Erythrozyten Die roten Blutkörperchen oder Erythrozyten (gr. erythros = rot)„des Menschen (a; sind bikonkave, elastische, verformbare, kernlose, gelbliche Scheiben, die in der Regel einen Durchmesser von 7,5 μ haben. Sie dienen der inneren Atmung. Mittels ihres Farbstoffes, des H ä m o g l o b i n s , nehmen sie aus der Atmungsluft der Lungen den Sauerstoff auf, transportieren ihn in die Gewebe und tauschen ihn dort gegen Kohlendioyxd ein, das sie an die Atmungsluft wieder abgeben, um sich von neuem mit Sauerstoff zu beladen. Neben den bikonkaven, beiderseits ,,eingedellten", kommen auch konkav-konvexe, sogenannte „ G l o c k e n - oder N a p f f o r m e n " , vor. Auch größere (8—10 μ) und kleinere (2—4 μ) Erythrozyten treffen wir in geringer Zahl an. Die Erythrozyten aller S ä u g e t i e r e (Ausnahme Kamel, L a m a usw., die o v a l e Erythrozyten haben) sind r u n d und k e r n l o s . Die Größe schwankt beträchtlich. Die N i c h t S ä u g e r haben mit wenigen Ausnahmen (Cyclostomen) o v a l e , b i k o n v e x e , k e r n h a l t i g e , meist ziemlich g r o ß e , rote Blutkörperchen.

A u f b a u . Die Erythrozyten haben eine klebrige, verdichtete A u ß e n s c h i c h t . Im Innern finden wir im frischen Zustande keine Strukturen. Der Zelleib besteht aus kompliziert zusammengesetzten Eiweißen, Lipoiden und Salzen. Er enthält den Blutfarbstoff, das H ä m o g l o b i n . Die Erythrozyten sind sehr empfindlich gegen die Zusammensetzung der umgebenden Flüssigkeit. Durch V e r d u n s t u n g der Blutflüssigkeit oder durch Zusatz h y p e r t o n i s c h e r Salzlösungen schrumpfen sie, bekommen M a u l b e e r - und weiter S t e c h a p f e l f o r m (d; e). Durch Zusatz h y p o t o n i s c h e r Salzlösungen quellen sie auf und geben den Blutfarbstoff ab. E^bleiben die „ B l u t s c h a t t e n " , schwer sichtbare Gebilde, zurück. In frischen Ausstrichpräparaten liegen die Erythrozyten oft in G e l d r o l l e n f o r m (c) mit den Breitseiten aneinander.

Allgemeine Anatomie. Die Baumaterialien des Körpers

38

Die Zahl der roten Blutkörperchen beträgt im Durchschnitt 5000000 in einem Kubikmillimeter. Früher wurden für die Frau nur 4500000 angegeben. Neuere Untersuchungen haben ergeben, daß die heutige Frau trotz der zyklischen Blutverluste (Regelblutung) ungefähr die gleiche Zahl von Erythrozyten wie der Mann hat. Bedingt ist dies wohl durch den Sport und die damit verbundene erhöhte Muskelarbeit. Der bleichsüchtige Frauentyp ist heute nahezu ausgestorben. Entstehung der Erythrozyten. Beim Erwachsenen entstehen sie ausschließlich im r o t e n K n o c h e n m a r k der spongiösen Knochen. Die Bildungszellen sind die E r y t h r o b l a s t e n , kern- und hämoglobinhaltige, runde Zellen. Beim Keimling erfolgt die erste Blutbildung außerdem noch in den Gefäßen, der Leber und der Milz.

b) Die weißen Blutkörperchen Sie erscheinen in frischen Präparaten neben den gelblichen Erythrozyten w e i ß . Mit besonderen Färbemethoden kann man in einem Teil von ihnen feinere und gröbere Körner, Granula, darstellen. Die mit Körnchen beladenen Formen nennen wir Granulozyten, die körnchenfreien Agranulozyten. Die letzteren bezeichnen wir auch als Lymphozyten. Sie kommen außer im B l u t vor allem in den lymphatischen Organen vor. a) Die Granulozyten Die Granulozyten stellen 7 5 % aller weißen Blutkörperchen. Sie sind doppelt so groß wie die Erythrozyten (10—14 μ), besitzen einen vielgestaltigen, p o l y m o r p h e n K e r n und zeigen lebhafte, amöboide Bewegungen. In einem Gemisch von sauren und

a _

η Gr

eGr

Y-b£r

A b b . 29. B l u t vom Menschen und Erythrozyten vom Frosch (1b; fcj). Vergr. iooomal. a = Erythrozyt von der Fläche; AI.Ly a 1 — E r y t h r o z y t von der K a n t e ; b = E r y t h r o z y t vom Frosch von der Fläche; b1 = Erythrozyt vom Frosch von der K a n t e ; c = Geldrollenanordnung gr.ii, menschlicher Erythrozyten; d. = Maulbeer- und e = Stechapfelform eines Erythrozyten; n.Gr. = neutrophiler Granuloz y t ; e.Gr. = eosinophiler (azidophiler) Granulozyt; b.Gr. = basophiler Granulozyt; kl.Ly = kleiner L y m p h o z y t ; gr.Ly = großer Lymphozyt; Thr = Thrombozyten.

basischen Farben erweisen sich die Granula des Zytoplasmas als sauer, neutral oder basisch. Nach diesem färberischen Verhalten unterscheiden wir azidophile (eosinophile), neutrophile und basophile Granulozyten. Wegen der Vielgestaltigkeit des Kernes bezeichnen wir diese Gruppe auch als p o l y m o r p h k e r n i g e L e u k o z y t e n . Die a z i d o - o d e r e o s i n o p h i l e n G r a n u l o z y t e n {e.Gr.) haben im Zytoplasmagrobe Körner, die sich mit sauren Farbstoffen (ζ. B . Eosin) intensiv rot färben. Normal kommen sie in 1 — 2 % vor. Beim Vorhandensein von Darmparasiten sind sie meistens vermehrt. Die n e u t r o p h i l e n G r a n u l o z y t e n (72%) zeigen im Zytoplasma äußerst feine Kömchen, die sich neutral verhalten (η. Gr.). Die b a s o p h i l e n G r a n u l o z y t e n (b. Gr.) enthalten leicht wasserlösliche, grobe Granula, die sich basisch färben. Sie kommen im strömenden Blute nur in 0,5% vor, sind den Gewebsmastzellen ähnlich und enthalten wahrscheinlich wie diese das Heparin.

Blut und Lymphe

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Der Kern der Granulozyten ist bei den r e i f e n F o r m e n stark gelappt. O f t sind die Kern teile durch schmale Brücken verbunden. Bei der Degeneration (im Eiter) kann der Kern in mehrere Bruchstücke zerfallen. Die J u g e n d f o r m e n haben einen weniger gelappten Kern. Ihr gehäuftes Auftreten im Blut läßt auf erhöhten Blutzerfall (Blutkrankheiten) oder Blutverlust und entsprechende N e u b i l d u n g im Knochenmark schließen. Die Granulozyten können vermöge ihrer a m ö b o i d e n B e w e g l i c h k e i t durch die Gefäßwand in das umliegende Gewebe eindringen, Fremdstoffe (Bakterien usw.) aufnehmen und zerstören. Sie bilden den Hauptbestandteil des Eiters. Nach v. Möllendorff sollen sie aber auch im Gewebe selbst entstehen können. ß) Die Agranulozyten oder Lymphozyten Sie kommen im strömenden Blute (25%), im Bindegewebe der verschiedensten Organe, besonders gehäuft in den lymphatischen Organen vor. W i r pflegen k l e i n e und g r o ß e Lymphozyten zu unterscheiden. Die kleinen Formen sind wesentlich häufiger als die großen. Die k l e i n e r e n L y m p h o z y t e n {kl. Ly) sind meist kleiner oder von gleicher Größe wie die Erythrozyten. Sie haben einen r u n d e n , c h r o m a t i n r e i c h e n , d u n k l e n K e r n . Das basophile (leicht bläuliche) Zytoplasma bildet einen so feinen Ring um den Kern, daß man bei schwacher Vergrößerung oft nur den Kern erkennt. Die g r o ß e n L y m p h o z y t e n (gr. Ly) sind größer als die Erythrozyten, haben einen großen, c h r o m a t i n ä r m e r e n , h e l l e r e n , häufig an einer Seite eingebuchteten K e r n . In dem basophilen, reichlicheren Zytoplasma liegt der Kern meist exzentrisch. Den großen L y m p h o z y t e n ähnlich sind die M o n o z y t e n . Sie sind noch etwas größer, haben einen mehr gelappten Kern und kommen in der Milz, aber auch im strömenden Blute vor. Über ihre Entstehung und Bedeutung ist man sich noch nicht klar. Die Lymphozyten entstehen vorwiegend in den Lymphknoten und der Milz.

c) Die Blutplättchen oder Thrombozyten Es sind sehr labile, χ — 3 μ große, farblose Körperchen von wechselnder Form (Thr). Oft sind sie sternförmig. Sie enthalten einen zentralen Körper, der von Deetjen. Kopsch u. a. als Kern angesehen wird. Andere Autoren betrachten die Thrombozyten als Zytoplasmateile, die von Riesenzellen und anderen Zellen abgeschnürt sind. Bei der Blutgerinnung ballen sich die Blutplättchen zusammen und zerfallen. U m sie herum erfolgt die erste Fibrinbildung. Eine Bedeutung für die Blutgerinnung ist wahrscheinlich, aber noch nicht eindeutig geklärt. Die Unbeständigkeit der Thrombozyten erklärt wohl auch die verschiedenen Zahlenangaben (200000—900000 im Kubikmillimeter).

IY. Das Knochenmark Beim Erwachsenen finden wir nur im spongiösen Knochen (in den Epiphysen der Röhrenknochen und den kurzen und platten Knochen) rotes Knochenmark. Die Diaphysen der Röhrenknochen enthalten beim gesunden Erwachsenen das gelbe oder Fettmark. Nach großen Blutverlusten und bei mit großem Blutzerfall einhergehenden Blutkrankheiten kann sich das gelbe Knochenmark wieder in rotes Knochenmark zurückverwandeln. Das rote Knochenmark ist die Hauptbildungsstätte der Erythrozyten und der Granulozyten. Das rote Knochenmark enthält weite V e n e n s i n u s , die mit stark s p e i c h e r u n g s fähigen E n d o t h e l i e n ausgekleidet sind. Das Gewebe zwischen den Sinus zeigt ein Netzwerk von sternförmig verzweigten, ebenfalls s p e i c h e r u n g s f ä h i g e n Retikulumzellen. In den Maschen dieses Retikulums finden wir die verschiedensten Formen von

40

Allgemeine A n a t o m i e .

Die B a u m a t e r i a l i e n des K ö r p e r s

Blut- und Blutbildungszellen. Neben Zellen des strömenden Blutes, E r y t h r o z y t e n , Granulozyten und wenigen Lymphozyten, treffen wir die V o r s t u f e n der E r y t h r o z y t e n , die E r y t h r o b l a s t e n , und der Granulozyten, die M y e l o z y t e n , an. Die Erythroblasten besitzen noch einen runden, dunklen Kern und je nach der Reife einen verschiedenen Gehalt an Hämoglobin und entsprechend eine mehr baso- oder eosinophile Färbung des Zytoplasmas. Die Myelozyten haben einen ovalen bis nierenförmigen K e r n und zeigen mit zunehmender Reifung eine Zunahme der eosinophilen, neutrophilen oder basophilen Granula. Neben Erythroblasten und Myelozyten finden sich noch rein basophile Rundzellen, die sich vielleicht in die Hämozytoblasten, die Vorstufen der Erythroblasten, und in die Myeloblasten, die Vorstufen der Myelozyten, gliedern. Erythrozyten und Granulozyten wären damit auf eine Stammform, die myeloische Reihe, zurückzuführen. Doch ist die Frage der Entstehung der verschiedenen Zellformen des Blutes noch sehr umstritten. A u ß e r den beschriebenen Zellen beobachten wir im roten Knochenmark noch Fettzellen, die sich aus Retikulumzellen gebildet haben, und große Riesenzellen, die in einem 40 μ breiten Zytoplasmabezirk m e h r e r e K e r n e (Polykaryozyten) oder e i n e n großen, tiefgelappten K e r n (Megakaryozyten) enthalten.

V. Herkunft und Gliederung des Baumaterials Auf S. 9 wurde bereits angedeutet, d a ß es bei den Metazoen durch Teilung der befruchteten Eizelle bald zu einer Arbeitsteilung und auch zu einer morphologischen Differenzierung kommt. Diese Teilungs- und Differenzierungsvorgänge verlaufen bei A b b . 30. F u r c h u n g des Amphioxuseies.

(Nach Hatschek.) 1

Vierzellen-,

2 Achtzellen-, 3 Sechzehnzellenstadium; 4 Morula; 5 junge B l a s t u l a ; 6 ältere Blastula, median durchschnitten ; pz = Polzelle; Bc = Blastozöl (Keimblasenhöhle).

3

ff

den einzelnen Tierklassen sehr verschieden. Hier soll nur das Grundsätzliche kurz gestreift werden. (Näheres siehe Lehrbücher der Entwicklungsgeschichte.)

1. Die Furchung Die befruchtete Eizelle, das Spermovium, wird durch zwei aufeinander folgende, durch die beiden Pole gehende Furchungsteilungen in vier annähernd gleich große Zellen geteilt (Abb. 30, 1). Die nächste Teilung verläuft äquatorial, senkrecht zu den beiden vorigen und ergibt 8 Zellen (Abb. 30, 2). Weitere Teilungen ergeben die grobzellige (16 Zellen, A b b . 30, 3) und die feinzellige (32 Zellen) Morula (Abb. 30, 4). Durch Auseinanderweichen der Zellen der Morula entsteht im Innern ein R a u m , der bei der weiteren Teilung (Abb. 30, 5) größer wird und im Schnitt (Abb. 30, 6) einen von einer einschichtigen Zellage umgebenen Hohlraum zeigt. Wir bezeichnen dieses Entwicklungsstadium als K e i m b l a s e oder Blastula, den entstandenen Hohlraum als K e i m b l a s e n h ö h l e [Furchungshöhle, Blastozöl (ßc)]. Die Zellen sind annähernd

41

Herkunft und Gliederung des Baumaterials

gleich groß (adäqual). A m oberen, a n i m a l e n P o l sind sie etwas kleiner als am unteren, v e g e t a t i v e n P o l . Das E r g e b n i s der Furchung ist somit die einschichtige, flüssigkeitsgefüllte Hohlkugel, d i e B l a s t u l a .

2. Die Gastrulation (Abb. 31) Die Blastula flacht sich am vegetativen Pol ab (1). Die Zellen wachsen (2) allmählich gegen das Blastozöl (Bc) vor. Bei diesem Wachstumsvorgang, den man sich am einfachsten durch Einstülpen eines mit einem Loch versehenen Gummiballes klarmachen kann, verschwindet allmählich das Blastozöl. Die darin vorhandene Flüssigkeit diffundiert und wird resorbiert (3). Die so entstandene Gastrula zeigt eine innere, eingestülpte Zellage, das i n n e r e K e i m b l a t t , Entoderm {End), und eine äußere, nicht eingestülpte Zellage, das ä u ß e r e K e i m b l a t t , Ektoderm (Ekd). A m Urmund (Um) gehen beide ineinander über. Der Urmund ist die Öffnung des Urdarmes (Ud). Die Gastrula streckt sich (4) in die Länge; die Rückenseite flacht sich ab; der Urmund wird kleiner. Das Ekd End E r g e b n i s der Gastrulation ist die A b b . 31. Gastrulation des Amphioxus. (Nach Hatschek.) Gastrula, der zweiblättrige Medianschnitte durch 4 aufeinanderfolgende Stadien. K e i m . Die beiden Keimblätter Bc = Blastozöl; Ud = Urdarm; Um — Urmund; zeigen bereits eine A r b e i t s t e i l u n g . Ekd — Ektoderm; End, — Entoderm. Das Ektoderm bildet die äußere Hülle, nimmt die Reize der Umgebung auf und verarbeitet sie. Durch Ausbildung von Flimmerhärchen (beim Amphioxus) dient es der Fortbewegung. Das Entoderm nimmt die in den Urdarm gelangte Nahrung auf, verarbeitet sie und scheidet die Schlacken aus.

3. Die Bildung des mittleren Keimblattes, der Chorda des Medullarrohres (Abb. 32)

dorsalis

und

Drei Querschnitte durch etwas ältere Amphioxuskeime zeigen, wie die Zellen des Urdarmdaches sich verdicken (1), eine ventral offene Rinne bilden (2) und sich aus dem übrigen Entoderm lösen (3). Der so entstandene solide Zellstrang ist die erste Anlage der R ü c k e n s a i t e , der Chorda dorsalis (CA). Zu beiden Seiten der Chordaanlage (Ch) stülpen sich aus dem Urdarm (Ud) Säckchen (Md) vor, deren Hohlräume zunächst (1) noch mit der Urdarmhöhle in Verbindung stehen, sich aber dann von ihr abschnüren (2) und weiter differenzieren (3). Die symmetrischen Ausstülpungen liefern das m i t t l e r e K e i m b l a t t , das Mesoderm (Md). Die abgeschnürten Hohlräume sind die erste Anlage der L e i b e s h ö h l e (Lh). Der nach der Abschnürung von Chorda dorsalis (Ch) und Mesoderm (Md) verbliebene Rest des Urdarmes liefert (3) den b l e i b e n d e n D a r m (D). Das ihn auskleidende Entoderm bezeichnen wir als s e k u n d ä r e s E n t o d e r m oder D a r m d r ü s e n b l a t t . Die oberhalb des Urdarmdaches gelegenen Zellen des äußeren Keimblattes wachsen zu hohen Zylinderzellen aus, senken sich in die Tiefe und bilden die Medullarplatte (1; Mp). Die Medullarplatte liefert durch Hebung der Ränder die Medullarrinne (2; Mri), die sich zum Medullarrohr (3; Mro) schließt. Das Medullarrohr differenziert sich zum Zentralnervensystem.

42

Allgemeine Anatomie.

Die Baumaterialien des Körpers

4. Die Differenzierung des mittleren Keimblattes Die in A b b . 32, 1 dargestellten Mesodermausstülpungen (Md) werden schon frühzeitig, wie der Längsschnitt (Abb. 32, 4) zeigt, durch quere Scheidewände in hintereinander gelegene Abschnitte, die Ursegmente (Uv U2 usw.) geteilt. Dieser Teilungsprozeß (die Segmentierung) beginnt vorn und schreitet allmählich nach hinten fort. A m Hinterende erhält sich längere Zeit eine Zone unsegmentierten Mesoderms (u. Md), die Mro

Abb. 32. Entwicklung und Differenzierung des mittleren

Keimblattes

und der Medullarplatte beim Am· phioxus.

J — 3 Querschnitte durch

3 aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien. 4 Längsschnitt eines Keimlings mit 5 Ursegmenten. Ch = Chorda dorsalis; Cn = Canalis neurentericus; Ekd = Ektoderm; Md = Mesoderm; u.Md segmentiertes Mesoderm; End = Entoderm; Lh = Leibeshöhle; Mp = Medullarplatte; Mri dullarrinne; Mro = Medullarrohr; Np = Neuroporus; p.Md = parietales Mesoderm; v.Md zerales Mesoderm; Ud = Urdarm; D = definitiver Darm; Ursg = Ursegment; Uv U2 = 2. Ursegment; d. Ul = dorsale Urmundlippe; v. Ul = ventrale Urmundlippe.

Abb. 33. Schema zur Differenzierung des mittleren Keimblattes und des Ursegmentes. (Nach Bonnet-Peter.) Rechts ist die Entwicklung weiter fortgeschritten. Ekd — Ektoderm; End — Entoderm; p. Md = parietales Mesoderm; v. Md = viszerales Mesoderm; Ch = Chorda dorsalis; Mr — Medullarrohr; Lh = Leibeshöhle; Ursg = Ursegment; Uh = Ursegmenthöhle; v.M = ventrales Meso.

= = — 1.

unMevisund

dauernd Zuwachs durch ZellVermehrung im Gebiet der d o r s a l e n U r m u n d l i p p e (d. Ul) bekommt. Auf diesem Stadium (4) stehen Urdarm (Ud) und Medullarrohr mittels des Canalis neurentericus (Cn) miteinander in Verbindung. Die Mesodermsäckchen wachsen (Abb. 32, 3 links) nach dorsal und ventral aus und bilden ein dem Medullarrohr (Mro), der Chorda (Ch) und dem Darmrohr (D) aufliegendes Blatt, das viszerale Mesoderm (y.Mii), und ein demEktoderm innen anliegendes Blatt, das parietale Mesoderm (p. Md). Durch eine längs verlaufende Einschnürung (Abb. 32, 3 rechts) wird der dorsale Teil (Ursg) des Mesodermsäckchens von dem ventralen Teil abgetrennt. Im ventralen Teil gehen die Scheidewände zwischen den hintereinander gelegenen Mesodermsäckchen verloren und bilden die u n s e g m e n t i e r t e L e i b e s h ö h l e . I m dorsalen Abschnitt bleibt die Segmentierung erhalten. E r liefert die d e f i n i t i v e n U r s e g m e n t e (Ursg). Die schematisierte A b b . 33 zeigt (rechts) die weitere Differenzierung des Ursegmentes (Ursg). Die der Chorda (Ch) und dem Medullarrohr anliegenden Zellen sind hochzylindrisch geworden. Sie liefern a l s M u s k e l s e g m e n t ( My otom)

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Herkunft und Gliederung des Baumaterials

die Skeletmuskulatur und als S k e l e t s e g m e n t (Skierotom) die Knochen des Körpers. Der dem Ektoderm anliegende Teil des Ursegmentes, das Dermatom oder die Kutisplatte, liefert das Bindegewebe und die glatte Muskulatur der Haut im dorsalen Bereich des Körpers. Zwischen Myotom und Dermatom Hegt die Ursegmenthöhle (Uh). Sie steht durch einen feinen Kanal, den Ursegmentstiel, mit der Leibeshöhle in Verbindung. Die A b b . 34 zeigt rechts ein Stadium, das ungefähr der A b b . 33 entsprechen würde. Links ist das Ursegment weitgehend aufgelöst. Die Zellen des S k i e r o t o m s sind ausgeschwärmt, haben um die Chorda dorsalis die Wirbelanlage gebildet. Das M y o t o m ist nach ventral ausgewachsen und hat sich bereits in einen d o r s a l e n (dunkelgetönten) und einen v e n t r a l e n (hellgetönten) T e i l gegliedert. Der d o r s a l e T e i l liefert die Rückenmark

Myotom

\ Spinalgangl ion

Dermatom (Kutisplatte)

!

/



Ursegmenthöhle

y

s

Epithel der Haut Skierotom

Bindegewebe der Haut Dorsaler Nervenast Dorsale

Muskwatur Wirbelanlage

Ursegmente

Chorda dorsalis Nieretianlage Ursegmentst.ele

Ventraler Nervenast ExtremitiUenknospe

~~ Viszerales Ventrale

Mesoderm

Muskulatur • Pariäales

Leibeshöhle Muskulatur wui Bindegewebe des Darmes

Mesoderm

• Leibeshöhle Darmepithel

Ventrales

Meso

Darmrohr

A b b . 34. Stück von einem Wirbeltierkeimling. (Schematisiert nach Hesse-Doflein und Braus). Rechts vom Beschauer ist ein jüngeres, links ein älteres Entwicklungsstadium eingetragen.

tiefe, bodenständige, a u t o c h t h o n e R ü c k e n m u s k u l a t u r , die von d o r s a l e n Nervenästen versorgt wird. Der v e n t r a l e T e i l liefert die M u s k u l a t u r d e r v e n t r a l e n R u m p f w a n d . Aus der letzteren wandert die Muskulatur in die Extremitätenknospen und liefert die G l i e d m a ß e n m u s k u l a t u r . Diese ventrale (Rumpfwand- und Extremitäten-) Muskulatur wird v o n v e n t r a l e n N e r v e n ä s t e n v e r s o r g t . Die Zellen des D e r m a t o m s , der Kutisplatte, sind unter das Ektoderm ausgewandert und haben die bindegewebigen Bestandteile der Haut, die Kutis, an der Dorsalseite geliefert. Die U r s e g m e n t s t i e l e bilden das E x k r e t i o n s s y s t e m . Der nicht segmentierte, ventrale Teil des Mesoderms (die S e i t e n p l a t t e n ) liefert die epitheliale Auskleidung der Leibeshöhle (d. h. der späteren Perikard-, Pleura- und Peritonaealhöhle). Aus dem p a r i e t a l e n B l a t t sind Zellen (Mesenchym) unter das E k t o derm der Gliedmaßen und der Seiten- und Ventralfläche des Körpers gewandert, haben das parietale Bindegewebe geliefert. A u s dem v i s z e r a l e n B l a t t sind Zellen (Mesenchym) um das Entoderm gewandert und haben die M u s k e l - und B i n d e g e w e b s s c h i c h t e n d e r D a r m w a n d gebildet. Die epitheliale Auskleidung der dorsalen W a n d der Leibeshöhle liefert noch die K e i m d r ü s e n und die R i n d e d e r N e b e n n i e r e n .

44

Allgemeine Anatomie.

Der Bauplan

Das mittlere Keimblatt, das Mesoderm, ist somit in seinen Leistungen sehr vielseitig. E s liefert die quergestreifte und glatte Muskulatur, die Binde- und Stützgewebe und die Epithelien der Vor-, Ur- und Nachniere, der Harnleiter, der Nebennierenrinde, der Keimdrüsen, der Samen- und Eileiter, der Gebärmutter und der Scheide, schließlich noch Blut, Lymphe und das Gefäßsystem. Das äußere Keimblatt, das Ektoderm, vermittelte bereits auf dem Gastrulastadium (s. S. 41) die Beziehungen zur Umgebung, indem es die äußere Hülle bildete und die Reize der Umwelt aufnahm und verarbeitete. Diese Aufgabe behält es auch weiter bei. E s liefert das E p i t h e l d e r ä u ß e r e n H a u t und des A n f a n g s - u n d E n d t e i l e s d e s D a r m k a n a l e s . Das Hautepithel differenziert Schweiß-, Talg- und Milchdrüsen, Haare und Nägel. Als Einstülpungen des Hautektoderms (siehe Auge und Ohr) entstehen die Linse und das Epithel des inneren Ohres. Der als Neurairohr in die Tiefe verlagerte Teil des Ektoderms liefert das gesamte Nervensystem: sämtliche Nerven- und Gliazellen von Gehirn und Rückenmark, Spinalund sympathischen Ganglien, die peripherischen Nerven und die peripherische Glia, die Netzhaut und den größten Teil des Glaskörpers. Das innere Keimblatt, das Entoderm, hatte auf dem Gastrulastadium (s. S. 41) die Aufgabe der Stoffaufnahme und -Verarbeitung. Der nach Bildung von Chorda und Mesoderm verbliebene Rest behält diese Aufgaben. E r liefert das E p i t h e l d e s D a r m r o h r e s (mit Ausnahme kleiner Gebiete am Anfang und am Ende) und die vom Darmepithel ausgestülpten Drüsen (Schilddrüse, Epithelkörperchen, Thymus, Leber, Bauchspeicheldrüse, Kehlkopf, Luftröhre und Lungen). D a Harnblase, weibliche Harnröhre, Scheidenvorhof und der kleinere Teil der männlichen Harnröhre Bildungen des Enddarmes sind, werden auch ihre Epithelien und die von den Epithelien gebildeten Drüsen (Vorsteherdrüse, Bulbourethraldrüsen, Scheidenvorhofsdrüsen, Paraurethraldrüsen) vom Entoderm geliefert.

B. Der Bauplan des menschlichen Körpers I. Achsen und Ebenen des Körpers Der Mensch ist wie die meisten Wirbeltiere bilateralsymmetrisch gebaut, d. h. die von der Rückenfurche durch die Wirbeldornen zur Mitte des Bauches (durch den Nabel) gehende Medianebene oder Mediansagittale (Abb. 35) teilt den Körper in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften, die Antimeren. Gewisse Asymmetrien (Lage des Herzens, der Leber, Milz usw.) kommen schon in früher E n t wicklungszeit vor. Feinere Abweichungen von der Symmetrie (Stellung der Nase, Größe der Gesichtshälften, Größe der Augen, Größe, Stellung und Form der Ohren, seitliche Ausbiegungen der Wirbelsäule usw.) sind charakteristisch für das Individuum.

Entlang der kopf-schwanzwärts (kranial-kaudal) verlaufenden Hauptachse beobachten, wir eine ausgesprochene A s y m m e t r i e . Es folgen aufeinander Kopf, Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule mit Rippen, Lendenwirbelsäule ohne Rippen, Kreuzbein mit Beckengürtel, Steißbein. Ähnliche Asymmetrien bestehen auch in der Anordnung der inneren Organe. Längs der kranial-kaudalen Hauptachse stellen wir eine Gliederung oder Segmentierung fest. Diese Gliederung tritt schon frühzeitig (s. S. 42) in Form der U r s e g m e n t e auf. Sie betrifft das Skelet (Wirbel und Rippen), die Muskulatur, die Haut (Dermatome), die Gefäße, Nerven usw. In der weiteren Entwicklung geht diese Segmentierung wieder etwas zurück, indem ζ. B . segmentale Muskeln und Nerven wieder zu höheren Muskeleinheiten und Nervengeflechten verschmelzen. A n der Wirbelsäule und im Brustgebiet (Rippen, Zwischenrippenmuskeln, -nerven, -arterien und

45

Achsen, Ebenen und Richtungsbezeichnungen

-venen) bleibt diese ursprüngliche Gliederung am besten erhalten. Wir bezeichnen die kranial-kaudal aufeinanderfolgenden Abschnitte als Metameren. Diese Segmentierung des Achsenskeletes hat dem ganzen Stamm der W i r b e l t i e r e den Namen gegeben. Auch vom Rücken [Dorsum) zum Bauch (Venter) hin, entlang der dorso-ventralen Nebenachse, stellen wir eine ausgesprochene Asymmetrie in der Anordnung der Organe fest. Es folgen (s. A b b . 35) von dorsal nach ventral die mächtige Rückenmuskulatur, Sagittalebenen ,

„ , Dorsal

Medianebene

Lateral Medial Median

j

Frnntalebenen

Ventral

Abb. 35. Schematischer Querschnitt durch den Körper in Höhe der Nieren und der Milz. Eingetragen sind die Medianebene, zwei weitere Sagittalebenen, zwei Frontalebenen und Richtungsbezeichnungen .

die Wirbelsäule mit dem Rückenmark, die Aorta, der Darm und schließlich die dünne ventrale Bauchwand. Achsen des Körpers: 1. Die kranial-kaudale Hauptachse, 2. die dorso-ventrale Nebenachse, 3. die quere oder transversale Nebenachse. Die drei Achsen stehen aufeinander senkrecht. Ebenen des Körpers: 1. Die M e d i a n e b e n e oder M e d i a n s a g i t t a l e (Abb. 35) verläuft v o m Rücken zum Bauch und teilt den Körper in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften (Antimereri). Die ü b r i g e n Sagittalebenen verlaufen parallel zur vorigen dorso-ventral (Abb.35). 2. Die F r o n t a l e b e n e n verlaufen parallel zur Stirn, stehen senkrecht auf den vorigen (Abb. 35). 3. Die T r a n s v e r s a l - oder H o r i z o n t a l e b e n e n verlaufen quer durch den Körper und stehen senkrecht auf den Sagittal- und Frontalebenen. Die Richtungsbezeichnungen. Sie sind nach der neuen Nomenklatur so gewählt, daß sie nicht nur für den stehenden, sondern auch für den liegenden Menschen und die Vierfüßler gültig sind.

46

Allgemeine Anatomie. Der Bauplan

A m R u m p f unterscheiden wir: cranialis, kopfwärts — caudalis, schwanzwärts; superior, oben — inferior, unten (seltener verwendet); dorsalis, rückenwärts — ventralis, bauchwärts; ;posterior, hinten — anterior, vorn (seltener verwendet); medialis, zur Medianebene hin — lateralis, weiter von der Medianebene weg; medianus, genau in der Mitte gelegen; dexter, rechts — sinister, links; superficialis, oberflächlich (der Haut näher) — profundus, tief. Am A u g e sprechen wir noch von: nasalis, nasenwärts — temporalis, schläfenwärts. An d e n G l i e d m a ß e n , die ihre Lage im Raum besonders ändern können, unterscheiden wir: proximalis, rumpfwärts — distalis, auf das freie Ende der Gliedmaßen zu; radialis, speichenwärts — ulnaris, ellenwärts; tibialis, schienbeinwärts —• fibularis, wadenbeinwärts; volaris, hohlhandwärts — dorsalis, handrückenwärts; plantaris, fußsohlenwärts — dorsalis, fußrückenwärts.

II. Gliederung des Körpers Wir pflegen am menschlichen Körper einen Stamm und zwei Paar Gliedmaßen, Arme und Beine, zu unterscheiden. Der Stamm besteht aus dem Kopf, Caput, dem Hals, Collum, und dem Rumpf, Truncus. Der Rumpf läßt sich wieder in Brust, Thorax, Bauch, Abdomen, und Becken, Pelvis, gliedern. Man sei sich aber darüber klar, daß diese Einteilung eine rein äußerliche ist. Organe greifen von dem einen Teil in den anderen über. Zur topographischen Beschreibung unterscheiden wir an den großen Körperabschnitten noch Felder, Regiones. Die Abgrenzung der großen Körperabschnitte bzw. der Regionen wird zu Anfang jedes Kapitels gegeben.

III. Die Maßverhältnisse, Proportionen, des menschlichen Körpers Schon die griechischen Künstler suchten nach einem Grundmaß, um ein Gesetz der Proportionen zu finden. Nach ihnen ist die Körperlänge das Achtfache der Kopfhöhe. Seit dieser Zeit haben sich große Künstler und Naturwissenschaftler, A. Dürer, Michelangelo, Leonardo da Vinci, Carus und andere, um ein solches Grundmaß bemüht. Sie konnten zu keinem allgemeingültigen Maß kommen, weil die Proportionen in den verschiedenen Lebensaltern (Abb. 36), bei den beiden Geschlechtern, den einzelnen Rassen und Konstitutionstypen außerordentlich schwanken. Das S c h ö n h e i t s i d e a l läßt sich nicht normen, sondern wird von dem Schönheitsempfinden, der Rasse und der Umwelt des Künstlers abhängen. Der Wissenschaftler hat dagegen gewisse M e ß p u n k t e (s. Lehrbücher der Anthropologie) festgelegt, um die Unterschiede der Menschenrassen, ihre Geschlechtsunterschiede, die Konstitutionstypen, den Wechsel der Proportionen während des Wachstums usw. zu erfassen. Ein Blick auf Abb. 36 zeigt uns die Proportionsverschiebungen während des Wachstums. So ist die K o p f h ö h e beim Erwachsenen ein Achtel der K ö r p e r l ä n g e . Der G e h i r n s c h ä d e l ist beim Neugeborenen verhältnismäßig größer als der G e s i c h t s s c h ä d e l . Mit der Ausbildung des Gebisses wächst der Gesichtsschädel verhältnismäßig stärker. Der N a b e l liegt beim Neugeborenen ungefähr in der Körpermitte und rückt allmählich höher. Die K ö r p e r m i t t e liegt beim Erwachsenen in der Höhe der Scham-

Gliederung des Körpers,

47

Proportionen

beinfuge. Die G l i e d m a ß e n , besonders die Beine, sind beim Neugeborenen relativ kurz. So ist ζ. B . die Entfernung Schambeinfuge—Fußsohle beim Neugeborenen drei Achtel, beim Erwachsenen die Hälfte der Körperlänge. Die Frau hat im allgemeinen wie das K i n d einen relativ langen Rumpf und kurze Gliedmaßen. A u c h rassenmäßig bestehen hinsichtlich der Proportionen große Unterschiede. So besitzt der Japaner einen langen Rumpf und kurze Gliedmaßen, der Neger relativ lange Gliedmaßen und einen kurzen Rumpf. Die Körpergröße des Erwachsenen schwankt außerordentlich. Die Extreme, Z w e r g w u c h s (unter 120 cm) und R i e s e n w u c h s (über 2 m), sind krankhaft, durch falsches Zusammenspiel der wachstumsfördernden und -hemmenden Hormone bedingt. InneriiKL·

5Kh.

6Kh. v.

7Kh.

8Kh„

A b b . 36. Verschiebungen der Proportionen während des Lebens. Nach Stratz. Ein Neugeborener, Zwei-, Sechs-, Zwölf- und Fünfundzwanzigjähriger sind auf gleiche Größe gebracht. Die Kopfhöhen (Kh) sind auf der Körpermittellinie eingetragen (Punkt in einem Kreis).

halb der n o r m a l e n S c h w a n k u n g s b r e i t e (1,20—2,oo) können wir G e s c h l e c h t s - , K o n s t i t u t i o n s - und R a s s e n u n t e r s c h i e d e feststellen. Die Frau ist im Mittel 10 cm kleiner als der Mann. G r o ß w ü c h s i g sind in Europa die nordische, fälische und dinarische Rasse, k l e i n w ü c h s i g die westische Rasse. Das kleinste Rassenmittel haben die P y g m ä e n und B u s c h m ä n n e r in Afrika, das größte die P a t a g o n i e r . Auch innerhalb derselben Rasse gibt es noch große Unterschiede. Sie sind erb- und umweltbedingt. So ist in Deutschland und anderen Ländern eine Zunahme der durchschnittlichen Körpergröße festgestellt worden, was durch eine Besserung der sozialen Verhältnisse erklärt wird. Körperbau typen. Bei allen Völkern und Rassen besteht eine große Mannigfaltigkeit der individuellen Merkmale hinsichtlich ihres Körperbaues, des geistigen Verhaltens, des Reagierens auf Krankheiten usw. In diese bunte Fülle versuchte man eine gewisse Ordnung zu bringen, indem man verschiedene T y p e n herausarbeitete. Aus der großen Zahl der Typeneinteilungen sei hier nur auf die Kretschmersehe Einteilung verwiesen. E r unterscheidet d r e i H a u p t t y p e n : 1. Der leptosome Typ (gr. leptos = zart, schlank) ist hager und schlank, hat lange Gliedmaßen, ein schmales Gesicht und eine scharf vorspringende Nase. Der Leptosome

48

Allgemeine Anatomie.

Allgemeine Skelet- und Gelenklehre

neigt nicht zum Fettansatz, hat ein relativ kleines Körpergewicht, ist aber zäh und ausdauernd. Den übertriebenen leptosomen T y p (mager, hoch aufgeschossen, mit schmalen Schultern, dünnen Armen und Beinen, langem, flachem Brustkorb mit spitzem Rippenwinkel) bezeichnen wir als A s t h e n i k e r . 2. Der athletische Typ ist mittel bis hochgewachsen und besitzt starke Knochen, kräftige Gelenke und eine massige Muskulatur. Diese ist besonders kräftig im Bereich der Schulter und des Armes und ergibt zusammen mit dem gutgewölbten Brustkorb eine große Schulterbreite. Ihr gegenüber erscheint das Becken verhältnismäßig schmal. Ein kräftiger Hals trägt einen derben, hohen Schädel. Die Haut ist dick und straff. Die gering entwickelte Fettschicht läßt die gutentwickelte Muskulatur plastisch hervortreten. 3. Der pyknische Typ (gr. pyknos = solide) ist gut zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr ausgeprägt. Der mittelgroße, gedrungene Pykniker neigt zum Fettansatz am Rumpf. Ein breiter, weicher Kopf sitzt mit einem kurzen, dicken Hals zwischen den etwas hochgezogenen Schultern. Der gewölbte, tiefe Brustkorb setzt sich nach unten in einen stattlichen Fettbauch fort. Die Gliedmaßen sind kurz, oft zierlich und haben eine mittlere Muskulatur und geringen Fettansatz. Nach Kretschmer soll dem leptosomen Körperbautyp eine schizothyme und dem pyknischen eine zyklothyme seelische Struktur eigen sein. E s liegt im Wesen jeder Typisierung, daß reine Typen selten, Mischungen und Übergänge vorwiegend vorkommen. Das gilt sowohl für die Körperbautypen als auch für die ihnen entsprechenden seelischen Typen.

C. Allgemeine Skelet- und Gelenklehre Stützgerüste dienen der Erhaltung der Körperform. Bei den P r o t o z o e n kommen bereits zierliche Kalkskelete vor. Bei den n i e d e r e n M e t a z o e n können Stützgerüste den ganzen Körper durchsetzen, axiale Stränge bilden oder als Hautskelete dem Orgaa

b

c

d

e

Abb. 37a—e. Schemata der Bewegung von Skeletstücken. Die Muskeln (M) sind durch dicke schwarze Striche angegeben. Die Skelethaut (gestrichelt) ist teils weggelassen, um die A r t des Materials zu zeigen. a. Der Stab aus Chordagewebe kann gleichmäßig durchgebogen werden, b. Zwei knorpelige Skeletstücke (punktiert) sind durch Bindegewebe verbunden und können an dieser Stelle gegeneinander bewegt werden, c. Der Knorpel ist bis auf den Gelenkknorpel (punktiert) in Knochen (kariert) umgewandelt. Eine Gelenkhöhle, Cavum articulare {C. a.), ermöglicht eine ausgedehnte Bewegung der Skeletstücke gegeneinander, d und e. Schemata von Wirbelkörpern. Die noch gleichmäßig dicke Chorda (CA) des jüngeren Stadiums (d) wird von knorpeligen (punktierten) Wirbeln und einer zwischen ihnen gelegenen bindegewebigen Zwischenwirbelscheibe umgeben. In dem älteren Stadium (e) sind die Wirbelkörper bereits verknöchert (kariert). Die Chorda ist hier zu einem dünnen Strang rückgebildet und nur im Bereich der Zwischenwirbelscheibe als Nucleus pulposus (N.p.) erhalten. Im Bereich der Zwischenwirbelscheiben ist die Durchbiegung der Wirbelsäule möglich (vgl. S. 99).

49

Die Form der Knochen

nismus die nötige Festigkeit geben. Bei d e n W i r b e l t i e r e n bildet sich vorwiegend das Achsenskelet aus. Die niedersten Wirbeltiere haben nur die Chorda dorsalis, die nächsthöheren K n o r p e l s k e l e t e und v e r k a l k t e K n o r p e l s k e l e t e . Zuletzt tritt der e c h t e K n o c h e n auf. Dieselbe Entwicklungsreihe haben wir auch in der Ontogenese. Zuerst tritt bei Embryonen die Chorda dorsalis auf. Um diese herum entwickelt sich im Mesenchym Knorpel. Das Knorpelskelet wird dann größtenteils in Knochen umgewandelt. In der Reihenfolge Chorda — Knorpel — verkalkter Knorpel — Knochen nimmt die F e s t i g k e i t des Skeletes zu, die B i e g u n g s m ö g l i c h k e i t ab. Die Chorda dorsalis ist noch ein einheitlicher Stab, der durch die angreifenden Muskeln durchgebogen werden kann. Beim Knorpelskelet ist die Biegungsmöglichkeit nicht mehr ausreichend, um größere Bewegungen zu ermöglichen. E s müssen deshalb im Knorpelskelet Teile b i n d e g e w e b i g b l e i b e n oder S p a l t e n (Gelenkhöhlen) a u f t r e t e n , um die Bewegung der S k e l e t s t ü c k e gegeneinander sicherzustellen. Die Knochen sind, soweit eine Bewegung gegeneinander notwendig ist, meist gelenkig verbunden.

I. Die Form der Knochen Die Form der Knochen ist durch V e r e r b u n g festgelegt. Doch besitzt die F u n k t i o n einen gewissen gestaltenden Einfluß auf sie. Außerdem bestehen gewisse individuelle, Rassen- und Altersunterschiede. Nach der F o r m unterscheiden wir: 1. lange oder Röhrenknochen (die langen Knochen der Gliedmaßen), 2. kurze Knochen (Hand- und Fußwurzelknochen), 3. platte Knochen (die meisten Schädelknochen, Schulterblatt, Hüftbein), 4. lufthaltige Knochen (Siebbein, Keilbein, Stirnbein, Oberkiefer). Die Röhrenknochen bestehen aus einem Mittelstück, dem S c h a f t (Diaphyse), und den beiden mehr oder minder verdickten E n d e n , den Epiphysen. Die Diaphyse ist ein R o h r aus fester, kompakter Knochensubstanz (daher der Name Röhrenknochen). Das Lumen der Röhre, die Markhöhle, Cavum medulläre, ist in der Entwicklungszeit mit rotem, beim Erwachsenen mit gelbem Knochenmark ausgefüllt. DieEpiphysen bestehen v o r w i e g e n d aus einem feinen Maschen werk von K n o c h e n b ä l k c h e n , der s p o n g i ö s e n Knochensubstanz. Nur an der O b e r f l ä c h e ist eine feine, k o m p a k t e Knochenschicht vorhanden. In der S p o n g i o s a der Epiphysen bleibt auch beim Erwachsenen das rote Knochenmark erhalten. Die R ö h r e n f o r m gibt dem Knochen eine h o h e B i e g u n g s f e s t i g k e i t . Auch in der Technik verwendet man häufig Rohre statt massiver Stäbe, weil ein Rohr eine größere Festigkeit besitzt als ein massiver Stab von gleichem Gewicht.

Die kurzen Knochen bestehen wie die Epiphysen der Röhrenknochen aus Spongiosa und einer dünnen, kompakten Außenschicht. Die platten Knochen lassen eine kompakte Außen- und Innenschicht (Lamina externa und interna) und zwischen beiden eine Spongiosa, die hier Diploe genannt wird, unterscheiden. Bei sehr dünnen, platten Knochen fehlt die Spongiosa. E s ist dann eine einheitliche Kompakta vorhanden. Die lufthaltigen Knochen enthalten mit Schleimhaut ausgekleidete Hohlräume. Modellierung der Knochen. Für den Ansatz von Sehnen, Bändern und bindegewebigen Scheidewänden besitzen die Knochen Fortsätze (Processus), Vorsprünge (Apophysen), Höcker (Tubera, Tubercula), Dornen (Spinae), Leisten (Cristae) und Rauhigkeiten (Tuberositates). W a l d e y e r , Anatomie I. 2. A u f l .

Λ

50

Allgemeine Anatomie.

Allgemeine Skelet- und Gelenklehre

Durch anliegende Sehnen, Gefäße, Nerven usw. erhalten die Knochen V e r t i e f u n g e n , ζ. B . Gruben (Fossae, Foveae), Eindrücke (Impressiones), Furchen (Sulci) und Einschnitte (Incisurae). Diese Modellierungen sind als solche meistens vererbt, unterliegen aber auch gestaltenden Einflüssen.

II. Die Architektur des Knochens Der Knochen ist darauf eingestellt, mit einem Minimum an Material ein Maximum an Leistung zu erzielen. A n stärker beanspruchten Stellen wird Material angebaut, an nicht beanspruchten Stellen Material eingeschmolzen. Diese architektonische Meisterleistung der Natur können wir an Schnitten und Röntgenaufnahmen der meisten Knochen, besonders eindringlich am proximalen Ende des Oberschenkelknochens bewundern. Die Spongiosabälkchen sind nicht regellos angeordnet, entsprechen vielmehr den bei der Beanspruchung auftretenden Spannungslinien (Trajektorien). Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Spongiosa und Kompakta besteht nicht. Dort, wo die Spannungslinien auseinanderweichen, haben wir das feine Bälkchenwerk der Spongiosa, wo sie sich zusammendrängen, haben wir die feste Kompakta (Abb. 38). Ändert sich die übliche Beanspruchung eines Knochens (ζ. B. nach einem schlecht verheilten Bruch oder bei Lähmung von Muskeln), so ändert sich auch die trajektorielle Knochenstruktur, paßt sich den veränderten statischen Verhältnissen an. A b b . 38. Spannungslinien (Trajektorien) vomHüftbein und oberen Ende des Oberschenkels. Nach H. Meyer.

III. Die Knochen- oder Beinhaut, das Periost

Das Periost umhüllt die Knochen bis auf die überknorpelten Flächen. E s besteht aus einer äußeren, faserreichen Schicht, dem Stratum fibrosum, und einer inneren, zell- und blutgefäßreichen, generativen oder Kambiumschicht. E s hat einen wechselnden Gehalt an Blut-, Lymphgefäßen und Nerven. Die größeren G e f ä ß e liegen im Stratum fibrosum, die feineren Verzweigungen in der Kambiumschicht. B l u t und L y m p h g e f ä ß e stehen mit denen der Volkmann sehen und Havers sehen Kanäle (s. Gewebe, S. 24) in Verbindung und dienen zur Ernährung der Knochensubstanz. Die gute N e r v e n v e r s o r g u n g hat wohl schon jeder beim Stoß gegen das Schienbein zu spüren bekommen. D a s Periost ist mittels der in den Knochen einstrahlenden Sharpeyschen Fasern (s. A b b . 16) mit dem Knochen verbunden. Die am Periost ansetzenden Sehnen, Bänder, Muskeln usw. gewinnen damit auch Ansatzpunkte am Knochen. Die Knochenhaut dient weiter der Knochenentwicklung (s. S. 25) und der Regeneration des Knochens. Während der Wachstumszeit enthält die Kambiumschicht die Knochenbildungszellen, die Osteoblasten. Diese verschwinden mit dem Abschluß des Wachstums, können aber bei Knochenschäden (Brüchen usw.) wieder auftreten. Sie bilden beim M e n s c h e n zwischen den Bruchenden K n o c h e n i m Ü b e r s c h u ß , den Kallus, in s e l t e n e r e n Fällen auch K n o r p e l . Bei T i e r e n wird meist erst Knorpel gebildet, der dann in Knochen umgebaut wird. Schält man Knochen unter Schonung des Periosts aus ihrer Hülle heraus, so kann das Periost einen neuen, leidlich formgetreuen Knochen bilden. Die Regenerationsfähigkeit des Periostes ist im Bereich der Diaphysen der Röhrenknochen größer als im Bereich der spongiösen Knochen.

Architektur des Knochens,

Periost,

Knochenverbindungen

51

Das Endost kleidet die Markhöhle der Röhrenknochen aus. E s besitzt nur eine geringe Regenerationsfähigkeit. Foramina nutricia, die bei größeren Knochen in der Ein- und Mehrzahl vorkommenden Ernährungslöcher, führen die Aa. et Vv. nutriciae in die Markhöhle, dienen der Ernährung des Knochenmarkes.

IV. Die Knochenverbindungen (Juncturae ossium) Man unterscheidet Fugen oder Synarthrosen

und Gelenke oder

Diarthrosen.

1. Fugen, Synarthrosen Nach der A r t des bei der Verbindung verwendeten Materiales unterscheiden wir bei den Fugen: Syndesmose (Bandhaft), Synchondrose (Knorpelhaft) und Synostose (Knochenhaft).

a) Knochenhaft, Synostose Nach dem Abschluß des Wachstums, dem Schwinden der Epiphysenfuge (s. S. 26), verknöchern die Epiphysen so vollständig mit der Diaphyse, daß wir einen einheitlichen Knochen haben. In ähnlicher Weise verknöchern meist schon frühzeitig die beiden Stirnbeine, das Hinterhauptsbein mit dem Keilbein, später und meist in geringerem Maße die Knochen des Schädeldaches.

b) Knorpelhaft, Synchondrosis und Symphysis, ist die Verbindung von Knochen durch hyalinen und Faserknorpel, ζ. B . die knorpelige Verbindung zwischen Hinterhaupts- und Keilbeinkörper zur Zeit der Geburt und die Verbindung der beiden Schambeine. Meist finden sich beide Knorpelarten gleichzeitig.

c) Bandhaft, Syndesmosis 1. G e w ö h n l i c h e B a n d h a f t (Syndesmosis fibrosa), Verbindung durch leimgebende Bänder (ζ. B . untere SchienbeinWadenbeinverbindung, manche Zwischenknochenbänder der Hand- und Fußwurzel).

fr

2. E l a s t i s c h e B a n d h a f t (Syndesmosis elastica), Verbindung durch elastische Bänder (ζ. B. die Zwischenbogenbänder der Wirbel). 3. N a h t b a n d h a f t (Sutura), Verbindung nahe aneinander liegender Knochenränder durch sehr kurze, straffe Bandmassen. Zweck solcher Nahtbandhaften ist 1. die Verbindung der Knochen, 2. die Ermöglichung des Wachstums. Durch Umwandlung des Bindegewebes kann der Knochen an den Rändern weiterwachsen. Verschwindet das Bindegewebe vollständig, so kommt es zur Synostose (s. S. 25) _ N a c h d e r F o r m der aneinander liegenden K n o c h e n r ä n d e r unterscheiden wir: 1. d i e G l a t t n a h t , Sutura laevis. E s grenzen glatte Knochenränder (Abb. 39a) aneinander (ζ. B . Tränenbein und Lamina orbitalis des Siebbeins).

A b b . 39. Schemata der N a h t verbindungen. α Glattnaht, Sutura laevis; b Schuppennaht, Sutura squamalis; c Sägenaht, Sutura serrata; d Einzapfung, Gomphosis.

52

Allgemeine Anatomie.

Allgemeine Skelet- und Gelenklehre

2. D i e S c h u p p e n n a h t , Sutura squamalis. Zugeschärfte Knochenränder (Abb. 39b) decken sich schuppen- oder dachziegelförmig (ζ. B . Schuppe des Schläfenbeins und Scheitelbeins). 3. D i e S ä g e n a h t , Sutura serrata. Reichgezackte Ränder (Abb. 39c) der benachbarten Knochen greifen ineinander. Die meisten platten Knochen des Schädels sind durch Sägenähte verbunden. 4. D i e E i n z a p f u n g , Gomphosis (gomphos — Nagel), die Befestigung der Zähne in den Alveolen der Kiefer. Die Zähne sind aber nicht wie ein Nagel in ein Brett eingeschlagen, sondern in den Alveolen beweglich aufgehängt (Abb. 39 d). Die B e w e g u n g s m ö g l i c h k e i t der Sutura ist sehr beschränkt, der Synchondrosis und Syndesmosis fibrosa mäßig, der Syndesmosis elastica sehr ergiebig.

2. Die Gelenke, Diarthrosen, Articuli Ein feiner Spalt, die G e l e n k h ö h l e , trennt die das Gelenk bildenden Knochen.

a) Die Bestandteile der Gelenke (Abb. 40) 1. Die Gelenkflächen, Facies articulares. Sie sind meist von hyalinem, seltener (ζ. B . Schlüsselbein-Brustbeingelenk, Kiefergelenk) von Faserknorpel überzogen. Der auf Druckfestigkeit konstruierte Gelenkknorpel, Cartilago articular is, ist bei den ein, Femur /

Kommunizierender Schleimbeutel Kommunikationsstelle

Nicht Epiphysenlinie (Synchondrosis

epiphyseos)

, mit

articularis

ί

Stratum synoviale Stratum

kommunizierender Schleimbeutel Patella Gelenkknorpel

(rot) ν

fibrosum Gelenkhöhle

- IVi

Gelenkknorpel Menisci

Cavutn Plica

articulare adiposa

Verstärkungsband ^

Epiphysenlinie (Synchondrosis epiphyseos)

Tibia

A b b . 40.

Schema eines Gelenkes (Sagittalschnitt).

zelnen Gelenken und auch innerhalb desselben Gelenkes v e r s c h i e d e n d i c k (0,2 bis 6 mm). Die am stärksten druckbelasteten Stellen haben den dicksten Knorpel. Wird ein Gelenk längere Zeit ruhiggestellt, so atrophiert der Knorpel. - Die F o r m b a r k e i t d e s K n o r p e l s ermöglicht die A n p a s s u n g d e r gegeneinander bewegten G e l e n k k ö r p e r . Es ist das nötig, da die tierischen Gelenke meist keine genau geometrischen Gelenkkörper besitzen wie die Gelenke der Technik. Durch die Verformung der Gelenkknorpel bei der Bewegung wird eine möglichst g r o ß e K o n t a k t f l ä c h e zwischen den Gelenkenden und damit eine möglichst g u t e D r u c k v e r t e i l u n g erreicht.

53

Die Gelenke

Zu starke und unphysiologische Druckbelastungen führen zu starker Knorpelabnützung, Auffaserung und weiteren pathologischen Veränderungen. 2. Die Gelenkkapsel, Capsula articular is, verbindet die Skeletstücke miteinander und schließt die Gelenkhöhle gegen die Umgebung ab. Sie setzt meist in der Nähe der überknorpelten Gelenkflächen an. Sie besteht aus einer festen, äußeren F a s e r s c h i c h t , dem Stratum fibrosum, und der G e l e n k i n n e n h a u t , dem Stratum synoviale. Die g e f ä ß - u n d n e r v e n r e i c h e G e l e n k i n n e n h a u t kann feine, gefäßreiche Zotten, Villi articulares, gefäßreiche Falten, Plicae articulares, und fettreiche Falten, Plicae adiposae, tragen. Sie enthält zahlreiche elastische Fasern. D a s S t r a t u m syn o v i a l e gleicht im B a u den serösen Häuten, hat wie sie sezernierende und resorbierende Aufgaben. Ist das Gleichgewicht zwischen Sekretion und Resorption gestört, so kommt es zum Gelenkerguß. Das Stratum fibrosum besteht vorwiegend aus kollagenen und wenigen elastischen Fasern, ist sehr variabel in der Dicke. An schwachen Stellen kann die Gelenkinnenhaut als Ü b e r b e i n oder G a n g l i o n nach außen vorgestülpt werden. Die Faserschicht setzt näher oder weiter v o m Knorpelrand an, geht in das Periost über. Verstärkt wird sie durch Bänder, Ligamenta. 3. Die Gelenkhöhle, Cavum articulare, ist ein kapillarer, spaltförmiger, oft recht kompliziert gestalteter R a u m zwischen den Gelenkenden und eventuellen Hilfsapparaten (s. u.). Sie ist mit der G e l e n k s c h m i e r e , Synovia, einer fadenziehenden, Schleim, Zellreste, Fettkörnchen und abgerissene Zotten enthaltenden Flüssigkeit gefüllt. Die Synovia dient vor allem auch zur E r n ä h r u n g d e s G e l e n k k n o r p e l s . Sie ist deshalb bei der operativen Eröffnung eines Gelenkes möglichst zu erhalten. 4. Besondere Einrichtungen der Gelenke. a) Zwischenscheiben, Disci und Menisci articulares. Sie bestehen aus derb verfilztem Bindegewebe oder Faserknorpel, schieben sich zwischen manche Gelenkenden und teilen die Gelenkhöhle in α) vollständig getrennte Höhlen (Disci articulares) oder ß) unvollständig getrennte Höhlen (Menisci articulares). Die Zwischenscheiben dienen als P u f f e r zum Abfangen heftiger Stöße, zum A u s g l e i c h i n k o n g r u e n t e r G e l e n k f l ä c h e n und als b e w e g l i c h e G e l e n k f l ä c h e n . b) Die Pfannenlippen, Labia articularia [Labra glenoidalia], sind faserknorpelige Ringwülste, die manche Gelenkpfannen (Schulter-, Hüftgelenk) vergrößern und vermöge ihrer Biegsamkeit bei größeren Exkursionen des Knochens nachgeben können. c) Schleimbeutel und -scheiden, Bursae et vaginae synoviales, sollen das Gleiten von Sehnen und Muskeln, das Verschieben von Schichten gegeneinander erleichtern. Sie kommen an den verschiedensten Stellen vor. Hier sollen nur die mit der Gelenkhöhle in Verbindung stehenden besprochen werden. Sie können als Ausstülpungen der Gelenkkapsel aufgefaßt werden, besitzen dieselben, aber meist schwächere Schichten. Sie enthalten ebenfalls Gelenkschmiere. d) Kapselspanner. A n der Kapsel vieler Gelenke setzen Muskeln an, die die Kapsel spannen und ihre Einklemmung verhindern. e) Die Gelenkbänder, Ligamenta. In die Kapsel eingewebt oder auch durch lockeres Gewebe von ihr getrennt, können sie α) die Kapsel verstärken

(Verstärkungsbänder),

ß) die Führung des Gelenkes sichern

(Führungsbänder),

γ) zu ausgiebige Gelenkbewegungen hemmen

(Hemmungsbänder).

54

Allgemeine Anatomie.

Allgemeine Skelet- und Gelenklehre

Zusammenhalt

der

Gelenkflächen

Der ä u ß e r e L u f t d r u c k u n d die S p a n n u n g d e r B ä n d e r u n d M u s k e l n halten die Knochen so zusammen, daß sich die Gelenkflächen berühren. Die Wirkung des Luftdruckes ist recht erheblich. Der auf das Hüftgelenk wirkende Luftdruck beträgt ζ. B. i o — 1 2 kg und ist damit imstande, das Bein (Durchschnittsgewicht 10,9 kg) ohne Mitwirkung von Muskeln und Bändern in der Pfanne zu halten. b) D i e E i n t e i l u n g der G e l e n k e Wir können die Einteilung der Gelenke nach den verschiedensten Gesichtspunkten, ζ. B . nach der Zahl der zusammentretenden Skeletstücke, nach dem Grade der Beweglichkeit, nach der Form der Gelenkkörper, nach der Zahl der Hauptbewegungsachsen usw. einteilen. I. Nach der Z a h l der zusammenhaltenden

Skeletstücke

unterscheiden wir:

1. d a s e i n f a c h e G e l e n k , Articulus simplex. Es artikulieren nur 2 Skeletstücke (ζ. B. Schultergelenk); 2. d a s z u s a m m e n g e s e t z t e G e l e n k , Articulus compositus. Es artikulieren mehr als 2 Skeletstücke (ζ. B . Ellenbogengelenk). II. Nach dem G r a d e d e r B e w e g l i c h k e i t unterscheiden wir: 1. w e n i g b e w e g l i c h e oder s t r a f f e G e l e n k e , Amphiarthrosen. Straffe, starke Bänder gestatten nur sehr geringe Bewegungen (ζ. B . Kreuzhüftbeingelenk); 2. a u s g i e b i g b e w e g l i c h e G e l e n k e , Diarthrosen (in engerem Sinne). W i r können sie nach der Form der Gelenkkörper wieder unterteilen a) K u g e l g e l e n k , Articulus sphaeroideus, mit kugelschalenähnlichen Gelenkflächen (ζ. B. Schultergelenk). E s ermöglicht ausgedehnte Bewegungen in den 3 Ebenen des Raumes. Wir pflegen 3 H a u p t b e w e g u n g s a c h s e n zu unterscheiden; b) N u ß g e l e n k , Enarthrosis sphaeroidea, eine Abart des vorigen. Der Kopf ist über den Äquator hinweg von der Pfanne umfaßt (ζ. B . Hüftgelenk). Der Bewegungsumfang ist gegenüber dem eigentlichen Kugelgelenk etwas eingeschränkt; c) W a l z e n g e l e n k , Articulus cylindricus. Ein walzenförmiger, oft mit einer F ü h r u n g s r i n n e versehener Gelenkkörper bewegt sich in einer entsprechend gestalteten Hohlform (der Pfanne). E s gestattet nur Bewegung in einer Ebene ( e i n a c h s i g e s G e l e n k ) ; α) S c h a r n i e r g e l e n k , Ginglymus (gr. ginglymos = Türangel). Die Bewegungsachse steht ungefähr senkrecht auf der Längsachse der artikulierenden Knochen (Ellen-Oberarmgelenk); ß) R a d g e l e n k , Articulus trochoideus. Die Bewegungsachse fällt ungefähr mit der Längsachse der Knochen zusammen (Ellen-Speichengelenk) ; d) E l l i p s o i d g e l e n k , Articulus ellipsoideus. Die ellipsoidischen Gelenkflächen gestatten eine Bewegung um 2, eventuell 3 Hauptachsen (SpeichenHandwurzelgelenk) ; e) S a t t e l g e l e n k , Articulus sellaris. Zwei sattelförmige Gelenkflächen greifen ineinander und ergeben einen ähnlichen Bewegungsumfang wie das vorige (Handwurzel-Mittelhandgelenk des Daumens); f) e b e n e s G e l e n k , Articulus planus. E s artikulieren ebene Gelenkflächen (Zwischenwirbelgelenke der Halswirbelsäule).

Muskelmechanik und Muskelformen

55

D. Allgemeine Muskellehre Über das Muskelgewebe s. S. 27. Die quergestreifte Skeletmuskulatur gliedert sich in Muskelindividuen, die wir kurz Muskeln nennen. Sie machen die Hauptmasse des „mageren Fleisches" aus. A n jedem Muskel unterscheiden wir einen U r s p r u n g , Origo, einen M u s k e l b a u c h , Venter, und einen A n s a t z , Insertio. Der Ursprungsteil wird auch als Kopf, Caput, bezeichnet. A n den Enden geht der Muskel meist in eine S e h n e , Tendo, über. Doch kann ein Muskel auch fleischig entspringen bzw. ansetzen. Ursprung bzw. Ansatz erfolgt meist am Periost, aber auch direkt am Knochen. Als Ursprung bezeichnen wir gewöhnlich die Befestigung an dem festen oder weniger beweglichen Skeletteil. Der Ansatz ist die Befestigung an dem stärker beweglichen oder bei den Gliedmaßen an dem rumpfferneren (distalen) Skeletstück.

I. Muskelmechanik und Muskelformen Ein Muskel kann sich durch Veränderung seiner L ä n g e und seiner S p a n n u n g betätigen. Verändert ein Muskel seine Länge, zieht er sich zusammen, so werden Ursprung und Ansatz genähert, die Skeletteile bewegt (ζ. B. Beugung im Ellenbogengelenk). Ändert ein Muskel seine Spannung, so setzt er bei gleichbleibender Länge (isom e t r i s c h e Betätigung) einer Dehnung größeren oder geringeren Widerstand entgegen. Vorwiegend isometrisch, durch Spannungserhöhung arbeiten ζ. B . die Fußsohlenmuskeln. Sie setzen der Abflachung des Fußgewölbes bei der Belastung einen Widerstand entgegen. Die Spannung des Muskels (der Tonus) kommt dadurch zustande, daß dem Muskel aus der Peripherie dauernd Reize zufließen, die ihn in einer reflektorischen Dauererregung halten. Dieser allgemeine M u s k e l t o n u s ist individuell verschieden, bestimmt die schlaffere oder straffere Haltung des Menschen.

Die Hubhöhe oder Verkürzungsgröße ist abhängig von der Länge der den Muskel bildenden Muskelfasern. Maximal kann sich eine Faser auf die Hälfte ihrer Länge verkürzen. Die Kraft eines Muskels ist abhängig v o m p h y s i o l o g i s c h e n Q u e r s c h n i t t , d. h. von der Summe der Querschnitte aller Fasern. Die Einheit des Querschnittes (1 qcm) entwickelt beim Menschen eine „absolute Muskelkraft" von 5 — 1 2 kg. In einem Muskel von einem bestimmten Volumen können nun entweder relativ wenige, aber lange Fasern, oder relativ viele, aber kurze Fasern untergebracht sein. Der l a n g f a s e r i g e M u s k e l wird nach dem oben Gesagten eine große H u b h ö h e oder V e r k ü r z u n g s g r ö ß e , der k u r z f a s e r i g e (relativ viele Fasern) einen großen physiologischen Querschnitt haben und k r a f t v o l l e Bewegungen ausführen können. Beide Konstruktionsprinzipien und zahlreiche Übergänge sind je nach den örtlich gewünschten Leistungen im menschlichen Körper verwirklicht. Die Anordnung der Fasern ergibt verschiedene Muskelformen. Die Muskelformen (Abb. 41). Im s p i n d e l f ö r m i g e n Muskel, M. fusiformis, verlaufen die Fasern parallel nahezu durch die ganze Länge des Muskels. Die Sehnen reichen wenig weit in den Muskelbauch. Die langen, aber wenig zahlreichen Fasern sichern eine ausgiebige, aber wenig kraftvolle Bewegung. Beim e i n f a c h g e f i e d e r t e n , M. unipennatus, oder d o p p e l t g e f i e d e r t e n Muskel, M. bipennatus, strahlen die Fasern nach kurzem Verlauf von einer oder von zwei Seiten in die Sehne aus. Sie enthalten dafür zahlreichere Fasern, haben einen relativ hohen, physiologischen Querschnitt und können wenig ergiebige, aber kraftvolle Bewegungen ausführen. H a t ein Muskel mehrere selbständige Ursprünge, die einer gemeinsamen Ansatzsehne zustreben, so sprechen wir von einem z w e i k ö p f i g e n (M. biceps), d r e i k ö p f i g e n (M. triceps), einem v i e r k ö p f i g e n (M. quadriceps) Muskel.

Allgemeine Anatomie.

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Allgemeine Muskellehre

Z w e i b ä u c h i g (M. biventer) nennen wireinen Muskel, bei dem 2 Bäuche hintereinandergeschaltet, durch eine l ä n g e r e Zwischensehne (Tendo intermedius) verbunden sind. K u r z e , s e h n i g e U n t e r b r e c h u n g e n , die einen Muskel (ζ. Β. M. rectus abdominis) ganz oder teilweise durchsetzen, bezeichnen wir als Inscriptiones tendineae. Sie zeigen Μ. fusiformis M. unipennatus

M. bipennatus M. biceps Μ. planus

Abb. 41. Verschiedene Muskelformen (Schema).

Μ. rectus

Μ. biventer

I.t. = Inscriptiones tendineae.

uns noch die Verschmelzung der ursprünglich segmental angeordneten Muskeln zu höheren, funktionellen Einheiten. Flächenhafte Anordnung der Muskelfasern (M. planus, platter Muskel) kommt besonders am Rumpf vor (Bauch-, Brust- und oberflächliche Rückenmuskeln). Ihre platten Sehnen bezeichnen wir als Aponeurosen.

-- • -.'V.H

Abb. 42.

Abb. 43.

Abb. 42. Schema eines Knochenpaares, das im Gelenk durch den Muskel Μ mit dem langen Hebelarm Η und durch den Muskel mit dem kurzen Hebelarm Hl bewegt werden kann. v.H = virtueller Hebelarm für den Muskel M, v.H1 = virtueller Hebelarm für den Muskel M x . Gestrichelt sind dieselben Muskeln in geringerer Beugestellung. Abb. 43. Schema eines Knochenpaares, das durch den dick ausgezogenen Muskel von der Stellung α in die Stellung c gebracht wird. Von α—c ist eine Vergrößerung der virtuellen Hebelarme (v.H) festzustellen.

Die Bedeutung des Hebelarmes. Neben den im Muskel liegenden Faktoren der Arbeitsleistung (Länge und Zahl der Muskelfasern) ist die Länge des Hebelarmes (Entfernung des Muskelansatzes vom Drehpunkt des Gelenkes, A b b . 42) von großer Bedeutung für die Leistung. Ist der Hebelarm lang, so ist eine starke Verkürzung (lange

57

Muskelmechanik und Muskelformen

Fasern) des Muskels notwendig, um eine ergiebige Bewegung auszuführen. Ist dagegen der Hebelarm kurz, so genügt schon eine geringe Verkürzung des Muskels, um denselben Bewegungsausschlag zu erzielen. Doch ist dafür eine größere K r a f t (größerer, physiologischer Querschnitt, zahlreichere Fasern) notwendig. Die Stellung des Hebelarmes ist ein weiterer Faktor für die Arbeitsleistung. Stehen die beiden Knochen in einer Linie (Abb. 43, a), so wird die ganze Muskelkraft dazu verbraucht, die beiden Knochen im Gelenk gegeneinander zu pressen. Mit zunehmender Beugung (Abb. 43, b, c) wird der virtuelle Hebelarm (v. H) (senkrechte Entfernung des Drehpunktes von der Hauptlinie) und damit die beugende K r a f t größer, der Druck auf das Gelenk geringer. Zwei- und mehrgelenkige Muskeln ziehen über zwei und mehr Gelenke hinweg (ζ. B . die langen Fingerbeuger). Sie können gleichzeitig mehrere Glieder in Bewegung setzen. Nach der Wirkung der Muskeln auf die 3 Hauptachsen unterscheiden wir: Beuger oder Flexoren

Abzieher oder

Abduktoren

Strecker oder Extensoren

Innendreher oder

Anzieher oder Adduktoren

Außendreher oder

Pronatoren Supinatoren.

Ferner können Muskeln Öffnungen erweitern oder schließen, Weichteile heben, senken, spannen usw. Entsprechend unterscheiden wir Schließer oder Sphinkteren, Öffner oder Düatatoren, Heber oder Levatoren, Herabzieher oder Depressoren, Spanner oder Tensoren usw. Meistens hat ein Muskel eine Haupt- und eine oder mehrere Nebenwirkungen. E n t scheidend für die Art der Wirkung ist die Lage des Muskels zu den Achsen des Gelenkes. So ist der schräg verlaufende Pronator teres gleichzeitig Einwärtsdreher und Beuger im Ellenbogengelenk. Der fächerförmig angeordnete, mittlere Gesäßmuskel hat ζ. B . als Hauptwirkung die Abduktion des Beines. Außerdem können seine vorderen Fasern beugen und einwärtsdrehen, seine hinteren Fasern strecken und auswärtsdrehen. Ändern Muskeln ihre Lage zu den Achsen, so können sie die entgegengesetzte Bewegung ausführen. So kann ζ. B. der M. brachioradialis des Armes sowohl pronieren wie supinieren. Zusammenwirken verschiedener Muskeln. Wenn wir auch die Wirkung jedes einzelnen Muskels beschreiben, so muß doch scharf betont werden, daß ein Muskel kaum allein, sondern immer mit anderen zusammen arbeitet. Gleichsinnig wirkende Muskelgruppen bezeichnen wir als Synergisten, entgegengesetzt wirkende als Antagonisten. So sind ζ. B . die tiefen Rückenmuskeln die Antagonisten der Bauchmuskeln. Beugen wir den Rumpf mittels der Bauchmuskeln, so müssen die Rückenmuskeln langsam nachgeben. Würden sie sofort jegliche Spannung verlieren, so würde der Rumpf nach vorn zusammenknicken, würden sie aber überhaupt nicht nachgeben, so wäre ein R u m p f beugen unmöglich. Erst das Zusammenspiel von Synergisten und Antagonisten ergibt die Harmonie der Bewegungen. Die Nervenversorgung des Muskels. Der Eintritt des Nerven in den Muskel, der Hilus, hegt nach der Schwalbe sehen Regel im geometrischen Mittelpunkt. D a die Muskelbäuche meist proximal dicker sind, liegt auch der Nerveneintritt proximaler. Der in den Muskel eintretende Nerv enthält verschiedene Arten von Fasern. Die motorischen Nerven endigen mit der m o t o r i s c h e n E n d p l a t t e (s. S. 35) unter dem Sarkolemmschlauch. Eine sympathische (α) Faser endet zusammen mit der motorischen Faser und regelt wahrscheinlich den Tonus der Muskulatur. Sensible Nerven ziehen zu speziellen Sinnesendigungen, den Muskel- und Sehnenspindeln, die über die Spannung des Muskels bzw. der Sehne und damit über die Stellung der Glieder orientieren.

Allgemeine Anatomie.

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Allgemeine Muskellehre

Durch den Nerven fließen dem Muskel i . d a u e r n d k l e i n e I m p u l s e , die ihn in einer A r t Dauererregung halten und den Ruhetonus bedingen und 2. s t ä r k e r e I m p u l s e zu, die Bewegungen auslösen. Der Ruhetonus wird im Schlaf herabgesetzt und erlischt in tiefer Narkose. Die stärkeren, Bewegungen auslösenden Impulse treffen in der Regel nicht einen einzelnen Muskel, sondern fein abgestuft alle an einem Bewegungsbild beteiligten Muskeln, Synergisten und Antagonisten. Fällt ein Muskel oder eine Muskelgruppe aus (ζ. B. durch Nervenschädigung), so bekommen die Antagonisten das Übergewicht, und wir erhalten das charakteristische Bild einer Lähmung.

II. Hilfseinrichtungen des Muskels Muskelbinden, Fasciae. Muskelbinden sind bindegewebige Häute, die e i n e n Muskel, eine G r u p p e von Muskeln oder ein g a n z e s G l i e d einschließen. In diesen bindegewebigen Häuten sind die senkrecht zu den Muskelfasern verlaufenden Züge besonders betont. Die Faszien dienen als Führungsröhren für Einzelmuskeln und Muskelgruppen, häufig gleichzeitig als Ursprungs- und Ansatzfläche für Muskelfasern. Die Binden der einzelnen Muskeln sind identisch mit dem Perimysium externum. Wenn Muskeln sich innerhalb ihrer Binden verkürzen und damit gleichzeitig verdicken, so üben sie damit einen Druck auf die Umgebung aus und unterstützen damit die Fortbewegung des Blutes in den Venen und der Lymphe in den Lymphgefäßen. Den durch Muskelbinden geschaffenen Kanälen kommt eine große praktische Bedeutung für die Ausbreitung und Weiterleitung von Flüssigkeitsergüssen (Blut, Eiter usw.) zu.

. Sehnenscheiden, Vaginae tendinum. A n Stellen, wo stärkere Verschiebungen der Sehnen gegen die Unterlage erfolgen, bilden sich Sehnenscheiden aus. E s sind (Abb. 44) doppelwandige, an beiden Enden geschlossene Röhren, die eine schlüpfrige Flüssigkeit, I parietales Blait V agina tendinis ·, . , (viszerales Blatt Tendo Mesotenon Phalanx

ν. « " » Λ ο ί Λ

,

Abb. 44. Schema einer Sehnenscheide im Querschnitt. Die Vagina synovialis ist schwarz, die Vagina fibrosa grau dargestellt, α mit Mesotenon; b ohne Mesotenon.

die Synovia, enthalten. Ihr A u f b a u ähnelt dem der Gelenkkapsel (s. S. 53). Eine zarte Vagina synovialis wird von einer starken Vagina fibrosa außen verstärkt. Ein v i s z e r a l e s B l a t t umhüllt die Sehne, ein p a r i e t a l e s B l a t t schließt den mit Synovia gefüllten R a u m nach außen ab. Beide gehen an den Enden der Scheide und teilweise auch mittels eines Mesotenon (Abb. 44 a) ineinander über. Das Mesotenon führt die Nerven und Gefäße an die Sehne heran. Schleimbeutel, Bursae synoviales, sind ebenfalls mit Synovialhaut ausgekleidete und mit Synovia gefüllte Räume. Sie kommen entweder an besonders dem Druck ausgesetzten Stellen oder an Orten vor, wo größere Gewebsverschiebungen gegeneinander erfolgen. Entsprechend sollen sie entweder als eine A r t W a s s e r k i s s e n den Druck gleichmäßig verteilen oder die Verschiebung der Schichten erleichtern. Sie können mit den Gelenken in Verbindung stehen, aber auch unabhängig von ihnen vorkommen. Bandrollen (ζ. B. Trochlea des M. obliquus bulbi sup.) oder Knochenrollen (überknorpelte Knochenflächen) sind Einrichtungen, die Verlaufs- und Zugänderungen eines Muskels ermöglichen.

Aufgaben und Einteilung des Gefäßsystems.

59

Blutkreislauf

E . Allgemeine Gefäßlehre I. Aufgaben und Einteilung des Gefäßsystems, Blutkreislauf In einem vielzelligen Organismus kann die Aufnahme und Verteilung der Nährstoffe und des für die Zellatmung notwendigen Sauerstoffes nicht mehr von den äußeren und inneren Oberflächen aus erfolgen. Es bildet sich ein System von größeren und kleineren Kanälen, in denen das Blut oder die Lymphe L.Kr. Ki.Kr. zirkuliert. Das Kanalsystem gliedert sich schon frühzeitig in ein Pumpwerk (das Herz), in ein leitendes Röhrensystem (die größeren und kleineren Blut- und Lymphgefäße) und in ein feines Netzwerk von Haargefäßen oder Kapillaren, die durch ihre dünne Wand hindurch den Stoffaustausch mit den Geweben ermöglichen. Die vom Herzen zu den Organen ziehenden Blutgefäße nennen wir Puls- oder Schlagadern, weil wir an ihnen den Schlag des Herzens, den Puls, fühlen können. Sie heißen auch Arterien (aer = Luft). An der Leiche findet man sie meistens blutleer, weil durch die Kontraktion ihrer kräftigen Wände das Blut in die Blutadern oder Venen getrieben wird. Man hielt sie deshalb ursprünglich für luftführende Gefäße. Die das Blut zum Herzen zurückführenden Gefäße bezeichnen wir als Blutadern oder Venen. An der Leiche sind sie meistens mit Blut gefüllt. Zwischen Arterien und Venen sind die feinen Haargefäße oder Kapillaren zwischengeschaltet. Sie dienen dem Stoffaustausch mit den Geweben und bilden, je nach dem Blutbedarf des Organs, ein engeres oder weiteres, verschieden geformtes Netzwerk. So haben wir in Muskeln und Nerven, die aus parallel geordneten Teilen bestehen, ein langgestrecktes, in Drüsen, die aus mehr rundlichen Teilen bestehen, ein rundliches Maschenwerk von Kapillaren.

Kö.Kr.

Kö.Kr.

Abb. 45.

Abb. 46.

Abb. 45. Schema des Blutkreislaufs bei den kiemenatmenden Kranioten. Ki.Kr. = Kiemenkreislauf; Kö.Kr. = Körperkreislauf; S = Sinus; Vh = Vorhof; Κ - Kammer. E s ist der venöse Teil des Gefäßsystems blau, der arterielle rot dargestellt. Abb. 46. Schema des Blutkreislaufs bei den Säugern. Der arterielle Teil ist rot, der venöse blau und das Lymphgefäßsystem schwarz dargestellt. I. Vh. = linker Vorhof; I.K. = linke Kammer; Ch. = Chylusgefäße; Ly. = Lymphgefäße; L.Kr. = Lungenkreislauf; Kö.Kr. — Körperkreislauf; r. Vh. = rechter Vorhof; r.K. = rechte Kammer.

Bei den Wirbellosen, ζ. B. den Anneliden, pulsieren noch verschiedene Teile des Gefäßrohres. Bei den Wirbeltieren bildet sich dann das Herz in immer größerer Vollkommenheit aus. Bei den k i e m e n a t m e n d e n K r a n i o t e n (s. Schema, Abb. 45) ist das Herz in hintereinander gelegene Abschnitte, den Sinus (5), der kontinuierlich das zum Herzen strömende Blut aufnimmt, in den V o r h o f (Vh.) oder das Atrium, der schubweise das Blut weiterbefördert, und die K a m m e r oder den Ventriculus gegliedert. Die Kammer hat das Blut zunächst durch den Kiemenkreislauf {Ki.Kr.), wo das Blut mit Sauerstoff beladen, arterialisiert wird, und anschließend durch den Körperkreislauf (Kö.Kr.) zu treiben. Bei diesem rein venösen (blauen)

60

Allgemeine Anatomie. Allgemeine Gefäßlehre

H e r z e n sind der regenerative oder Kiemenkreislauf und der nutritive oder Körperkreislauf hintereinander geschaltet.' Mit dem Auftreten der L u n g e n tritt zu der Querteilung des Herzens die L ä n g s t e i l u n g . Bei den Amphibien finden wir die Teilung des Vorhofes, bei den Reptilien die allmähliche Ausbildung einer Kammerscheidewand und bei den Vögeln und Säugern die vollständige Trennung von rechtem und linkem, venösem und arteriellem Herzen (Abb. 46). In dem vereinfachten Schema der A b b . 46 strömt das venöse, aus der Peripherie kommende B l u t in den rechten Vorhof (r. Vh.) und wird von diesem in die rechte Kammer (r. K.) getrieben. Die Kontraktion der rechten K a m m e r treibt nach dem Verschluß der Vorhofkammerklappen das Blut durch die Lungenarterien in den Lungenkreislauf. Nachdem es hier die Kohlensäure an die Atmungsluft abgegeben und Sauerstoff aus ihr entnommen hat, strömt es durch die Lungenvene (rot) dem linken Vorhof (l. Vh.) zu. Dieser treibt es schubweise in die linke Kammer (l. K.). Von dieser wird es nach Verschluß der linken Vorhofkammerklappen durch die Aorta, die Hauptschlagader des Körpers, in den Körper zur Versorgung der verschiedenen Organe gepumpt. Von dort strömt es durch die großen Körpervenen wieder dem rechten Vorhof zu. Ein Teil des durch die Kapillaren an die Gewebe abgegebenen Blutplasmas wird nicht durch die Blutadern, sondern als Gewebsflüssigkeit, Lymphe, durch eigene Gefäße, die L y m p h k a p i l l a r e n und L y m p h g e f ä ß e , Vasa lymphacea (Ly.) oder Saugadern, gesammelt und weiter herzwärts den Körpervenen zugeführt. In den Verlauf der Lymphgefäße sind von Zeit zu Zeit L y m p h k n o t e n , Lymphonodi, eingeschaltet. Die vom D a r m kommenden Lymphgefäße führen während der Verdauung die mit F e t t b e l a d e n e L y m p h e , eine milchigweiße Flüssigkeit, den Chylus. Sie heißen deshalb auch Chylusgefäße (Chy.).

II. Mechanik des Gefäßsystems Die Gefäße sind kein starrwandiges Röhrensystem, durch das eine Flüssigkeit bei einem bestimmten Druck in einer bestimmten Geschwindigkeit gepumpt wird, sondern ein System dehnungs- und kontraktionsfähiger, lebender Röhren, die sich der Herzarbeit und dem Blutbedarf der Organe in idealer Weise anpassen können. Der K r e i s lauf ist d a r a u f e i n g e s t e l l t , bei m ö g l i c h s t g e r i n g e r H e r z a r b e i t den derz e i t i g e n B l u t b e d a r f d e r e i n z e l n e n T e i l e d e s K ö r p e r s s i c h e r z u s t e l l e n . Zu diesem Zweck werden r u h e n d e Organe weniger durchblutet als t ä t i g e . Auch die Blut m e n g e wird dem Bedarf angepaßt. So sind in das Röhrensystem S p e i c h e r (Leber, Milz) eingebaut, die in der Ruhe einen großen Teil des Blutes aus dem Kreislauf nehmen und bei erhöhtem Bedarf wieder an ihn abgeben. Die Anpassung des Kreislaufes an die Bedürfnisse des Organismus erfolgt sowohl durch das Herz als auch durch die Arterien, Venen und das Kapillargebiet. Das Herz kann seine Arbeit, die Menge des pro Minute bewegten Blutes, das M i n u t e n v o l u m e n , steigern oder vermindern. Die Arterien und Venen können durch W e i t e r s t e l l u n g d e s Lumens den Strömungswiderstand herab- bzw. durch V e r e n g e r u n g heraufsetzen. Die Kapillaren können sich erweitern und verengern, zeitweise verschwinden und wieder auftreten. Entsprechend wird ihre Austauschfläche in den Geweben und damit der Stoffaustausch vergrößert bzw. verkleinert. Gesteuert wird diese Anpassung an den Bedarf durch Nerven, Stoffwechselendprodukte und spezifische, körpereigene Stoffe (Adrenalin, Acetylcholin). Das Herz treibt während der Systole das Blut in die Aorta. Dabei wird besonders der s t a r k e l a s t i s c h e A n f a n g s t e i l d e r A o r t a nach A r t eines Windkessels gedehnt und dabei in ihm E n e r g i e g e s p e i c h e r t . Beim Nachlassen der dehnenden K r a f t , also mit dem Aufhören der Systole, wird die in der Aortenwand gespeicherte, elastische K r a f t das Blut weiterbewegen. Auf diese Weise wird der diskontinuierliche Blutstrom in einen

Aufbau der Gefäßwand

61

kontinuierlichen umgewandelt. Die Ausweitung und nachträgliche Kontraktion des A n fangsteiles der Aorta läuft von dort wellenförmig über die übrige Aorta und die anderen Arterien. Sie kann in der Peripherie an den oberflächlichen Gefäßen als P u l s gefühlt werden. Mit der immer stärkeren Verzweigung der Arterien wird die W a n d f l ä c h e und damit der R e i b u n g s w i d e r s t a n d größer. Gleichzeitig nimmt auch der G e s a m t querschnitt aller Gefäße zu. Querschnittsvergrößerung und erhöhter Reibungswiderstand setzen die S t r ö m u n g s g e s c h w i n d i g k e i t herab, die in den Kapillaren am kleinsten ist. Die Strom verlangsamung in ihnen ermöglicht aber gerade den besonders intensiven Stoffaustausch mit den Geweben. Mit der Verkleinerung des Stromquerschnittes gegen die V e n e n hin muß die Strömungsgeschwindigkeit wieder zunehmen. Der B l u t d r u c k fällt von der Aorta peripheriewärts zunächst allmählich, in den den Kapillaren vorgeschalteten Arteriolen besonders stark, in den Kapillaren und den Venen wieder allmählich, um bei der Einmündung der großen Körpervenen ins Herz gleich Null zu sein. Das geringe Druckgefälle in den Venen genügt wohl nicht, das B l u t dem rechten Vorhof zuzuführen. Unterstützend wirken die Saugkraft der Lungen, die Kontraktion der Venenwand, die Wirkung der benachbarten Skeletmuskeln auf die Venen und die Venenklappen, die das Rückströmen des Venenblutes verhindern. Als Ausdruck der mannigfachen Aufgaben der einzelnen Teile des Gefäßsystems finden wir einen recht verschiedenen Aufbau, der im folgenden kurz geschildert werden soll.

III. Der Aufbau der Gefäßwand 1. Die Kapillaren D i e K a p i l l a r e n sind äußerst dünnwandige, enge Röhren, die den Stoffaustausch mit den Geweben regeln. Ihre Wand (Abb. 4yd) besteht aus einer E n d o t h e l s c h i c h t , einem G r u n d h ä u t c h e n und einer P e r i z y t e n s c h i c h t . Die platten Endothelzellen sind mit ihrer Längsachse in der Richtung des Gefäßes eingestellt. A n manchen Gefäßendothelien lassen sich keine Zellgrenzen feststellen. Das stark dehnungsfähige, sehr dünne Grundhäutchen besteht aus einem Gitterfasernetz und dient den beiden anderen Schichten als Befestigung und Stütze. Die Perizyten umfassen mit zahlreichen Ausläufern das Kapillarrohr. Fibrillen sind in ihnen nicht nachgewiesen. Ob sie sich kontrahieren und damit die Kapillare verengern können, ist umstritten. Das Lumen der Kapillaren ist sehr schwankend. Gewöhnlich können nur 1 — 2 Blutkörperchen gleichzeitig durchtreten. Untereinander bilden sie ein reichliches Netzwerk, das in der Dichte und Form von dem Blutbedarf und den Strukturelementen des Organs abhängig ist (s. S. 59).

2. Die Arterien Nach dem A u f b a u unterscheiden wir einen e l a s t i s c h e n und einen m u s k u l ä r e n T y p . Zum e l a s t i s c h e n T y p gehören die großen, h e r z n a h e n Gefäße {Aorta, Truncus brachiocephalicus, A. carotis usw.). Sie haben, wie oben beschrieben, eine Windkesselaufgabe, werden auf D e h n u n g beansprucht. Wegen ihres großen Gehaltes an elastischen Fasern erscheinen sie g e l b l i c h . Mit der Entfernung v o m Herzen prägt sich der m u s k u l ä r e T y p stärker aus, die Kontraktion der W a n d unterstützt die Blutströmung. Nach der G r ö ß e teilen wir die Arterien in g r o ß e , m i t t e l g r o ß e , k l e i n e und p r ä k a p i l l a r e A r t e r i e n ein. A n der Arterienwand können wir 3 Schichten, eine Tunica interna oder Intima, eine Tunica media oder Muscularis und eine Tunica externa oder Adventitia unter-

Allgemeine Anatomie.

62

Allgemeine Gefäßlehre

scheiden. Die I n t i m a wird durch den Blutstrom vorwiegend in der Strömungsrichtung beansprucht. Die Strukturelemente sind deshalb vorwiegend in der L ä n g s r i c h t u n g angeordnet. Die M u s c u l a r i s ist auf Dehnung und Pulsation eingestellt und verläuft vorwiegend ringförmig. Die A d v e n t i t i a vermittelt die Verbindung zur Umgebung und muß bei den pulsatorischen Volumenschwankungen nachgeben können. Ihre Bauelemente sind nach Art eines Scherengitters mit vorwiegend längsverlaufenden Maschen angeordnet. Die drei Wandschichten sind bei mittelgroßen Arterien v o m muskulären Typ am ausgesprochensten (Abb. 4 j b ) . Die Tunica interna besteht aus Endothelzellen und feinen, elastischen und kollagenen Fasern. Tunica

Tunica

interna

media

[im

Schnitt)

Endothel Tunica

externa

a

Abb. 47. Schematisierte Querschnitte durch die Gefäßwände. Glatte Muskulatur rot, elastisches Bindegewebe schwarz, kollagenes Bindegewebe grau. α = Aorta; b = Arterie; c = Vene; d = Kapillare (obere Hälfte aufgeschnitten, untere Hälfte von der Außenfläche gesehen).

Perizyt

[van der Fläche)

Die Elastica interna, eine g e w e l l t e , gefensterte, elastische Membran, bildet die Grenze gegen die Muscularis. Die Tunica media besteht aus einer dicken Lage d i c h t gelagerter, ringförmig verlaufender, glatter Muskelzellen. In der Muskulatur findet sich nur wenig elastisches und kollagenes Bindegewebe. Die Tunica externa besteht aus vorwiegend längs verlaufenden, elastischen und kollagenen Fasern, denen auch glatte Muskelzellen beigemischt sein können. Gegen die Muscularis hin liegen die elastischen Fasern dichter. Wir sprechen hier von einer Elastica externa. Alle elastischen Fasern der Gefäßwand hängen untereinander und mit den elastischen Fasern der Umgebung zusammen, bilden ein Raumgitter. Mit der vorwiegend Arteriolen beiden eine

Größenabnahme der Arterien gegen die Peripherie hin nehmen alle Schichten, aber die Tunica media ab. Die kleinsten, p r ä k a p i l l a r e n A r t e r i e n oder haben schließlich nur noch e i n e Muskellage, ein Endothel und zwischen homogene Grenzhaut, die aber keine typische Elastikafärbung mehr gibt.

Die großen, herznahen, elastischen Arterien (Abb. 47a) zeigen im Gegensatz zu den mittleren eine dickere Intima, keine besonders ausgeprägte Elastica interna und in der Tunica media zahlreiche g e f e n s t e r t e , e l a s t i s c h e M e m b r a n e n . Diese sind wieder durch feinere, elastische Fasern untereinander verbunden. Zwischen den Membranen spannen sich noch glatte Muskelzellen und feine, kollagene Fasern aus.

Aufbau der Gefäßwand

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Man muß sich vorstellen, daß diese Muskeln die elastischen Membranen spannen und durch Tonuserhöhung den Widerstand bei der Dehnung erhöhen können. V o m Herzen gegen die Peripherie hin nimmt die Stärke und Zahl der gefensterten Membranen sehr bald ab. In den größeren Arterien haben wir Vasa vasorum, kleine Gefäße für die Ernährung der Gefäßwand.

3. Die arteriovenösen Anastomosen Im allgemeinen finden wir zwischen Arterien und Venen das Kapillarnetz eingeschaltet. A n vielen Stellen des Körpers treffen wir aber noch eine A r t Nebenschaltung, d i r e k t e , speziell gebaute V e r b i n d u n g e n , die arteriovenösen Anastomosen. Man hat sie zunächst in der Haut dünner und peripher gelegener Körperteile, an den Fingern und Zehen, am Schwanzende langschwänziger Tiere und an den Ohrmuscheln langohriger Tiere beschrieben. Besonders der wechselnden Außentemperatur ausgesetzt, bedürfen sie einer Wärmeregulierung, einer verschieden starken Durchblutung. Es kann das Blut direkt aus den Arterien in die Venen oder bei Verschluß dieser Anastomosen ganz durch das Kapillarnetz strömen. Auch Stauungen, die in diesen peripherischen Teilen leicht auftreten, können durch diesen direkten Weg behoben werden. Neuerdings hat man in vielen Organen, den Nieren {Becher), dem Darm und den Speicheldrüsen {Spanner), in der Schilddrüse, in den Mesenteriallymphknoten {Watzka) usw. solche direkte Verbindungen gefunden. Sie regeln hier den Blutbedarf des ruhenden bzw. tätigen Organs.

Die W a n d der arteriovenösen Anastomosen besteht aus einer inneren E n d o t h e l l a g e und einer mehrschichtigen Lage p o l y e d r i s c h e r , e p i t h e l a r t i g e r (efitheloider) Zellen, die keine Fibrillen enthalten. Außen k ö n n e n ihnen noch ringförmig angeordnete Muskelzellen aufliegen. Durch Flüssigkeits a b g ä b e sollen die epitheloiden Zellen das Lumen erweitern, durch Q u e l l u n g (Flüssigkeitsaufnahme) verengern können. Nacht;. Schumacher sondern sie wahrscheinlich auch noch das für den Kreislauf wichtige Acetylcholin ab. . Ähnliche Aufgaben wie die arteriovenösen Anastomosen erfüllen noch die P o l s t e r a r t e r i e n . Sie besitzen nach innen von der Elastica interna noch Längsmuskelzüge, die sich bei kontrahierter Ringmuskulatur so gegen das Lumen vorwulsten, daß nur wenig Blut vorbeiströmen kann. Erschlafft aber die Ringmuskulatur (wie bei der Erektion des männlichen Gliedes), so kann sehr viel Blut an den Polstern vorbeifließen.

4. Die Venen Die Venen haben eine wesentlich dünnere W a n d als gleichgroße Arterien. Bei blutleeren Venen ist die W a n d meistens zusammengefallen. Die V a r i a b i l i t ä t im A u f b a u der Venenwand ist besonders g r o ß . D a auf den Venen der unteren Extremität die Blutsäule lastet und sie dem Druck dieser Blutsäule entgegenarbeiten müssen, ist ihre W a n d dicker als bei entsprechenden Gefäßen des Kopfes und Halses. Die D i c k e d e r V e n e η w a n d geht keineswegs mit der Größe des Lumens parallel. Die Verankerung der Venenwand mit der Umgebung ist sehr verschieden. Die die Arterien begleitenden, meistens paarigen Venen haben mit den Arterien eine gemeinsame Gefäßscheide. Besonders variabel in ihrem A u f b a u sind die kleinen Venen in vielen Organen (ζ. B . Nebennieren). Von ihrem A u f b a u und ihrer Funktion können wir uns noch kein rechtes Bild machen. A m gleichförmigsten sind noch die mittelgroßen Extremitätenvenen. Man kann auch hier (Abb. 47c) eine I n t i m a , M e d i a und A d v e n t i t i a unterscheiden. Eine E l a s t i c a i n t e r n a fehlt den kleinen Venen, ist von den mittelgroßen an nur schwach ausgebildet. Die Media ist dünner und aufgelockerter. Durch eine Zunahme des elastischen und kollagenen B i n d e g e w e b e s sind die Muskelzellen zu einzelnen Bündeln auseinandergedrängt. Die Intima besteht aus einer Endothellage und einer wechselnd dicken Lage von feinen, kollagenen und elastischen Fasern, in die bei manchen Venen, besonders denen der unteren Extremität und der Geschlechtsorgane, noch größere Mengen längsverlaufender, glatter Muskelzellen eingelagert sein können.

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Allgemeine Anatomie.

Allgemeine Gefäßlehre

Die Adventitia ist sehr wechselnd in der Dicke und ähnlich wie die der Arterien gebaut. Sie enthält häufig Bündel längsverlaufender, glatter Muskulatur. Die V. cava caudalis und Vv. suprarenales haben fast ausschließlich Längsmuskulatur. Die meisten Venen besitzen Venenklappen (Abb. 48). Sie sind meist paarig und liegen besonders unterhalb der Einmündung anderer Venen. Sie sollen das Rückströmen des Blutes verhindern und sind deshalb an der u n t e r e n Körperhälfte besonders zahlreich. Die Venenwand ist im Bereich der Klappen sinusartig ausgeweitet. Stehen die Klappen besonders dicht, so bekommt die gefüllte Vene ein perlschnurartiges Aussehen. Die Venenklappen haben eine bindegewebige Grundlage aus elastischen und kollagenen Fasern und werden an beiden Seiten von Endothel überzogen.

5. Die Lymphgefäße A b b . 48. Stück einer V.saphenamagna (der Länge nach halbiert) mit zwei angeschnittenen Venenklappen.

Lange Zeit ist darüber gestritten worden, ob die nicht mit Endothel ausgekleideten Gewebsspalten direkt mit dem Lymphgefäßsystem in Verbindung stehen oder nicht. Heute ist man vorwiegend der Auffassung, daß dieses nicht zutrifft, sondern daß die Lymphkapillaren als Endothelröhren b l i n d in der Peripherie beginnen. Welche K r ä f t e die Lymphe in die Lymphkapillaren bringen, ist noch nicht genau entschieden. Die Lymphkapillaren sind gewöhnlich weiter als die Blutkapillaren und bilden ein weitmaschigeres Netzwerk. Sie sammeln sich zu den Lymphgefäßen. Die Lymphgefäße (Vasa lymphacea) sind im A u f b a u den Venen ähnlich, haben aber eine wesentlich dünnere Wand. Die Klappen sind zahlreicher. D a oberhalb der Klappen die W a n d stärker ausgebuchtet ist, haben sie das bekannte, perlschnurartige Aussehen. Der Verlauf der Lymphgefäße ist unabhängig von den Blutgefäßen und für jedes Organ charakteristisch. Untereinander gehen sie häufig Verbindungen ein. In den Verlauf der Lymphgefäße sind mehrfach besondere lymphatische Hilfsapparate, die Lymphknoten, eingeschaltet. Den einzelnen Lymphknoten bzw. Lymphknotengruppen sind ziemlich gesetzmäßig bestimmte Z u f l u ß g e b i e t e (Hautbezirke, Organe usw.) zugeordnet. Wir bezeichnen die einem bestimmten Körpergebiet zugeordneten Lymphknoten als die regionären Lymphknoten. Diese gesetzmäßige Anordnung hilft dem Arzt bei mancher Diagnose, weil eine Schwellung, Verhärtung oder Schmerzhaftigkeit bestimmter Drüsen auf eine Entzündung, Krebsgeschwulst usw. in dem zugehörigen (regionären) Körpergebiet schließen läßt. Bei der Beschreibung der einzelnen Körpergebiete gehen wir deshalb auf die Lage der Lymphgefäße und -knoten besonders ein.

IV. Die lymphatischen Apparate Sie dienen hauptsächlich: 1. d e r R e i n i g u n g d e r L y m p h e , 2. der N e u b i l d u n g Lymphozyten. Sie bestehen aus retikulärem Bindegewebe (s. S. 17) und zahlreichen eingelagerten, weißen Blutzellen, vorwiegend Lymphozyten. Beim K i n d finden wir an vielen Stellen des Körpers in der Nähe der Gefäße Ansammlungen von Lymphozyten im Gewebe. Ein Keimzentrum fehlt ihnen noch. Dieses diffuse lymphatische Gewebe wird mit zunehmendem Alter auf bestimmte Stellen zusammengedrängt. von

1. Die Lymphknötchen, Lymphonoduli Sie kommen als rundliche, nicht scharf abgegrenzte Knötchen vorwiegend in den Schleimhäuten vor und besitzen ein deutliches K e i m z e n t r u m . Lymphonoduli können neu auftreten und wieder verschwinden. Das erklärt wohl ihr verschieden starkes Vor-

Die l y m p h a t i s c h e n A p p a r a t e

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kommen. Sie können einzeln (Lymphonoduli solitarii) oder in Gruppen dicht nebeneinander (Lymphonoduli aggregati) liegen. Die letzteren kommen als Peyersch.e P l a t t e n im Ilium, als Z u n g e n b ä l g e am Zungengrund und als M a n d e l n (Gaumen, Rachen, Wurmfortsatz) vor. Das Keim- oder Reaktionszentrum zeichnet sich durch eine hellere Färbung aus. Es besteht aus Lymphoblasten, die einen helleren, chromatinärmeren Kern und einen größeren Zytoplasmahof besitzen. Von ihnen sollen die kleineren, dunkleren Lymphozyten gebildet werden, die, nach außen abgedrängt, den dunkleren Rand des Keimzentrums ergeben. Nach anderer Auffassung sollen in den Reaktionszentren die Lymphozyten im Kampf mit den schädigenden Stoffen (Bakteriengiften usw.) zugrunde gehen.

2. Lymphknoten, Lymphonodi (Abb. 49) Die Lymphonodi sind 2—30 mm lange, meist abgeplattete, bohnenförmige, durch eine bindegewebige Kapsel abgegrenzte Knoten, die im gesunden Zustande weich und deshalb an den meisten Stellen nicht tastbar sind. Nur bei dünner Haut, geringem Unterhautfettgewebe und festem Widerlager kann man auch die normalen Lymphknoten durchtasten (Leistengegend). Sie schwellen bei Entzündung an, werden konsistenter und schmerzhaft. An einer Seite sind sie nabelartig eingezogen. In diesen Hilus treten die Arterien ein, die Venen und das abführende Lymphgefäß (Vas efferens) aus. Zahlreiche zu-

A b b . 49. S c h e m a eines L y m p h k n o t e n s (verändert n a c h Heudorf er). R e c h t s ist die Arterien-, links die V e n e n v e r z w e i g u n g dargestellt. Die G e f ä ß e ziehen m i t ihren E n d ä s t e n d u r c h die bindegewebige K a p s e l (schwarz) z u m u m g e b e n d e n F e t t g e w e b e . W a l d e y e r , Anatomie I. 2. Aufl.

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Allgemeine Anatomie. Allgemeine Gefäßlehre

führende Lymphgefäße (Vasa afferentia) ziehen an die konvexe Oberfläche heran, durchbohren die Kapsel und ergießen die Lymphe in den Randsinus. In die derbe, bindegewebige Kapsel ist vereinzelt glatte Muskulatur eingelagert. Von der Kapsel ziehen zahlreiche Bindegewebsbalken, die Trabekel, zentralwärts und bilden dort untereinander ein grobmaschiges Netzwerk. In den Trabekeln verlaufen die größeren Blutgefäßäste. Die Hauptbestandteile des Lymphknotens sind die charakteristischen, vielfach anastomosierenden Hohlräume, die Sinus, und das lymphatische Gewebe. Das letztere besteht aus einer peripherischen Rinden- und einer zentralen Markzone. In der Rinde zeigt das lymphatische Gewebe meist Verdichtungszentren, die Rindenknötchen. Die Zahl und der Ausbildungsgrad der Rindenknötchen schwankt in weiten Grenzen, ist vor allem von der im Augenblick zu leistenden Arbeit abhängig. Rindenknötchen o h n e Keim- oder Reaktionszentrum bezeichnen wir als primäre, m i t Keimzentrum als sekundäre Rindenknötchen. Sprossen unter der Einwirkung von Reizstoffen aus e i n e m Rindenknötchen m e h r e r e j u n g e K n ö t c h e n hervor, so sprechen wir von tertiären Rindenknötchen. Im Mark ist das lymphatische Gewebe gleichmäßig d i f f u s verteilt. Es liefert die zwischen den M a r k s i n u s gelegenen Markstränge. M a r k s t r ä n g e , M a r k s i n u s und T r a b e k e l bilden je ein grobmaschiges Raumgitter. Die zuführenden Lymphgefäße ergießen ihren Inhalt in den zwischen Kapsel und Rindensubstanz gelegenen Rand- oder Marginalsinus. Von hier strömt die Lymphe radiär zum Zentrum in die Intermediär- oder Marksinus. Diese liegen, vielfach anastomosierend, zwischen den Marksträngen. In allen Sinus findet sich ein feines Netzwerk von Retikulinfasern und Retikulumzellen. A n den W ä n d e n d e r S i n u s bilden die Retikulumzellen einen endothelartigen Belag und damit einen gewissen Abschluß gegen das lymphatische Gewebe. In dem weiten, schwammartigen Netzwerk der Sinus wird der Lymphstrom stark verlangsamt. Die Retikulum- und auch die freien Zellen in den Maschen finden Zeit, der Lymphe schädigende Stoffe zu entnehmen und sie unwirksam zu machen. Der gereinigten Lymphe werden außerdem noch neue Lymphozyten aus dem lymphatischen Gewebe zugeführt. Die zellreichere, gereinigte Lymphe wird schließlich vom Vas efferens durch den Hilus abgeführt.

V. Allgemeines Verhalten der Gefäße Das Gefäßsegment. Noch beim Erwachsenen können wir im Brust- und Lendengebiet eine metamere, segmentale Gliederung des Gefäßsystems feststellen. Das Schema (Abb. 51) zeigt hintereinander gelegene, ungefähr gleich starke, paarige Gefäße, die im Brustgebiet als Aa. intercostales (/) zwischen den Rippen und im Bauchgebiet als Aa. lumbales (L) zwischen den Bauchmuskeln verlaufen. In der frühen Entwicklung ist die Segmentierung noch viel ausgesprochener. So zeigt die große Körperschlagader, die Aorta, zunächst segmentale Ausweitungen, die bald verschwinden. Von jedem solchen Aortensegment gehen ursprünglich 3 A r t e r i e n p a a r e , ein dorsales, ein laterales und ein ventrales Paar ab. Die dorsalen Arterienpaare liefern die oben erwähnten Aa. intercostales und Aa. lumbales. Sie verzweigen sich ähnlich wie die Spinalnervern in einen Ramus dorsalis und einen Ramus ventralis (Abb. 50). Der Ramus dorsalis gibt einen Ramus spinalis in den Wirbelkanal (für den Knochen, das Rückenmark und die Rückenmarkshäute), zieht weiter nach dorsal zur Muskulatur und Haut des Rückens, wo er sich weiter in einen Ramus medialis und lateralis teilt. Der Ramus ventralis verläuft in der seitlichen Brust- und Bauchwand nach ventral und bildet dort neben der Mittellinie Längsverbindungen. E s verschmelzen dort die Aa. intercostales zu den beiden Aa. thoracicae internae, die Aa. lumbales zu den Aa. epigastricae caudales. Im Halsgebiet entwickeln sich in der Embryonalzeit aus ihnen die Aa. vertebrales.

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Allgemeines Verhalten der Gefäße

Die lateralen Arterienpaare verlaufen zur Urniere, werden später größtenteils zurückgebildet und bleiben nur als paarige Eingeweide- (Zwerchfell-, Nebennieren-, Nieren- und Keimdrüsen-) Arterien, als Aa. phrenicae abdominales, Aa. suprarenales, Aa. renales und Aa. spermaticae (ovaricae), erhalten. Die ventralen Arterienpaare verlaufen zum Darmrohr, verschmelzen bald zu je einem unpaaren Gefäß. Diese unpaaren Gefäße gehen dann untereinander Verbindungen ein. Von ihnen bleiben definitiv aber nur die drei großen, unpaaren Gefäße der Bauchaorta, die A. coeliaca, A. mesenterica cranialis und A. mesenterica caudalis, erhalten. i.5 ί Ramus

ν I

Radix dorsalis

dorsalis

R. cutaneus dorsalis medialis

R. cutaneus dorsalis lateralis

b-2 ι

β) | R. ven^ 8 I trails

Ramus dorsalis Ganglion spinale

Ramus supracostalis

N. spinalis (ιthoracicus) Ramus ventralis = N. intercostalis

Truncus sympathicus V. thoracica ___ longitud. dextra

Sensibler Ast zur Pleura Ram. communicans

Ductus thoracicus

Radix ventralis Ganglion trunci syrnpathici Aorta u. A . oesophagica

Oesophagus u. Nn. vagi Ν. phrenicus

N.

R. ventralis

R. cutaneus lateralis

phrenicus

R. cutaneus lateralis

Ramus cutaneus ventralis

A. thoracica interna

R. culaneus

ventralis

A b b . 50. Schematisierter Querschnitt durch den Brustkorb. Verzweigung einer segmentalen Rumpfwandarterie (A. intercostalis) und eines segmentalen Spinalnerven (N. thoracicus).

Verzweigungsart der Gefäße. Die Gefäße verzweigen sich meist monopodial, d. h. ein Hauptstamm gibt zahlreiche kleinere Arterien ab (siehe in A b b . 51 die Äste der Bauchaorta). Teilt sich der Hauptstamm in zwei ungefähr gleich starke Äste, so sprechen wir von dichotomischer Teilung. Abgangswinkel. Die Gefäße gehen meist in s p i t z e m , seltener in r e c h t e m und s t u m p f e m W i n k e l vom Hauptstamm ab. Die letzteren bezeichnen wir als rückläufige Gefäße, Aa. recurrentes. Anastomosen. Verbindungen zwischen Gefäßen bezeichnen wir als Anastomosen. Sie kommen bei Arterien, Venen und Lymphgefäßen vor und haben eine große praktische Bedeutung. Sie sichern die Zirkulation, wenn ein anderer Ast zeitweise oder auch dauernd verlegt ist. Als feinste Anastomosen können wir die zwischen Arterien und Venen eingeschalteten Kapillaren auffassen. Anastomosen größerer Arterienäste finden wir vorwiegend zwischen den Darmarterien, aber auch an den Gliedmaßen (im Bereich der Gelenke), am Hals und Kopf. Besonders zahlreich sind die Anastomösen zwischen den größeren Venenästen. Sie sind für den Rumpf in A b b . 1 1 4 und 142 schematisch dargestellt, 5*

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Allgemeine Anatomie.

Allgemeine Gefäßlehre

haben gerade hier eine große praktische Bedeutung (s. S. 181). Bei den paarigen Begleitvenen der Arterien sind die Anastomosen häufig so zahlreich, daß die Arterien von einem Venennetz eingeschlossen erscheinen. Kleinere Gefäße, die in e i n e r F l ä c h e häufig miteinander in Verbindung stehen, bezeichnen wir als G e f ä ß n e t z , Rete. Liegen die Gefäßnetze in mehreren Ebenen und stehen diese untereinander in Verbindung, so sprechen wir von einem G e f ä ß g e f l e c h t , Plexus vasculosus. Wundernetz, Rete mirabile. Teilt sich eine Arterie plötzlich in zahlreiche feine Äste, die untereinander weitere Anastomosen eingehen und sich schließlich wie4er zu einem a r t e r i e l l e n Gefäß sammeln, so sprechen wir von einem Wundernetz. Beim Menschen finden wir sie in den Nieren- (Malpighisehen) Körperchen. Kollateralen und Kollateralkreislauf. Kollateralen sind Äste, die von einem H a u p t s t a m m seitlich abgehen und im allgemeinen die Richtung des Stammes beibehalten. Sie können, wenn der Hauptstamm verlegt ist, mit anderen Kollateralen oder auch mit rückläufigen Gefäßen eine Verbindung eingehen, zum Hauptstrombett ausgeweitet werden. Kollateralkreisläufe spielen im normalen und pathologischen Geschehen des Körpers eine wichtige Rolle. Endarterien. Als Endarterien bezeichnen wir jene Arterienäste, denenpr ä k a p i l l a r e , a r t e r i e l l e Anastomosen fehlen. Sie kommen im Gehirn, in der Milz, Niere, Schilddrüse usw. vor. Sind solche Endarterien verstopft, so muß es zum Absterben des zugehörigen Gewebsgebietes kommen, da eine kompensatorische Versorgung durch eine benachbarte Arterie nicht erfolgen kann. Gefäßvarietäten. Sie sind sehr häufig und meist aus der Entwicklungsgeschichte zu erklären. Im allgemeinen sind die Arterien in ihrem ganzen Verhalten (Größe, Verlauf usw.) konstanter als die Venen. Anordnung der Gefäße. Die größeren Gefäßstämme (Arterien, Venen, Lymphgefäße) laufen meist mit den großen Nervenstämmen zusammen und werden durch eine gemeinsame bindegewebige Gefäß-Nervenscheide zusammengehalten. Die meisten Arterien werden von paarigen Begleitvenen, Vv. comitantes, begleitet. Nur die großen Arterien (z.B. A. üica ext., A. femoralis, A. poplitea) werden von e i n e r gleichnamigen Vene begleitet. Unabhängig von den Arterien verlaufen die Hautvenen, die Vv. subeutaneae. Sie liegen unter der Haut a u f der Faszie und werden häufig von oberflächlichen Lymphgefäßen begleitet. Sie sind sehr variabel in ihrem Verlauf und stehen mit den Begleitvenen in Verbindung. Verlauf der Gefäße. Im allgemeinen wählen sie den kürzesten Weg zu ihrem Organ. Wenn Gefäße einen langen Weg bis zu ihrem Organ zurücklegen müssen, so ist das meist durch Verlagerungen während der Entwicklung zu erklären. So beziehen die Keimdrüsen, die ursprünglich in der Lendengegend angelegt wurden, ihre Arterien (Aa. spermaticae bzw. ovaricae) noch direkt aus der Bauchaorta. In Organen, die großen Volumschwankungen unterworfen sind, verlaufen die Arterien geschlängelt (Rankenarterien, Aa. helicinae, des männlichen Gliedes). Auch an Orten, wo die Arterien durch Bewegungen stark gedehnt werden (ζ. B. die Gesichtsarterie, A. facialis, beim öffnen und Schließen des Mundes) ist eine stärkere Schlängelung anzutreffen. Dehnbarkeit der Gefäße. Die Venen können leichter als die Arterien gedehnt werden. Die A r t e r i e n sind besonders der L ä n g e , die V e n e n der Q u e r e nach dehnbar. Läßt die Dehnbarkeit der Arterien imAlter nach, so beobachten wir eine stärkere Schlängelung (ζ. B. die gut sichtbaren Schläfenarterien). Venen werden bei starker Füllung wesentlich dicker. Lage der Gefäße. Die großen Gefäß-, vor allem die Arterienstämme, sind so im Körper untergebracht, daß sie möglichst geschützt sind und möglichst wenig bei Gelenkbewegungen gedehnt werden. So liegen die große Körperschlagader, die Aorta, und die großen Venenstämme, die obere und untere Hohlvene, V. cava cranialis und caudalis, vor der Wirbelsäule, möglichst zentral.

Die großen Arterienstämme

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An den Gliedmaßen verlaufen die großen Gefäß-Nervenstämme meist geschützt zwischen den Knochen und Muskeln in besonderen GefäßNervenstraßen. Die größeren Arterien verlaufen stets über die B e u g e s e i t e der Gelenke. Vor Gelenken, die spitzwinklig gebeugt werden können (ζ. B. Ellenbogengelenk), kann durch starke Beugung eine temporäre Blutstillung erreicht werden. Um an solchen Stellen eine spitzwinklige Abknickung zu vermeiden, entfernt sich bei der Beugung die Arterie vermöge ihrer Längsspannung möglichst weit von dem Gelenk.

YI. Kurze Übersicht über die großen Arterienstämme des Körperkreislaufes Aus dem Herzen (Konturen in Abb. 51 gestrichelt) geht die spazierstockähnliche Hauptschlagader, die A o r t a , hervor. Sie steigt zunächst aufwärts (Aorta ascendens), wendet sich dann im Bogen (Arcus aortae, Arc.a.) nach dorsal und links und zieht als Brust- und Bauchaorta fast geradlinig abwärts bis zum 4. Lendenwirbel. Hier gibt sie die beiden großen Äste für die unteren Gliedmaßen und das Becken, die Aa. ilicae communes (J.c.), ab. Der verbleibende dünne Endast zieht als Schwanzaorta, Aorta caudalis, vor dem Kreuzbein abwärts. Vom Arcus aortae (Are. a.) gehen drei große Arterienstämme ab, der Truncus brachiocephalicus (Tr.bc.) für den rechten Arm und die r e c h t e Hals- und Kopfhälfte, die A. carotis communis sinistra (C.c.s.) für die l i n k e Haisund Kopfhälfte und die A. subclavia sinistra für den l i n k e n Arm. Der Truncus brachiocephalics teilt sich in die A. carotis communis dextra (C. c. d.) und die A. subclavia dextra (5.). Die A. carotis communis teilt sich wieder in die A. carotis externa (C. e.) und die A. carotis interna (C.i.). Die zum Arm ziehende A. subclavia (S.) setzt sich in die A. axillaris (A.) fort, die durch die Achselhöhle verläuft und in die A. brachialis (B.) übergeht. Die letztere gabelt sich in der Ellenbeuge spitzwinklig in die an der Speichen- (Radius-) Abb. 51. Seite verlaufende A. radialis (R) und die an der Schematische Darstellung der größeren Ellen- (Ulna-) Seite verlaufende A. ulnaris (i7.). Arterien des Körperkreislaufes (verändert nach Pansch). Beschriftung im Text. Die Brustaorta, Aorta thoracica (A. th.), gibt die paarigen Zwischenrippenarterien, Aa. intercostales (/.), ab und geht im Zwerchfellschlitz, Hiatus aorticus, in die Bauchaorta über. Die Bauchaorta (Aorta abdominalis) entsendet die paarigen Lendenarterien, Aa. lumbales (L.), und die ebenfalls paarigen Eingeweidearterien zum Zwerchfell (Aa.

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Allgemeine Anatomie.

Allgemeine

Gefäßlehre

phrenicae abdominales), zu den Nieren (Aa. renales, Re.) und zu den Keimdrüsen (Aa. spermaticae bzw. ovaricae). Schließlich gibt die Bauchaorta noch drei große u n p a a r e Eingeweideäste ab, die A. coeliaca (Coe.) für den Magen, die obere Hälfte des Zwölffingerdarmes, die Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse, die A. mesenterica cranialis (M. er.) für den Dünndarm, Blinddarm, aufsteigenden und queren Teil des Dickdarms und die A. mesenterica caudalis (M.c.) für den restlichen Teil des Dickdarms. Die Aa. ilicae communes (/. c.) teilen sich vor dem Hüft-Kreuzbeingelenk in die Aa. ilicae externae (J.e.) und internae. Die letzten ziehen ins kleine Becken, versorgen die Beckeneingeweide, das Gesäß und Teile des Oberschenkels. Die A. ilica externa (J.e.) versorgt mit Ästen die Bauchwand und geht unter dem Leistenbande in die Oberschenkelarterie, A. femoralis (F.), über. Diese verläuft an der ventralen und medialen Seite des Oberschenkels und gelangt dann als A. poplitea zur Kniekehle. Diese gabelt sich spitzwinklig in die vordere und hintere Schienbeinarterie, A. tibialis anterior (T.a.) und posterior (T.p.). Die letztere entsendet noch die Wadenbeinarterie, A. fibularis {Fi.).

YII. Kurze Übersicht über die großen Venenstämme des Körperkreislaufes (Abb. 114) Das von K o p f und H a l s (V. jugularis interna) und der o b e r e n G l i e d m a ß e (V. subclavia) zurückströmende Blut sammelt sich jederseits zu der Arm-Kopfvene, V. brachiocephalica. Die beiden Vv. brachiocephalicae vereinigen sich zu der rechts gelegenen o b e r e n H o h l v e n e , V. cava cranialis. Das B l u t d e r u n t e r e n G l i e d m a ß e strömt durch die Oberschenkelvene, V. femoralis, in die V. ilica externa. Diese vereinigt sich mit der aus dem Becken kommenden V. ilica interna z u r V . ilica communis. Die beiden Vv. ilicae communes fließen zur unteren Hohlvene, V. cava caudalis, zusammen. Diese nimmt Truncus lymphaceus dexter die segmentalenVenen der Bauchwand, die Vv. lumbales „K. jugularis '

interna Truncus jugularis

und die V e n e n der paarigen Baucheingeweide auf.

sin.

Truncus subclavius V. subclavia V. brachiocephalica

Ductus thoracicus

Cisterna chgli Truncus intestinalis Trunci lumbales

A b b . 52. Schema der H a u p t l y m p h gefäßstämme (verändert η. Pansch).

D a s B l u t d e r u n p a a r e n B a u c h o r g a n e (MagenDarmkanal, Milz, Bauchspeicheldrüse) sammelt sich in der P f o r t a d e r , V. portae, durchströmt darauf die Leber und fließt durch die Lebervenen, Vv. hepaticae, ebenfalls in die V. cava caudalis. V. cava cranialis und caudalis ergießen ihr Blut in den rechten Vorhof des Herzens. Die segmentalen Venen der Rumpfwand (Vv. intercostales et lumbales) bilden an der v e n t r a l e n und d o r s a l e n Rumpfwand L ä n g s a n a s t o m o s e n (s. Abb. 114), die einen Kollateralkreislauf zwischen V. cava cranialis und caudalis ermöglichen. Näheres über diese und andere, praktisch wichtige Venenanastomosen s. S. 181.

VIII. Die großen Lymphgefäßstämme (Abb. 52) Vor dem 2. Lendenwirbelkörper vereinigen sich die drei großen Lymphstämme der unteren Körperhälfte, die paarigen Trunci lumbales und der unpaare Truncus intestinalis zu einem größeren Lymphr a u m , der Cisterna chyli.

Die großen Venen- und

Lymphgefäßstämme

71

Der Truncus intestinalis entspricht dem S t r o m g e b i e t d e r P f o r t a d e r (s. oben) und nimmt somit die Lymphe aus den u n p a a r e n Bauchorganen auf. Nach einer Fettmahlzeit ist sein Inhalt durch die vom Dünndarm in das Lymphgefäßsystem resorbierten Fette milchigweiß gefärbt. Wir bezeichnen diese Fettemulsion als Chylus. Die Trunci lumbales sammeln die Lymphe von den unteren Gliedmaßen, v o m Becken und den p a a r i g e n Bauchorganen. Sie entsprechen also dem S t r o m g e b i e t d e r V. c a v a c a u d a l i s (s. oben). Aus der Cisterna chyli, die übrigens auch in mehrere Stämme geteilt sein kann, entspringt der H a u p t l y m p h s t a m m , der Ductus thoracicus. E r heißt „Milchbrustgang", weil sein Inhalt nach einer Fettmahlzeit milchigweiß ist (s. oben). E r zieht rechts und dorsal von der Aorta durch den Hiatus aorticus, verläuft zunächst rechts von der Mittellinie, neben der Aorta, vor der Wirbelsäule aufwärts bis zum 4. Brustwirbel, wendet sich dann allmählich h i n t e r der Speiseröhre nach links und zieht in einem nach oben konvexen Bogen hinter den großen Venen- und Arterienstämmen zum linken Angulus venosus, dem Zusammenfluß der V . jugularis interna und der V . subclavia. Hier nimmt er vom Kopf und Hals den Truncus jugularis sinister und v o m A r m her den Truncus subclavius sinister auf und mündet in das Venensystem. Der entsprechende Gang der r e c h t e n Seite (Truncus lymphaceus dexter) hat ein wesentlich kleineres Stromgebiet. E r entsteht aus dem Truncus bronchomediastinalis dexter (aus dem kranialen Teil der rechten Brusthälfte), dem Truncus jugularis dexter (rechte Kopf- und Halshälfte) und dem Truncus subclavius dexter (rechter Arm) und mündet in den rechten Angulus venosus.

F. Ubersicht über das Darmsystem (Abb. 53) Das Darmsystem hat die Aufgabe, die Nahrung aufzunehmen, mechanisch und chemisch zu verarbeiten und die restlichen Schlacken auszuscheiden. Entwicklung. D i e erste A n l a g e des D a r m s y s t e m s , d i e E n t w i c k l u n g des U r d a r m e s u n d d e s b l e i b e n d e n D a r m e s w u r d e b e r e i t s S . 41 b e s p r o c h e n . D e r U r d a r m e n t s t a n d d u r c h die G a s t r u l a t i o n ( A b b . 31), d e r b l e i b e n d e D a r m d u r c h die A u s s c h a l t u n g des M e s o d e r m s u n d d e r Chorda dorsalis aus dem Urdarmdach. D a s D a r m r o h r ist z u n ä c h s t rein e n t o d e r m a l , d u r c h z i e h t als g e r a d e s R o h r d e n g a n z e n K e i m l i n g v o n k r a n i a l n a c h k a u d a l . D u r c h besondere W a c h s t u m s V o r g ä n g e e n t s t e h e n a m k r a n i a l e n u n d k a u d a l e n E n d e des K e i m l i n g s E i n s t ü l p u n g e n des E k t o d e r m s , die k r a n i a l e M u n d b u c h t u n d d i e k a u d a l e K l o a k e . D i e e k t o d e r m a l e M u n d b u c h t ist z u n ä c h s t n o c h d u r c h die R a c h e n m e m b r a n , d i e K l o a k e d u r c h die K l o a k e n m e m b r a n g e g e n d a s E n t o d e r m r o h r a b g e s c h l o s s e n . N a c h d e m die R a c h e n m e m b r a n und die K l o a k e n m e m b r a n eingerissen sind, h a b e n w i r ein k r a n i a l u n d k a u d a l o f f e n e s D a r m rohr. E k t o d e r m a l e A n t e i l e , d i e M u n d b u c h t und die K l o a k e , sind j e t z t in d a s D a r m r o h r e i n b e z o g e n . I m B e r e i c h des K o p f e s t r e t e n b e i d e n k i e m e n a t m e n d e n W i r b e l t i e r e n b a l d A u s s a c k u n g e n d e s e n t o d e r m a l e n D a r m r o h r e s , die S c h i u n d t a s c h e n , a u f . I h n e n s t ü l p e n sich v o n a u ß e n die e k t o dermalen K i e m e n t a s c h e n entgegen. Durch Einreißen der feinen Scheidewände zwischen Schlundu n d K i e m e n t a s c h e n e n t s t e h e n die K i e m e n s p a l t e n . Sie w e r d e n v o n d e n s t ü t z e n d e n K i e m e n b o g e n b e g r e n z t . A n diesen b i l d e n sich die der A t m u n g d i e n e n d e n K i e m e n a u s . A u c h b e i d e n h ö h e r e n , l u n g e n a t m e n d e n W i r b e l t i e r e n b i l d e n sich n o c h S c h l u n d - u n d K i e m e n t a s c h e n a u s . D a b e i i h n e n die K i e m e n a t m u n g ü b e r f l ü s s i g g e w o r d e n ist, w e r d e n die K i e m e n b o g e n zu w i c h t i g e n B e s t a n d t e i l e n des V i s z e r a l s k e l e t e s . A u s u n d in d e n S c h i u n d t a s c h e n e n t w i c k e l n sich die O h r t r o m p e t e , d a s M i t t e l o h r , die G a u m e n m a n d e l n u n d w i c h t i g e i n n e r s e k r e t o r i s c h e D r ü s e n . D e n m i t S c h i u n d t a s c h e n , K i e m e n t a s c h e n u n d K i e m e n b o g e n v e r s e h e n e n Kopfdarm b e z e i c h n e n w i r a u c h als Kiemendarm u n d stellen ihn d e m R u m p f d a r m g e g e n ü b e r . D e r Rumpfdarm g l i e d e r t s i c h w i e d e r in V o r d e r d a r m , M i t t e l d a r m u n d E n d d a r m . A m k r a n i a l e n E n d e des R u m p f d a r m e s s t ü l p t sich v e n t r a l die A n l a g e der u n t e r e n L u f t w e g e ( K e h l k o p f , L u f t r ö h r e , L u n g e n ) a u s . D e r A n f a n g s t e i l des K i e m e n d a r m e s , die p r i m ä r e M u n d h ö h l e , w i r d d u r c h eine h o r i z o n t a l e S c h e i d e w a n d , d e n G a u m e n , in z w e i ü b e r e i n a n d e r gelegene S t o c k w e r k e , die s e k u n d ä r e M u n d h ö h l e u n d die N a s e n h ö h l e , g e t e i l t . D e r h i n t e r e T e i l des K i e m e n d a r m e s b l e i b t u n p a a r u n d l i e f e r t d e n S c h l u n d k o p f . A u c h d a s E n d e d e s D a r m r o h r e s w i r d d u r c h eine S c h e i d e w a n d , d a s Septum urorectale, i n e i n e dorsale u n d v e n t r a l e R ö h r e geteilt. D i e d o r s a l e R ö h r e l i e f e r t d e n M a s t d a r m , die v e n t r a l e R ö h r e B e s t a n d t e i l e des H a r n - u n d G e s c h l e c h t s a p p a r a t e s .

72

Allgemeine Anatomie. Übersicht über das Darmsystem

I. Gliederung des Darmsystems Durch die kurz angedeuteten Entwicklungsvorgänge gliedert sich das Darmsystem in: I. Kopfdarm: 1. Mundhöhle, 2. Nasenhöhle, 3. Schiundkopf. II. Rumpfdarm: 1. U n t e r e L u f t w e g e (Kehlkopf,Luftröhre, Lungen), 2. Verdauungsrohr, a) Vorderdarm (Speiseröhre und Magen) b) Mitteldarm (Zwölffingerdarm, Leerdarm, Krummdarm) c) End- oder Dickdarm (Blind-, Grimmund Mastdarm) 3. A n t e i l e d e s H a r n - u n d G e s c h l e c h t s a p p a r a t e s (Sinus urogenitalis.Harnblase). Beim E r w a c h s e n e n (Abb. 53) beginnt das Verdauungsrohr mit der Mundhöhle, dem Cavum oris (C.o.). In ihr werden die Speisen durch die Zähne zerkleinert und mit dem Sekret der Speicheldrüsen, dem Speichel, vermischt. Die Zahnreihen teilen den von Lippen und Wangen begrenzten Vorhof der Mundhöhle, Vestibulum oris, von der eigentlichen Mundhöhle, dem Cavum oris, ab. A m Boden der Mundhöhle liegt die Zunge. Sie hilft beim Zerkleinern und Verschlingen der Nahrung, dient als Geschmacksund Tastorgan und ist wichtig für die Sprache. Das Dach der Mundhöhle, der Gaumen, ist gleichzeitig der Boden der Nasenhöhle, Cavum Abb. 53. Übersicht über das Darmsystem (verändert nach Pansch). C.n. = Cavum nasi, nasi (C.n.). Nach hinten führen die Mundhöhle Nasenhöhle, C. 0. = Cavum oris, Mundhöhle, durch die Rachenenge, den Isthmus faucium, die Ph. — Pharynx, Schiundkopf, L. = Larynx, Nasenhöhlen durch die Choanen in den SchlundKehlkopf, Tr.= Trachea, Luftröhre, Oe. = Öso- kopf, Pharynx (Ph.). In ihm überkreuzen sich phagus, Speiseröhre, F. = Ventriculus, Magen, D. — Duodenum, Zwölffingerdarm, Η. = He- L u f t - und Speiseweg, indem der Luftweg sich par, Leber, P. — Pancreas, Bauchspeichel- in den ventral gelegenen Kehlkopf, Larynx (L.), drüse, Jj. — Jejunum, Leerdarm, II. = Ilium, der Speiseweg in die dorsal gelegene Speiseröhre, Krummdarm, C.c. = Caecum, Blinddarm, Ösophagus (Oe.), fortsetzt. Die S p e i s e r ö h r e C.a. = Colon ascendens, aufsteigender Dickdarm, C. tr. = Colon transversum, querer zieht vor der Wirbelsäule durch die Brust, geDickdarm, C. d. = Colon descendens, abstei- langt durch das Zwerchfell in die Bauchhöhle gender Dickdarm, C.s. = Colon sigmoides, und mündet dort in den sackartig erweiterten S-förmiger Dickdarm, C. t. — Intestinum ter- Magen, Ventriculus (F.). Der Magen geht in den minale, Enddarm. eigentlichen Darm über. A n ihm lassen sich zwei charakteristische Abschnitte, der Dünndarm und Dickdarm unterscheiden. Der Anfangsteil des Dünndarmes, der Zwölffingerdarm, das Duodenum (£>.), ist hufeisenförmig gebogen und größtenteils fest an die hintere Bauchwand angeheftet. In das Duodenum münden zwei große Drüsen, die Leber, Hepar (H.), und die Bauchspeicheldrüse, das Pancreas (P.). Der restliche Teil des Dünndarmes, das Jejunoilium, ist durch eine Bauchfellduplikatur,

Einteilung und Aufbau

73

das Gekröse des Dünndarmes (Mesostenium), frei beweglich an der hinteren B a u c h w a n d aufgehängt und bildet zahlreiche Schlingen. E r besteht aus dem vorwiegend links oben gelegenen Leerdarm, Jejunum (Jj.), und dem vorwiegend rechts unten gelegenen Krummdarm, Ilium (II.). D a s Ilium mündet in den Dickdarm Colon. Eine K l a p p e verhindert hier das Zurücktreten des Dickdarminhaltes in den Dünndarm. Der D i c k d a r m bildet u m das P a k e t der Dünndarmschlingen einen viereckigen Rahmen, gliedert sich in einen Blindsack, den Blinddarm, das Caecum (Cc.), an dem der feine Wurmfortsatz, Processus vermiformis, hängt, einen aufsteigenden Schenkel, das Colon ascendens (C.a.), einen queren Schenkel, Colon transversum (C.tr.), einen absteigenden Schenkel, Colon descendens (C.d.), das S-förmig gekrümmte, frei bewegliche Colon sigmoides (C.s.) und den im kleinen Becken gelegenen Mastdarm, Intestinum terminale (C.t.) oder Rectum. D e r Mastdarm ist bei vielen Tieren ein gerades Rohr (Rectum). Beim Menschen zeigt er schon in der Entwicklung charakteristische Biegungen, wird deshalb besser als Enddarm, Intestinum terminale (C.t.), bezeichnet. E r mündet mit dem After, Anus, nach außen.

II. Aufbau des Darmsystems (Abb. 148, 150 Wir haben hier zwischen dem abwechselnd engen und weiten R o h r und den kompakten, soliden, d r ü s i g e n O r g a n e n zu unterscheiden. Die letzteren, auch parenchymatöse Organe genannt, bestehen aus einem bindegewebigen Gerüst, dem S t r o m a , und dem eigentlich funktionierenden Gewebe, das gleichsam einen A u s g u ß (gr. chyma) des Bindegewebsgerüstes darstellt. Die röhrenförmigen Anteile des Darmsystems zeigen eine weitgehend gleiche Schichtenfolge. Sie bestehen aus: i. der Schleimhaut, Tunica mucosa, 2. der Muskelhaut, Tunica muscularis, 3. der serösen Haut, Tunica serosa (bei nicht von Serosa überzogenen Organen Tunica externa oder adventitia genannt). V g l . A b b . 148. 1. Die Schleimhaut. A n den Körperöffnungen geht die relativ trockene, äußere H a u t allmählich in die feuchte, von Schleim überzogene „ S c h l e i m h a u t " über. Sie kleidet alle Binnenräume des Darmsystems, d. h. das eigentliche Darmrohr und seine Ausstülpungen aus. Nach den zu leistenden Aufgaben ist der Feinbau in den einzelnen A b schnitten etwas verschieden. Allen Abschnitten gemeinsam ist aber ein Epithel und eine b i n d e g e w e b i g e U n t e r l a g e . Die letztere läßt meist eine festere, das Epithel tragende Lamina propria mucosae und eine lockere Tela submucosa, die die Verschiebung der Schleimhaut gegen die Muskelhaut ermöglicht, unterscheiden. Die Schleimhaut des eigentlichen Darmrohres besitzt in den meisten Abschnitten noch eine feine Lage glatter Muskulatur, Lamina muscularis mucosae, zwischen Lamina propria und T e l a submucosa. In die Schleimhaut eingebettet finden wir Drüsen, Gefäße und Nerven. Zahl, Größe und Form der D r ü s e n wechselt in den einzelnen Abschnitten. Die G e f ä ß e reichen mit ihren Schlingen bis unter das Epithel und geben je nach der Dicke des Epithels der Schleimhaut ein blasseres oder rötlicheres Aussehen. A u c h L y m p h k n ö t c h e n , Lymphonoduli, sind in wechselnder Zahl in die Schleimhaut eingestreut. 2. Die Muskelhaut. Sie dient der F o r t b e w e g u n g und D u r c h m i s c h u n g des Darminhaltes, besteht vorwiegend aus glatter Muskulatur und läßt eine äußere Längsund eine innere Ringmuskellage (Stratum longitudinale und Stratum circulare) unterscheiden. Nur am kranialen und kaudalen Ende ist quergestreifte Muskulatur eingewandert. Wir finden sie beim Menschen in der Zunge, im weichen Gaumen, im Schlundkopf, im Anfangsteil der Speiseröhre und als äußeren Schließmuskel (Sphincter ani externus) des Mastdarmes. 3. Die Serosa ist eine glänzende, spiegelnde H a u t . Sie besteht aus einer oberflächlichen Lage platter Zellen, die den Endothelzellen ähnlich sind, und einer bindegewebigen Grundlage aus kollagenen und elastischen Fasern. Durch eine lockere Subserosa ist sie auf der Muskelhaut verschieblich befestigt. Eine klare, s e r ö s e F l ü s s i g k e i t hält die

74

Allgemeine Anatomie.

Übersicht über das Nervensystem

epitheliale Oberfläche schlüpfrig und begünstigt die Verschiebung der Eingeweide gegeneinander. Die Serosa überzieht mit einem viszeralen Blatt die Eingeweide, mit einem parietalen B l a t t kleidet sie die Körperhöhlen aus. Die Anlage der serösen Blätter und der Leibeshöhle wurde bereits auf S. 42 geschildert. Die ursprünglich einheitliche Leibeshöhle {Zölom) läßt schon frühzeitig ein K o p f Z ö l o m und ein R u m p f z ö l o m unterscheiden. Das Kopfzölom erhält sich nur in der Umgebung der Herzanlage und liefert die H e r z b e u t e l - oder P e r i k a r d i a l h ö h l e . Das Rumpfzölom wird durch das Zwerchfell in die paarigen B r u s t - oder P l e u r a h ö h l e n und die unpaare B a u c h - oder P e r i t o n ä a l h ö h l e geteilt. Die sie auskleidenden, serösen Häute bezeichnen wir als Pleura und Peritonaeum. Die serösen Häute bilden zahlreiche Falten, Plicae serosae (s. Bauchhöhle).

G. Übersicht über das Nervensystem Das Prinzip der A r b e i t s t e i l u n g führte bei den Metazoen zur Differenzierung der verschiedensten Organe und Organsysteme. Sollten die verschiedenen Organe und Systeme zu einem harmonisch tätigen Ganzen zusammengefaßt werden, so mußte eine Einrichtung geschaffen werden, die die Organe und Systeme regulierte, koordinierte und zum Wohle des Individuums kontrollierte. Diese Aufgabe übernimmt das N e r v e n system. Entwicklung. E s entsteht schon frühzeitig an der Dorsalseite des Keimlings als eine Verdickung des Ektoderms ( M e d u l l a r p l a t t e ) . Die Ränder der Medullarplatte wulsten sich auf und bilden die M e d u l l a r r i n n e . Diese schließt sich zum M e d u l l a r r o h r . Aus dem kranialen Teil des Medullarrohres entsteht das Gehirn, aus dem kaudalen das Rückenmark. Schon vor dem Verschluß des Neurairohres wandern aus dem Medullarrohr Zellen aus, die zu seiten des Rohres eine Leiste bilden. Diese Ganglienleiste liefert die Ganglien des ganzen Körpers. Die Nerven wachsen teils direkt aus dem Medullarrohr, teils aus der Ganglienleiste in die Peripherie und liefern die Leitungen 1. aus der Peripherie zur Zentrale, zum Gehirn und Rückenmark (sensible Nerven), und 2. von der Zentrale zur Peripherie, zur Muskulatur und zu den Drüsen (motorische Nerven). Jener Teil des Nervensystems, der mittels der Sinnesorgane über die Vorgänge der Umwelt unterrichtet und die quergestreifte Muskulatur versorgt, wird als animalisches Nervensystem bezeichnet und dem vegetativen Nervensystem gegenübergestellt. Das v e g e t a t i v e N e r v e n s y s t e m heißt auch viszerales Nervensystem, weil es die Vorgänge in den inneren Organen, den Eingeweiden (viscera), registriert, ihre glatte Muskulatur und ihre Drüsen versorgt. E s ist morphologisch und funktionell weitgehend selbständig und wird deshalb auch autonomes Nervensystem genannt. Das Nervensystem gliedert sich somit in: I. das animalische oder zerebrospinale Nervensystem: 1. das zentrale Nervensystem, Systema nervorum centrale. E s besteht aus dem in der Schädelhöhle untergebrachten Gehirn (Encefhalon) und dem im Wirbelkanal befindlichen Rückenmark (Medulla spinalis)] 2. das peripherische Nervensystem, Systema nervorum periphericum. Es besteht aus: a) den Nerven, Nervi, die als doppelwegige Kabel die Peripherie mit der Zentrale und umgekehrt verbinden; b) aus Knoten, Ganglien, die in den Verlauf der Nerven eingeschaltet sind und Ganglienzellen enthalten (s. S. 34). II. Das vegetative, viszerale oder autonome Nervensystem. Morphologisch, funktionell und pharmakologisch können wir unterscheiden: 1. das sympathische Nervensystem, Systema nervorum sympathicum, 2. das parasympathische Nervensystem, Systema nervorum parasympathicum.

Entwicklung und Einteilung

75

I. Das animalische oder zerebrospinale Nervensystem 1. Das Zentralnervensystem Das Zentralnervensystem, Gehirn (Encephalon) und Rückenmark {Medulla spinalis), gehen kontinuierlich ineinander über. Als ä u ß e r e G r e n z e geben wir gewöhnlich den Austritt des I. Halsnervenpaares an. Das Gehirn ist in der Schädelkapsel, das Rückenmark im Wirbelkanal untergebracht. Beide stehen durch das große Hinterhauptsloch, Foramen occipitale magnum, miteinander in Verbindung. Umgeben ist das Zentralnervensystem von drei verschiedenen Hüllen, den Hirn-Rückenmarkshäuten, der festen, harten Hirnhaut, Duramater, der zarten Spinngewebshaut, Arachnoides, und der gefäßführenden Pia mater. Die Dura mater bildet im Bereich der Schädelkapsel zugleich das i n n e r e P e r i o s t des Knochens und enthält zwischen ihren beiden Blättern die großen Blutleiter, Sinus durae matris; im Bereich des Wirbelkanals befindet sich zwischen ihr und der W a n d des Kanals noch der E p i d u r a l r a u m . Die Pia mater liegt der Oberfläche des Zentralnervensystems fest an, schiebt sich in die feinen Furchen und Spalten und schickt ihre größeren und feineren Gefäßäste zur Ernährung der Nervensubstanz in die Tiefe. Die Räume zwischen den Häuten sind mit der H i r n - R ü c k e n m a r k s f l ü s s i g k e i t , dem Liquor cerebrospinalis, ausgefüllt. Auf Schnitten durch Gehirn und Rückenmark kann man schon mit freiem Auge Farbverschiedenheiten in gesetzmäßiger Anordnung feststellen. Bestimmte Anteile sind grau, andere blendend weiß. Im Rückenmark (Abb. 95) liegt die graue Substanz zentral, die weiße an der Oberfläche. Im Gehirn finden wir die graue Substanz an der Oberfläche (als Rinde) u n d im Innern (als zentrale, graue Kerne). Zwischen beiden liegt die weiße Substanz (Bd. II. A b b . 199). Der Hohlraum des Neurairohres wird im Bereich des Rückenmarks zu dem sehr feinen Zentralkanal. Im Bereich des Gehirnes liefert er das System der Hirnkammern, die Hirnventrikel. Sie enthalten feine A d e r g e f l e c h t e , die Plexus chorioidei, die die Hirn-Rückenmarksflüssigkeit, den Liquor cerebrospinalis, absondern. Die g r a u e S u b s t a n z des Zentralnervensystems besteht vorwiegend aus N e r v e n z e l l e n , die w e i ß e aus m a r k h a l t i g e n N e r v e n f a s e r n , denNeuriten der Ganglienzellen. Über den weiteren A u f b a u des Hirnes, den Verlauf der Leitungsbahnen usw. s. Kopf, Bd. II. Näheres über das Rückenmark und seine wichtigsten Bahnen s. S. 1 1 8 — 1 2 6 .

2. Das peripherische Nervensystem a) Die Nerven Nerven sind die zu mehr oder minder großen Bündeln zusammengefaßten Neuriten von Ganglienzellen (s. S. 32). Nach der Funktion unterscheiden wir sensible, motorische und gemischte Nerven. Die s e n s i b l e n N e r v e n leiten die spezifischen Sinnesempfindungen zum Zentralnervensystem. Ihre Zelleiber liegen neben dem Rückenmark, in den Spinalganglien oder den ihnen entsprechenden Ganglien der sensiblen Hirnnerven. Die m o t o r i s c h e n N e r v e n führen vom Rückenmark bzw. Gehirn den Muskeln Impulse zu, lösen Bewegungen aus. Ihre Zelleiber liegen in der grauen Substanz des Rückenmarkes und den entsprechenden motorischen Kernen des Gehirnes. Die Grenze zwischen Zentral- und peripherischem Nervensystem ist somit eine künstliche, da die Neuronen v o m einen in das andere übergehen. Die g e m i s c h t e n N e r v e n enthalten sensible u n d motorische Fasern. Nach dem V e r s o r g u n g s g e b i e t bzw. nach dem O r t d e s A b g a n g e s unterscheiden wir 12 bzw. 13 Kopf- (bzw. Gehirn-) Nervenpaare (Nervi capitales) und 31 Paare von Rückenmarksnerven {Nervi spinales). Kopfnerven und Rückenmarksnerven werden als cerebrospinale Nerven zusammengefaßt und den vegetativen Nerven gegenübergestellt.

76

Allgemeine Anatomie.

Übersicht über das Nervensystem

Die Spinalnerven zeigen eine segmentale Anordnung. Die Nervensegmente versorgen die ihnen entsprechenden Muskel- und Hautsegmente, die Myotome und Dermatome. Den Kopfnerven fehlt eine segmentale Anordnung, da die Metamerie des Mesoderms verlorengegangen ist. α) A u f z w e i g u n g der

Spinalnerven

Die m o t o r i s c h e n F a s e r n verlassen zu kleinen Bündeln, den vorderen Wurzeln oder Radices ventrales, zusammengefaßt, ventrolateral das Rückenmark. Die s e n s i b l e n F a s e r n (in Abb. 93 von dorsal her freigelegt) ziehen vom Spiijalganglion, ebenfalls zu Ganglion spinale

Fascia

Radix dorsalis

R. cut. dorsalis

Oberflächliche RückenR. cutaneus muskulatur dors. lat.

Oberflächliche Körperfaszie

Fascia lumbodorsalis

lumbodorsalis

Aponeurosis

Tiefe Rückenmuskulatur mit Ramus dorsalis

lumbalis

- - Ramus Oberflächliche Körperfaszie

ventralis

Ventraler Ast zur oberflächlichen Rückenmuskulatur —

Ramus communicans Grenzstrangganglion

Ramus viscerales R. cutaneus lat M. transversus abd.

-'

M. obliq. abd. int. M. obliq. abd. ext.

R. cutaneus ventralis

M. rectus abdominis

der

Gruppe Extremüätenmuskeln

Abb. 54. Schema der Entwicklung der Muskulatur und der sie versorgenden Nerven. Links im Bereich des Rumpfes, rechts im Bereich der Extremitäten. Ventrale Muskulatur gestrichelt, dorsale kariert. (Mit Benutzung einer Abbildung von Clara.)

Bündeln, den hinteren Wurzeln oder Radices dorsales, zusammengefaßt, zum Rückenmark. Lateral vom Spinalganglion, in dem vorwiegend die Ganglienzellen der sensiblen Fasern liegen (die motorischen Fasern legen sich nur dem Ganglion an), vereinigt sich die hauptsächlich motorische Radix ventralis mit der vorwiegend sensiblen Radix dorsalis

z u m g e m i s c h t e n N. spinalis.

Der nur kurze Ν. spinalis teilt sich bald in 4 Äste (Abb. 54): 1. Ramus ventralis. Der stärkste der 4 Äste verläuft in der vorderen Rumpfwand, im Brustgebiet zwischen den Rippen, im Bauchgebiet zwischen den Bauchmuskeln. Als g e m i s c h t e r Nerv versorgt er mit dem motorischen Anteil die ventrale Rumpfmuskulatur. Da die Extremitäten Ausstülpungen der ventralen Rumpfwand sind, werden auch sie von den Rami ventrales versorgt. Der sensible Anteil versorgt die

Aufzweigung der Spinalnerven. Plexusbildung

77

vordere und seitliche Bauchwand (besonders die Haut) sensibel, indem er zu ihr Rr. cutanei laterales et ventrales schickt. 2. Ramus dorsalis. Der wesentlich kleinere, gemischte, hintere Ast zieht zum Rücken, teilt sich bald in einen medialen und lateralen Zweig, versorgt die tiefe oder autochthone Rückenmuskulatur und mit den Rami cutanei dorsales mediales et laterales die Haut des Rückens (Abb. 50, 54). 3. Ramus meningicus. Ein kleiner, zarter Ast läuft mit sympathischen Fasern sofort wieder in den Wirbelkanal zurück, wo er mit Ästen der Gegenseite und benachbarter Segmente ein feines Geflecht für den Wirbelkanal und die Rückenmarkshäute eingeht. 4. Ramus communicans. E r geht eine „Verbindung" zu den paravertebralen, neben der Wirbelsäule gelegenen Grenzstrangganglien des Sympathicus ein. Meistens besteht er aus einem weißen und grauen Ast. In dem w e i ß e n , m a r k h a l t i g e n Ast, Ramus communicans albus, verlaufen die Fasern des I. sympathischen Neurons, das von der Seitensäule des Rückenmarkes ^— über die vordere Wurzel bis zum / ^ j /}\ Grenzstrangganglion zieht. Nachdem der größere Teil der Fasern im Ganglion auf das II. Neuron umgeschaltet ist, zieht die postganglionäre, g r a u e , m a r k l o s e o d e r m a r k arme Faser im Ramus communicans griseus wieder zum Spinalnerven, um diesem sympathische Fasern für die Gefäße, Drüsen der Haut usw. zuzuführen. (Vgl. Abb. 58.) Eine scharfe Trennung zwischen zerebrospinalen und vegetativen Nerven ist somit in der Peripherie nicht möglich. ß.

. P/ A n a s t o m o s e n E i n e A n a s t o m o s e , ein F a s e r , . , ' . .

Abb. 55. Schema der peripherischen und radikulären oder segmentalen Nervenversorgung. Jedem Muskel, ob ein-, zwei-oder dreisegmentig ist e i n e Z e l l s ä u l e im Rückenmarksgrau zugeordnet. Alle Fasern eines Segmentes (blau,

Nerven kann einfach (Anastomo-

grau, rot) das Rückenmark. Unter Geilechtbildung (Plexus)

austauscn zwiscnen verscmeaenen

sis simplex) o d e r gegenseitig sein (Anastomosis mutua)

grau,rot)verlassendurchihrezugehörige,vordereWurzel(blau,

verlassen Fasern ihre vordere Wurzel und finden sich zum peripherischen Nerven (für den einzelnen Muskel) zusammen.

Da Anastomose (gr. stoma = Mund), E i n m ü n d u n g , aus der Gefäßlehre entnommen ist, ersetzen wir jetzt die Bezeichnung anastomoticus durch communicans.

Rami communicantes kommen normal und als Varietäten in der Peripherie zwischen den verschiedensten Nerven vor. Ein ausgedehnter Austausch führt zur Bildung von Geflechten, Plexus. γ ) Plexusbildung Nur im Bereich der B r u s t bleibt die Segmentierung in klarer Form erhalten. Die Spinalnerven verlaufen hier zusammen mit den segmentalen Gefäßen, den Aa. und Vv. intercostales, in den Zwischenrippenräumen zu den segmentalen Mm. intercostales. Ihre Hautäste, die Rami cutanei dorsales, laterales und ventrales, versorgen gürtel- oder ringförmige Hautzonen, Dermatome (s. Abb. 56, 57), am Rumpf. Im Bereich der Hals-, der beiden oberen Brust-, der Lenden- und Kreuzbeinsegmente führen umfangreiche Materialverlagerungen, die durch die Entwicklung der Gliedmaßen bedingt sind, zur Bildung von G e f l e c h t e n , Plexus der ventralen Äste der Spinalnerven. Es entsteht das Hals-, Arm- und Beingeflecht, der Plexus cervicalis, brachialis und lumbosacralis.

78

Allgemeine Anatomie.

Übersicht über das Nervensystem

Bei der Entstehung der langen und großflächigen Extremitätenmuskeln verschmilzt Material aus mehreren Muskelsegmenten zu neuen Muskelindividuen. Wenn Material aus 2 oder 3 Muskelsegmenten (s. Abb. 55) zu 2 oder 3 segmentigen Muskeln zusammenfließt, so müssen auch Trigeminus / Nervenfasern aus 2 bzw. 3 Nervensegmenten zu dieTrigeminus II sen Muskeln ziehen, da N. auricu.aris magnus die ursprüngliche NervTrigeminus III Muskelverbindung erhalN. cutaneus colli ten bleibt. So entstehen zwischen den einzelnen Nn. supraclaviculars Spinalnerven die oben erwähnten Verbindungen, die Geflechte oder Plexus Ν. cut. brachii radialis ergeben. Aus diesen PleΝ. cut. brachii ulnaris xus ziehen die peripheriRr. cutanei ventrales

schen

zu

den

Rr. cutanei laterales

einzelnen Muskeln Muskelgruppen.

und

N. cut. antebrachii radialis

Nerven

N. cut. antebrachii ulnaris

Der Ausfall (die Durchschneidung) eines solchen MuskelR. cut. ventr. n. iliohypogastrics p e r i p h e r i s c h e n R. femoralis n. genitofemoralis astes ( p e r i p h e r i s c h e L ä h m u n g ) ergibt eine vollstänΝ üioinguinalis dige L ä h m u n g des Muskels. Rr. palmares n. med. et η. uln. Fällt dagegen bei einem mehrsegmentigen Muskel nur e i n e Ν. medianus vordere Wurzel aus ( r a d i k u Ν. ulnaris l ä r e L ä h m u n g ) , so ist noch die Versorgung aus den restΝ. cut. femoris fibularis lichen Segmenten erhalten. R. genitalis n. genitofemoralis Die Unterscheidung radikulärer und peripherischer L ä h N. dorsalis penis mungen ist v o n hoher prakRr. cut. ventrales η. femoralis tischer Bedeutung. R. cut. n. obturaiorii R. cut. lot. η. iliohypogastrics

Th 2

R. tnfrapatellaris n. sapheni

N. cut. surae fibularis N. saphenus

N. suralis R. superficialis η. fibularis R. profundus n. fibularis A b b . 56. Segmentinnervation der H a u t (Dermatome) links; Hautnervengebiete rechts.

Die Extremitätenbildung führt auch zu ähnlichen Materialverlagerungen im Bereich der Haut, der Dermatome. Die sensiblen Fasern der hinteren Wurzeln, der Radices dorsales, vermischen sich in den Plexus, aus denen dann die peripheris c h e n H a u t n e r v e n (die Nervi bzw. Rami cutanei) zu den entsprechenden H a u t g e b i e t e n ziehen.

Die Unterscheidung r a d i k u l ä r e r (segmentaler) und p e r i p h e r i s c h e r H a u t v e r s o r g u n g ist von großer diagnostischer Bedeutung. So ist ζ. B . die Gürtelrose eine Hauterkrankung, die sich an ein Dermatom, ein Hautsegment, hält.

In den Abb. 56, 57 sind l i n k s die r a d i k u l ä r e oder Segmentinnervation der Haut (Dermatome), r e c h t s die p e r i p h e r i s c h e Innervation (die Gebiete der einzelnen Hautnerven) eingetragen.

79

Das autonome Nervensystem

Da sich sowohl die Dermatome als auch die Hautnervengebiete an den Rändern überlagern, gibt der Ausfall e i n e r Radix dorsalts oder e i n e s Hautnerven keinen vollständigen Sensibilitätsausfall in dem versorgten Gebiete.

b) Die Spinalganglien Die Spinalganglien sind längliche Knoten, die neben dem Rückenmark, noch innerhalb der Dura mater (Abb. 92) liegen. Sie sind wie die Spinalnerven segmental angeordnet und enthalten hauptsächlich die pseudo-unipolaren, somatosensiblen Zellen, die mit e i n e m Fortsatz die Reize in der Peripherie aufnehmen und mit dem a n d e r e n durch die Radix dorsalis dem Rückenmark zuführen. Nach Hirt kommen daneben noch S c h a l t z e l l e n und v i s z e r o s e n s i b l e Z e l l e n (Reize von den Eingeweiden aufnehmend und weiterleitend) vor. Im Kopfgebiet entsprechen den Spinalganglien die Ganglien der sensiblen Kopf nerven. Über den Feinbau der peripherischen Nerven und der Ganglien siehe S. 32.

N. occipitalis

major

Ν

minor

occipitalis

Ν. auricularis N. cutaneus

Nn.

supraclaviculars

Ν. cut. brachii

radialis

Rr. ctäanei dorsales N. cut. brachii

ulnaris

N. cut. brachii

dorsalis

Rr. cutanei laterales N. cut. antebrachii dors. R. cut. lateralis n. iliohypogastric* Ν. cut. antebrachii uln. Nn.

clunium

craniales

N. cut. brachii Nn. clunium

radialis

medii

R. superfic. n. radialis R. dorsalis Nn. Nn. clunium

manus n. ulnaris volares proprii

digitales caudales

N. cut. femoris fibularis N. cut. femoris

dors.

R. cut. η. obturatorii Ν.

II. Das autonome, vegetative oder viszerale Nervensystem

magnus colli

suralis

[Ν. cut. surae tibialis] Ν.

saphenus

Ν

cut. surae

N.

fibularis

suralis

N. plantaris fibularis Neben dem zerebrospinalen Nervensystem, das die N. plantaris tibialis a n i m a l e n Funktionen reN. saphenus gelt und dem Willen unterworfen ist, besteht noch ein A b b . 57. Segmentinnervation der H a u t (Dermatome) links; zweites System, das den Hautnervengebiete rechts. v e g e t a t i v e n Funktionen, der Innervation der glatten Muskulatur, der Herzmuskulatur und der Drüsen, dient. E s ist weitgehend selbständig, autonom, dem Willen entzogen (unwillkürlich). Im Gegensatz zum animalen Nervensystem werden seine Umschaltstellen in den Ganglien durch N i k o t i n gelähmt. Vorwiegend physiologisch-pharmakologische Gesichtspunkte führten zu einer Unterteilung in Sympathikus und Parasympathikus. Auf den Sym-

80

Allgemeine Anatomie.

Übersicht über das Nervensystem

pathikus wirken das Adrenalin, auf den. Parasympathikus Atropin und Muskarin. Sympathikus und Parasympathikus wirken weitgehend antagonistisch, halten sich das Gleichgewicht. Hemmt der eine, so fördert der andere. So regt ζ. B . der Sympathikus (Ν. accelerans) die Herztätigkeit an, der Parasympathikus (Vagus) hemmt sie. Der Sympathikus erweitert die Pupille, der Parasympathikus verengt sie. Das vegetative Nervensystem steht mit den Hormonen und Hormondrüsen in Wechselwirkung (s. Adrenalin). Verlauf der vegetativen Nerven. Im Gegensatz zu den selbständig verlaufenden, zerebrospinalen Nerven sind sie sehr anlehnungsbedürftig. Die Fasern gesellen sich den Kopf- und Spinalnerven.zu oder verlaufen mit den Gefäßen, um die sie Geflechte bilden. Mit den zerebrospinalen Nerven gelangen sie zu der glatten Muskulatur und zu den Drüsen der Haut, aber auch, wie neuere Untersuchungen zeigen, zur quergestreiften Muskulatur.

1. Der Sympathikus a) Der Grenzstrang Makroskopisches Bild. Zu seiten der Wirbelsäule (paravertebral) liegt jederseits eine Ganglienkette, der Grenzstrang oderTruncus sympathicus. E r reicht von der Schädelbasis bis zur Steißbeinspitze und läßt einen Hals-, Brust-, Bauch- und Beckenteil unterscheiden. Der Halsteil besteht aus 2 — 3 Ganglien, dem länglichen Ganglion cervicale craniale, dem inkonstanten, kleinen Ganglion cervicale medium und dem Ganglion cervicale caudale. Das letztere verschmilzt häufig mit dem 1. Brustganglion zu dem sternförmigen Ganglion stellatum. Der Halsteil hat k e i n e Verbindungen zum Halsmark. E r bekommt seine Fasern von den oberen Brustsegmenten. Die 3 Ganglien sind untereinander und mit dem obersten Brustganglion durch Rami interganglionar es verbunden. Die von den Halsganglien zum Kopf (Gefäße, glatte Muskulatur, Drüsen), zu den Halseingeweiden und zum Herzen abgehenden Nerven werden später (bei Kopf, Hals und Brust) eingehend besprochen. Der Brustteil besteht aus 1 0 — 1 2 Ganglien. Sie sind durch einfache oder doppelte Rami interganglionares untereinander, durch Rami communicantes albi und grisei (s. S. 77) mit den Spinalnerven und durch Rami viscerales mit den Eingeweiden verbunden. Vom 6.—9. Brustganglion kommt der große Eingeweidenerv, der N. splanchnicus major, vom 10. und 11. Brustganglion der kleine Eingeweidenerv, der N. splanchnicus minor. Die beiden Nn. splanchnici ziehen zusammen oder getrennt durch das Zwerchfell zu den prävertebralen Ganglien der Bauchhöhle. Der Bauchteil besteht jederseits aus 4 Ganglien, der Beckenteil besteht ebenfalls aus 4 paarigen Ganglien und dem unpaaren Ganglion coccygicum. Wie im Brustgebiet sind auch im Bauch- und Beckengebiet Rami interganglionares, Rami communicantes (zu den spinalen Nerven) und Rami viscerales (zu den Ganglien und sympathischen Geflechten der Bauchhöhle) vorhanden. Rami transversi, Verbindungen zu den Ganglien der Gegenseite sind im Brust- und Bauchgebiet seltener, im Beckengebiet häufiger.

b) Die prävertebralen Ganglien An den Abgängen der drei unpaaren Eingeweideäste der Aorta (A. coeliaca, A. mesenterica cranialis und caudalis) liegen drei größere Ganglien, die durch zahlreiche Äste miteinander verbunden sind und selbst aus zahlreichen kleineren Ganglien bestehen. Bei der Präparation können diese kleineren Ganglien leicht mit Lymphknoten verwechselt werden. Die in ihrer Form sehr wechselnden, prävertebralen Ganglien bekommen Zuflüsse von den Nn. splanchnici, dem rechten N. vagus und direkt aus dem anliegenden Grenzstrang. Die aus ihnen hervorgehenden Äste bilden Geflechte um die Gefäße und verlaufen mit ihnen zu den (Abb. 160).

81

Der Sympathikus

Das größte der prävertebralen Ganglien ist das Ganglion coeliacum (Abb. 160). E s liegt zu beiden Seiten und am kaudalen Rande der A. coeliaca. Zusammen mit den zahlreichen von ihm abgehenden Ästen wird es auch als Sonnengeflecht, Plexus solaris, bezeichnet. Das Ganglion mesentericum craniale, mit dem vorigen mehr oder minder verbunden, liegt an der Wurzel der A. mesenterica cranialis. Kranial v o m Ursprung der A. mesenterica caudalis finden wir das Ganglion mesentericum caudale. c) D i e s y m p a t h i s c h e n

Geflechte

Die von den sympathischen Ganglien ausgehenden Äste sind sehr anlehnungsbedürftig. Sie verlaufen entweder mit den Spinalnerven (zu der Körperwand) oder mit

den Gefäßen (zum Kopf und zu den Eingeweiden). U m die Gefäße bilden sie Geflechte, Plexus, die mit den Gefäßen gleichnamig sind. Der genauere Verlauf der Geflechte wird bei den einzelnen Regionen besprochen. d) U r s p r u n g u n d F a s e r v e r l a u f des S y m p a t h i k u s Ursprung. Der Ursprung des Sympathikus ist auf das B r u s t - L e n d e n g e b i e t des Rückenmarks beschränkt. Im Bereich von C. 8 bis L . 2 oder 3 entspringt er in den Zellen der S e i t e n s ä u l e und der Z o n a i n t e r m e d i a (s. S. 118, 119). Die Segmentierung des Sympathikus ist somit nicht so vollständig wie die der Spinalnerven. Faserverlauf. Die im Rückenmark vom 8. Hals- bis 3. Lendensegment entspringenden, sympathischen Fasern gehören dem I. Neuron an. Sie verlassen durch die motorische Radix ventralis das Rückenmark, gelangen in den gemischten N. spinalis und ziehen als weiße, markhaltige Fasern durch den Ramus communicans albus zum zugehörigen Grenzstrangganglion. In ihm schaltet der größere Teil der Fasern auf das II. sympathische Neuron um. Ein weiterer Teil zieht durch die Rami interganglionares zu benachbarten Grenzstrangganglien und schaltet dort auf das II. sympathische Neuron um (Abb. 58 links). W a l d e y e r , Anatomie I. 2 . A u f l .

6

82

Allgemeine Anatomie.

Übersicht über das Nervensystem

Das I. Neuron splittert sich an mehreren II. Neuronen auf. Dadurch kann der vom Rückenmark kommende Reiz auf ein größeres Gebiet übertragen werden.

Schließlich zieht noch ein Teil der Fasern ununterbrochen durch die Grenzstrangganglien, gelangt in die Nn. splanchnici und zieht in ihnen zu den prävertebralen Ganglien. Erst hier findet dann die Umschaltung auf das II. Neuron statt. Die Neuriten der II. Neuronen, deren Zelleiber im Grenzstrang oder in den prävertebralen Ganglien liegen, sind marklos (grau) oder markarm und dünn bis mitteldick. Sie verlaufen entweder durch die Rami communicantes grisei zurück zu den Nn. spinales und mit diesen zur Körperwand oder mit den Gefäßen zum Kopf und den Eingeweiden. D a der Ursprung nur auf das Gebiet v o m 8. Hals- bis 3. Lendensegment beschränkt ist, fehlen im Hals-, unteren Lenden- und im Kreuzbeingebiet die Rami communicantes albi. Durchtrennt man den Halsgrenzstrang, so fallen alle kranial von der Durchschneidungsstelle abgehenden Fasern aus. Wir bekommen den Horner sehen Symptomenkomplex: M i o s i s (enge Pupille [Ausfall des M. dilatator pupillae]), P t o s i s (Herabhängen des Augenlides [Ausfall des glatten M. tarsalis superior]) und E n o p h t h a l m u s (kleines, tiefliegendes Auge [Ausfall des glatten Μ. orbitalis oder auch trophischer Fasern zum retrobulbären Fettgewebe]).

Als wichtigen Unterschied gegenüber den zerebrospinalen Nerven wollen wir festhalten, daß die peripherische, efferente, sympathische Leitung aus zwei Neuronen, dem präganglionären Neuron (meist präganglionäre Faser genannt) und dem postganglionären Neuron (meist postganglionäre Faser genannt), besteht. Neben den bisher beschriebenen, efferenten, viszeromotorischen Fasern, die die Hauptmasse ausmachen, ist auch eine geringere Zahl von afferenten, viszerosensiblen Fasern in den sympathischen Nerven nachgewiesen. In größerer Anzahl finden wir sie in den Nn. splanchnici. Sie leiten Reize von den Eingeweiden durch die Radix dorsalis zu den vegetativen Zentren im Zentralnervensystem. Meist werden diese viszerosensiblen Reize reflektorisch auf efferente Bahnen umgeschaltet. Sie können aber auch zum Bewußtsein kommen (Magen-, Blasenschmerzen usw.). Head sehe Zonen und viszerokutane Reflexe (Abb. 58 links). Die eben erwähnten, v i s z e r o s e n s i b l e n Fasern können im Rückenmark auf efferente, v i s z e r o m o t o r i s c h e Fasern zur Haut umschalten. Sie können dort eine Hyperämie und eine Überempfindlichkeit der Haut hervorrufen, die durch die s o m a t o s e n s i b l e Faser (schwarz in Abb. 58) dem Zentralnervensystem zugeleitet wird. Wenn wir auch über den genauen Faserverlauf in diesem Reflexbogen nicht restlos orientiert sind, so wollen wir doch als Tatsache festhalten, daß R e i z e a u s d e n E i n g e w e i d e n i n b e s t i m m t e n H a u t b e z i r k e n H y p e r ä m i e u n d Ü b e r e m p f i n d l i c h k e i t h e r v o r r u f e n k ö n n e n . Die bestimmten Organen entsprechenden Hautbezirke bezeichnen wir als Headsche Zonen. So strahlen bei Erkrankungen der Kranzgefäße des Herzens Schmerzen in die Brust (Angina pectoris) oder in den linken Arm aus. Über die Lage der Head sehen Zonen siehe klinische Lehrbücher! Auch in umgekehrter Richtung ( H a u t - — E i n g e w e i d e ) bestehen Reflexbeziehungen. Therapeutisch versuchen wir diese Tatsache dadurch auszunutzen, daß wir bestimmte Hautbezirke durch Pflaster usw. reizen, um die segmentzugehörigen Organe zu beeinflussen.

Zentrale Anteile des Sympathikus. Neben den eben erwähnten Reflexzentren im R ü c k e n m a r k sind noch übergeordnete, sympathische Zentren im v e r l ä n g e r t e n M a r k (Medulla oblongata), am B o d e n und in der W a n d des I I I . V e n t r i k e l s und in der H i r n r i n d e nachgewiesen worden. Morphologisch sind diese Zentren und die sie verbindenden Leitungswege noch nicht eindeutig bestimmt.

2. Der Parasympathikus (Abb. 59) Parasympathikus ist ein funktioneller, durch Physiologie und Pharmakologie geschaffener Begriff. Die Fasern des Parasympathikus verlaufen in der Peripherie n i c h t s e l b s t ä n d i g , sondern gesellen sich anderen Nerven (bestimmten Kopf- und Kreuzbein-

Der Parasympathikus

Auge, „ Tränendrüse

.

G.

83

ciliare Λ , ££o/c

jS.pfert/yoßal. Glandula parotis Glandula submandibulars et sublingualis

G.submario:--^

A

\

V

carot/SAi

Hen G.cerv. cran.

G.cerv.mea.

Lunge, Bronchen

χ

Bauchgejäße G.steilatum

Magen

Ggl.cotkiacum

rh

Leber

Pancreas

Niere

Dünndarm, Dickdarm bis Flexura coli lienalis\M~

'•.Ggl.mesenf. cra/7.

Ggl.mesenf caud.

Rest des Dickdarmes, Mastdarm, Blase, Genitalien

SV Ggl.pe/vinum

A b b . 59. Parasympathikus, Sympathikus. Parasympathikus blau, Sympathikus rot. Präganglionäre Neurone sind voll ausgezogen, die postganglionären Neurone gestrichelt. 6*

84

Allgemeine Anatomie.

Übersicht über das Nervensystem

nerven zu. Die peripherische Leitung besteht wie beim Sympathikus aus zwei Neuronen, einem prä- und einem postganglionären Neuron. Ursprung. Der Parasympathikus entspringt kranial und kaudal vom Sympathikus. Der kraniale Parasympathikus entspringt in drei kleinzelligen Kernen des Mittelhirnes und des verlängerten Markes, heißt deshalb auch zerebraler Parasympathikus. Die kranialen Ursprungskerne (Abb. 59, Bd. II. Taf. ia). Der k r a n i a l s t e U r s p r u n g s k e r n liegt im Mittelhirn neben dem Okulomotoriuskern. Seine Neuriten verlaufen im N. oculomotorius. Der m i t t l e r e K e r n , auch Speichelkern, Nucleus salivatorius, genannt, liegt im verlängerten Mark in der Nähe des Fazialiskernes. Seine Neuriten schließen sich dem N. intermedius und dem N. glossopharyngicus an. Der k a u d a l e U r s p r u n g s k e r n , der Nucleus alae cinereae, hegt am Boden der Rautengrube dorsolateral v o m Hypoglossuskern. Seine Neuriten schließen sich dem N. vagus an. Die kaudalen Ursprungskerne liegen im 2.—4. bzw. 5. Sakralsegment. Die Neuriten verlassen das Rückenmark durch die Radix ventralis, gelangen in den 2.—4. Sakralnerven und ziehen als Beckennerven, Nn. pelvici, an den Grenzstrangganglien vorbei zu den großen Beckengeflechten. Umschaltung. Die im N. oculomotorius verlaufenden präganglionären Fasern schalten im parasympathischen Ganglion ciliare (am I. Trigeminusast gelegen) auf das postganglionäre Neuron um. Die dem N. intermedius angeschlossenen Fasern schalten im Ganglion pterygopalatinum (am II. Trigeminusast gelegen) oder im Ganglion submandibulare (am N. lingualis gelegen) auf das postganglionäre Neuron um. Die im N. glossopharyngicus verlaufenden Fasern schalten im Ganglion oticum (am III. Trigeminusast gelegen) auf das postganglionäre Neuron um. Die dem N. vagus angeschlossenen Neuriten verlaufen vorwiegend u n u n t e r b r o c h e n b i s z u d e n E r f o l g s o r g a n e n , den Eingeweiden. Erst in den Organen (Plexus myentericus [Auerbach] und Plexus submucosus [Meißner] der Darmwand) oder in der Nähe der Organe (Drüsen) schalten sie auf das postganglionäre Neuron um. Ein Teil der Vagusfasern kann schon in kleinen, in den Nervenverlauf eingeschalteten Ganglienzellhaufen umgeschaltet werden. Die s a k r a l e n , präganglionären Fasern schalten in den Ganglien der Beckengeflechte um. Faserverlauf und Versorgungsgebiet. Der Faserverlauf des kranialen Parasympathikus ist teilweise recht kompliziert, kann nur im Zusammenhang mit den Kopfnerven besprochen werden (s. II. Teil). Das Versorgungsgebiet ergibt sich aus der schematischen A b b . 59. Der kraniale Parasympathikus verengert die Pupille (Μ. sphincter pupillae), akkommodiert das Auge (Μ. ciliaris), regt die Tränendrüse (Glandula lacrimalis), die großen Speicheldrüsen (Gl. parotis, Gl. submandibularis, Gl. sublingualis) und die kleinen Drüsen der Mund- und Nasenhöhle zur Sekretion an, hemmt die Herztätigkeit und fördert die Darmperistaltik (bis zur Flexura lienalis des Dickdarmes). Näheres bei den Organen. Der sakrale Parasympathikus regelt in ausgesprochener Wechselwirkung mit dem Sympathikus die G e n i t a l f u n k t i o n e n und die Entleerung der B l a s e und des Mastdarms. Über die in Rückenmark und Gehirn gelegenen Reflex- und höheren Zentren des Parasympathikus siehe Lehrbücher der Physiologie. Afferente, parasympathische Fasern. Ähnlich wie im Sympathikus verlaufen auch im Parasympathikus afferente Fasern von den Organen zum Zentralnervensystem. Sie vermitteln das Gefühl des Harn- und Stuhldranges, Libido und Orgasmus, das Gefühl der Herznot, des Brechreizes usw.

Oberfläche der H a u t

85

H. Die Haut und ihre Anhangsgebilde (Drüsen, Haare und Nägel)

I. Die Haut, Integumentnm commune Sie überzieht als geschlossene Hülle die gesamte, äußere Oberfläche des Körpers. Als solche tritt sie mit der Umwelt in Verbindung und entwickelt vielseitige Leistungen. Sie ist zunächst ein Schutzorgan. Die mit fettartigen Substanzen durchsetzte H o r n s c h i c h t beschränkt die Wasserabgabe (Verdunstung) und das Eindringen von Bakterien, von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen. Die schmiegsame, derbelastische L e d e r h a u t macht sie widerstandsfähig gegenüber mechanischen Einflüssen (Druck, Zug usw.). Die Verdunstung des sauren Schweißes bewirkt die Azidose der Haut, den sogenannten S ä u r e m a n t e l d e r H a u t (Marchionini). Dieser beeinträchtigt das Wachstum vieler Bakterien und Pilze. Neben diesen n a c h a u ß e n g e r i c h t e t e n S c h u t z f u n k t i o n e n (Ektophylaxie) hat sie noch wichtige, n a c h i n n e n g e r i c h t e t e S c h u t z f u n k t i o n e n (Eisophylaxie [£\ Hoffmann]). Sie steht im Dienste der A n t i k ö r p e r b i l d u n g . Sie verhindert durch Kontraktion ihrer Gefäße eine zu starke Wärmeabgabe und verhütet durch Erweiterung der Gefäße eine zu starke Wärmestauung im Körper usw. A l s A b sonderungsorgan (Talg, Schweiß, Schuppen) unterstützt sie die Nieren (Kochsalz-, Kohlensäure-, Wasser- und Harnstoffausscheidung). Als Organ der Wärmeregulierung regelt sie die Durchblutung der Haut und die Absonderung des Schweißes. Unterstützt wird die Konstanterhaltung der Körperwärme noch durch die isolierende Wirkung des Unterhautfettgewebes. Als vielseitiges Sinnesorgan nimmt die Haut mit spezifischen Nervenendapparaten Druck-, Temperatur- (Kälte- und Wärme-) und Schmerzreize auf.

1. Die Oberfläche der Haut Schon mit dem freien Auge können wir am Handrücken feine, rhombische Felder, Areae cutaneae, die durch feine Furchen begrenzt werden, feststellen. Sie verlaufen mit ihrer Längsachse quer über den Handrücken, stehen also senkrecht zur Richtung der Beanspruchung. D a sie sich bei der Beugung abflachen, bei der Streckung verstärken und bei der Schwellung der Haut vollständig verschwinden , muß man sie wohl als R e s e r v e f a l t e n auffassen. Diese Felderung der Oberfläche ist in den einzelnen Körpergegenden verschieden, aber für jede chaa b e rakteristisch. Die Oberflächenfelderung A b b . 60. Verschiedene Papillarleistenmuster der bedingt den matten Glanz der Haut. Fingerbeeren. a = Bogen; b = Schleife; c = WirFehlt sie (ζ. B . am Nagelwall, an der bel. Dicke weiße Querlinien = Beugungsfurche Glatze, an der gespannten, geschwollenen, zwischen Mittel- und Nagelglied. ödematösen Haut), so glänzt die Haut. Gröbere Bewegungs- und Stauchungsfalten beobachten wir in der Nähe der Gelenke (Abb. 60) und im Gesicht (um den Mundwinkel, auf der Stirn usw.). Ihre mehr oder minder starke Ausprägung hängt von der Stellung des Gelenkes, von der Menge des Unterhautfettgewebes (tiefe Einschnitte bei gut genährten Säuglingen), von der Spannung (Turgor) der Haut und der Beschaffenheit der elastischen Fasern (tiefe Runzeln bei Elastizitäts- und Turgorverlust) ab. Den verformbaren Areae cutaneae und gröberen Bewegungs- und Stauchungsfalten können wir die erblich festgelegten, während des ganzen Lebens konstant bleibenden

86

Allgemeine Anatomie.

Die H a u t und ihre Anhangsgebilde

Papillarleisten und -furchen gegenüberstellen. Sie finden sich an den Beugeflächender Hand, der Finger, der Fußsohle und der Zehen. Das Studium der Papillarleisten der Finger (die Daktyloskopie) hat eine große Bedeutung für die Identifizierung von Verbrechern. Auch in der Vererbungs- und Rassenforschung wird die Daktyloskopie verwandt. Wir pflegen 3 H a u p t t y p e n von Papillarlinienmustern, den Bogen, die Schleife und den Wirbel zu unterscheiden (Abb. 60). Dazwischen gibt es noch zahlreiche Übergänge. Die Zahl, Lage und Krümmung der ein Muster bildenden Leisten, die von den Furchen ausgehenden, feinen Nebenlinien usw. ergeben so zahlreiche Variationsmöglichkeiten, daß kaum zwei Menschen auf der ganzen Welt mit vollständig gleichem Papillarmuster anzutreffen sind. Sogar beim Individuum bestehen große Unterschiede zwischen beiden Händen. Die verschiedenen Grundt y p e n der Muster sind scheinbar wahllos auf die einzelnen Finger verteilt.

Die Hautfarbe ist v o m P i g m e n t g e h a l t , von der D u r c h b l u t u n g und von der D i c k e und F a r b e der H o r n s c h i c h t abhängig. Die unbedeckten Hautflächen sind meist stärker pigmentiert als die bedeckten, die Streck- stärker als die Beugeseiten.

2. Der Feinbau der Haut Die Haut besteht aus 3 Schichten, der O b e r h a u t oder Epidermis, der L e d e r h a u t oder Korium und dem U n t e r h a u t f e t t - und - b i n d e g e w e b e oder Subkutis (auch Tela subcutanea). Die ektodermale Epidermis läßt eine oberflächliche H o r n s c h i c h t , Stratum corneum, und eine tiefe K e i m s c h i c h t , Stratum germinativum, unterscheiden. Ihre unterste Zellage besteht aus Zylinderzellen (Stratum cylindricum), darauf folgen mehrere Lagen polyedrischer Zellen, die durch Protoplasmabrücken (Stacheln) miteinander verbunden sind (Stachelzellschicht oder Stratum spinosum). Die folgende Körnerschicht (Stratum granulosum) zeigt im Protoplasma neben dem kleiner werdenden Kern zahlreiche K e r a t o h y a l i n k ö r n e r . Sie liefert fettartige Substanzen, die die Hornschicht durchtränken und ihr das weiße Aussehen geben. Die helle, durchschimmernde Schicht, Stratum lucidum, enthält Glykogen und fein verteiltes Eleidin. Die Keimschicht wird von den bogenförmig verlaufenden T o n o f i b r i l l e n durchzogen. Sie sind auf D r u c k konstruiert und geben dem Epithel eine gewisse Festigkeit. Die Scheitel der Bogen liegen im Stratum corneum. In den Interzellularlücken der Keimschicht zirkuliert die E p i t h e l l y m p h e . Eine Vermehrung dieser Epithellymphe (durch thermische, chemische, mechanische Reize) führt zur Blasenbildung (in der Stachelzellschicht). Keimschicht und darunter gelegene Lederhaut sind durch die „ W u r z e l f ü ß c h e n " der Epithelzellen und durch die ineinander greifenden E p i t h e l - und K ö r i u m p a p i l l e n fest verzahnt. Die Keimschicht liefert durch Teilung dauernd neue Epithelzellen (Regeneration der Haut) und bildet unter Mitwirkung eines Fermentes das Epithelpigment, das Melanin. E s findet sich in Form brauner Körnchen in die Epithelzellen eingelagert. Die Zahl der mit Pigmentkörnchen beladenen Zellen schwankt in weiten Grenzen. Den Albinos fehlt das Pigment vollständig. Bei den Hellhäutigen treffen wir das Pigment meist nur in einzelnen Zellen und Zellgruppen des Stratum cylindricum. Bei den Negern beobachten wir es auch im Stratum spinosum.

Das Bindegewebspigment im Korium spielt neben dem Epithelpigment nur eine geringe Rolle. Vermehrt ist es im M o n g o l e n f l e c k , einer bläulichen Verfärbung der H a u t in der Sakralgegend. Er kommt bei Neugeborenen mongolischer Rassen häufig, aber auch bei Europäerkindern vor. Mit zunehmendem Alter verschwindet er meistens.

Die Stärke der Pigmentierung nimmt in folgender Reihe ab: Brustwarze, Warzenhof, äußeres Genitale, Rücken, Streckseite der Gliedmaßen, Bauch, Brust, Gesicht, Vola und Planta. Das Stratum corneum besteht aus verhornten, abgeplatteten Zellen, die Keratohyalinkörner enthalten und meistens ihren Kern verloren haben. Die Dicke der Horn-

Feinbau der H a u t

87

Schicht ist regionär sehr verschieden. Sie hängt von der mechanischen Inanspruchnahme ab. So ist sie an der Fußsohle und an der Hohlhand am dicksten. Stark auf Druck beanspruchte Stellen verdicken sich zu Schwielen. Die Lederhaut, das Korium, ist mesodermaler Herkunft. Sie läßt ein zarteres, papillentragendes Stratum papilläre und ein derberes Stratum reticulare unterscheiden. Das lockere Stratum papilläre trägt an der Oberfläche zapfen- oder höckerartige Fortsätze, die Koriumpapillen. Die Koriumpapillen haben in den einzelnen Gegenden ein nach Form, Größe, Zahl und Anordnung recht verschiedenes Aussehen. Unter den Papillarleisten sind sie in Reihen angeordnet. HS

Str. corneumStr. lucidum- \ Sir. granulös. Sir. spinosum- / Str cylindric.-

I

MT

Μ

Freie Nerven/ eruligung Kapillar/ schlinge Apokrine Schweißdrüse Κ raus escher Endkolben Freie Nervenendigung im Kmium Talgdrüse

PigmetuSubpapillärzsGefäßnetz A rteriovenöse A nastonioseMittleresGefäßnetz

M. arrector pili Ruttini sches Endbüsche Nerveneiuhgung am Haarbalg GolgiMazzoni sches Körperchen Fettläppchen

HaarEkkrine SchweißdrüseWurzelscheide

Nervenendigung im Fett Gemischter Nerv

LymphgefäßHaarzwiebelHaarpapille

Vaterl'acinisches Kirrperchen

SubkutanesGefäßnetz

Lymphgefäß

Vene

Art.

Lymphgefäß

Apokrine

Schweißdrüse

A b b . 61. Schematischer Querschnitt der menschlichen H a u t (in Anlehnung an Pernkopf-Patzelt). Aus E. Hoffmann. Links ist die Lymphgefäß-, in der Mitte die Blutgefäß-, rechts die Nervenverzweigung schematisch eingetragen. HF = Haarfollikel; HS = Haarscheibe; MT = Merkel sehe Tastscheiben; Μ — Meißner sches Tastkörperchen. In den Papillen verläuft mindestens eine Blutkapillarschlinge. Mittels der Kapillarmikroskopie studiert man die Form und Durchblutung der Schlingen und zieht daraus klinische Schlüsse. Weiter treffen wir in den Papillen Lymphkapillaren, Nerven und Meißner sehe Tastkörperchen an.

Das Stratum reticulare besteht aus sich überkreuzenden Bündeln kollagener Fibrillen und elastischen Fasern. Die Zellen sind spärlich. Außer den Anhangsgebilden (Haaren, Schweiß- und Talgdrüsen) enthält es zahlreiche größere und kleinere Blut- und Lymphgefäße, Nerven und glatte Muskelzellen. Bindegewebspigmentzellen sind spärlich. Epidermis und Korium werden zusammen als Kutis bezeichnet. Das Unterhautgewebe, die Subkutis, stellt die Verbindung zur Unterlage (Faszie, Muskel, Knochen) her. Es besteht aus einem System nahezu vollständig geschlossener, bindegewebiger Kammern (Blechschmidt), die mit Fettzellen gefüllt sind. Form und Größe der Kammern, die man mit gefüllten Wasserkissen vergleichen kann, ist örtlich verschieden und von der örtlichen Beanspruchung abhängig. Die verformbaren, fettgefüllten Kammern ermöglichen die Verschiebung der Haut gegen die Unterlage. Die Verschieblichkeit der Haut ist örtlich sehr verschieden. Auch der Fettgehalt des Unter-

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Allgemeine Anatomie. Die Haut und ihre Anhangsgebilde

hautgewebes schwankt örtlich sehr. Außerdem ist er individuellen, geschlechts-, konstitutions- und rassenbedingten Schwankungen unterworfen. Sie sind durch hormonale Einflüsse besonders von selten der Keimdrüsen bedingt {Dystrophia adiposogenitalis, Kastraten, Fülle der Matronen usw.). Das gesamte Unterhautfettgewebe wird auch als Panniculus adiposus bezeichnet. A n stark druckbelasteten Stellen (Fußsohle) wirkt es als Baufett. Weiter ist es ein Fettspeicher (nahe Beziehung zu den Gefäßen, s. S. 19). Als schlechter Wärmeleiter hilft es bei der Erhaltung der Körpertemperatur (Waale). Frühgeburten, bei denen das Unterhautfettgewebe und die Steuerung der Gefäße noch schlecht ausgebildet sind, müssen in Räumen mit Körpertemperatur untergebracht werden. Schließlich ist das Unterhautfettgewebe noch ein Wasserspeicher (starke Anhäufung bei Wüstentieren, Fettsteißschafen, Dromedaren usw.). Blutgefäße der Haut (Abb. 61). Arterien und Venen bilden an der Grenze von Kutis und Subkutis ein tiefes, subkutanes Gefäßnetz. V o n ihm steigen Gefäße senkrecht auf und bilden noch ein undeutliches, mittleres Gefäßnetz im Korium und ein feinmaschigeres, unterhalb der Papillen gelegenes, subpapilläres Gefäßnetz. Von dem letzteren ziehen die Kapillarschlingen senkrecht in die Koriumpapillen. Das Lymphgefäßsystem der Haut (Abb. 61 links) beginnt mit den Interzellularlücken in der Keimschicht des Epithels (Epithellymphe) und bildet in Korium und Subkutis Lymphkapillaren und -gefäße. Die größeren Äste verlaufen zusammen mit den Venen. Die Nerven der Haut (Abb. 61 rechts). S y m p a t h i s c h e N e r v e n versorgen mit vasomotorischen, sekretorischen und trophischen Fasern die Gefäße, die glatte Muskulatur, die Drüsen, Fettzellen usw. Die z e r e b r o s p i n a l e n N e r v e n enden entweder im Epithel (freie Nervenendigungen und Merkel sehe Tastscheiben) oder mit den verschiedenartigsten Endkörperchen im Korium und in der Subkutis. Die freien, intraepithelialen Nervenendigungen vermitteln die Schmerzempfindung. Der Drucksinn soll nach v. Frey an die Haare und die in den Koriumpapillen gelegenen Meißner sehen Tastkörperchen gebunden sein. Die Krause sehen Endkolben sollen der Kälteempfindung, die Ruffini sehen Endbüschel der Wärmeempfindung dienen. Die in der Subkutis gelegenen Vater-Pacini sehen Lamellenkörperchen sollen die Stellungswahrnehmungen vermitteln. Über segmentale und peripherische Innervation der Haut und ihre praktische Bedeutung s. S. 77 und 78.

II. Anhangsgebilde der Haut 1. Die Drüsen Die Schweißdrüsen, Glandulae sudoriferae, bestehen aus einem vorwiegend gerade verlaufenden, ausführenden Teil und einem aufgeknäuelten, s e z e r n i e r e n d e n Endstück. Der Ausführungsgang durchbohrt korkenzieherartig die Hornschicht. Das sezernierende Endstück liegt in den tiefen Lagen des Korium und reicht bis in die Subkutis herab. Die Schweißdrüsen haben eine t u b u l ö s e F o r m , besitzen eine m e r o k i n e S e k r e t i o n (s. S. 14). Wir pflegen k l e i n e , beim Menschen vorwiegend vorkommende, und g r o ß e S c h w e i ß d r ü s e n zu unterscheiden. Die kleinen oder ekkrinen Schweißdrüsen sondern ein flüssiges, stark sauer reagierendes Sekret ab. Ihre Zellen bleiben bei dem Sekretionsvorgang vollständig erhalten. Die großen, apokrinen Schweiß- oder Duftdrüsen kommen am Warzenhof der Brustdrüse (Glandulae areolares mammae), in der Achselhöhle, in der Leisten- und Schamgegend, in der Umgebung des Afters {Gl. circumanales), in der Nähe der Wurzeln der Wimpern {Gl. ciliares) und als Ohrschmalzdrüsen {Gl. ceruminosae) vor. Zu ihnen ist schließlich noch die Milchdrüse zu rechnen. Diese soll aber bei der Brust besprochen werden (Bd. II., S. 436). Diese großen, apokrinen Schweißdrüsen stoßen bei der Sekretion Teile des Zelleibes ab.

Hautdrüsen. Haare

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Das schwach sauer, manchmal neutral bis leicht alkalisch reagierende Sekret enthält eigenartige Duftstoffe, die sexuell erregend wirken. Die Talgdrüsen, Glandulae sebaceae, sind meist an H a a r e g e b u n d e n , kommen aber auch als f r e i e T a l g d r ü s e n (ohne Haare) vor. Sie gehören zu den h o l o k r i n e n Drüsen. Ihre großen Zellen degenerieren fettig, werden zum Sekret (Talg). Meist münden sie in die Haarfollikel. Unter ihnen verläuft der glatte M. arrector pili. Sie sind besonders zahlreich an Nase, Ohr, Rücken und Brust. Sie fehlen an Hohlhand, Fußsohle und den Streckseiten der Nagelglieder. Freie Talgdrüsen finden wir an der Lippen- und Wangenschleimhaut, um den Hals der Rute, um die Corona glandis und am inneren Blatt der Vorhaut (Glandulae praeputiales) und an den kleinen Schamlippen.

2. Die Haare Die Haare sind hornartige Stäbchen, die in Einsenkungen der Epidermis, den epithelialen Wurzelscheiden stecken. Der aus der H a u t herausragende Teil des Haares wird als Haarschaft, der in der Haut steckende als Haarwurzel bezeichnet. Diese ist unten zwiebelartig verdickt (Bulbus) und sitzt auf der bindegewebigen Haarpapille, die der Ernährung dient. Die Haarzwiebel bildet das Haar und die innere Wurzelscheide. Hört die Neubildung von Zellen in der Haarzwiebel auf, so rückt d a s Haar allmählich höher, wird zum K o l b e n h a a r und schließlich ausgestoßen. Das einzelne Haar läßt eine schuppenartige Haarkutikula, eine verhornte und mehr oder minder pigmentierte Rinde und (nur bei dicken Haaren) das Mark unterscheiden. Die Haarfarbe kommt durch ein körniges, braunes Pigment und durch einen rötlichen, gelösten Farbstoff, die in der Haarzwiebel gebildet werden, zustande.' Das w e i ß e H a a r enthält feine L u f t bläschen, die das Licht reflektieren. Die Haare sind meist nicht rund, sondern haben einen mehr oder weniger ovalen Querschnitt. Querschnittsform und Dicke bedingen die verschiedenen Haarformen. Wir pflegen meist das ulotriche (spiralig gedrehte) Pfefferkornhaar der Buschmänner, das kymatotriche (leicht gewellte) Haar des Europäers und das lissotriche (glatte) Haar der mongolischen Rassen zu unterscheiden. Die Haarscheiden. Das Haar steckt zunächst in einer e p i t h e l i a l e n Hülle, die der Keimschicht des Epithels entspricht. Sie besteht aus einer inneren (nur bis zur Mündung der Talgdrüsen reichenden) und einer äußeren Schicht, der inneren und äußeren Wurzelscheide. Darauf folgt nach außen der bindegewebige Haarbalg. Zwischen beiden liegt eine Glashaut. Der Haarbalgmuskel, M. arrector pili. E r ist glatt, entspringt nahe dem unteren Ende des Haares, verläuft unterhalb der Talgdrüse und strahlt in das Stratum papilläre des Korium aus. E r wird v o m Sympathikus versorgt, richtet das Haar auf, erzeugt die G ä n s e h a u t (besonders schön an den Streckseiten der Gliedmaßen) und unterstützt wohl die E n t l e e r u n g d e r T a l g d r ü s e n . Wimpern und Augenbrauen fehlt der Muskel konstant. Alter der Haare. Teils werden sie nur einige Monate alt. Die Wimpern werden etwa 2mal im Jahr erneuert. Kopfhaare können 5 — 6 Jahre alt werden. Sie wachsen ungefähr 14 mm im Monat. Das Wollhaarkleid, Lanugo. Beim Fötus bedecken die flaumigen, hellen, marklosen Wollhaare fast den ganzen Körper. Nur die Leistenhaut (Vola manus und Planta pedis) ist haarlos. Das Wollhaarkleid wird allmählich (bis zur Pubertät) durch das etwas stärkere, sekundäre Haarkleid ersetzt. Im Gesicht, am Hals, an den Beugeseiten der Arme usw. bleiben die Lanugohaare zeitlebens erhalten. Neben ihnen finden wir ab und zu die H a a r s c h e i b e n (Abb. 61). Mit der Pubertät tritt das Terminalhaarkleid auf. Zu ihnen gehören die Schamhaare (Crines pubis), die Achselhaare und beim Mann die

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Allgemeine Anatomie.

Die H a u t und ihre Anhangsgebilde

Barthaare. Beim Mann kann sich noch eine stärkere Behaarung auf der Brust, der Schulter, den Armen und Beinen ausbilden. Bei der Frau kommt diese stärkere Körperbehaarung, abgesehen von den ausgesprochenen Pubertätshaaren, meist nur an der unteren Gliedmaße vor. Zu den Terminalhaaren haben wir dann noch die borstenartigen Haare im Naseneingang (Vibrissae) und im äußeren Gehörgang {Tragi) zu rechnen. Eine gewisse Sonderstellung nehmen noch die langen Kopfhaare (Capilli) und die starken Wimpern (Cilia) und Augenbrauen (Supercilia) ein. B e d e u t u n g der H o r m o n e für das H a a r k l e i d . Haarwachstum und Ausbildung der verschiedenen Haarkleider stehen unter hormonalem Einfluß. Männliche und weibliche K e i m d r ü s e n regen die Bildung der sexuell verschiedenen Terminalhaarkleider an. Den Kastraten fehlt es. N e b e n n i e r e n s t ö r u n g e n können zur. Überbehaarung, Hypertrichosis, führen. Die Glatze der Männer soll durch Unterfunktion des H y p o p h y s e n v o r d e r l a p p e n s bedingt sein. Doch können auch Infektionskrankheiten, Gifte, Röntgenstrahlen usw. zu einem vollständigen Haarausfall führen.

3. Die Nägel, Ungues Die Nägel der Finger und Zehen sind mehr oder weniger gewölbte Hornplatten, die die End- oder Nagelglieder bedecken. Sie entsprechen den Krallen und Hufen und s c h ü t z e n die Endglieder. Bei Mensch und Affe sind sie noch wichtige W i d e r l a g e r für den Tastapparat Nagelrand der Fingerbeere. Nagelkörper An der Nagelplatte pflegen wir den v o r d e r e n , Nagelbett f r e i e n R a n d , den K ö r p e r und die in einer HautNagelwall tasche (Abb. 62) steckende N a g e l w u r z e l zu unterNagelwurzel Lunula scheiden. Den freien Rand der Hauttasche nennen wir N a g e l w a l l . Von ihm aus schiebt sich hinten und seitlich ein feines, verhorntes Häutchen, das E p o n y c h i u m (in Abb. 63 schwarz), auf die Nagelplatte. Bei der Nagelpflege schieben wir es zurück. Die Nagelplatte ruht auf dem Nagelbett (häufig fälschlich als A b b . 62. Nagel und Nagelbett. Die Matrix bezeichnet). Das Nagelbett entspricht dem rechte Hälfte des Nagels ist entfernt. Korium der Haut. Es besitzt feine Längsleisten (in Abb. 63 quergetroffen). Der Hornschicht Nagel selbst läßt wie die Epidermis der Haut eine Keimschicht H o r n s c h i c h t und eine Nagelbett K e i m s c h i c h t (in Abb. 63 Nagelwall schwarz) unterscheiden. Eponychium Nur in dem proximalen Teil der Keimschicht, im Gebiet der weiß erscheinen-

den Lunula (Abb. 62), er-

folgt das Wachstum des Nagels. Diesen Teil haben A b b . 63. wir als Matrix zu bezeichQuerschnitt durch Nagel, Nagelbett, Nagelwall und Nagelphalanx. nen. Der Nagel hat keine Eigenfarbe. Die in Leisten des Nagelbettes liegenden Kapillarschlingen scheinen durch und ergeben die rötliche, weiße oder bläuliche Färbung des Nagels. Nagelphalanx

Quer furchen der Nagelplatte (die jEteawschen Linien) beruhen auf Störungen im Nagel Wachstum. Da der Nagel in der Woche 1 mm wächst, kann der Arzt die Zeit der Störung (Ernährung) schätzen. Kleine, weiße Flecke in der Nagelplatte beruhen auf Luftgehalt in der Hornschicht.

Der Rücken, Dorsum Begriff, Grenzen und Oberflächengestaltung Unter Rücken verstehen wir im weiteren Sinne die gesamte Rückseite des Stammes. E r reicht also vom Kopf bis zur Steißbeinspitze. Als Grundlage des Rückens haben wir die Wirbelsäule. Sie ist mit ihrem Inhalt, dem Rückenmark, und ihren E i g e n - , d. h. den l a n g e n Rückenmuskeln, ein unteilbares Ganzes. Wir werden deshalb den Rücken als die zentrale Stütze für die übrigen Rumpfabschnitte in einem eigenen Abschnitt betrachten und ihn, der die ursprüngliche, einfache Gliederung noch am deutlichsten zeigt, der Beschreibung der einzelnen Rumpf abschnitte vorausschicken. Grenzen. Der Rücken reicht von einem am Hinterkopf tastbaren Höcker (Protuberantia occipitalis externa) und der seitlich von ihm ausgehenden Linea nuchalis terminalis bis zur Spitze des Steißbeins. Kaudal-lateral ist er durch die kräftige Gesäßmuskulatur und den Darmbeinkamm deutlich abgesetzt. Die Begrenzung gegen die seitliche Rumpf wand ist uncharakteristisch und willkürlich. Eine vom deutlich fühlbaren 7. Halswirbeldorn zu dem seitlich am meisten ausladenden Knochenpunkt der Schulter (Acromion) gezogene Linie trennt die häufig gesondert betrachtete Nackengegend (Regio nuchae) vom Rücken im engeren Sinne. Die Form des Rückens ist nach Alter, Geschlecht, Ernährungszustand, Ausbildung der Muskeln, Stellung des Rumpfes und Tätigkeit der oberen Gliedmaßen so unterschiedlich, daß man von einer allgemeinen Form nicht sprechen kann. Unsere Betrachtung soll sich auf einen wohlgebildeten, nicht zu fetten Rücken beziehen. Bei aufrechter Ruhestellung beobachten wir in der Medianlinie eine m e d i a n e F u r c h e . Sie ist über den Dornfortsätzen der Wirbel gelegen. Die Haut ist hier mit den Dornen verwachsen und ergibt eine charakteristische Einziehung. Gegen die Kreuzbeingegend hin flacht sich diese mediane Rückenfurche ab und erweitert sich zum Sakraldreieck. Die oberen Ecken dieses Dreiecks werden durch die hinteren oberen Darmbeinstacheln (Spinae ilicae dorsales craniales) gebildet. Mit ihnen verwächst die Haut und wird häufig zu kleinen Grübchen eingezogen. Bei dem durch subkutanes Fettpolster gut modellierten, weiblichen Rücken sind diese Grübchen, Fossulae lumbales, besonders schön ausgebildet. Lateral begrenzt der Ursprung des größten Gesäßmuskels (M. glutaeus maximus) das Sakraldreieck. Die Spitze läuft in die Gesäß- oder Afterspalte (Crena ani) aus. Da auch über dem 5. Lendenwirbeldorn die Haut leicht eingezogen ist, wird das Sakraldreieck zur Lenden- oder Michaelis sehen Raute ergänzt. Die Breite dieser Raute ermöglicht dem Geburtshelfer einen Rückschluß auf die Breite des Beckens. Auch die Künstler arbeiten diese Raute häufig besonders heraus. Schon in der Ruhestellung springt der Dorn des 7. Halswirbels (Vertebra prominens) als Buckel vor. Von ihm aus können wir nach kaudal die übrigen Wirbeldornen abtasten, was bei den besonders stark dachziegelförmig übereinander gelagerten Brustwirbeldornen nicht immer leicht, aber für die Lagebestimmung von Organen sehr häufig von praktischer Bedeutung ist. (So gibt uns ζ. B. der 3. Brustwirbeldorn die für die Beurteilung von Lungenentzündungen wichtige, hintere Grenze von Ober- und Unterlappen der Lungen an.) Bei stärkerer Beugung des Rumpfes werden auch die Brust- und Lendenwirbeldornen sieht- und leichter tastbar. Wie wir später sehen werden, vergrößern sich bei der Beugung die Abstände zwischen den Dornen. Geringe, seitliche Krümmungen der Wirbelsäule (Skoliosen) kann man so besser beobachten. Durch Druck auf die einzelnen Dornen läßt

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Der Rücken. Die Wirbelsäule

Foramina costotransversana

Th. I Foramina intervertebral

Fovea

costalis caudalis et cranialis

Facies costales processuum transversorum

Os sacrum (Fac. auricularis ossis sacri) Os coccygis

sich feststellen, ob und wo eine Wirbelschädigung vorliegt. In der Nackengegend sind die kurzen Halswirbeldornen nicht zu tasten. Sie liegen tief zwischen den Muskeln und sind von dem Septum nuchae, der Nackenscheidewand, überlagert. Seitlich von der Rückenfurche erheben sich die Wülste der tiefen Rückenmuskulatur, des Erektor trunci. E r ist in der Lendengegend fleischig, kräftig und tritt besonders bei der S t r e c k u n g hervor. Oben ist er schwächer und noch durch o b e r f l ä c h l i c h e Rückenmuskeln überlagert. Im Brustgebiet sind die Schulterblätter mehr oder minder gut zu sehen und abzutasten. Man erkennt an ihnen vor allem den unteren Winkel und den medialen, gegen die Wirbeldornen gerichteten Rand. A u c h die Schulterblattgräte {Spina scapulae) und die Schulterhöhe (Acromion) lassen sich gut abtasten. Bei mageren Menschen und schlecht entwickelter oder gelähmter Muskulatur (besonders des M. serratus lateralis und der Mm. rhomboidei) steht das Schulterblatt v o m Rumpf ab. U m einen Überblick über das Muskelrelief bei k r ä f t i g e n , fettarmen Männern zu bekommen, betrachte man in A b b . 87 rechts die oberflächliche Muskulatur. Die roten, fleischigen Teile der Muskeln werden sich bei der Arbeit verkürzen und als Wülste gegenüber den weißen, sehnigen Teilen vorspringen. Der Trapezmuskel hat 3 s e h n i g e S t e l l e n , die bei starker Muskelkontraktion als Vertiefungen erscheinen. 1. A n der Halsbrustgrenze, zu selten des gut sichtbaren 7. Halswirbeldornes entspringt der Muskel mit einer dreieckigen, glänzenden, dünnen Sehnenplatte, die sich mit der der anderen Seite zu einer Raute ergänzt (Vorsicht bei der Präparation!). 2. Die v o m 10.—12. Brustwirbeldorn kommenden Fasern entspringen mit etwas längerer Sehne. So entsteht ein kleines Dreieck, das bei starker Zusammenziehung die untere Spitze des Trapezmuskels abgestumpft erscheinen läßt. 3. Die aufsteigenden Fasern gehen am medialen Schulterblattrande in eine dreieckige Sehne über, die zum Unterrande der Schulterblattgräte zieht. Auch dieses dreieckige Feld wird bei der Muskelkontraktion eine typische Vertiefung ergeben. In der S c h u l t er g e g e n d wird bei entsprechenden Armbewegungen der Deltamuskel (M. deltoides) und der große runde Muskel (M. teres major) wulstig vorspringen. Der unter der kräftigen Fascia infra spinam (Abb. 87) gelegene Untergrätenmuskel (M. infra spinam) tritt weniger gut hervor. Der breiteste Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) bildet mit seinem Außenrand die hintere Begrenzung der Achselhöhle, die hintere Achselfalte. E r springt beim Seilklettern und Klimmzug als Wulst besonders gut hervor. Abb. 64. Nach Form aufgestellte Wirbelsäule von der Seite. Präparat von H. Virchow. * = Proc. spinalis der Vertebra prominens. Th. I = 1. Brustwirbel, L. I = 1. Lendenwirbel.

Grundform des Wirbels

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Die Haut des Rückens ist die derbste und dickste des ganzen Körpers. In der Lendengegend ist sie am kräftigsten. Seitlich geht sie in die dünnere H a u t des Bauches und der Brust über. (Die Rückenhaut der Tiere liefert das beste Leder.) Die Haare sind meistens sehr fein. Beim Mann k a n n eine stärkere Behaarung vorkommen. Sie findet sich dann auf den Schulterblättern und von der Kreuzbeingegend aufsteigend neben der medianen Rückenfurche. S c h w e i ß - u n d T a l g d r ü s e n sind zahlreich. Das Unterhautbindegewebe (Stratum fibrosum cutis) neigt zur Fettablagerung und ermöglicht an den meisten Stellen eine gute Verschieblichkeit der Haut gegen die Unterlage. Nur in der Nacken- und Lendengegend ist es straffer und ergibt hier eine geringere Verschieblichkeit. Über den Wirbeldornen heftet es die Haut straff an der Unterlage an {Fettgeschwülste, Lipome, überschreiten deshalb nicht die Medianlinie). Beim Zurückbiegen treten in der Lendengegend S t a u c h u n g s f a l t e n auf. Sie stehen seitlich tiefer (bessere Verschieblichkeit), in der Medianlinie höher (Anheftung an den Dornen). Die Fettablagerung im Subkutangewebe ist außerordentlich variabel. Wie schon oben betont, hat der schöngeformte Rücken der F r a u ein harmonisch verteiltes F e t t polster, das Knochenpunkte und Muskelrelief nicht hervortreten läßt, andererseits ist beim jungen, kräftigen Mann das Fettpolster so gering, daß wir bei Muskelarbeit gut das Spiel der Muskeln durch die Haut hindurch sehen können. Individuell verschieden kann es früher oder später auch auf dem Rücken zu stärkeren Fettablagerungen kommen. Lokale Fettansammlungen, Fettgeschwülste, Lipome, sind auf dem Rücken nicht selten. Bei langem Krankenlager kann das Fettpolster verschwinden und die Muskulatur so atrophieren, daß das Skelet sehr scharf hervortritt. Man muß eventuell die am stärksten vorspringenden und aufliegenden Punkte, das Kreuzbein und die Schulterblätter, polstern, um Druckschädigungen der Haut zu verhüten.

A. Die Wirbelsäule, Columna vertebralis Die Wirbelsäule, das R ü c k g r a t , ist die gegliederte und bewegliche Stütze des Rumpfes. Die einzelnen Glieder dieser Säule nennen wir Wirbel, Vertebrae. Das Vorhandensein der Wirbelsäule hat der großen Gruppe der Wirbeltiere den Namen gegeben. Beim Menschen (Abb. 64) besteht diese zentrale Achse des Körpers aus 33—34 Wirbeln. Die 24 kranialen bleiben während des ganzen Lebens beweglich. Man nennt sie auch wahre Wirbel. Die kaudal folgenden 5 Kreuzbeinwirbel verschmelzen während der Entwicklung zu einem einheitlichen Knochen, dem Kreuzbein, Os. sacrum. Die 4 bis 5 kaudalsten Wirbel bzw. Wirbelreste liefern das Steißbein, Os coccygis. Die zum Kreuz- und Steißbein verschmolzenen Wirbel nennt man auch falsche Wirbel.

I. Die Wirbel 1. Die Grundform des Wirbels Man kann den Wirbel mit einem kurzen Hohlzylinder oder Ring vergleichen. Dieser Hohlzylinder dient zur Aufnahme des Rückenmarkes und der Rückenmarkshäute. Die einzelnen Wirbel sind in den verschiedenen Abschnitten der Wirbelsäule abgewandelt. Als Grundform wählen wir einen Brustwirbel (Abb. 65 und 66). Das Wirbelloch, For amen vertebrae, wird vorn von dem zylindrischen Körper, Corpus hinten von dem schwächeren Bogen, Arcus, umgeben. V o m Bogen gehen mehrere Fortsätze, Processus, ab. Sie dienen 1. der Verbindung mit den benachbarten Wirbeln (Gelenkfortsätze, Processus articular es), 2. als Hebelarme für die Muskeln (Querfortsätze, Processus transversi, und der unpaare Dornfortsatz, Processus spinalis).

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Der Rücken. Die Wirbelsäule

Die Wirbelkörper sind der eigentlich stützende Bestandteil der Wirbelsäule. Sie haben eine d ü n n e , k o m p a k t e A u ß e n s c h i c h t und eine s t a r k e S p o n g i o s a . An der oberen und unteren Endfläche des Wirbelkörpers, Facies terminalis cranialis et caudalis, ist der z e n t r a l e Teil p o r ö s und nur der Rand aus festerem Knochen gebaut. Die rauhen Endflächen der Körper dienen mit als Befestigung für die Zwischenwirbelscheiben, Disci intervertebrales, die in wechselnder Dicke zwischen den Wirbelkörpern (Abb. 64) untergebracht sind. Die meisten K ö r p e r d e r B r u s t w i r b e l Processus spinalis Proc. transversus tragen s e i t l i c h noch eine kleine, obere Arcus und untere Gelenkfläche, Fovea costalis cranialis et caudalis, für die Verbindung Facies costalis mit dem Rippenköpfchen. proc. transversi Facies Der Wirbelbogen ist dort, wo er articularis vom Körper abgeht, am oberen Rande cranialis seicht, am unteren tief eingeschnürt Fovea costalis cranialis (Incisura vertebrae cranialis et caudalis). Diese Einschnürungen ergänzen sich Corpus mit den zugekehrten des nächst oberen und unteren Wirbels zu den Z w i s c h e n w i r b e l l ö c h e r n , Foramina interverteAbb. 65. 6. Brustwirbel von kranial. bral (für die Austritte der Rückenmarksnerven). Das verschmälerte Bogenstück zwischen der Incisura vertebrae cranialis et caudalis bezeichnet man als W u r z e l d e s B o g e n s , Radix arcus. Die Gelenkfortsätze, 2 obere und 2 untere, Processus articular es craniales et caudales, tragen ü b e r k n o r p e l t e G e l e n k f l ä c h e n , Facies articulares craniales et caudales. Die o b e r e n Gelenkflächen weisen bei den Brustwirbeln nach dorsolateral, die u n t e r e n nach ventromedial. Die Querfortsätze, Processus transversa, tragen bei den 10 kranialen Brustwirbeln e i n e G e l e n k f l ä c h e , Facies costalis processus transversi, zur Verbindung mit - dem R i p p e n h ö c k e r , Tuberculum costae.

2. Die Brustwirbel, Vertebrae thoracicae Brustwirbel nennen wir jene, die mit voll ausgebildeten Rippen in Verbindung stehen. In der Regel sind es 12. Sie werden von oben nach unten m i t d e r Z u n a h m e der auf ihnen ruhenden K ö r p e r l a s t allmähFovea costalis cran. lich massiger. Man betrachte in Abb. 64 die Fac. articularis cran. Wirbelkörper von der Seite. Die oberen und Proc. tratisversus unteren Brustwirbelkörper haben einen größeFac. costalis ren, queren Durchmesser, die mittleren sind proc. transversi mehr kartenherzförmig. Die H ö h e d e s Fac. articularis caud. W i r b e l k ö r p e r s ist vorn etwas geringer als hinten. Die W i r b e l k ö r p e r 2—9 haben am Proc. spinalis — Corpus Ober- und Unterrand je eine Fovea costalis (1cranialis et caudalis). Die Foveae costales benachbarter Wirbel geben zusammen mit der zugehörigen Zwischenwirbelscheibe die Gelenkfläche für ein Rippenköpfchen. Der Abb. 66. 6. Brustwirbel von rechts. 1. Brustwirbelkörper hat eine g a n z e , o b e r e G e l e n k g r u b e für die I . R i p p e und eine h a l b e , u n t e r e für die obere Hälfte des Köpfchens der 2. Rippe. Der 10. Brustwirbelkörper hat nur eine halbe, obere Gelenkfläche. Der I i . und 12. haben e i n e g a n z e Fovea costalis für die 11. und 12. Rippe.

Brust- und Halswirbel

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Das Wirbelloch, For amen vertebrae, ist im Verhältnis zu dem der Hals- und Lendenwirbel r u n d l i c h und k l e i n . Die Dornfortsätze (Seitenansicht, A b b . 64) decken sich d a c h z i e g e l f ö r m i g , sind lang, dreieckig und besonders bei den mittleren nach abwärts gerichtet. Man beachte bei der Untersuchung am Lebenden, daß die Höhe des Wirbeldornes n i c h t dem des zugehörigen Wirbelkörpers entspricht. Die Querfortsätze weisen bei den oberen direkt nach lateral, bei den mittleren und unteren mehr nach l a t e r a l und h i n t e n . Man kann somit einzelne Brustwirbel sehr wohl bestimmen. A b a r t e n : Die 12. Rippe kann zu einem Processus costarius (wie bei den Lendenwirbeln) rückgebildet sein (11 Brust- und 6 Lendenwirbel). Andererseits kann am 1. Lendenwirbel eine Rippe bestehen bleiben (13 Brust- und 4 Lendenwirbel).

3. Die Halswirbel, Vertebrae cervicales Sämtliche 7 Halswirbel kann man an dem Loch in dem s e i t l i c h e n F o r t s a t z , dem Foramen costotransversarium (für A. und V. vertebralis), erkennen. Die h i n t e r e S p a n g e des Loches g e h t P r 0 s P i n a l , s v o m A r c u s a u s und e n t spricht dem Querforts a t z des B r u s t w i r b e l s , / r ° r a m e " vertebrae — Arcus die v o r d e r e S p a n g e des Loches g e h t v o m K ö r — Fac. articularis cranialis p e r a u s und e n t s p r i c h t — Proc. articularis cranialis Incisura vertebrae einer rudimentären Tuberculum dorsale| cranialis R i p p e . Entsprechend den Sulcus η. spinalis Tuberculum ventrale/ trans- ^ beiden Bestandteilen be- Foramen costoversarii transversarium Corpus (Fac. terminalis cran.) zeichnen wir deshalb neuerdings die seitlichen Incisura vertebrae cran. F o r t s ä t z e der Halswirbel Facies articularis cranialis als Processus costotrans-- Tuberculum vetftrale Sulcus η spinalis versarii. Der P r o c . c o s t o Tuberculum dorsale t r a n s v e r s a r i u s hat auf Corpus (Fac. terminalis caud.) Proc. spinalis seiner kranialen Fläche eine Incisura vertebrae caud. Arcus Rinne für den zugehörigen Fac. artic. caud. Rückenmarksnerven, SulAbb. 67. Der 5. Halswirbel von kranial. cus η. spinalis, und läuft in Abb. 68. Der 5. Halswirbel von rechts. ein vorderes und hinteres Höckerchen, Tuberculum ventrale et dorsale -processus costotransversarii, aus (Abb. 67 und 68). Das T u b e r c u l u m v e n t r a l e d e s 6. H a l s w i r b e l s ist besonders kräftig. Bei Verletzungen der großen Halsschlagader, A. carotis communis, kann man das Gefäß gegen das dahinter gelegene Höckerchen pressen und eine zeitweise Blutstillung erreichen. Wir nennen daher dieses Höckerchen auch Tuberculum caroticum.

Die Dornfortsätze sind kurz, leicht nach hinten unten geneigt und bei den Wirbeln 2 — 6 in 2 Zacken gespalten. A n den o b e r e n Gelenkfortsätzen sind die G e l e n k f l ä c h e n nach hinten oben und leicht nach medial, an den u n t e r e n nach vorn unten und leicht nach lateral gerichtet (Abb. 68). Die Körper sind verhältnismäßig niedrig und queroval. Die k r a n i a l e n E n d f l ä c h e n der Körper sind von rechts nach links, die k a u d a l e n von vorn nach hinten konkav gestaltet. Sie greifen so sattelförmig ineinander. Das Wirbelloch hat die Form eines gleichschenkligen Dreiecks und ist im Verhältnis zum Körper sehr groß (zur Aufnahme der Halsanschwellung des Rückenmarkes, Intumescentia cervicalis). A b w e i c h u n g e n von dieser typischen Halswirbelform zeigen der oberste, der Atlas, der zweitoberste, der Epistropheus, und der 7., V e r t e b r a p r o m i n e n s .

96

Der Rücken. Die Wirbelsäule

Der Atlas, der Träger des Kopfes, besitzt keinen Körper, hat deshalb die typische R i n g f o r m (Abb. 69 und 70), einen k u r z e n , vorderen Bogen, Arcus ventralis, und einen l a n g e n , hinteren Bogen, Arcus dorsalis. Die beiden Bogen vereinigen sich in den d i c k e n Seitenteilen, den Massae laterales, die sich in die seitTuberculum dorsale Arcus dorsalis lich stark ausladenden RippenSulcus a. vertebralis Foramen vertebrae querfortsätze, Processus costoFor. costotransversarium transversarii, fortsetzen. Die l a n g e n Processus costotransProe. costotransversarias versarii erhöhen die Wirksamkeit der kurzen Kopfdreher, der Fovea artic. cran. Mm. obliqui capitis et atlantis. Fac. artic. dentalis Der Dornfortsatz ist zu einem • Massa lateralis Tuberc. ventrale kleinen Höcker, Tuberculum dorArcus ventralis sale, reduziert. Eigentliche GeTuberc. dorsale lenkfortsätze fehlen. Dafür sind Areas dorsalis Fac. artic. caudalis auf den Massae laterales obere, ovale, von ventral nach dorsal konkave, nach medial leicht geneigte Gelenkflächen, Foveae Processus costotransarticulares craniales, und untere, Foramen costoversarius transversarium runde, nahezu plane Facies artiArcus ventralis Fac. artic. dentalis culares caudales vorhanden (Abb. Tuberc. ventrale 69 und 70). Ein eigentlicher Abb. 69. Atlas von kranial. Körper fehlt dem Atlas, er ist Abb. 70. Atlas von kaudal. zum Zahn des E p i s t r o p h e u s geworden. Das Foramen verteApex dentis brae ist deshalb b e s o n d e r s g r o ß . Sein kleinerer, vorderer Fac. articularis ventralis Teil dient zur Aufnahme des ZähneS des EpistrOpheUS. Für die Drehbewegungen des Proc. costoZahnes ist auf der R ü c k fläche transversarius des Arcus ventralis eine Facies Fac. articularis caud. ' articularis dentalis vorhanden. Der Arcus ventralis hat noch ein kleines, vorderes HöckerDens mit Fac. artiFac. articularis ventralis cularis dorsalis chen, Tuberculum ventrale, zum Foramen vertebrae Ansatz von Muskeln. Die A. Fac. articularis cran. v e r t e b r a l i s wendet sich vom For. costoForamen costotransversarium transversarium des Atlas nach hinten und meCorpus dial zum Hinterhauptsloch. Sie Proc. costotransversärius erzeugt dabei auf dem hinteren Proc. spinalis Arcus Fac. articularis caud. Atlasbogen (Abb. 69) den SulAbb. 71. Epistropheus von ventral. cus α. vertebralis. Abb. 72. Epistropheus von rechts. Epistropheus. Der zweite Halswirbel (Abb. 7 1 und 72) trägt auf der oberen Endfläche seines Körpers einen zapfenförmigen Fortsatz, den Zahn, Dens epistrophei. Dieser Zahn hat auf seiner v o r d e r e n F l ä c h e eine überknorpelte Gelenkfläche Facies articularis ventralis, zur Artikulation mit dem vorderen Atlasbogen und an seiner h i n t e r e n F l ä c h e die Facies articularis dorsalis als Gleitfläche an dem Fac. articularis

cran.

Atlas, Epistropheus,

Lendenwirbel

97

starken Ligamentum transversum (Abb. 82). Der Zahn läuft nach oben in eine Spitze, Apex dentis, aus. Die oberen Gelenkfortsätze fehlen. R u n d l i c h e , n a h e z u p l a n e , n a c h a u ß e n und a b w ä r t s g e n e i g t e , obere Gelenkflächen,Facies articulates craniales, gestatten eine starke Drehung des Atlas und damit des Kopfes gegen den Epistropheus. Der kräftige Dornfortsatz ist meistens gegabelt. Den kleinen R i p p e n q u e r f o r t s ä t z e n fehlen die Tubercula und der Sulcus η. spinalis. Vertebra prominens. Der 7. Halswirbel gleicht sich schon den Brustwirbeln an. E r hat einen langen, n i c h t gegabelten, stärker nach abwärts gerichteten Dornfortsatz (Abb. 64). Dieser springt im Nacken des Lebenden als deutlicher Höcker vor und dient als Anhaltspunkt beim Abzählen der Brustwirbeldornen. Das Foramen Processus spinalis costotransversarium ist klein, nimmt Proc. tnamillaris Arcus nur die V . vertebralis auf. Proc. accessorius Der k o s t a l e A n t e i l d e s P r o c e s s u s c o s t o t r a n s v e r s a r i u s ist besonders kräftig und kann in seltenen Fällen zu einer unbeweglichen oder beweglichen Hälsrippe ausgewachsen sein. [Eventuelle Beschwerden durch Druck auf das Nervengeflecht des Armes.)

Proc.

Proc. arlicularis craniaiis

costarius

Radix

arcus

Corpus

4. Die Lendenwirbel, Vertebrae lumbales Die 5 kräftigen Lendenwirbel haben (Abb. 73) einen q u e r o v a l e n , großen Körper, ein d r e i e c k i g e s , relativ g r o ß e s Foramen vertebrae, und hohe (Abb. 74) , h o r i z o n t a l n a c h hinten gerichtete,seitlichabgeplattete Dornfortsätze. Die seitlichen Fo rtsätze entspringen vor den Gelenkfortsätzen (man vergleiche den Unterschied beim Brustwirbel A b b . 65) und stellen Rippenrudimente dar, heißen daher Processus costarii. Sie werden vom 1 . — 3 . Lendenwirbel länger und dann allmählich kürzer. Die medialwärts gerichteten Gelenkflächen der kranialen Gelenkfortsätze stehen senkrecht und sind von ventral nach

A b b . 73.

3. Lendenwirbel von kranial.

Inc. vertebrae craniaiis

Fac. lerminalis craniaiis

Proc. ariicu-

'aris craniaiis pr0c.costarius

Corpus

Proc.

spinalis

Fac. te-nnmalis caudiuis

Fac. articularis

A b b . 74.

caudalis

3. Lendenwirbel von rechts.

dorsal konkav. Die kaudalen Gelenkfortsätze stehen näher aneinander. Ihre Gelenkflächen weisen nach lateral und sind konvex. E s u m f a s s e n so d i e k r a n i a l e n G e l e n k f o r t s ä t z e d i e k a u d a l e n d e s n ä c h s t h ö h e r e n W i r b e l s . Zwischen dem oberen Gelenkfortsatz und der Wurzel des Proc. costarius (Abb. 73) hegt der kleine Processus accessorius. E r e n t s p r i c h t d e m P r o c . t r a n s v e r s u s d e r B r u s t w i r b e l . Bei den oberen Lenden- und unteren Brustwirbeln findet sich am hinteren, f r e i e n R a n d e des k r a n i a l e n G e l e n k f o r t s a t z e s der rundliche Proc. mamillaris. Der Körper des 5. Lendenwirbels ist vorn gewöhnlich etwas höher als hinten. A n ihm ist weiter der Abstand zwischen den oberen und den unteren Gelenkfortsätzen gleich. W a l d e y e r , Anatomie I . 2. A u f l .

η

98

Der Rücken. Die Wirbelsäule

5. Das Kreuzbein, Os sacrum D a s K r e u z b e i n ist aus 5, nach k a u d a l sich stark v e r j ü n g e n d e n K r e u z b e i n wirbeln entstanden. E s gleicht somit einem nach u n t e n zugespitzten K e i l , der m i t den beiden angrenzenden H ü f t b e i n e n den B e c k e n r i n g b i l d e t u n d d i e L a s t d e r W i r b e l s ä u l e über das Becken auf nans craniaiis laHs craniales die b e i d e n O b e r s c h e n k e l knochen überträgt. Die Spitze des Keiles, Apex ossis sacri, t r ä g t die kleine Facies Pars terminalis caudalis zur Verbinlateralis d u n g m i t dem Steißbein, die breite B a s i s des Keiles die bohnenförmige Facies terminalis Fac. auricraniaiis zur V e r b i n d u n g mit cutaris d e m K ö r p e r des 5. Lendenwirbels. 1 oramma sacralia pelvina

Linea transversae

Facies terminalis caudalis

Abb. 75. Kreuzbein: Beckenfläche, Facies pelvina. Tuberositas

sacralis

Proc

articularis

craniaiis

Foramina sacralia dorsalia

•«2 «0 β η £ υ

lateralis articularis media

Cornu sacrale Apex ossis sacri Hiatus canalis sacralis

Abb. 76. Kreuzbein: Rückenfläche, Facies dorsalis.

D i e glatte, vordere oder B e c k e n f l ä c h e des Kreuzbeins, Faciespelvina (Abb.75),istkonk a v , zeigt 4 Lineae transversae, quer verlaufende, einfache oder doppelte Leisten, die Grenzen der ursprünglichen Wirbelkörper, u n d jederseits 4 Foramina sacralia pelvina, nach d o r s a l z u m W i r b e l k a n a l führende Löcher, die den kräftigen, vorderen Ä s t e n der K r e u z b e i n nerven z u m A u s t r i t t dienen. Die k o n v e x e , rauhe R ü c k e n fläche, Facies dorsalis ossis sacri (Abb. 76), h a t 5 L ä n g s l e i s t e n , 1. die unpaare, höckerige, mediane Crista sacralis media (Reste der Wirbeldornen), 2. und 3. die paarigen, schwachen Cristae sacrales articulares (sie sind durch die Verschmelzung der Gelenkfortsätze entstanden u n d begrenzen medial die hinteren Wirbellöcher, Foramina sacralia dorsalia), 4. und 5. die meist stärkeren, höckerigen Cristae sacrales laterales (Reste der Processus transversi). Die Cristae articulares setzen sich nach k r a n i a l in die Processus articulares craniales, nach k a u d a l in die Cornua sacralia (Abb. 76) fort. Die

Kreuzbein, Steißbein, Bänder und Gelenke der Wirbelsäule

99

Processus articulares craniales (Abb. 13) tragen die dorsomedial weisenden Gelenkflächen zur Verbindung mit dem 5. Lendenwirbel. Die Cornua sacralia begrenzen eine sehr variabel gestaltete Öffnung, den Hiatus canalis sacralis. E s kann Schwierigkeiten bereiten, bei der Sakralanästhesie mit der Nadel in den K a n a l zu gelangen. Die Pars lateralis ossis sacri, seitlich von den Foramina sacralia, entstanden durch Verwachsung der seitlichen Fortsätze, trägt auf der lateralen Fläche die Facies auricularis, eine ohrmuschelförmige Gelenkfläche zur Verbindung mit dem Darmbein. D a s Feld dorsal von dieser Gelenkfläche ist aufgerauht, Tuberositas sacralis, und dient zum Ansatz der Li gg. sacroilica inierossea. G e s c h l e c h t s u n t e r s c h i e d e . Beim Mann ist das Kreuzbein lang und schmal, bei der F r a u im allgemeinen breiter und kürzer. A b a r t e n . Nicht selten ist der Rippenquerfortsatz des 1. Kreuzbeinwirbels an einer Seite nicht vollständig mit dem übrigen Kreuzbein verschmolzen (Übergangswirbel). Die Facies auricularis rückt an dieser Seite tiefer. (Anlage zu Asymmetrien des Beckens.) Löst sich dieser Wirbel vollständig vom Kreuzbein, so haben wir 6 Lendenwirbel. Es kann auch zu teilweiser Verschmelzung des 5. Lendenwirbels mit dem Kreuzbein kommen. Ähnliche Verschiebungen finden sich an der Kreuz-Steißbein-Grenze. In etwa 8 % haben wir solche Abarten.

6. Das Steißbein, Os coccygis besteht aus 4 — 5 Wirbelrudimenten. Der erste Wirbel (Abb. 77,78) hat noch einen Körper, Querfortsätze und Reste kranialer Gelenkfortsätze, die Cornua ossis coccygis. Der Bogenanteil fehlt allen Steißbein wirbeln. Die übrigen Steißbeinwirbel bestehen nur aus rundlichen Knochenstückchen (Resten der Wirbelkörper). Die einzelnen Wirbelanteile sind faserknorpelig (synchondrotisch) oder knöchern (synostotisch) miteinander verbunden.

Comu ossis coccygis

Processus Iransversus

A b b . 77. Steißbein von ventral.

A b b . 78. Steißbein von dorsal.

II. Die Bänder und Gelenke der Wirbelsäule 1. Die Zwischenwirbelscheiben und Bänder 1. Zwischenwirbelscheiben, Disci intervertebrales (Abb. 79). Sie gleichen in der Form den Facies terminales benachbarter Wirbel, verbinden die Wirbelkörper, sind etwas größer als diese und überragen sie seitlich. Die Gesamtheit aller Disci intervertebrales macht ungefähr % der Gesamtlänge der Wirbelsäule aus. Die Zwischenwirbelscheiben bestehen aus einem äußeren, festen Ring von konzentrisch angeordneten Lagen von Bindegewebsbündeln, Anulus fibrosus, und einem zentralen, weicheren Gallertkern, Nucleus pulposus. Der Nucl. pulposus steht unter größerem Druck. Schneidet man einen Diskus an, so quillt der Gallertkern hervor. In der Wachstumsperiode findet man in ihm Reste der Chorda dorsalis. Der straffe Anulus fibrosus gibt der Wirbelsäule eine große Festigkeit bei Biegungsbeanspruchungen. Die Bindegewebsfasern in ihm überkreuzen sich in den aufeinanderfolgenden Lagen. Die Zellen haben im straffen Anulus fibrosus mehr Sehnenzellencharakter und nehmen im Nucleus pulposus den Charakter von Knorpelzellen an. F u n k t i o n . Man kann die Zwischenwirbelscheiben mit W a s s e r k i s s e n vergleichen, die den Druck gleichmäßig verteilen und eine Biegung nach allen Richtungen ermöglichen. Bei aufrechter Körperhaltung werden diese elastischen Polster so stark abgeplattet, daß die Körperlänge a m A b e n d 3 cm geringer ist als a m Morgen. 7*

100

Der Rücken, Die Wirbelsäule

Die Zwischenwirbelscheiben sind nicht gleichmäßig dick, sondern keilförmig; in der H a l s - u n d L e n d e n g e g e n d sind sie v o r n , im B r u s t g e b i e t h i n t e n h ö h e r . Außerdem werden sie von kranial nach kaudal allmählich dicker. Die Endflächen der Scheiben sind durch eine hyaline Knorpelschicht (synchondrotisch) mit den benachbarten Wirbelkörpern verbunden (Abb. 79). 2. Ligamentum longitudinale commune ventrale et dorsale (Abb. 79). Die durch die Zwischenwirbelscheiben gegebene Festigkeit der Wirbelsäule (speziell der Körper) wird erhöht durch Synchon· Bandmassen, die 1. vendrose tral und lateral und Ligamenium Lig. longi·' 2. dorsal über W i r b elinterspinale tudinale commune k ö r p e r und Z w i s c h e n dorsale wirbelscheiben hinProcessus wegziehen und an b eiNucleus spinalis et pulposus Lig. euprad e n befestigt sind. Sie Anulus spinale beginnen am Hinter/ibrosus Ligamentum haupt bzw. Atlas und verinterarcuale Corpus lieren sich allmählich am vertebrae Arcus vertebrae Lig. longi· Kreuzbein. Foramen intervertebrale

tudinale commune ventrale

3. Ligamenta interarcualia [flava] (Abb. 79 A b b . 79. Medianschnitt durch die Bänderwirbelsäule. und 80). Die Ζ w i s c h e η b o g e n b ä n d e r spannen sich zwischen den Bogen benachbarter Proc. artic. cran. Wirbel aus und vereinigen die W i r b e l Proc. transversus l ö c h e r zum Wirbelkanal. Sie enthalten vorwiegend e l a s t i s c h e Fasern, Arcus vertebrae heißen deshalb auch g e l b e Bänder. Lig. interarcuale D a die Bewegungsachsen im W i r b e l Lig. interspinale k ö r p e r liegen, werden diese Bänder Lig. costotrans- tint, 1 bei den Wirbelbewegungen besonders Ί|Ii versarium*i ext. stark gedehnt. Lig. tuberculi

Lig.

costae

intertransversarium

A b b . 80. Bandapparat der Brustwirbelsäule von dorsal und rechts.

4. Ligg. intertransversaria sind rundliche Bänder (Abb. 80) zwischen benachbarten Querfortsätzen. Sie sind im Halsgebiet besonders schwach und können dort fehlen. 5. Ligg. interspinalia (Abb. 79, 80). Sie verbinden benachbarte Dornfortsätze und verlaufen von ventrokranial nach dorsokaudal.

6. Lig. supraspinale (Abb. 79). Es läuft vom 7. Halswirbel bis zum Kreuzbein über die Spitzen der Processus spinales und ist mit den vorigen verbunden. 7. Septum nuchae. E s ist eine dreieckige, dünne Bindegewebsplatte, die sich zwischen Protuberantia occipitalis externa und den Dornen der Halswirbel ausspannt. Man kann es als eine Fortsetzung der Ligg. interspinalia und des Lig. supraspinale ansehen. Bei vielen V i e r f ü ß l e r n , besonders den Geweihe tragenden, ist es ein s t a r k e s e l a s t i s c h e s B a n d , das den Kopf tragen hilft und damit Muskelkraft spart. Beim Menschen erfüllt es mehr die Aufgaben eines Muskelseptums.

Zwischenwirbelgelenke. Verbindungen der Wirbelsäule mit dem Kopf

101

2. Die Zwischenwirbelgelenke, Articuli intervertebrales Den obigen, synarthrotischen Verbindungen der Wirbelkörper können wir die e c h t e n G e l e n k e , Diarthrosen, gegenüberstellen. Eine im Halsgebiet schlaffe, nach kaudal allmählich straffer werdende Gelenkkapsel, die wie üblich an den Rändern der Gelenkflächen entspringt, verbindet immer einen Proc. articularis caudalis mit einem Proc. articularis cranialis des nächstunteren Wirbels. Wie schon oben beschrieben, sind die Gelenkflächen sehr verschieden nach Form und Stellung. E s ergibt sich daraus eine verschiedene Bewegungsmöglichkeit. Kapseln, Gelenkform und -Stellung geben der Halswirbelsäule die größte Bewegungsfreiheit: Vor- und Rückwärtsbeugen, Seitwärtsneigen und Drehung. In der Brustwirbelsäule sind Beugung und Streckung am meisten eingeschränkt. Die nahezu sagittale Stellung der Gelenkflächen an der Lendenwirbelsäule verhindert fast ganz eine Rotation (s. S. 104).

3. Die Verbindungen der Wirbelsäule mit dem Kopf Die Verbindung der beiden obersten Halswirbel, Atlas und Epistropheus, untereinander und mit dem Hinterhauptsbein ist freier beweglich gestaltet. Wir sprechen vom o b e r e n und u n t e r e n Kopfgelenk. I m oberen KopfgeNn. lacia is statoacust. lenk, in den Articuli atPars basialis inlermed. ossis occipitalis lantooccipitales, artikuNn. glossoatlanpharyngicus, lieren die ellipsoidisch ge- Membrana tooccipü. venlr. vagus, access. formten Condyli des Os Lig. apicis dentis Ν. hypoglossus A. vertebralis occipitale mit den konet Ν cervic. I Oberer Schenkel kaven, oberen Gelenk- d. Lig. crucitorme Os occipitale Membrana flächen des Atlas. Die Arcus venlr. atlanatlantooccipitis et Dens epistr. Gelenkkapsel ist relatalis dorsalis Artic. attantodenArc. dors, atlant. tiv schlaff. Die A t l a s - talis venlr. el dors. Lig. interLig. transversum Occiput verbin dung arcuale atlantis wird besonders gesichert Unlerer Schenke! • Proc. spinalis durch Bandmassen, die d. Lig. crucitorme epistrophei Membrana sich zwischen der Umgetectoria Lig. dentibung des großen Hinterculatum hauptsloches und venDura maier longitudinale tralem und dorsalem Lig. spinalis commune dorsale Atlasbogen ausspannen, Membrana atlantooccipitalis ventralis und dorsalis (Abb. 81). Die MemA b b . 81. Bänder zwischen Hinterhauptsbein und oberen Halswirbeln. brana atlantooccipitalis Mediansagittalschnitt, rechte Hälfte. dorsalis entspricht den Ligg. interarcualia, hemmt die Nickbewegung. Sie wird von den Aa. vertebrales und Nn. cervicales I durchbohrt. M e c h a n i k : Die H a u p t b e w e g u n g s a c h s e verläuft quer, dicht hinter dem äußeren Gehörgang, und ermöglicht V o r - u n d R ü c k b e u g u n g des Kopfes u m etwa 20 Grad. U m eine sagittale Achse ist noch eine g e w i s s e S e i t w ä r t s n e i g u n g des Kopfes möglich. Das untere Kopfgelenk besteht aus 4 getrennten Articuli atlantoepistrophici. Die beiden paarigen Articuli atlantoepistrophici laterales zwischen den konvexen Facies articulares caudales des Atlas

Der Rücken. Die Wirbelsäule

102

und den ebenfalls konvexen Facies articulares laterales epistrophei haben eine weite, schlaffe Kapsel. Die beiden unpaaren Gelenke, der Articulus atlantodentalis ventralis (zwischen Dens epistrophei und vorderem Atlasbogen) und der Articulus atlantodentalis dorsalis (zwischen Dens epiepistrophei strophei und Lig. transversum), haben ebenfalls eine dünne Kapsel, die dorsal Tuberc. dor sale atlantis (Abb. 82) durch das kräftige Lig. transversum atlantis Lig. transversum atlantis gesichert ist. Dieses quere Fovea articularis Band, das den Zahn gegen cramalis Foramen costoden vorderen Atlasbogen transversarium hält, wird (Abb. 83) durch einen o b e r e n Schenkel (zum - Dens epistrophei Capsulae articulates ventralen Umfang des großen Tuberc. ventrale atlantis Hinterhauptsloches) und Abb. 82. Atlas und Epistropheus mit Lig. transversum atlantis einen unteren Schenkel und Articulus atlantodentalis vcntralis et dorsalis. (zum Körper des 2. Halswirbels) zum K r e u z b a n d , For. jugulare Membr. tectoria Clivus Canalis n. hypoglossi Lig. cruciforme, ergänzt. Dorsal wird das Kreuzband noch gedeckt und verstärkt durch die Membrana tectoria (Abb. 81 und 83), ein breites Band, das als kraniale Fortsetzung des Lig. longiProc. mastoides tudinale commune dorsale bis Atlas Artic zum Clivus (Abb. 83) zieht. atlantoepistr.

Lig.

alare

der Spitze des läuft (Abb. 84) als Rest der Chorda dorsalis ein A b b . 83. Bänder zwischen Hinterhauptsbein, Atlas und Epistrodünnes B a n d zum Vorderpheus (von dorsal her freigelegt). Lig. cruciforme, Ligg. alaria. rand des Hinterhauptsloches, das Lig. apicis dentis. Die Lig. apicis dentis Schnittfläche d. ob. Schenkels kräftigen Ligg. alaria, vom d. Lig. cruciforme Zahn zum s e i t l i c h e n UmCanalis n. hypoglossi fang des Hinterhauptsloches (Abb. 84), hemmen zu starke Drehung und SeitwärtsArticulus atlantooccip. neigung des Kopfes. Dens — Lig. alare epistrophei Die Atlas-EpistropheusAtlas Articulus verbindung wird schließlich atlantoepistroph. nach v o r n durch die MemEpistropheus brana atlantoepistrophica ventralis (vom vorderen AtlasAbb. 84. Ligg. alaria, Lig. apicis dentis. Nach teilweiser Fort- bogenzum Körper des 2. Halswirbels) und h i n t e n durch nahme des Lig. cruciforme. Vgl. Abb. 83. die Membrana atlantoepistrophica dorsalis (vom hinteren Atlasbogen zum Bogen des 2. Halswirbels) gesichert (Abb. 81). Epistropheus

Von

Lig. cruciforme (oberer, querer, Zahnes unterer Schenkel)

Die starke Sicherung des Dens epistrophei durch Bänder erklärt es, daß es beim Tode durch den Strang gewöhnlich n i c h t zum Riß der Bänder und zur Luxation des Zahnes nach hinten, gegen das verlängerte Mark kommt, wie es früher häufig behauptet wurde.

Die Wirbelsäule als Ganzes

103

M e c h a n i k . Das untere Kopfgelenk ist in der Hauptsache ein D r e h g e l e n k . Die A c h s e verläuft durch die Mitte des Dens epistrophei. Von der Mittelstellung aus ist nach jeder Seite eine Kreiselung um 30 0 möglich. Da, wie oben beschrieben, die artikulierenden seitlichen Gelenkflächen beide konvex sind, klaffen sie in der Mittelstellung vorn und hinten (Abb. 83). E s muß also bei der D r e h u n g gleichzeitig eine S c h r a u b e n b e w e g u n g erfolgen, die mit einer leicMen H e b u n g und S e n k u n g des Kopfes verbunden ist.

III. Die Wirbelsäule als Ganzes (Abb. 64) Die Wirbelsäule des erwachsenen Menschen zeigt eine Reihe typischer Krümmungen. Im Hals- und Lendengebiet ist sie nach v o r n k o n v e x (Lordose), im Brust- und Kreuzbeingebiet nach h i n t e n k o n v e x (Kyphose). Diese Krümmungen ermöglichen es, daß Stöße, die die Wirbelsäule beim Fall auf die Füße, beim Sprung usw. treffen, federnd abgefangen werden und damit weniger den Kopf und das Gehirn treffen. Die stärkere Abknickung der Lenden Wirbelsäule gegen das Kreuzbein (Promunturium), die Lordose der Lendenwirbelsäule und die k o m p e n s a t o r i s c h e K y p h o s e im Brustgebiet gestatten es, daß der Schwerpunkt des Körpers über die Unterstützungsfläche, die Füße, gebracht wird. Bei der hochschwangeren Frau sehen wir die Lendenlordose und die kompensatorische Rückwärtsverlagerung der Massen im Brust-, Hals- und Kopfgebiet besonders schön {stolzer aufrechter Gang der Schwangeren). Beim Vierfüßler fehlt die Lendenlordose. E s erscheint uns auch klar, daß die L a s t d e s K ö r p e r s und der T o n u s d e r M u s k e l n einen Einfluß auf die Krümmungen der Wirbelsäule haben. Man beachte einmal die Haltung körperlich schwer arbeitender Menschen v o r und n a c h der Arbeit. Beim erwachsenen Menschen sind die Krümmungen schon fest in dem elastischen System der B ä n d e r w i r b e l s ä u l e verankert. Lösen wir nämlich eine Wirbelsäule mit ihren Bändern aus dem Körper heraus, so bleiben die Krümmungen vermöge der ihr innewohnenden Elastizität erhalten. (Eigenform der Wirbelsäule.) Eine solche nach Form (H. Virchow) aufgestellte Wirbelsäule, bei der nachträglich die Bandmassen entfernt wurden, sehen wir in A b b . 64. Normalerweise gibt es auch g e r i n g e Biegungen der Wirbelsäule in der F r o n t a l e b e n e , nach links und rechts (Skoliosen). Meistens sind sie nach rechts konvex. Kompensatorisch ist dann in den angrenzenden Abschnitten eine leichte Linksbiegung vorhanden. Dem Neugeborenen fehlen die Krümmungen der Wirbelsäule noch nahezu vollständig. Sie ist hier ein fast gerader, leicht nach vorn konkaver Stab. D a der Säugling ähnlich wie die Frucht im Mutterleib mit im Hüft- und Kniegelenk gebeugten, gegen den Bauch gezogenen Beinen liegt, ist die Lendenlordose nur angedeutet. Sie wird stärker, wenn man das im Hüftgelenk gebeugte Bein streckt. Die A u f r i c h t u n g d e s K o p f e s und die dadurch bedingte Gewichtsverlagerung läßt die H a l s l o r d o s e auftreten. Diese Krümmungen sind zunächst nur während der Belastung vorhanden, verschwinden in der Ruhe. Mit dem Erlernen des G e h e n s werden die Krümmungen deutlicher, sind aber noch weit geringer als beim Erwachsenen. Man beachte die Haltung eines Kleinkindes. Bis zur Pubertät haben sich die typischen Krümmungen ausgebildet, sind fixiert, bleiben auch in der Ruhe bestehen. Auch später ist die Wirbelsäule noch einem gewissen Wandel unterworfen. Dabei hat sicherlich der Beruf (bestimmte Haltung bei einer Arbeit, Belastung usw.) und das Alter (Nachlassen des Tonus, Erschlaffen der Bänder, der Zwischenwirbelscheiben und der Muskulatur) einen Einfluß. So werden die Menschen im Alter kleiner. Abarten. Besonders starke Biegungen in der Sagittalebene (Kyphosen und Lordosen) oder in der Frontalebene (Skoliosen) oder in beiden Ebenen (Kyphoskoliosen) können a n g e b o r e n oder e r w o r b e n sein. Halbseitige Anlage eines Wirbels ( K e i l w i r b e l ) f ü h r t zur Skoliose. Falsche Be-

104

Der Rücken.

Die Wirbelsäule

lastung (schlechte Haltung beim Sitzen, einseitiges Tragen usw.), Erkrankungen des Knochens (Tuberkulose eines Wirbelkörpers) oder Lähmung von Muskeln und Nerven kann zur B u c k e l b i l d u n g (Kyphoskoliose) führen. Veränderungen in der Zahl und Form der Wirbel sind oben besprochen worden.

Die Höhe der Wirbelsäule (kürzeste Entfernung zwischen Spitze des Dens epistrophei und Steißbeinspitze) beträgt 2/5 der ganzen Körperlänge. Beim Fetus und Neugeborenen ist der Rumpf und damit die Wirbelsäule relativ länger. Mit dem stärkeren Wachstum der Extremitäten gleichen sich die Unterschiede aus. Große Leute haben einen relativ kurzen Rumpf. Doch gibt es auch große, individuelle Unterschiede, ζ. B . sogenannte Sitzriesen (man vgl. Agamemnon und Odysseus).

IV. Die Bewegungen der Wirbelsäule Die Säule der Wirbelkörper und Zwischenwirbelscheiben trägt die Körperlast und regelt entsprechend der Dicke der Scheiben die Größe der Biegung. Die Wirbelbogen mit den Gelenk- und Dornfortsätzen bestimmen die Richtung der Bewegung. Die Bewegung zwischen zwei Wirbeln ist gering. Die Gesamtbewegung der aus 24 Gliedern bestehenden K e t t e ist aber sehr umfangreich. Sie erfolgt in allen Ebenen des Raumes. Die Hauptbewegungen sind:

1. Vor- und Rückwärtsbeugung oder Beugen und Strecken Sie erfolgen um eine quere Achse hauptsächlich in der Hals- und Lendenwirbelsäule. In letzterer ist das Beugen wesentlich geringer als das Strecken. Im Brustgebiet ist die Beugung größer als die Streckung. Die Streckung wird hier durch die dachziegelförmig gelagerten Dornfortsätze gehemmt. Beide sind aber an der Gesamtbewegung nur gering beteiligt. Die Rückwärtsbeugung ist an 3 Punkten besonders ausgesprochen, und zwar 1. zwischen den unteren Halswirbeln, 2. zwischen 1 1 . Brust- und 2. Lendenwirbel, 3. zwischen dem 4. Lendenwirbel und dem Kreuzbein. Verletzungen der Wirbelsäule durch Überbeanspruchung kommen besonders häufig an diesen drei Stellen vor. *j

2. Seitwärtsneigung um eine sagittale Achse Diese Bewegungsmöglichkeit ist in der Hals- und Lendenwirbelsäule annähernd gleich groß. Durch gleichzeitiges Kreiseln (Rotation) wird der Bewegungsumfang im Halsgebiet wesentlich größer. Im Brustgebiet ist die Möglichkeit des Seitwärtsneigens am größten. Der Bewegungsumfang wird hier außer durch die Wirbelsäulenbänder besonders durch die gleichseitigen Rippen eingeschränkt. Sie werden zusammengepreßt, an der Gegenseite auseinander gezogen.

3. Kreiselung, Drehung, Rotation um eine vertikale Achse Sie ist im Halsgebiet am ausgiebigsten, nimmt nach kaudal allmählich ab und ist in der Lendenwirbelsäule wegen der nahezu sagittal gestellten Gelenkflächen minimal. Beim stehenden Menschen erfolgt bei stärkerer Rumpfkreiselung eine zwangsläufige Drehung des Beckens gegen die Oberschenkel. Da die oben genannten Hauptbewegungen in den einzelnen Teilen der Wirbelsäule unabhängig voneinander, ja entgegengesetzt erfolgen und sich schließlich kombinieren können, wird die Vielgestaltigkeit der Wirbelsäule verständlich. Eine S o n d e r s t e l l u n g nimmt der Kopf ein. Als Sitz der Hauptsinnesorgane, Auge und Ohr, hat er eine besonders große Beweglichkeit erhalten: 1. durch die oben beschriebenen Kopfgelenke und 2. durch den besonders großen Bewegungsumfang in der übrigen Halswirbelsäule.

Die Wirbelrippenverbindungen

105

V. Die Wirbelrippenverbindungen Da die Zahl und Form der Rippen auf die Beweglichkeit der Wirbelsäule einen Einfluß haben und die Rückenmuskeln zum Teil von ihnen entspringen oder an ihnen ansetzen, sei schon hier kurz auf die Rippenwirbelgelenke,

Articuli

costo-

vertebrales, eingegangen. Die Rippen sind an 2 Punkten mit den Wirbeln verbunden, die Rippenköpfchen (Capitula costarum) mit den Körpern und Zwischenwirbelscheiben (Articuli

capitulorum)

und die Rippenhöckerchen (Tubercula costarum) mit den Querfortsätzen (Articuli

costotransversarii). A r t i c u l i capitulorum. D i e R i p p e n -

Lig.

Lig. capituli costae interarticulare (im Artie, capituli costae) \

\

longitudinale com. venira'e

\



Lig. costotransversarium int. Lig. intertransversarium Lig. capituli costae radiaium Foramen

köpfchen der 2. bis io. Rippe (Abb. 85) intervertebrate stehen mit der Fovea costalis caudalis des oberen und der Fovea costalis cranialis des unteren Wirbels und der zugehörigen Zwischenwirbelscheibe in Verbindung. Von letzterer zieht (Abb. 85) ein Band zur Mitte des Köpfchens und Discus in'ervertebralis halbiert das Gelenk (Lig. capituli costae Abb. 85. Rippenwirbelverbindung interarticulare). Vorn wird diese gelenkige in seitlicher Ansicht Verbindung durch das Lig. capituli costae radiatum verstärkt. Die 1., 11. und 12. Rippe haben eine g a n z e Gelenkfläche an dem zugehörigen Wirbelkörper. Articuli costotransversarii. Die Rippenhöckerchen der 1. bis 10. Rippe sind mit den Querfortr'itzen der zugehörigen Wirbel verbunden. Die Gelenkkapsel wird durch das Lig. tuberculi costae (vom Tuberculum costae zur Spitze des Querfortsatzes) verstärkt (Abb. 86). Lig. tuberculi

costae

Tuberculum costae Articulus costotransversarius Lig. Articulus Lig. capituli

Lig. tuberculi

costae

Tuberculum Lig. colli colli

capituli costae

costae costae

Facies

costae

costae

artic.

Lig. capituli

cranialis

costae

radiatum

radiatum

Discus

inlervcrtebralis Lig. longitudinale

commune

ventrale

Abb. 86. Wirbelrippenverbindung in Ansicht von kranial.

Außerdem wird noch der Rippenhals (zwischen Capitulum und Tuberculum costae) durch das Lig. colli costae (Abb. 86) an dem Querfortsatz befestigt. Schließlich ist der Rippenhals noch durch das schräge Lig. costotransversarium internum und das mehr senkrechte Lig. costotransversarium externum an dem nächsthöheren Querfortsatz aufgehängt (Abb. 80). Über Bewegungsachse und Funktion siehe beim Brustkorb (s. II. Teil).

106

Der R ü c k e n . Die Muskeln

B.

D i e Muskeln des Rückens

Wie wir bereits im allgemeinen Teil sahen, gliedern sich die Muskelsegmente entwicklungsgeschichtlich und vergleichend-anatomisch schon frühzeitig in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt, die von einem dorsalen und einem ventralen Nervenast versorgt werden. Von der ventralen Muskulatur wachsen die Muskeln für die Extremitäten aus. Die dorsale liefert die tiefe, lange Rückenmuskulatur. Da diese dort angelegt ist und dort auch weiter bleibt, nennen wir sie die bodenständige oder autochthone Rückenmuskulatur. Sekundär wachsen wieder Muskeln von der Extremität (also ventrale) auf den Rücken aus, gewinnen Ansätze an den Wirbeldornen und liefern die sogenannte oberflächliche oder Gliedmaßenmuskulatur des Rückens. Bei den teilweise recht komplizierten Muskelverlagerungen entscheidet die N e r v e n v e r s o r g u n g immer, ob es sich um dorsale oder ventrale Muskeln handelt.

I. Die oberflächlichen oder Glied maßenmuskeln des Rückens ι. M. trapezius (Abb. 87 rechts). Die Muskeln beider Seiten bilden zusammen ein Trapez. Die nach unten ausgezogenen Spitzen erinnern an die zurückgeschlagene Kappe einer Mönchskutte und gaben ihm den alten Namen Kapuzenmuskel [M. cucullaris]. Der Muskel einer Seite ist dreieckig. Ursprung. A m Kopf zwischen Linea nuchalis terminalis und supraterminalis und an der Protuberantia occipitalis externa, am Hals mittels des Septum nuchae an den Wirbeldornen, im Brustgebiet von sämtlichen 12 Brustwirbeldornen. Ansatz. Die o b e r e n , d ü n n e n T e i l e steigen abwärts zum lateralen Drittel des Schlüsselbeins. Der m i t t l e r e Teil entspringt mittels eines dreieckigen S e h n e n s p i e g e l s , ist besonders kräftig und zieht horizontal zum Acromion des Schulterblattes. Der u n t e r e Teil steigt aufwärts, setzt m i t einer langen, platten Sehne, die am Rücken des Lebenden gut zu erkennen ist, an der Gräte {Spina) des Schulterblattes an. Wirkung. Die oberen Fasern heben, die unteren senken die Schulter. Dabei ist die hebende Komponente stärker (Heben und Tragen von Lasten). Alle Fasern zusammen ziehen die Schulter zurück, das Schulterblatt gegen die Wirbeldornen. Obere und untere Fasern zusammen drehen das Schulterblatt, helfen damit bei der Erhebung des Armes (s. dort). Die oberen Fasern drehen dabei den oberen Schulterblattwinkel nach hinten, die unteren Fasern den unteren Schulterblattwinkel nach vorn. Steht der Schultergürtel fest, so zieht der Trapezius bei beidseitiger Wirkung den Kopf nach hinten, bei einseitiger dreht er das Hinterhaupt zur gleichen Seite. Varietäten. Teile des Muskels können fehlen. N i c h t selten reichen sie an beiden Seiten verschieden w e i t herab. Teilweises Zusammenfließen m i t dem M. sternocleidomastoideus ist aus der Entwicklung zu erklären. Beide Muskeln stammen v o m selben Mutterboden, werden v o m gleichen Nerven (N. accessorius) versorgt. Nervenversorgung. Ramus externus des Ν. accessorius und Äste aus C. I I I und C. I V (Halsnervengeflecht). Die letzteren können schon bald eine Verbindung mit dem Accessorius eingehen oder auch selbständig zum Muskel ziehen. Der untere Teil wird ausschließlich v o m N. accessorius, der mittlere von den Halsnerven, der obere von beiden versorgt. L ä h m u n g : D a s Bild ist je nach dem Ausfall der einzelnen Teile sehr verschieden, ist aus der oben beschriebenen F u n k t i o n abzuleiten (Herabhängen der Schulter, Drehung des Schulterblattes, Armheben erschwert).

2. M. latissimus dorsi, der breiteste Rückenmuskel, entspringt (Abb. 87 links) mittels einer dünnen, p l a t t e n S e h n e , der Pars aponeurotica fasciae lumbodorsalis, von den Dornen der 6 unteren Brustwirbel, sämtlicher 5 Lendenwirbel, der Facies dorsalis des Kreuzbeins und dem Labium externum der Crista ilica, f l e i s c h i g mit a k z e s s o r i s c h e n Zacken von den 3 — 4 unteren Rippen und dem unteren Winkel (Angulus caudalis) des Schulterblattes.

107

Die oberflächlichen oder Gliedmaßenmuskeln des Rückens

Ansatz. Die Muskelfasern konvergieren nach lateral und vorn, dabei ziehen die oberen Fasern über den unteren Schulterblattwinkel — drücken ihn gegen den Rumpf — ziehen an der I n n e n s e i t e des Oberarmes spiralig um den M. teres major und setzen mit einer platten Sehne kurz vor dem letzteren an der Crista tuberculi minoris humeri an.

Protuberantia '. transversooccipitalis

Μ rhomboides minor Μ rhomboides major "·• M. supra Spina

Septum

nuchae

Μ splenius

capitis

M. levator scapulae

-

Μ.

occipitalis

sternocleidomastoideus

Μ. splenius Vertebra

capitis

prominens

Μ. trapezius Fascia infra spinam M. teres major Spina scapulae M. deltoides

spinam

scapulae·' Acromion

ext.

''

M. teres major M. rhomboides major M. latissimus dorsi Proc. spinalis vert. thor.

Μ !atissimus dorsi

Trigonum

Pars aponeurotica fasciae lumbodorsalis

lumbale

Crista ilica

Crista ilica - Μ glutaeus -

Abb. 87.

XII

medius

Haut

Gliedmaßenmuskeln des Rückens. Rechts oberflächliche Lage; links nach Entfernung des M. trapezius die tiefe Lage dargestellt.

Wirkung. Aus dem Verlauf ergibt sich, daß er den erhobenen Arm herab und nach hinten zieht und ihn nach innen dreht (rotiert). (Schürzenknoter, Fracktaschenmuskel.) Wechselt das Punktum fixum, halten ζ. B. die Arme die Reckstange, so hilft er den Rumpf gegen die Stange heben.

108

Der R ü c k e n .

Die Muskeln

Der Muskel bildet mit dem M. teres major zusammen die hintere, wulstige Begrenzung der Achselhöhle. Die Rippenzacken sollen bei der E i n a t m u n g helfen. Wenn bei e r s c h w e r t e r Ausatmung (Asthma) die Arme festgestellt sind, soll er die Exspiration unterstützen (Hustenmuskel). Varietäten. Einzelne Teile des Muskels können rückgebildet sein. Untere Fasern des Muskels können über die Gefäße und N e r v e n der Achselhöhle zum R a n d e des großen Brustmuskels (Μ. pectoralis major) ziehen ( L a n g e r s c h e r A c h s e l b o g e n ) oder A n s a t z an dem langen K o p f des M. triceps gewinnen. Der Achselbogen soll auch v o n einem früheren Hautmuskel, d e m Panniculus carnosus abstammen. Nervenversorgung. N. thoracodorsalis (6.—8. Halsnerv).

In der zweiten Schicht, unter dem M. trapezius, liegen der Schulterblattheber und die beiden Rautenmuskeln. 3. M. levator scapulae, der Schulterblattheber (Abb. 87, 88), entspringt mit 4 schlanken Zacken von den Tubercula dorsalia der Processus costotransversarii der Halswirbel 1 — 4 , zieht unter dem M. splenius schräg nach hinten unten und setzt am oberen Schulterblattwinkel (Angulus cranialis scapulae) und angrenzendem Teil des Margo vertebralis scapulae an. Zwischen M. stemocleidomastoideus und M. trapezius hilft er den Boden des seitlichen Halsdreieckes bilden, kann hier am Lebenden sichtbar sein. Auf ihm liegt der N. accessorius. Wirkung. Der Muskel zieht zusammen mit dem oberen Trapezius teil den oberen Schulterblattwinkel nach oben vorn und medial und hilft bei der Drehung des Schulterblattes. 4. Mm. rhomboides, die Rautenmuskeln, entspringen von den 2 unteren Haisund 4 oberen Brustwirbeldornen und ziehen (Abb. 87 links) schräg abwärts zum Margo vertebralis des Schulterblattes. Der obere Teil ist dünner und gewöhnlich durch einen feinen Spalt von dem dickeren und größeren, unteren Teil getrennt (M. rhomboides minor et major). Wirkung. A l l e Fasern ziehen das Schulterblatt nach medial und oben, die u n t e r e n nähern den unteren Schulterblattwinkel der Wirbelsäule, drehen das Schulterblatt umgekehrt wie der M. serratus lateralis. B e i d e zusammen pressen besonders den Margo vertebralis des Schulterblattes gegen den Thorax, Sind sie gelähmt, so steht der Margo vertebralis v o m Thorax ab (Flügelskapula). Nervenversorgung. Der Schulterblattheber und beide Rautenmuskeln werden v o m N. dorsalis scapulae (aus dem 3 . — 5 . Halsnerven) versorgt. Varietäten. Die Zacken des Levator scapulae sind häufig verringert. Die Rautenmuskeln können nach oben und unten verbreitert, aber auch teilweise rückgebildet sein.

Spinokostale Rückenmuskeln Sie werden von ventralen Nervenästen versorgt, sind also (wie die Gliedmaßenmuskeln) ventraler Herkunft, haben aber Ursprung an den Wirbeldornen und Ansatz an den Rippen gefunden. M. serratus dorsalis cranialis, h i n t e r e r , o b e r e r S ä g e m u s k e l (Abb. 88 rechts). Ursprung. Mit langer Sehne von den beiden unteren Hals- und den beiden oberen Brustwirbeldornen. Ansatz. Mit 4 Zacken an der 2.—5. Rippe lateral vom Rippenwinkel. Wirkung. Hebung der oberen Rippen. M. serratus dorsalis caudalis, h i n t e r e r , u n t e r e r S ä g e m u s k e l (Abb. 88 rechts). Ursprung. Mit breiter, platter Sehne von der Pars aponeurotica fasciae lumbodorsalis in Höhe der beiden unteren Brust- und der beiden oberen Lendenwirbeldornen. Ansatz. Mit 4 fleischigen Zacken an den 4 untersten Rippen. Wirkung. Zieht nach R. Fick die Rippen nach außen, wirkt dem einwärtsziehenden Zug des Zwerchfells entgegen, hilft also bei der Einatmung.

109

Die langen, tiefen, autochthonen Rückenmuskeln

Nervenversorgung. Beide Muskeln werden von den zugehörigen Interkostalnerven versorgt. Varietäten. Bei beiden Muskeln k a n n die Zahl der Zacken v e r m e h r t oder v e r m i n d e r t sein. E s ist das vergleichend anatomisch zu erklären. Beim Kaninchen und Tarsius sind die beiden Muskeln noch eine einheitliche Muskelplatte mit einem schwächeren, mittleren Abschnitt. Der mittlere Teil wird d a n n weiter reduziert zu einer aponeurotischen Platte, die sich zwischen den beiden Muskeln, besonders stark oberhalb des unteren findet.

--- Μ.

transversooccipitalis

Septum Μ.

transversooccipitalis

M. longissimus

nuchae

Μ. splenius

capitis

capitis

M. longissimus cervicis Μ levator scapulae.s

M. levator scapulae

M. spinalis Clavicula

M. serratus dors. cran. M. splenius

cervicis

Acromion Μ. Μ. rhomboides

iliocostalis

Μ. longissimus Μ.

dorsi

spinalis

Μ serratus lat. Μ. longissimus

dorsi

M. iliocostalis Μ serratus dors. caud. Μ. latissimus dorsi -

Pars aponeurotic«· fasciae

M. latissimus M. obliquus abdominis ext. Trigonum lumbale Crista ilica • Haul

dorsi

M. obliquus abdominis Trigonum

lumbodorsalis

ext.

lumbale

-

Abb. 88. Rechts spinokostale Rückenmuskeln.

Links M. sacrospinalis.

II. Die langen, tiefen, autochthonen Rückenmuskeln Die bodenständige Muskulatur des Rückens zieht in 2 großen, durch die Wirbeldornen getrennten Strängen vom Hinterhaupt bis zum Kreuzbein. Sie verläuft dabei (Abb. 88, 91) in einem osteofibrösen Führungskanal, der medial von den Wirbeldornen, v e n t r a l von den Seitenfortsätzen der Wirbel und anschließend im Brustgebiet von den Rippen, im Lendengebiet von der Aponeurosis lumbalis und dorsal von der Fascia lumbodorsalis begrenzt wird. Die Gesamtmuskulatur nennt man auch den R ü c k e n -

Der R ü c k e n . Die

110

Muskeln

S t r e c k e r , Erektor trunci. Ursprünglich ist die Rückenmuskulatur segmental angeordnet, spannt sich zwischen 2 Wirbeln aus. Die einzelnen Muskelsegmente sind durch bindegewebige Scheidewände, Sefiten, voneinander getrennt. (Beim gekochten Fisch, wo die Septen durch Kochen aufgelöst sind, kann man sehr schön diese Muskelsegmente erkennen.) Die tiefsten Lagen behalten auch beim Erwachsenen diesen ursprünglichen Zustand. Zur Oberfläche hin verschmelzen immer mehr Muskelsegmente zu immer längeren Muskeln, die immer mehr Wirbel überspringen. Schön sehen wir dieses Prinzip in A b b . 89. Rechts steigen die Fasern von einem Q u e r f o r t s a t z immer steiler an der Wirbelsäule herauf und ziehen zu immer höheren D o r n e n . Wir nennen diese A r t der Anordnung das transversospinale System. In A b b . 89 (links) überbrücken von den Dornen entspringende Fasern immer mehr Dornen (spinales System). Transversospinales und spinales System bilden zusammen den medialen Muskelstrang. Zu ihm kann man noch die kurzen, von Wirbel zu Wirbel ziehenden Muskeln rechnen. Als lateralen Muskelstrang bezeichnen wir mit Gegenbaur die gemeinsame Muskelmasse des M. sacrospinalis, der sich nach oben in den M. iliocostalis und M. longissimus teilt. Einen besonderen Verlauf hat der spinotransversale M. splenius. E r schlingt sich außen um die übrigen, tiefen Muskeln und kann zum lateralen Strang gerechnet werden. Wegen ihrer besonderen Differenzierung sollen noch die kurzen Nackenmuskeln, zwischen Hinterhaupt und den beiden obersten Wirbeln, gesondert besprochen werden.

1. Lateraler Muskelstrang 1. M . splenius, R i e m e n m u s k e l (Abb. 87 und 88). Dieser spinotransversale Muskel entspringt vom 3. Hals- bis 6. Brustwirbel d o r n , schlingt sich wie eine Binde um die übrigen, tiefen Rückenmuskeln und setzt mit den u n t e r e n Fasern {Splenius cervicis) an den Tubercula dorsalia der Seitenfortsätze der 3 obersten Halswirbel, mit dem o b e r e n , größeren Teil (Splenius capitis) an der lateralen Hälfte der Linea nuchalis terminalis [sup.] bis zum Processus mastoides an. Nur ein kleines Feld (Abb. 87 rechts) liegt unter der Haut. Wirkung. Bei beidseitiger Kontraktion zieht er den Kopf nach hinten. Bei einseitiger Wirkung dreht er den Kopf (Gesicht) zur selben Seite, ist Antagonist des M. sternocleidomastoideus, der ihn zur entgegengesetzten Seite dreht. Nervenversorgung.

D o r s a l e Halsnerven

(II—IV).

2. M. sacrospinalis (Abb. 88, 89). Der besonders im Lendenteil kräftige Muskel entspringt von der Rückfläche des Kreuzbeins, dem Darmbeinkamm und in der Grube zwischen beiden. E r teilt sich bald in den lateralen M. iliocostalis und den medialen M. longissimus. a) M. iliocostalis, der laterale, hauptsächlich v o m Darmbein kommende Muskelanteil, setzt mit fleischigen Zacken an den 2 unteren Rippen, weiter nach oben mit allmählich länger werdenden Sehnen an den Anguli aller weiteren R i p p e n und den S e i t e n f o r t s ä t z e n der unteren Halswirbel an. D a der Muskel sich von kaudal nach kranial durch Abgabe der Zacken allmählich erschöpft, bekommt er von medial her von der 12.—3. Rippe laufend akzessorische Ursprünge. Blutgefäße und Nerven, die aus der Tiefe kommen, grenzen ihn nach medial gegen den folgenden ab. b) M. longissimus. E s läßt sich an ihm ein Rücken-, Hals- und Kopfteil unterscheiden. Der R ü c k e n t e i l (L. dorsi) entspringt mit dem vorigen zusammen vom Kreuzbein und setzt mit m e d i a l e n und l a t e r a l e n Z a c k e n im L e n d e n g e b i e t an den Processus costarii und accessorii, im B r u s t gebiet lateral an den R i p p e n , medial an den Q u e r f o r t s ä t z e n an. D a er sich kranialwärts erschöpft, bekommt er akzessorische Zacken von den Querfortsätzen der oberen Lendenund unteren Brustwirbel. Der H a l s t e i l (L. cervicis) entspringt von den Quer-

111

Die langen, tiefen, autochthonen Rückenmuskeln

fortsätzen der oberen Brustwirbel und setzt an den Querfortsätzen der oberen und mittleren Halswirbel (also nur mit e i n e r Reihe von Zacken) an. Der K o p f t e i l {Long, capitis) entspringt von den Querfortsätzen der oberen Brustund unteren und mittleren Halswirbel. E r setzt am Warzenfortsatz an.

M. rectus capitis

lat.

Μ transversooccipitalis [Semispinals capitis]

M. longissimus

M. longissimus

M.

cervicis

Mm.

intertransversarii

Mm.

interspinales

AI. transversocostalis [M. levator costae]

brenis

M. transversocostalis [M. levator costae]

longus

iliocostalis

M.

Akzessorische

capitis

spinalis

Transversospinales

System

Ursprünge Mm. intertransversarii ventrales et dorsales

M. longissimus

dorsi

Mm. M.

interspinales

iliocostalis

A b b . 89. Schema der tiefen Rückenmuskeln. Links Sakrospinalis und Spinalis. Rechts transversospinales System und kurze Rückenmuskeln.

112

Der Rücken.

Die Muskeln

Wirkung. Wirken die beiderseitigen Sakrospinales zusammen, so strecken sie den Rücken und den Kopf. Einseitig neigen sie den Rumpf seitwärts und drehen (Long, capitis) den Kopf zur gleichen Seite. Dabei sind die Hebelarme für die Seitwärtsneigung besonders günstig.

2. Medialer Muskelstrang 1. Transversospinales System (Abb. 89 rechts). E s zieht von Querfortsatz zu Dornfortsatz. Wir teilen es nach der Zahl der übersprungenen Wirbel ein in: a) Mm. rotatores, W i r b e l d r e h e r , finden sich nur an der Brustwirbelsäule, ziehen zur Wurzel des Dornfortsatzes des nächsthöheren oder übernächsten Wirbels. b) M. multifidus, d e r V i e l g e t e i l t e , überspringt 2 — 3 Dornen und ist im Lendengebiet am kräftigsten. c) M . semispinalis, H a l b d o r n m u s k e l , überspringt 4—-5 Dornen. E r entspringt an den Querfortsätzen der Brustwirbel und setzt an den Dornen der 6 oberen Brustwirbel und der 6 unteren Halswirbel an. d) M. transversooccipitalis [M. semispinalis capitis] entspringt von den Querfortsätzen der 6 oberen Brust- und 3 — 4 unteren Halswirbel und setzt am Hinterhaupt zwischen Linea nuchalis terminales und Linea plani nuchalis an. Der Muskel hat häufig eine kräftige Zwischensehne. Wirkung. Beidseitige Kontraktion des transversospinalen Systems ergibt eine Streckung der Wirbelsäule und des Kopfes. Sie halten aber auch die Wirbelsäule und stellen sie auf dem Becken fest, wie ein Mast auf einem Schiff durch Seile festgehalten wird. Einseitige Kontraktion enthält 2 Bewegungskomponenten 1. Seitwärtsneigen, 2. Drehen. Die queren Züge werden vorwiegend drehen (Rotatores), die langen (Semispinalis) vorwiegend seitwärts neigen. Der Multifidus steht in der Wirkung zwischen beiden. Der M. transversooccipitalis dreht den Kopf (Gesicht) zu der entgegengesetzten Seite. 2. Spinales System (Abb. 89) links. M. spinalis, D o r n m u s k e l . E r entspringt von den Dornen der 2 letzten Brust- und 3 obersten Lendenwirbel und setzt an den Brustwirbeldornen 3 — 9 an. Wirkung. Der M. spinalis streckt die Wirbelsäule (beidseitig) und neigt sie seitwärts (einseitig). 3. Kurze Rückenmuskeln (Abb. 89). a) Mm. interspinales. Sie spannen sich in der Hals- und Lendengegend paarig zwischen 2 Wirbeldornen aus. Wirkung. Die Interspinales nähern die Dornen einander und helfen strecken. b) Mm. intertransversarii, Zwischenquerfortsatzmuskeln. Sie spannen sich zwischen den Tubercula dorsalia im Halsgebiet (cervicales) und den Processus mamillares im Lendengebiet (lumbales) aus. Wirkung. Sie neigen seitwärts. Zusammenfassung. Die Muskeln des medialen und lateralen Stranges stammen von der d o r s a l e n Muskelanlage ab, werden deshalb a l l e von den h i n t e r e n Ä s t e n der zuständigen S p i n a l n e r v e n versorgt. Gemeinsam strecken sie den Rumpf (Erektor trunci), einseitige Kontraktion ergibt Seitwärtsneigung und Drehung. Auch bei einseitiger Bewegung müssen die Muskeln der Gegenseite mitwirken, sich der Bewegung durch Nachgeben anpassen. Das mannigfaltige Zusammenarbeiten oberflächlicher und tiefer

Die kurzen Nackenmuskeln

113

Schichten, kranialer und kaudaler Abschnitte, der gleichen und der Gegenseite ergeben ein sehr buntes Bewegungsbild, wie wir es in höchster Vollendung beim „Schlangenmenschen" finden. Abarten. Sehr häufig kann man die Grenzen zwischen den Muskelindividuen nur künstlich darstellen. Es findet sich auch nur wenig Bindegewebe zwischen ihnen. Nicht selten kommen Verbindungen zu Nachbarmuskeln vor. Die Zahl der Ursprünge und Ansätze kann vermehrt und vermindert sein.

3 . Die kurzen Nackenmuskeln (Abb. 90) Entsprechend der besonders guten Beweglichkeit des mit den Hauptsinnesorganen ausgestatteten Kopfes auf der Wirbelsäule, ist auch die Muskelmasse zwischen Kopf, Atlas und Epistropheus besonders gut gegliedert. Linea

plani

nuchalis

[nuchae int."]

t Proc. Proc. transversus Tuberculum

Μ• obliquus

mastoides atlantis

dorsale

atlantis

minor

M. rectus capitis

dorsalis

major

Μ.

epistrophei

[sup.'] dorsalis

M. obliquus

Proc. spinalis

capitis

Μ. rectus capitis

atlantis

[capitis

inf.]

interspinalis

A b b . 90. Die kurzen Nackenmuskeln.

ι. Μ. rectus capitis dorsalis major zieht vom Dorn des Epistropheus lateralaufwärts zur Linea plani nuchalis. 2. M. rectus capitis dorsalis minor verläuft vom Tuberculum dorsale des Atlas zur Linea plani nuchalis medial vom vorigen. 3. M. obliquus atlantis [M. obliq. cap. inf.] zieht vom Dorn des Epistropheus zum Querfortsatz des Atlas. 4. M. obliquus capitis [sup.] verläuft als oberster M. intertransversarius vom Querfortsatz des Atlas zur Linea plani nuchalis. Der in Abb. 89, 90 lateral vom Obliquus capitis etwas sichtbare M. rectus capitis lateralis ist als ventraler Intertransversarius bereits ventraler Herkunft, wird vom v e n t r a l e n Ast des N. suboccipitalis (C. 1) versorgt. Nervenversorgung. Die 4 übrigen genannten Muskeln sind dorsalen Ursprungs, werden vom d o r s a l e n Ast des N. suboccipitalis und ζ. T. aus C. 2 versorgt.

Wirkung. M. rect. cap. dors, minor und M. obliquus capitis strecken den Kopf (beidseitig) oder neigen ihn zur selben Seite (einseitig). M. obliquus atlantis dreht den weit ausladenden Hebelarm, den Querfortsatz des Atlas, und damit den Kopf (das Gesicht) auf dem Epistropheus zur selben Seite. Der M. rectus cap. dors, major streckt den Kopf (beidseitig), dreht und neigt ihn zur selben Seite (einseitig). Die langen, am Kopf ansetzenden Rückenmuskeln unterstützen diese Bewegungen. W a l d e y e r , Anatomie I. 2. A u f l .

8

114

Der Rücken. Die Muskeln

4. Rückenmuskeln ventraler Herkunft Im Hals- und Lendengebiet finden sich zwischen den Rippenrudimenten der Seitenfortsätze der Wirbel Reste der Zwischenrippenmuskeln, die Mm. intertransversarii ventrales. Sie werden wie die Zwischenrippenmuskeln von v e n t r a l e n N e r v e n ä s t e n versorgt. Die Mm. transversocostales [Levatores costarum] (Abb. 8g rechts) entspringen von den Querfortsätzen des 7. Hals- bis 11. Brustwirbels und ziehen zu den nächstunteren Rippen. I m unteren Brustgebiet überspringen sie auch manchmal eine Rippe (longi). Lendenwirbelkörper

und

Wirbeikanal

Processus 1

spinalis

Processus costarius u. Aponeurosis

I

lumbalis Pars apcneurotica fasciae lumbodorsalis

- "

__ — - Af. latissimus dors. ^ ~-

Μ. quadraius lum borum

_ - Fascia

lumbalis

Niere u. Capsula — adiposa AI. obliquus abdom. ext. Al. obliquus abdom. int. M. transversus abdominis Colon descendens " - Fascia

Leber

Abb. 91.

Wirkung. strecken.

Peritonaeum u. V. cava caudalis Fascia transversalis

Aorta

Μ. psoas u. Fascia

transversalis

Peritonaeum psoica

Schematisierter Querschnitt durch den Rücken in der Lendengegend. Faszien und Aponeurosen des Rückens. Muskellogen.

Sie sind k e i n e R i p p e n h e b e r , sondern neigen seitwärts und helfen

Nervenversorgung.

Aus den Nn. intercostales (C. 8 bis Th. 11).

E s sei hier schon darauf verwiesen, daß die vor der Wirbelsäule gelegenen Muskeln, die p r ä v e r t e b r a l e M u s k u l a t u r des Halses und die B a u c h m u s k u l a t u r , mit der Rückenmuskulatur zusammenarbeiten. Sie helfen beim Seitwärtsneigen, beim Drehen und sind Antagonisten der Strecker, also Beuger. Wie wir oben bereits hörten, müssen aber Agonisten und Antagonisten zusammenwirken, um eine harmonische Bewegung zu erreichen.

III. Die Faszien des Rückens (Abb. 87, 88, 91) 1. Fascia nuchae, ein kräftiges Bindegewebsblatt, das unter dem Trapezius und Rhomboides die tiefen Nackenmuskeln einhüllt, zum Seitenfortsatz der Halswirbel zieht und am Vorderrande des Trapezius in die Fascia superficialis übergeht. 2. Fascia lumbodorsalis ist eine kranial dünne, k a u d a l stärker werdende Bindegewebsplatte, die von den W i r b e l d o r n e n , dem K r e u z b e i n und der C r i s t a i l i c a kommt, die tiefen Rückenmuskeln einhüllt, im Brustgebiet an den Rippenwinkeln ansetzt und sich im Lendengebiet lateral vom Sakrospinalis mit der Aponeurosis lumbalis

Der

vereinigt. Kaudal dient sie zum Ursprung. Sie hat hier fasciae lumbodorsalis. Sie rinne, die vor allem den (führt) und damit eine viel fehlen trennende Faszien.

115

Wirbelkanal

dem M. latissimus dorsi und dem M. serratus dorsalis caudalis mehr den Charakter einer Sehne und heißt Pars aponeurotica liefert die dorsale Begrenzung der osteofibrösen FührungsLendenteil der tiefen Muskulatur an der Wirbelsäule hält bessere Wirkungsmöglichkeit ergibt. In der tiefen Muskulatur

3. Aponeurosis lumbalis [tiefes Blatt der Faszie], Sie entspringt an den Rippenfortsätzen, zieht zwischen Psoas und Quadratus lumborum (ventral) und den dorsalen tiefen Rückenmuskeln bis zum lateralen Rande des Sakrospinalis. Hier vereinigt sie sich mit der Fascia lumbodorsalis und dient dem Transversus abdominis und teilweise dem Obliquus internus zum Ursprung (Abb. 91). Der kraniale Teil setzt an der 12. Rippe an und heißt auch Lig. lumbocostale. Nach kaudal reicht sie bis zum Darmbeinkamm.

C. Der Wirbelkanal, Canalis vertebralis Die Wirbelsäule enthält den weitgehend geschützten Behälter für das Rückenmark mit seinen Häuten und Gefäßen. Dieser Behälter, der Wirbelkanal, reicht vom großen Hinterhauptsloch, Foramen occipitale magnum, bis zum Hiatus canalis sacralis, dem unteren Ende des Kreuzbeinkanales. E r ist durch Bänder bis auf die Foramina inter vertebralia geschlossen. Durch diese v e n t r a l von den Gelenkfortsätzen gelegenen Löcher treten die segmentalen Nerven und Gefäße aus bzw. ein. Im H a l s - und L e n d e n g e b i e t , den Stellen der stärksten Beweglichkeit, ist der K a n a l am w e i t e s t e n und im Querschnitt dreieckig. Im Β r u s t gebiet ist er kranial rund, kaudal queroval und im Kreuzbein halbmondförmig. I m B r u s t g e b i e t ist der I n h a l t des Kanales durch die sich dachziegelförmig d e c k e n d e n Dornen knöchern g e s c h ü t z t . Z w i s c h e n den H a l s - und L e n d e n w i r b e l n sind Stichverletzungen des R ü c k e n marks eher möglich. Zwischen d e n horizontal gestellten L e n d e n w i r b e l d o r n e n gehen wir bei der Lumbalpunktion ein. Die günstigste Stelle (zwischen 3. und 4. Dorn) erhalten wir, indem wir die oberen R ä n d e r der D a r m b e i n k ä m m e miteinander verbinden. D a das eigentliche R ü c k e n m a r k beim Erwachsenen bis z u m 2. Lendenwirbel, b e i m K i n d bis z u m 4. L e n d e n w i r b e l reicht, soll m a n nicht kranial d a v o n eingehen (s. unten).

I. Rückenmarkshäute, Räume und Gefäße des Wirbelk anales A m großen Hinterhauptsloch setzt sich das Gehirn mit den Hirnhäuten in das Rückenmark mit den Rückenmarkshäuten fort. Die äußerste oder harte Hirnhaut {Dura mater) teilt sich hier in 2 Blätter. Das ä u ß e r e Blatt überzieht als Periost die Wirbel, das i n n e r e liefert (Abb.-93) den bis zum 2.—3. Sakralwirbel reichenden Duralsack, der das Rückenmark und die weichen Hirnhäute aufnimmt. Zwischen äußerem und innerem Blatt liegt (Abb. 92) der weite Extraduralraum, Cavum extradurale [epidurale], ausgefüllt mit lockerem Bindegewebe, den dichten Plexus venosi vertebrates interni und den Α α. spinales. t Die Plexus venosi vertebrales interni sammeln das Blut aus dem Rückenmark und den Wirbelkörpern (Vv. basivertebrales) und hängen durch das Foramen intervertebrale segmental mit den Plexus venosi vertebrales externi (außen auf den Bogen und Körpern der Wirbel liegend) zusammen. Letztere münden in die V v . v e r t e b r a l e s , i n t e r c o s t a l e s u n d l u m b a l e s . (Extradurale Blutungen komprimieren das Rückenmark.) Durch den H i a t u s c a n a l i s s a c r a l i s kann man in den E x t r a d u r a l r a u m gelangen und (s. Abb. 93) die durch ihn hindurch verlaufenden Rückenmarksnerven betäuben 8»

116

Der Rücken. Der Wirbelkanal

{sakrale Anästhesie). Stößt man die Nadel bis zum 3. Sakralwirbel vor, so gelangt man in den D u r a l s a c k . V o m D u r a l s a c k gehen seitlich s a c k f ö r m i g e Ausstülpungen bis in das Foramen intervertebrale ab. Sie hüllen das Spinalganglion und die vordere und hintere Wurzel der Rückenmarksnerven (Abb. 92) ein. Innerhalb des Duralsackes, durch einen feinen Spalt, Cavum subdurale, von ihm getrennt, finden wir die dünne Spinngewebshaut, Arachnoides. Die gefäßführende Pia mater hängt fest mit dem Rückenmark zusammen. Seitwärts schickt sie (Abb. 92, 93) die am Rückenmark

Pia mater

Cavum extradurale

1

A rachnoides

/ Cavum subdurale

\

Dura mater \ Lig. inlerarcuale

[epidurale]

Cavum

^

f

/ Radix

/

leptomeningicum [subarachnoidale] Lig.

denticulatum

dorsalis

Ram. spinalis a. intercostalis Ganglion

spinale

Ramus dorsalis N.

spinalis

Ramus ventralis Rami cotnmunicantes Radix

ventralis

/

A. sulcocomtnissuralis

/

'

A. spinalis

ventralis

Fissura mediana ventralis

A b b . 92. Querschnitt durch den Wirbelkanal in Höhe des 2. Brustwirbels. Rückenmark weiß und grau; Piamater violett; Venen blau; Arterien rot; Cavilm subdurale und Cavum leptomeningicum schwarz.

breiten, lateral dünner werdenden Ligamenta denticulata zur Dura. In der Pia mater verlaufen d o r s a l , am Eintritt der hinteren Wurzeln, die meistens paarigen Aa. spinales dorsales, v e n t r a l in der Fissura mediana des Rückenmarks die unpaare A. spinalis ventralis. Die Pia erhält aus den segmentalen Arterien durch die Foramina intervertebralia die Rr. spinales. Zwischen Arachnoides und Pia mater, den weichen Hirnhäuten (Leptomenix), liegt der weite Subarachnoidalraum, Cavum leptomeningicum [subarachnoidale]. E r steht am großen Hinterhauptsloch mit dem Subarachnoidalraum des Gehirns in Verbindung, reicht wie die D u r a b i s zum 2.—3. Kreuzbeinwirbel und enthält die Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit, den Liquor cerebrospinalis. Wenn wir aus diagnostischen Gründen Liquor entnehmen müssen, gehen wir in den Subarachnoidalraum zwischen 3. und 4. Lendenwirbel (Lumbalpunktion) oder zwischen Hinterhaupt und Atlas (Suboccipitalpunktion) ein. In dem Liquor ist das Rückenmark durch die Ligamenta denticulata und die Rückenmarksnerven leicht schwebend aufgehängt.

Das Rückenmark

117

II.Das Rückenmark,Medulla spinalis

C

ι

Atlas

1. Form und Lage Das Rückenmark (Abb. 93) reicht v o m A b g a n g des ersten Halsnerven (zwischen Atlas und Hinterhaupt) bis zum Conus medullaris (beim Erwachsenen in Höhe des 2. Lendenwirbels). Kaudal setzt es sich in den ganglienzellenfreien Endfaden, Filum terminale, fort. Dieser durchbricht das Ende des Duralsackes und zieht von einer feinen Durascheide, dem Filum durae matris spinalis, überzogen bis zum 2. Steißbeinwirbel. W i r finden am Rückenmark 2 Anschwellungen, zwischen 3. Hals- und 2. Brustwirbel die Intumescentia cervicalis, zwischen 9. Brust- und 2. Lendenwirbel die Intumescentia lumbalis. Die Anschwellungen entsprechen den Ursprungsgebieten der Extremitätennerven. Sie sind am stärksten gegenüber dem 5. und 6. Haisund dem 12. Brustwirbel. Vom nämlich

Rückenmark

gehen 31

Nervenpaare

Dura mater

cervicalis

—Th.

1

rticulus capituli costai

Lig. ienticulatum

ab,

8 Halsnerven, Nervi cervicales, 12 Brustnerven, Nervi thoracici, 5 Lendennerven, Nervi lumbales, 5 Kreuzbeinnerven, Nervi sacrales, 1 Steißbeinnerv, Nervus coccygicus. Die Höhe des Rückenmarksegmentes fällt nur im o b e r e n Halsmark ungefähr mit der Austrittsstelle {Foramen intervertebrale) des zugehörigen Nervenpaares zusammen. Nach kaudal wird (Abb. 93, 94) der i n t r a v e r t e b r a l e Verlauf der Spinalnerven immer länger und schräger. Neben dem Filum terminale bilden sie ein roßschweifähnliches Bündel (Cauda equina). Entwicklung. Ursprünglich liegt das Nervensegment dem zugehörigen Wirbel gegenüber. In der späteren Entwicklung wächst der Rumpf schneller als das Rückenmark. Da dieses kranial am Gehirn befestigt ist, muß es im Wirbelkanal immer höher h e r a u f r ü c k e n . Entsprechend müssen die segmentalen Nerven immer steiler h e r a b z i e h e n . Mit dem 12. Lebensjahr ist dieser Entwicklungsprozeß abgeschlossen. Das Rückenmark hat dieselbe Lage wie beim Erwachsenen erreicht. Für das operative Eingehen bei einer L e i t u n g s s t ö r u n g (Verletzung, Kompression, Tumor [Geschwulst], Blutung) ist die genaue

lumbalis L. 1

nalis

termi-

Filum nale

termi-

Cauda

equina

Lokalisation der Höhenlage im Rückenmarkskanal von prak-

tischer Bedeutung. Das Schema (Abb. 94) orientiert darüber, wie Nerven- und Skeletsegment zueinander liegen. I m allgemeinen liegt das 1. Brustsegment dem 7. Halswirbelkörper, das 1. Lendensegment dem 10. Brustwirbelkörper, das 1. Kreuzbeinsegment dem 1. Lendenwirbelkörper gegenüber.

A b b . 93. Rückenmark im Rückenmarkskanal. Von dorsal her eröffnet.

Der Rücken. Der Wirbelkanal

118

Die Verzweigung der Spinalnerven und die Geflecht(Plexus)- bildung wurde bereits im allgemeinen Teil (S. 76) besprochen. ar® F

s

7

2. Der Aufbau des Rückenmarks und die Nervenbahnen sollen hier nur kurz, beim Gehirn und den Nervenbahnen (II. Teil) ausführlich besprochen werden. Der Rückenmarksquerschnitt (Abb. 95) zeigt v e n t r a l einen tiefen Einschnitt, Fissura mediana ventralis, und d o r s a l eine seichte Furche, Sulcus medianus dorsalis, die sich in eine feine, gliöse Scheidewand, Septum medianum dorsale, fortsetzt. Durch die Fissura ventralis und das Septum dorsale wird das R ü c k e n m a r k in 2 symmetrische Hälften geteilt. Fasciculus

dorsalis

Sulcus medianus dorsalis, Septum medianum dorsale Columna

Fasciculus ^ lateralis \

dorsalis

— Can. centralis u. Commissur — Col. lateralis — Columna ventralis —-Fiss mediana ventralis

Fasciculus ventralis

—Sulcus ventrolateralss

A b b . 95. Schema der grauen und weißen Substanz des Rückenmarkes. Der kraniale Teil der weißen Substanz ist entfernt, um den ,,Säulen"charakter der grauen Substanz hervorzuheben.

A b b . 94. Lagebeziehungen von Rückenmarkssegmenten, Wirbelkörpern und Dornfortsätzen (Schema). Dornen und Wirbelkörper sind durch röm i s c h e , Rückenmarkssegmente und -nerven durch arabische Zahlen bezeichnet. Hals-, Brust-, Lenden-, Kreuzbein- und Steißbeinmark abwechselnd weiß und schwarz, die entsprechenden Nerven durch verschiedene Ausführung hervorgehoben.

Die weiße Substanz (vorwiegend markhaltige Nervenfasern) ist p e r i p h e r , die graue Substanz (vorwiegend Zellen) ist z e n t r a l untergebracht. Die letztere hat auf dem Querschnitt Η - F o r m (auch als Schmetterlingsfigur bezeichnet). K ö r p e r l i c h betrachtet ist es eine mit tiefen Rillen und starken Längsleisten versehene Säule. Somit unterscheiden wir an der grauen Substanz eine lange, schmale Hintersäule [Hinterhorn], Columna dorsalis, eine kurze, stumpfe Vordersäule [Vorderhorn], Columna ventralis, im Brustgebiet noch eine Seitensäule [Seitenhorn], Columna lateralis, und ein zentrales V e r b i n d u n g s s t ü c k mit einem feinen K a n a l , Canalis centralis, und einer d o r s a l e n , g r a u e n (Commissura grisea) und einer v e n t r a l e n , w e i ß e n Verbindung (Commissura alba). Zwischen Hinter- und Seitensäule breitet sich graue Substanz netzförmig (Formatio reticularis) aus und faßt Bündel weißer Substanz zwischen sich (Abb. 97). In den verschiedenen Rückenmarkshöhen haben die Rückenmarksquerschnitte eine sehr wechselnde Form

Die Zellen und Zellgruppen des Rückenmarks

119

( A b b . 96). I m Bereich der G l i e d m a ß e n h a t das R ü c k e n m a r k besonders große Gebiete mit N e r v e n z u versorgen. Die zahlreichen Neuriten z u den Gliedmaßenmuskeln bedeuten eine V e r m e h r u n g der Vorderwurzelzellen u n d d a m i t eine V e r g r ö ß e r u n g der Vordersäule. Die v e r m e h r t e n E i n drücke aus der Peripherie bedingen eine V e r g r ö ß e r u n g der Hintersäule. Die V e r m e h r u n g der grauen S u b s t a n z im B e r e i c h der G l i e d m a ß e n f ü h r t auch z u einer G e s a m t v e r d i c k u n g des R ü c k e n m a r k s in diesen Gebieten (Intumescentia cervicalis und lumbalis). A u f f ä l l i g ist weiter eine a l l m ä h l i c h e Z u n a h m e d e r w e i ß e n S u b s t a n z v o n k a u d a l nach kranial. Die kranialen A b s c h n i t t e enthalten j a auch alle B a h n e n v o n oder z u den tiefer gelegenen A b s c h n i t t e n . Der 0 , 0 5 — 1 m m breite Zentralkanal h a t eine sehr wechselnde F o r m . Meistens ist er kranial quer-, .kaudal längsoval. E r k a n n a u c h streckenweise verödet sein. Die Hauptunterschiede sind in A b b . 96 schematisiert. Dazwischen g i b t es noch viele Übergänge.

a) Die Zellen und Zellgruppen des Rückenmarks W i r pflegen W u r z e l - und S t r a n g z e l l e n scheiden.

z u unter-

a) Die Wurzelzellen (Cellulae radiculares) liefern die W u r z e l n ,

Radices,

des R ü c k e n m a r k s .

1. Vorderwurzelzellen, Cellulae

radiculares

ventrales.

II

Abb. 96. Verschiedene Rückenmarksquerschnitte (schematisiert), α = Zervikalmark, b = Thorakalmark, c - Lumbahnark, d = Sakralmark.

Die großen, multipolaren Ganglienzellen liegen sämtlich in charakteristischen G r u p p e n (meistens 5) in der V o r d e r säule (Abb. 97). Ihre Neuriten (vollrot) verlassen v e n t r a l d a s R ü c k e n m a r k u n d liefern die vordere Wurzel, Radix ventralis, u m motorisch die quergestreifte S k e l e t m u s k u l a t u r z u versorgen. Selbständige Ä s t e aus der A. spinalis ventralis versorgen das wichtige Gebiet der Vorderwurzelzellen besonders reichlich mit B l u t (Abb. 92).

Die Zellgruppen der Vordersäule" darf man sich nicht als überall gleichstarke Stränge, die das g a n z e R ü c k e n m a r k durchziehen, vorstellen (Abb. 55), sondern als k u r z e S ä u l e n , deren Zellen jedesmal e i n e n Muskel versorgen. E r s t r e c k t sich eine solche Säule durch 3 Segmente (Abb. 55, blau, grau, rot), so verlassen ihre Neuriten das R ü c k e n m a r k durch 3 vordere Wurzeln. Anschließend finden sich die z u e i n e m Muskel gehörend e n Fasern wieder zum p e r i p h e r i s c h e n N e r v e n z u s a m m e n . Der Ausfall einer Wurzel oder eines peripheren Muskelastes wird deshalb verschiedene (radikuläre oder peripherische) Symptome zeigen. Bei peripherischer Lähmung wird ein Muskel g a n z ausfallen. Bei radikulärer Lähmung fallen T e i l e verschiedener Muskeln aus. Mit den Neuriten der somatomotorischen Vorderwurzelzellen (für die S k e l e t m u s k u latur) verlaufen die Neuriten der viszeromotorischen Zellen z u m paravertebralen Grenzstrang. Sie h a b e n (Abb. 97, rotgestrichelt) ihren U r s p r u n g in Zellen der S e i t e n s ä u l e oder des M i t t e l f e l d e s (zwischen Vorder- u n d Hintersäule) und ziehen v o n dort als präganglionäre Fasern durch die vordere Wurzel, den N. spinalis und den Ramus communicans albus z u m Grenzstrang des S y m p a t h i k u s . Hier schaltet der größere Teil auf ein zweites Neuron um, das mit seinem Neuriten zu den E i n g e w e i d e n oder i m Ramus com-

120

Der Rücken. Der Wirbelkanal

municans griseus zum spinalen Nerven, mit ihm zur Peripherie und zur Haut zieht (Gefäßverengung, Kontraktion der glatten Muskulatur, Sekretion der Drüsen) S. 81. 2. Hinterwurzelzellen, Cellulae radiculares dorsales. Die großen, pseudounipolaren Ganglienzellen liegen von einem Kranz kleiner M a n t e l z e i l e η (peripherischer Glia) umgeben zu seiten des Rückenmarkes in den segmentalen Spinalganglien. E s sind pseudounipolare, bineuritische Zellen. Der e i n e N e u r i t kommt aus der Peripherie (Haut, Muskel, Sehne usw.) und verläuft z u r Z e l l e (zellulipetal), der a n d e r e kommt a u s d e r Z e l l e (zellulifugal) und gelangt durch die hintere Wurzel, Radix dorsalis, in die Wurzeleintrittszone (Abb. 97, 99, 100) des Rückenmarks. Sulcus intermethus dors.

Sulcus medianus

dorsalis

I I

Wurzeleintrittszone und Radix dorsalis Zona

terminales-

Zona marginalis — Zona gelatinosa' " Nucleus dorsalis• {Clarke sehe Säule] Formatio reticularis -

Radix

ventralis·

Fissura mediana ventralis

A b b . 97. Rückenmarksquerschnitt. Es sind schematisiert links die Zellen und Zellgruppen, rechts die Strangzellen (schwarz und blau), die Vorderwurzelzellen (rot) und die Felder der verschiedenen Rückenmarksbahnen . Kurze Strangzellen: vollschwarz; Kommissurenzellen = schwarz gestrichelt; blau a = Neurit des Tractus spinocerebellaris dorsalis; blau b = Neurit desTractus spinocerebellaris ventralis; blau c = Neurit des Tractus spinothalamicus; Gr. B. = Grundbündel; ο = ovales Hinterstrangfeld; k = kommaförmiges Hinterstrangfeld. — Die römischen und arabischen Zahlen geben die Felder der auf- und absteigenden Bahnen an. Man vergleiche T e x t und A b b .99.

Ein Teil dieser Neuriten (Abb. 100) zieht direkt zum Fasciculus dorsalis. Hier teilt sich jeder Neurit in einen zum verlängerten Mark, Medulla oblongata, a u f s t e i g e n d e n und einen einige Segmente a b s t e i g e n d e n Ast. Die absteigenden Äste bilden das kommaförmige Feld des Hinterstranges (Abb. 99). Ein anderer Teil der Fasern (Abb. 100, 6) schaltet direkt auf eine Vorderwurzelzelle um (direkter Reflexbogen). Ein großer Teil der Neuriten der Radix dorsalis schaltet (Abb. 100, 2—5) in der grauen Substanz der Hintersäule auf eine 2. Zelle, ein 2. Neuron um. Diese 2. Neuren bezeichnen wir als Strangzellen. Neben den somatosensiblen Fasern aus der Peripherie verlaufen noch viscerosensible Fasern von den Eingeweiden und allen vegetativ versorgten Geweben durch die hintere Wurzel. Ihre Zellen liegen (Hirt) ebenfalls in den Spinalganglien. Ihre Neuriten können sich im Rückenmark wie die somatosensiblen auf zweigen.

Die Zellen und Zellgruppen des Rückenmarks

121

ß) Die Strangzellen, Cellulae funiculares Ihre meist kleinen Zelleiber liegen in den verschiedensten Teilen der grauen Substanz, vorwiegend in der Hintersäule und dem Mittelfeld (zwischen Hinter- und Vordersäule). Ihre Neuriten ziehen in die weiße Substanz, bilden dort Stränge (Tractus). Nach der Länge ihrer Neuriten pflegen wir sie in kurze und lange Strangzellen einzuteilen. 1. Kurze Strangzellen (Abb. 97, vollschwarz) ziehen in die nächste Umgebung der grauen Substanz, bilden hier die Grundbündel, in denen sie 2 — 3 Segmente kranialund 1 — 2 Segmente kaudalwärts ziehen. Sie geben in ihrem Verlaufe (Abb. 98) S e i t e n ä s t e (Kollateralen) an die graue Substanz, besonders an die V o r d e r w u r z e l z e l l e n ab. So werden nicht einzelne Muskelfasern und -bündel, sondern ganze Muskeln und Muskelgruppen zu zweckmäßiger Bewegung zusammengefaßt. Auf einen Hautreiz (Stich usw.) hin finden noch A b wehrbewegungen statt, wenn das Rückenmark durch einen Schnitt v o m Gehirn getrennt ist. Ein Teil solcher kurzer Zellen gelangt (Abb. 97, schwarz gestrichelt; A b b . 98,100 vollschwarz) durch die Commissura alba zum Vorder- und Seitenstrang der G e g e n s e i t e . Diese Kommissurenzellenlösen eine gleichsinnige Bewegungin der Gegenseite des Rückenmarkes aus. Diese kurzen, der Assoziation (Zusammenarbeit) verschiedener Segmente dienenden Strangzellen gehören zum Eigenapparat des Rückenmarkes.

A b b . 98. Schema des indirekten Reflexes und

2. Die langen Strangzellen beginnen in des assoziativen Arbeitens verschiedener der Hintersäule und dem Mittelfeld und ziehen Querschnittshöhen der gleichen und der Gegenseite. Die H i n t e r w u r z e l f a s e r (blau) in besonderen Strängen, Tractus, im Rückenschaltet auf die k u r z e n Strangzellen mark bis zum Gehirn aufwärts (Abb. 97, blau). (schwarz) und die K o m m i s s u r e n z e l l e n a) An der Basis der Hintersäule liegt eine (schwarz, zur Gegenseite ziehend) um. Die Ansammlung relativ großer Zellen, der Fasern dieser Zellen verlaufen zu Seiten der grauen Substanz, in den G r u n d b ü n d e l n , Nucleus dorsalts [Clarke sehe Säule], und geben Kollateralen zurück in die graue Ihre Neuriten bilden den Tractus Substanz zu den V o r d e r w u r z e l z e l i e η (rot). spinocerebellaris dorsalis der g l e i c h e n Seite (Abb. 97, a). b) Im lateralen Teil des Mittelfeldes (zwischen Hinter- und Vordersäule) liegen Zellen, deren Neuriten den Tractus spinocerebellaris ventralis der g l e i c h e n und ζ. T . der Gegenseite bilden (Abb. 97, b). c) Aus Zellen in der Hintersäule tritt der Neurit durch die Commissura alba zum g e g e n s e i t i g e n Seitenstrang und verläuft von dort als Tractus spinothalamicus zum Thalamus des Gehirns (Abb. 97, c). γ) Die Substantia gelatinosa dorsalis [Rolandi] (Abb. 97) Der Hintersäule liegt dorsal eine am frischen Präparat glasig erscheinende, halbmondförmige Schicht an, die aus plasmareicher, faserarmer G l i a besteht und nur wenige kleine {Gierkesehe] Zellen enthält. An diesen zentralen Teil der Substantia gelatinosa

122

Der Rücken. Der Wirbelkanal

dorsalis schließt sich nach außen eine Zone m i t weitmaschiger, gliöser G r u n d s u b s t a n z an [Zona spongiosa]. I n ihren Maschen liegt ein M a n t e l v o n Z e l l e n u n d kleinen N e u r i t e n , die in den Hinter- und Seitenstrang ziehen. Die Substantia gelatinosa dorsalis ist im H a l s m a r k a m stärksten, i m B r u s t m a r k s c h w a c h u n d im L e n d e n - und S a k r a l m a r k g u t ausgebildet. Sie findet sich in dieser A u s d e h n u n g nur b e i m Säugerrückenmark. Die nach außen folgende Zone dünner, m a r k h a l t i g e r Fasern wird als Zona terminalis bezeichnet.

b) Die weiße Substanz (Abb. 95) zerfällt in 3 Stränge

(Fasciculi);

1. den Fasciculus dorsalis, Hinterstrang, zwischen S e p t u m dorsale u n d Hintersäule, mit einer Pars medialis [Göll scher Strang] u n d einer Pars lateralis [Burdachscher Strang]; 2. den Fasciculus lateralis, Seitenstrang, zwischen Vorder- u n d Hintersäule; 3. den Fasciculus ventralis, Vorderstrang, zwischen Vordersäule u n d ventralis.

Fissura

Die Nervenfasern der weißen Substanz k a n n m a n in 2 Hauptgruppen, aufsteigende und absteigende Z ü g e (Tractus) einteilen. Die a u f s t e i g e n d e n Züge werden durch A u f n a h m e aus den hinteren W u r z e l n nach k r a n i a l g r ö ß e r , die a b s t e i g e n d e n durch A b g a b e an die Vorderwurzelzellen nach k a u d a l k l e i n e r . I n A b b . 99 sind die aufsteigenden blau, die absteigenden rot angegeben. A u ß e r diesen H a u p t z ü g e n gibt es noch kurze Fasern, die einige R ü c k e n m a r k s h ö h e n miteinander verbinden. Sie dienen der Z u s a m m e n a r b e i t (Assoziation) verschiedener Segmente, liegen in unmittelbarer N a c h b a r s c h a f t der grauen S u b s t a n z und liefern die Vorder-, Seiten- u n d Hinterstranggrundbündel (Abb. 99, graue P u n k t e , s. S. 121). a) Die aufsteigenden Bahnen leiten E i n d r ü c k e , die aus der Körperperipherie über das Spinalganglion und die hintere W u r z e l in das R ü c k e n m a r k gelangen. Sie können dort direkt auf motorische Vorderwurzelzellen überleiten ( u n b e w u ß t e r R e f l e x ) oder bis z u m Gehirn herauf geführt werden u n d eine b e w u ß t e H a n d l u n g auslösen. Die E i n d r ü c k e k a n n m a n nach der A r t ihrer H e r k u n f t als e x t e r o r e z e p t i v e oder O b e r f l ä c h e n s e n s i b i l i t ä t u n d p r o p r i o r e z e p t i v e oder T i e f e n s e n s i b i l i t ä t unterteilen. Die exterorezeptiven Eindrücke werden durch außerhalb des Körpers gelegene Reize ausgelöst u n d bestehen in Tast-, Schmerz- u n d Temperaturempfindungen. Die propriorezeptiven Eindrücke k o m m e n a u s dem K ö r p e r selbst, von den Muskeln, Sehnen, Gelenken usw. E i n T e i l dieser E i n d r ü c k e regelt u n t e r b e w u ß t das Gehen u n d Stehen, die E r h a l t u n g des Gleichgewichts, die Harmonie der Körperbewegungen. D e r andere Teil der propriorezeptiven E i n d r ü c k e gelangt z u m Gehirn, wird b e w u ß t , orientiert uns über die L a g e der Gliedmaßen, die Winkelstellung der Gelenke (Lagesinn), über S p a n n u n g und Leistung des Muskels (Bewegungssinn, Kraftsinn, ζ. B . Schätzen eines Gewichtes). I. Fasciculus dorsalis, der Hinterstrang (Abb. 99,100), leitet die Tiefenempfindung und ζ. T . die T a s t e m p f i n d u n g . Die Neurone I. Ordnung beginnen im Muskel (Muskel- und Sehnenspindeln) oder in der H a u t (Meissner'sehe Tastkörperchen, Nervengeflecht um die Haarwurzeln), h a b e n ihre G a n g l i e n z e l l e i m S p i n a l g a n g l i o n u n d verlaufen durch die R a d i x d o r s a l i s z u m R ü c k e n m a r k u n d i m H i n t e r s t r a n g a u f w ä r t s bis z u m v e r l ä n g e r t e n M a r k . D a b e i ist v o n praktischer W i c h t i g k e i t , d a ß die E i n d r ü c k e v o n der unteren R u m p f h ä l f t e in der Pars medialis (I a) [Göllscher Strang], die v o n der oberen in der Pars lateralis (I b) [Burdachscher Strang] verlaufen. I m verlängerten Mark, z u Seiten des k a u d a l e n E n d e s der R a u t e n g r u b e , enden die I. N e u r o n e , die Spinalganglienzellen, indem sie sich an Zellen des Nucleus partis medialis et lateralis aufzweigen.

Die aufsteigenden Rückenmarksbahnen

123

Das hier beginnende II. Neuron kreuzt bald unter der Rautengrube mit den Fasern der Gegenseite (Decussatio lemniscorum) und steigt als sensible, mediale Schleife, Lemniscus medialis, durch das verlängerte Mark, die Brücke, das Mittelhirn bis zum Thalamus auf. D a s in den Kernen des Thalamus beginnende III. Neuron verläuft durch den hinteren Schenkel der inneren Kapsel (Capsula interna) zum Gyrus postcentralis der G r o ß h i r n r i n d e . Ein kleinerer Teil der Fasern zweigt bereits an den Nuclei partis medialis et lateralis ab und zieht als II. Neuron durch das Crus medullocerebellare zum K l e i n h i r n . Degenerieren die Hinterstrangbahnen (bei der Tabes dorsalis), so fällt die Koordination der Bewegungen aus. Wir finden dann den s p i n a l a t a k t i s c h e n Gang. Der Patient beginnt bei g e s c h l o s s e n e n Augen (zusätzlicher Ausfall der Augenkontrolle) zu schwanken (Rombergsches Phänomen). Er wird bei geschlossenen Augen nicht die Fingerspitzen der rechten und linken Hand gegeneinander (Fingerspitzenversuch) oderdie Zeigefingerspitze einer Hand gegen die Nasenspitze (FingerNasenspitzenversuch)| führen können, weil die Empfindung über die Stellung der Glieder im R a u m ausgefallen ist.

II. Tractus spinothalamicus. Das I. Neuron beginnt mit den Rezeptoren für S c h m e r z , K ä l t e u n d W ä r m e in der Peripherie. Der zellulipetale Neurit zieht zur Ganglienzelle im Spinalganglion. Der zellulifugale Neurit gelangt durch die hintere Wurzel (Abb. 100, 3) in die Hintersäule und zweigt sich dort an den Zellen des II. N e u r o n s

A b b . 99. Rückenmarksquerschnitt (schematisiert). In der rechten Hälfte sind die aufsteigenden (blau), in der linken Hälfte die absteigenden (rot) Bahnen dargestellt. Graue Substanz = dunkelgrau. Grundbündel = grau punktiert, l a u . I b = Fasciculus dorsalis mit Pars medialis (a) und lateralis (b); II = Tractus s p i n o t h a l a m i c s ; I I I = Tractus spinocerebellaris dorsalis; I V = Tractus spinocerebellaris ventralis; V = Tractus spinotectalis; V I = Tractus spinoolivaris. 1 = Tractus corticospinalis ventralis; 2 = Tractus corticospinalis lateralis; 3 = Tractus rubrospinalis; 4 = Tractus tectospinalis; 5 = Tractus vestibulospinalis ventralis (a) et lateralis (b); 6 = Tractus olivospinalis; 7 = Tractus longitudinalis medialis. k = kommaförmiges Hinterstrangfeld; ο = ovales Hinterstrangfeld; We = Wurzeleintrittszone; Rd = Radix dorsalis.

auf. Der Neurit des II. Neuron kreuzt durch die Commissura alba zur Gegenseite und zieht im S e i t e n s t r a n g aufwärts bis zum Thalamus, wobei sich die Fasern o b e r h a l b der Decussatio lemniscorum denen des Hinterstranges anschließen. D a s III. Neuron verläuft wie das des Hinterstranges (I) zum Gyrus postcentralis der Großhirnrinde. Die Bahnen I und II kreuzen beide zur Gegenseite, und zwar die B a h n I I sofort im Rückenmark, die Bahn I erst im verlängerten Mark (Decussatio lemniscorum). III. Tractus spinocerebellaris dorsalis, hintere Kleinhirn-Seitenstrangbahn. Das I. Neuron, dessen Ganglienzelle ebenfalls im Spinalganglion liegt, beginnt im Muskel, gelangt durch die hintere Wurzel zum Nucleus dorsalis [Clarkesehe Säule], einer Gruppe großer Ganglienzellen an der Basis der Hintersäule der g l e i c h e n Seite (Abb. 100, 2, A b b . 97, a). Hier beginnt das II. Neuron, das zum Seitenstrang der

124

Der Rücken. Der Wirbelkanal

gleichen Seite und weiter in ihm aufwärts bis zum verlängerten Mark und durch das Crus medullocerebellare zum Wurm des Kleinhirns zieht. Sie hilft mit der folgenden die Koordination der Bewegungen regeln. IV. Tractus spinocerebellaris ventralis [Gowrsches Bündel] (Abb. 97, b u. 94, IV). Das Bündel liegt ventral v o m vorigen an der Außenseite des Seitenstranges. Das I. Neuron*verläuft wie das der vorigen Bahn. Die Umschaltung auf das II. Neuron findet n i c h t im Nucleus dorsalis, sondern an Zellen im seitlichen Teil des Mittelfeldes statt. Der Neurit des II. Neurons durchläuft das Rückenmark, das verlängerte Mark und die Brücke und zieht von r o s t r a l h e r , durch das Crus cerebrocerebellare [Brachium conjunctivum], in den Wurm des Kleinhirns. V . Tractus spinotectal is. Die Fasern verlaufen mit dem Tractus spinothalamicus (II) und gelangen statt zum Thalamus zum vorderen Vierhügel (Colliculus rostralis). V I . Tractus spinoolivaris [Helwegsche Dreikantenbahn] . Das nur im Halsmark vorkommende Bündel verläuft an der Peripherie des Fasciculus ventralis aufwärts zum Nucleus olivae. ß) Die absteigenden Bahnen (Abb. 99, 101) Abb. ioo. 2 Rückenmarksquerschn t t e mit den hauptsächlichen auf1. Tractus corticospisteigenden Bahnen und den übrigen Verbindungen, die die Hinternalis ventralis, Pyramiwurzelzellen vermitteln, ι = direkte Hinterstrangbahn; 2 = Umschaltung auf Strangzelle der Kleinhirn-Seitenstrangbahn (gestrichelt) ; denvorderstrangbahn. Die 3 = Umschaltung auf Strangzelle des Tractus spinothalamicus Fasern entspringen in den (punktiert); 4 = Umschaltung mittels Kommissurenzelle auf Vordergroßen Pyramidenzellen wurzelzelle der Gegenseite; 5 = Umschaltung mittels kurzer Strangzelle (Schaltzelle) auf Vorderwurzelzelle (indirekter Reflexbogen); (I. Neuron) des Gyrus 6 = direkte Umschaltung auf Vorderwurzelzelle (direkter Reflexpraecentralis der Hirnbogen.) rinde, verlaufen durch den hinteren Schenkel der Capsula interna, die Hirnschenkel (Crura cerebri) und die Brücke (Pons), bis zu den am kaudalen Rande der Brücke, neben der Fissura ventralis gelegenen Pyramiden, kreuzen n i c h t in der Decussatio pyramidum, sondern laufen neben der Fissura mediana ventralis abwärts, erreichen meistens nicht das untere Brust- und Lendengebiet. Die Endfasern und auch die vorher abgehenden Kollateralen kreuzen zum größten Teil zur Gegenseite und enden dort an den motorischen Vorderwurzelzellen. Diese ziehen mit ihren Neuriten als II. Neuron zu den Skeletmuskeln. 2. Tractus corticospinalis lateralis. Pyramidenseitenstrangbahn. Das I. Neuron verläuft bis zu den Pyramiden wie die Bahn 1. Hier kreuzen (Decussatio pyramidum)

Die absteigenden Rückenmarksbahnen

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d i e F a s e r n in d e n Seitenstrang d e r G e g e n s e i t e , v e r l a u f e n i n i h m a b w ä r t s bis z u r E n d i g u n g a n d e n Vorderwurzelzellen dieser S e i t e . M i t d i e s e n b e g i n n t d a s II. Neuron, das durch die vordere W u r z e l zur Skeletmuskulatur zieht. A u f d e n B a h n e n χ u n d 2 v e r l a u f e n die R e i z e f ü r d i e W i l l k ü r b e w e g u n g e n . S i e b e s t e h e n a u s 2 Neuronen, die v o n d e r G r o ß h i r n r i n d e bis z u d e n V o r d e r w u r z e l z e l l e n u n d v o n dort zum Muskel verlaufen. Klinisch wichtig ist, daß die Lähmung des I. und II. Neuron ganz verschiedene Symptome ergibt. Ausfall des I. Neuron ( h ä u f i g 1 7 4 5a 6 5b 2 3 durch Blutung in der Umgebung ] \ / | | V l_ _/ der Capsula interna, Schlaganfall oder Apoplexie) läßt die W i l l kürbewegungen teilweise a u s f a l l e n (Parese). Die R e f l e x e sind g e s t e i g e r t , weil in der Bahn neben den erregenden auch hemmende Fasern zum II. motorischen Neuron verlaufen. Die R e f l e x b a h n von der hinteren Wurzel über die Vorderwurzelzelle zum Muskel ist i n t a k t . Das I. motorische Neuron kann aber in gewissem Grade durch extrapyramidale, tiefer entspringende (subkortikale) Bahnen ersetzt werden. Es kommt deshalb zu keinem vollständigen Ausfall. Der W i d e r s t a n d bei passiver Bewegung ist e r h ö h t ( s t r a f f e Lähmung), weil der Tonus (Spannung) der Muskeln erhöht ist. Es fließen nämlich dauernd von der Peripherie dem Rückenmark u n b e w u ß t e , geringe Reize zu, die reflektorisch eine dauernde, leichte Kontraktion der gesamten Muskulatur hervorrufen. Die dadurch hervorgerufene, leichte Spannung der Muskeln nennen wir Tonus. Bei Fortfall der h e m m e n d e n Fasern des I. Neuron muß der T o n u s e r h ö h t und damit die p a s s i v e B e w e g u n g gegen die im ToAbb. ι ο ί . 2 Kückenmarksquerschnitte mit absteigenden und die nus erhöhten Antagonisten Vorderwurzelzelle beeinflussenden Bahnen, ι = Tractus corticoerschwert sein. Durchschneispinalis ventralis; 2 = Tractus corticospinalis lateralis; 3 = Tracdung der hinteren Wurzeln tus rubrospinalis; 4 = Tractus tectospinalis; 5 a = Tractus und damit die Ausschaltung vestibulospinalis ventralis; 5 b = Tractus vestibulospinalis lateraaller laufend von der Peripherie lis; 6 = Tractus olivospinalis; 7 = Tractus longitudinalis mediazuströmenden Erregungen läßt lis; blau = 2 Hinterwurzelzellen; schwarz = kurze Strangzelle dieMuskeln erschlaffen (Atonie). (Schaltzelle). Reizung des I. Neuron, der motorischen Großhirnrinde (Gyrus praecentralis), führt zu Krämpfen (Rindenepilepsie). Ausschaltung des II. Neuron (Zerstörung der Vorderwurzelzelle, der vorderen Wurzel oder des peripherischen Nerven) ergibt die p e r i p h e r i s c h e oder s c h l a f f e Lähmung. Da der Reflexbogen unterbrochen ist, fällt der Tonus der Muskeln und die Reflexbewegung aus. (Schlaffe Muskeln, Fehlen der Reflexe.) Der Muskeltonus soll auch durch sympathische Fasern (die α-Faser der quergestreiften Muskulatur) beeinflußt werden. Schädigung des K l e i n h i r n s und der Tractus spinocerebellars ergibt einen Ausfall des Kleinhirntonus der g l e i c h e n Seite. Die ableitenden Fasern für ihn verlaufen vom Kleinhirn zum roten Kern (Nucleus ruber) der Gegenseite. Von dort kreuzt der Tractus rubrospinalis zum gleichseitigen Seitenstrang zurück. 3. T r a c t u s rubrospinalis [Monakowsches Bündel]. D i e F a s e r n b e g i n n e n im N u c l e u s r u b e r (in d e r H ö h e d e r v o r d e r e n V i e r h ü g e l g e l e g e n ) , k r e u z e n z u r G e g e n s e i t e

126

Der Rücken. Gefäß- und Nervenversorgung

und verlaufen v e n t r a l v o m Pyramidenseitenstrang zu den Vorderwurzelzellen. Deirote Kern erhält Zuflüsse vom K l e i n h i r n (s. oben), von den b a s a l e n G a n g l i e n und der G r o ß h i r n r i n d e . Alle diese Einflüsse werden dem II. motorischen Neuron, der Vorderwurzelzelle, zugeführt. 4. Tractus tectospinalis. Diese optische Reflexbahn kommt von der Vierhügelregion, dem früheren Tectum opticum, zieht gekreuzt (unter dem Aquaeductus mesencephali) oder ungekreuzt im Vorderstrang neben der Fissura ventralis zu den Vorderwurzelzellen. 5. Tractus vestibulospinalis. Die Fasern entspringen im lateralen Kern des N. vestibuli (Gleichgewicht, von den Bogengängen des inneren Ohres kommend), ziehen ungekreuzt im Vorderstrang (5 a) oder im Seitenstrang (5 b), ventral v o m Tractus rubrospinalis, zu den Vorderwurzelzellen, denen sie Erregungen vom Gleichgewichtsapparat zuführen. 6. Tractus olivospinalis [Helwegsche Dreikantenbahn]. Die Fasern entspringen im Nucleus olivae, der selbst wieder Zuflüsse vom roten Kern bekommt, und verlaufen im Vorderstrang neben Fasern des aufsteigenden Tractus spinoolivaris (VI) in der Dreikantenbahn bis zum Halsmark, wo sie an Vorderwurzelzellen endigen. 7. Tractus longitudinalis medialis. Das mediale (hintere) Längsbündel entspringt in seinem Kern in der Vierhügelgegend, erhält Fasern aus dem lateralen Vestibulariskern (Deiters) und zieht gekreuzt und ungekreuzt bis in das Rückenmark herab, wo es im Vorderstrang neben der Fissura ventralis liegt. In seinem Verlauf gibt es zahlreiche Kollateralen ab, die im G e h i r n die motorischen Hirnnervenkerne, vor allem die O k u l o m o t o r i u s k e r n e mit den ü b r i g e n A u g e n m u s k e l k e r n e n in Verbindung setzen und i m R ü c k e n m a r k zu den Vorderwurzelzellen verschiedener Segmente ziehen. Κ und 0. Kommaförmiges [Schultzesches Komma] und ovales Hinterstrangfeld sind k e i n e selbständigen absteigenden Bahnen, sondern die kurzen 6 — 7 Segmente absteigenden Äste des sonst aufsteigenden Fasciculus dorsalis. Ihre Kollateralen ziehen zu den Vorderwurzelzellen. A l l e a b s t e i g e n d e n B a h n e n (Abb. 101) s c h a l t e n a u f d i e V o r d e r w u r z e l zellen um, denen d a d u r c h die v e r s c h i e d e n s t e n E r r e g u n g e n z u g e f ü h r t w e r d e n . E s k o m m e n so d i e r e f l e k t o r i s c h v o m A u g e , v o m G l e i c h g e w i c h t s organ und vom Gehirn kontrollierten, koordinierten, harmonischen Bewegungen zustande.

D. Die Gefäß- und Nervenversorgung des Rückens Aus den Nn. spinales (Schema Abb. 50, 54) zieht ein gemischter (motorisch und sensibel) Ast nach dorsal, Ramus dorsalis. E r teilt sich bald in einen medialen und lateralen Ast, die die bodenständigen, autochthonen, langen Rückenmuskeln und anschließend mit den Endästen, Ramus cutaneus dorsalis medialis et lateralis, die Haut des Rückens versorgen. Die oberflächlichen oder Extremitätenmuskeln werden von ventralen Ästen versorgt. Siehe bei den einzelnen Muskeln und der oberen Extremität. Die Rr. cutanei dorsales l a t e r a l e s des 1 . — 3 . Lendennerven versorgen als Nn. clunium craniales, über den Darmbeinkamm absteigend, den kranialen und lateralen Teil der Haut des Gesäßes. Die Rr. cutanei dorsales l a t e r a l e s des 1 . — 3 . Kreuzbeinnerven versorgen als Nn. clunium medii den medialen Teil der Gesäßhaut, durchbohren den Ursprung des größten Gesäßmuskels (M. glutaeus maximus). Siehe untere Extremität. Die segmentalen Arterien aus der Aorta (Aa. intercostales im Brustgebiet und Aa. lumbales im Lendengebiet) geben ähnlich wie die Nerven einen Ramus dorsalis zum Rücken ab, der sich ähnlich wie der Nervenast aufzweigt und die langen Rückenmuskeln und die Haut des Rückens versorgt. Die großen Gliedmaßenmuskeln bekommen ihre Gefäßversorgung von den Gliedmaßengefäßen (siehe Arm).

Die Nackengegend, Regio nuchae

127

Die Nackengegend, Regio nuchae Da der Hals als Verbindung von Kopf und Rumpf hinsichtlich der G e f ä ß - u n d Nervenversorgung eine Sonderstellung einnimmt, soll hier die praktisch wichtige Nackengegend noch besonders besprochen werden. Sie wird nach oben durch die Linea nuchalis terminalis und die Protuberantia occipitalis externa, n a c h l a t e r a l durch den Vorderrand des M. trapezius und n a c h Μ

trapezius

I

A. occipitalis, ^ N. occipitalis major

Μ. transversooccipitalis

Μ occipitalis — M. sternocleii'omastoideus

Μ transversooccipitalis Μ. auricularis nuchalis

M. splenius capitis

Μ. transversus nuchae

M. obliquus capitis

Ν. retroauricularis

M. sternocleidomastoideus

M. sternocleidcrmastoideus

A.

occipitalis

N.

occipitalis minor

Μ. longissimus capitis

N.

occipitalis tertius

A. vertcbralis et N. saboccipitalis

Mm. reel. dors, major et minor Μ

Μ. obliquus atlantis

spleniu* capitis

N. occipitalis major

N. auricularis magnus

N. occipitalis tertius

Rr cutanei dorsales

Μ transversooccipitalis A. cervicalis profunda

M. trapezius—

Abb. 102. Regio nuchae.

Links oberflächlich; rechts tief.

u n t e n durch eine Linie vom stark vorspringenden 7. Halswirbeldorn (Vertebra prominens) zum Acromion, dem seitlich am weitesten ausladenden Punkt des Schulterblattes, begrenzt. Die N a c k e n h a u t ist besonders derb, erschwert das Aufsuchen der Hautnerven. Das subkutane F e t t g e w e b e ist dick und nicht selten so verdickt, daß quere Falten über den Nacken laufen. Nach Fortnahme der Haut und des Fettes finden wir auf dem M. trapezius neben den Wirbeldornen Rr. cutanei dorsales. Der Hautast des Ramus dorsalis von C. 2 durchbohrt mit der A. occipitalis (Hinterhauptsarterie) den Ansatz des M. trapezius und verläuft mit ihr als N. occipitalis major. Dieser versorgt die Haut des Hinterkopfes bis zum Scheitel und geht meistens mit dem N. occipitalis minor (aus dem Plexus cervicalis) eine Anastomose ein (Abb. 102 links). Der Ramus dorsalis von C. 1 hat keinen Hautast, sein Versorgungsgebiet ist vom N. oeeipit. major mit übernommen.

128

Der Rücken, Gefäß- und

Nervenversorgung

Nach Durchtrennung des M. trapezius, Μ. splenius capitis und M. transversooccipitalis [Semispinalis capitis] kommt zwischen den tiefen Nackenmuskeln (man wiederhole S. 113) die tiefe Nackengegend zum Vorschein. In dem von den Mm. obliquus atlantis, obliquus capitis und rectus capitis dorsalis major gebildeten D r e i e c k (Abb. 102 rechts) wird der Bogen des Atlas (hell), oberhalb desselben der N. suboccipitalis und weiter oben die A. vertebralis sichtbar. Zwischen Atlas und Epistropheus tritt der R a m u s d o r s a l i s von C. 2 aus, verläuft um den Unterrand des M. obliquus atlantis, geht häufig Verbindungen mit den benachbarten dorsalen Ästen ein und zieht als N. occipitalis major durch die darüberliegenden Muskeln zum Hinterhaupt. Der N. suboccipitalis, ein rein motorischer hinterer Ast (C. 1), meistens zwischen Atlasbogen und A . vertebralis austretend, versorgt die kurzen, tiefen Nackenmuskeln. Die A. vertebralis, der erste Ast aus der A. subclavia, verläuft v o r der Wirbelsäule aufwärts, tritt in das Foramen costotransversarium des 6. Halswirbels ein, verläuft in den Foramina costotransversaria 6 — 1 a u f w ä r t s , auf dem Atlasbogen in dem Sulcus α. vertebralis m e d i a n w ä r t s , durchbohrt die Membrana atlantoocipitalis dorsalis und vereinigt sich mit der Arterie der anderen Seite zur A. basialis [auf dem Clivus gelegen]. Siehe beim Kopf Circulus arteriosus cerebri. (Bd. II. S. 342) Die A. occipitalis entspringt aus der A . carotis externa, verläuft medial von der Incisura mastoidea des Schädels in dem Sulcus a. occipitalis, wird in A b b . 102 zwischen M. longissimus capitis und M. obliquus capitis sichtbar, geht hier Verbindungen mit der A. vertebralis ein, gibt Äste an die Nackenmuskeln ab, verläuft u n t e r dem M. splenius capitis und a u f dem M. transversooccipitalis medianwärts und gelangt nach Durchbohrung des M. trapezius zum Hinterhaupt. Die A. cervicalis profunda entspringt mittels des Truncus costocervicalis aus der A. subclavia, wendet sich bald dorsalwärts und erscheint zwischen den tiefen Rückenmuskeln (Abb. 102 rechts). Der Ramus dorsalis von C. 3 k a n n nach Versorgung der zugehörigen Muskeln als sensibler N. occipitalis tertius zur H a u t des Hinterkopfes ziehen. Anwendung. Die A. vertebralis m u ß bei einer V e r l e t z u n g d o p p e l t u n t e r b u n d e n werden, weil es sonst (wegen der A n a s t o m o s e m i t der der Gegenseite und d e m Circulus arteriosus cerebri) aus d e m kranialen S t ü c k b l u t e t . Zwischen H i n t e r h a u p t u n d A t l a s k a n n das R ü c k e n m a r k leicht durch Stich v e r l e t z t w e r d e n . B e i d e m Subokzipitalstich t a s t e t m a n sich m i t der N a d e l nahe der Medianlinie (sonst Gefahr, die A . vertebralis zu verletzen) a m H i n t e r h a u p t s b e i n entlang bis a n das große Hinterhauptsloch, d u r c h s t ö ß t die relativ feste M e m b r a n a atlantooccipitalis dorsalis (stärkerer Widerstand), die D u r a m a t e r und Arachnoides und ist d a m i t in einer E r w e i t e r u n g des Subarachnoidalraumes, der Cisterna cerebellomedullaris. M a n k a n n aus ihr Liquor cerebrospinalis zur U n t e r s u c h u n g oder D r u c k e n t l a s t u n g e n t n e h m e n und L u f t zur röntgenologischen Darstellung der Hohlräume des Gehirnes (Ventrikulographie) einblasen. V g l . B d . I I . A b b . 239.

Die Lymphknoten der Nackengegend liegen auf dem Kopfursprung des M. trapezius, Lymphonodi occipitales. (Sie schwellen bei Erkrankungen des Nackens [ζ. B. Furunkulose], des Hinterhauptes, des äußeren Ohres und auch bei starker Infektion der Rachentonsille an.)

Der Bauch, Abdomen Grenzen. Als Bauch bezeichnen wir jenen Teil des Rumpfes, der nach o b e n durch den Rippenbogen, die Spitzen der beiden untersten Rippen und die 12. Rippe, nach u n t e n durch die gut tastbaren Darmbeinkämme (Cristae ilicae) gegen das Becken, durch die Leistenfurche (darunter das Leistenband) gegen den Oberschenkel und durch den Oberrand der Symphyse begrenzt wird. Diese ä u ß e r e n Grenzen fallen mit den i n n e r e n nicht zusammen, da sich die Bauchhöhle nach o b e n kuppelartig (siehe Zwerchfell) in den Brustraum vorschiebt und nach u n t e n eine scharfe Abgrenzung gegen die Beckenhöhle nicht möglich ist. (Zahlreiche Darmschlingen liegen im kleinen Becken.) Die Form des Bauches ist s e h r v e r s c h i e d e n und hängt von der Form der oberen Thoraxapertur, der Breite des knöchernen Beckens, dem Fettpolster, der Beschaffenheit der Bauchmuskulatur und dem Bauchinhalt ab. Beim Kinde (relativ große Leber) und beim Manne ist die untere Brustapertur relativ groß und das Becken relativ klein. Damit ist der Oberbauch relativ groß ( m ä n n l i c h e r T y p ) . Bei der Frau mit der größeren Beckenbreite (stärkeres, seitliches Ausladen der Beckenschaufeln, größere Breite des Kreuzbeines) haben wir eine stärkere Breitenentwicklung des Unterbauches ( w e i b l i c h e r T y p ) .

A. Die Bauchwand Beobachtung beim Lebenden und Einteilung in Regionen Bei mageren, muskelstarken M ä n n e r n (Abb. 103) kann man durch die H a u t das Muskelrelief, vor allem die seitlichen Ränder des geraden Bauchmuskels (Μ. rectus abdominis) und seine sehnigen Unterbrechungen (Inscriptiones tendineae) gut erkennen. Die oberste liegt in Höhe des Schwertfortsatzes (Processus ensiformis), die unterste in Höhe des Nabels und die dritte zwischen beiden. Weiter kann man die v o m Unterrand des großen Brustmuskels (M. fectoralis major) schräg nach hinten und unten verlaufende zickzackförmige Linie, die ineinandergreifenden Ursprungszacken des äußeren, schrägen Bauchmuskels (M. obliquus abdominis externus) und des seitlichen, sägeförmigen Muskels (M. serratus lateralis) gut beobachten. Oberhalb des vorderen Darmbeinstachels (Spina ilica ventralis) hebt sich noch der Ü b e r g a n g der kontrahierten Muskelfasern des M. obliquus abdominis externus in seine Sehne wulstförmig ab. Bei der F r a u mit dem stärkeren, physiologischen Fettpolster und der dadurch bedingten Abrundung der Formen tritt das Muskelrelief zurück. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß starkes Fettpolster, schlaffe Bauchmuskulatur und Erweiterung der Bauchhöhle [Flüssigkeitsansammlung (Aszites) im Cavum abdominis, Gasbildung im Darm (Meteorismus), Geschwülste, Schwangerschaft] die vordere Bauchwand vorwölben und eventuell (bei schlaffer Muskulatur) herabhängen lassen. Der physiologisch größere Bauch des K i n d e s ist durch die relativ größere Leber und durch das relativ kleine Becken bedingt. — Die Beckenorgane stehen noch höher und reichen weiter in den Bauchraum. Der Nabel, Umbilicus (Narbe der Nabelschnur), liegt in der Mittellinie unterhalb der Mitte zwischen Schwertfortsatz und Symphyse. Beim E r w a c h s e n e n (Abb. 36) finden wir ihn weit oberhalb der Körpermitte, beim N e u g e b o r e n e n (relativ kürzere Beine), etwas unterhalb der Körpermitte. Bei schlaffen Bauchdecken und Fettleibigkeit ändert er seine Lage. Im Gebiet des Nabels ist die Haut fest mit dem daruntergelegenen W a l d e y e r , Anatomie I. 2. A u f l .

q

130

Der Bauch. Die Bauchwand

Narbengewebe verwachsen. E s fehlt das Unterhautbindegewebe. Entsprechend der Dicke des Fettpolsters ist der Nabel verschieden tief zur Nabelgrube eingezogen. Auf deren Grund erhebt sich die Nabelpapille. Bei Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle {Aszites) „verstreicht" der Nabel. Der Nabel ist eine schwache Stelle in der Bauchwand und kann zum Nabelbruch (Hernia umbilicalis) vorgestülpt werden. Projiziert man den Nabel senkrecht auf die Wirbelsäule, so liegt er in Höhe der Zwischenwirbel-

Kopfmmder^ Kopfrnender Schlüsselbein*

ühterscMüsselbein>_ ff ruhe SchuZtermuskelVerdickunff am nat. Rand d.grossen Brustmuskels Gr. Brustmuskel·

Jnscriplionen des geraden, Bauebmuskels

Zmrik. ArmmuskelUnterrippe/iyrübchen

Be/p'erizungsrand, des äuss. schiefen. f Baueh/nzcskels \ Seite/irand des Ijerad. ßauekmuskela, Leistenfurche

Auss. schiefer Bauchmusk Yard, ob Darmbeinstachel Spanner d. Schenkelbirule Schenkelffrübchen Schneidermuskel Gerader SchenkelAI uskel

A b b . 103.

Furc-he des Schneidermuskels

Statue des Diomedes aus der Münchener Glyptothek. Aus Gaupp-Duval: Anatomie für Künstler.

Scheibe zwischen 3. und 4. Lendenwirbel. Verbindet man die höchsten Punkte der Darmbeinkämme, so liegt der Nabel 2 cm oberhalb dieser Verbindungslinie. Oberhalb des Nabels ist in der M e d i a n l i n i e , besonders bei muskelstarken Individuen, eine F u r c h e zwischen den Mm. recti sichtbar, die sich bis zum Schwertfortsatz erstreckt (Abb. 103). Unterhalb des Nabels verstreicht diese Furche allmählich gegen den Schamberg (Möns veneris) hin. Bei S c h w a n g e r e n tritt in der Medianlinie unterhalb des Nabels eine stärkere Pigmentierung auf. Der Schamberg zeigt beim geschlechtsreifen Menschen in seiner B e h a a r u n g ein typisches, s e k u n d ä r e s G e s c h l e c h t s m e r k m a l . Beim M a n n erstreckt sich die Behaarung v o m Schamberg in der Mittellinie bis zum Nabel und von dort sogar bis zur Brustbehaarung, während sie bei der F r a u auf den Schamberg beschränkt ist.

Beobachtung beim Lebenden, Einteilung in Regionen

131

E i n t e i l u n g des B a u c h e s

in Regionen. Zwei horizontale Linien um den Bauch, die obere durch den tiefsten Punkt der Rippenbogen, die untere durch den höchsten Punkt der Darmbeinkämme, teilen den Bauch (Abb. 104) in 3 ringförmige Felder. Vom Zwerchfell bis zur oberen Horizontallinie r e i c h t die R e g i o

Regio hypochondriaca dextra Regio mesogastrica Pars lateralis dextra Pars umbilicalis

abdominis

cranialis [Epigastrium], Zwischen den beiden Horizontalen liegt

die

media

Regio

Regio inguinales dextra Regio pubica

abdominis

Regio inguinalis sinistra

abdominis

[Mesogastrium],

zwi-

schen der unteren Horizontalen und dem Leistenband die Regio

Regio hypochondriaca sinistra

Abb. 104. Einteilung des Bauches in Regionen.

caudalis

[Hypogastrium], Zwei seitliche Linien, vom Schambeinhöcker, Tuberculum pubicum, zum tiefsten Punkt des Rippenbogens und von dort zum Ansatz des Schwertfortsatzes, teilen die 3 Felder in je 1 unpaares, medianes und 2 paarige, seitliche Felder. So erhalten wir: Regio abdominis cranialis [Epigastrium] Regio abdominis media [Mesogastrium] Regio abdominis caudalis [Hypogastrium]

Regio hypochondriaca dextra Regio mesogastrica [Regio epigastrica] Regio hypochondriaca sinistra, Pars lateralis dextra [Regio lumbalis] Pars umbilicalis [Regio umbilicalis] Pars lateralis sinistra [Regio lumbalis], Regio inguinalis dextra Regio pubica Regio inguinalis sinistra.

Aus praktischen Gründen beschreiben wir: 1. die vordere und seitliche Bauch wand (Bauchdecken), 2. die hintere Bauch wand, 3. die obere Bauchwand (Zwerchfell, Diaphragma).

I. Vordere und seitliche Bauchwand Wir unterscheiden an ihr folgende 3 Schichten: 1. Oberflächliche Schichten Γ Haut, Tela subcutanea. S e i t l i c h e , platte Bauchmuskeln mit ihren Sehnen (Aponeurosen), 2. Die Muskelschichten M e d i a l e r (gerader) Bauchmuskel. Fascia transversalis, 3. Binnenschichten Peritonaeum (Bauchfell) parietale.

1. Oberflächliche Schichten a) Die Haut ist dünn, sehr dehnbar und außer am Nabel gut auf der Unterlage verschieblich. Schnelle Ausdehnung des Bauchraumes (Schwangerschaft, Ge-

132

Der Bauch. Die Bauchwand

schwülste, Aszites) können vorwiegend in der Unterbauchgegend zu Überdehnungen der H a u t und Zerreißen ihrer elastischen Bestandteile führen. Man bezeichnet die dabei auftretenden, weißlichen Streifen als Striae (gravidarum). b) Die Tela subcutanea, das Unterhautbindegewebe mit dem eingelagerten Fettgewebe (Panniculus adiposus), ist, wie schon oben betont, individuell und geschlechtlich sehr verschieden stark ausgebildet. 1 0 — 1 5 cm dicke Fettschichten sind beschrieben. Das Fettgewebe ist bei so starker Ausbildung durch mehrere Bindegewebsblätter in Schichten geteilt. Nicht selten hält der Anfänger beim Schnitt eine dieser Bindegewebslamellen bereits für die oberflächliche Muskel faszie. Die Bindegewebsblätter sind wieder

A b b . 105. Bindegewebe der Tela subcutanea beim Neugeborenen (Schultze-Lubosch). Nach Entfernung der Fettträubchen wird an der rechten Körperseite ein oberflächliches Wabenwerk sichtbar, deren Waben bei 1 in der Richtung des Leistenbandes, am O b e r s c h e n k e l in der Längsrichtung des Beines verlaufen. Bei 2 liefern die langgestreckten Faserzüge das Lig. fundiforme penis. Zwischen 1 und 2 ist eine tiefere Lage dargestellt. Die Waben über dem Leistenband (1) werden gegen den Hodensack hin immer kleiner, verschwinden schließlich und liefern die Tunica dartos (weiß). An der linken Körperseite Darstellung tiefer Züge. Sie bilden die Fibrae intercrurales und umfassen den abgeschnittenen Samenstrang von ventral und dorsal (3). Bei 4 ziehen Fasern zwischen Oberschenkel und Hodensack nach dorsal und helfen die Dammfaszie bilden.

durch Bindegewebszüge verbunden. Präpariert man das Fettgewebe unter möglichster Schonung des Bindegewebes heraus (Abb. 105), so erhält man ein bindegewebiges Wabenwerk. Je nach der Beanspruchung (Verschiebung der H a u t gegen die Muskelunterlage) sind die Wabenräume rundlich oder oval. Man hat in diesem Stratum fibrosum subcutaneum die verschiedenen Schichten und Hauptzugrichtungen mit verschiedenen Namen belegt. Uns interessieren hier vorwiegend jene Züge, die kaudal vom N a b e l von der Linea alba entspringen, nach abwärts ziehen, die Peniswurzel schlingenförmig umfassen und in die bindegewebige Hülle des Penis übergehen (Abb. 105, 2). Wir bezeichnen sie gewöhnlich als Lig. fundiforme penis. Bei 1 (Abb. 105) laufen Bindegewebszüge schräg von oben lateral nach unten medial. In ihrer Fortsetzung nach unten werden

Oberflächliche Schichten der Bauchwand

133

die Waben kleiner; das Stratum fibrosum geht in die Tunica dartos des Hodensackes über. Die tiefergelegenen Züge (links) umfassen von ventral und dorsal den S a m e n s t r a n g , Funiculus spermaticus, bilden die Fibrae intercrurales und stehen mit dem Leistenband und der Aponeurose des M. obliquus abdominis ext. in Verbindung.

Der kontinuierliche Übergang der Bindegewebsschichten auf das Scrotum (spez. Tunica dartos) erklärt, daß bei Verletzungen Ergüsse (Blut, Urin) sich vom Damm zum Scrotum und schließlich an der vorderen Bauchwand ausdehnen können. Andererseits finden wegen der s t ä r k e r e n B e f e s t i g u n g der Bindegewebszüge a m L i g . i n g u i n a l e irgendwelche Ansammlungen in der Tela subcutanea des Bauches einen Halt am Leistenband.

2. Die Bauchmuskulatur Der M. obliquus abdominis externus (Abb. io6), der oberflächliche der drei seitlichen Bauchmuskeln, entspringt an der Außenfläche der acht unteren Rippen abwechselnd mit den Zacken des M. serratus lateralis und des M. latissimus dorsi und zieht schräg von oben lateral nach unten medial. Die u n t e r s t e n Fasern setzen

134

Der Bauch. Die Bauchwand

f l e i s c h i g an der vorderen H ä l f t e des L a b i u m e x t e r n u m der Crista ilica an. Die ü b r i g e n Muskelfasern gehen in eine b r e i t e , p l a t t e S e h n e {Aponeurose) über, die zwischen Spina ilica ventralis u n d T u b e r c u l u m p u b i c u m an einem starken B a n d (Lig. inguinale) ansetzen u n d es bilden helfen, indem sie umschlagen u n d nach oben medial zur L i n e a alba ziehen. Oberhalb des T u b e r c u l u m p u b i c u m werden die Fasern durch den Samenstrang auseinander gedrängt. Sie begrenzen m i t einem lateralen (Crus laterale) u n d einem medialen Schenkel (Crus mediale) die äußere Ö f f n u n g des Leistenkanales (Anulus inguinalis subcutaneus). Die o b e r e n Fasern des E x t e r n u s gehen

M. latissimus

dorsi

M. serratus lot.

Μ. pectoralis major Μ serratus /at.

M. rectus abdominis Μ. obliquus abdominis ext. Linea alba Μ. obliquus abd. ext.

Μ. ransversus abdominis

Μ. obliquus abd. ext. et int. Inscriptio

tendinea

Schnittraiul d. Vagina

Schnittraml d. Vag. m. recti abd. Vagina m. recti abdominis

m. recti abdominis Μ. obliquus abdominis int. Spina

Linea

semicircularis

ilica ventralis Lig. M.

inguinale

pyramidalis

Lig. inguinale M. rectus abdominis

M. cremaster Lig. jundiforme

A b b . 107.

penis

Bauchmuskeln von ventral.

M.

pyramidalis

Rechts mittlere, links tiefe Lage und hinteres Blatt der Rektusscheide.

a m seitlichen R e k t u s r a n d e in das v o r d e r e B l a t t der Rektusscheide über, strahlen dann in die L i n e a alba aus u n d können schließlich in die Sehnenfasern des M. obliquus abdominis internus der Gegenseite ausstrahlen. D e r M. obliquus abdominis internus (Abb. 1 0 6 , 1 0 7 ) entspringt an der Aponeurosis lumbalis, der Linea intermedia des D a r m b e i n k a m m e s u n d der lateralen H ä l f t e des Leistenbandes {Lig. inguinale), zieht schräg auf- u n d medialwärts. D i e h i n t e r e n Fasern setzen an den drei unteren R i p p e n an, die m i t t l e r e n Fasern gehen dicht a m lateralen R e k t u s r a n d e in eine Aponeurose über, die sich oberhalb der L i n e a semicircularis (Abb. 107) (etwa 5 c m unterhalb des Nabels) in ein hinteres u n d vorderes B l a t t spaltet. D a s v o r d e r e B l a t t bildet m i t der Aponeurose des M. obliquus externus das vordere B l a t t der Rektusscheide, das h i n t e r e B l a t t bildet m i t der des M. transversus abdominis das hintere B l a t t der Rektusscheide. A m medialen R a n d e des M. rectus strahlen beide B l ä t t e r in die L i n e a alba ein. U n t e r h a l b der L . semicircularis v e r l ä u f t die g a n z e

135

Die Bauchmuskeln

Internusaponeurose v o r dem Rektus. Die k a u d a l e n Fasern des Internus ziehen mit dem Samenstrang durch den Leistenkanal als M. cremaster (Hodenheber). Der M. transversus abdominis (Abb. 107 links), der tiefste der drei seitlichen Muskeln, entspringt mit 6 Zacken von der I n n e n s e i t e der 6 unteren Rippen, abwechselnd mit Zacken des Zwerchfells, von der Aponeurosis lumbalis, v o m Labium internum der Crista ilica und v o m lateralen Drittel des Lig. inguinale. Die quer verlaufenden Fasern gehen in einer halbmondförmigen Linie in die Aponeurose über, die o b e r h a l b der L i n e a s e m i c i r c u l a r i s mit dem h i n t e r e n B l a t t der Aponeurose des M. obliquus internus das hintere B l a t t der Rektusscheide bildet. U n t e r h a l b d e r L i n e a s e m i c i r c u l a r i s bildet die Aponeurose mit den Aponeurosen des M. obliquus externus Linea alba

Vagina m. recti abd. (lamina ext.)

Vagina m. ecti abd.

lam. ext.)

Haut Unterliautbindegeu'ebe M. obliq. abd. ext. Μ• obliq. abd. int. M. transv. abd. •-Fascia transversalh ' Peritonaeum

Haut

Linea alba

• U nterhautbindegewebe M. obliq. abd. ext. M. obliq. abd. int. M. transv. abdom. Fascia transversalis '' Peritonaeum

Abb. 108. 2 Querschnitte durch die vordere Bauchwand. Oberhalb (oben) und unterhalb (unten) der Linea semicircularis.

und internus das v o r d e r e B l a t t der Rektusscheide. Im kaudalen Teil l ä ß t sich der M. transversus sehr schlecht v o m M. obliquus abdominis internus trennen. D e r untere R a n d reicht verschieden weit herab. Der M. rectus abdominis (Abb. 107 rechts) entspringt mit 3 Zacken von den Knorpeln der drei letzten, das Sternum erreichenden Rippen (5—7), v o m Proc. ensiformis und den Ligg. costoensiformia und zieht, im kaudalen Viertel schmaler werdend, z u m kranialen Schambeinrand zwischen Tuberculum pubicum und Symphyse. D e r Muskel hat gewöhnlich drei sehnige Unterbrechungen (Inscriptiones tendineae), eine in Höhe des Schwertfortsatzes, eine in Höhe des Nabels und die dritte in der Mitte zwischen den beiden anderen. Eine vierte k a n n unterhalb des Nabels vorkommen. Die Inscriptiones tendineae sind mit dem v o r d e r e n B l a t t der Rektusscheide fest verwachsen. Der M. pyramidalis (Abb. 107), ein dreieckiger Muskel, entspringt breit am Schambein (ventral vom Rektus), liegt zwischen R e k t u s und vorderer Rektusscheide und setzt, nach oben schmaler werdend, an der Linea alba an. E r ist wechselnd kräftig und kann ganz fehlen. E r spannt die Linia alba und wird v o m letzten Brustnerven (manchmal auch vom N. iliohypogastricus, ilioinguinalis und genitofemoralis) versorgt. Die Rektusscheide (Vagina m. recti abdominis) (Abb. 108) wird von den Aponeurosen der drei seitlichen Bauchmuskeln gebildet. U n t e r h a l b d e r L i n e a s e m i c i r c u l a r i s verlaufen die 3 Aponeurosen v o r dem Rektus. O b e r h a l b dieser Linie bilden Externus- und die vordere H ä l f t e der Internusaponeurose das vordere Blatt, Transversus- und hintere Hälfte der Internusaponeurose das hintere Blatt. A u f dem

136

Der Bauch. Die

Bauchwand

Rippenbogen ist die Rektusscheide schwächer (Vorsicht beim Präparieren!), weil sie hier nur vom Externus gebildet wird (Abb. 107). Das hintere Blatt wird im oberen Teil noch von fleischigen Fasern des Transversus gebildet. Das Fehlen eines hinteren Blattes unterhalb der Linea semicircularis wird mit Entwicklungsvorgängen in dieser Gegend (Hochlage der Blase, Ausbildung des Proc. vaginalis peritonaei, kaudales Leitband der Keimdrüsen) erklärt. Die Rektusscheide ist eine Führungsröhre für den Muskel. Durch den Zusammenhang mit den Aponeurosen der seitlichen Muskeln wird ein vielseitiges Zusammenarbeiten aller Bauchmuskeln ermöglicht (s. u.). Die Linea alba erstreckt sich von dem Schwertfortsatz bis zur Symphyse und ist unten durch das kleine, dreieckige Adminiculum lineae albae verstärkt. Sie entsteht durch die Durchflechtung der Aponeurosen der rechten und linken, seitlichen Muskeln mit längs verlauf enden Zügen. O b e r h a l b d e s N a b e l s ist sie breit und dünn (Herniae epigastricae), u n t e r h a l b d e s N a b e l s schmal und dick. Im Gebiet des Nabels bilden ringförmige Züge den Nabelring. Durch ihn zogen die Gebilde der Nabelschnur. Nach der Geburt wird der Ring mit einem Narbengewebe (Nabelplatte) ausgefüllt. A m oberen Rande des Ringes bleibt aber eine schwächere Stelle bestehen {Disposition zu Nabelbrüchen). Die W i r k u n g der

Bauchmuskeln

Die Bauchmuskeln, Brustkorb mit knöchernem Becken verbindend, wirken weitgehend mit den Rückenmuskeln zusammen. Sie werden 1. bei festgestelltem Becken den Brustkorb nach vorn neigen, 2. bei festgestelltem Brustkorb das Becken heben, 3. bei festgestelltem Becken und festgestellter Wirbelsäule die Rippen (Ausatmung),

senken

4. bei festgestelltem Becken und Brustkorb eine starke Einschnürung des Bauches ausführen und damit einen Druck auf die Baucheingeweide ausüben (Bauchpresse). Die beweglichen Bauchorgane w e i c h e n unter den Rippenbogen und in das Becken a u s . Die Hohlorgane werden e n t l e e r t (Stuhlgang, Austreibung des Kindes). S c h l u ß d e r S t i m m r i t z e verhindert das Ausatmen und das Ausweichen des Zwerchfells nach oben, f ö r d e r t die A u s t r e i b u n g nach unten. Dabei kann sich der Rektus selbständig nur bis zur Geraden zwischen Ursprung und Ansatz verkürzen; die seitlichen Muskeln, besonders die beiden ringförmig über den Bauch verlaufenden Transversi, können mittels der Rektusscheide den Rektus nach hinten durchbiegen und damit den Wirkungsgrad erhöhen. Einseitige Kontraktion der sich überkreuzenden Fasern von Externus und Internus ergibt ein Seitwärtsneigen des Rumpfes. Arbeiten die schrägen Muskeln einzeln, so können sie den Rumpf zur anderen (Externus) oder zur gleichen Seite hin (Internus) drehen. D a die beiderseitigen Muskeln sich in der Linea alba treffen, können Muskelzüge der einen Seite mit solchen der Gegenseite zusammenarbeiten. Die V e r w a c h s u n g d e r I n s c r i p t i o n e s t e n d i n e a e mit dem vorderen Blatt der Rektusscheide e r m ö g l i c h t d a s Z u s a m m e n s p i e l von Teilen der seitlichen Muskeln mit den einzelnen Abschnitten des Rektus. Außer dieser Fülle von Wirkungsmöglichkeiten bieten die vorderen Bauchmuskeln noch Schutz für den Bauchhöhleninhalt. Bei einem Schlag gegen den Bauch ziehen sich die Muskeln, wenn der Schlag nicht zu unerwartet kommt, zusammen und bieten damit einen weitgehenden Schutz. Über einem Entzündungsherd in der Bauchhöhle wird der Muskel ruhiggestellt. Versucht man trotzdem zu untersuchen, so tritt r e f l e k t o r i s c h eine starke B a u c h d e c k e n s p a n n u n g auf. Bei gespannten Bauchmuskeln wird durch Anziehen der Beine (Beugung in Hüft- und Kniegelenken) das Abtasten der Bauchorgane erleichtert.

137

Wirkung der Bauchmuskeln, Fascia transversalis

3. Die Binnenschichten (Fascia transversalis und Peritonaeum) N a c h innen v o n den B a u c h m u s k e l n finden wir die Fascia transversalis u n d das Peritonaeum parietale. Die Fascia transversalis überzieht als eine bindegewebige H a u t die Innenseite der B a u c h m u s k e l n u n d die Unterseite des Zwerchfells. Sie ist nach k a u d a l m i t d e m Leistenband, der Crista ilica und der Fascia iliopsoica verwachsen. In der U m g e b u n g Mesohepaticum ventrale

Linea

alba

Μ rectus abd.

Chorda v. umbilicalis

Haut M.

obliquus abd. ext. M. obliquus abd. int. Μ transver::us abd. Fascia umbilicalis Plica umbilicalis media Chorda a. umbilicalis Linea semicircularis A. Vv. eptgastricae Lig. inguinale Lig. interfoveolare Anulus inguinalis praeperilonaealis Os ilium Fascia ilica —" et psoica M. iliopsoas, ' ' Ν. temoralis Α.,

Fovea inguinalis lateralis

Vv. sper- — maiicae

Plica

Fovea inguinalis medialis

Α., V. ilica ext N

Falx inguinalis

epigastrica

Ductus

deferens

Schnittlinie Vesica urinalis des Peritonaeum

Vertex

vesicas

Fovea supravesicalis

Plica umbilicalis lateralis

Abb. 109. Vordere Bauchwand von hinten oben gesehen. Rechts ist das Bauchfell erhalten, überzieht die Gefäße und Chordae, bildet Plicae und Foveae. Links ist das Bauchfell entfernt, um die Verstärkungen der Bauchwand, Lig. interfoveolare und Falx inguinalis, die Vasa epigastrica und die Chorda a. umbilicalis zu zeigen. Α., Vv. spermaticae und Ductus deferens treffen sich am Anulus inguinalis praeperitonaealis. des Nabels (Fascia umbilicalis) und oberhalb des Leistenbandes ist sie besonders verstärkt. Hier zieht (Abb. 109 links) v o m lateralen R e k t u s r a n d e die dreieckige F a l x inguinalis als m e d i a l e r u n d das Lig. interfoveolare (bzw. M. interfoveolaris) als l a t e r a l e r P f e i l e r z u m Leistenband. E i n weiterer V e r s t ä r k u n g s z u g zieht v o m L e i s t e n b a n d nach unten u n d verschließt als Septum femorale den S p a l t zwischen dem Lig. lacunare (Abb. i x o ) u n d den V a s a femoralia. L a t e r a l v o m L i g . i n t e r f o v e o l a r e ist die F a s c i a transversalis durch den Leistenkanal als Tunica vaginalis testis et funiculi spermatici ausgestülpt (Abb. 1 1 1 ) . A n der Ausstülpungsstelle findet sich der nach medial u n d k a u d a l

138

Der Bauch. Die Bauchwand

scharfe, nach lateral und oben unscharfe, innere Leistenring (Anulus inguinalis praeperitonealis). A u c h zwischen F a l x inguinalis u n d Lig. interfoveolare ist die schwache Stelle der F a s c i a transversalis nach außen v o r g e b u c h t e t . Der laterale Pfeiler (Lig. interfoveolare) wird weiter durch die A. et Vv. epigastricae caudales, der mediale (Falx inguinalis) durch die obliterierte Nabelarterie (Chorda a. umbilicalis) v e r s t ä r k t . In der Mittellinie zieht noch v o m Scheitel der Blase z u m Nabel der obliterierte U r a c h u s {Chorda urachi).

Hanl u. Panniculus aiiposus

Annlas inguinalis subcutaneus Rektussclieide

Linea

alba

Crus mediale

Cms laterale

Fibrae intercrurales

Lig. inguinale

Aponeurosis m. obl. abd. externi Μ

obliquus abd. int.

M. transversus abd. Spina ilica ventralis Fascia transversalis Lig inguinale Ductuz del., Vasa spermat. Pars interlacunaris fasciae ilicae Α., V., Ν. femoralis Anulus in· gain, subcut. Lig. lacunare Funicul. | spermatI N. ilio-y inguinalis, I Lig. in-1 guin. rejl. I Α., V. iemoralis M. su/ „ torius

Lig. fundiforme

penis

V. saphena magna

Margo talciformis

Abb. n o . Leistenkanal und Schenkelkanal. Links oberflächlich, rechts tief. Links ist die Fascia iliopectinea gefenstert, um den N. femoralis auf dem M. iliopsoas zu zeigen. Die vordere Bauchwand ist schichtenweise gefenstert, um die Wände des Leistenkanals und die Bildung des M. cremaster zu zeigen. L a t e r a l v o n A . et V v . epigastricae caudales vereinigen sich im A n u l u s inguinalis praeperitonaealis der Samenleiter (Ductus deferens) u n d die V a s a spermatica. D a s Peritonaeum parietale (parietales Bauchfell), eine g u t präparierbare, an der Innenseite glänzende (mit einschichtigem Plattenepithel überzogene), bindegewebige H a u t überzieht die Innenseite der Fascia transversalis u n d die oben beschriebenen, typischen Gebilde u n d gibt damit der Innenseite der vorderen B a u c h w a n d ein charakteristisches Relief (Abb. 109 rechts). E s ziehen e i n e m e d i a n e (Plica umbilicalis media

Leistenband, Leistenkanal und Samenstrang

139

[Chorda urachi]) und z w e i m e d i a l e Falten (Plicae umbilicales laterales [Chordae a. umbilicalis]) zum Nabel. Die l a t e r a l e n Plicae epicastricae (Vasa epigastrica) verstreichen nach kranial. Zwischen diesen Falten ist das Bauchfell zu c h a r a k t e r i s t i s c h e n G r u b e n , Foveae supravesicales (begrenzt von der Plica umbilicalis media und lateralis), Foveae inguinales mediales (begrenzt u n t e n vom Leistenband, m e d i a l von der Plica umbilicalis lateralis, l a t e r a l von der Plica epigastrica) und Foveae inguinales laterales (begrenzt u n t e n vom Leistenband, m e d i a l von der Plica epigastrica), nach außen vorgebuchtet. U n t e r h a l b des Leistenbandes k a n n das Bauchfell an der Stelle des Septum femorale zur Fovea femoralis nach außen vorgestülpt sein. Vom Nabel zieht eine Bauchfellduplikatur (Mesohepaticum ventrale) nach oben zur Leber. Im freien Rande dieser Bauchfellfalte verläuft die obliterierte Nabelvene (Chorda v. umbilicalis) zur Leberpforte.

4. Leistenband, Leistenkanal und Samenstrang Das Leistenband (Lig. inguinale) spannt sich als sehnigglänzender Bindegewebsstreifen zwischen Spina ilica ventralis und Tuberculum pubicum aus. E s ist nur k ü n s t l i c h d a r s t e l l b a r , indem man nach o b e n die Ansätze bzw. Ursprünge der seitlichen Bauchmuskeln (besonders Externus) und die Fascia transversalis, nach u n t e n hin die Faszie des Oberschenkels scharf abtrennt. Von der Unterseite des Leistenbandes (Abb. 110) zieht zum Oberrand des Beckens (Eminentia iliopectinea) ein verstärkter Zug der Fascia ilica, die Pars interlacunaris fasciae ilicae (das frühere Lig. iliopectineum) und trennt so die lateral gelegene Lacuna musculorum (für Μ. iliopsoas und Ν. femoralis) von der medialen Lacuna vasorum (für die A . et V . femoralis). Der mediale, spitze Winkel der Lacuna vasorum wird noch durch das Lig. lacunare (Faserzüge vom Leistenband zum Schambein) abgerundet (Abb. 110). Den R a u m zwischen diesem Band und der V . femoralis füllt eine dünne Bindegewebsplatte (Septum femorale) aus. Wird dieses Septum femorale entfernt oder nach außen vorgebuchtet (Schenkelbruch, Hernia femoralis), so entsteht hier der ringförmige Anulus femoralis. Der Anulus femoralis ist die innere, die Fossa o v a l i s mit dem sichelförmigen, scharfen Rande in der oberflächlichen Oberschenkelfaszie (s. Bein) die äußere Bruchpforte des Schenkelkanals (Canalis femoralis). Herniae femorales kommen bei der Frau häufiger als beim Mann vor. Der scharfe Rand des Lig. lacunare begünstigt das Einklemmen solcher Brüche. An der Bauchhöhlenseite des Lig. lacunare kann eine stärkere Anastomose zwischen A. epigastrica und A. obturatoria verlaufen. Sie wurde früher Corona mortis genannt, weil eine operative Erweiterung des Anulus femoralis nach medial (bei Einklemmungen) zu tödlichen Blutungen führen konnte. Die Lacuna musculorum setzt sich nach oben unter der kräftigen F a s c i a i l i c a und F a s c i a p s o i c a bis zur Lendenwirbelsäule, nach unten unter der F a s c i a i l i o p e c t i n e a bis zum Trochanter minor fort. Dieser osteofibröse Muskelkanal kann Abszesse der Lendenwirbelsäule unter dem Leistenbande her bis zum Oberschenkel und sogar ins Hüftgelenk leiten. (Kommunikation der Bursa iliopectinea mit dem Gelenk). Der M. iliopsoas nimmt dabei eine Entlastungsstellung (Beugung im Hüftgelenk) ein. Der Leistenkanal (Canalis inguinalis) durchsetzt vom inneren Leistenring (Anulus inguinalis praeperitonaealis) bis zum äußeren Leistenring (Anulus inguinalis subcutanem) schräg von innen oben lateral nach außen unten medial verlaufend die vordere Bauchwand. E s liegt der innere Leistenring ca. cm oberhalb der Mitte des Leistenbandes, der äußere oberhalb des Tuberculum pubicum. Der 4 — 5 cm lange Leistenkanal hat z w e i b r e i t e (vordere und hintere) und z w e i s c h m a l e (obere und untere) Wände. Die vordere Wand wird von der Aponeurose des Externus und den Fibrae intercrurales gebildet. Sie wird von oben nach unten schwächer. Die hintere Wand besteht aus der Fascia transversalis (verstärkt durch Lig. interfoveolare und F a l x inguinalis, Abb. 109) und dem Peritonaeum.

140

Der Bauch. Die Bauchwand

Die obere Wand (das Dach) bilden die kaudalen Fasern des Internus und T r a n s versa. Die untere Wand (den Boden) liefern das L e i s t e n b a n d u n d i m medialen A b s c h n i t t das Lig. inguinale reflexum. D a s letztere B a n d wird v o n Faserzügen gebildet, die v o m Leistenband nach medial oben zur L i n e a alba ziehen. Der Samenstrang (.Funiculus spermaticus). D u r c h den Leistenkanal ziehen beim Mann der Samenleiter (Ductus deferens) u n d die Vasa spermatica, bei der F r a u das runde M u t t e r b a n d (Chorda uteroinguinalis). Diese Gebilde nehmen beim Durchbruch d u r c h d i e B a u c h w a n d d i e S c h i c h t e n d e r B a u c h w a n d m i t . Die röhrenförmige A u s s t ü l p u n g der Fascia transversalis überzieht H o d e n (Testis), Nebenhoden (Epididymis), Samenleiter (Ductus deferens) und V a s a spermatica u n d wird Tunica vaginalis testis et funiculi spermatici genannt. Teile d e r k a u d a l e n I n t e r n u s f a s e r n werden als M. cremaster mit ausgestülpt. A m s u b k u t a n e n Leistenring werden schließlich noch zarte Fasern der E x t e r n u s a p o n e u r o s e und das S t r a t u m f i b r o s u m s u b c u t a n e u m mit nach außen vorgestülpt. Sie liefern die Fascia cremasterica. D e r subkutane Leistenring ist ein künstliches, bei der F r a u kleineres, beim Manne größeres Loch, das erst durch A b t r e n n e n der F a s c i a cremasterica entsteht. H a u t u n d T e l a s u b c u t a n e a setzen sich in die fettarme, mit vielen glatten Muskelzellen durchsetzte Tunica dartos des Hodensackes (Scrotum) fort. D e r Samenstrang entsteht also i m Leistenkanal u n d hat a m s u b k u t a n e n Leistenring seine definitive Größe. E r e n t h ä l t : a) 3 A r t e r i e n : ι . A . s p e r m a t i c a (aus der B a u c h a o r t a ) . Sie versorgt in der H a u p t sache H o d e n und Nebenhoden. 2. Die kleine A . d e f e r e n t i a l i s . Sie entspringt aus der A . vesicalis caudalis, begleitet u n d versorgt den D u c t u s deferens. 3. Α . m. c r e m a s t e r i s (aus der A . epigastrica caudalis, für die Hüllen). b) zahlreiche Venen (Plexus pampiniformis, A b b . 186 und L y m p h g e f ä ß e , die v o m H o d e n u n d Nebenhoden aufsteigen. c) den R . g e n i t a l i s des N. g e n i t o f e m o r a l i s (motorischer A s t für den K r e m a s t e r , sensibler A s t für die Hüllen) und den P l e x u s s p e r m a t i c u s i n t e r n u s , ein sympathisches Geflecht u m die gleichnamige Arterie (für H o d e n und Nebenhoden). d) D u c t u s d e f e r e n s . E r k e n n b a r auch beim Lebenden an seiner harten K o n sistenz (dicke Muskelwand, enges Lumen). A u c h das P e r i t o n a e u m beteiligt sich an der A u s s t ü l p u n g der Bauchhöhle. E s entsendet einen handschuhfingerförmigen F o r t s a t z (Processus vaginalis peritonaei) durch den L e i s t e n k a n a l z u m Hoden und Nebenhoden. Diese stülpen sich in den F o r t satz ein u n d erhalten einen viszeralen (Epiorchium) u n d einen parietalen Ü b e r z u g (Periorchium). Zwischen Epiorchium und Periorchium findet sich (Abb. I i i ) das Cavum scroti, das auf diesem S t a d i u m noch mit der Bauchhöhle in V e r b i n d u n g steht. D a s C a v u m scroti wird in der R e g e l durch V e r ö d u n g des Peritonaealfortsatzes allmählich von der B a u c h h ö h l e abgeschnürt. Leistenbrüche.

Herniae

inguinales

Bleibt der Proc. vaginalis peritonaei offen, so können sich Darmschlingen oder das N e t z in ihn einstülpen u n d als angeborene, indirekte (mittels des Leistenkanales), laterale Leistenbrüche (Herniae inguinales congenitales) v o r dem A n u l u s inguinalis subc u t a n e a erscheinen. B l e i b t der Proc. vaginalis peritonaei irgendwie in seinem Verlaufe nur stückweise offen, so k a n n es durch Flüssigkeitsabsonderung in diesem R a u m zur Funikulozele k o m m e n . Leistenbrüche k ö n n e n a u c h n a c h Obliteration des Peritonaealfortsatzes auftreten. Diese sind immer erworben (Herniae inguinales acquisitae). Sie werden eingeteilt in: 1. laterale (indirekte), 2. mediale (direkte).

Samenstrang,

141

Leistenbrüche

Die inneren Öffnungen der Bruchkanäle werden g e t r e n n t durch die Vasa epigastrica caudalia und das daruntergelegene L i g . i n t e r f o v e o l a r e . Wie aus Abb. i n zu ersehen, ist hier die Bauchwand besonders schwach. Die äußere Bruchpforte ist für beide Brucharten g l e i c h (Anulus inguinalis subcutanem). Aus der Lage der Bruchpforten ergibt sich, daß die l a t e r a l e n Hernien die Bauchwand s c h r ä g (entlang dem Leistenkanal), die m e d i a l e n dagegen g e r a d e durchsetzen. Die indirekten Leistenhernien ziehen meistens mit dem Samenstrang zum Hodensack. Die m e d i a l e n (meistens Plica umbilicalis media mit Chorda urachi Fovea supravesicalis Falx inguinalis ] Plica umbilica is lat. mit Chorda a. umbilicalis ; ι Fovea inguinalis medialis · ι j Ligamentum interfoveolare J ] , Plica epigastrica mit Vasa epigastrica caud. * , , ι ι Fovea inguinalis lat. ι Peritonaeum

Adminicu'.um lineae albae [ ι

Μ. rectus abd. i Direkter 1

ι

Leistenbruch

Indirekter Leistenbruch

ι

Fascia transversalis Mm. transversus et obliquus int. Aponeurosis

m. obliq ext.

Tela subcutanea ~' Haul-"

Anulus

inguinalis praeperitonaealis Anulus ingainalis subcutaneus Tunica dartos

/

μ*'

Fascia cremasterica M. cremastcr Tunica

vaginalis testis et funiculi

spermatid

Ductus deferens Testis et Epididymis

~

b.piorchium Cavum scroti "

I

ι

Periorchium

I

ι

Cavum scroti

Abb. I i i . Schematisierter Schnitt durch die vordere Bauchwand. Rechts das normale Verhalten des Leistenkanales. Der Samenstrang erhält auf dem Wege durch die Bauchwand seine Schichten. Der Processus vaginalis peritonaei (vollschwarze Linie) ist obliteriert, hat um den Hoden das Epiorchium, Periorchium und Cavum scroti geliefert. Links ein indirekter und direkter Leistenbruch in der typischen Lage zu den schwachen und verstärkten Stellen der Bauchwand.

kleiner) behalten auch außerhalb des Anulus subcutaneus ihren geraden Verlauf bei und gelangen damit außen an die l a t e r a l e Seite der indirekten Leistenhernien. Es soll noch hervorgehoben werden, daß alle Leistenbrüche o b e r h a l b , alle Schenkelbrüche u n t e r h a l b des Leistenbandes austreten.

II. Die hintere Bauchwand Einen Überblick über den Aufbau vermittelt uns am ehesten ein Querschnitt (Abb. 91, 112). Die L e n d e n w i r b e l s ä u l e liefert einen medianen Strebepfeiler. Von den Rippenfortsätzen geht die kräftige A p o n e u r o s i s l u m b a l i s ab. Von ihr entspringen die Mm. transversus und obliquus internus abdominis. Die A p o n e u r o s i s l u m b a l i s

142

Der Bauch. Die

Bauchwand

trennt eine d o r s a l e M u s k e l g r u p p e (.Erector trunci und Latissimus dorsi) von einer v e n t r a l e n (Psoas und Quadratus lumborum). Die dorsale Gruppe wurde beim R ü c k e n besprochen. Die v e n t r a l e n M u s k e l n werden von Faszien, die untereinander und mit der A p o n e u r o s i s l u m b a l i s zusammenhängen, eingescheidet. Wie der Querschnitt (Abb. 112) schön zeigt, kann man am s e i t l i c h e n Rande des Erector trunci am ehesten von h i n t e n h e r operativ in den Bauchraum eingehen. Nach Durchtrennung der A p o n e u r o s i s l u m b a l i s kommt man auf den Quadratus lumborum. Nach Durchschneidung oder Medialwärtsverlagerung desselben gelangt man in einen a u ß e r h a l b Proc. XI.

costarius

Μ. erector trunci

Cauda equina

Proc. spinalis

Pars lumbalis diaphragmatis

Corpus vertebrae

M. quadrat,

quadratus lumborum M.

Ren u.

lumborum

V. cava

Hilus

Capsula adiposa

caud.

renalis

Cauda

Colon

descendens V.

Colon Pancreas

renalis

Pylorus Vesica

transversum u. V. lienalis

Omentum maius

A b b . 112.

Ventricuius

Lobus sinister hepatis

Mesohepaticum ventrale

Bursa omentalis

Aorta

Lobus

dexter

fellea

hepatfc

Querschnitt durch den Bauch in Höhe des 2. Lendenwirbels.

des P e r i t o n a e u m p a r i e t a l e gelegenen R a u m , den Retroperitonaealraum. In ihm liegen in der Mittellinie die großen Gefäße (Aorta und V . c a v a caudalis), seitlich die Nieren, Harnleiter, Nebennieren, Teile des Zwölffingerdarmes (Duodenum), auf- und absteigender Dickdarm (Colon ascendens et descendens). Man kann also von dorsal aus besonders die seitlichen Teile (Nieren, Harnleiter und Colon) operativ freilegen, ohne die eigentliche Bauchhöhle, das Cavum peritonaei, zu eröffnen. Der M. quadratus lumborum spannt sich als viereckige Muskelplatte zu Seiten der Wirbelsäule zwischen Darmbeinkamm (Crista ilica) und 12. Rippe aus. Der stärkere, d o r s a l e T e i l des Muskels zieht v o m Darmbeinkamm und dem Lig. iliolumbale zu den Querfortsätzen L. 3 bis L . 1 und zur 12. Rippe. Der schwächere, v e n t r a l e T e i l entspringt an den Querfortsätzen L. 4 bis L. 2 und setzt ebenfalls an der 12. Rippe an. Funktion: E r zieht die 12. Rippe abwärts, sichert die Lendenwirbelsäule (bei Lähmung Skoliose) und festigt die hintere Bauchwand. Innervation: N. subcostalis und Plexus lumbalis (Th. X I I bis L . III).

Die N e r v e n - und Gefäßversorgung der vorderen und hinteren B a u c h w a n d

143

Der M. psoas major, ein in den Bauchraum vorgeschobener Beinmuskel (Abb. 227), entspringt mit einem o b e r f l ä c h l i c h e n Teil von den Körpern des 12. Brustwirbels und der oberen vier Lendenwirbel und den zugehörigen Zwischenwirbelscheiben und einem t i e f e n T e i l von den Querfortsätzen aller Lendenwirbel. Zwischen den beiden Schichten verläuft der größte Teil des Plexus lumbalis. Psoas major und M. ilicus setzen mit gemeinsamer Sehne am Trochanter minor an. Beide Muskeln haben eine kräftige Faszie (s. S. 139). In etwa 3 0 % spaltet sich von ihm ein selbständiger Psoas minor ab. (Ursprung: 12. Brust- und 1. Lendenwirbelkörper. Ansatz: Fascia ilica und Eminentia iliopectinea). Funktion: Der Psoas beugt die Lendenwirbelsäule nach vorn, bei einseitiger W i r k u n g neigt er sie seitlich. Mit dem Ilikus zusammen beugt er im Hüftgelenk, adduziert und rotiert den Oberschenkel nach außen. I n n e r v a t i o n : K u r z e Ä s t e des P l e x u s lumbalis und des N . femoralis. L . I bis L . I I I .

Trigonum lumbale (Abb. 87). In 2/3 aller Fälle findet man auf dem R ü c k e n ein Dreieck, das von dem Darmbeinkamm, dem hinteren Rande des Obliquus externus und dem seitlichen Rande des Latissimus dorsi begrenzt wird. Den Boden dieses Trigonum lumbale bildet gewöhnlich der Obliquus internus. I m oberen Winkel dieses Dreiecks k a n n aber sogar die Aponeurosis lumbalis sichtbar sein. D u r c h diese schwache Stelle der B a u c h w a n d k ö n n e n B a u c h e i n g e w e i d e als Herniae lumbales u n m i t t e l b a r oberhalb der höchsten Stelle des D a r m b e i n k a m m e s v o r g e s t ü l p t w e r d e n . A u c h E i t e r u n g e n im R e t r o p e r i t o n a e a l r a u m können hier durchbrechen.

Die Nerven- und Gefäßversorgung der vorderen und hinteren Bauchwand a) Die Nerven der Bauchwand (Abb. 113, 159) Die 7 kaudalen Nn. intercostales liegen wie die gleichnamigen Arterien zwischen M. obliquus abdominis internus und M. transversus abdominis. A m lateralen Rektusrande durchbohren sie die Rektusscheide. Hier liegen sie h i n t e r bzw. i m Rektus. Die E n d ä s t e durchbohren das vordere B l a t t der Rektusscheide und gelangen als Rami cutanei ventrales abdominales zur Haut. Seitlich haben die segmentalen Nerven bereits die kräftigeren Rami cutanei laterales abdominales durch die Muskeln zur H a u t abgegeben. A n der Versorgung der Bauchwand beteiligt sich weiter noch der Plexus lumbalis, ein Nervengeflecht aus den R a m i v e n t r a l e s des 12. Brust- und der 4 kranialen Lendennerven (Abb. 257). D a s Geflecht liegt in der Lendengegend z w i s c h e n dem oberflächlichen und tiefen Teil des M. psoas verborgen. I m P s o a s gehen bereits die kürzeren Äste für die Mm. psoas major, psoas minor und quadratus lumborum ab. Die 6 langen Äste: N. iliohypogastricus, N. ilioinguinalis, N. genitofemoralis mit Ramus genitalis [N. spermaticus ext.] und Ramus femoralis [N. lumboinguinalis], N. cutaneus femoris fibularis [lateralis], N. femoralis und N. obturatorius versorgen die kaudalen Teile der Bauchwand, Hodensack und Hoden und ziehen weiter zur unteren E x t r e m i t ä t . N. iliohypogastricus und N. ilioinguinalis verlaufen mit dem N. subcostalis ( = N. intercostalis X I I ) v o r dem M. quadratus lumborum, an der R ü c k f l ä c h e der Nieren und wie die unteren Nn. intercostales z w i s c h e n M. transversus abd. und M. obliquus internus abd. Der N. iliohypogastricus gibt dabei R r . m u s c u l a r e s an die B a u c h muskeln und 2 Hautäste ab. Sein Ramus cutaneus lateralis verläuft über die Mitte der Crista ilica zur H a u t über dem M. glutaeus medius. Sein Ramus cutaneus ventralis durchbricht k r a n i a l v o m Anulus inguinalis subcutaneus die Rektusscheide und versorgt die H a u t medial v o m äußeren Leistenring. Der N. ilioinguinalis tritt nach Abgabe feiner R r . m u s c u l a r e s an die seitlichen B a u c h muskeln mit dem s e n s i b l e n E n d a s t zur Haut des Hodensackes (der großen Schamlippen) , der Schamgegend (Regio pubica) und der medialen Leistengegend (Regio inguinalis).

144

Der Bauch. Die Bauchwand

Der N. genitofemoralis (aus L . II und III) durchbohrt den M. psoas nahe seinem medialen R a n d e , l ä u f t auf der Vorder fläche des Muskels abwärts, wird überkreuzt v o m Harnleiter, gelangt v o r die A . ilica externa und teilt sich in den Ramus genitalis u n d Ramus femoralis. D e r R. genitalis v e r l ä u f t mit dem D u c t u s deferens durch den Leistenkanal u n d versorgt den M. c r e m a s t e r und die T u n i c a d a r t o s . D e r lateral gelegene R. femoralis tritt u n t e r dem Leistenbande (Abb. 113) zur H a u t des Oberschenkels (über u n d lateral v o n der Fossa ovalis).

A. epigastrica

ran.

Linea M. obliq. abd. ext.



M. obliq. abd.

N. intercostalis X.

XI

R. cut. lat. n. iliohypogastrici

semicircularis

A. epigastrica A circutnfl.

caud. R. cut. ventr. n. inlercost. XII A., V. circutnfl. il. superficialis Α., V. epigastr superf.. R. cut. ventr. n. iliohypogastrici Ν. cut. femoris tat Lymphonodi subinguinales

iL prot.

Anulus

inguin. praeperitonaealis N. ilioinguitialis R. femoralis n. genitofemoralis N. ilioinguinalis R. genitalis n. genitofemoralis .4. femoralis, V. saphena magna

N. cut. lemoris

saphena

Abb. 113.

- A

Hb.

R. cut. ventralis V

muscu . zum rectus abd cut. lat. intercost.

R. cut. ventr n. intercost.

subcostalis

Rr. muscul. n. iliohypogastrici Linea

R. cut. ventr. n. intercostalis R. Μ. R. n.

M. transv. abd.

alba

-

pud.

ext.

-- V., Aa., Nn. dors penis -- V. saphena magna

magna -

Gefäß- und Nervenversorgung der vorderen Bauchwand. (Hautversorgung), rechts tiefe Lage.

Links oberflächliche Lage

Der Ν . cutaneus femoris fibularis (aus L . I I u n d III) wird a m l a t e r a l e n R a n d e des Μ. psoas sichtbar, zieht h i n t e r der F a s c i a ilica, a u f dem M. ilicus auf die Spina ilica ventralis z u u n d gelangt hier u n t e r dem Lig. inguinale, also d u r c h die L a c u n a musculorum, z u m Oberschenkel. N a c h D u r c h b r e c h u n g der Oberschenkelfaszie breitet er sich an der fibularen ( l a t e r a l e n ) Oberschenkelseite bis z u m K n i e aus. D e r N. femoralis (aus L. I I — I V ) wird unterhalb der vorigen a m lateralen Psoasrande sichtbar, g i b t hier gleich einen kurzen A s t an den M. ilicus ab, verläuft in der Furche zwischen M. psoas u n d M. ilicus a b w ä r t s u n d gelangt durch die Lacuna musculorum z u m Oberschenkel.

Die N e r v e n - u n d G e f ä ß v e r s o r g u n g der v o r d e r e n u n d h i n t e r e n

Bauchwand

145

D e r N. obturatorius (aus L . I I — I V ) wird als e i n z i g e r der 6 langen Ä s t e . a n der m e d i a l e n S e i t e des M. psoas sichtbar, v e r l ä u f t u n t e r h a l b der L i n e a terminalis an der W a n d des k l e i n e n B e c k e n s entlang z u m Canalis obturatorius u n d wird in diesem Verlauf durch die A . u. V . ilica interna und den Harnleiter überkreuzt. D u r c h den Canalis obturatorius gelangt er zur tibialen (medialen) Seite des Oberschenkels. Z u s a m m e n f a s s u n g : Die 7 kaudalen Nn. intercostales, N. iliohypogastricus u n d N. ilioinguinalis versorgen die M u s k e l n u n d H a u t der s e i t l i c h e n u n d v o r d e r e n B a u c h w a n d . K u r z e Ä s t e aus dem Plexus lumbalis und dem N. femoralis versorgen die M u s k e l n der h i n t e r e n B a u c h w a n d ( Q u a d r a t u s l u m b o r u m u n d Iliopsoas). A n w e n d u n g . D a die B a u c h w a n d n e r v e n ( A b b . 1 1 3 rechts) alle n a h e z u p a r a l l e l u n d i n g l e i c h e m A b s t a n d schräg a b w ä r t s verlaufen, k a n n m a n durch entsprechende Schnittführung bei der Operation die N e r v e n w e i t g e h e n d s c h o n e n . G l e i c h z e i t i g v e r s o r g e n die N e r v e n a u c h n o c h d a s p a r i e t a l e B a u c h fell, d e s h a l b k a n n m a n d u r c h p a r a v e r t e b r a l e und l o k a l e B e t ä u b u n g O p e r a t i o n e n d e r B a u c h w a n d , b e s o n d e r s der H e r n i e n , o h n e V o l l n a r k o s e a u s f ü h r e n . D a die k a u d a l e n N n . i n t e r c o s t a l e s i m B r u s t r a u m u n t e r d e m B r u s t f e l l (Pleura) liegen, k ö n n e n b e i E n t z ü n d u n g des l e t z t e r e n (Pleuritis) S c h m e r z e n d e m V e r l a u f d e r N e r v e n e n t l a n g in die B a u c h w a n d p r o j i z i e r t w e r d e n . Ä h n l i c h k a n n eine E n t z ü n d u n g in d e r U m g e b u n g d e r N i e r e d u r c h die a n l i e g e n d e n N n . subcostalis, i l i o h y p o g a s t r i c u s u n d iliolingualis in die U n t e r b a u c h g e g e n d p r o j i z i e r t w e r d e n . U m g e k e h r t k a n n B a u c h d e c k e n r e i z u n g bei A p p e n d i c i t i s in die B r u s t h ö h l e p r o j i z i e r t w e r d e n .

b) Die Arterien der Bauchwand k o m m e n aus der Α ο r t a , der Α . s u b c l a v i a und der A . i l i c a e x t e r n a bzw. A . f e m o r a l i s . Die A o r t a gibt die 7 unteren A a . intercostales u n d die 4 A a . lumbales z u r B a u c h w a n d . Die 7 unteren Zwischenrippenarterien treten a m R i p p e n b o g e n aus der B r u s t w a n d zwischen M. transversus und M. obliquus abdominis int. A u c h die Aa. lumbales gelangen, nachdem sie (Abb. 160) unter den Sehnenbogen des M. psoas v e r s c h w u n d e n sind u n d ihren Ramus dorsalis für den R ü c k e n abgegeben haben, m i t den Rami ventrales zwischen M. transversus und M. obliquus internus. Die A . epigastrica cranialis, der eine E n d a s t der A. thoracica interna (aus der A. subclavia), zieht durch die Larrey sehe Spalte (s. S. 148) in den M. rectus abdominis u n d anastomosiert mit der A . epigastrica caudalis (Abb. 113). Die letztere entspringt aus der A. ilica externa kurz v o r dem Ü b e r g a n g in die A. femoralis (Abb. 109). Sie v e r l ä u f t i n n e r h a l b der Rektusscheide, h i n t e r dem M. rectus a b d o m . , 2 Querfinger lateral v o m N a b e l schräg aufwärts. D a s k r ä f t i g e G e f ä ß ist b e i der P u n k t i o n der B a u c h h ö h l e u n b e d i n g t zu s c h o n e n ( G e f a h r d e r V e r b l u t u n g in die B a u c h d e c k e ) . M a n g e h t l a t e r a l o d e r m e d i a l v o m G e f ä ß ein. L a t e r a l s t i c h t m a n a m Monroe sehen P u n k t e i n , im 3. ä u ß e r e n V i e r t e l d e r v o n d e r linken S p i n a ilica v e n t r a l i s z u m N a b e l g e z o g e n e n L i n i e . M e d i a l p u n k t i e r t m a n in der M i t t e z w i s c h e n N a b e l u n d S y m p h y s e , 3 c m l a t e r a l v o n der L i n e a a l b a .

Die A . circumflexa ilium profunda entspringt neben der vorigen aus der A . ilica externa, v e r l ä u f t mit dem Leistenbande schräg auf- u n d lateralwärts u n d gelangt ebenfalls zwischen M. transversus und M. obliquus int. (Abb. 113). Die o b e r f l ä c h l i c h e n S c h i c h t e n der B a u c h w a n d ( A b b . 1 1 3 links) werden v o n den feinen E n d ä s t e n der oben genannten t i e f e n G e f ä ß e u n d den kleinen A a . epigastricae superficiales, circumflexae ilium superficiales u n d A a . pudendales externae, alle aus der A. femoralis, versorgt.

c) Die Lymphgefäße der Bauchwand bestehen aus einer o b e r f l ä c h l i c h e n

und einer t i e f e n

Lage.

Die oberflächliche Schicht nimmt die L y m p h e v o n den k u t a n e n Schichten auf. Sie fließt o b e r h a l b des Nabels z u den Achseldrüsen, Lymphonoiii axillares, unterh a l b des Nabels z u den Leistendrüsen, Lymphonodi subinguinales superficiales, ( A b b . 1 1 3 links) ab. Die tiefen L y m p h g e f ä ß e verlaufen an der v o r d e r e n B a u c h w a n d W a l d e y e r , Anatomie I. 2. Aufl.

JO

146

Der Bauch. Die Bauchwand

mit den V a s a epigastrica caudalia zu den Lymphonodi ilici (neben der A . ilica e x t . et int.) u n d mit den V a s a epigastrica cranialia z u den hinter dem Brustbein gelegenen Lymphonodi sternales. A n der s e i t l i c h e n u n d h i n t e r e n B a u c h w a n d verlaufen die t i e f e n L y m p h g e f ä ß e mit den segV. iugitlaris int. mentalen Blutgefäßen zu den v. subclavia p r ä v e r t e b r a l gelegenen Lymphonodi lumbales. V. Irachiocephalica V. thoracica int. V. thoracica longitudinal is dextra V. cava cranialis

V.-thoracica longilud. sinistra accessoria V. thoracica longitudinalis sinistra Vv. intercostales

V. cava cautlalis Vv. hepaticae V. renalis V. portae

Vv. adumbilicales V. mesenterica caudalis V. mesenterica cranialis Vv. lumbale V. lumbalis ascendens V spermatita dextra V. ilita int. V ilica ext. V epigastrica caud.

V. spermalica sinistra rcctahs cranxalis Plexus rectalis \haemorrhoidalis]

Abb. 114. Anastomosen zwischen den Ästen der V. cava cranialis, V. cava caudalis und V. portae.

d) Die Venen der Bauch wand ( A b b . 114) bilden die p r a k t i s c h wichtige A n a stomosenkette zwischen V. cava caudalis u n d V . cava cranialis. E s anastomosieren die V v . epigastricae caudales et superficiales miteinander durch die B a u c h d e c k e n hindurch, ferner mit den V v . epigastricae craniales und V v . thoracoepigastricae (zur V. subclavia). DieFw. epigastricae craniales münden über die Vv. thoracicae internae ebenfalls in die Vv. subclaviae. Die in die V. cava caudalis mündenden Vv. lumbales (Abb.114) sind durch eineLängsanastomose, V. lumbalis ascendens dextra et sinistra, verbunden. Die letzteren sind die W u r z e l n der die Vv. intercostales aufnehmenden V v . thoracicae longitudinales dextra et sinistra. V o n der V . portae ziehen die V v . adumbilicales zu den obengenannten B a u c h d e c k e n v e n e n und liefern damit eine V e r b i n d u n g zwischen den V v . cava cranialis et caudalis u n d der V. portae. Bei Staüung im Pfortaderkreislauf kann das Blut durch die Vv. adumbilicales zurBauchdecke strömen,die Bauchdeckenv e n e n stark erweitern (Caput Medusae)

und durch sie in die Vv. cavae abfließen (s. S. 181).

III. Die obere Bauchwand. Das Zwerchfell, Diaphragma D a s Zwerchfell ist eine kuppeiförmige, muskulöse Scheidewand zwischen Brustund Bauchhöhle. E s entspringt a m ganzen U m f a n g der unteren Brustapertur, an der Lendenwirbelsäule, an den R i p p e n u n d dem Brustbein. Entsprechend teilen wir das Zwerchfell in eine Pars lumbalis, Pars costalis und Pars sternalis (Abb. 115) ein. 1. Die Pars lumbalis besteht jederseits aus einem medialen Schenkel, C r u s m e d i a l e , und einem lateralen Schenkel, C r u s l a t e r a l e . D a s Crus mediale entspringt v o n den K ö r p e r n der Lendenwirbel τ — 4 (links 1 — 3 ) u n d den zugehörigen Zwischen-

Das Zwerchfell

147

wirbelscheiben, steigt steil aufwärts, bildet v o r d e m i . Lendenwirbel die vordere B e grenzung des schlitzförmigen, etwas links v o n der Medianlinie gelegenen Hiatus aorticus (Durchtritt für die Aorta u n d den Ductus thoracicus). N a c h oben weichen die beiden (rechter und linker) Schenkel wieder auseinander u n d bilden den meistens links v o n der Medianlinie gelegenen m u s k u l ö s e n Speiseröhren schlitz, das Foramen oesophagicum Meistens wird diese Öffnung nur von dem rechten Schenkel begrenzt. Beteiligt sich der linke Schenkel an der Umrandung, so liegt er immer dorsal vom rechten. U n m i t t e l b a r oberhalb dieser Ö f f n u n g gehen die m e d i a l e n Zwerchfellschenkel in die Foramen v. cavae

Pars

sternalis

Centrum

tendineum /

r

Pars costalis

Oesophagus im Foramen oesophagicum

Crus laterale der Pars lumbalis , (med. A reus I /umbo-! costalis I1 lat.

Aorta im Hiatus aorticus

Crus mediale der Pars lumbalis

Trig. lumbocoslale

M. quadralus lum- • borurn Μ

psoas major

Abb. 115. Zwerchfell. Von unten und vorn gesehen. gemeinsame Zentralsehne, das Centrum tendineum, über. D a s Crus laterale entspringt von 2 Sehnenbogen (Arcus), die den M. psoas m a j o r bzw. M. q u a d r a t u s l u m b o r u m überbrücken. D e r mediale Bogen, Arcus lumbocostalis medialis, auch P s o a s a r k a d e genannt, v e r l ä u f t v o m K ö r p e r zum Seitenfortsatz des 1. Lendenwirbels. D e r laterale B o g e n , Arcus lumbocostalis lateralis, auch Q u a d r a t u s a r k a d e genannt, spannt sich zwischen dem Seitenfortsatz des 1. Lendenwirbels und der Spitze der 12. R i p p e aus. Die relativ kurzen Muskelfasern strahlen schräg nach oben in das Centrum tendineum aus. 2. Die Pars costalis entspringt alternierend m i t den Z a c k e n des M. transversus abdominis v o n den 6 kaudalen Rippen (bzw. deren Knorpel) u n d strahlt bogenförmig in das Centrum tendineum aus. 3. Die Pars sternalis entspringt mit kleinen Z a c k e n von dem dorsalen B l a t t der Rektusscheide und der Dorsalfläche des Schwertfortsatzes (Processus ensiformis) des Brustbeins u n d geht sehr bald in das Centrum tendineum über. 10*

148

Der Bauch. Die Bauchwand

Zwischen Pars sternalis und Pars costalis findet sich ein schmales, muskelfreies Dreieck (Larreysehe S p a l t e ) . Durch diese Spalte ziehen die A. epigastrica cranialis (ein Endast der A. thoracica interna [mammaria]), die gleichnamige Vene und Lymphgefäße. Ein ähnliches, muskelfreies Dreieck, Trigonum lumbocostal (Bochdaleksehe L ü c k e ) , ist meistens zwischen Pars lumbalis und Pars costalis, und zwar häufiger links als rechts vorhanden. Diese Spalten sind gewöhnlich durch die serösen Häute (Bauch- und Brustfell) und Faszien (Fascia transversalis und Fascia endothoracica) verschlossen (s. Anwendung S. 150). Das Centrum tendineum, die Zentralsehne aller muskulären Teile, hat kleeblattförmige Gestalt (ein vorderes und zwei seitliche Blätter) und bildet das rechts von der Mittellinie gelegene Foramen venae cavae. Die V. cava caudalis ist darin bindegewebig fest verankert. Mit der kranialen Fläche des Centrum tendineum ist der Herzbeutel fest verwachsen. Auf Röntgenbildern erscheint das Centrum tendineum gleichsam dutch die Last des darauf ruhenden Herzens eingedellt. Seitlich von ihm erheben sich die rechte und linke Zwerchfellkuppel. Gewöhnlich reicht die rechte K u p p e l einen Querfinger höher als die linke. Bei Gasansammlung im Mägen und Dickdarm stehen sie meistens gleich hoch. Die Lage des Zwerchfells (auf das Skelet bezogen) ist sehr variabel. Sie hängt von dem Grade der Ein- und Ausatmung, vom Alter, v o m Geschlecht, von der Konstitution und raumbeengenden Prozessen in Brust- oder Bauchhöhle ab. In der R u h e l a g e steht die r e c h t e K u p p e l i m 4. Z w i s c h e n r i p p e n r a u m (Mamillarlinie), d i e l i n k e 1 — 2 cm t i e f e r , d a s C e n t r u m t e n d i n e u m in H ö h e d e r K ö r p e r - S c h w e r t f o r t s a t z g r e n z e des Brustbeines. B e i m N e u g e b o r e n e n u n d K i n d m i t d e m r e l a t i v s t ä r k e r e n , s a g i t t a l e n D u r c h m e s s e r des B r u s t k o r b e s u n d einer i n s p i r a t o r i s c h e n F o r m desselben s t e h t d a s Z w e r c h f e l l einen Z w i s c h e n r a u m h ö h e r (größere Q u e r s t e l l u n g des H e r z e n s ) . B e i d e r F r a u s t e h t d a s Z w e r c h f e l l g e w ö h n l i c h e t w a s tiefer. W ä h r e n d d e r S c h w a n g e r s c h a f t w i r d es d u r c h d e n g r ö ß e r e n B a u c h h ö h l e n i n h a l t her auf g e d r ä n g t . M i t der a l l m ä h l i c h e n S e n k u n g (Descensus) aller O r g a n e im A l t e r f i n d e t a u c h eine a l l m ä h l i c h e S e n k u n g des Z w e r c h f e l l e s s t a t t . B e i m s c h m a l e n , a s t h e n i s c h e n K ö r p e r b a u t y p m i t d e n steil a b s t e i g e n d e n R i p p e n , d e m k l e i n e n , e p i g a s t r i s c h e n W i n k e l ( A n g u l u s areuurn costarum) s t e h t d a s Z w e r c h f e l l höher, b e i m b r e i t e n , p y k n i s c h e n T y p m i t d e n w e n i g e r steil s t e h e n d e n R i p p e n und d e m g r o ß e n , e p i g a s t r i s c h e n W i n k e l tiefer. R a u m b e e n g e n d e P r o z e s s e i m B a u c h ( S c h w a n g e r s c h a f t , A s c i t e s , Meteorismus) d r ä n g e n z u n ä c h s t die B a u c h w a n d v o r , s p ä t e r d a s Z w e r c h f e l l h o c h . R a u m b e e n g e n d e Prozesse i m B r u s t r a u m w e r d e n d a s Z w e r c h f e l l h e r a b d r ü c k e n . D a schließlich a u c h n o c h der L u n g e n z u g , die R e t r a k t i o n s k r a f t d e r L u n g e n , d e n Z w e r c h f e l l s t a n d b e e i n f l u ß t , w i r d ein N a c h lassen d e r E l a s t i z i t ä t d e r L u n g e n (Emphysem) z u einer A b f l a c h u n g d e s Z w e r c h f e l l s f ü h r e n müssen. Schließlich b e e i n f l u ß t n o c h die Körperlage d e n Z w e r c h f e l l s t a n d . D i e K u p p e l n liegen im S t e h e n a m t i e f s t e n , t r e t e n i m S i t z e n höher u n d erreichen in R ü c k e n l a g e d e n h ö c h s t e n S t a n d . In S e i t e n l a g e t r i t t die K u p p e l a u f d e r Seite, auf d e r m a n liegt, h ö h e r .

Funktion. Das Zwerchfell ist ein wichtiger Atemmuskel. Bei leichter Inspiration (Einatmung) findet eine Abflachung der beiden Zwerchfellkuppeln statt, während das Centrum tendineum nahezu stehenbleibt. Erst bei stärkerer Inspiration wickeln sich die peripherischen, muskulären Zwerchfellteile durch Kontraktion von der s e i t l i c h e n Brustwand ab. Der Sinus phrenicocostalis wird dadurch erweitert und die Lunge schiebt sich in ihn herein. Doch wird der Sinus nie vollständig von der Lunge ausgefüllt. Schließlich wird auch das Zentrum tendineum etwas abwärts bewegt. (Weiteres siehe bei Brust, B d . II, S. 499—453.) Als Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle wird das Zwerchfell nicht nur die Größe der Brusthöhle (Atemmuskel), sondern auch die der Bauchhöhle (Bauchpresse, S. 136) verändern helfen. Entwicklung. E i n e u n p a a r e , v e n t r a l e A n l a g e , d a s Septum transversum, u n d eine p a a r i g e , dorsale, die Membrana pleuroperitonaealis dextra et sinistra, v e r e i n i g e n sich z u m Z w e r c h f e l l . Z u n ä c h s t e n t s t e h t d a s Septum transversum als eine quere F a l t e d e r v o r d e r e n und seitlichen B a u c h w a n d . E s enth ä l t d e n Sinus venosus, die in i h n e i n m ü n d e n d e n V e n e n u n d die Leberanlage u n d t r ä g t d a s H e r z . A m dorsalen R a n d e dieser S c h e i d e w a n d b l e i b e n z u n ä c h s t die Ductus pleuroperitoneales als V e r b i n d u n g e n z w i s c h e n B r u s t - u n d B a u c h h ö h l e e r h a l t e n . V o n der h i n t e r e n B a u c h w a n d w a c h s e n die

Zwerchfellöffnungen

149

Zwerchfellpfeiler, die Membranae pleuroperitonaeales, nach ventral. Sie verwachsen miteinander (in der Mittellinie) und mit dem freien, dorsalen Rande des Septum transversum. Dadurch werden die Ductus pleuroperitonaeales verschlossen. Bleiben diese Gänge ein- oder beidseitig offen, so haben wir die Anlage eines angeborenen Zwerchfellbruches ( H e r n i a diaphragmatica congenitalis), siehe unten.

Die M u s k u l a t u r des Zwerchfells entstammt dem 3 . — 5 . Η a l s segment. Sie ist zusammen mit dem Herzen herabgewandert. Den W e g zeigt uns noch der lang ausgezogene Zwerchfellnerv, N. phrenicus, der im H a l s g e f l e c h t , Plexus cervicalis, entspringt und seitlich v o m Herzen zum Zwerchfell verläuft. Arterien des Zwerchfells. Zur Brusthöhlenseite des Zwerchfells ziehen cardiacophrenica (mit dem N. phrenicus) und die A. musculophrenica (ein A . thoracica interna). Die Bauchhöhlenseite wird aus den Aa. phrenicae versorgt. Sie entspringen im Aortenschlitz aus der A o r t a oder aus der A .

die A. periEndast der abdominales coeliaca.

L y m p h g e f ä ß e . Das Zwerchfell hat e i g e n e Lymphgefäße in der Muskulatur und unter den serösen Häuten (Pleura und Peritonaeum). Gleichzeitig läßt es auch noch die Lymphe von den oberen Bauchorganen durchtreten (s. S. 183).

Nervenversorgung. Die motorische Versorgung erfolgt durch die Nn. phrenici. Sie stammen aus C. 3 — 5 . Tiefere Halssegmente k ö n n e n sich über den N. subclavius daran beteiligen (Nebenphrenikus). Zweige aus den Nn. intercostales 8—12 versorgen den Bauchfellüberzug s e n s i b e l . A n w e n d u n g . Degeneration der Muskulatur kann zu enormem Zwerchfellhochstand (Relaxation)1 führen. Da das Zwerchfell an der Wirbelsäule wesentlich tiefer als am Brustbein steht, können horizontale Schußverletzungen v o r n die B a u c h - und h i n t e n die B r u s t h ö h l e treffen. Auf Röntgenbildern beobachten wir nicht selten eine Einknickung des rechten Zwerchfellbogens. Sie kommt durch ungleiche Kontraktion der Muskelzüge zustande. Die Fasern von der 8. und 9. Rippe sind länger und können sich stärker kontrahieren. Zwischen den Ursprüngen von der 7. und 8. Rippe kann ein Spalt bestehen. Die ungleiche Kontraktion der Zwerchfellfasern hinterläßt auf der gut formbaren Leber die Zwerchfellfurchen (S. 170).

Ζ w e r c h f ellöff n u n g e n Der Hiatus aorticus, die untere Öffnung des Canalis aorticus liegt vor dem 1. Lendenwirbelkörper, wird dorsal von dem Wirbelkörper, lateral von den Zwerchfellschenkeln und ventral von einem S e h n e n b o g e n , der die beiden Zwerchfellschenkel verbindet, begrenzt. Der i 1 / 2 Wirbelhöhen lange Canalis aorticus beginnt vor dem 11. Brustwirbel. Durch den Aortenkanal ziehen die Aorta mit dem Plexus aorticus und dorsolateral in F e t t eingehüllt der Ductus thoracicus. A u c h die Vv. thoracicae longitudinales dextra et sinistra können mit in dem K a n a l liegen. Das Foramen v. cavae, in Höhe des Oberrandes des 9. Brustwirbels, liegt rechts von der Mittellinie im Centrum tendineum. Die V. cava caudalis ist in ihm bindegewebig fest verankert. Rr. abdominales des rechten N. phrenicus ziehen mit hindurch zur Bauchseite des Zwerchfells. Das Foramen oesophagicum liegt gegenüber dem 10. Brustwirbel, links und ventral von der Aortenöffnung. Im Gegensatz zu den beiden obigen Öffnungen ist sie v o l l s t ä n d i g von Muskulatur umgeben. Zwerchfellkontraktion kann somit das kaudale Speiseröhrenende verschließen. Durch den Speiseröhrenschlitz zieht die Speiseröhre, Oesophagus, begleitet ventral von dem N. vagus sinister, dorsal v o m N. vagus dexter. Auch Rr. abdominales des linken Ν. phrenicus können mit hindurchziehen. Die Vv. thoracicae longitudinales dextra et sinistra und die Nn. splanchnici major et minor durchbohren gewöhnlich die medialen Zwerchfellschenkel. Der G r e n z s t r a n g d e s S y m p a t h i k u s tritt meist zwischen medialem und lateralem Zwerchfellschenkel in die Bauchhöhle. Durch die La/reysche Spalte treten A. u. V . thoracica interna und Lymphgefäße.

150

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

A n w e n d u n g . Bleibt der Spalt zwischen Septum transversum und dorsaler Zwerchfellanlage, den Membranae pleuroperitonaeales, offen, so haben wir einen angeborenen Zwerchfellbruch. Es können dabei nur die Muskulatur oder Muskulatur u n d seröse Häute fehlen. Im ersteren Fall haben wir noch einen Bruchsack (die serösen Häute) und sprechen von echten Brüchen (Herniae verae), im letzteren fehlt ein Bruchsack (falsche Brüche, Herniae spuriae). Neben den angeborenen Brüchen kommen auch erworbene (Herniae acquisitae) vor. Sie können die Larreysche und Bochdalek sehe Spalte oder das For amen oesophagicum als Bruchpforten wählen. Auch Zwerchfellverletzungen können zu Brüchen führen. Da die schwachen Stellen des Zwerchfells rechts durch die große Leber verdeckt sind, kommen Zwerchfellbrüche wesentlich häufiger links vor. Baucheingeweide drängen die linke Lunge zusammen und verlagern das Herz und das Mittelfell nach rechts (Erschwerung des Kreislaufs). Durch die vorgebildeten Zwerchfellspalten können Eiterungen der Bauchhöhle in die Brusthöhle gelangen und umgekehrt.

B. Bauchhöhle und Bauchorgane Die B a u c h h ö h l e , Cavum abdominis, e n t h ä l t das B a u c h f e l l u n d die B a u c h o r g a n e . N a c h k a u d a l geht sie ohne scharfe Grenze in die Beckenhöhle, Cavum pelvis, über. D a s Bauchfell, Peritonaeum, kleidet mit einem p a r i e t a l e n B l a t t , Peritonaeum parietale, die B a u c h - und Beckenhöhle aus u n d überzieht mit einem v i s z e r a l e n B l a t t , Peritonaeum viscerale, einen großen Teil der B a u c h - u n d Beckenorgane. Zwischen Peritonaeum parietale und viscerale liegt die Bauchfellhöhle, Cavum peritonaeale. Sie ist ein T e i l der e m b r y o n a l e n L e i b e s h ö h l e , deren E n t w i c k l u n g auf S. 42 geschildert wurde. D e r Verlauf des B a u c h f e l l s und seine Beziehungen z u den Organen bereiten dem A n f ä n g e r meistens gewisse Schwierigkeiten. Z u m vollen Verständnis des Bauchfellverlaufs beim Erwachsenen, v o r allem zur E r k l ä r u n g der vielen A b a r t e n , ist das S t u d i u m der E n t w i c k l u n g s v o r g ä n g e in der Bauchhöhle unbedingt nötig. Mir erscheint es aber notwendig, sich zunächst an der eröffneten B a u c h h ö h l e einen Überblick über die L a g e der Organe, den Verlauf des Bauchfells, über Faltenbildungen (Plicae) u n d A u s b u c h t u n g e n (Recessus) zu verschaffen u n d dann erst die recht komplizierten E n t wicklungsvorgänge z u studieren. Verwiesen sei aber vorher noch auf den Begriff der ,,Meso". E s sind (Abb. 1 2 1 A ) B a u c h f e l l d u p l i k a t u r e n , die v o n der dorsalen R u m p f w a n d z u m D a r m (dorsales Meso) und v o n dort zur ventralen R u m p f w a n d (ventrales Meso) ziehen. D a s letztere ist im kaudalen Teil der B a u c h h ö h l e verlorengegangen (Abb. 1 2 1 B ) . Vgl. S. 159.

I. Kurzes Studium der eröffneten Bauchhöhle N a c h weitgehender E n t f e r n u n g der vorderen B a u c h w a n d (Abb. 116) sehen wir zwischen den Rippenbogen, in der Regio mesogastrica, Leber u n d Magen. D e r rechte Leberlappen liegt vorwiegend in der r e c h t e n Regio hypochondriaca. D e r kleinere linke Leberlappen füllt nahezu die Regio mesogastrica aus u n d reicht in die l i n k e Regio hypochondriaca. V o n der Grenze zwischen beiden L a p p e n v e r l ä u f t eine s c h i e f g e s t e l l t e B a u c h f e l l p l a t t e zur Mitte der vorderen B a u c h w a n d (Mesohepaticum ventrale). I m freien, unteren R a n d e dieser F a l t e erkennt m a n im Schnitt die Chorda v. umbilicalis, den obliterierten S t r a n g der ehemaligen V. umbilicalis (vom N a b e l zur Leberpforte). A n der Spitze der rechten 9. Rippe überragt die K u p p e der Gallenblase, Fundus vesicae felleae, leicht den ventralen Leberrand. U n t e r h a l b des linken Leberlappens erscheint noch ein Teil der ventrokranialen Fläche des Magens. V o n seinem großen, kaudalen R a n d e , Curvatura ventriculi major, h ä n g t das große Netz, Omentum majus, wie eine Schürze mehr oder weniger weit herab und b e d e c k t den übrigen Bauchhöhleninhalt nahezu vollständig. A n den freien R ä n d e r n des Netzes können Teile des D i c k - und D ü n n d a r m s sichtbar sein. Ist das N e t z mit wenig F e t t beladen, wie in A b b . 116, so scheinen unterhalb des Magens der quer verlaufende Teil des Dickdarms, das Colon transversum, u n d weiter k a u d a l D ü n n d a r m s c h l i n g e n durch.

Kurzes Studium der eröffneten Bauchhöhle

151

Zieht m a n die Leber kranial- u n d den Magen k a u d a l w ä r t s (Abb. 1 1 7 ) , so wird zwischen beiden das kleine Netz, Omentum minus, sichtbar. Sein rechter, freier R a n d ist v e r d i c k t , enthält (Abb. 118), den G a l l e n g a n g , die P f o r t a d e r u n d die L e b e r a r t e r i e u n d wird Pars hepatoduodenalis genannt. Der mittlere T e i l des kleinen Netzes ist besonders d ü n n (Portio flaccida) u n d läßt den Lobus caudatus hepatis durch-

Proc

ensitormis

Mesohepaticum ventrale Chorda v. umbilicalis Lobus hepatis dexter

Fundus

vesicae tclleae

Lobus hepatis sinister V'entricMus (Paries ventrocranialisi

Colon

transversum

Integumentum commune M. obliquus abd. ext.

Omentum

maius

M. obliquus abd. int. Μ. transversus

abd.

Peritonaeum Intestinum tenue (durchscheinend)

Intestinum Intestinum

caecum ilium

Colon

sigmoides

Plica

epigastrica

Plica umbilicalis lateralis Plica media

umbilicalis

Abb. 116. Lage der Baucheingeweide nach Entfernung der vorderen Bauchwand. Der untere Teil der vorderen Bauchwand ist nach unten zurückgeschlagen. scheinen. Der linke Teil ist wieder e t w a s dichter gewebt (Portio densa). P o r t i o densa u n d Portio flaccida bilden zusammen die Pars hepatogastrica, die sich zwischen der Unterfläche der Leber und der kleinen K u r v a t u r des Magens ausspannt. Der Netzbeutel, Bursa omentalis. D e r N e t z b e u t e l ist (siehe S. 161) eine A u s s t ü l p u n g des Mesogastrium dorsale. Der E i n g a n g , das Foramen epiploicum, liegt ( A b b . 1 1 7 ) d o r s a l v o n der Pars hepatoduodenalis (weißer Pfeil). F ü h r t m a n den linken Zeigefinger in das F o r a m e n ein, so tastet m a n kranial den Lobas caudatus der Leber, k a u d a l die Bauchspeicheldrüse, das Pancreas, dorsal die V. cava caudalis u n d v e n t r a l das Omentum,

Der Bauch, Bauchhöhle und

152

Bauchorgane

minus. Die Bursa omentalis liegt hinter dem Omentum minus und dem Magen. Erst nach der Durchtrennung der Pars gastromesocolica, einer Bauchfellplatte, die von der großen K u r v a t u r des Magens zum Colon transversum zieht, kann man den Netzbeutel gut übersehen und abtasten. E r reicht nach kranial bis zur Leber, nach links bis zur Milz und nach kaudal bis zum Colon transversum. A b b . 118 gibt einen Überblick über die dorsale W a n d des Netzbeutels. Sie wird kranial vom Z w e r c h f e l l , Omentum minus (Pars hepalogastrica ) Portio Lobus caudatus hepatis

llaccida

densa I

Ventnculus I

Lobus sinister hepatis Mesohepaticum ventrale Chorda v. umbilicalis Lobus quadratus

Omentum minus (Pars hepatoduodenal) Vesica tellea Foramen

epiploicum

Flexuri

coli dextra

Pars cranialis duodeni

Pars pylorica Colon transversum Curvatura Omentum malus ventnculi (durchscheinendI ventriculi major

A b b . 117. Lage des Omentum minus und des Foramen epiploicum. Die Leber mit der Gallenblase ist nach kranial, der Magen etwas nach kaudal gezogen. Pfeil im Foramen epiploicum.

in der Mitte von der l i n k e n N e b e n n i e r e , Corpus suprarenale sinistrum, und den M i l z g e f ä ß e n , A. et V. lienalis, kaudal vom Pankreas gebildet. Die A. gastrica sinistra läuft in der Plica gastropancreatica nach unten gegen das Pankreas. Sie trennt das rechts gelegene Vestibulum von dem übrigen Netzbeutel. Zwischen V. cava caudalis und Cardia des Magens findet sich der Recessus cranialis, zwischen Pankreas und Rückfläche des Magens der Recessus caudalis der Bursa omentalis. Die Milz, Lien. Zieht man den Magen etwas nach rechts, so wird in der linken Regio hypochondriaca der vordere, scharfe Rand, Margo acutus, der b r a u n r o t e n Milz sichtbar. Von der großen Magenkurvatur kann man eine Bauchfellplatte, die Pars gastrolienalis, bis zum Milzhilus verfolgen. Führt man die Hand zwischen Zwerchfell und der konvexen Facies diaphragmatica der Milz nach d o r s a l , so gelangt man um den

K u r z e s S t u d i u m der eröffneten B a u c h h ö h l e

153

hinteren, stumpfen Milzrand, Margo obtusus lienis, z u den Plicae phrenicolienales. Führt man anschließend die H a n d der R u m p f w a n d entlang nach k a u d a l z u m u n t e r e n M i l z p o l , Extremitas ventralis, so tastet man eine v o m Colon zur R u m p f w a n d (Zwerchfell) v e r V

A nheftungsstelle d. Leber an das Zwerchfell Gallenblasen- u Leberrest hochgeschlagen Mesohepa.tcum tat. dexirum Pars hepatoduOilenaiis omenli minoris A. heptuica communis Ren et Corp. suprarenale d. Flex,

duodeni cranialis

A.,V mesenterica cran

Colon transv. überlagert die Niere

Flex,

duodeni caudalis

cava caudalis

Vv

hepalicae

Recessus cran bursae omen .

Cardia

Mesohepaticum tat. simstrum

A. phremca abdominalis A gastrica sinistra Mesogashium dorsale (P. phrenicogastrica) Facies visceralis lienis Corpus suprarenale simstrum AV lienalis Pancreas Plica phrenicocolica Mesocolon transversum (Schnitirand) Jejunum

A. colica sinistra Mesocolon descendens

Radix mesostenii Mesocolon asceruiens

A. ilica communis Ureter

Mesosigmoideum Intestinum terminale [Rectum]

A b b . 118. Die hintere B a u c h h ö h l e n w a n d nach W e g n a h m e v o n Magen, J e j u n u m , Ilium und Colon. Besonders dargestellt sind die R ü c k w a n d der Bursa omentalis und die Meso des Colon, des Magens, des Dünn- und D i c k d a r m e s . D u o d e n u m , Pankreas, Milz, Nieren und Nebennieren in natürlicher L a g e .

laufende Bauchfellfalte, die Plica phrenicocolica (s. A b b . u 8 ) . Sie ist eine Stütze f ü r die Milz und wird bei Milzvergrößerung gespannt. K r a n i a l v o n der Milz zieht das B a u c h f e l l d i r e k t von der großen M a g e n k u r v a t u r z u m Zwerchfell, Pars phrenicogastrica ( A b b . 1 1 8 ) . Pars phrenicogastrica, Pars gastrolienalis, Pars gastromesocolica, O m e n t u m m a j u s und Plicae phrenicolienales sind Teile des Mesogastrium dorsale (s. E n t w i c k l u n g S.159).

154

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

Schlägt m a n (Abb. 119) das große N e t z nach o b e n über den Rippenbogen, so wird das mit zahlreichen B u c h t e n , Haustra coli, besetzte Colon transversum frei. A n seiner v e n t r a len Fläche sehen w i r zwei weitere D i c k d a r m m e r k m a l e , eine V e r d i c k u n g der L ä n g s m u s k u latur, die Taenia libera, und kleine F e t t a n h ä n g s e l , Appendices epiploicae. Zieht m a n das Colon transversum nach v e n t r a l und k r a n i a l , so wird in ganzer A u s d e h n u n g eine quere

Omentum mains (hochgeschlagen)

Haustra

coli Colon

Taenia

transversum

libera

Intestinum

jejunum

Flexura coli hepatica

Mesostenium Colon

Recessus

ascendens

äiocaecalis cranialis

Intestinum

caecum

Intestinum

Fovea f inguinales)

Colon

desceniens

A ppendices epiploicae

Colon

sigmoides

Plica

et>igastrica

ilium

med

Plica umbilicalis lateralis Plica media

umbilicalis

Abb. 119. Die Lage der Darmschlingen. Das Colon transversum ist mit dem Omentum majus nach oben hochgeschlagen. Bauchfellfalte, die v o n der hinteren B a u c h w a n d z u m Colon transversum zieht, das Mesocolon transversum, frei (Abb. 120). D a s Mesocolon transversum trennt den kranial gelegenen, oberen Bauchraum mit den großen Darmdrüsen (Leber und Pankreas), auch D r ü s e n b a u c h genannt, v o n dem k a u d a l gelegenen, unteren Bauchraum. I m unteren B a u c h r a u m ( D a r m b a u c h ) r a h m t der Dickdarm r e c h t s mit dem aufsteigenden Schenkel (Colon ascendens), k r a n i a l mit dem Colon transversum, l i n k s m i t dem absteigenden Teil, Colon descendens, die D ü n n d a r m s c h l i n g e n ein.

Kurzes Studium der eröffneten Bauchhöhle

155

Dickdarmmerkmale. i . Regelmäßige A u s b u c h t u n g e n , Haustra coli, 2. Verstärkungen der L ä n g s m u s k u l a t u r , Taeniae coli, 3. kleine, meistens m i t F e t t beladene B a u c h fellanhänge, Appendices epiplocae, charakterisieren den D i c k d a r m . D e r U m f a n g ist f ü r die Unterscheidung v o n D ü n n - und D i c k d a r m meistens n i c h t m a ß g e b e n d . S t a r k kontrahierter D i c k d a r m k a n n wesentlich dünner als a u f g e b l ä h t e r D ü n n d a r m sein. Lage und Befestigung des Dickdarmes. D e r D i c k d a r m beginnt in der r e c h t e n unteren B a u c h g e g e n d m i t dem 6 — 8 cm langen, u n t e r h a l b der Einmündungsstelle des Dünndarmes gelegenen Blinddarm, dem Caecum. D e r B l i n d d a r m liegt in der F o s s a i l i c a d e x t r a (auf dem M. ilicus und dem M. psoas major). Ist er g e f ü l l t , so berührt er oberhalb der Mitte des Leistenbandes die vordere B a u c h w a n d . Ist er l e e r , so schieben sich das große N e t z u n d Dünndarmschlingen dazwischen. D a s B a u c h f e l l überzieht das Caecum wechselnd weit. D a d u r c h wird es mehr oder weniger beweglich. (Häufig, besonders im Alter, ein'Caecum mobile.) In der Nähe des Caecum beobachten wir verschiedene Bauchfelltaschen, Recessus. Der Recessus retrocaecalis liegt zwischen dem freien E n d e des Caecum u n d der hinteren B a u c h w a n d . D e r konstante Recessus iliocaecalis caudalis wird v o r n v o n der Plica iliocaecalis caudalis, einer Bauchfellfalte, die v o m unteren Iliumende z u m Caecum und Processus vermiformis zieht, u n d h i n t e n v o m Mesenteriolum, dem Meso des W u r m fortsatzes, begrenzt. Oberhalb des unteren Iliumendes k a n n ein Recessus iliocaecalis cranialis v o r k o m m e n . E r wird v o n dem Mesostenium, dem Meso des D ü n n d a r m s , und der Plica iliocaecalis cranialis, einer Bauchfellfalte, die v o m Mesostenium z u m Caecum zieht, begrenzt. Diese Recessus können Gelegenheit zu inneren Einklemmungen des Darmes geben. Häufig legt sich auch der Wurmfortsatz herein. Der Wurmfortsatz, Processus vermiformis, geht v o n der d o r s o m e d i a l e n Seite des Blinddarmes ab. B e i m E r w a c h s e n e n ist er meistens scharf gegen den B l i n d d a r m abgesetzt. B e i m Neugeborenen geht er trichterförmig in ihn über. Die 3 Taenien des Caecum setzen sich auf den W u r m f o r t s a t z fort u n d bilden auf ihm eine einheitliche Längsmuskellage. I s t der W u r m f o r t s a t z schwierig z u finden, so weist uns die Taenia libera, v o r n und medial auf dem Colon ascendens u n d C a e c u m verlaufend (Abb. 119), zu ihm den W e g . A n der medialen Seite hat er ein eigenes Meso, das Mesenteriolum. E s sei hier schon e r w ä h n t , d a ß in dem freien R a n d e des Mesenteriolum die kleine Arterie für den W u r m f o r t s a t z , die A. appendicularis, verläuft. Die L a g e d e s W u r m f o r t s a t z e s wechselt sehr. E r k a n n 1. in das kleine B e c k e n herabhängen (Verwechslung von Appendicitis und Erkrankungen von Eier stock und Eileiter), 2. nach m e d i a l in den Recesuss iliocaecalis caudalis, 3. nach l a t e r a l u n d d o r s a l in den Recessus retrocaecalis hochgeschlagen sein, 4. in der Fossa ilica liegen u n d 5. mit der Spitze gegen die vordere B a u c h w a n d weisen. Druckpunkte bei Appendicitis, E n t z ü n d u n g des W u r m f o r t s a t z e s . V e r b i n d e t m a n die Spinae ilicae ventrales miteinander, so findet m a n an der Grenze v o m rechten z u m mittleren Drittel den A b g a n g des W u r m f o r t s a t z e s v o m C a e c u m (Lanzscher P u n k t ) ; auf dem H a l b i e r u n g s p u n k t der Verbindung v o n Spina ilica ventralis d e x t r a u n d N a b e l liegt die E i n m ü n d u n g des D ü n n d a r m s in den D i c k d a r m (McBurneyscher Punkt). Man denke aber immer daran, daß b e i H o c h s t a n d des C a e c u m (s. S. 163), bei sehr beweglichem Colon (Colon mobile) und in der letzten Hälfte der S c h w a n g e r s c h a f t (durch die große G e b ä r m u t t e r ) Caecum und damit der Proc. vermiformis stark verlagert sein können. D a s Colon ascendens erstreckt sich v o m Caecum bis zur U n t e r f l ä c h e des rechten Leberlappens. E s liegt h i n t e n auf dem M. ilicus, dem M. q u a d r a t u s l u m b o r u m u n d dem unteren Nierenpol·. V o r n und seitlich ist es v o m P e r i t o n a e u m überzogen, h i n t e n ist es wechselnd breit m i t der hinteren B a u c h w a n d verwachsen. ( M a n kann so das Colon ascendens und descendens, das ähnliche Lageverhältnisse zeigt, von dorsal her operativ angehen, ohne die Peritonaealhöhle zu eröffnen.) V o r dem Colon ascendens liegen gewöhnlich Dünndarmschlingen u n d O m e n t u m m a j u s .

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Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgan

Das Colon transversum beginnt mit der Flexura hepatica unterhalb der Facies visceralis des rechten Leberlappens und v e r l ä u f t in einem nach u n t e n k o n v e x e n B o g e n zur Flexura lienalis (links). E s h ä n g t an einer v o n der hinteren B a u c h w a n d entspringenden Bauchfellplatte, dem Mesocolon transversum. Die Ursprungslinie des Mesocolon transversum (Abb.118) steigt v o n rechts nach links leicht an, zieht über den unteren Pol der rechten Niere, über den absteigenden Schenkel des Zwölffingerdarmes (Duodenum), über den unteren R a n d der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) z u m unteren Pol der Milz. D a s wechselnd lange Mesocolon transversum ermöglicht eine g r o ß e B e w e g l i c h k e i t des Colon transversum. N o r m a l soll es nicht über die Verbindungslinie der tiefsten P u n k t e der R i p p e n b o g e n nach unten reichen. Man kann es aber im kleinen Becken und in Leistenhernien finden. N a c h o b e n lagert sich das Colon transversum an die U n t e r f l ä c h e , Facies visceralis, der Leber, a n die G a l l e n b l a s e (Durchbruch von Gallensteinen in den Dickdarm), an die große M a g e n k u r v a t u r u n d an die Facies visceralis der Milz. Ü b e r die V o r d e r f l ä c h e zieht das große N e t z h i n w e g und ist mit ihr wechselnd stark verwachsen. Die Flexura coli lienalis (links) liegt k r a n i a l e r u n d d o r s a l e r als die Flexura coli hepatica (rechts). B e i starker F ü l l u n g k a n n sie sich zwischen Magen u n d Milz schieben. Sie ist m i t einer lateral gelegenen Bäuchfellfalte, Plica fhrenicocolica (Abb. 118), am Zwerchfell befestigt. A u f der kranialen Fläche dieser F a l t e ruht der untere Milzpol (Milznische). D a s Colon descendens ist wie das Colon ascendens nur v o r n und s e i t l i c h v o m Peritonaeum überzogen, h i n t e n breit mit der hinteren B a u c h w a n d verwachsen (Abb.118). E s zieht v o n der F l e x u r a lienalis bis zur Höhe des linken D a r m b e i n k a m m e s . V o r n ist es meistens v o n Dünndarmschlingen bedeckt. Recessus paracolici sind seichte B u c h t e n lateral v o m Colon ascendens u n d descendens. Sie k o m m e n dadurch zustande, daß das Bauchfell den D i c k d a r m verschieden weit überkleidet. D e r anschließende, S-förmige D i c k d a r m , das Colon sigmoides, ist mit einem verschieden langen Mesosigmoideum versehen. Mit der L ä n g e des Mesosigmoideum wechselt die L ä n g e , K r ü m m u n g u n d L a g e des Colon sigmoides außerordentlich. B e i mittlerer L ä n g e v e r l ä u f t das S i g m o i d (auch S-romanum genannt) und m i t ihm die Ursprungslinie des Mesosigmoideum v o m linken D a r m b e i n k a m m über den M. ilicus, M. psoas, die V a s a ilica a b w ä r t s z u m kleinen B e c k e n , steigt dann wieder, den linken Harnleiter überkreuzend (Abb. 118), a u f w ä r t s z u m Promunturium und zieht schließlich wieder ins kleine B e c k e n herab. (Beginn des Intestinum terminale a m 2. bis 3. Kreuzbeinwirbel.) Ist das Mesosigmoid und d a m i t das S i g m o i d sehr lang, so k a n n es nach rechts u n d k r a n i a l bis an die L e b e r reichen, wobei es zwischen den Dünndarmschlingen verborgen sein oder auch direkt der B a u c h w a n d anliegen kann. Die L ä n g e des S i g m o i d s s c h w a n k t zwischen 15 u n d 67 cm. Schlägt m a n das Mesosigmoideum nach kranial um, so wird in ihm ein n a c h kranial gerichteter Recessus intersigmoideus sichtbar. Lage und Befestigung des Dünndarmes. Schlagen wir das K o n v o l u t der D ü n n darmschlingen (Abb. 119) nach rechts (wie in A b b . 120), so erkennen wir die Flexura duodenojejunalis, den Beginn des f r e i e n oder beweglichen Teiles des Dünndarmes. Links v o n der F l e x u r liegt der Recessus duodenomesocolicus cranialis. Diese T a s c h e wird rechts v o m Duodenum, links von einer sichelförmigen Falte, der Plica duodenomesocolica cranialis, begrenzt. In der letzteren v e r l ä u f t die V. mesenterica caudalis (Vorsicht bei operativen Eingriffen). In den Recessus können sich gelegentlich Darmschlingen schieben. klemmungen entstehen (Treitzsche Hernie).

So können innere Ein-

Der ganze freie Teil des Dünndarmes, von der F l e x u r a duodenojejunalis bis zur E i n mündung in den D i c k d a r m , ist an einer großen Bauchfellduplikatur, dem Mesostenium, aufgehängt. Die U r s p r u n g s l i n i e des Mesostenium v e r l ä u f t (Abb. 118) normal v o m

157

K u r z e s S t u d i u m der e r ö f f n e t e n B a u c h h ö h l e

2. Lendenwirbelkörper links schräg abwärts über die großen Bauchgefäße zum Articulus sacroilicus rechts, schwankt aber in weiten Grenzen. Zwischen den beiden Blättern des Mesostenium verlaufen Nerven, Blut- und Lymphgefäße zum und vom Darm (Abb. 118, 120). Auch Lymphknoten finden sich in ihm. Mesocolon transv. et A. cohca media

Colon transversum

Omentum

majus

Recessus duodenomesocolicus cran. Flexura duodenojeiunalis Flexura lienaiis

coli

Α., V mesenterial cran. Schnittrand d Peritrmaeutn viscerale Α., V. mesenteric^· caud A. colica sinistra Colon descendens A..V ilica communis A rec'alis cranialis Ureter

Mesosigmoideum et Aa. sigmoideae Colon stgmoides

A b b . 120. L a g e der F l e x u r a duodenojejunalis, des Recessus duodenomesocolicus cranialis, der A . und V . mesenterica cranialis et caudalis. Die D ü n n d a r m s c h l i n g e n sind n a c h rechts verlagert, d a s Colon transversum ist nach oben gezogen. Das B a u c h f e l l ist teilweise entfernt, u m die L a g e der Gefäße anzuzeigen.

Das lange Mesostenium gibt den Dünndarmschlingen eine große Bewegungsfreiheit. Trotzdem wird meistens ein gewisser Lageplan innegehalten, indem l i n k s o b e n der k r a n i a l e Abschnitt, das J e j u n u m , r e c h t s u n t e n der kaudale Teil, das I l i u m , liegt. Durch einfache Besichtigung kann man Jejunum und Ilium n i c h t unterscheiden, obschon es für Operationen wichtig ist. Tastet man die Schlingen durch, so erscheint

158

D e r B a u c h , B a u c h h ö h l e und

Bauchorgane

die W a n d der J e j u n u m s c h l i n g e n d i c k e r als die der I i i u m s c h l i n g e n . (Man tastet die Plicae circulares durch, s. S. 184.) Der Zwölffingerdarm, Duodenum, ist im Gegensatz z u m f r e i e n D ü n n d a r m im größten T e i l seiner L ä n g e u n b e w e g l i c h an der hinteren B a u c h w a n d angeheftet u n d für die Untersuchung schwer zugänglich. D a s 30 cm lange, hufeisenförmige D a r m s t ü c k beginnt im oberen B a u c h r a u m a m Pförtner des Magens, gelangt u n t e r dem Mesocolon transversum in den unteren B a u c h r a u m , wird hier v o n der R a d i x mesostenii überlagert und m ü n d e t an der F l e x u r a duodenojejunalis in das J e j u n u m . Die vollständig v o m B a u c h f e l l überzogene Pars cranialis v e r l ä u f t bei gefülltem Magen in der H ö h e des 1. Lendenwirbels v o m P y l o r u s nach dorsal zur F l e x u r a duodeni cranialis. Die anschließende Pars descendens (Abb. 118) zieht zwischen rechter Niere u n d Wirbelsäule abwärts bis z u der in der Höhe des 3. Lendenwirbels gelegenen Flexura duodeni caudalis. Sie wird noch v o n dem Mesocolon transversum gekreuzt u n d liegt hier vollständig extraperitonaeal. I m übrigen wird sie nur an der Vorderfläche v o m B a u c h f e l l überzogen. Die Flexura caudalis u n d die Pars caudalis (Abb. 118) scheinen zwischen Mesocolon transversum und Mesostenium durch das parietale Bauchfell, sind nur an der Vorderfläche v o m B a u c h f e l l überzogen. Die Pars ascendens steigt wieder bis zur Bandscheibe zwischen 1. und 2. Lendenwirbel an, liegt unter der A . u. V . mesenterica cranialis vollständig extraperitonaeal u n d geht in die Flexura duodenojejunalis über. Die verborgene L a g e des D u o d e n u m erschwert die operative Zugänglichkeit. Die Pars descendens k a n n wie die Niere v o n dorsal her aufgesucht werden. Die intraperitonaeale Pars cranialis ist g u t erreichbar und beweglich. B e i gefülltem Magen ist sie dorsoventral, bei leerem Magen mehr frontal gerichtet (Bedeutung für R ö n t g e n a u f n a h m e n ) . F o r m und L a g e des D u o d e n u m sind sehr variabel. Der Scheitel der hufeisenförmigen Schlinge k a n n bis z u m Promunturium herabreichen.

Das Bauchfell im Becken. D a s parietale B a u c h f e l l setzt sich über die Linea terminalis in das kleine B e c k e n fort, überzieht den Scheitel und die R ü c k f l ä c h e der Blase, beim Mann die K u p p e n der Bläschendrüsen und schlägt dann auf den M a s t d a r m über. Die tiefe, zwischen Blase und M a s t d a r m gelegene B u c h t nennen wir beim Manne Excavatio rectovesicalis. Bei starker F ü l l u n g n i m m t die Blase das B a u c h f e l l m i t in die Höhe. Sie ist dann oberhalb der S y m p h y s e ohne Gefährdung operativ erreichbar. B e i der E n t l e e r u n g sinkt das B a u c h f e l l mit der Blase bis hinter die S y m p h y s e h e r a b und bildet auf der Blase eine quere Reservefalte, die Plica vesicalis transversa. I m weiblichen B e c k e n schiebt sich zwischen Blase und M a s t d a r m die frontal gestellte G e n i t a l p l a t t e , die G e b ä r m u t t e r mit A n h ä n g e n . Sie ist v o m B a u c h f e l l überzogen, teilt die Excavatio rectovesicalis in eine seichte, vordere Excavatio vesicouterina und die hintere, tiefe Excavatio rectouterina. Die letztere reicht nach unten bis an das hintere Scheidengewölbe (Abb. 194) und wird seitlich von den P l i c a e r e c t o u t e r i n a e begrenzt. Mit der Muskulatur der G e b ä r m u t t e r ist das B a u c h f e l l fest verwachsen (Perimetrium). V o n den Seitenwänden der G e b ä r m u t t e r zieht das B a u c h f e l l als D u p l i k a t u r zur W a n d des kleinen B e c k e n s (Plica lata). Ihr kranialer, dünner Teil umschließt den Eileiter und wird Mesosalpinx genannt. V o n der Dorsalfläche der Plica lata geht eine kleine Sekundärfalte, das Mesovarium, ab, das den Eierstock einschließt. V o m Eierstock zieht noch eine F a l t e senkrecht an der B e c k e n w a n d aufwärts, k r e u z t die A. u. V . ilica e x t e r n a und enthält die A . u. V . ovarica (Plica suspensoria). B e i der F r a u steht die Bauchhöhle durch die innere Eileiteröffnung (Ostium abdominale) mit der A u ß e n w e l t in Verbindung. Dünndarmschlingen und Teile des Sigmoids füllen den v o m B a u c h f e l l ausgekleideten R a u m des kleinen B e c k e n s vollständig aus. A n w e n d u n g : D a das B a u c h f e l l Darmrohr, Leber, Milz, Pankreas, Blase und Genitalien überzieht oder vollständig einkleidet, können E n t z ü n d u n g e n dieser Organe zu einer lokalen oder allgemeinen B a u c h f e l l e n t z ü n d u n g , P e r i t o n i t i s , führen. Sehr h ä u f i g sehen w i r dabei, d a ß das große N e t z den E n t z ü n d u n g s h e r d , ob er nun v o m Magen und Zwölffingerdarm, v o n der Gallenblase oder

Entwicklung der Gekröse

159

vom Wurmfortsatz ausgeht, a b z u k a p s e l n sucht. Die Ausscheidungen eiweißreicher Flüssigkeit bei Peritonitis ( E x s u d a t e ) können lokal oder auch allgemein organisiert werden, zur Y e r k l e b u n g oder V e r w a c h s u n g großer Darmgebiete oder zu S t r a n g b i l d u n g e n führen. Solche Stränge können zur A b k n i c k u n g , V e r e n g e r u n g oder sogar zur S t r a n g u l a t i o n ganzer Darmteile führen. Die normal geringe Peritonaealflüssigkeit, die die Oberfläche der Bauchorgane feucht hält und das Gleiten gegeneinander erleichtert, kann bei Störungen des venösen Abflusses (Stauungen im Pfortaderkreislauf, Herzkrankheiten) schnell aus dem Blutgefäßsystem vermehrt ausgeschieden werden (eiweißarmes T r a n s s u d a t , A s c i t e s ) .

II. Die Entwicklung der Gekröse (Mesenterien) Die Bildung der Leibeshöhle w u r d e bei der Differenzierung des mittleren K e i m blattes (S. 42) besprochen. Sie ist zunächst paarig angelegt (vgl. A b b . 33 u n d 34). Dieser E n t w i c k l u n g s g r a d ist in A b b . 1 2 1 Α grob schematisch wiedergegeben. D a s B a u c h f e l l zieht jederA B seits v o n der dorsalen und ventralen R u m p f w a n d z u m D a r m r o h r (D). u n d bildet dadurch eine mediane Scheidew a n d zwischen der rechten und linken Leibeshöhle (L. H.). Den dorsalen Teil dieser Scheidewand bezeichnen wir als dorsales, den ventralen als Abb. i 2 i . Schematische Querschnitte durch die Leibeshöhlen. Bei Α ist der Darm (D.) mit einem dorsalen {d.M.) und einem ventrales Mesenterium. Sie ventralen [v.M.) Meso an der Bauchwand befestigt. Es ist dienen als A u f h ä n g e a p p a r a t für eine rechte und eine linke Leibeshöhle (L.H.) vorhanden. den D a r m (gr. enteron) und Bei Β ist durch Verlust des ventralen Meso eine einheitliche werden kurz „ M e s o " genannt. Leibeshöhle (L.H.) entstanden. Schon frühzeitig geht im k a u d a l e η T e i l der Leibeshöhle das ventrale Meso verloren (Abb. 121 B). E s entsteht damit eine einheitliche Leibeshöhle. I m Bereich des Magens und des kranialen Teiles des D u o d e n u m bleibt das ventrale Meso erhalten. E s sproßt hier (Abb. 122) die L e b e r (Η. = Hepar) in das ventrale Meso u n d drängt das rechte und linke B l a t t des Meso auseinander. Die Leber erhält so ihren Bauchfellüberzug. Der A b s c h n i t t zwischen Magen (V. = Ventriculus und Leber (H.) wird z u m O m e n t u m m i n u s , der Teil zwischen L e b e r und vorderer B a u c h w a n d z u m M e s o h e p a t i c u m Abb. 122. . Schematisierter Querschnitt ventrale. I m dorsalen Meso finden wir in durch den Rumpf eines jungen Keimlings diesem S t a d i u m die Anlage des Pankreas (P.) in Höhe des Magens (F. = Ventriculus). u n d der Milz (L. = Lien). Pankreas (Ρ.) und Milz (L. = Lien) im dorsalen, Leber (H. = Hepar) im ventralen Bereits bei Keimlingen der 4. W o c h e Meso (gastrium). (Abb. 123) ist das ursprünglich gerade verlaufende D a r m r o h r durch ungleiches Dicken- u n d L ä n g e n w a c h s t u m stärker gegliedert. D e r Magen ist spindelförmig aufgetrieben u n d zeigt eine dorsalwärts gerichtete, große und eine v e n t r a l w ä r t s gerichtete, kleine K r ü m m u n g . Der k a u d a l anschließende, dünnere T e i l des Darmrohres bildet zunächst eine v e n t r a l gerichtete Schleife, das D u o d e n u m . A u s ihm entwickelt sich in das dorsale Meso das Pankreas. D a das P a n k r e a s e t w a s nach a u f w ä r t s w ä c h s t und die große K u r v a t u r des Magens sich senkt, liegt das P a n k r e a s später i m dorsalen M e s o g a s t r i u m . U n t e r h a l b der Duodenumschleife weist eine eben-

160

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

falls in der Mediansagittalen stehende, größere Darmschleife gegen den Nabel ( N a b e l s c h l e i f e ) . Vom Scheitel dieser Schleife zieht der dünne Darmdottergang (Ductus omphaloeniericus) durch den Nabel zum Dottersack. Im kaudalen Schenkel der Nabelschleife ist bereits eine blindsackförmige Ausweitung, die Anlage des Caecum, zu sehen. Der kaudal anschließende Teil liefert den übrigen Dickdarm. Der kraniale Schenkel der Nabelschleife und der Anfangsteil des kaudalen Schenkels bilden das Jejunoilium. Von den ursprünglich zahlreichen paarigen Darmarterien bleiben nur 3 unpaare, die A. coeliaca, die A. mesenterica cranialis und caudalis, erhalten. Sie gelangen im dorsalen Oesophagus

Hepar

Aorta

A. gastrica sinistra - A. lienalis --

Ventriculus



Α. coeliaca Α. hepatica communis

Mesohepaticum ventrale

A. mesenterica cran. Pancreas

Duodenum V.

Α pancrealicodtiodenalis cranialis et caudalis

umbilicalis

Nabelschnur

A. mesenterica caud.

Aa. umbilicales it. Urachus

Ductus ompha.oentericus

Nabelschleife

A b b . 123. Schema der Entwicklung der Mesenterien (mit Benutzung der Schemata von Toldt und Corning). Im d o r s a l e n Meso (dunkelgrau) verlaufen die Gefäße zum Darmrohr und den Drüsen. Das ventrale Meso (hellgrau) ist nur im kranialen Teil erhalten geblieben. Durch die hereinsprossende Leber wird es in das Omentum minus (zwischen Magen, Duodenum und Leber) und in das Mesohepaticum ventrale (zwischen Leber, Bauchwand und V . umbilicalis) geteilt.

Meso (Abb. 123, dunkelgrau) zum Darmrohr. Sie nehmen hier eine Lage ein, die die Drehungen des Darmrohres möglichst wenig behindern. So ziehen aus der A. coeliaca Äste zum wenig beweglichen Anfangs- und Endteil des Magens. Der Magenkörper ist durch die Gefäße nicht in seinen Bewegungen behindert. Die A. mesenterica cranialis liegt in der A c h s e der Nabelschleife und kann deshalb bei den Darmdrehungen nicht abgedreht werden. — Die Seitenansicht (Abb. 123) zeigt dann noch gut die Gliederung des ventralen Meso (hellgrau) in das Omentum minus (von der kleinen Magenkurvatur zur Leber), in den B a u c h f e l l ü b e r z u g d e r L e b e r und in das Mesohepaticum ventrale (von der Leber zur vorderen Bauchwand). Im Unterrand des Mesohepaticum ventrale liegt die V. umbilicalis. Der auf Abb. 123 noch in der Mediansagittalen stehende Magen dreht sich (Abb. 124) mit der großen Kurvatur nach links. Dadurch wird das dorsale Mesogastrium zu einer

161

Entwicklung der Gekröse

Tasche, der Bursa omentalis, ausgezogen. Die im dorsalen Mesogastrium liegenden Organe, Pankreas und Milz, werden bei diesem Drehungsvorgang mit nach links verlagert (Abb. 125). Das Pankreas kommt dabei so nahe an die hintere Bauchwand, daß sein ursprünglich rechter Bauchfellüberzug mit dem parietalen Blatt der hinteren Bauchwand verschmilzt (blau punktierte Linie, Abb. 126). Der anschließende Teil des dorsalen Meso zieht als P l i c a p h r e n i c o l i e n a l i s von der hinteren Bauchwand (bzw.

A b b . 124. Bildung der Bursa omentalis und des Omentum majus. Drehung der Nabelschleife und Bildung der Dünndarmschlingen. Der Pfeil liegt in der Bursa omentalis und zeigt die Richtung, in der sich das Omentum majus entwickelt. Das Pankreas ist durchscheinend gezeichnet.

dem Zwerchfell) zur Milz, liefert anschließend den Bauchfellüberzug der Milz und zieht als P a r s g a s t r o l i e n a l i s zur großen Kurvatur des Magens (Abb. 126). Die Bildung der Bursa omentalis ist mit der Drehung und Linksverlagerung des Magens nicht beendet, sondern sie wächst über die große Kurvatur des Magens hinaus nach kaudal (Abb. 124) in der Richtung des Pfeiles weiter, gelangt vor das Colon transversum und die Dünndarmschlingen und wird zum großen Netz, Omentum majus (Abb. 127). Der Hohlraum im großen Netz verödet später meistens weitgehend durch Verklebung seiner Wände. Die Rückwand der Bursa omentalis verwächst (Abb. 127) mit dem Colon und Mesocolon transversum. In Abb. 127 ist das innere Blatt der Bursa omentalis blau getönt. Ein Pfeil steckt in dem definitiven Eingang, dem Foramen epiploicum. Waldeyer

Anatomie I. 2. Aufl.

II

162

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauch organe

Die in Abb. 123 sagittal eingestellte Duodenumschleife legt sich mit ihrem Mesoduodenum nach rechts und verklebt mit der hinteren Bauchwand. So gelangt auch der Kopf des Pankreas an die hintere Bauch wand. Nur der Anfang des Duodenum bleibt an seinem ventralen und dorsalen Meso beweglich aufgehängt. /

V. cava Aorta

caudalis abdominalis

_

Niere

Bauchspeicheldrüse

— Bursa

-

omentalis

Milz

Magen

Leber

Mesohepaticum

A b b . 125.

ventrale

Schematischer Querschnitt zur Entwicklung der Bursa omentalis. Stad. I. Wirbel

Abb. 126. Schematischer Querschnitt zur Entwicklung der Bursa omentalis. Stad. II. Das Gebiet des Retrositus ist durch gestrichelte, schwarze Linien gekennzeichnet. Bursa omentalis ist rot umrandet, das übrige Bauchfell blau.

Die Nabelschleife (Abb. 123) dreht sich um ihre Achse, die A. mesenterica cranialis, entgegen dem Sinne des Uhrzeigers. Es gelangt dabei der D i c k d a r m s c h e n k e l der Schleife mit seinem Meso nach kranial, wird zum Colon und Mesocolon transversum (Abb. 124). Das untere Ende des Caecum bleibt im Wachstum zurück, wird zum Wurmfortsatz. Der Übergang zwischen beiden ist zunächst fließend, trichterförmig. Erst nach der Geburt setzt sich der Wurmfortsatz allmählich schärfer gegen das Caecum ab. In den

Entwicklung der Gekröse

163

letzten . Schwangerschaftsmonaten oder erst nach der Geburt wächst der Anfangsteil des Dickdarmes an der rechten Bauchseite herab, wird zum Colon ascendens. In der Regel verwachsen Mesocolon ascendens und descendens mit der hinteren Bauchwand, womit diese Darmteile selbst mit der hinteren Bauchwand mehr oder minder breit verwachsen und nur an der Vorder- und Seitenfläche einen Bauchfellübergang haben. Colon transversum, Sigmoid und oberes (i iiL ( ( R e k t u m behalten ihr Meso und Diaphragma ihre Beweglichkeit. Bleibt der Verwachsungsprozeß am Colon ascendens und descendens aus, so spreHepar chen wir von einem Colon mobile. Bleibt das Caecum in der Höhe der Ventricutus Leber stehen, so sprechen wir von einem Hochstand des Caecum. D a der Drehungs- und VerwachPancreas u. Bursa 0mentalis sungsvorgang am Dickdarm irgendVerieachsungsstelle des wo in seinem Ablauf zum StillMesocolon transversum stand kommen kann, ergibt sich mit der Rückwand der Bursa omentalis die große Variabilität in der Lage Colon transversum und Form des Dickdarmes. Gleichzeitig mit den Veränderungen am kaudalen Schenkel der Nabelschleife wächst der kraniale Schenkel gewaltig in die Länge, bildet zahlreiche Schlingen, den Dünndarm (in A b b . 124 nur angedeutet). Das Meso wächst entsprechend mit, bildet halskrausenartige Falten an dem gemeinsamen Meso des Dünndarmes, dem Mesostenium. Das letztere, mit seiner Radix an der hinteren Bauchwand angeheftet, bleibt dauernd beweglich. Der Ductus omphaloentericus wird später meistens vollständig zurückgebildet. A l s Rest von ihm findet man manchmal 80 cm oberhalb des Ostium iliocaecocolicum am Dünndarm einen wechselnd langen Blindsack, das Meckel sehe Divertikel. Der Ductus omphaloentericus kann aber auch veröden Strang erhalten bleiben und Anlaß

Omentum majus

Duodenum (P. tecta)

[nleslinum Intestinum Vesica

tenus

terminale [Rectum] ttrinalis

Glandula vesiculosa utul Prostata

A b b . 127. Schematisierter Mediansagittalschnitt durch einen Mann. Das Bauchfell ist r o t , im Bereich der Bursa omentalis blau dargestellt. Pfeil im Foramen epiploicum. Gezeichnet nach einem Gefrierschnitt von Braune.

und als fester, v o m Darm zum Nabel ziehender zur Strangulation des Darmes geben.

III. Die Organe des oberen Bauchraumes Der obere Bauchraum beherbergt vom Darmrohr Magen und Zwölffingerdarm, die aus dem embryonalen Zwölffingerdarm nach ventral und dorsal entwickelten, großen Drüsen, Leber mit Gallenblase und Bauchspeicheldrüse, und die im d o r s a l e n M e s o gastrium entstandene Milz. 11»

164

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

1. Der Magen, Ventriculus, Gaster Der Magen, die größte, hornförmige Ausweitung desVerdauungskanales, liegt zu Dreivierteln in der linken Regio hypochondriaca, zu einem Viertel in der Regio mesogastrica. Nur ein kleines Feld (Abb. 116) ist am intakten Situs zwischen linkem Rippenbogen, Leber und Colon transversum ohne weiteres sichtbar. Erst wenn man die Leber und den linken Rippenbogen nach oben zieht, wird der Magen in größerer Ausdehnung sichtbar (Abb. 117). Man unterscheidet an ihm den Eingang, M a g e n m u n d , Cardia, den G r u n d , Fundus ventriculi, den K ö r p e r , Corpus ventriculi, die Pars pylorica und den P f ö r t n e r , Pylorus (Abb. 128). Fundus

venlriculi

Oesophagus •

Schnittrand Curvaiura Pylorus

des Hauchfells ventriculi

Incisura

minor

v

\

angularis

Corpus venlriculi

1 Duodenum

I Pars pylorica

vgntricuti

Curvaiura

venlriculi

major

Abb. 128. Mäßig kontrahierter Magen von ventral. F e t t und Gefäße scheinen durch das Bauchfell hindurch.

Die trichterförmige Cardia geht links von der Medianlinie in Höhe des 11. Brustwirbelkörpers und des Ansatzes der 7. Rippe am Sternum aus der Speiseröhre hervor. Fundus ventriculi nennt man den links und kranial vom Magenmund gelegenen Blindsack. Dieser unter der linken Zwerchfellkuppel gelegene Blindsack ist mit L u f t gefüllt und erscheint auf dem Röntgenbilde als Magenblase. Das Corpus ventriculi verengert sich mäßig v o m Fundus gegen die Pars pylorica und ist gegen die letztere meistens durch eine seichte Einschnürung, die I n c i s u r a a n g u l a r i s , abgesetzt. Diese Einschnürung ist n i c h t mit den im Röntgenbilde zu beobachtenden Kontraktionsringen zu verwechseln. Der Pylorus erscheint äußerlich als eine leichte Einschnürung, fühlt sich h ä r t e r als der übrige Magen an und springt (Abb. 129) nach innen als ringförmiger Wulst vor. In Rückenlage steht er rechts von der Mittellinie in Höhe des 12. Brust- bis 1. Lendenwirbels. Im Stehen verschiebt er sich ungefähr 2 Wirbelkörperhöhen kaudalwärts. W i r unterscheiden am Magen weiter noch eine vordere obere F l ä c h e , P a r i e s v e n t r o c r a n i a l i s , eine hintere untere Fläche, P a r i e s d o r s o c a u d a l i s , eine kleinere und eine größere Krümmung, C u r v a t u r a v e n t r i c u l i m a j o r e t m i n o r .

165

Der Magen

Die Form des Magens ist außerordentlich verschieden. A n der Leiche finden wir häufig einen weiten Sack. Gase und fehlender Tonus der Muskulatur haben ihn aufgetrieben. Wir beobachten an der Leiche aber auch gedehnte und stark eingeschnürte Teile nebeneinander. Denken wir an die mechanischen Aufgaben des Magens und beobachten wir das Röntgenbild, so stellen wir fest, d a ß es k e i n e k o n s t a n t e M a g e n form gibt. Beim leeren Magen liegen wahrscheinlich die mit Magenschleim überzogenen, stark kontrahierten Wände aneinander, nur der Fundus ist durch die geschluckte L u f t gedehnt (Magenblase). Bei der Füllung werden durch den Bissen die aneinander liegenden Magenwände auseinander gedrängt, die einzelnen Bissen aufeinander geschichtet. Dabei legt sich die Wand immer dem Mageninhalt an. Erst nach gewisser Fundus

ventriculi

-- T. serosa - - Τ. muscularis — Τ submuccsa r— Τ mucosa

Cvrvatura ventriculi major

Abb. 129.

Dorsokaudale Hälfte eines längs halbierten, mäßig kontrahierten Magens. Schleimhaut.

Falten der

Zeit beginnt der bisher r u h e n d e M a g e n mit ringförmigen Kontraktionen. Während dieser Austreibungszeit beginnt an der Cardia etwa alle 10—20 Sekunden eine Kontraktion, die wellenförmig duodenalwärts verläuft. Wir sehen deshalb beim t ä t i g e n M a g e n stets mehrere hintereinander gelegene Einschnürungen. Schließlich beeinflussen noch die S c h w e r e d e s M a g e n i n h a l t e s und d i e L a g e des Menschen die M a g e n f o r m . In aufrechter Stellung ist der Magenkörper steiler gestellt und länger, im Liegen ist er kürzer und mehr quer gestellt. Sicherlich gibt es auch noch k o n s t i t u t i o n e l l e und i n d i v i d u e l l e Unterschiede in der Magenform. Krankhafte Veränderungen des Tonus der Magenmuskulatur, Narben, Magengeschwür usw., müssen pathologische Magenformen schaffen und das schon normal bunte Bild noch weiter modifizieren. Die Lage des Magens ist n i c h t k o n s t a n t , ist abhängig v o m Mageninhalt und der Stellung des Menschen. Bei B a u c h l a g e sinkt der Magen gegen die vordere Bauchwand, bei R ü c k e n l a g e nach dorsal gegen das Pankreas. Im S t e h e n senkt er sich

166

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

bei schwerem Inhalt bis zum 4. Lendenwirbelkörper. Die Cardia ist im Foramen oesophagicum durch Bindegewebszüge relativ stark befestigt und wenig verschieblich. Der an der P a r s h e p a t o d u o d e n a l i s des kleinen Netzes befestigte P y l o r u s senkt sich bei Füllung etwa um eine Wirbelhöhe. Die Incisura angularis tritt 1 bis 2 Wirbelhöhen tiefer. E s kommt dadurch zwischen C o r p u s und P a r s p y l o r i c a zu einer Abknickung, H a k e n f o r m . Bei Frauen steht der Magen regelmäßig s t e i l e r und meistens t i e f e r als bei Männern. Nicht selten reicht die große Kurvatur bis ins Becken, bei Frauen häufiger als bei Männern. Es ist nicht immer leicht, eine Grenze zu der krankhaften Magensenkung, P t o s i s v e n t r i c u l i , zu ziehen.

Beziehung zu Nachbarorganen. Die Paries ventrocranialis liegt mit der C a r d i a , dem P y l o r u s und dem Gebiet der k l e i n e n K u r v a t u r der Unterfläche der Leber, mit dem F u n d u s und anschließendem Teil der g r o ß e n K u r v a t u r dem Zwerchfell und mit der P a r s p y l o r i c a der vorderen Bauchwand (Regio mesogastrica) an. Die Paries dorsocaudalis bildet mit die Vorderwand der Bursa omentalis, liegt der Milz, den Milzgefäßen, dem Pankreas, der linken Nebenniere, der Spitze der linken Niere, dem Colon und dem Mesocolon transversum an. Die Größe des Magens. Beim E r w a c h s e n e n faßt er durchschnittlich 2x/2 Liter. Doch paßt er sich den Lebensgewohnheiten, größeren und kleineren Mahlzeiten an. Beim N e u g e b o r e n e n faßt er nur 20—30 ccm (häufige und kleine Mahlzeiten). Der Aufbau des Magens A b b . 130. Schleimhaut des Magens. Falten (Plicae); Felder (Abb. 148 b und c). (Areae) und Grübchen (Foveolae). E t w a 6fach vergrößert. Der Magen besitzt wie das übrige Darmrohr eine Schleimhaut, Mucosa, eine Muskelschicht, Muscularis, eine beide verbindende, lockere Submucosa und einen Bauchfellüberzug, Serosa. Die Schleimhaut ist grau-rötlich, in der Jugend heller als im Alter. In einer gezackten Linie geht sie in die blassere Speiseröhrenschleimhaut über. Das Schleimhautbild (Abb. 129) wechselt mit dem Füllungszustand. Die scheinbar unregelmäßigen Schleimhautfalten ordnen sich an der k l e i n e n K u r v a t u r zu einigen L ä n g s f a l t e n , die die glatte M a g e n s t r a ß e zwischen sich fassen. Bei Lupenbetrachtung (Abb. 130) sehen wir auf den Falten und in den Faltentälern kleine, polyedrische Felder, die Areae gastricae. Auf der Oberfläche der A r e a beobachtet man viele kleine Drüsenöffnungen Foveolae gastricae. Der Feinbau der Schleimhaut zeigt (Abb. 148 b und c) im Corpusteil f l a c h e F o v e o l a e g a s t r i c a e (Fg) und l a n g e , tubulöse Drüsen, G l a n d u l a e g a s t r i c a e , die sich erst gegen das Ende hin gabeln. Die Drüsen bestehen aus Haupt-, Beleg- und Nebenzellen. Die Belegzellen (rot) sind im D r ü s e n h a l s besonders häufig, färben sich mit azidophilen Farbstoffen und sondern Salzsäure oder wahrscheinlicher eine Vorstufe von ihr ab. Das Pepsin wird wahrscheinlich als i n a k t i v e s P r o f e r m e n t in der Ruhe-

Der Magen. Der Zwölffingerdarm

167

zeit des Magens in Form von S e k r e t k ö r n c h e n in den hellen Hauptzellen abgelagert und durch Salzsäure zum Pepsin a k t i v i e r t . I m Pylorusteil (Abb. 148 c) beobachten wir t i e f e Foveolae gastricae und k u r z e , v e r z w e i g t e Glandulae pyloricae (Gp). Belegzellen fehlen ihm meistens vollständig. Die Muscularis besteht (Abb. 131) aus 3 Lagen glatter Muskulatur. Die äußere oder L ä n g s s c h i c h t , Stratum longitudinale, strahlt v o m Oesophagus radienförmig über den Magen aus, wobei die stärksten Züge an der großen und kleinen K u r v a t u r liegen. A n der kleinen reichen sie nur bis zur Pars pylorica. Die mittlere oder R i n g s c h i c h t , Stratum circulare, ist am Fundus dünn, wird im Corpus und in der Pars pylorica allmählich dicker und bildet schließlich den Schließer, den M. sphincter pylori. Die innere oder S c h r ä g s c h i c h t , Fibrae obliquae, strahlt von der medialen Seite des Fundus schräg über die ventrokraniale Fläche des Corpus zur großen K u r v a t u r und von dort in der gleichen Weise zurück zur AusOesophagus - — gangsstelle. In der Pars pylorica fehlen diese Fasern. Die lockere, bindegewebige Submucosa ermöglicht die gute Verschieblichkeit der Schleimhaut auf der Muscularis. (Nerven, Gefäße und Lymphgefäße S. 179—183.) Duodenum -

Die

Physiologie

des

Magens.

Der

Sphincter pylori -

Magen hat m e c h a n i s c h e und c h e m i s c h e Aufgaben. Er nimmt nicht wie ein einfacher Sack die Speisen auf, sondern legt sich mittels des Tonus der Muskulatur den aufeinandergeschichteten Bissen an. Dabei werden zunächst nur die äußeren Lagen durch den Magensaft angedaut, innen geht die Verdauung durch die Mundhöhlenfermente zunächst weiter. Anschließend werden die äußeren, angedauten Schichten durch wellenA b b . 131. Muskulatur des Magens. Schema nach Elze.. förmige Kontraktionsbewegungen gegen Stratum longitudinale = vollschwarz; Fibrae obliquae = den Pylorus geführt und andere Schichten gestrichelt. Stratum circulare nicht dargestellt. mit dem Magensaft in Verbindung gebracht. Ist schließlich der ganze Mageninhalt mit dem M a g e n s a f t , S u c c u s g a s t r i c u s , vermischt, so wird der Magenbrei, C h y m u s , durch peristaltische Wellen in kleinen Schüben in das Duodenum befördert. Ein Chemoreflex regelt Öffnen und Schließen des Pförtners. Saure Reaktion im Duodenum schließt, alkalische öffnet. Gemischte Kost ist bei gesundem Magen bis zu 4 Stunden in ihm nachweisbar. Im R u h e z u s t a n d sondert der Magen einen S c h l e i m ab, der die Oberfläche überzieht und die Selbstverdauung des Magens verhindern hilft. Wahrscheinlich wird aber nur geschädigte Schleimhaut (Zirkulationsstörung) durch Pepsinsalzsäure verdaut ( M a g e n g e s c h w ü r ) . Im t ä t i g e n Magen wird die P e p s i n s a l z s ä u r e abgesondert. Der M a g e n s a f t , S u c c u s g a s t r i c u s , enthält Lab, Pepsin und Salzsäure. L a b fällt die Kaseine der Milch aus. P e p s i n s a l z s ä u r e baut die Eiweiße bis zu den Albumosen und Peptonen aesicae

Chorda

ν.

Mesohepaticum

sinister

ventrale

ventralis

umbilicalis

felleae

A\Mh 113^. TLaberr cites Iförmacitsenam. Hamas; (liagttragprattiüJE.. Vv. Mesohepaticum Lobus

hepaiicae 1 I

ventrale sinister

Lobus

dexter

Kraniale Bauchfellgrenze Mesohepaticum laterale dextrum

Mesohepaticum laterale sinistrum

Kaudalc Bauchfellgrenzs

Appeiuli χ fibrosa Fissur3

sagittalis

Lobus

cauäalus

[Lig.

v. cavae] t

V. cava

Verwachsung*fläche

mit dem Zwerchfell [Pars

affixa)

A b b . 134. Leber des Erwachsenen von hinten oben gesehen. Verwachsungsfläche mit dem Zwerchfell, Pars

affixa.

ihr überragt die K u p p e der Gallenblase, Fundus vesicae felleae, den Leberrand. Die Facies diaphragmatica ist dorsokranial mit dem Zwerchfell verwachsen. Diese Pars affixa läuft (Abb. 133, 134) nach vorn zu dem Mesohepaticum ventrale, nach rechts zu dem kurzen Mesohepaticum laterale dextrum, nach links zu dem langen Mesohepaticum laterale sinistrum und der A p p e n d i x f i b r o s a , einem umgewandelten Teil des linken Leberlappens, aus. Der übrige Teil der Zwerchfellfläche ist von Bauch-

170

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

feil überzogen, frei beweglich und heißt Pars libera. Die F a c i e s v i s c e r a l i s (Abb. 135) trägt nahezu in der Mitte die Leberpforte, Porta hepatis, die Eintrittsstelle für die Pfortader, V. portae, und die A. hefatica, und die Austrittsstelle für die Lebergänge, Ductus hepatici. L i n k s von der Leberpforte verläuft die F i s s u r a s a g i t t a l i s (sinistra). Sie zerfällt in eine vordere Pars chordae ν. umbilicalis (obliterierte Nabelvene) und eine hintere Pars chordae ductus venosi (der Ductus venosus führte embryonal Blut an der Leber vorbei, direkt in die V . cava caudalis). R e c h t s von der Leberpforte liegt v o r n die G a l l e n b l a s e in der Fossa vesicae felleae, hinten die V . c a v a c a u d a l i s in der Fossa v. cavae. Die beiden F o s s a e trennen vom rechten Hauptlappen v o r n den Lobus quadratus, h i n t e n den Lobus caudatus ab. Der Lobus caudatus schickt nach v o r n A ppendix librosa

Impressio oesopliagica

Tuber omenlale

Lobus caudatus

V. cava caiui. u. [Lig. v.

I

I mpressio suprarenalis

— Impressio

renalis

— Impressio duodenal is Ductus choledochm. Duct, hepaticus dexter — Ductus cysiicus ti. Vesica /eilen (eröffnet) impressio

gastrica

V. portae, A. hepalica

• impressio

propria

Chorda v. umbilicalis

A b b . 135.

colica

Impressio pylorica im Lobus quadratus

Leber des Erwachsenen. Facies visceralis.

Ductus cysticus und Vesica fellea eröffnet.

gegen die Porta den rundlichen Processus papillaris, nach r e c h t s gegen den Hauptlappen eine dünne Leberbrücke, den Processus caudatus. Impressiones. Die gut gehärtete Leber zeigt auf der bis auf die Porta von Bauchfell überzogenen Eingeweidefläche (Abb. 135) am l i n k e n Lappen eine Impressio oesophagica, gastrica und eine buckelige Erhebung, Tuber omentale, auf dem r e c h t e n Lappen eine Impressio renalis, suprarenalis, colica, duodenales, auf dem Lobus quadratus eine Impressio pylorica. Die Facies diaphragmatica kann schräge Rippenfurchen (am Lobus dexter in A b b . 133) und nahezu vertikale Zwerchfellfurchen (durch stark vorspringende Muskelzüge des Zwerchfells erzeugt) besitzen. Die starke Formbarkeit ermöglicht das Abschnüren (Korsett) größerer Lappen (Schnürlappen). Individuelle Unterschiede der Form sind bei gleichartig in situ gehärteten Lebern sehr groß. Die Lage schwankt mit der Stellung des Zwerchfells. Bei der allgemeinen A l t e r s s e n k u n g der Eingeweide kann sie nach Vogt 4 — 6 cm absinken. Auch bei V e r ä n d e r u n g d e r K ö r p e r l a g e ändert sich die Lage der Leber. Der rechte Lappen liegt in der rechten Zwerchfellkuppel, überschreitet beim Erwachsenen erst an der Spitze der 9. Rippe den Rippenbogen (respiratorische Verschiebungen sind hier nicht fühlbar) und reicht in der Regio mesogastrica bis zum Mesogastricum ventrale. Der hauptsächlich in der Reg. mesogastrica gelegene, linke Lappen tritt oberhalb des Ansatzes der 6. linken

Die Leber

171

Rippe in die linke Regio hypochondriaca. Bei der relativ größeren, k i n d l i c h e n L e b e r überragt der kaudale R a n d um mehrere Zentimeter den rechten Rippenbogen. Kranial fällt die Grenze mit der Zwerchfellkuppel zusammen. (Rechts Sternalansatz der 5. Rippe, links tiefer.) Oberhalb des Zwerchfells sind enge Beziehungen zum Brustraum, zur Lunge, zum Herzen und Herzbeutel gegeben. Entzündungen können sich durch das Zwerchfell nach oben ausbreiten. Horizontale und Stichverletzungen können gleichzeitig Lunge, Zwerchfell und Leber treffen.

Schuß-

Befestigung. Die P a r s a f f i x a ist durch Bindegewebe mit dem Zwerchfell und der V. cava caudalis verbunden. Die M e s o h e p a t i c a befestigen die Leber am Zwerchfell S?

A b b . 136. Leberläppchen im Querschnitt (Schema). Violett = Pfortadergebiet; blau = Lebervenengebiet; rot = Leberarterienast; schwarz = Gallenkapillaren und Gallengänge (Gg). I m Querschnitt sind besonders hervorgehoben links oben die Leberzellbalken, rechts oben die Gallenkapillaren, unten die Blutkapillaren. Eine Anzahl von Pfeilen soll die Strömungsrichtung betonen. Ah = A . h e p a t i c a ; Gg = Gallengang; JB = interlobuläres Bindegewebe; SZ = Sternzellen; Vc = V . centralis; Vp — V e n a portae.

und der vorderen Bauchwand. Das k l e i n e N e t z verbindet sie mit Magen und Duodenum. L u f t d r u c k und e l a s t i s c h e r Z u g der Lungen {Pfuhl) unterstützen die genannten Befestigungsmittel. Feinbau: Der größte Teil der Oberfläche wird (s. o.) von S e r o s a , dem Bauchfell, überzogen. Unter ihm liegt eine bindegewebige Kapsel, Capsula hepatis. Diese ist an jenen Stellen, wo das Bauchfell fehlt, besonders stark. Sie setzt sich von der Leberpforte als G e f ä ß s c h e i d e in das Innere fort und überzieht schließlich als äußerst feine, teilweise durchbrochene Platte die kleinen Läppchen der Leber. Beim Schwein und K a m e l sind die Läppchen durch stärkere Bindegewebswände getrennt. Die Leber besteht also aus einer sehr großen Zahl von kleinen Läppchen, Lobuli hepatis. Sie haben 1 — 2 m m Durchmesser, abgeplattete Flächen (für Anlagerung von Nachbarläppchen) und besitzen zentral eine Vene, die V. centralis. Jeder Lobulus (Abb. 136) besteht aus einer großen Zahl

172

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

von Leberzellbalken, die von der Peripherie r a d i ä r zur V. centralis ziehen. Diese Zellbalken hängen untereinander zusammen. Z w i s c h e n ihnen verläuft ein radiäres Kapillarnetz, das das Blut der Pfortader- und Leberarterienäste zur abführenden V. centralis leitet. Die Blutkapillaren kommen in innigen Kontakt mit den Außenflächen der Leberzellen. Ihre Wand besteht nur aus einem feinen G i t t e r f a s e r n e t z und Endothelzellen. Die Endothelien erscheinen im Schnitt teils als S t e r n z e l l e n . Diese können Fremdstoffe speichern, sich ablösen und ins strömende Blut gelangen. Die ausführenden Gallengänge beginnen als i n t r a z e l l u l ä r e K a n ä l c h e n in den Leberzellen, verlaufen dann als Gallenkapillaren a n d e n F l ä c h e n benachbarter Leberzellen und stehen an den Kanten vielfach mit benachbarten Gallenkapillaren in Verbindung. An der Oberfläche des Läppchens münden sie in die mit selbständiger Wand versehenen Ductus biliferi interlobulares. ( I n t r a l o b u l ä r haben die Gallenkapillaren k e i n e eigene Wand.)

Abb. 137. Schema eines Sammelläppchens der Leber (nach Pfuhl). Pfortadergebiet = schwarz; gr. P . = größerer Pfortaderast; V.i. = Venae interlobulares. Lebervenengebiet = dunkelgrau; C = Venae centrales·, Sa. — Sammelvene; gr. L. = größerer Lebervenenast. Leberzellsubstanz = hellgrau; L. = Leberläppchen.

Die interlobulären Gallengänge liefern unter dauernder Vereinigung mit benachbarten die großkalibrigen Gallengänge. Sie sind mit zylindrischem Epithel versehen und vereinigen sich schließlich zu zwei großen Gängen, die aus der Leberpforte austreten. Eine größere Zahl von Lobuli kann zu einem Sammelläppchen zusammengefaßt sein (Abb. 137). Die Vv. centrales münden entweder direkt oder mittels eines Verbindungsstückes in die Sammelvene (5a.). Die Sammelvenen fließen in größere Lebervenen (gr. L.). Die größeren Lebervenen nehmen keine Sammelvenen mehr auf, vereinigen sich zu 2—3 großen Venenstämmen, Venae hepaticae, die sofort unterhalb des Zwerchfells in die V. cava caudalis münden. Zur schnellen Orientierung merke man sich, daß im Schnitt V. portae-, Arterien-und Gallengangsäste in einer g e m e i n s a m e n Gefäßscheide, die abführenden V. hepatica-Äste a l l e i n liegen. Die A. hepatica teilt sich in der Leberpforte in je einen Ast für den rechten und linken Lappen. Diese geben die R a m i a r t e r i o s i i n t e r l o b u l a r e s ab, die sich mit der Pfortader im interlobulären Bindegewebe verzweigen und Gallengänge, Pfortader- und Lebervenenäste umspannen. Ihre Kapillaren münden in Leberkapillaren und in Pfortaderäste. Die Nerven (aus Vagus und Sympathikus) verzweigen sich geflechtartig im interlobulären Bindegewebe. Von diesem Geflecht ziehen Äste in die Leberläppchen, um in den Leberzellen oder zwischen ihnen und den Blutkapillaren zu endigen. Funktion der Leber. Das vom Magendarmkanal, Milz und Pankreas kommende Blut wird durch die Pfortader der Leber zugeführt. Es enthält sehr viele aus dem Darmkanal resorbierte oder aus der Milz ausgeschiedene Stoffe, die in der Leber verarbeitet, gespeichert oder ausgeschieden werden. Die Blutmenge der Leber ist großen Schwankungen unterworfen. Ungefähr 20% der Gesamtblutmenge des Körpers können bei starker Arbeit in die V. cava caudalis schubweise abgegeben werden

Galle, Gallenblase und Gallenwege

173

( B l u t s p e i c h e r ) . Die Leber wird dabei sichtbar kleiner. Weiter ist die Leber ein großes L a b o r a t o r i u m . E i w e i ß wird unter W ä r m e b i l d u n g zu Kohlehydraten und Ammoniak umgebaut. Der letztere wird zu H a r n s t o f f aufgebaut. Blutzucker wird unter der Mitwirkung von Insulin als G l y k o g e n g e s p e i c h e r t . Beim Fehlen von Insulin wird Traubenzucker im Harn ausgeschieden. A b g e b a u t werden in der Leber A d r e n a l i n und T h y r o x i n . Das aus dem letzteren freiwerdende Jod erscheint in der Galle. Aus dem Blutfarbstoff wird der G a l l e n f a r b s t o f f gebildet. Ob dieses in den eigentlichen Leberzellen oder in den E n d o t h e l i e n der Kapillaren geschieht, ist nicht sicher. Wahrscheinlich werden in der Leber noch das F i b r i n o g e n und das H e p a r i n , zwei für die Blutgerinnung wichtige Stoffe, gebildet. Ein Teil der obengenannten Stoffe wird an das Blut abgegeben, ein anderer als G a l l e ausgeschieden.

Die

Galle, Fei,

Bilis

Die gelbbräunlich bis grüne Flüssigkeit ist stark bitter, h a t eine neutrale bis leicht saure Reaktion. Sie enthält k e i n e F e r m e n t e , aber doch für die Verdauung wichtige Stoffe. Es wird durch die Galle die P a n k r e a s l i p a s e a k t i v i e r t und dadurch die A u f s c h l i e ß u n g d e r F e t t e in F e t t s ä u r e n und G l y z e r i n ermöglicht. Die G a l l e n s ä u r e n binden die Fettsäuren, t r a g e n sie durch die Darmwand, trennen sich wieder von ihnen und gelangen durch die Leber wieder in die Galle (Kreislauf der Gallensäuren). C h o l e s t e r i n e , L e z i t h i n e und G a l l e n f a r b s t o f f e sind ohne Bedeutung für die Verdauung, werden als Schlacken ausgeschieden. Dabei liefern die Gallenfarbstoffe noch das Urobilinogen und Urobilin, F a r b s t o f f e f ü r H a r n u n d K o t . Ist der Gallenabfluß verlegt (durch entzündliche Schwellung der Schleimhaut oder Steinverschluß der Gallenwege), so haben wir l e h m f a r b e n e n S t u h l (mangelnder Fettabbau und fehlende Farbstoffe). Die Galle wird dann in der Leber rückgestaut, tritt von den Gallenkapillaren in die Blutkapillaren; die Farbstoffe färben zuerst die Sklera des Auges, weiter die H a u t gelblich (Gelbsuchtl). Die G a l l e n a b s o n d e r u n g wird angeregt durch Übertritt von Fetten und Eiweißabbauprodukten in das Duodenum, durch Auftreten von Gallensäuren im B l u t und durch Absonderung von Sekretin (durch das Darmepithel). Sie erfolgt wahrscheinlich kontinuierlich. In der Verdauungsruhe wird die Galle in der Gallenblase gesammelt und auf 1 / 10 ihres Volumens eingedickt. Die konzentrierte dunklere B l a s e n g a l l e wird während der Verdauungstätigkeit zusätzlich zu der laufend sezernierten Galle in das Duodenum abgegeben.

4 . G a l l e n b l a s e , V e s i c a f e l l e a (Abb. 135, 116, 117) u n d G a l l e n a u s f ü h r u n g s w e g e (Abb. 118, 138, 141) Die birnförmige Gallenblase liegt an der Facies visceralis der Leber, kann 30—50 ccm Flüssigkeit aufnehmen und besteht aus Fundus, Corpus und Collum. Aus dem letzteren führt der Ductus cysticus in den Ductus choledochus. Der Fundus überragt den ventralen Leberrand, liegt an der Spitze der 9. Rippe (Abb. 116). Die in der F o s s a v e s i c a e f e i l e a e gelegene Gallenblase wird bis auf die Verwachsungsfläche mit der Leber von Bauchfell überzogen (Tunica serosa vesicae felleae). Die W a n d besteht weiter aus einer zweischichtigen Muskellage (Tunica muscularis) und einer Schleimhaut (Tunica mucosa). Letztere zeigt kleine, netzförmig angeordnete Falten, P l i c a e r e t i c u l a r e s t u n i c a e m u c o s a e . Im Collum bildet die Schleimhaut eine spiralige Falte, die Valvula spiralis. Die Schleimhaut besteht aus einem einschichtigen, hohen Zylinderepithel und einer dünnen, bindegewebigen Lamina propria. Die Zylinderzelleη sondern ein schleimiges Sekret ab, das zusammen mit dem Schleim aus den Abführwegen der Galle die fadenziehende Konsistenz gibt.

Aus der Leber führen (s. S. 172) zwei größere Gallengänge, die sich bald zum Ductus hepaticus vereinigen. Ductus hepaticus und Ductus cysticus bilden den Gallengang, Ductus choledochus. Der 7 cm lange, gänsekieldicke D u c t u s c h o l e d o c h u s liegt im freien Rande der Pars hepatoduodenalis des kleinen Netzes, neben Pfortader und A . hepatica, u n t e r k r e u z t die Pars cranialis duodeni, gelangt (Abb. 138) an die R ü c k f l ä c h e des Pankreaskopfes und m ü n d e t mit dem Pankreasgang vereinigt auf der Papilla duodeni. Der Feinbau der Ausführungsgänge ist ähnlich wie in der Gallenblase. Neben Zylinderzellen gibt es noch Schleimzellen und Gallengangsschleimdrüsen ( G l a n d u l a e m u c o s a e b i l i o s a e ) . Cholesterine, Gallenfarbstoffe und Kalke können in der Gallenblase und den Ausführungsgängen ausfallen und zur Bildung von verschieden geformten und zusammengesetzten G a l l e n s t e i n e n führen. Sie sind meist mit Schleimhautentzündungen, die wahrscheinlich aus dem Duodenum durch die Papilla duodeni aufsteigen (Typhusbazillenträger), verbunden. Steineinklemmung kann den Gallenabfluß stören (s. oben).

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

174

5. Die Bauchspeicheldrüse, Pankreas Die etwa 15 cm lange, 70 g schwere, graurötliche Drüse ist ziemlich weich und zeigt wie die Mundspeicheldrüsen einen lappigen Bau. Das S-förmig gekrümmte Organ liegt, von Bauchfell überzogen, fest an der hinteren Bauchwand (Abb. 118) und läßt (Abb. 138) einen Kopf, Caput, Körper, Corpus, und Schwanz, Cauda, eine F a c i e s v e n t r a l i s und eine F a c i e s d o r s a l i s unterscheiden. V o m Kopf zieht (Abb. 138) ein kaudaler Teil als hakenförmiger Fortsatz, Processus uncinatus, dorsal um die A. u. V. mesenterica cranialis. Die letzteren liegen somit in einem Einschnitt, der Incisura pancreatica. Ductus Ductus

V. porlae

hepaticus cysticus

Λ pancreaticoduodenalis cran Ductus choledochus Pars cranialis duodem

χ ..

Α

\

^

hcpalica

Aorta

abdominalis - A. coeiiaca

\

\ /

^

, A. lienalis

Carpus pancreatis

Cauda pancreatis

^ — _

Fiexura duodeni cranialis Ductus pancreaticus minor Papilla

duodeni

minor

Ductus pancreaticus major Pars

descendens duodeni Plica longitudinalis duodeni

Papilla

Abdruck der A . it. V. lienalis A. u. V. mesenterica cran.

duodeni

A. pancreat caudalis

Processus . uncinatus

Flexura duodeni

Flexura S caudalis

Caput Pars caudalis duodem

Aorta abdominalis

A.

mesenterica caudalis

Pars

icoduodenalis

duodenoiejunalis pancreatis

ascenilens

duodeni

Abb. 138. Duodenum und Pankreas. Die ventrale Wand des Duodenum und Teile des Pankreas sind entfernt, um die Ausführungsgänge und ihre Einmündung in das Duodenum zu zeigen.

Der Hauptausführungsgang, Ductus pancreaticus major, nimmt in seinem Verlauf zahlreiche kleine Seitenäste auf und mündet auf der Papilla duodeni in der Pars descendens duodeni. Ein akzessorischer Ductus pancreaticus minor mündet in den Hauptgang oder selbständig in das Duodenum (Papilla duodeni minor) (s. Entwicklung S. 168). Lage (Abb. 118). Der Kopf hegt im Bogen des Duodenum, rechts von der Wirbelsäule zwischen dem 1. und3. Lendenwirbelkörper. Der Körper kreuzt die dorsal gelegenen, großen Gefäße, Aorta abdominalis und V. cava caudalis, und den kaudalen Pol der linken Nebenniere. Der Schwanz verläuft über den oberen Pol der linken Niere und reicht bis zur Milz. Die Facies dorsalis ist s e k u n d ä r mit der hinteren Bauchwand verwachsen, die Facies ventralis von B a u c h f e l l überzogen. A m k r a n i a l e n R a n d e verlaufen die Milzgefäße, der k a u d a l e R a n d grenzt an das Mesocolon transversum. Das Pankreas liegt sehr verborgen, bildet mit die Rückwand der Bursa omentalis (s. S. 152), liefert ein Lager für die Rückfläche des Magens und ist durch die Pars gastrocolica des Mesogastrium dorsale, durch das Mesocolon transversum und das Omentum minus zugänglich.

Bauchspeicheldrüse, Milz

175

Ein auf der Facies ventralis in der Nähe des Kopfes gelegener Buckel, Tuber omentale, kann oberhalb der Curvatura ventriculi minor tast- und sichtbar sein. Feinbau. Das Pankreas besteht aus dem e x o k r i n e n , Pankreassaft liefernden, serösen Anteil und dem e n d o k r i n e n Anteil, den Langerhans sehen Inseln. Die v o m Hauptausführungsgang ausgehenden Seitenäste liegen im Bindegewebe zwischen den Läppchen, dringen nur kurz in diese ein, spalten sich dann in lange Schaltstücke, denen die sekretorischen Endstücke aufsitzen. Dabei schieben sich die niedrigzylindrischen Schaltstückzellen bis in das Endstück vor und erscheinen auf dem Querschnitt als zentroazinäre Zellen. Die zylindrischen Endstückzellen bilden während der Sekretionsruhe zahlreiche stark lichtbrechende Zymogenkörnchen, die während der Sekretion sehr bald an Zahl abnehmen. Die Langerhans sehen Inseln, u n r e g e l m ä ß i g e , n e t z f ö r m i g e Z e l l s t r ä n g e , zwischen denen viele B l u t k a p i l l a r e n liegen, färben sich meistens weniger als das übrige Drüsengewebe, sind unregelmäßig über das Pankreas verteilt, besitzen keinen Ausführungsgang, sondern geben ihr Sekret, das Insulin, an das Gefäßsystem ab. Ob die Abgabe an das Blut- oder Lymphgefäßsystem erfolgt, ist umstritten. Gegen das Lymphgefäßsystem spricht, daß bei der Unterbindung des Brustmilchganges, Ductus thoracicus, kein Diabetes auftritt. Andererseits würde durch die Venen das Insulin der Pfor tader und damit direkt der Leber zugeführt. Funktion. Die Absonderung des Pankreassaftes wird reflektorisch von der Mundschleimhaut ausgelöst und weiter durch das S e k r e t des Darmes gefördert. Das T r y p s i n , durch die E n t e r o k i n a s e des Darmsaftes aktiviert, spaltet Eiweiße zu Albumosen und P e p t o n e n . Die P a n k r e a s l i p a s e , durch die Galle aktiviert, spaltet die Fette in Glyzerin und Fettsäuren. Das A l k a l i des Pankreassaftes hilft bei der E m u l g i e r u n g der Fette. Die P a n k r e a s d i a s t a s e spaltet S t ä r k e und G l y k o g e n in Maltose. Die M a l t a s e zerlegt die Maltose in Traubenzucker. L a k t a s e (nur bei Milchnahrung) spaltet Milchzucker in M o n o s a c c h a r i d e .

6. Die Milz, Lien (Abb. 118, 122—126, 139, 141, 159) Das kaffeebohnenähnliche, blaurote, 12 cm lange, 8 cm breite und 3 cm dicke Organ hat teigige Konsistenz und ein stark schwankendes, durchschnittliches Gewicht von etwa 160 g. Große Schwankungen im Gewicht und in der Größe kommen schon bei der gesunden Milz vor. Sie sind wesentlich durch den stark wechselnden Blutgehalt bedingt. D a s Gewicht von 160 g bezieht sich auf die vollständig ausgeblutete Milz. Dieses absolute Milzgewicht beträgt beim Menschen etwa 1 / 700 — 1 / 800 des Körpergewichtes. Säugermilzen, die starke Erythrozytenspeicher (s. unten) sind (ζ. B. Pferd, Hund, Katze), haben ein relativ hohes Milzgewicht. Hier bestehen s e h r e n g e Beziehungen zwischen Körper-, Herz- und Milzgewicht, weil offenbar der Milzerythrozytenspeicher bei Anforderungen an die Wärmeregulierung des Körpers und bei körperlicher Arbeit in den Kreislauf ausgeschüttet wird. Säuger, deren Milz hauptsächlich im Dienste der Immunisierung steht (ζ. B . Mensch, Kaninchen), haben meist eine relativ kleine Milz.

Auch Farbe und Konsistenz der Milz werden durch den Füllungsgrad beeinflußt. A n der menschlichen Milz unterscheiden wir eine konvexe Zwerchfellfläche, Facies diaphragmatica, eine konkave Eingeweidefläche, Facies visceralis, einen ventralen, scharfen, häufig gekerbten Rand, Margo acutus, einen dorsalen, stumpfen R a n d , Margo obtusus, einen kranialen, gegen die Wirbelsäule weisenden Pol, Extremitas vertebralis, und einen kaudalen, auf der Plica phrenicocolica (Abb. 118) ruhenden Pol, Extremitas ventralis. Auf einer Leiste der Facies visceralis (Abb. 139) liegt der Hilus. E r ist meistens V-förmig und läßt die Gefäße und Nerven ein- bzw. austreten. Die Milz ist bis auf den Hilus vollständig vom Bauchfell überzogen. V o m Hilus ziehen eine vordere Bauchfellplatte, die Pars gastrolienalis, zur großen K u r v a t u r des Magens, hintere Bauchfellfalten, die Plicae phrenicolienales, zum Zwerchfell.

176

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

Die Form der Milz ist variabel. Sie kann stark abgeplattet oder mehr rundlich sein. In der Tierreihe sind die Milzformen sehr verschieden. Man hat sie mit der verschiedenen Art der Lokomotion in Zusammenhang gebracht. Beim N e u g e b o r e n e n ist die Milz meist s t ä r k e r g e l a p p t als beim Erwachsenen. Stark gelappte Milzen beim Erwachsenen können wir somit als kindliche Formen auffassen. Sie kommen zusammen mit gelappter Niere und trichterförmigem Wurmfortsatz, aber auch allein vor. Aplasie und Hypoplasie der Milz sind nicht selten. Akzessorische Milzen, sogenannte N e b e n m i l z e n , kommen in wechselnder Größe und Zahl öfter vor. Von ihnen zu unterscheiden sind die M i l z a u t o t r a n s p l a n t a t e , die sich aus verschlepptem Milzgewebe (bei Milzruptur oder operativer Milzentfernung) auf dem gesamten Bauchfell entwickeln können.

Lage. Die Milz liegt in der linken Regio hypochondriaca zwischen 9. und 11. Rippe, mit der L ä n g s a c h s e parallel der 10. Rippe. Die Extremitas vertebralis reicht bis auf 2 cm an den Ouerfortsatz des 10. Brustwirbels. Die Facies visceralis kommt in K o n t a k t mit Niere, Nebenniere, Cauda pancreatis, Flexura Extremitas vertebralis coli lienalis und Facies lienalis des Magens. Die [Tuber lienale] —— n o r m a l e M i l z soll unter— Margo acutus halb des Rippenbogens nicht tastbar sein. Tastbar— Facies gastrica keit läßt auf entzündliche Facies renalis . Vergrößerung oder selteHilus ner auf Lageveränderung schließen. Beim NeuA. henalis · — Schnittrani des Bauchfells g e b o r e n e n reicht sie in — Extremitas der Hälfte der Fälle bis in V Henalis ventralis die Regio mesogastrica Margo obtusus [Epigastrium]. Vielleicht ist diese Lage durch den A b b . 139. Milz, Facies visceralis mit Hilus und Gefäßen.

stumpferen u n

Rippenwinkel

d die r e l a t i v weite, u n t e r e

Thoraxapertur bedingt. Die Milzlage wird beeinflußt durch die G r ö ß e und das G e w i c h t d e r M i l z , durch die L ä n g e d e s M i l z - u n d M a g e n g e k r ö s e s und durch den F ü l l u n g s z u s t a n d d e r M i l z u n d d e r b e n a c h b a r t e n O r g a n e . Auch die F o r m d e s B r u s t k o r b s hat vielleicht einen Einfluß auf die Milzlage. So finden wir bei e n g e r , unterer Thoraxapertur eine senkrechte oder schräge Lage, bei w e i t e r , unterer Thoraxöffnung (besonders bei Neugeborenen) eine mehr horizontale Lage. Auch A t m u n g und K ö r p e r l a g e beeinflussen die Milzlage.Wir untersuchen sie deshalb in der Klinik grundsätzlich in der rechten Seitenlage. Die sehr beweglichen Wandermilzen kommen vorwiegend beim weiblichen Geschlecht vor. Wir finden sie oft bei erschlafften Bauchdecken (häufige Geburten) und allgemeiner Senkung der Eingeweide (Enteroptose). Praktische Bemerkungen: Die n o r m a l e Milz darf n i c h t t a s t b a r sein. Die Lage der Milz kann durch Beklopfen, P e r k u s s i o n , festgestellt werden. Da die Lunge den kranialen Rand der Milz teilweise überlagert, läßt sich bei der Perkussion von dorsal her eine a b s o l u t e und eine r e l a t i v e (durch dazwischen gelagerte Lunge verändert) M i l z d ä m p f u n g feststellen. Unterrand der Lunge (Lungenschall), Margo acutus der Milz (gedämpfter Schall) bilden den nach unten offenen Milzlungenwinkel, in dem man tympanitischen Schall (Magen) findet. Zwischen Milz und ventralem Nierenrande hören wir von vorn den tympanitischen Schall der Flexura coli lienalis (Milznierenwinkel, nach kranial offen). Füllt man die Flexur mit Luft, so wird eine Nierengeschwulst verdeckt, ein Milztumor nicht (differentialdiagnostisch wichtig). Stumpfe Gewalteinwirkungen, Sturz, Stoß, Schlag können leicht zu M i l z z e r r e i ß u n g e n führen.

Milzgefäße. Die schon in der Jugend stark geschlängelte, von einem vegetativen Nervengeflecht, Plexus lienalis, umgebene, starke A. lienalis verläuft kranial von der

177

Die Milz

relativ großen V. lienalis und dorsal bzw. kranial von der Bauchspeicheldrüse zum Hilus, wo sie sich in sehr variabler Weise in ihre Endäste aufteilt. Die starken S c h l ä n g e l u n g e n ermöglichen die normalen Lage- und Volumen Veränderungen der Milz. Die A r t e r i e n w a n d ist relativ m u s k e l s t a r k . Zieht sie sich im Bereich des Stammes oder einzelner Äste zusammen, so können das ganze Organ oder Teile desselben zeitweise vollständig aus dem Kreislauf ausgeschaltet werden. Diese Steuerung der Blutzufuhr wird nervöshormonal bewirkt. So sollen die weiblichen Geschlechtshormone auf die Milzarterien wirken. Während der Schwangerschaft und nach der Geburt treten gesetzmäßig Volumenveränderungen der Milz auf. Dadurch wird anscheinend die Milzarterie besonders belastet. So finden wir bei Mehrgebärenden schon frühzeitig starke Verkalkungen und Erweiterungen des Gefäßes, das bereits bei geringen Traumen einreißen kann. Beim Mann dagegen kommen Rupturen des Gefäßes oder der Milz nur nach stärkerer Gewalteinwirkung vor.

Milzkreislauf. Nach dem Eintritt in die Milz ver-

laufen die Gefäße zunächst in den bindegewebigen Balk e n (Balkenarterien [Ba]

und Balkenvenen

[ßw]).

Die Arterien verlassen schon bald die Balken und verlauf e n als Pulpaarterien (Pa)

in dem weichen Milzgewebe. Ihre Äste sind von Lymphozytenansammlungen, den Milz- oder Malpighi sehen Körperchen (Mk), Lymphonoduli lienales, u m g e b e n .

Ein Ast der Arterie zieht (Abb. 140 links) an dem Malpighi sehen Körperchen als Follikelarterie

Abb. 140. Schema vom Aufbau und Kreislauf der Milz. Das Kreislaufschema (linke Hälfte) wurde nach einem Schema und Angaben E. v. Herraths von mir entworfen. Der arterielle Teil (rot) geht in das feinmaschige Retikulum (R) oder durch ein dünnes (schwarz begrenztes) Rohr in den venösen Teil über. Ba = Balkenarterie; Pa = Pulpaarterie; Fa = Follikelarterie; Ρ = Penicilli; Kh = Kapillarhülsen; 5 = Milzsinus; Str.S. = Stromsinus; A.S. — Arbeitssinus; Sp.S. = Speichersinus; Bv = Balkenvene; Ly = periarterielle Lymphgefäße und Weg der Lymphe in der Milz. Schwarze Pfeile zeigen den Weg des abfiltrierten Blutplasmas (Lymphe) an. Mk — Milzkörperchen; Fh = Follikelhof; Κ = Kapsel; Β = Milzbalken.

(.Fa) vorbei, ein anderer zieht mit einer V-förmigen Schleife hindurch. Anschließend vereinigen sie sich wieder zu einem gemeinsamen Stamm, der sich alsbald in zahlreiche A r t e r i o l e n , die P i n s e l a r t e r i e n , Penicilli (P), aufteilt. Aus diesen gehen unter weiterer Verzweigung Kapillaren hervor, die streckenweise von Hülsen {Kh),

die aus einem verdichteten Retikulum bestehen, umgeben sind. Nach dem Verlassen der Hülsen öffnen sich die Kapillaren trichterförmig in das Raumgitter der Retikulumzellen (schwarzes Netzwerk). Das Blut würde also immer in das Retikulumnetzwerk abfließen, wenn sich die zwischen Kapillare und Venensinus (blau) gelegenen Retikulumzellen nicht zeitweise kontrahieren und damit ein geschlossenes Gefäßrohr und eine direkte Verbindung zu den weiten, v e n ö s e n S i n u s bilden würden. Die so entstehenden, W a l d e y e r , Anatomie I. 2. A u f l .

12

178

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

geschlossenen Gefäßstrecken sind in Abb. 140 (links oben) durch schwarz ausgezogene Linien wiedergegeben. Die Milzsinus (S), rechts oben blau begrenzt, bilden ein vielfach anastomosierendes Netzwerk und lassen drei Funktionszustände unterscheiden, die wir als S t r o m s i n u s (Str.S.), A r b e i t s s i n u s (^4.5.) und S p e i c h e r s i n u s (Sp.S.) bezeichnen. Die Stromsinus (Str.S.) sind direkt an die Kapillaren angeschlossen. Sie dienen der Ernährung des Milzgewebes und münden direkt in die Balkenvenen (Bv). Die Speichersinus (Sp.S.) sind ebenfalls direkt an die Kapillaren angeschlossen. Der Abfluß in die Vene (bei x) oder zu Nachbarsinus (bei y) ist aber gesperrt. Das einströmende Blut dehnt die Sinuswände; die Blutflüssigkeit entweicht durch die Sinuswand (blau gestrichelt) in das Retikulum und gelangt (schwarze Pfeile) in die periarteriellen Lymphgefäße (Ly) und in die Vene vor Eintreten des völligen Verschlusses (bei x). Vielleicht entweicht schon ein Teil des Blutplasmas in den Hülsenkapillaren. Ist der Sinus mit Erythrozyten voll gespeichert, so wird die zuführende Kapillare gesperrt ( = ) . Die für Stunden oder Tage gespeicherten Erythrozyten werden bei erhöhtem Sauerstoffbedarf wieder an den Kreislauf abgegeben. Auch die Arbeitssinus (.4.S.) können sich wie die Speichersinus gegen die Vene (bei x) oder gegen benachbarte Sinus (bei y) abschließen. Nachdem sie mit Blut (Blutkörperchen + Blutplasma) gefüllt sind, wird auch der arterielle Zufluß gesperrt ( = ) . Das eingeschlossene Blut wird irgendwie verändert. Blutkörperchen können mittels Diapedese durch die Sinuswand in das Retikulum (R) und zurücktreten. Die E r y t h r o z y t e n altern und gehen zugrunde. Die E n d o t h e l i e n der Sinuswand und R e t i k u l u m z e l l e n können sich ablösen, verändern und den Blutzellen beimischen. In streng zeitgebundenen Rhythmen wird immer ein Teil der Milzgefäße in den Kreislauf eingeschaltet. Aus Stromsinus können Arbeits- oder Speichersinus werden und umgekehrt. Diese Anpassung an die zu leistenden Aufgaben wird durch einen fein abgestimmten, nervös-humoral-reflektorischen Mechanismus geregelt. Entwicklung. Die Milz entsteht als Abkömmling des mittleren Keimblattes im Bindegewebe des dorsalen Mesogastrium am Ende des ersten Keimlingsmonates (Abb. 1 2 2 — 1 2 5 ) . Frühzeitig wachsen aus der A . coeliaca Gefäße in das Organ. Das stark wuchernde Organ stülpt die linke Platte des dorsalen Mesogastrium vor sich her, erscheint an ihm gleichsam als Anhängsel. In späterer Entwicklungszeit, beim Menschen bis etwa zum Ende des 5. Fetalmonats, bei vielen Tieren bis nach der Geburt, werden in ihm alle Arten von Blutkörperchen gebildet.

Feinbau. Die spiegelnde Serosa ist mit der derben Kapsel, Capsula lienis, fest verwachsen. Von der Kapsel ziehen ebenfalls bindegewebige Balken, Trabeculae lienis, mit bloßem Auge als weiße Streifen sichtbar, durch das Organ. In den Balken verlaufen die größeren Blutgefäße. In den Räumen dieses bindegewebigen Gerüstwerkes liegt eine weiche, auswaschbare Masse, die Pulpa. Diese läßt schon am ungefärbten, frischen Schnitt die stark bluthaltige, rote Pulpa und die weniger bluthaltige, weiße Pulpa unterscheiden. Die rote Pulpa besteht aus einem Netzwerk (Retikulum, R) von Retikulumzellen und Retikulinfasern und den venösen Milzsinus (S). Weiß erscheinen die Balken und die größeren Arterienäste mit ihren Lymphozytenscheiden, den Lymphonoduli lienales. Kapsel und Balken sind meistens rein bindegewebig, enthalten bei allen Tieren, deren Milzen starke Erythrozytenspeicher sind, zahlreiche glatte Muskelzellen, die wohl für die schnelle Entleerung notwendig sind. Funktion. Die relativ großen Milzen (Pferd, Hund, Katze) sind vorwiegend Speicherorgane. Sie können bis zu 16% des gesamten Blutvolumens aufnehmen. Wie bereits beim Milzkreislauf geschildert, werden vorwiegend die E r y t h r o z y t e n g e s p e i c h e r t . Das B l u t p l a s m a wird in die Venen oder ins Lymphgefäß system a b f i l t r i e r t . Die m e n s c h l i c h e Milz steht vorwiegend im Dienste der I m m u n i s i e r u n g . Sie wird auch als Abwehrtyp bezeichnet. Die Abwehrstoffe und die Lymphozyten werden wohl in den Lymphonoduli lienales gebildet und gelangen von dort in den F o l l i k e l -

Gefäß- und Nervenversorgung der Organe des oberen Bauchraumes

179

hof (Fh). Der weitere Abtransport erfolgt sicherlich zum Teil durch das Blutplasma der F o l l i k e l k a p i l l a r e n . Diese durchsetzen radiär das Malpighisehe Körperchen (Mk) und sind so fein, daß sie fast nur von Blutplasma durchströmt werden. Sie öffnen sich trichterförmig in den Follikelhof und schwemmen die Abwehrstoffe und Lymphozyten in die periarteriellen Lymphgefäße (Ly) oder teilweise wohl auch direkt in das Venensystem (gestrichelter, schwarzer Pfeil). Die Veränderung des Blutes durch A b b a u der Erythrozyten, Ablösung und Umformung der Sinusepithelien und Retikulumzellen wurde bereits oben angedeutet. Die Stellung und Bedeutung der normalen Milz im Blutfarbstoffund Eisenstoffwechsel ist noch nicht hinreichend geklärt. Vor allem ist es fraglich, ob das Retikuloendothel der Milz aktiv gesunde Erythrozyten zerstören kann.

IV. Gefäß- und Nerv enver sorgung der Organe des oberen Bauchraumes 1. Die Arterien Die große Bauchschlagader, Aorta abdominalis, gibt noch zwischen den Schenkeln ihres Zwerchfellschlitzes, H i a t u s a o r t i c u s , in Höhe des 12. Brustwirbels, die nur 1 cm lange, starke A. coeliaca ab. Diese teilt sich am oberen Rande des Pankreas (Abb. 141) sofort in ihre drei Hauptäste: die A. hepatica communis, die A. gastrica sinistra und die A. lienalis. Oft gehen aus der A. coeliaca die paarigen Zwerchfellarterien, Aa. phrenicae abdominales, hervor. Die letzteren entspringen aber häufiger direkt aus der Aorta. Der N. vagus Aa. phrenicae abdominales

dexter (dorsal)

sinister· (ventral) Mesohepatxcum

laterale

sinistrum

/

Lobus

Lobus

sinister hepalis

caudatus

V. cava caud. Lobus quadratus Ductus hepaticus

Lien

Vuctus cysticus

Α. gastro· epiploica sinistra

Vesica fellea (mit A. vesicae Jclleae

_

Kr. epiploici

Ductus choledochus V. portae tat• I hepatica ica ) For. epiploicum

A.

y

/'

gastroduodenalis Α-gastrica dextra

/

'

' / A. hepatica communis

/

—J—

/ Pankreas

| A.gastroepiploica dextra

ι

1

A. coeliaca

V λ A. gastrica sinistra

\ A.

\ lienalis

Abb. 141. Aufzweigung der A. coeliaca und der beiden Nn. vagi. Die Pars hepatogastrica des Omentum minus ist entfernt. In der Pars hepatoduodenalis sind die Pfortader, der Gallengang und die Leberarterien dargestellt. Der weiße Pfeil führt zum Foramen epiploicum. 12*

180

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

S t a m m der A. coeliaca ist von einem starken Nervengeflecht, dem Plexus umgeben.

coeliacus,

1. Die A. hepatica communis (Abb. 141, 118) verläuft nach rechts, gelangt hier zwischen die Blätter der Pars hepatoduodenalis des Omentum minus, liegt hier l i n k s v o r n von der V. portae. Sie gibt ab: a) A. gastrica dextra. Sie ist ein kleiner, im Omentum minus verlaufender Ast zur Curvatura ventriculi minor, der mit der A. gastrica sinistra anastomosiert. b) A. hepatica propria. Sie steigt neben der Pfortader zur Leberpforte auf, wo sie sich in einen Ramus dexter und einen R . sinister für die beiden Leberlappen teilt. Der r e c h t e Endast gibt h i n t e r dem Ductus hepaticus und Ductus cysticus einen Zweig zur Gallenblase (A. vesicae felleae). c) A. gastroduodenalis. Sie steigt h i n t e r der Pars cranialis duodeni abwärts und teilt sich in: a) A. pancreaticoduodenalis cranialis. Sie versorgt mit einem ventralen und dorsalen Ast den Pankreaskopf und die kraniale Hälfte des Duodenum und anastomosiert mit der A. pancreaticoduodenalis caudalis aus der A. mesenterica cranialis. β) A. gastroepiploica dextra. Sie verläuft im großen Netz an der großen K u r v a t u r des Magens, gibt dabei Äste an den Magen und das große Netz ab und anastomosiert mit der A. gastroepiploica sinistra aus der A. lienalis. 2. Die A. lienalis zieht (Abb. 118, 141, 159) kranial von der V. lienalis in stärkeren Krümmungen nach links zum Hilus der Milz. Die Krümmungen liegen teils kranial teils dorsal vom Pankreas. In ihrem Verlauf gibt sie folgende Äste a b : a) Rr. pancreatici, kurze Äste zum Körper und Schwanz des Pankreas. b) A. gastroepiploica sinistra. Sie geht mit den folgenden am Hilus der Milz ab, verläuft mit ihnen in der Pars gastrolienalis zur großen Magenkurvatur (Anastomose mit A . gastroepiploica dextra). c) Aa. gastricae breves. Sie verlaufen mit der vorigen um den linken Rand der Bursa omentalis zum Magenfundus. 3. Die A. gastrica sinistra gelangt in der Plica gastropancreatica zur kleinen Magenkurvatur (Abb. 118, 141), gibt hier kleinere Äste zur Speiseröhre, größere zum Magen, von denen einer im kleinen Netz verlaufend mit der A. gastrica dextra anastomosiert. Die A. coeliaca versorgt somit den ganzen o b e r e n B a u c h r a u m arteriell. Funktionell von Bedeutung sind die zahlreichen Anastomosen ihrer Äste. Interessant ist die Magenversorgung. Die Hauptäste treten an Cardia und Pylorus, die relativ unbeweglichen Teile heran. Es werden so die Bewegungen des Magens nicht behindert und die Arterien nicht zu stark gezerrt oder abgeknickt.

2. Die Venen a) Die Pfortader, V. portae, sammelt das Blut aus dem größten Teil des Darmkanals, von der Cardia des Magens bis zur oberen Hälfte des Mastdarmes, vom Pankreas und von der Milz. Hinter dem Pankreas (vgl. A b b . 114, 142, 159) vereinigen sich ihre Äste zum Hauptstamm. E s sind: 1. V. mesenterica caudalis. Sie nimmt das Blut aus dem oberen Teil des Mastdarms, dem Sigmoid und Colon descendens auf (Ausbreitungsgebiet der A . mesenterica caudalis), verläuft (Abb. 120) in der Plica duodenomesocolica cranialis, unter dem Mesocolon transversum und dem Pankreas zur V. lienalis.

Die Pfortader und ihre Verbindungen

181

2. V. mesenterica cranialis. Sie nimmt das Blut v o m Colon transversum, ascendens, Caecum, Processus vermiformis, Ilium, Jejunum, Duodenum, von der rechten Hälfte der großen Magenkurvatur und v o m Pankreas auf. Sie ü b e r k r e u z t (Abb. 118) mit der gleichnamigen Arterie die Pars ascendens duodeni. 3. V. lienalis. Sie leitet das Blut aus der Milz, von der linken Hälfte der großen Magenkurvatur und Teilen des Pankreas ab und nimmt noch die V. mesenterica caudalis auf. .

4. V. coronaria ventriculi. Sie verläuft im kleinen Netz an der kleinen Magenkurvatur, nimmt das Blut aus den anliegenden Teilen des Magens und Duodenum auf und anastomosiert durch das For amen oesophagicum mit den Speiseröhrenvenen. Die P f o r t a d e r führt das mit Hormon (Pankreas), Nährstoffen und St off wechselz w i s c h e n p r o d u k t e n ( D a r m ) u n d A b b a u s t o f f e n (Milz) b e l a d e n e B l u t d i r e k t z u r L e b e r (s. dort). Sie verläuft dabei in der Pars hepatoduodenalis, wird dort begleitet v e n t r a l l i n k s von der A. hepatica, v e n t r a l r e c h t s v o m Ductus choledochus. Das Foramen epiploicum trennt sie von der V. cava caudalis (Abb. 118, schwarzer Pfeil, und A b b . 141). Aufzweigung in der Leber siehe Leberkreislauf und A b b . 114.

I

brxchiocephalica

dextra

irachiocephaiica

sinistra

^

V. cava

cranialis

— V. thoracica Icmgitud. dextra — Vv. tl.oracicae

internae

Vv. oesophagicae Anastomcse —

V. coronaria

ventriculi

- V . portae V. lienalis V. mesenterica cran. Vv. adumbilicales Vv. epigastricae superficiales et caudales u. Α nastmnese V. mesenterica caad. V. cava caud. - V reclairs cran. - V. ilica

communis

Die Verbindungen (Anastomosen) V. ilica interna V. ilica externa der Pfortader sind von großer praktischer Bedeutung. Wird durch Veränderungen in - — V, pudendalis interna der Leber (Zirrhose), durch Blutgerinnsel (Thrombose) usw. die Durchströmung der — Plexus rectalis Leber gestört, so kommt es zu Stauungen im Zuflußgebiet der Pfortader. Das PfortA b b . 142. Schema der Verbindungen zwischen aderblut kann dabei (Abb. 142) 1. durch Pfortader, oberer und unterer Hohlvene (nach die Vv. oesophagicae (Speiseröhrenvenen), Schultze-Lubosch). 2. durch den Plexus rectalis, Mastdarmgeflecht und 3. durch die Vv. adumbilicales, in der Chorda v . umbilicalis, abfließen. Rückstauung im Magen und A b f l u ß der V. coronaria ventriculi zu den V v . oesophagicae kann den Plexus oesophagicus zu Ösophagusvarizen (Krampfadern) ausweiten (Vorsicht beim Sondieren des Magens!). Der weitere A b f l u ß erfolgt durch die Vv. thoracicae longitudinales in die obere Hohlvene (V. cava cranialis). Rückstauung im Plexus rectalis kann zu Hämorrhoiden führen. Der A b f l u ß erfolgt über die Vv. analis et rectalis caudalis zur V. ilica int., V. ilica communis und V. cava caudalis. A u s g e w e i t e t e Vv. adumbilicales können das Blut durch den Nabel zu den B a u c h d e c k e n v e n e n führen, die zu der V. ilica externa und damit zur V. cava caudalis und zu den Vv. brachiocephalicae {dextra und sinistra) und damit zur V. cava cranialis abfließen können. Die dann stark erweiterten, radiär zum Nabel verlaufenden Bauchdeckenvenen nennt man Caput Medusae. Genügen die neuen Abflüsse nicht, so tritt Flüssigkeit in die freie Bauchhöhle (Ascites). Die Talma-sehe O p e r a t i o n [Verbindung des großen Netzes (Pfortaderabfluß) mit der Bauchdecke (CavaAbfluß)] bringt meistens keine genügende Verbindung der beiden Kreisläufe zustande.

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

182

b) Die untere Hohlvene, V. cava caudalis, mit dem Blut aus den paarigen Organen der Bauchhöhle, den Beckenorganen, der Bauch- und Beckenwand und den unteren Extremitäten ist u n p a a r , liegt rechts neben der Aorta, im oberen Bauchraum auf dem rechten Zwerchfellschenkel und nimmt direkt unterhalb des Foramen v. cavae des Zwerchfells 2 — 3 große, kurze Vv. hepaticae auf (Abb. II8, 159). Sie ist in der Fossa ν. cavae der Leber fest mit der Leber verankert (Abb. 134, 135). Unterhalb der Leber bildet sie die d o r s a l e Begrenzung des Foramen epiploicum.

3. Die Lymphgefäße Im Magen beginnen sie mit einem feinmaschigen S c h l e i m h a u t n e t z und blind endigenden Ästen zwischen den Magendrüsen. V o n ihm aus durchbohren größere Äste die Muscularis mucosae und ziehen zu einem grobmaschigen Netz in der S u b m u c o s a .

Lobus caudatus

Lymphonodi hepatici

Vesica

Lymphonodi gastrici craniales

fellea

Corpus suprarenale dextrum

Lymphonodi aortici et corporis suprarenalis dextri Ren dexter

Lymphonodi pancreaticolienales Lien

Lymphonodi gastrici caudales Ren sinister

A b b . 143. Die Lymphgefäße und Lymphknoten der viszeralen Leberfläche, der Gallenblase, des Magens, der Milz und der rechten Nebenniere. (Umgezeichnet nach Jossifovu 1931.)

Aus diesem ziehen abführende Äste durch die Muscularis zu dem mit bloßem Auge sichtbaren, s u b s e r ö s e n Netz (s. A b b . 143). Aus ihm strömt die Lymphe zusammen mit den 4 Magenarterien zu den r e g i o n ä r e n L y m p h k n o t e n , zu den L y m p h o n o d i p a n c r e a t i c o l i e n a l e s und L y m p h o n o d i g a s t r i c i c a u d a l e s an der großen Kurvatur, zu den L y m p h o n o d i g a s t r i c i c r a n i a l e s und L y m p h o n o d i h e p a t i c i an der kleinen Kurvatur. Aus allen 4 Gruppen strömt schließlich die Lymphe durch die Lymphonodi coeiiaci zum Brustmilchgang, D u c t u s t h o r a c i c u s . Die Lymphonodi coeiiaci führen auch durch das Zwerchfell zu den Lymphonodi mediastinales. Verbacken beim Magenkrebs die serösen Wände von Magen, Leber und Zwerchfell, so können Metastasen in der Leber, in den Mediastinal- und den linken Supraklavikulärlymphknoten auftreten.

Lymphgefäße und Nerven des oberen Bauchraumes

183

Die Lymphgefäße des Duodenum hängen mit denen des Pankreas eng zusammen, münden in die Lymphonodt pancreaticoduodenals, die ventral und dorsal vom Pankreaskopf hegen und selbst wieder in die Lymphonodt coeliaci münden. V o m Pankreas ziehen außerdem noch Lymphbahnen zu den Lymphonodt pancreaticolienales. Die L y m p h gefäße der Milz sind noch wenig bekannt. Man unterscheidet oberflächliche (subseröse) und tiefe. Sie münden am Hilus in die Lymphonodt pancreaticolienales. Die Lymphgefäße der Leber. Die tiefen Lymphgefäße der Leber beginnen mit einem i n t e r - und i n t r a l o b u l ä r e n Netz, die miteinander zusammenhängen. D a s interlobuläre Netz läuft mit den Pfortaderästen zur Porta hepatis, zu den im Omentum minus gelegenen Lymphonodt hepatici und weiter zu den Lymphonodt coeliaci. D a s intralobuläre Netzwerk soll in den Läppchen beginnen, mit den V v . hepaticae-Ästen zum Zwerchfell gelangen, von hier teils durch das For amen v. cavae zu den a u f dem Zwerchfell gelegenen Lymphonodt mediastinales dorsales, teils u n t e r h a l b des Zwerchfells zu den Lymphonodt cardiaci ziehen. Die o b e r f l ä c h l i c h e n Lymphgefäße liegen unter der Serosa und hängen mit den t i e f e n zusammen. A n der Zwerchfellfläche unterscheidet man zwei dorsale, eine mittlere und eine vordere Gruppe. Die r e c h t e d o r s a l e Gruppe zieht vom hinteren Teil des rechten Lappens d u r c h das Zwerchfell und auf diesem medianwärts zum Ductus thoracicus. Die linke dorsale Gruppe führt v o m linken Leberlappen in dem Mesohepaticum laterale sinistrum durch das Zwerchfell zu den Lymphonodt mediastinales ventrales. Die mittlere Gruppe von dem mittleren Teil der Leber verläuft im Mesohepaticum ventrale durch den Zwerchfellspalt zwischen Pars sternalis und Pars costalis zu den Lymphonodt mediastinales ventrales. V o m ventralen Teile der Zwerchfellfläche der Leber ziehen Lymphgefäße über den Margo ventralis zur Facies visceralis und mit den Gefäßen der Facies visceralis zu den Lymphonodt hepatici. Die Gallenblase hat ein submuköses und ein subseröses Netz, die zu den nahegelegenen Gefäßen der Facies visceralis der Leber ziehen.

4. Die Nerven des Oberbauchraumes gehören dem Sympathikus und Parasympathikus (Vagus) an. Der N. vagus gelangt durch das Foramen oesophagicum in die Bauchhöhle. Der l i n k e Vagus tritt entsprechend der Lage auf der Speiseröhre auf die Paries ventrocranialis des Magens, bildet in der Nähe der kleinen K u r v a t u r (Abb. 141) den P l e x u s g a s t r i c u s v e n t r a l i s , der zahlreiche Äste zur Vorderfläche des Magens (Rr. gastrici) und zur Leber (Rr. hepatici) abgibt. Der r e c h t e Vagus verläuft zur dorsokaudalen W a n d , bildet an der kleinen K u r v a t u r den P l e x u s g a s t r i c u s d o r s a l i s , der den kleineren Teil der Fasern zur Rückwand des Magens (Rr. gastrici), den größeren zum P l e x u s c o e l i a c u s (Rr. coeliaci) und von dort direkt oder in den Ganglien umgeschaltet, mit den Blutgefäßen zur Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm, Nieren und Nebennieren schickt. Über den Plexus coeliacus und die anderen Plexus der Bauchhöhle, über den Bauchsympathikus usw. s. Situs retroperitonaealis (S. 206).

V. Die Organe des unteren Bauchraumes Der untere Bauchraum beherbergt Dünn- und Dickdarm, heißt deshalb auch Darmbauch.

1. Der Dünndarm, Intestinum tenue Der Dünndarm besteht aus dem größtenteils an der hinteren Bauchwand befestigten Duodenum (30 cm) und dem mit einem Meso versehenen Intestinum tenue mesosteniale. Das letztere nennen wir auch kurz Jejunoilium. W i r unterscheiden an ihm den

184

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

Leerdarm, Jejunum, und den K r u m m d a r m , Ilium. Die Länge wird sehr verschieden angegeben ( 2 , 5 — u m ) . Nachlassen des Muskeltonus bei der Leiche, starke K o n t r a k tionen, Alters- und individuelle Unterschiede erklären die stark schwankenden Zahlen. Man darf beim Lebenden wohl eine Länge von 4 — 5 m annehmen. V o m Jejunoilium rechnet man 2/5 auf das J e j u n u m und 3/5 auf das I l i u m . E s ist bis auf den schmalen Gekröserand [Ansatz des Mesostenium] (Abb. 145) vollständig v o n Bauchfell überzogen. Schneidet man esgegenüberdem Gekröserand, antimesosteniell, auf, Plicae circulates so sehen wir im Jejunum (Abb. 144) dichtgestellt Ringfalten, Plicae circulares [Kerckring]; sie werden kaudalwärts seltener, Schnittrand des niedriger und fehlen im Peritonaeum unteren Ilium (Abb. 145) vollständig. I m Ilium V. jejunalis treffen wir antimesosteniell längliche Lymphknötchenhaufen, Lymphonoduli aggregati (Peyer) und die kleinen Lymphonoduli Lymphemodi solitarii. Im Jejunum mesosteniales et Vasa lymphacea werden die L y m p h k n o t e n haufen kleiner und verschwinden. Die L y m p h o noduli sind beim K i n d und gewissen Krankheiten (Typhus und Ruhr) gut sichtbar. Zotten, V i l l i . Die gesamte Dünndarmschleimhaut ist mit feinen Ζ otten, Villi, besetzt und erhält dadurch ein s a m t a r t i A b b . 144. Ein Stück Jejunum. Kranial aufgeschnitten, um die g e s Aussehen. Die 0,2 bis Plicae circulares zu zeigen. A m Meso ist ein Teil des Bauchfells 1,2 m m hohen Zotten sind fortgenommen, um die Arterien- und Yenenverzweigung und die im Duodenum und JejuLymphgefäße und -knoten sichtbar zu machen. num am höchsten und zahlreichsten, werden im Ilium kürzer und seltener und fehlen auf der Oberfläche der Lymphonoduli. P l i c a e c i r c u l a r e s und Z o t t e n vergrößern die resorbierende Oberfläche außerordentlich. Jede Zotte enthält ein reiches Blutgefäßnetz, eine oder mehrere Arterien, die nach Spanner (Abb. 147) mit e i n e m Endast ein reiches Kapillarnetz bilden, mit dem a n d e r e n eine d i r e k t e Verbindung zur Vene eingehen (arteriovenöse Anastomose). E s ist dieses eine sehr sinnreiche Einrichtung. Nur während der V e r d a u u n g läuft das gesamte B l u t durch das Kapillarnetz, während der R u h e wird der größere Teil durch die Anastomosen laufen. Jede Zotte enthält noch ein axiales L y m p h - oder Chylusgefäß (Abb. 5), das aus dem Darmrohr die an Gallensäuren gebundenen Fettsäuren aufnimmt und in die Darmlymphgefäße abführt. Dir F e t t e geben der Darmlvmphe ein milchiges Aussehen

Der Dünndarm

185

Chylus). Nach einer Fettmahlzeit kann man unter dem Bauchfell der D a r m w a n d und des Mesostenium die milchigweißen Chylusgefäße mit bloßem A u g e beobachten. Kohlehydrate und Eiweiße werden durch das einschichtige, mit Kutikularsaum versehene (Abb. 3 c) Zylinderepithel in das Blutkapillarnetz aufgenommen und durch die Pfortader direkt der Leber zugeführt. Der Mechanismus j^^^^^MSW^^a^m^ der Füllung und Entleerung der Zotte ist noch umstritten. Wahrscheinlich wird durch ^S^vaT^Orolo^^^^^^^^ den Schluß der arteriovenösen Anastomosen das Blutkapillarnetz stärker durchblutet, die Zotte vergrößert und aufgerichtet. Die Vergrößerung der Oberfläche und stärkere Durchblutung yi^^^r; ; fördern die Resorption der Stoffe. Ist das zentrale Chylusgefäß gefüllt, so führt die K o n -

Schnittrand des Mesostenium

Abb. 146. Dünndarmschleimhaut bei Lupenvergrößerung (6 x ). Zotten, Lymphonodulus solitarius (im Zentrum), Mündungen der Glandulae intestinales (dunkle Punkte zwischen den Zotten).

\

Lymphonodulus

aggregatus

Lymphonoduli solitarii

Abb. 145. Ein Stück Ilium (am Mesostenium abgetrennt und teilweise an diesem Schnittende längs aufgeschnitten). Lymphonodus aggregatus und Lymphonoduli solitarii.

A b b . 147. Blutgefäße einer Darmzotte (nach Spanner). Die abführende Vene ist punktiert, Arterien sind schwarz. Links oben stärkere, arteriovenöse Anastomose.

t r a k t i o n v o n g l a t t e n M u s k e l z e l l e n , die von der Muscularis mucosae aus in der Tunica propria der Zotte aufsteigen, zur V e r k ü r z u n g und E n t l e e r u n g der Zotte. Im oberen Dünndarm sind die Zotten breiter, blattförmig, häufig mit sekundären Erhebungen versehen (Zwillings- und Drillingszotten), im unteren rundlich, pfriemenförmig.

186

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

Glandulae intestinales, Lieberkühn sehe Drüsen, 0,3—0,4 m m lange, tubulöse Schläuche, sind von der Darmoberfläche aus senkrecht in die Tunica propria gesenkt und über den gesamten Dünn- und Dickdarm verteilt (Abb. 148 d—g). Sie haben ein enges Lumen und ein einschichtiges Zylinderepithel, das im G r u n d e der Drüse mit

Epithel

Tunica mucosa |

Lamina propria muscut. mucosae Tela subtnueosa

LaiiL

Stratum

circutare

Tunica muscularis Stratum

longitudinalc Tunica

d

serosa

e

f

9

A b b . 148. Übersicht über den A u f b a u des Magen-Darmkanales (Schema), a = Oesophagus; b = Corpusteil des Magens; c = Pylorusteil des Magens; d = Duodenum; e = Jejunum; / = Ilium; g = Colon. Alle Schnitte sind auf die Muscularis mucosa ausgerichtet, um die Dichte der Schichten bei den einzelnen Darmabschnitten zu zeigen. Die Belegzellen des Magens (b) sind rötlich, die Glandulae pyloricae hellgrau getönt. Vergr. 25 X . Goe — Glandula oesophagica; Gg = Glandula gastrica; Gp = Glandula pylorica; Gd = Glandula duodenalis. Fg = Foveola gastrica; Κ = K r y p t e ; Ln = Lymphonodulus; Ζ = Zotte.

dicken Granula gefüllt ist (Panethsche Zellen). Wahrscheinlich sondern diese Drüsen den Darmsaft ab. In der Drüse finden wir meistens zahlreiche Kernteilungsfiguren. Die neuen Zellen dienen zum Ersatz der verlorengegangenen. Sie rücken allmählich aus der Tiefe auf die Darmoberfläche und zur Spitze der Zotten vor.

Aufbau der Darmwand

187

Übersicht über den Aufbau der Darmwand (Abb. 148 d—g) Von außen nach innen hat sie folgende Schichten: 1. Tunica serosa (kurz: Serosa). Das Bauchfell ist (s. oben) nicht überall vorhanden. 2. Tunica muscularis (kurz: Muscularis) besteht aus a) Stratum longitudinale, Längsmuskelschicht (außen und dünner); b) Stratum circulare, Ringmuskelschicht (innen und stärker). Zwischen beiden Schichten liegt ein Nervengeflecht, der Plexus myentericus. 3. Tela submucosa (kurz: Submucosa). Sie besteht aus locker angeordnetem Bindegewebe, enthält ein größeres Blut- und Lymphgefäß- und Nervennetz (Plexus submucosus) und ermöglicht die V e r s c h i e b u n g d e r S c h l e i m h a u t gegen die Muscularis. Beim D u o d e n u m enthält sie die Glandulae duodenales (in A b b . 148 dGd), Brunner sehe Drüsen. Sie gehen von den Lieberkühn scheu Drüsen aus, d u r c h b o h r e n die Muscularis mucosae, sind hell und sollen Sekretin und Diastase absondern. 4. Tunica mucosa (kurz: Mucosa), S c h l e i m h a u t . Sie besteht aus: a) Lamina epithelialis. Das einschichtige, mit Stäbchen- oder Kutikularsaum versehene Darmepithel ist zylindrisch, hat Ersatz-, Becher-, basalgekörnte und im Grunde der Lieberkühn sehen Drüsen die Panethschen Zellen (s. S. 186). b) Tunica propria. Lockeres Bindegewebe, das die Drüsen umgibt, mit i n die Zotten reicht, feinere Gefäße, Nerven und stellenweise (s. Zotte) glatte Muskeln führt. c) Lamina muscularis mucosae. Eine dünne, zweischichtige Lage glatter_Muskulatur, die sich in die vorige Schicht fortsetzen kann. Lymphonoduli solitarii kommen im gesamten Darmkanal in der Tunica propria, teils auch in der Submucosa vor. Lymphonoduli aggregati, in der Längsrichtung des Darmes verlaufend, finden wir im Ilium gegenüber dem Ansatz des Mesostenium. Das Duodenum hat Plicae circulares (Kerckring), Zotten (Ζ), Lieberkühn sehe Drüsen {K) und in der Submucosa Brunner sehe Drüsen, Gland, duodenales (Gd). Das Jejunum hat PI. circulares, Zotten und Lieberkühn sehe Drüsen. Das Ilium hat Zotten und Lieberkühn sehe Drüsen. Das Kolon hat k e i n e Zotten, nur Lieberkühn sehe Drüsen (Abb. 151). Der Processus vermiformis, Wurmfortsatz, hat als Kolonteil Kolonschleimhaut mit b e s o n d e r s v i e l e n L y m p h o n o d u l i . Enges Lumen. Die Lage und Bauchfellbeziehungen sind S. 155 beschrieben. 80 cm o b e r h a l b der Einmündung des Dünndarmes in den Dickdarm findet sich in 2 % der Fälle ein Meckelsches Divertikel, Diverticulum ilii. E s ist der Rest des Ductus omphalo-entericus und als Hemmungsbildung von sehr wechselndem Aussehen. E s kann ein 2—30 cm langer Blindsack sein, der frei endet oder mit einem Strang am Nabel befestigt ist. U m den Strang kann sich der Dünndarm drehen und zu gefährlichen Abschnürungen (Strangulationen) führen.

2. Der Dickdarm, Intestinum crassum Der 1,20 m lange Dickdarm besteht aus dem Blinddarm, I n t e s t i n u m c a e c u m , 7 cm lang, dem Wurmfortsatz, P r o c e s s u s v e r m i f o r m i s (auch Appendix), 2—20 cm lang, dem Grimmdarm, I n t e s t i n u m c o l o n mit dem aufsteigenden, queren, absteigenden und S-förmigen Teil, C o l o n a s c e n d e n s , t r a n s v e r s u m , d e s c e n d e n s und s i g m o i d e s .

188

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

L a g e u n d B a u c h f e l l b e z i e h u n g e n sind S. 155 beschrieben. D e r Blinddarm, Caecum (Abb. 149), ein 7 cm langer u n d nahezu gleichbreiter Blindsack, liegt unterhalb der E i n m ü n d u n g des Dünndarmes in den D i c k d a r m , Ostium iliocaecocolicum. D e r R ü c k f l u ß v o n D i c k d a r m i n h a l t in den D ü n n d a r m w i r d durch eine K l a p p e , die Valvula coli, verhindert. Sie besteht aus einer kranialen und kaudalen Schleimhautlippe (Labium craniale u n d caudale valvulae coli) u n d einem Frenulum ventrale und dorsale, Schleimhautfalten, die v o n der Vereinigung der L i p p e n nach vorn und hinten abgehen. Sie werden bei F ü l l u n g des D i c k d a r m e s gespannt und ver-

Haustra coli

Taenia Plicae

- Colon ascendens

Taenia

omentalis semilunares

libera

Labium craniale Labium caudale Frenulum

Frenulum

post.

Intestinum caecum

Valvula proc. vermiformis

Proc. vermiformis

. ·

m'vu.,ae coli

ant.

Intestinum ilium

Abb. 149. Caecum, Processus vermiformis, Anfangsteil des Colon ascendens und kaudales Ende des Ilium. Vorderwand des Dickdarms gefenstert, um die Valvula coli und das Ostium iliocaecocolicum zu zeigen.

schließen die Ö f f n u n g . N a c h B e o b a c h t u n g e n a m L e b e n d e n soll sich die K l a p p e kegelförmig im D i c k d a r m erheben u n d ein sternförmiges L u m e n besitzen. D e r B l i n d d a r m h a t T a e n i e n , H a u s t r e n u n d h a l b m o n d f ö r m i g e F a l t e n wie der übrige D i c k d a r m . Bei körnerfressenden Tieren kann das Caecum gewaltige Größen (60 cm Länge) erreichen. Da die starken Zellulosewände der Pflanze nicht im Dünndarm verdaut werden können, werden sie durch die länger dauernde B a k t e r i e n g ä r u n g im Dickdarm aufgeschlossen.

D e r Wurmfortsatz, Processus vermiformis, die A p p e n d i x des Caecum, äußerst variabel in F o r m u n d Größe, geht dorsomedial v o m C a e c u m ab. D a s rudimentäre D a r m s t ü c k geht beim N e u g e b o r e n e n noch t r i c h t e r f ö r m i g in das Caecum über. B e i m Erwachsenen ist es meistens scharf abgesetzt. Eine kleine Valvula processus vermiformis schiebt sich v o r die Ö f f n u n g . Die T a e n i e n des D i c k d a r m e s fließen auf dem W u r m f o r t s a t z zu einer einheitlichen Längsmuskellage zusammen. D a s L u m e n des 6 m m dicken W u r m fortsatzes ist sehr klein, nicht selten teilweise oder vollständig verschlossen, enthält Schleim oder etwas D a r m i n h a l t . Die S c h l e i m h a u t h a t eine besonders große Zahl v o n L y m p h o -

Der Dickdarm

189

noduli. Man spricht deshalb auch von einer Darmtonsille. In neuerer Zeit hat man bei gewissen Infektionskrankheiten gleichartige Zellveränderungen im Lymphzellapparat von D a r m - u n d G a u m e n t o n s i l l e festgestellt. Der Wurmfortsatz hat ein eigenes Serosa •— M e s o , das Mesenteriolum. In seinem freien Str. longit. -Str. circul. -Rande verläuft die A . appendicularis. Bei Submitcosa — Wurmfortsatzentzündung, Appendicitis, beMucosa steht Druckempfindlichkeit (S. 155). Μ esosUmum D a s Kolon, je nach Muskeltonus, Füllung oder Anlage verschieden weit, hat Taenien, Plicae semilunar es, Haustra und Appendices epiploicae. 1. Taeniae coli sind (Abb. 150 Β) drei etwa 1 cm breite Binden, Verdickungen der sonst schwachen Längsmuskulatur. Wir unterscheiden eine Taenia mesocolica (am Ansatz des Mesocolon), eine Taenia omentalis (am Ansatz des Omentum majus) und eine Taenia libera. 2. Haustra (Haustrum = Schöpfgefäß) sind Ausbuchtungen zwischen den Taenien, die durch Einschnürungen gegeneinander abgesetzt sind. Diesen äußeren Einschnürungen der# Darmwand entsprechen innen die 3. Plicae semilunares (Abb. 149). Die halbmondförmigen Falten sind keine konstanten Gebilde. I m Röntgenbilde kann man beobachten, wie sie über die D a r m w a n d hinwegwandern. Die jeweils zwischen den kontrahierten Muskelzügen gelegenen, erschlafften Stellen nennen wir Haustra. Die P l i c a e c i r c u l a r e s des Dünndarms dagegen sind konstant. 4. Appendices epiploicae (Abb. 150 B), lappenförmige Serosaanhänge kommen am Colon transversum in e i n e r , und zwar ventralen, am Colon ascendens und descendens in z w e i , einer ventralen und einer medialen Reihe vor. Bei Neugeborenen sind sie fettlos, bei Erwachsenen nehmen sie F e t t auf, bei fettleibigen Personen können sie nußgroß sein.

τnenn libera

Appendix ψψΐούα

Β

Meso- — colon Mucosa — Submucosa ' Str. circulare Str. longit. -— Serosa •—

Taenia omentnis A b b . 150. Schema der Wandschichten des Dünndarmes (A) und des Dickdarmes (B).

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Feinbau. Die Schichten sind die gleichen wie beim Dünndarm (s. S. 187). Die S c h l e i m A b b . 151. Oberfläche der Dickdarmschleimh a u t hat k e i n e Zotten (Abb. 151), aber haut. Mündungen der Lieberkühnschen Lieber kühn scYie Drüsen, die gegen den MastKrypten. Vergr. 20 X . darm hin länger werden und keine Panethschen Zellen enthalten; das E p i t h e l ist ähnlich dem des Dünndarmes, hat aber mehr Becherzellen. D e r von ihnen abgesonderte Schleim hilft den K o t formen und macht die Oberfläche schlüpfrig für den Durchtritt durch die Afteröffnung.

190

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

Funktion von Dünn- und Dickdarm Dünndarm. Die Lieber kühnschen Drüsen sondern den Darmsaft, Succus entericus, ab. Er enthält neben Schleim, Epithelzellresten eine Reihe von Fermenten. Die E n t e r o k i n a s e aktiviert das Pankreastrypsin. Das E r e p s i n spaltet die Peptide bis zu den Aminosäuren. I n v e r t i n , M a l t a s e und L a k t a s e wandeln Disaccharide in Monosaccharide um. Schließlich finden sich noch D a r m l i p a s e und N u k l e a s e . Lokale, mechanische (Füllung) und chemische Reize (Gallensaft, Pankreassaft) regen die Sekretion des Darmsaftes an und beeinflussen seine Zusammensetzung. Der N. vagus regt die Sekretion nicht an, vermag aber das Sekret zu konzentrieren.

Der Dünndarm führt Pendel- und Wellen- (peristaltische) Bewegungen aus. Die Pendelbewegungen dienen der D u r c h m i s c h u n g des Darminhaltes. In gewissen A b ständen kontrahiert sich die Darmwand und treibt den Inhalt in die zwischen den Kontraktionen gelegenen, erschlafften Gebiete. In der nächsten Phase kontrahieren sich die bisher erschlafften, weiten Darmteile und treiben den Inhalt in die vorher kontrahierten. Diese rhythmischen Mischbewegungen erfolgen im kranialen Dünndarm alle 3 — 4 Sekunden, im kaudalen Dünndarm alle 4 — 1 2 Sekunden. Sie werden wahrscheinlich durch das Cholin bzw. Azetylcholin des Darmes ausgelöst und durch den Plexus myentericus geregelt. Die peristaltischen Bewegungen befördern den Inhalt des Dünndarmes in den Dickdarm. Zäkalwärts von den Kontrakturringen erschlafft die Darmwand, der Kontrakturring wandert kaudalwärts und treibt den Inhalt vor sich her. Erhöhung des Innendruckes im Darm, die Darmfüllung, l ö s t d i e P e r i s t a l t i k a u s . Vagus und Sympathikus wirken auf die Wandspannung und damit auf die Peristaltik. Der V a g u s (auch psychische Erregung) f ö r d e r t , der S y m p a t h i k u s h e m m t sie. Die Peristaltik ist immer zäkalwärts gerichtet. Ist das folgende Darmstück gelähmt, so können sich die Schlingen ineinanderschieben ( p a r a l y t i s c h e r I l e u s , Darmverschluß). Bei gemischter Kost resorbiert (nimmt auf) der menschliche Dünndarm alle verdauungs- und aufnahmefähigen Stoffe. Dickdarm. Der Dickdarm scheidet k e i n e F e r m e n t e mehr ab. Die Lieb erkühnschen Drüsen liefern als Gleit- und Schmiermittel ein s e r o m u k ö s e s S e k r e t . Bei pflanzlicher Nahrung kann die Verdauung durch Dünndarmfermente weitergehen. Ein Teil der Spaltprodukte wird resorbiert. Der andere wird durch G ä r u n g und F ä u l n i s zerstört. Während Magen und oberer Dünndarmteil nahezu s t e r i l sind, hat der untere Dünndarm und besonders der Dickdarm eine physiologische Flora von obligaten und fakultativen Anaerobiern, Bacterium coli commune, Bacterium lactis aerogenes, Bacillus putrificus usw. Sie spalten Eiweiße, Kohlehydrate, zum Teil Zellulose zu energiearmen, für den Menschen unbrauchbaren Abbauprodukten. Vom Pflanzenfresser können sie teils ausgenutzt werden. Die durch Fäulnis entstandenen Eiweißabbauprodukte Skatol und Indol geben dem Kot, Faeces, den charakteristischen Geruch. Histamin, Tyramin, Phenol sind weitere Abbaustoffe. Die Eiweißabbauprodukte werden teils direkt aus dem Darm ausgeschieden, teils vom Dickdarm resorbiert, in der Leber entgiftet und als gepaarte Schwefelsäuren im Harn ausgeschieden.

Der Darminhalt ist nach 3 — 4 stündigem Aufenthalt im Dünndarm noch relativ dünnflüssig. E r wird im Dickdarm durch Wasserresorption auf 1 / 3 — 1 / 4 seines Volumens eingedickt. Ist das Dickdarmepithel geschädigt (Cholerabazillen), so haben wir dünnflüssige Stühle und einen großen, lebensgefährlichen Wasserverlust. Schließlich ist der Dickdarm noch ein A u s s c h e i d u n g s o r g a n für Quecksilber, Wismut, Eisen, Kalzium, Magnesium und Phosphate. Quecksilbervergiftung! Im Dickdarm haben wir im Gegensatz zum Dünndarm peristaltische und antiperistaltische Bewegungen. A b und zu bringen antiperistaltische Bewegungen den Darminhalt wieder zurück in das Caecum. Die Iliozäkalklappe verhindert den Rücktritt in den Dünndarm. Die unregelmäßigen, afterwärts gerichteten, peristaltischen Bewegungen werden durch eine neue Mahlzeit, durch Eintritt von K o t (Faeces) in den Mastdarm, durch psychische Einflüsse und den Parasympathikus gefördert und durch den Sympathikus gehemmt.

Arterien und Venen des unteren Bauchraumes

191

VI. Die Gefäße des unteren Bauchraumes 1. Die Arterien und Venen In der E m b r y o n a l z e i t ziehen z u m D a r m eine Reihe v o n G e f ä ß e n . Sie werden in der weiteren E n t w i c k l u n g zurückgebildet. E s bleibt in der Nabelschleife (s. S. 160) nur die A . mesenterica cranialis, erhalten. Sie liegt in der A c h s e der Schleife u n d wird desh a l b bei der D r e h u n g nicht beeinträchtigt. Die u n p a a r e A . m e s e n t e r i c a c r a n i a l i s

- Colon transversum

A. colica

media —1—'

A. colica

dextra

Pars

A.

majus

Mesocolon versum

trans-

-h Α., V. cranialis

caud. duodeni

Colon

Omentum

mesenterica

i - J

asceniens

, !

- Aa.

jejunales

iliocolica

—. Mesostenium Einmündung des Intestinum ilium A

appendicularis Mesenteriolum

Proc.

Κ— m —



Aa.

ilicae

— jj

vermiformis

Abb. 152. Verzweigungsgebiet der A. und V. mesenterica cranialis. Der Dünndarm ist nach links unten, das Colon transversum nach oben gezogen. Zwischen Mesostenium und Mesocolon transversum scheint die Pars caudalis duodeni durch das parietale Bauchfell. entspringt (Abb. 159, 160) direkt unterhalb der A. coeliaca v o r d e m 1. L e n d e n w i r b e l und h i n t e r dem P a n k r e a s ( A b b . 118, 138). Sie zieht durch die Incisura pancreatis, gelangt v e n t r a l v o n der Pars caudalis duodeni z w i s c h e n die beiden B l ä t t e r des Mesostenium und v e r l ä u f t mit dem H a u p t a s t bogenförmig (Abb. 152) bis z u r Iliozäkalgegend. In ihrem Verlauf gibt sie a b : 1. A . pancreaticoduodenalis caud. Sie entspringt in der Incisura pancreatis, v e r l ä u f t zwischen Pars caudalis duodeni u n d dem C a p u t pancreatis u n d anastomosiert m i t der A. pancreaticoduodenalis cran. aus dem Versorgungsgebiet der A. coeliaca ( A b b . 138).

192

Der Bauch, Bauchhöhle und Bauchorgane

2. A a . jejunales et ilicae. 1 4 — 1 6 Ä s t e gehen v o n der linken Seite des H a u p t stammes z u m J e j u n u m u n d Ilium. B e v o r sie die D a r m w a n d erreichen, teilen sie sich mehrmals, bilden j e d e s m a l m i t dem b e n a c h b a r t e n A s t eine Anastomose, bilden so 3 — 4 z u m D a r m hin immer kleiner werdende G e f ä ß b o g e n (Arkaden) u n d ziehen schließlich als gerade Ä s t e z u m D a r m . Diese geraden Ä s t e stehen im J e j u n u m e t w a s dichter als im Ilium (im Jejunum durch Plicae circulares besonders vergrößerte Darmoberfläche) und anastomosieren nochmals in der Submucosa in einem grobmaschigen G e f ä ß n e t z . 3. A . iliocolica. Sie g e h t rechts v o m H a u p t s t a m m ab, v e r l ä u f t retroperitonaeal an der hinteren B a u c h w a n d schräg nach rechts u n t e n zur Iliozäkalgegend u n d g i b t a b : a) einen Ramus ilicus zur Anastomose m i t dem E n d a s t des H a u p t s t a m m e s (Versorgung des unteren Ilium), b) einen R. colicus zur Anastomose m i t der A. colica dextra. U n t e r weiterer A r k a d e n bildung ziehen kleinere Ä s t e z u m Caecum, K o l o n u n d unterem Ilium. E i n besonders langer A s t v e r l ä u f t h i n t e r dem Ilium z u m Mesenteriolum u n d versorgt als A . a p p e n d i c u l a r i s den W u r m f o r t s a t z . 4. A . colica dextra. Sie entspringt k r a n i a l v o n der vorigen, v e r l ä u f t retroperitonaeal an der rechten, hinteren B a u c h w a n d , ü b e r k r e u z t an dieser die V . c a v a caud., die rechte A . spermatica u n d den rechten Harnleiter (Ureter), zieht z u m kranialen Teil des Colon ascendens u n d teilt sich hier in einen auf- u n d absteigenden A s t . Der absteigende anastomosiert m i t der A. iliocolica, der aufsteigende m i t der A. colica media. N i c h t selten entspringt die Arterie nicht selbständig, sondern aus der A . iliocolica oder der A . colica media. 5. A . colica media. Sie gelangt gleich nach ihrem U r s p r u n g zwischen die beiden B l ä t t e r des Mesocolon transversum, zieht zwischen ihnen z u m Colon transversum, w o sie sich in einen rechten A s t zur Anastomose m i t der A . colica d e x t r a u n d einen linken zur A n a s t o m o s e m i t der A . colica sinistra (aus der A . mesenterica caudalis) teilt. Sie versorgt das Colon transversum bis zur F l e x u r a lienalis. Die A . mesenterica cranialis versorgt also den Darmkanal von der unteren Duodenumhälfte bis zur Flexura coli lienalis. Die V . mesenterica cranialis entspricht im allgemeinen dem Ausbreitungsgebiet der A. mesenterica cran. Zusätzlich n i m m t sie noch die V. gastroepiploica dextra v o n der großen M a g e n k u r v a t u r auf. Sie v e r l ä u f t an der r e c h t e n Seite der gleichnamigen Arterie und bildet hinter dem P a n k r e a s mit der V . lienalis die Pfortader. Die A . mesenterica caudalis liegt wie die cranialis ursprünglich auch i m dorsalen Meso. Mit der V e r l a g e r u n g des Colon descendens nach links u n d Verschmelzung des Mesocolon descendens mit der linken Seite der hinteren B a u c h w a n d v e r l ä u f t sie retroperitonaeal. Sie entspringt gegenüber dem 3. Lendenwirbel aus der Aorta u n d teilt sich bald (Abb. 120) i n : 1. A . colica sinistra. Sie v e r l ä u f t retroperitonaeal nach links z u m Colon descendens, schickt gewöhnlich e i n e n , in A b b . 120 z w e i Ä s t e a u f w ä r t s z u m oberen T e i l des Colon descendens u n d zur Anastomose mit der A. colica media u n d e i n e n a b w ä r t s z u dem kaudalen T e i l des Colon descendens u n d z u r A n a s t o m o s e m i t den Aa. sigmoideae. 2. A a . sigmoideae. 3—4 kleine Ä s t e v e r l a u f e n z u m Sigmoid, versorgen es und gehen A n a s t o m o s e n m i t den Nachbararterien ein. 3. A . rectalis cranialis. Sie v e r l ä u f t als E n d a s t im Mesorektum h i n t e r dem Mastdarm ins kleine B e c k e n u n d gibt kleine, rechte u n d linke Ä s t e ab. Sie versorgt den oberen T e i l der M u s k u l a t u r u n d nahezu die ganze Schleimhaut des Mastdarmes (wichtig für Resektionen!) u n d anastomosiert mit der A. rectalis caudalis u n d der A. analis (aus der A . pudendalis interna).

193

Die Geiäße des unteren Bauchraumes

Die A . mesenterica caudalis versorgt Colon descendens, Sigmoid und den größten Teil des Rektum. Die V. mesenterica caudalis entspricht d e m Ausbreitungsgebiet der gleichnamigen Arterie, liegt links v o n ihr und in der Plica duodenomesocolica cranialis u n d m ü n d e t hinter d e m P a n k r e a s in die V. lienalis. W i c h t i g ist die A n a s t o m o s e m i t der V. pudendalis mittels des Plexus rectalis (vgl. S. 181). Die drei unpaaren, großen Eingeweidearterien des B a u c h e s , A a . coeliaca, mesenterica cranialis und caudalis, bilden eine große A n a s t o m o s e n k e t t e , die in den einzelnen Darmteilen durch eine verschieden große Z a h l v o n A r k a d e n der Seitenäste noch besonders gesichert ist. Diese reichliche A n a s t o m o s e n b i l d u n g ermöglicht a u c h bei stärkeren D a r m b e w e g u n g e n u n d -Verlagerungen noch die V e r s o r g u n g m i t B l u t . N u r wenn ein größeres Versorgungsgebiet gesperrt ist (Thrombus, Strangulation), k o m m t es zur Schädigung der D a r m w a n d . Diese ist deshalb gefährlich, weil die geschädigte D a r m w a n d B a k t e r i e n der D a r m f l o r a (s. S. 190) in die freie B a u c h h ö h l e d u r c h t r e t e n l ä ß t . W ä h r e n d diese B a k t e r i e n im D a r m r o h r z u m normalen S t o f f a b b a u n o t w e n d i g sind, führen sie in der B a u c h h ö h l e zur B a u c h f e l l e n t z ü n d u n g (Peritonitis).

2. Lymphgefäße von Dünn- und Dickdarm In der D a r m w a n d liegen ein s u b m u k ö s e s , ein i n t e r m u s k u l ä r e s u n d ein s u b s e r ö s e s N e t z w e r k . D a s submuköse Netz (s. S. 182) s a m m e l t größtenteils d e n C h y l u s und f ü h r t ihn durch z i r k u l ä r verlaufende G e f ä ß e weiter (s. zirkuläre tuberkulöse Darmgeschwüre). Die intermuskulären u n d subserösen Netze h ä n g e n mit d e m s u b m u k ö s e n zusammen und führen die L y m p h e der D a r m w a n d ab. 100—200 L y m p h k n o t e n nehmen die L y m p h e des D ü n n d a r m e s auf. Diese Lymphonodi mesosteniales liegen in 3 G r u p p e n : 1. a m D a r m r a n d (Abb. 144), 2. in der Mitte u n d 3. in der R a d i x des Mesostenium. Die L y m p h g e f ä ß e des W u r m f o r t s a t z e s ziehen zu 2 — 3 L y m p h k n o t e n im Mesenteriolum u n d von dort weiter m i t denen v o m Caecum z u den Lymphonodi iliocaecales i m W i n k e l zwischen Colon ascendens und Iliumende. 2 0 — 3 0 Lymphonodi mesocolici liegen i m Mesocolon transversum, im Mesosigmoideum u n d entsprechenden Teilen der hinteren B a u c h w a n d rechts und links u n d führen die L y m p h e v o m D i c k d a r m ab. Die L y m p h o n o d i m e s o s t e n i a l e s e t m e s o c o l i c i m ü n d e n schließlich in L y m p h k n o t e n v o r der A o r t a und V . c a v a c a u d a l i s . Sie bilden 2 G r u p p e n : 1. a m U r s p r u n g der A . coeliaca und A . mesenterica cran. (Lymphonodi coeliaci), 2. a m A b g a n g der A . mesenterica caud. Alle L y m p h e v o m D a r m wird schließlich i m Truncus intestinalis v e r e i n i g t ; dieser bildet v o r dem 2. Lenden- bis 12. B r u s t w i r b e l mit den beiden Trunci lumbales (s. S. 70) die Cisterna chyli.

C. Der Situs retroperitonaealis Zwischen dem P e r i t o n a e u m p a r i e t a l e u n d der d o r s a l e n B a u c h w a n d liegt der Retroperitonaealraum. E r reicht nach kranial bis zur Leber, k a u d a l bis z u m B e c k e n und hört lateral v o n den Nieren auf. N a c h k a u d a l h ä n g t er mit d e m S u b p e r i t o n a e a l r a u m des B e c k e n s zusammen. V o n Bindegewebe u n d F e t t durchzogen enthält er die N i e r e n , U r e t e r e n (Harnleiter), N e b e n n i e r e n , die g r o ß e n G e f ä ß e (Aorta abdominalis und V. cava caudalis) mit ihren paarigen Ä s t e n u n d den W u r z e l n der drei großen, u n p a a r e n Äste, den B a u c h t e i l des s y m p a t h i s c h e n G r e n z s t r a n g e s , G a n g l i e n , N e r v e n , . L y m p h g e f ä ß e , L y m p h k n o t e n und die C i s t e r n a c h y l i . W a l d e y e r , Anatomie I. 2. A u f l .

73

194

Der Bauch. Der Situs retroperitonaealis

I. Die Organe des Retroperitonaealraumes 1. Die Nieren, Renes a) Form, Lage und Bestandteile Form und Farbe. Die bohnenförmigen, braunroten Nieren (Abb. 153) lassen eine stärker gewölbte, lateralwärts gerichtete Facies ventralis, eine flachere, medialwärts gerichtete Facies dorsalis, einen oberen Extremitas cranialis Pol, Extremitas cranialis, einen unteren Pol, Extremitas caudalis, einen k o n v e x e n Margo lateralis u n d einen k o n k a v e n Margo medialis unterscheiden. A n letzte— Margo medialis Mar go - rem ziehen in der N i e r e n p f o r t e , Hilus lateralis renalis, die Gefäße, N e r v e n und der Hilus renalis Harnleiter herein b z w . heraus. D e r Hilus renalis f ü h r t in eine größere B u c h t , A. renalis den Sinus renalis, der vorn und hinten v o n einer stärkeren L i p p e von NierenV. renalis s u b s t a n z eingefaßt wird. In ihm (Abb. 1 1 2 , 156) liegen in F e t t eingebettet die Nierenkelche u n d die Nierengefäße. — Facies ventralis

Ureter

Größe. Die Nieren sind im Mittel 1 1 , 5 cm lang, 5,5 cm breit, 3,7 cm dick und 160 g schwer.

Varietäten. F o r m , G r ö ß e u n d L a g e sind großen Schwankungen unterworfen. Es können die Lappen ( R e n e u l i ) der Entwicklungszeit (Abb. 154) auch bei der Niere des Erwachsenen erhalten bleiben. Gewinnt der h a r n b e r e i t e n d e Abschnitt des NierenExtremitas caudalis kanälchens keinen Anschluß an den h a r n ableitenden, so bekommen wir die Abb. 153. Rechte Niere von ventral. Z y s t e n n i e r e (größere oder kleinere Bläschen auf der Nierenoberfläche). Verwachsungen der unteren Pole beider Nieren führen zur H u f e i s e n n i e r e . Gewöhnlich ist die l i n k e Niere länger, dicker und schwerer. Ist die eine Niere kleiner, so ist die andere meistens vergrößert, hypertrophiert. Während der Entwick— Corpus lung wandert die Niere aus dem Becken in die definitive Lage. Wird suprarenale ( j i e s e r Entwicklungsgang gehemmt, so kann die Niere auf jedem Punkt des von ihr zu durchlaufenden Weges liegenbleiben, B e c k e n - oder K r e u z b e i n n i e r e . Solche Nieren sind meist pfannkuchenartig abgeplattet, besitzen einen v e n t r a l gelegenen Hilus, beziehen das Blut aus den Gefäßen der Nachbarschaft (A. ilica), funktionieren normal, können bei der Untersuchung als eine Geschwulst angesehen werden Lobi renales [Reneuli] und bei der Geburt ein Hindernis darstellen. Das F e h l e n einer Niere und ü b e r z ä h l i g e Nieren sind sehr selten. Ureter

Lage. Die Nieren liegen dem 12. B r u s t - und dem 1. bis 3. Lendenwirbelkörper gegenüber. Die 12. Rippe v e r l ä u f t an der Grenze v o m kranialen z u m mittleren Drittel über die Nieren (Abb. 155). Die r e c h t e Niere steht gewöhnlich e t w a s Abb. 154. Rechte Niere und Netiefer als die linke (größerer, rechter Leberlappen). D e r Hilus benniere eines Neugeborenen. liegt an der Seite des 1. Lendenwirbelkörpers. Die Extremitates craniales nähern sich auf 4 — 5 , d i e E x t r . caudales auf 6 — 9 cm der Mittellinie. Die letzteren sind beim Manne rechts 3,2, links 4, bei der F r a u 2,7 b z w . 3 cm v o m D a r m b e i n k a m m e n t f e r n t ; sie erreichen beim Mann in 1 1 % , bei der F r a u in 40 % , beim Neugeborenen in 100 %

Die Nieren

195

den Darmbeinkamm. Die Facies dorsalis liegt auf dem M. psoas major, M. quadratus lumborum, M. transversus abdominis, der Pars lumbalis des Zwerchfells und d e m T r i g o n u m lumboc o s t a l , dem dreiseitigen Spalt zwischen Pars lumbalis und Pars costalis. {Durchbruch von Entzündungen in der Umgebung der Nieren [paranephritischer Abszesse] in die Pleurahöhle.) D a die kaudale Pleuragrenze die 12. R i p p e kreuzt (Abb. 155), ist der kraniale Nierenpol nur durch das Zwerchfell vom Sinus phrenicocostalis der Pleurahöhle getrennt. Die L u n g e k o m m t aber auch bei stärkster Inspiration n i c h t hinter die Niere zu liegen. N. subcostalis, N. iliohypogastricus und N. ilioinguinalis kreuzen die R ü c k f l ä c h e der Nieren (Ausstrahlen von Schmerzen aus der Nieren- in die Unterbauchgegend). Vorderfläche der rechten Niere. A n den konkaven Margo medialis und den Hilus legt sich (Abb. 118) die Pars descendens duodeni, auf die Extremitas cranialis die Nebenniere. Über das untere Drittel zieht das Colon und Mesocolon transversum. D e r übrige, g r ö ß e r e Teil der Vorderfläche (oberhalb der in A b b . 118 punktierten Linie) wird d i r e k t von Peritonaeum überzogen. Hier lagert sich der rechte Leberlappen an und erhält seine Impressio renalis (Abb. 135). Durch Hochheben der Leber kann - Untere Lmugnupiänizeman sich hier die rechte Niere am besten zugänglich machen. Schnittrand dier Vorderfläche der linken Niere. Ii Pleura costalL· Auf der Extremitas cranialis und dem — Untiere PHewnfgjnmzsr Margo medialis ruht die halbmond1 Zwerchfell förmige, linke Nebenniere, auf der subcostalis Mitte die A . und V. lienalis, die aSohypo^mfriemst Cauda pancreatis und darunter die ilioinguinalis R a d i x d e s Mesocolon transversum. "Unterer Nierenpol Auf das kaudale, direkt v o m Bauchfell überzogene Drittel legt sich das Colon, auf die oberen zwei Drittel des Margo lateralis die Milz. In dem von Milz, Nebennieren und Milzgefäßen gebildeten Dreieck zieht ebenfalls das Bauchfell über die Niere A b b . 155. Lage der Nieren. Von dorsal her gesehen. Be(Abb. 118). Hier lagert sich die R ü c k ziehungen zu den Rippen, dem Zwerchfell, der Pleura, den Lungen und den Nn. subcostalis, iliohypogastricus, iliofläche des Magens an. Über Perkusinguinalis. Der Sinus phrenicocostalis ist teilweise eröffnet. sionsmöglichkeiten s. S. 176. Der Hilus (Abb. 153, 156, 159, 160). Gewöhnlich liegt ventral und kaudal die Nierenvene, in der Mitte und kranial die Nierenarterie, dorsal und kaudal das Nierenbecken. Die Gefäße werden von feinen Nerven aus dem Plexus coeliacus (Abb. 160) begleitet (Zerrungsschmerz bei Nierensenkungen). Die Nierensubstanz. Halbiert man die Niere durch einen Frontalschnitt oder legt man wie in A b b . 156 von hinten her das Nierenbecken frei, so kann m a n schon mit bloßem Auge nach F a r b e und S t r u k t u r e i n e R i n d e n - und Marksubstanz unterscheiden. Die Marksubstanz, S u b s t a n t i a m e d u l l a r i s , besteht aus 7—2oPyramiden, deren B a s e n gegen die Rinde und deren S p i t z e n gegen den Hilus gerichtet sind und mit kleinen, warzenförmigen Erhebungen, Papillae renales, in die Nierenkelche, Calices renales, hereinragen. In der Marksubstanz verlaufen die geraden Teile der Nierensubstanz (Abb. 158), die geraden Teile des Hauptstückes, die Schleifen und die Ausführungsgänge. Sie hat deshalb ein gestreiftes Aussehen. Z u jeder Pyramide gehört ursprünglich ein selbständiger Mantel von Rindensubstanz (Lobus renalis). A n der Neugeborenenniere sind diese Lobi renales noch durch tiefe Furchen getrennt (Abb. 154). Später verschwinden diese Lappen (auch Reneuli genannt) vollständig. Manche Säugetiere behalten sie zeitlebens. 13 *

196

Der Bauch. Der Situs retroperitonaealis

Vereinzelt kommen sie auch als Hemmungsbildungen noch an der Niere des erwachsenen Menschen vor (s. S. 194). Die Rindensubstanz, S u b s t a n t i a c o r t i c a l i s , liegt als 5 — 7 m m dicke Schicht unter der Nierenkapsel und sendet noch Fortsätze (Abb. 156), Columnae renales, zwischen benachbarte Pyramiden. Sie besteht aus den gewundenen Abschnitten der Harnkanälchen, hat ein gekörntes Aussehen und wird durch radiäre Streifen unterteilt. Diese radiären Streifen strahlen als Fortsätze der Marksubstanz in die Rinde aus und heißen Markstrahlen, Striae medulläres corticis. Sie bestehen ebenfalls aus gerade verlaufenden Kanälchenabschnitten. Papillae renales. Die warzenartigen, freien EnMargo lateralis Tunica fibrosa den der Pyramiden zeigen auf der siebförmigen Ober4argo medial is fläche, Area cribriformis, Papilla renalis mit die feinen Mündungen der Area cribriformis — Pyramis renalis Ausführungsgänge, Ductus papilläres. Ein oder zwei - Columna renalis Papillen werden von einem mit A tnterlobans rents Nierenkelch umfaßt. Die Nierenkelche, Ca. Columna renalis lices renales, sind mit der • Calices renales Basis der Papillen verwach(eröffv-et) • Substantia sen und nehmen den aus medulläres der Area cribriformis der - Substantia Papilla renalis träufelnden corticalis Harn auf und leiten ihn zum Nierenbecken. Das Nierenbecken, Pelvis renalis, ist ein ventroA b b . 156. Rechte Niere von dorsal. Ein Teil der Nierensubstanz ist entfernt, um die Pyramiden, Papillen, Nierenkelche und das Nieren- dorsal abgeplatteter Sack becken in ihrer Lage zueinander und zu den Gefäßen zu zeigen. von sehr wechselndem Aussehen. Die Nierenkelche können d i r e k t oder mittels eines wechselnd langen Z w i s c h e n s t ü c k e s einmünden. In letzterem Falle, zu dem auch A b b . 156 gehört, haben wir ein schmales, röhrenförmiges Nierenbecken. Solche Formen leiten zu einem teilweise oder ganz gespaltenen, verdoppelten Harnleiter, Ureter, über.

b) Hüllen und Befestigungsmittel der Nieren 1. Die Tunica muscularis ist eine unbedeutende Bindegewebsschicht mit glatten Muskelzellen, die fest mit der Nierenoberfläche und locker mit der folgenden Schicht verbunden ist. 2. Die Tunica fibrosa ist eine derbe, glatte, bindegewebige H a u t , die sich bei der g e s u n d e n Niere leicht abziehen läßt. Sie enthält wenige elastische Fasern, ist nicht sehr dehnungsfähig. Ist bei gewissen Nierenerkrankungen die Niere geschwollen und die Zirkulation in ihr erschwert oder ganz aufgehoben, so kann man durch Dekapsulation (Entfernung dieser Kapsel) Erleichterung schaffen.

3. Die Capsula adiposa ist lockeres Fettgewebe, vorwiegend an der Dorsal-, weniger an der Ventralfläche, das in das F e t t des Sinus renalis übergeht und als B a u f e t t nur bei starker Abmagerung schwindet (Abb. 112). 4. Die Fascia renalis ist eine bindegewebige Hülle mit einem prä- und einem retrorenalen Blatt. L a t e r a l u n d k r a n i a l von der Niere sind die beiden Blätter verschmolzen. Nach k a u d a l u n d m e d i a l vereinigen sie sich nicht.

Die Nieren

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Entzündungen in der Umgebung der Niere (perinephritische Abszesse) können sich deshalb nach medial zur anderen Niere ausbreiten, nach kaudal sich in das kleine Becken senken. Es verschmilzt nämlich das retrorenale Blatt mit der Fascia psoica (auf dem M. psoas), das pärenale mit dem Peritonaeum. Wie S. 139 erwähnt, liegen Senkungsabszesse von der Wirbelsäule u n t e r der Fascia psoica und werden deshalb zum Oberschenkel geleitet.

5. Das Peritonaeum zieht (s. S. 195) an einigen Stellen d i r e k t über die Vorderfläche der Niere hinweg. Die Befestigung der Nieren erfolgt durch die drei zuletzt genannten H ü l l e n , durch den G e f ä ß s t i e l der Niere und durch den i n t r a a b d o m i n a l e n D r u c k . Schwindet plötzlich das Kapselfett und läßt damit der Tonus des Fettgewebes nach, so kann sich die Niere in dem zu weiten Sack der Fascia renalis zu ausgiebig bewegen. Erschlaffen bei schwachen Muskeln oder nach häufigen Geburten die Bauchwandmuskeln, läßt damit der intraabdominale Druck nach, so können die Nieren absinken (Wandernieren). Die Wandernieren kommen häufiger bei der F r a u als beim Mann, häufiger rechts als links vor. Das letztere soll durch den größeren, rechten Leberlappen und die Befestigung der Flexura coli hepatica auf der Vorderfläche der rechten Niere (S. 195) bedingt sein. Rechts muß der Darminhalt im Colon e n t g e g e n d e r S c h w e r e nach kranial geschafft werden. Der damit verbundene stärkere Zug soll die Niere abwärts ziehen.

Normale Verschiebungen der Nieren werden röntgenologisch bei Ein- und Ausatmung und bei der Stellungsänderung des Körpers beobachtet. Operative Zugänglichkeit (Abb. 112). D a die Nieren extraperitonaeal liegen, kann man sie, das Nierenbecken und das kraniale Ende des Harnleiters von dorsal her ohne Verletzung des Bauchfelles angehen. Nach Durchtrennung der H a u t , des Unterhautfettgewebes und des M. latissimus dorsi, geht man auf den lateralen R a n d des Erector trunci und weiter auf den M. quadratus lumborum ein. Die Niere überragt noch den lateralen R a n d des letztgenannten Muskels. Zieht man den Muskel medianwärts, so kommt man auf die mediale Fläche der Niere und kann meistens das Nierenbecken erreichen, ohne größere Gefäße, die weiter ventral liegen, zu verletzen. Gefäße und Nerven. Die A. renalis geht beiderseits in der Höhe der A. mesenterica cranialis rechtwinklig von der A o r t a ab, teilt sich vor dem Hilus in zwei oder mehrere Äste für die Nierensubstanz. E i n kleiner, selbständiger A s t zieht zur Capsula adiposa. Kleinere Äste der A. renalis ziehen weiter zur Nebenniere (Rr. suprarenales) und zum oberen Ende des Ureters. Nicht selten kommen überzählige Nierenarterien zum oberen Pol, zum Hilus oder auch zum unteren Pol vor. E s sind erhalten gebliebene Urnierenarterien, von denen gewöhnlich nur e i n e zur A. renalis wird. Die V. renalis liegt meistens v e n t r a l von der Arterie und mündet rechtwinklig in die V. cava caudalis. Die rechte ist kurz, die linke länger, verläuft v o r der A o r t a und nimmt die V. spermatica sinistra und die V. suprarenalis sinistra auf (Abb. 159). Die Nerven zur Niere kommen aus dem Plexus coeliacus und aorticus und aus dem N. splanchnicus minor und verlaufen mit der Arterie (Abb. 160). Der Erfolg der Dekapsulation der Niere soll auf der Zerstörung dieser sympathischen Nerven beruhen.

c) Übersicht über den mikroskopischen Aufbau Die funktionierenden Einheiten der Niere sind die Nephronen. 2 % Millionen von ihnen sind in den menschlichen Nieren vorhanden. Jedes Nephron beginnt mit einem Nierenkörperchen, C o r p u s c u l u m r e n i s [ M a l p i g h i ] (Abb. 157). E s besteht aus einem Bläschen mit einer einschichtigen Lage platter Zellen, in das sich am G e f ä ß p o l ein Bündel von Kapillarschlingen, das Glomerulum, einstülpt. Z u dem Glomerulum zieht ein kleines

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Der Bauch, Der Situs retroperitonaealis

Gefäß, die Arteriola [Vas] a f f e r e n s ; heraus führt die etwas kleinere Arteriola [Vas] e f f e r e n s . Gegenüber dem Gefäßpol liegt der H a r n p o l . Hier beginnt das Hauptstück, die P a r s p r i n c i p a l i s , mit einem gewundenen Teil, Pars contorta (auch Tubulus contortus I), der in einen g e r a d e n , gleichgebauten und gleich funktionierenden Sammelrohr Teil, Pars recta, übergeht. Von ihm steigt ein sehr dünnes Überleitungsstück (meist als dünner Teil der t dünner Henlesehen Schleife bezeichnet) ab und geht vor oder w J Abschnitt ' hinter dem Schleifenscheitel in das M i t t e l s t ü c k ,3 I dicker . £ 'Abschnitt über. Das Mittelstück besteht aus einem geraden AbZwischen- , schnitt, der Pars recta d e s M i t t e l s t ü c k e s [früher stück dicker Teil der Henle sehen Schleife] und einem geVerbindungsstück (initiales Sammelwundenen Abschnitt, Pars contorta des M i t t e l rohr) s t ü c k e s [früher Zwischenstück und Schaltstück]. Nieren· · körperchen Die.Windungen der P a r s c o n t o r t a liegen ζ. T. in Pars der Nähe des Corpusculum rents. Die P a r s c o n t o r t a contorta des Mittelstückes zeigt im Verlauf feine, histologische Pars recta '— Unterschiede. Die histologisch verschiedenen Strecken Pars recta ( heller Teil sind in Abb. 157 durch verschiedene Tönung (hellgrau, des ) Mittelj quergestrichelt, kreuzgestrichelt) wiedergegeben. stiickes ' trüber Teil Mittels eines Verbindungsstückes (schwarz) geht das (dicker, au/steigender Mittelstück in das Sammelrohr über. Die SammelTeil der Schleife) rohre vereinigen sich zu immer größeren und münden schließlich als Ductus papilläres auf den Papillen. Überleitungsstück (dünner, absteigender Teil der Schleife)

Feinere Verzweigung der Gefäße. Die A. renalis teilt sich früher oder später in 2 Hauptäste, der eine für die ventrale, der andere für die dorsale Nierenhälfte. Im Sinus renalis teilen sie sich nach Abgabe von Ästen für die Nierenkapsel und das Nierenbecken in die Aa. interlobares, die zwischen den Nierenlappen und eine Strecke an der Markrindengrenze verlaufen. Hier geben sie zahlreiche radiär durch die Rinde zur Oberfläche verlaufende Äste, Aa. corticales radiatae, ab.

Vertex der Schleife

A b b . 157. Schema vom Aufbau des Nephron (nach K. Peter und W. v. Möllendorff). R o t = Glomerulum mit Arteriola afferens et efferens. R = Rinde; A s = Außenstreifen \ der AußenIs = Innenstreifen / zone; Iz = Innenzone.

Die letzteren nannte man bisher A a . i n t e r l o b u l a r e s , weil sie zwischen den M a r k s t r a h l l ä p p c h e n verliefen, v. Möllendorff nennt sie neuerdings Aa. lobulares, weil sie nach ihm die Achse des G e f ä ß l ä p p c h e n s bilden. Nach v. M. gehören alle Kanälchen, deren Glomerula von e i n e r Arterie, A. lobularis, versorgt werden, zu einem Lobulus. Wenn diese vergleichend-anatomisch gestützte Auffassung auch richtig ist, so erscheint mir der indifferente Ausdruck Aa. corticales radiatae bezeichnender.

Eine A. c o r t i c a l i s r a d i a t a gibt nach allen Seiten Arteriolae afferentes zu den Glomerula, wenige Äste zur Kapsel und zum Kapillarnetz ab. Die aus den Glomerula hervorgehenden, kleineren Arteriolae efferentes verzweigen sich zu einem die Kanälchen versorgenden, arteriellen Kapillarnetz, das im Bereich des M a r k s t r a h l s längliche und im Bereich der R i n d e rundliche Maschen hat und schließlich in die Vv. corticales radiatae abfließt. D a s M a r k wird in der Hauptsache aus den Arteriolae rectae spuriae (aus den Arteriolae efferentes der am nächsten an der Markrindengrenze liegenden Glomerula) und in geringerem Maße

199

Die Nieren

aus den Arteriolae rectae verae (aus den an der Markrindengrenze v e r l a u f e n d e n E n d ästen der A a . i n t e r l o b a r e s ) versorgt. Die Arteriolae rectae teilen sich in mehrere kleinere Arteriolen, die z u s a m m e n m i t den Venulae rectae in der A u ß e n z o n e der M a r k substanz charakteristische Gefäßbüschel bilden ( A b b . 158). Die Venen sammeln sich an der äußersten R i n d e z u den sternförmigen V v . stellatae, welche mit den V v . corticales radiatae zusammenhängen. Die letzteren wie a u c h die Markstrahlläppchen

Capsula

fibrosa

Gefäßläppchen

Vv. stellatae

Kapillaren in der Rinde Rinde

Glomervla Arteriola äffer ens' Arteriola

elferens

Glottierulutn

Kapillaren

Mark•itrahl

Α.. V corticalis

im

Markstrahl radiala

Arteriolae rectae

splitiae

Arteriolae rectae verae A interlobaris et V. arciformis Kapillaren d. Marksubstanz V. interlobaris

Grenze von Außen- u. Innenzone des Markes

Papilla

mit Area cribritormis

Calix

Abb. 158. Schema vom Aufbau der Niere. Links sind die Nierenkanälchen, Rinde, Mark und Markstrahlen dargestellt. In der Mitte ist ein Nephron (schwarz) mit Sammelrohr eingezeichnet. Rechts Schema der Gefäßversorgung. An der Grenze von Rinde und Mark verläuft eine V. arciformis. Venulae rectae des Markes m ü n d e n in die V v . arciformes, die bogenförmigen V e r bindungen zwischen b e n a c h b a r t e n V v . i n t e r l o b a r e s . Die V v . interlobares vereinigen sich schließlich zur V. renalis. Die Durchblutung der Glomerula wird wahrscheinlich n e r v ö s u n d h u m o r a l gesteuert. Die A r t e r i o l a afferens zeigt nahe dem G e f ä ß p o l ,,Polkissen", epitheloide Quellzellen, die zeitweise das Gefäßlumen verschließen u n d wieder freigeben können. In der Nähe des G e f ä ß p o l e s u n d des P o l k i s s e n s b e o b a c h t e t e Becher eine c h a r a k teristische Trias: 1. helle, feingranulierte, rundliche oder p o l y g o n a l e Zellen oder Zellgruppen, d i e p a r a v a s k u l ä r e n u n d p a r a p o r t a l e n Z e l l i n s e l n , 2. d i e M a c u l a d e n s a d e s M i t t e l s t ü c k e s und 3. z a h l r e i c h e u n d w e i t e L y m p h g e f ä ß e . Die Becherschen Zellinseln entstehen w ä h r e n d des e x t r a u t e r i n e n L e b e n s

200

Der Bauch. Der Situs retroperitonaealis

d u r c h K n o s p u n g a u s d e m M i t t e l s t ü c k . W i r k ö n n e n w o h l m i t Becher annehmen, d a ß diese p a r a p o r t a l e n Zellinseln u n d ihr M u t t e r b o d e n , d a s Mittelstück, inkretorische, g e f ä ß w i r k s a m e S t o f f e absondern, die auf d a s n a h e Polkissen wirken. Die weiten, b e n a c h b a r t e n L y m p h g e f ä ß e w ü r d e n die f ü r die A u f q u e l l u n g b e n ö t i g t e F l ü s s i g k e i t s m e n g e l i e f e r n . P o l k i s s e n u n d d i e Bechersche T r i a s w i r k e n a u f d i e A r t e r i o l a a f f e r e n s g l e i c h s a m wie eine M i k r o m e t e r s c h r a u b e , passen die D u r c h b l u t u n g des G l o m e r u l u m d e n F o r d e r u n g e n d e s A u g e n b l i c k s a n . D i e v o n Spanner in der Nierenrinde in großer Menge n a c h g e w i e s e n e n Gefäßkurzschlüsse liefern die n o t w e n d i g e U m g e h u n g s b a h n , w e n n d u r c h d e n e b e n b e s c h r i e b e n e n M e c h a n i s m u s eine g r ö ß e r e Z a h l v o n G l o m e r u l a zeitweise a u s g e s c h a l t e t ist. Funktion. Die Nieren scheiden aus dem Eiweißabbau entstandene, stickstoffhaltige Substanzen, den R e s t s t i c k s t o f f , aus, regeln den W a s s e r h a u s h a l t und den S a l z g e h a l t des Blutes, halten die n o r m a l e B l u t r e a k t i o n aufrecht, indem sie Säuren bzw. Alkali ausscheiden bzw. zurückhalten. Sie führen eine c h e m i s c h e S i c h t u n g durch (Rein). Für diesen Zweck findet eine b e s o n d e r s r e i c h l i c h e D u r c h b l u t u n g statt. Pro Minute strömen etwa 0,75—1,2 Liter Blut, das 3,5fache des Eigengewichtes, durch die Nieren. Dieses durch die Nieren strömende Blut verliert wenig Sauerstoff, ist viel heller als das übrige Kavablut. Der kurze Anschluß an die großen Bauchgefäße ermöglicht es, daß die Blutmenge der Nieren viel häufiger als die anderer Organe in der Zeiteinheit erneuert wird. Die starke Durchblutung muß somit andere Aufgaben als die reine Sauerstoffversorgung haben. Die ungleiche Größe von Arteriola afferens und Arteriola efferens läßt annehmen, daß ein großer Teil der Blutmenge im Glomerulum bleiben muß. Physiologische Berechnungen haben ergeben, daß täglich etwa 1500 Liter Flüssigkeit durch die Glomerula abgeschieden werden. Diese Menge ist nötig, um die harnfähigen Stoffe durch die Kapillarwände zu bringen. Sie wird zum definitiven Harn auf durchschnittlich 1500 ccm eingedickt. Seit nahezu 100 Jahren hat man um die Frage F i l t r a t i o n oder S e k r e t i o n in der Niere gestritten. Farbstoffversuche haben ergeben, daß im Hauptstück eine R e s o r p t i o n und k e i n e Sekretion stattfindet (υ. Möllendorff u. a.). Wasser, Zucker, NaCl werden sicher, K , Mg, Ca wahrscheinlich in den einzelnen Nephronabschnitten rückresorbiert. Größere Massenzufuhren ( T r i n k v e r s u c h ) erhöhen die Harnmenge, 1500 ccm werden von einer gesunden Niere in 4 Stunden ausgeschieden. Beim D u r s t v e r s u c h geht die Tagesharnmenge auf 3 bis 500 ccm zurück. Salzzufuhren erhöhen die Harnausscheidung, da sie nur in Wasser gelöst ausgeschieden werden können. H a r n s t o f f b i l d u n g , von der Eiweißzufuhr abhängig, erfolgt in der Leber, die A u s s c h e i d u n g durch die Niere. Bei Alkalieinsparung wird i n d e r N i e r e Ammoniak gebildet und ausgeschieden. Die F a r b e d e s H a r n e s (hellgelb bis dunkel rotbraun) ist durch das Urochrom und Urobilinogen bedingt. Das H y p o p h y s e n h i n t e r l a p p e n h o r m o n hemmt die Ausscheidung von Wasser. Nerven sind für die Nierensekretion n i c h t unbedingt nötig. Die entnervte Niere sondert vermehrten, verdünnten und alkalischen (Ammoniakausscheidung) Harn ab. Man nimmt hierfür eine S y m p a t h i k u s W i r k u n g an, die wahrscheinlich auch die Gefäße verengert. Die Vagusfunktion ist unklar. Behinderung oder Ausschaltung der Nierenarbeit führt zur Selbstvergiftung (Urämie) mit harnfähigen Stoffen. Erschwerung der Blutzirkulation bei Nierenkrankheiten führt zu einer starken Belastung des H e r z e n s , weil (s. oben) ein großer Teil des Schlagvolumens durch die Nieren geführt wird.

2. Die Harnleiter, Ureteres, sind dorsoventral abgeplattete, 3 0 — 3 5 c m lange, retroperitonaeal gelegene Röhren. D i e P a r s a b d o m i n a l i s r e i c h t v o m N i e r e n b e c k e n b i s z u r Linea terminalis des B e c k e n s , liegt auf d e m M. psoas, an den Spitzen der seitlichen F o r t s ä t z e der Lendenwirbel. Sie w i r d ( A b b . 1 5 9 ) u n g e f ä h r in d e r M i t t e v o n d e n Vasa spermatica ü b e r k r e u z t u n d ü b e r k r e u z t s e l b s t d i e Vasa ilica. Ü b e r d e n r e c h t e n U r e t e r z i e h t n o c h ( A b b . 1 1 8 ) d i e R a d i x mesostenii, über den linken das Mesosigmoideum hinweg. D i e P a r s p e l v i n a b e g i n n t a n d e r Linea terminalis, liegt an der seitlichen B e c k e n w a n d , d u r c h b o h r t s c h r ä g v o n d o r s a l h e r die B l a s e n w a n d , b i l d e t d a d u r c h i m I n n e r n d e r B l a s e die P l i c a u r e t e r i c a (seitliche B e g r e n z u n g d e s Trigonum vesicae) u n d m ü n d e t m i t d e m s c h l i t z f ö r m i g e n O r i f i c i u m ureteris ( A b b . 1 8 5 ) . S i e w i r d b e i m M a n n e v o m Ductus deferens, b e i d e r F r a u v o n d e r A. uterina ü b e r k r e u z t . B e i d e r F r a u l ä u f t d a s k a u d a l e U r e t e r e n d e z u s e i t e n d e r Cervix uteri u n d k u r z o b e r h a l b d e s s e i t l i c h e n S c h e i d e n g e w ö l b e s . (Hier können Uretersteine getastet werden. Hier kann es auch zu Harnleiter-Scheidenfisteln

kommen.)

Harnleiter, Nebennieren

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Gefäße und Nerven. Sie kommen aus der Nachbarschaft, die Arterien aus der A. renalis, spermatica und vesicalis caud., die Nerven aus dem Plexus renalis, spermaticus und ilicus internus. Mikroskopische Anatomie: Calices, Pelvis renalis und Ureter haben im wesentlichen gleichen Bau. Die M u c o s a hat Übergangsepithel. Im U r e t e r zeigt sie Längsfalten (sternförmiges Lumen). Die Muskularis hat 3 Schichten, Str. internum (längs), Str. medium (zirkulär), Str. externum (längs). Funktion. In den ableitenden Harnwegen ( C a l i c e s , P e l v i s und U r e t e r ) findet keine weitere Veränderung des Harnes mehr statt. R h y t h m i s c h e , p e r i s t a l t i s c h e B e w e g u n g e n der Harnleitermuskulatur (3—6 in der Minute), die mit einer Geschwindigkeit von 2 — 3 cm pro Sekunde über den Harnleiter verlaufen, befördern den Harn schubweise aus dem Nierenbecken in die Blase. Auch bei l e e r e m Nierenbecken erfolgen diese rhythmischen Bewegungen. Vermehrte Harnbildung soll die Zahl der Bewegungen erhöhen ebenso wie der N. pelvicus {Fasern des sakralen Parasympathicus). Der N. splanchnicus soll teils fördernde, teils hemmende Fasern führen. Der B l a s e n h a r n steht immer unter einem gewissen Druck. Bei einer passiven Schlauchverbindung zwischen Blase und Niere würde dieser Druck, der sich beim Harnlassen noch erhöht, auf die Niere im Sinne einer Stauung wirken und damit die Harnbereitung hemmen können (Pein). E n t w i c k l u n g . Die Ureterknospe wächst dorsal aus dem kaudalen Ende des Urnieren- [ W o l f f sehen] Ganges und liefert das ganze h a r n a b l e i t e n d e System (von den Sammelrohren bis zur Mündung des Ureters in die Blase).

3. Die Nebennieren, Corpora suprarenalia, (Abb. 160) liegen getrennt durch die Capsula adiposa auf den Extremitates craniales der Nieren, haben eine Facies ventralis, dorsalis und renalis, einen Margo medialis und cranialis und einen Hilus corporis suprarenalis. Die Facies ventralis ist ventrolateral, die Facies dorsalis dorsomedial gerichtet. Die r e c h t e Nebenniere ist dreieckig, kapuzenförmig und ruht mit der Facies dorsalis auf der Pars lumbalis des Zwerchfells. Ihr medialer R a n d stößt an die V . c a v a caudalis (Abb. 159). A u f die v o m Bauchfell überzogene Facies ventralis legt sich die Leber. Die l i n k e , halbmondförmige Nebenniere ruht mit der konkaven Facies renalis auf dem medialen Rande (oberhalb des Hilus) und oberen Pol der Niere, mit der Facies dorsalis auf der Pars lumbalis des Zwerchfells. Ihre Facies ventralis ist k r a n i a l von Bauchfell überzogen, begrenzt hier direkt die Bursa omentalis und wird v o n den Milzgefäßen und dem Pankreas überkreuzt. Gefäßversorgung. Jede Nebenniere bekommt 3 Arterienäste: 1. Ramus suprarenalis aus der A. phrenica abdominalis, 2. A. suprarenalis, direkter A s t aus der Aorta abdominalis, 3. Ramus suprarenalis aus der A. renalis. Die Arterien bilden ein kapilläres Netzwerk zwischen den Zellbalken. Alle Venen, in der Marksubstanz sind sie besonders groß und zahlreich, sammeln sich zu e i n e r V. suprarenalis. Sie tritt im Hilus auf der Ventralfläche aus und mündet l i n k s in die V . renalis, rechts direkt in die V . cava caudalis (Abb. 159). Nerven. Zahlreiche feine Äste kommen direkt aus dem eng anliegenden Plexus coeliacus (Abb. 160). Feinbau. Man unterscheidet eine R i n d e n - (Substantia corticalis) und M a r k s u b s t a n z (Substantia medulläres). Die Rinde läßt 3 Schichten: 1. Zona glomerulosa (rundliche), 2. Zona fasciculata (längliche), 3. Zona reticularis (netzförmige Zellhaufen) unterscheiden. Die Rindenzellen enthalten Lipoidgranula und in der Z. reticularis Pigmentkörnchen (makroskopisch sichtbare Grenzschicht gegen das Mark). D a s Mark besteht aus polyedrischen Zellen, die sich mit Chromsalzen braun färben (chromaffineZellen) und sympathischen G a n g l i e n z e l l e n . In ihm findet man zahlreiche große M a r k v e n e n . Entwicklung. Die R i n d e entsteht mesodermal im 2. Embryonalmonat in der Lendengegend als Wucherung des Z ö l o m e p i t h e l s , das M a r k " e k t o d e r m a l aus der S y m p a t h i k u s a n l a g e bzw. der G a n g l i e n l e i s t e .

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Der Bauch. Der Situs retroperitonaealis

Funktion. Eine restlose Entfernung der Nebennierenrinde führt, wenn keine versprengten Keime vorhanden sind, sehr bald zum Tode. Gaben des im Mark produzierten A d r e n a l i n s können den Verfall nicht aufhalten. Rinde und Mark scheinen gegenseitig aufeinander wirken zu müssen. Das Adrenalin regelt in physiologischen Dosen die B l u t v e r t e i l u n g , indem die Gefäße der t ä t i g e n Organe e r w e i t e r t , die der r u h e n d e n v e r e n g t , indem das H e r z zu verstärkter Leistung a n g e t r i e b e n und die Ausschüttung der B l u t s p e i c h e r geregelt werden. So werden ζ. B. die Koronararterien des Herzens (immer t ä t i g e s Organ) niemals durch Adrenalin verengert. Bei sehr h o h e n Dosen wird durch Verengerung größerer Gefäßgebiete der Strömungswiderstand erhöht und eine B l u t d r u c k s t e i g e r u n g hervorgerufen. Durch Adrenalingaben läßt sich für kurze Zeit der K o h l e h y d r a t u m s a t z steigern. Die Temperatur steigt leicht an, ebenso der B l u t z u c k e r g e h a l t . Die Hyperglykämie kann zur zeitweisen Glykosurie (Ausscheidung im Harn) führen. Das Adrenalin wirkt dabei wohl glykogenlösend auf die Glykogenvorräte in der Leber. Vielleicht werden sogar Kohlehydrate aus F e t t gebildet. Bei der Adrenalinbildung scheint der Sympathikus (Ν. splanchnicus) eine Rolle zu spielen. Durch psychische Reflexe, Angst, Freude, durch sensible Reize (Schmerz und Kälte), bei Blutdrucksenkungen (Aderlaß), Muskelarbeit usw. wird Adrenalin ausgeschüttet. Adrenalinund Sympathikuswirkung sind weitgehend gleich. Beide erweitern die Pupille, lassen die Bronchialmuskulatur erschlaffen. Ebenso wird die glatte Muskulatur des Darmes und die Sekretion desselben gehemmt. Während der Schwangerschaft wird die Nebenniere größer, die Rinde durch Lipoide gelb. Mit der Vergrößerung hängen wahrscheinlich auch die Pigmentierungen der Schwangeren im Gesicht, am Warzenhof und in der Linea alba zusammen. Erkrankungen der Nebenniere (Tuberkulose, Lues, Tumoren usw.) bedingen eine braunrote (bronzene) Verfärbung der Haut (Morbus Addisonii). Sicherlich steht die Rinde auch noch mit den Keimdrüsen in Korrelation.

II. Die Gefäße und Nerven des Retroperitonaealraumes 1. Die Bauchaorta, Aorta abdominalis (Abb. 159) Die Bauchaorta beginnt nach dem Durchtritt durch den Hiatus aorticus des Zwerchfells vor dem 1. Lendenwirbelkörper, steigt vor den Lendenwirbelkörpern ein wenig links von der Medianlinie abwärts und geht vor dem 4. Lendenwirbel nach Abgabe der paarigen Aa. ilicae communes in die kleine Aorta caudalis [A. sacralis media] über. V e n t r a l wird sie von kranial nach kaudal überkreuzt (Abb. 118, 159) von der Milzvene, dem Plexus coeliacus, dem Pankreas, der V . renalis sinistra, der R a d i x des Mesocolon transversum, der Pars caudalis duodeni, der R a d i x mesostenii und dem Bauchfell. L i n k s grenzt sie an den Truncus sympathicus und den M. psoas major, r e c h t s an die V . c a v a caudalis und den rechten Truncus sympathicus. D o r s a l liegt sie den Lendenwirbeln an und wird von den linken Vv. lumbales gekreuzt. Die Aortenäste pflegen wir einzuteilen in: 1. unpaare, v e n t r a l e Eingeweidearterien (Aa. coeliaca, mesenterica cranialis et caudalis). Sie sind bereits S. 179 und 191 besprochen; 2. paarige, l a t e r a l e Segmentarterien (zu den paarigen Eingeweiden, Zwerchfell, Nebennieren, Nieren, Keimdrüsen); 3. paarige, d o r s a l e Segmentarterien (Aa. lumbales) zur Bauchwand. Die Aa. phrenicae abdominales entspringen in der Höhe der A . coeliaca direkt aus der Aorta oder aus der A . coeliaca. Sie versorgen das Zwerchfell und geben einen R. suprarenalis zur Nebenniere ab. Die Aa. suprarenales entspringen ein wenig tiefer und verlaufen lateral (rechts hinter der V . cava caud.) zur Nebenniere. Die Aa. renales entspringen zwischen dem 1. und 2. Lendenwirbel seitlich aus der Aorta. Die rechte verläuft hinter der V . cava caud. und dem Pankreaskopf, die linke hinter dem Pankreaskörper zur Niere. Sie geben einen A s t zur Nebenniere (Ramus suprarenalis), zum Ureter und zur Kapsel. Beide Arterien werden meistens von der gleichnamigen Vene ventral verdeckt. Die Nierenarterien sind in Lage und Zahl sehr variabel, weil die definitive Arterie e i n e von den zahlreichen Urnierenarterien ist, von denen auch mehrere erhalten bleiben können.

203

Bauchaorta, untere Hohlvene

Die Aa. spermaticae (ovaricae) entspringen unterhalb der Nierenarterien ziemlich ventral aus der Aorta. Die dünnen Gefäße verlaufen ab- und lateralwärts, überkreuzen den M. psoas, die Pars abdominalis des Ureters (geben an ihn Ä s t e ab), schließlich A phrenica abdominalis Vv. hepalicae sinistra

V

A. phrenica abdominalis dextra cava caudalis

Ν. vagus dexter

Cardia et Ν vagus sin. A gaslrica sin.

V. portal, A. heputica com. Α. V mesenterica cranialis Corpus suprarenale dtxtrum Ren dexter

Α., V. lienalis et V. mesenterica caud. Γ. stiprarenalis et Corp. suprarenale M. suspensorius duodeni Truncus sympathicus Ν subcostali>

Α.. V. spermatica dextra V. cava caud., Aorta abdominalis mit Plexus aorticus A.

iliolumbalis

Μ. ι iopsoas

Ureter, V. spermalica A. mesenterica caudal is Nn. iliohypogastricus et ilioinguinalis N. cut. femoris fibularis N.

Α., V ilica communis A. ilica interna

genitofemoralis

Ureter A. rectalis cranialis

A ilica externa A. circumflexa ilium prof. Ductus deferens

N. lemoralis Intestinum terminale [Rectum] Vesica

Α.

urinalis

V. epigastrica caudalis

A b b . 159.

Die hintere Bauchwand mit der Lage der Milz, der Nieren, Nebennieren, der großen Gefäßstämme und der autonomen Nervengeflechte.

die A . u. V . ilica ext. und ziehen mit dem Ductus deferens durch den Leistenkanal zum Hoden. Die kürzeren Aa. ovaricae haben zunächst den gleichen Verlauf, ziehen dann aber über den R a n d des kleinen Beckens durch die Plica suspensoria ovarii 1. zur Extremitas tubalis ovarii, 2. zur Ampulle der Tube, 3. zur Anastomose mit einem A s t der A. uterina. Aus dieser Anastomose ziehen mehrere Äste in den Hilus des Eierstockes.

204

Der Bauch. Der Situs retroperitonaealsi

Die Aa. lumbales, gewöhnlich 4 Lendenarterien, entspringen dorsal aus der A o r t a , verlaufen (Abb. 160) über die vier oberen Lendenwirbelkörper lateralwärts, verschwinden bald unter den Sehnenbogen des M. psoas, geben zwischen den Rippenfortsätzen der Wirbel einen d o r s a l e n A s t zur Rückenmuskulatur ab und verlaufen mit dem v e n t r a l e n A s t zwischen den Bauchmuskeln. Hier anastomosieren sie mit den anderen Bauchwandästen: der A. epigastrica caudalis et cranialis, den Aa. intercostales, der A. iliolumbalis und A. circumflexa ilium prof. (s. S. 145).

2. Die untere Hohlvene, Vena cava caudalis (Abb. 159, 118) Sie entsteht vor dem 5. Lendenwirbel durch Vereinigung der beiden Vv. ilicae communes, steigt rechts von der Aorta vor der Wirbelsäule aufwärts, biegt in der Höhe Corpus suprarenale et Aa. suprarenales

Vv. hepaticae, V. cava caud.

N. vagus sin., Cardia

Ganglion eoeliacum 1

,, N. vagus dexter, Aa. phrenicae abdominales

-"*

_ - - A. gastnca

sin.

• A. hepatica communis -

A. Henalis

—• A. mesenterial cranialis

V. suprarenalis Ά., V. renalis - Truncus sympathicus -Α., V. spernuitica sinistra . mesenterica caudalis

1 runcus sympathicus

i V. cava caud

\ Aa. lumbales

Aorta

abdominalis

A b b . 160. Nieren, Nebennieren, Plexus coeliacus.

der Nieren stärker nach rechts ab, um durch das Foramen v. cavae im Centrum tendineum des Zwerchfells zum rechten Vorhof zu gelangen. Die V o r d e r f l ä c h e wird kaudal vom Bauchfell überzogen, nach kranial überlagert von der R a d i x mesostenii, von der A . spermatica dextra, von der Pars caudalis duodeni, vom Caput pancreatis, von der Pars hepatoduodenalis des Omentum minus mit den darin enthaltenen Gebilden, Ductus choledochus,V. portae, A . hepatica und schließlich von der Leber. Sie begrenzt auch mit ihrer Vorderfläche von dorsal her das Foramen epiploicum. D o r s a l liegt sie (Abb. 160) dem Truncus sympathicus, dem medialen Rande des rechten M. psoas, dem rechten Zwerchfellschenkel und den r e c h t e n , paarigen Aorten-

Lymphknoten,

-gefäße und

Nerven

205

ästen (Aa. phren. abdom., suprarenalis, renalis, lumbalis) mit Ausnahme der ventral gelegenen A . spermatica an. Links liegt sie der Aorta, rechts der rechten Nebenniere an. Sie nimmt das B l u t auf von den Beinen, dem Becken und den Beckenorganen, der Bauchwand und den paarigen Organen der Bauchhöhle. Ihre Äste sind: 1. W . lumbales. Sie verlaufen kranial von den A a . lumbales, nehmen das B l u t von der H a u t und den Muskeln des Rückens, von den Bauchmuskeln und den Wirbelsäulenvenen auf. V o r den Querfortsätzen der Wirbel sind sie (Abb. 114) durch Längsanastomosen verbunden. Diese die V. ilica communis und Vv. lumbales verbindende Anastomose, die V. lumbalis ascendens, mündet rechts in die V. thoracica longitudinalis dextra, links in die V. thor. long, sinistra. Die letztere fließt in die V. thor. long, dextra, diese in die V. cava cranialis. Wir haben somit hier die wichtige, seitlich von der Wirbelsäule gelegene Verbindung zwischen V. cava caudalis und cranialis. 2. V. spermatica (ovarica) dextra. Sie kommt aus dem Plexus pampiniformis, einem dichten Geflecht im Samenstrang, verläuft häufig doppelt mit der A . spermatica zur Hohlvene. Die V. spermatica sinistra verläuft u n t e r d e m S i g m o i d zur V. renalis. D e r V e r l a u f u n t e r d e m S i g m o i d o d e r die r e c h t w i n k l i g e E i n m ü n d u n g in die V. renalis w i r d als U r s a c h e f ü r die l i n k s h ä u f i g e , k r a n k h a f t e E r w e i t e r u n g des Plexus pampiniformis (Varikozele) a n g e s e h e n .

Die V. ovarica sammelt das Blut aus dem Ausbreitungsgebiet der gleichnamigen Arterie, verläuft durch die Plica suspensoria ovarii und ist im übrigen Verlauf gleich den Vv. spermaticae. 3. Vv. renales. Sie verlaufen ventral von den Arterien und münden direkt unterhalb des Ursprungs der A . mesenterica cranialis in die V . c a v a caudalis. Die rechte ist kurz und von der Pars descendens duodeni zugedeckt. Die linke ist lang und dicker, nimmt die linke V. spermatica und suprarenalis auf, verläuft v e n t r a l von der Aorta und ist v o m Pankreas verdeckt. 4. V. suprarenalis dextra ist sehr kurz und mündet lateral in die V. cava caudalis. Die linke siehe bei 3. 5. Vv. hepaticae. 2—3 (Abb. 159) große, kurze Stämme führen das B l u t aus der Leber (der V . portae und der A . hepatica) direkt unterhalb des Zwerchfells zur V . c a v a caudalis.

3. Die Lymphknoten und Lymphgefäße Rechts, links und vor der Aorta und V. cava caudalis liegt eine K e t t e von L y m p h knoten, Lymphonodi lumbales. Sie nehmen die L y m p h e v o n den K e i m d r ü s e n , N i e r e n , N e b e n n i e r e n u n d t i e f e n T e i l e n der B a u c h w a n d d i r e k t , von o b e r f l ä c h l i c h e n T e i l e n d e r B a u c h w a n d , den B e i n e n , dem B e c k e n und den B e c k e n o r g a n e n mittels vorgeschalteter Knoten i n d i r e k t , auf. A u s den Lymphonodi lumbales bilden sich neben der Wirbelsäule zwei Längsstämme, die Trunci lumbales. Die L y m p h e v o m Darm, von der Milz, vom Pankreas und ζ. T . von der Leber fließt über die Seite 182 beschriebenen, vorgeschalteten L y m p h k n o t e n schließlich zu den in der Umgebung der A . coeliaca gelegenen Lymphonodi coeliaci. A u s diesen bildet sich der Truncus intestinalis. Die T r u n c i l u m b a l e s und der T r u n c u s i n t e s t i n a l i s vereinigen sich in äußerst variabler Form und Lage (vor den Körpern der beiden obersten Lenden- und beiden untersten Brustwirbel) zur Cisterna chyli. Sie zieht dorsal von der Aorta durch das Zwerchfell und liegt dann rechts von ihr (vgl. S. 70).

206

Der Bauch, Der Situs retroperitonaealis

4. Die Nerven des Retroperitonaealraumes iAbb. 159, 160) Der Bauchteil des Truncus sympathicus (vgl. S. 80) liegt neben der Mittellinie vor den Lendenwirbelkörpern. Seine Ganglien sind durch R a m i communicantes mit den Lumbalnerven und durch R a m i viscerales mit den sympathischen Geflechten der A o r t a und ihrer Äste verbunden. Die prävertebralen Ganglien (vgl. S. 80). Z u beiden Seiten und am kaudalen Umfang der A. coeliaca liegt der Plexus coeliacus. In das ausgedehnte Nervengeflecht sind zahlreiche größere und kleinere Ganglien eingeschaltet, die in ihrer Gesamtheit als Ganglion coeliacum bezeichnet werden. Die meist durch zahlreiche Fasern verbundenen beiden Ganglia coeliaca und die von ihnen zu den Organen abgehenden Geflechte werden auch Sonnengeflecht, Plexus solaris, genannt. D a s Ganglion mesentericum craniale liegt an der Wurzel der A. mesenterica cranialis und ist meist mit dem vorigen verbunden. Kranial v o m Ursprung der A . mesenterica caudalis finden wir häufig das Ganglion mesenterium caudale. Der N. splanchnicus major (aus Th. 6—9) und der N. splanchnicus minor (aus Th. 10 u. 11) tritt beiderseits nach Durchbohrung des Zwerchfells in das Ganglion coeliacum. Die Nn. vagi, besonders der dorsal vom Oesophagus und Magen gelegene rechte, schicken ihre Endäste zu den Ganglia coeliaca und versorgen p a r a s y m p a t h i s c h den Magen-Darmkanal bis zur Flexura coli lienalis. Colon descendens, Colon sigmoides und Rectum erhalten ihre parasympathischen Fasern aus dem s a k r a l e n P a r a s y m p a t h i k u s (s. S. 84). Die Plexus sympathici der Bauchhöhle. V o m Grenzstrang und den prävertebralen Ganglien gehen Nervengeflechte aus, die die A o r t a abdominalis und die von ihr ausgehenden Arterien umspinnen und den Organen sympathische und meist auch parasympathische Fasern zuführen. Wir benennen diese Geflechte wie die Arterien und unterscheiden somit einen Plexus aorticus abdominalis, Plexus coeliacus, Plexus fhrenicus, Plexus hepaticus, Plexus lienalis, Plexus gastrici, Plexus suprarenalis, Plexus renalis, Plexus spermaticus (ovaricus), Plexus mesentericus cranialis, Plexus mesentericus caudalis. Der Plexus aorticus abdominalis teilt sich am Ende der A o r t a abdominalis in 3 Äste, die paarigen, den A a . ilicae communes folgenden Plexus ilici und den unpaaren Plexus rectalis cranialis. Dieser zieht als breites Geflecht über das Promunturium ins kleine Becken. Da er in Fortsetzung der Aorta abdominalis auf der Aorta caudalis [A. sacralis media] liegt, sprechen wir besser vom Plexus aorticus caudalis. In der älteren Literatur wird er meist als Plexus hypogaslricus bezeichnet.

Das Becken, Pelvis Das Becken bildet den unteren Abschluß des Rumpfes. Die knöcherne Grundlage liefert der aus dem K r e u z b e i n und den beiden H ü f t b e i n e n bestehende Beckenring. K a u d a l wird dieser knöcherne Ring durch eine muskulös-bindegewebige Platte, den Beckenboden, abgeschlossen. Der so geschaffene R a u m enthält die Beckenorgane. D a s v o m B e c k e n b o d e n k a u d a l abgeschlossene, knöcherne B e c k e n h a t die G e s t a l t eines G e f ä ß e s m i t breitem, nach außen u m g e l e g t e m R a n d e . Vesal verglich es m i t einem W a s c h b e c k e n und p r ä g t e zuerst den N a m e n „ B e c k e n " . D a s eigentliche G e f ä ß ist nur das kleine B e c k e n . D e r breite, v o n den Darmbeinschaufeln gebildete R a n d fehlt v o r n , wird hier d u r c h die B a u c h m u s k u l a t u r e r g ä n z t .

Die Hüftbeine gehören funktionell und vergleichend-anatomisch zur unteren Gliedmaße. A u c h die das Becken von außen deckenden Weichteile werden beim Bein besprochen. Nur der unterhalb des Beckenbodens gelegene D a m m wird im Anschluß an das Becken dargestellt.

A. Die Beckenwände I. Die Knochen des ßeckengürtels Während der Schultergürtel nur locker a m R u m p f befestigt ist, u m dem A r m eine möglichst große Beweglichkeit im Räume zu ermöglichen ( G r e i f o r g a n ) , ist der Beckengürtel fest mit der Wirbelsäule verbunden. E r trägt bei aufrechter Körperhaltung die Last des Rumpfes und der oberen Gliedmaßen und überträgt sie auf die B e i n e ( S t ü t z o r g a n ) . Die Beweglichkeit des Beines gegen den Rumpf wird nur durch das Hüftgelenk gewährleistet. K r e u z b e i n (Os sacrum), r e c h t e s u n d l i n k e s H ü f t b e i n (Os coxae) s i n d z u e i n e m f e s t e n , k n ö c h e r n e n R i n g , d e m B e c k e n , Pelvis, z u s a m m e n g e f ü g t . Das Hüftbein, Os coxae (Abb. 161, 162), besteht aus 3 Knochen, dem D a r m b e i n , Os ilium, dem S i t z b e i n , Os ischii, und dem S c h a m b e i n , Os pubis. Diese 3 Knochen stoßen in der Gegend der lateral gelegenen Gelenkpfanne zusammen. Die napfförmige, konkave G e l e n k p f a n n e , Acetabulum, zeigt am kaudalen Rande einen Einschnitt, die Incisura acetabuli (Abb. 161). Der Grund der Pfanne ist rauh, Fossa acetabuli. Sie wird von der hufeisenförmigen, überknorpelten Facies lunata umgeben. D i e Teile der drei Knochen, die sich in dem Acetabulum in F o r m einer V - f ö r m i g e n F u g e treffen, nennt man Corpus. Die Verknöcherung b e g i n n t im H ü f t b e i n v o n 3 H a u p t k n o c h e n k e r n e n aus. D a z u k o m m e n später noch 9 a p o p h y s ä r e K n o c h e n k e r n e . Die Y - f ö r m i g e K n o r p e l f u g e v e r s c h w i n d e t zwischen d e m 12. und 18. L e b e n s j a h r e .

Das Darmbein, Os ilium, führt seinen Namen, weil es auf der Innenseite seiner S c h a u f e l , in der Fossa ilica, Darmschlingen, speziell die unteren Dünndarm = Iiiumschlingen trägt. E s besteht aus dem K ö r p e r , Corpus ossis ilium, und der D a r m b e i n s c h a u f e l , Ala ossis ilium. Die Schaufel hat verdickte Ränder und ist in der Mitte dünn und durchscheinend. Der besonders verdickte, kraniale R a n d , der Darmbeinkamm, Crista ilica, trägt 3 Leisten für den Ansatz bzw. Ursprung der 3 schrägen Bauchmuskeln, Labium externum (äußere), Linea intermedia (mittlere) und Labium internum (innere). Die Crista ilica l ä u f t

Das Becken, Die Beckenwände

208

nach v e n t r a l in einen Höcker, Spina ilica veniralis, nach dorsal in die uncharakteristische Spina ilica dorsalis cran. aus. U n t e r h a l b der letzteren liegt die Spina ilica dorsalis caudalis. A u f diese folgt nach k a u d a l ein tiefer, parabolischer, auf das Sitzbein übergehender Ausschnitt, die Incisura ischiadica major. D e r ventrale Schaufelrand trägt (Abb. 162) 2 Höcker, unterhalb der Spina ilica ventralis das flache Tuberculum ilicum und v o r der P f a n n e die Eminentia iliopeciinea. Die A u ß e n f l ä c h e der Schaufel zeigt 3 rauhe Leisten, die Lineae glutaeae cranialis, dorsalis u n d supraacetabularis [inferior] (Abb. 161). Die I n n e n f l ä c h e ist zuiFossa ilica vertieft. Dorsal trägt sie die ohrförmige Gelenkfläche, Facies auricularis, f ü r das Kreuzbein. H i n t e r der Facies auricularis Os ilium l liegt ein großes, rauhes Feld, die Tuberositas ilica, für die starken Bandmassen der KreuzD a r m beinverbindung. K r a n i a l von der Facies auricularis finden wir ein großes Foramen nutricium. N a c h kaudal wird die Fossa ilica durch eine bogenförmige K a n t e , die Linea arcuata, gegen das Corpus ossis ilium abgesetzt. Diese Linie istgleichzeitig die Grenze zwischen großem und kleinem Becken.

A b b . 161.

Rechtes Hüftbein.

Außenseite.

D a s Sitzbein, Os ischii, besteht aus dem Körper, Corpus ossis ischii, und dem nahezu rechtwinklig gebogenen Ramus ossis ischii. D a s Corpus hilft 2/3 der Gelenkpfanne bilden

und t r ä g t an seinem dorsalen R a n d e die dorso-medianwärts gerichtete Spina ossis ischii. Oberhalb v o n ihr liegt die parabolische Incisura ischiadica major, unterhalb von ihr die kleinere, von K n o r p e l überzogene Incisura ischiadica minor. D e r Ramus ossis ischii steht m i t der kräftigen, dreiseitig prismatischen Pars acetabularis mit dem K ö r p e r und mit der dünnen, abgeplatteten Pars pubica m i t dem Schambein in Verbindung. Pars acetabularis und Pars pubica stoßen a m rauhen u n d wulstig aufgetriebenen S i t z k n o r r e n , Tuber ossis ischii, nahezu rechtwinklig zusammen. D a s Schambein, Os pubis, besteht aus Körper, Corpus, und A s t , Ramus. Der Körper hilft die Gelenkpfanne bilden. A n der Vereinigungsstelle v o n D a r m - und Schambein liegt eine leichte E r h e b u n g , die Eminentia iliopeciinea. D e r Ramus ossis pubis zerfällt in die horizontale Pars acetabularis zur V e r b i n d u n g m i t dem K ö r p e r und die absteigende Pars symphysica zur V e r b i n d u n g mit dem Sitzbeinast. Dort, w o die beiden Teile spitzwinklig zusammenstoßen, findet sich die ovale, überknorpelte Facies symphyseos zur V e r b i n d u n g mit der entsprechenden Fläche der anderen Seite. Die Pars acetabularis des R a m u s ossis pubis ist ein dreiseitiges Prisma m i t 3 K a n t e n (kranial, dorsal und ventral) und 3 Flächen (kranial, k a u d a l u n d dorsal). Die k a u d a l e

209

Knochen- und Band Verbindungen

F l ä c h e zeigt eine schräg medianwärts verlaufende Furche, den Sulcus obturatorius. Die k r a n i a l e K a n t e springt teils leistenartig als S c h a m b e i n k a m m , Pecten ossis pubis, vor und setzt sich nach hinten in die Linea arcuata ossis ilium fort. Pecten ossis pubis, Linea arcuata ossis ilium und Promunturium (Abb. 166) bilden die Linea terminalis, die Grenzlinie zwischen g r o ß e m und k l e i n e m B e c k e n . Die abgerundete, v e n t r a l e K a n t e läuft medianwärts in einen kleinen Höcker, das Tuberculum pubicum, aus. Die d o r s a l e K a n t e läuft in die Begrenzung des Foramen obturatum aus und trägt ein kleines Fossa ilica Labium externum cri: cristae Höckerchen, das Tuintermedia ilic ilicae Labium internum berculum obturatorium pubicum. D e m letzteTuberositas ilica ren liegt häufig ein Spina ilica ventralis kleines Tuberculum obturatorium ischiadicum gegenüber (Abb. 162).

}

Das Foramen obturatum (Abb. 166), das verstopfte Loch, wird v o m Os ischii und Os pubis begrenzt, ist dreieckig bis oval und wird durch eine bindegewebige H a u t , die Membrana obturans, nahezu ganz verschlossen. Die Membrana obturans besteht aus sich überkreuzenden, vorwiegend quer verlaufenden Faserzügen, die von den Rändern des For. obturatum entspringen. Lateral oben ergänzen die zwischen d e n T u b e r c u l a obturatoria (pub. et isch.)

Tuberculum

ilicum [cran. Spina ilica dors. Spina ilica dors. caud. Incisura ischiadica major

Linea arcuata Eminentia

iliopectinea

Corpus ossis ischii

Sulcus obturatorius Tuberculum obturatoriurn pubicum et ischiad. Pecten ossis pubis

Spina ossis

ischii

Incisura ischiadica minor

Tuberculum pubicum

Ramus ossis ischii (pars acetabularis) Foramen obturatum

Ramus ossis pubis (Pars acetabularis)

Tuber ossis Facies symphyseos {Pars

Abb. 162.

ischii

Ramus Ramus ossis pubis ossis ischii symphysica) (Pars pubica)

Rechtes Hüftbein.

Innenseite.

verlaufenden Fasern den Sulcus obturatorius zum Canalis obturatorius. Verschiedene kleine Löcher in der Membrana obturans sind mit F e t t ausgefüllt. Der Canalis obturatorius enthält Α., V., Ν. obturatorius und Fett. Der neben den Gefäßen und Nerven vorhandene Raum kann Brüchen (Hernia obturatoria) und Ergüssen (Blut, Eiter) als W e g dienen.

Über das Kreuzbein s. S. 98.

II. Die Bandverbindungen des Beckens Die beiden Hüftbeine werden v o r n untereinander durch die Symphyse und h i n t e n mit dem Kreuzbein durch die Kreuzhüftbeingelenke verbunden.

1. Die Schamfuge, Symphysis ossium pubis (Abb. 163) Die einander zugewandten Flächen der Schambeine sind v o n einer 0,3 m m dicken Schicht hyalinen Knorpels überzogen, in der eine faserknorpelige Scheibe, die Lamina fibrocartilaginea inter pubica, haftet. Diese je nach der Beckenstellung auf Zug, D r u c k W a l d e y e r , Anatomie I. 2. Aufl.

Μ

Das Becken. Die Beckenwände

210

oder A b s c h e r u n g beanspruchte P l a t t e

Lig. pubicum

e n t h ä l t k o n s t a n t einen H o h l r a u m , Cavum articulare. K r a n i a l w i r d sie d u r c h d a s Lig. pubicum, k a u d a l d u r c h d a s Lig. arcuatum pubis v e r s t ä r k t . Eine Auflockerung des Gewebes der Cavum articulare Symphyse und eine Vergrößerung der Höhle während der Schwangerschaft ist Lamina jibrocarlilaschon seit langem bekannt. Heute weiß ginea interpubica man, daß diese Auflockerung und Verbreiterung der Symphyse gleichzeitig mit einer Auflockerung der Kreuzdarmbeingelenke unter h o r m o n a l e m Einfluß erfolgt. Die Lockerung der sehr straffen Bandverbindungen soll den Geburtsakt, vor allem den Durchtritt des Kopfes erleichtern. Reicht diese physiologische Abb. 163. Frontalschnitt durch die Symphyse. Erweiterung des Beckenkanals nicht aus, so kann der Geburtshelfer die Symphyse (Symphyseotomie) oder die Schambeinäste (Pubotomie) durchtrennen und den Beckenring um etwa 2 cm vergrößern. Da hierdurch der Beckenring geschwächt wird, ist eine exakte Verheilung nötig, wenn Gehen und Stehen nicht erschwert sein soll.

2. Das Kreuzdarmbeingelenk, Articulus sacroilicus ( A b b . 1 6 4 , 1 6 5 , 166) E s s t e h e n i n V e r b i n d u n g die Facies auriculares d e s K r e u z - u n d H ü f t b e i n s . D i e o h r f ö r m i g e n G e l e n k f l ä c h e n s i n d sehr v e r s c h i e d e n , h a b e n eine l e i c h t h ö c k r i g e O b e r f l ä c h e , die in d e r T i e f e v o n h y a l i n e m , o b e r f l ä c h l i c h v o n F a s e r k n o r p e l ü b e r z o g e n ist. D i e s t r a f f e G e l e n k k a p s e l w i r d ( A b b . 164) v o r n d u r c h die s c h w a c h e n L i g g . sacroilica ventralia, h i n t e n d u r c h die m ä c h t i g e n L i g g . sacroilica interossea u n d dorsalia v e r s t ä r k t . Die Z w i s c h e n k n o c h e n b ä n d e r spannen sich z w i s c h e n d e n h i n t e r d e r F a c i e s a u r i cularis g e l e g e n e n R a u h i g k e i t e n d e s K r e u z u n d D a r m b e i n s aus. D a s L i g . sacroilicum

Canalis

Lig. sacroilicum interosseum Lig. supraspinale sacroilicum dorsale breve Lig. sacroil cum dors, longum

sacralis

Foramen ischiadicum rnajus Lig. sacrospinal c

.11. f.-.

Ι interittctim [osseum

Lig. sacrotuberal Foramen ischiadicum minus — Canalis obturatorius — Membrana obturans

A ritculu sacrotltcui

--

Lig. sacroilicum

Tuber ischii

ossis

ventrale

Abb. 164. Horizontalschnitt durch das rechte Kreuzdarmbeingelenk.

Symphysis ossium pubis

Lig. sacrococcygicum dors. prof.

Lig. sacrococcygicum dors, superficiale

Abb. 165. Die Bänder des Beckens. Von dorsal gesehen.

211

Bandverbindungen

dorsale longum zieht von der Spina ilica dors, cranialis steil abwärts zum Seitenrand des 3. und 4. Kreuzbeinwirbels (Abb. 165). Nach kranial hängt es mit der Fascia lumbodorsalis zusammen. D a s Lig. sacroilicum dorsale breve verläuft mehr quer. Durch die zuletzt genannten Bänder ist das Kreuzbein zwischen den Darmbeinen aufgehängt. Die mächtigen Ligg. sacroilica interossea und dorsalia werden gespannt, wenn die R u m p f l a s t das Kreuzbein zwischen die Hüftbeine treibt. D a das Kreuzbein teil-

Lig. longitudinals commttm mn/reie Verlehra hmibatis V

Lig. iNohaMc ,„..

Promunturium

,^'Ligg. sacroilica ventralia

Spina ilica venlralis

For. dicum

isthiamajus

Lig.

saampimle

Os coccygis

Lig. inguinale Trochanter majoi

For. isthiadicam minus

Lig. iliojemorale" Lig

sacrotuberal

Canalis obluratorius Membrana

cbturans

Lig. pubocapsulare - -

Trochanter

minor-'' Femur—

\ Tuberculmn

-

Symphysis

pubicum

A b b . 166. Die Bänder des Beckens und Hüftgelenkes.

Von ventral und medial gesehen.

weise ventral breiter als dorsal ist, müßte es nach ventral ins Becken fallen, wenn es nicht durch die dorsalen Bänder an den Hüftbeinrändern aufgehängt würde. Die S y m physe wird dabei auf Z u g beansprucht. Die eigentlichen Gelenkbänder werden verstärkt durch 1. Das Lig. iliolumbale (Abb. 166). E s verläuft vom Darmbein zu den Querfortsätzen des 4. und 5. Lendenwirbels. 2. Das Lig. sacrotuberal (Abb. 165, 166). E s entspringt fächerförmig von den Seitenrändern des Kreuz- und Steißbeins und dem Darmbein (Spina ilica dors, cran. et caud.) und zieht zur Innenseite des Tuber ossis ischii.

212

Das Becken. Die Beckenwände

3. Das Lig. sacrospinale. E s entspringt (Abb. 165, 166) ebenfalls v o m Rande des Kreuz- und Steißbeins, liegt ventral vom vorigen und zieht mehr quer zur Spina ossis ischii. Die beiden letztgenannten Bänder ergänzen die Incisura ischiadica major und minor zum Foramen ischiadicum majus et minus. Durch das Foramen ischiadicum majus zieht der M. piriformis und teilt es in ein Foramen suprapiriforme (Α., V., Ν . glutaeus cranialis) und infrapiriforme (Α., V., Ν. glutaeus caudalis, N. ischiadicus, N . cut. femoris dorsalis, Α., V . pudendalis int., Ν. pudendalis). Durch das Foramen ischiadicum minus gelangen der M. obturator int. zum Oberschenkel und Α., V., Ν. pudendalis von der Gesäßgegend zum Damm (s. S. 267).

3. Die Kreuzsteißbeinverbindung D a die Kreuzsteißbeinverbindung von praktischer Bedeutung für den Beckenausgang ist, soll sie hier beim Becken besprochen werden. Das Lig. longitudinale commune ventrale (Abb. 166) verliert sich auf der Facies pelvina des Kreuzbeins und tritt gegen das Steißbein hin wieder auf als Lig. sacrococcygicum ventrale. Das Lig. longitudinale commune dorsale wird kaudal (Abb. 165) zum Lig. sacrococcygicum dorsale profundum. Die Wirbelbogen und Zwischenbogenbänder werden bei den kaudalen Wirbeln ersetzt durch das Lig. sacrococcygicum dorsale superficiale (Abb. 165). Zwischen Kreuz- und Steißbein oder zwischen 1. und 2. Steißbeinwirbel bleibt häufig, besonders bei der Frau, eine gelenkige Verbindung erhalten. Sie ermöglicht es, daß bei dem Austritt des Kopfes die Steißbeinspitze 2 cm nach dorsal bewegt und der Ausgang um 2 cm erweitert werden kann. Knöcherne Verbindung (Synostose) kann ein schweres Geburtshindernis bedeuten.

III. Das Becken als Ganzes Die beiden Hüftbeine und das Kreuzbein bilden das knöcherne Becken. Es wird durch die Linea terminalis (Abb. 170, 171), die bogenförmig vom Promunturium über das Kreuzbein, das Darm- und Schambein zur Symphyse zieht, in das g r o ß e und k l e i n e Becken, Pelvis major et minor, geteilt. Das große Becken, gebildet von den Darmbeinschaufeln, hilft die Baucheingeweide tragen. Das kleine Becken, der eigentliche B e c k e n k a n a l , beherbergt die Beckeneingeweide und dient bei der Frau als Geburtskanal für den Durchtritt des Kindes. E s beginnt kranial mit dem Beckeneingang, Aditus pelvis, und endet kaudal mit dem Beckenausgang, Exitus pelvis. D a die Form des Beckens, besonders des Ein- und Ausganges, von großer Bedeutung für die Beurteilung der Gebärfähigkeit des Beckens ist, sollen hier einige Maße folgen.

1. Maße des weiblichen Beckens (Abb. 167, 171) Die F o r m und G r ö ß e des Beckeneinganges wird beurteilt durch den g e r a d e n , den q u e r e n und die beiden s c h r ä g e n Durchmesser. 1. Der g e r a d e Durchmesser (Abb. 167, 171) des Beckeneinganges, die kürzeste Verbindung zwischen Promunturium und Symphyse, Diameter mediana [Conjugatavera], ist normal 11 cm lang. Die frühere Conjugata anatomica hatte 11,5 cm und reichte vom Promunturium bis zur Mitte des Oberrandes der Symphyse.

2. Der q u e r e Durchmesser, Diameter transversa, ist die Verbindungslinie von 2 symmetrischen, rechts und links am weitesten ausladenden Punkten der Linea terminalis (13,5 cm).

D a s Becken als Ganzes, Beckenmaße

213

3. Der r e c h t e oder e r s t e schräge Durchmesser, Diameter obliqua I, ist die Verbindungslinie v o m Articulus sacroilicus dexter zu der Eminentia iliopectinea sinistra (12,5 cm). 4. Der linke oder z w e i t e schräge Durchmesser, Diameter obliqua II, ist die Verbindungslinie v o m Articulus sacroilicus sinister zu der Eminentia iliopectinea dextra (12,5 cm). Der schräge Durchmesser sagt aus, ob das Becken symmetrisch oder schief ist. Der kindliche Kopf tritt gewöhnlich mit der Pfeilnaht in den ersten oder zweiten schrägen Durchmesser ein.

D a die Diameter mediana nur schwierig direkt zu messen ist, bestimmen wir die Diameter diagonalis. Durch Einführung des Zeigefingers in die Scheide messen wir die Entfernung zwischen Promunturium und Lig. arcuatum pubis. Von dem diagonalen Durchmesser (12,5 cm) ziehen wir 1 , 5 — 2 cm ab und erhalten damit den geraden Durchmesser (11 cm). Die Größe des Beckenausganges wird durch den geraden und queren Durchmesser bestimmt. Der g e r a d e Durchmesser, von der Steißbeinspitze bis zum Unterrand der Symphyse (9 cm), kann bei beweglichem Steißbein um 2 auf 11 cm vergrößert werden (Abb. 167). Der quere Durchmesser liegt zwischen den beiden Sitzbeinhöckern (11 cm). Man kann auch noch eine Beckenweite (gerader Durchmesser 12 cm), zwischen Unterrand der Symphyse und Synostose zwischen 2. und 3. Kreuzbeinwirbel, und eine Beckenenge, zwischen Kreuzbeinspitze, den beiden Spinae ossis ischii und dem Unterrand der Symphyse, unterscheiden.

Beckenachse, Axis pelvis (Abb. 167). Verbindet man die Mittelpunkte der geraden Beckendurchmesser durch eine Linie, die der Kreuzbeinkrümmung parallel läuft, so erhält man die Beckenachse oder Führungslinie. Sie gibt die Richtung an, in der der kindliche Kopf nach außen tritt.

schwarzer Strich), Diameter mediana, Diameter diagonalis und Diameter des Beckenausganges. Die punktierte Linie gibt die bei der Geburt durch Ausweichen des Steißbeines mögliche Erweiterung

Die Länge der Diameter mediana des Beckeneinganges entscheidet, ob der kindliche Kopf ins Becken e i n t r e t e n kann. Unter 10 cm haben wir ein relativ, unter 6 cm ein absolut verengtes Becken. In letzterem Falle kann eine Geburt auf natürlichem Wege nicht mehr erfolgen.

Auch folgende äußere Beckenmaße orientieren über Beckengröße und Form. 1. D i a m e t e r e x t e r n a . Verbindung der kranialen K a n t e der Symphyse mit dem Proc. spinalis des 5. Lendenwirbels (20—23 cm). 2. D i s t a n t i a s p i n a r u m .

Die Entfernung der Spinae ilicae ventrales (25—26 cm).

3. D i s t a n t i a c r i s t a r u m . Die größte Entfernung der Cristae ilicae (am Außenrand gemessen), 28—29 cm. 4. D i s t a n t i a t r o c h a n t e r u m . Oberschenkels (31—32 cm).

Die größte

Entfernung der beiden großen

Rollhügel

des

Diese äußeren Maße werden an der Lebenden mit dem Tasterzirkel gemessen. Liegt die Diameter externa unter 18 cm, so haben wir eine Diameter mediana unter 9 cm. Die Differenz zwischen den Distantiae spinarum, cristarum, trochanterum soll durchschnittlich 3 cm betragen. Diese Differenz ist wichtiger als die absoluten Maße. Nähert sich die Spinabreite der Cristabreite, so ist auch das Promunturium der Symphyse genähert, die Diameter mediana verkürzt (plattrhachitisches Becken).

214

Das Becken, Die Beckenwände

2. Geschlechtsunterschiede des Beckens Unter dem Einfluß der Keimdrüsen wird während der Pubertät das weibliche Becken für den Geburtsakt hergerichtet. Bei der Frau ist der B e c k e n e i n g a n g (Abb.171) queroval, beim Mann kartenherzförmig (Abb. 170); das K r e u z b e i n ist gewöhnlich breiter, das P r o m u n t u r i u m springt nicht so stark in das Becken vor. Der A b s t a n d d e r

A rliculus sacroilicus

i

Crista — ilica Spina ilica ventralis

Linea terminalis



Peclen ossis pubis Fossa acelabuli

Symphysis. ossium pubis Foramen obturatum ·

1 Angulus

pubis

Abb. 168. Männliches Becken. Ansicht von ventral. Nach Form aufgestellt (Symphyse und Knorpel des Articulus sacroilicus in natürlicher Dicke durch Gips ergänzt). Präparat von H. V i r c h o w .

S i t z h ö c k e r und damit der Beckenausgang ist größer. Im ganzen ist das weibliche Becken g e r ä u m i g e r . Bei der Ansicht von vorn (Abb. 168, 169) erscheint das weibliche Becken niedriger und breiter, das männliche Becken höher und schmaler. Der A n g u l u s p u b i s (70—75°) ist beim Weibe zum A r c u s p u b i s (90—100 °) geworden. Die S y m p h y s e ist bei der Frau niedriger. Das F o r a m e n o b t u r a t u m ist beim Mann oval, bei der Frau dreieckig. Die D a r m b e i n s c h a u f e l n laden seitlich stärker aus und ergeben mit dem physiologisch stärkeren Fettpolster die typisch weibliche Beckenlinie. Das B e c k e n d e s N e u g e b o r e n e n ist relativ klein. Die Beckeneingeweide liegen deshalb verhältnismäßig hoch. Ein Promunturium ist noch nicht vorhanden. Das Kreuzbein erscheint relativ groß. i

Geschlechtsunterschiede, Beckenneigung

215

3. Die Beckenneigung Die B e c k e n e i n g a n g s e b e n e steht beim aufrecht stehenden Menschen nicht horizontal, sondern bildet mit der Horizontalen einen Winkel von 65°. In dieser Stellung liegen Spina ilica ventralis und Symphyse ungefähr in einer Frontalebene. Die S c h a m b e i n e stehen nicht vertikal, sondern nahezu horizontal, helfen die Baucheingeweide

Articulus

sacroüicus

!

Vertebra lumbalis

V

Promunturium

;

Crista ilica

Spina ilica ventralis

Tuberculum ilicum

- -

Linea

Fossa acetabuli Peeten ossis pubis

Tuberculum pubicum For amen obturatum

Symphysis

ossium

pubis

Arcus

pubis

A b b . 169. Weibliches Becken. Ansicht von ventral. Nach Form aufgestellt (Zwischenwirbelscheibe Symphyse und Knorpel des Articulus sacroilicus in natürlicher Dicke durch Gips ergänzt).

tragen und entlasten damit den Beckenboden. A u c h die kranialen Wirbel des K r e u z b e i n s haben in dieser Stellung (Abb. 167) eine nahezu horizontale Lage. D a s P r o m u n t u r i u m springt stark vor. Die Körperlast wird mittels einer G e w ö l b e k o n s t r u k t i o n v o m K r e u z b e i n über das D a r m b e i n auf die O b e r s c h e n k e l übertragen. Dieses Gewölbe wird vorn durch die Schambeinäste und die Symphyse fest verankert. Das Sitzbein ist bei dieser Stellung nicht belastet. Beim Sitzen wird die Beckeneingangsebene horizontaler gestellt. Die Abknickung des Beckens gegen die Wirbelsäule (Promunturium) wird ebenso wie die Beckenneigung kleiner. Die Körperlast wird ü b e r K r e u z b e i n , D a r m b e i n , S i t z b e i n auf die S i t z b e i n h ö c k e r übertragen. A u c h hier findet eine ventrale Verankerung durch die Schambeinäste statt.

216

Das Becken. Die Beckenwände

Die B e c k e n n e i g u n g befindet sich im l a b i l e n Gleichgewicht. Sie wird durch B e c k e n h e b e n (Heben der Symphyse) verkleinert, durch B e c k e n s e n k e n vergrößert. Die Lendenlordose wird dabei kleiner oder größer. Auch Rücken- oder Bauchlage verändert die Beckenneigung. Varietäten. Die Facies auriculares können am Hüftbein verschieden hoch stehen. Störungen in der Entwicklung, ein- oder beidseitige, schlechte Ausbildung der Seitenteile des Kreuzbeins, einoder beidseitige Verschmelzung des 5. Lendenwirbels mit dem Kreuzbein (Sakralisation), Ablösen des 1. Kreuzbeinwirbels, einseitige Belastung, krankhafte Krümmungen der Wirbelsäule, kürzeres Bein, Rachitis, Osteomalazie (Knochenerweichung) usw. müssen das Becken mehr oder minder deformieren und Schwierigkeiten für den Geburtsmechanismus ergeben. Articulus

Crista

sacroilicus

ilica

Spina ilica ventralis Spina

ossis ischii

Linea terminales

Pecten

ossis pubis

Abb. 170. Männliches Becken.

Symphysis

ossiutn pubis

Tuberculum

pubicum

Dasselbe Becken wie in Abb. 168 in ventrokranialer Ansicht.

P r a k t i s c h e B e m e r k u n g e n : Wie bereits oben (S. 210) erwähnt, findet während der Schwangerschaft in den Beckenverbindungen eine gewisse Auflockerung des Gewebes statt. Das sonst straffe, amphiarthrotische Hüftkreuzbeingelenk bekommt eine geringe Beweglichkeit. Nach stärkster Streckung im Hüftgelenk (Walchersehe H ä n g e l a g e ) kann man durch Bewegung im Articulus sacroilicus eine Vergrößerung der Diameter mediana um 0,5 cm erreichen. Da die L i g g . s a c r o i l i c a v e n t r a l i a s c h w ä c h e r als die Ligg. sacroilica interossea und dorsalia sind, brechen Gelenkprozesse leichter nach v e n t r a l ins Becken durch. Bei s a g i t t a l e m D r u c k auf das Becken reißen die v e n t r a l e n , bei s e i t l i c h e m D r u c k die d o r s a l e n Bänder.

IV. Die Muskeln des kleinen Beckens Das kleine Becken, der Geburtskanal, ist innen mit Muskeln gepolstert, die vom Bein in das Becken eingewandert sind. 1. Der birnförmige Muskel, M. piriformis, wanderte durch das F o r a m e n i s c h i a d i c u m m a j u s auf die Facies pelvina des Kreuzbeins, wo er lateral von den For-

217

Muskeln des kleinen Beckens. Beckenboden

amina sacralia pelvina entspringt. Der Muskel verläuft durch das Foramen ischiadicum majus, teilt es in ein Foramen supra- et infrapiriforme und setzt nahe der Spitze des Trochanter major an. W i r k u n g : E r abduziert den Oberschenkel, rollt ihn nach außen und zieht ihn rückwärts. I n n e r v a t i o n : Direkter Ast aus dem Plexus sacralis (S.j, S. 2 ). 2. Der innere Hüftlochmuskel, M. obturator internus, wanderte durch das F o r a m e n i s c h i a d i c u m m i n u s in das kleine Becken ein, wo er von der Membrana Arliculus

sacroilicus

Vertebra lumbalis V

Promuniurium

Crista ilica Spina ilica ventralis Spina ossis ischii Tuberculum licum

\ Diameter \

transversa

\

Diameter obliqua I

Diameter otiliqua II.

A b b . 171.

Peclen ossis pubis

Tuberculum pubicum

Symphysis ossium pubis

Diameter mediana

Weibliches Becken. Dasselbe Becken wie in A b b . 169 in ventrolcranialer Ansicht mit eingetragenen Linien des Beckeneinganges.

obturans und ihrer Umgebung entspringt. Die Fasern konvergieren zum For. ischiadicum minus hin, treten hier aus und ziehen nach nahezu rechtwinkliger Umbiegung (Schleimbeutel zwischen Knorpelüberzug des Knochens und Muskel) zur Fossa trochanterica des Oberschenkels. W i r k u n g : E r rollt den Oberschenkel nach außen. I n n e r v a t i o n : Direkte Äste des Plexus sacralis (L. 5 , S.j, S. 2 ). Der Muskel wird an der Innenfläche von der kräftigen Fascia obturatoria überzogen.

V. Der Beckenboden, Diaphragma pelvis

(Abb. 172—175)

Der Beckenausgang wird durch Muskelplatten verschlossen, die nur enge Öffnungen für den Darm und die Harn- und Geschlechtswege aufweisen. 1. Der M . levator ani e n t s p r i n g t (Abb. 172,173) an der seitlichen Beckenwand v o m Arcus tendineus fasciae pelvis. Dieser kräftige Sehnenbogen verläuft von der Symphyse

218

Das Becken. Die Bsckenwände

bis zur Spina ossis ischii. Von ihm spaltet sich noch der Arcus tendineus fasciae obturatoriae, eine Verstärkung der Fascia obturatoria, ab (Abb. 172). Die L e v a t o r f a s e r n steigen s c h r ä g nach d o r s o k a u d a l ab, ziehen an B l a s e , P r o s t a t a ( V a g i n a ) und R e c t u m vorbei, gehen dabei f e s t e r e Verbindungen mit P r o s t a t a (Vagina) und

M,

quadratus lumborum

Μ.

Μ.

iliopsoas

piriformis

Plexus

sacralis

M. coccygicus

Schnittrand der Fascia diaphragmalis pelvis interna Septum anococcygicum

Α., V., Ν. obturator. Α., V., Ν. femoralis

Fascia obturatoria

Gemeinsamer Faszienbogen

^

Arcus

tendineus fasciae obturatoriae

Arcus

tendineus fasciae pelvis

Μ.

levator ani

Urethra, Vagina, Rectum

Ν femoralis, N. obturatorius, Μ psoas

A b b . 172. Beckenbodenmuskulatur eines weiblichen Beckens, von kranial gesehen. Urethra, Vagina und Rectum sind oberhalb des „Levatortores" durchschnitten und entfernt. Die Fascia diaphragmatis pelvis interna ist kurz unterhalb des Levatorursprunges durchtrennt und entfernt. Links ist der M. psoas entfernt, um die Lage des N. femoralis, des N. obturatorius und des Plexus sacralis deutlicher zu zeigen.

R e c t u m ein und verlaufen in der H a u p t s a c h e d o r s a l v o m R e c t u m , wo sie sich mit den Fasern der Gegenseite verbinden und am Septum anococcygicum (Abb. 172, 175) oder am Os coccygis ansetzen. 2. Der M. coccygicus (Abb. 172, 173) schließt sich an den vorigen dorsal an, e n t s p r i n g t von der Spina ossis ischii und dem Lig. sacrospinale und s e t z t , mit Sehnenfasern durchmischt, am Seitenrande des Steißbeins an. I n n e r v a t i o n . Die beiden obigen Dammuskeln werden (Abb. 177) von direkten Ästen des Plexus sacralis (S. 3 , S. 4 ) versorgt.

219

Der Beckenbodcn

Beide Muskeln werden auf der Ober- und Unterseite von einer Faszie, der Fascia diaphragmatis pelvis interna und externa, überzogen. Die Levatorplatte ist mehr ein muskulöser V e r s c h l u ß f ü r d e n B e c k e n a u s g a n g , der die Eingeweide tragen soll, als ein Heber des Anus. Die sich hinter dem Anus schlingenförmig vereinigenden Fasern k o m p r i m i e r e n d e n A n u s gegen das feste Widerlager der Prostata, sind somit auch

Promunturiwn

-

M. psoas minor M. psoas major M.

M. ilicus

piriformis

Λα., Vv. glut, cran. et caud., pudend. int. M. obturator int. mit Fascia obturatoria



M. coccygicus

Canalis obturatorius M. rectus abd.

Gemeinsamer Faszienbogen

Areas tendineus fasciae obturatoriae Arcus tendineus fasciae pelvis Schnittrand d. Fase, diaphr. pelvis int. Symphysis

M. levator ani M. sphincter ani externus Rectum

V. dorsalis penis subfascialis Diaphragma urogenitale Corp. cavernosum penis

Prostata

M. Imlbocavenwsus

V rethra

A b b . 173. Beckenbodenmuskulatur, von medial gesehen. A n einem Mediansagittalschnitt durch ein männliches Becken sind Rektum. Prostata und Harnblase nach medial und kaudal gezogen. Der Arcus tendineus fasciae pelvis und der Arcus tendineus fasciae obturatoriae laufen nach dorsal in einen gemeinsamen Faszienbogen aus. Die Fascia diaphragmatis pelvis interna ist größtenteils entfernt.

ein S c h l i e ß m u s k e l für das Rectum. Die medialen Fasern der beiderseitigen Levatoren fassen einen schlitzförmigen Spalt, das Levatortor, zwischen sich. D u r c h dieses treten die bereits oben genannten Öffnungen für Darm, Harn und Geschlechtswege (Abb. 172). Dabei ruhen gerade auf den medialen Fasern, den Levatorschenkeln, Blase, Prostata (Uterus) und Mastdarm. Sind durch schwere oder häufige Geburten die Levatorschenkel auseinandergedrängt oder erschlafft, so können Blase, Uterus und R e c t u m tiefertreten, v o r f a l l e n (Prolaps). E s muß dann das Levatortor operativ verkleinert werden. Die schwache Stelle des Levatortores wird von kaudal her (Abb. 174, 175, 176) noch durch eine zusätzliche, muskulös-bindegewebige Platte, das Diaphragma urogenitale, verstärkt.

220

Das Becken. Die

Beckenwände

3. Das Diaphragma urogenitale spannt sich zwischen Symphyse und den unteren Schambeinästen bis zum Tuber ossis ischii aus. Den wesentlichsten Bestandteil bildet der M. transversus perinei profundus (Abb. 174, 175). B e i m M a n n e vereinigen sich die quer verlaufenden Muskelzüge beider Seiten in der Mittellinie. Ring- oder schleifenförmige Muskelzüge umgeben als M. sphincter Raphe

scroti

1

— "

Scrotum

" M.

bulbocauernosus

U relhra Corpus cavernosum urethrae Α., Ν. dorsalis

penis

Crus sin. cavertiosi Lig.

V. dorsalis penis stibfascialis

praeurethrale

M. sphincter urethrae diaphragmaticae

Pars diaphragmatic» urethrae

M. transv. perinei

Glandula bulbourethralis

M. obturator

corporis penis

M.

pro/.

ischiocavernosus

int. M. sphitwter

ani

ext.

M. glutaeus

maximus

M. levator ani •

I Anus

A b b . 174. Diaphragma urogenitale beim Manne, vom Damm aus gesehen. Die Harnröhre mit ihrem Schwellkörper ist teilweise entfernt.

urethrae diaphragmaticae die Pars diaphragmatica der Harnröhre (Abb. 174). Vor der Harnröhre besteht das Diaphragma aus einem straffen Bindegewebszug, dem Lig. praeurethrale. Zwischen dem Lig. praeurethrale und dem den Schamwinkel ausfüllenden Lig. arcuatum pubis bleibt ein Spalt für den Durchtritt der V. dorsalis penis subfascialis. (Die Vene kann hier nicht durch das Diaphragma komprimiert werden.) B e i d e r F r a u (Abb. 175) ist der M. transversus perinei prof, meistens viel schwächer, häufig weitgehend durch Bindegewebe ersetzt. Die Fasern verlieren sich um Harnröhre und Scheide und strahlen in die Gewebsbrücke zwischen Scheide und After, den Damm, Perineum, aus. In der Substanz des M. transversus perinei prof, eingebettet liegt zu seiten der Harnröhre bzw. Scheide ein Paar kleiner Schleimdrüsen. Wir nennen sie bei der Frau Glandulae vestibuläres majores [Bartholini], beim Mann Glandulae bulbourethrales [Cowperi].

221

Der Beckenboden D i e F a s c i a diaphragmatis urogenitalis interna und e x t e r n a s c h e i d e t d e n M.

irans-

versus perinei prof, auf der Ober- bzw. Unterseite ein und verstärkt damit das Diaphragma urogenitale. Der M. transversus perinei superficialis, ein sehr variabler, unbedeutender Muskelzug (Abb. 175, 176) spaltet sich von dem vorigen ab, liegt oberflächlicher und strahlt in den Damm aus. Fett

Lig. suspensorium cliloridis Praeputium clitoridis

Glans clitoridis Labium

minus

M. ischiocavernosus Orifkium ureihrae ext. M. bulbocavernosus Ostium vaginae Glandula vestibularis major ( Pro!· M. transu. f perinei | i superftc Perineum

Fossa ischiorectatis M. obturator int. Μ levator ani Anus M. levator ani

Μ. glutaeus maximus Abb. 175.

Os coccygis

Beckenbodenmuskulatur der Frau, vom Damm aus gesehen. vestibularis major freigelegt.

Septum anococcygicum Links ist die Glandula

Nervenversorgung: Der M. levator ani und der M. coccygicus erhalten direkte, auf der Beckenseite (Abb. 177) verlaufende Äste aus dem Plexus sacralis (S. 3 oder S. 4 ); alle übrigen Dammuskeln werden vom N. pudendalis (S. 2 —S. 4 ) versorgt. A b a r t e n : Einzelne Muskelfasern können durch Bindegewebe ersetzt sein. Solche weniger widerstandsfähige Stellen können Eingeweiden (Hernia perinealis) oder Abszessen zum Durchtritt dienen.

Fossa ischiorectalis. Die Trichterform des Diaphragma pelvis schafft an der Außenseite des M. levator ani (Abb. 175, 176) einen keilförmigen, nach kranial und laterale zugespitzten Raum, der nach medial von der Fascia diaphragmatis pelvis externa, nach

D a s Becken, Die

222

Bsckenwände

lateral von der Fascia m. obturatoris int., nach dorsal v o m M. glutaeus maximus und nach ventral v o m Diaphragma urogenitale begrenzt wird. E r ist im wesentlichen mit Fettgewebe ausgefüllt, das die Gefäße und Nerven der Dammgegend beherbergt. Raphe

scroti

Scrotum

Fascia

lata

M. bulbocavernosus

M. ischiocavertiosus

Fascia perinei superficialis

M. transversus perinei profundus Anus

Tuber Fossa

M. transversus t eritiei superficialis

ossis ischii

M. sphincter externus

ischiorectalis

M. obturator internus

Fascia diaphragmatis pelvis ext.

M. levator

Septum anococcygicum Os

ani

am

M. glutaeus maximus

coccygis

A b b . 176. Beckenbodenmuskulatur des Mannes, vom D a m m aus gesehen. erhalten, links entfernt.

R e c h t s sind die Faszien

VI. Die Öffnungen der Beckenwände In der W a n d des kleinen Beckens sind jederseits 3 Austrittsstellen für Nerven und Gefäße. 1. Der Canalis obturatorius. Der K a n a l ist 2 — 3 cm lang. Kranial wird er vom Schambein, kaudal scharfrandig von der Membrana obturans (Abb. 166) und von den Mm. obturator int. (Abb. 173) und externus begrenzt. E r verläuft von lateral und kranial nach medial und kaudal. Durch ihn gelangen der N. obturatorius und die A. und V. obturatoria zum Bein (Abb. 263). Normalerweise findet sich in dem K a n a l noch ein Fettpfropf. Das Bauchfell zieht über den Eingang hinweg. Schwindet der Fettpfropf, so können sich Bauchfell und Baucheingeweide in den K a n a l vorstülpen (Hernia obturatoria), den N. obturatorius reizen und Parästhesien im Hautgebiet des Nerven hervorrufen (Reithosenparästhesien).

Öffnungen, Gefäße und Nerven der Beckenwände

223

2. Das Foramen suprapiriforme. E s f ü h r t o b e r h a l b des M. piriformis v o m B e c k e n zur Gesäß regend u n d dient der A. u n d V. glutaea cranialis u n d dem N. glutaeus cranialis zum Durchtritt. Auch Brüche (Herniae suprapiriformes) und Eiterungen können durch das Loch den Weg zur Gesäßgegend nehmen. 3. Das Foramen infrapiriforme. E s führt u n t e r h a l b des M. piriformis die A . u n d V. glutaea caud., den N. glutaeus caud., die A. u n d V. pudendalis interna, den N. fiudendalis, den N. ischiadicus u n d den Ν. cut. femoris dorsalis zur Gesäßgegend. Auch hier können Brüche und Eiterungen in die Gesäßgegend vordringen. 4. A l s Varietäten können L ü c k e n in der S u b s t a n z des M. levator ani oder zwischen M. levator ani u n d M. coccygicus v o r k o m m e n . Sie geben A n l a ß z u den seltenen D a m m hernien, Herniae perineales.

VII. Die Gefäße und Nerven der Beckenwände (Abb. 177) 1. Der N. obturatorius (einziger Nerv aus dem Plexus lumbalis, der im kleinen Becken verläuft) zieht fingerbreit unterhalb der Linea terminalis z u m Canalis obturatorius. E r wird von der A. und V. obturatoria begleitet. Die A. obturatoria anastomosiert durch

• A.

itioiumbalis

A. glutaea cran. Α., V. ilica communis Α.,

V. ilica interna

Α.,

V. ilica externa

Aorta

A sacralis tat. Grenzstrang mit R. communicans Plexus sacralis

Α., V. circumfl. ilium prof.

^ · A. vesicalis

A. pudendalis interna — Rr. viscerales

Chorda a. umbilic. cran

M. coccygicus u R. musc. - Os coccygts

Ν., Α., V. obturatoria R anastomoHcus Μ

obturator

Arcus

· " Rr.

int.

pect in i.· • forme Ν., Α.. V. dorsalis penis Corpus caverno- • sum urethrae

levator ani musc

u.

- N. pudendalis, A. pudend. int.

tendineus m. levatoris Symphyse

Septum

caud.

, A. glutaea caud.

Α., V. epigastrica caudalis

Aa. vesicates

caud.

Ν., A. —

analis

N., A. perinea is

"-•A

prof, penis

" Ν., A. dorsalis penis " - Diaphragma urogenitale Μ. ischiocavernosus 'Nn.

scrotales

Abb. 177. Gefäße und Nerven der rechten Beckenhälfte nach der Entfernung der Beckeneingeweide.

224

Das Becken. Der Inhalt des Bsckenraumes

den Ramus pubicus mit der A. epigastrica caud. In 2 5 % der Fälle entspringt die A . obturatoria aus der A . epigastrica caud. Die starke Anastomose zwischen den Arterien verläuft vor dem Anulus femoralis und kann bei Operationen von Herniae femorales Anlaß zu starken Blutungen geben (Corona mortis). Die A. ilica communis teilt sich vor dem Articulus sacroilicus in die A. ilica externa und die A. ilica interna [hypogastrica]. Die A. i l i c a e x t e r n a verläuft an der medialen Fläche des M. psoas major mit der gleichnamigen Vene zum Bein. 2. Die A. ilica interna [hypogastrica] steigt ins kleine Becken herab, teilt sich häufig in einen vorderen und hinteren Ast und gibt 5 parietale und 5 viszerale Äste ab. a) D i e p a r i e t a l e n Ä s t e sind: die A. iliolumbalis, A. obturatoria, A. sacralis lateralis, A. glutaea cranialis und A. glutaea caud. Über ihre Aufzweigung s. S. 324. Topographisch sei erwähnt, daß die A. glutaea cran. m e i s t zwischen dem Truncus lumbalis und der 1. Sakralwurzel zum Foramen suprapiriforme gelangt. b) D i e v i s z e r a l e n Ä s t e : A. umbilicalis, A. vesicalis caudalis, A. deferentialis (bzw. uterina), A. rectalis caudalis und A. pudendalis interna werden bei den Beckeneingeweiden und dem D a m m besprochen. Vgl. A b b . 191 und S. 241. 3. Der Plexus sacralis (L. 3 —S. 5 ) liegt auf dem M. piriformis. Seine Äste sind meist von den Ästen der A . ilica int. überlagert. Mit der Hauptmasse seiner Nerven gelangt er durch das For amen supra- und infrapiriforme zur Gesäßgegend (vgl. S. 328). Nur die Rami viscerales (zu den Beckeneingeweiden) und die Rami musculares für den M. levator ani und M. coccygicus bleiben im Becken (vgl. Abb. 177). 4. Die Trunci sympathici verlaufen vor dem Kreuzbein medial von den Foramina sacralia pelvina abwärts und enden vor dem Steißbein mit dem Ganglion coccygicum impar. 5. Die Aorta caudalis [A. sacralis media] verläuft median vor dem Kreuzbein abwärts (Gefahr bei Kreuzbeinresektion).

B. Der Inhalt des Beckenraumes Das kleine Becken beherbergt die männlichen bzw. weiblichen Geschlechtsorgane, die Harnblase, die unteren Enden der Harnleiter und das untere Ende des Darmrohres, das Rectum oder Intestinum terminale. Das Bauchfell steigt über die Linea terminalis in das kleine Becken herab und bedeckt wie ein ausgebreitetes Tuch von oben her die oben genannten Organe. Reichliches Fett- und Bindegewebe füllt die Räume zwischen den Beckenknochen und den genannten Eingeweiden aus. A n der Beckenwand und im Bindegewebe verlaufen die Gefäße und Nerven für die Eingeweide (viszerale Äste) und die Beckenwand und die unteren Gliedmaßen (parietale Äste) (Abb. 177 s. S. 223). Begriff und Einteilung der Geschlechtsorgane. Geschlechtsorgane sind jene Eingeweide, die der Fortpflanzung und damit der Erhaltung der A r t dienen. Sie bergen bzw. bilden die Keimzellen, leiten sie fort zu den für die Aufbewahrung günstigen Orten, dienen als Behälter für die Frucht und liefern wichtige Hormone und andere Drüsenprodukte. Diese im wesentlichen im Becken und o b e r h a l b des Beckenbodens gelegenen Geschlechtsorgane nennen wir innere Geschlechtsorgane. Ihnen stellen wir die der Vereinigung der Keimzellen beider Geschlechter, der Begattung dienenden äußeren Geschlechtsorgane gegenüber. Sie liegen im wesentlichen außerhalb des Beckens und u n t e r h a l b des Beckenbodens.

225

Übersicht über die Harn- und Geschlechtsorgane

I. Übersicht über die Harn- und Geschlechtsorgane 1. B e i m

Mann

a) D i e männlichen H a r n o r g a n e (Abb. 178) Der in den Nieren (Renes) abgesonderte Harn gelangt durch die Nierenkelche, Calices renales, das Nierenbecken, Pelvis renalis, den Harnleiter, Ureter, in die Harnblase, Vesica urinalis. Die Harnblase mündet trichterförmig in die S-förmig gebogene Harnröhre, Urethra. Die letztere ist nur bis zur Einmündung des Samens (auf dem Samenhügel der Prostata) ausschließlich Harnröhre, von dort ab aber Harnsamenröhre. A n der Harnröhre unterscheiden wir die in der Blasenwand gelegene Pars intramuralis, die in der Prostata gelegene Pars prostatica, die ._ Ren das Diaphragma urogenitale durchsetzende Pars diaphragmatica und die von Schwellkörpern umgebene Pars cavernosa. b) D i e m ä n n l i c h e n

G e s c h l e c h t s o r g a n e (Abb. 178)

Die im Hoden, Testis, entstehenden Samenfäden, Spermien, Uräer werden im Nebenhoden, Epididymis, gespeichert und gelangen durch den Samenleiter, Ductus deferens, und den AusspritzungsChorda urachi gang, Ductus ejaculatorius, auf den Samenhügel, Colliculus seminalis, Vesica urinalis der Harnröhre. Das Ende des Samenleiters ist zur Ampulla ductus Symphysis ossium Ampulla deferentis erweitert. Lateral von pubis ductus deferentis der Ampulla liegt die Bläschen0J Μ Prostata drüse, Glandula vesiculosa, deren Diaphragma urogenitale —.Glandula bulboSekret sich dem Samen beimischt / penis urethralis und ebenfalls durch den Ductus Corpus I Ductus defeiens ejaculatorius in die Harnröhre ge- cavernosum I( urethrae ~ -3-r—— Epididymis langt. In der Höhe des Samenhügels mischt sich dem Samen Testis noch das Sekret der kastanienGlans penisgroßen Vorsteherdrüse, der Pro—< Scrotum stata, zu. Weiter abwärts nimmt der Samen den gleichen Weg wie A b b . 178. Schema der Harn- und Geschlechtsorgane des der Harn. Wir sprechen deshalb Mannes. von einer Harnsamenröhre. Die Pars cavernosa der Harnsamenröhre dient gleichzeitig noch als Begattungsorgan. 2. B e i der F r a u a) D i e w e i b l i c h e n

H a r n o r g a n e (Abb. 179)

sind bis auf die Harnröhre weitgehend den männlichen gleich. Auf Geschlechtsunterschiede wird bei den einzelnen Organen hingewiesen.

die

feineren

Grundsätzlich verschieden ist die getrennte Ausmündung der Harn- und Geschlechtswege. Die nur kurze, weibliche Harnröhre mündet vor der Scheide in den Scheidenvorhof, das Vestibulum vaginae. W a l d e y e r , Anatomie I. 2. Aufl.

226

Das Becken. Der Inhalt des Beckenraumes

b) Die weiblichen Geschlechtsorgane (Abb. 17g) Die weiblichen Geschlechtszellen, die Eier, Ovula, wachsen im Eierstock, Ovarium, in den Follikeln heran. B e i m geschlechtsreifen W e i b e gelangen sie in R h y t h m e n v o n 4 W o c h e n durch P l a t z e n der reifen Follikel auf die Oberfläche des Eierstocks. Hier werden sie v o n dem Eileiter, der Tuba uterina, aufgefangen und der Gebärmutter, dem Uterus, zugeleitet. Die B e f r u c h t u n g findet im Eileiter statt. D a s befruchtete, sich bereits entwickelnde E i nistet sich in der Schleimhaut der Gebärmutter ein. Hier w ä c h s t es zur reifen F r u c h t heran. Die G e b ä r m u t t e r dient somit als B r u t h ö h l e u n d Ren als E r n ä h r u n g s o r g a n für den Keimling. Ist die F r u c h t reif oder stirbt sie frühzeitig ab, wird der Uterus z u m A u s t r e i b u n g s U reter o r g a n . Die Scheide, Vagina, wird dann z u m G e b u r t s k a n a l . Sie ist aber gleichzeitig noch Begattungsorgan. Tuba

uterina

Chorda uteroinguinales Chorda uteroovarica Chorda urachi

Vesica urinalis Symphysis ossium pubis Clitoris

Eierstock, Eileiter, Geb ä r m u t t e r u n d S c h e i d e liegen i m kleinen B e c k e n oberhalb des Diaphragma urogenitale und schieben sich als Genitalplatte zwischen Harnblase u n d Mastdarm. Sie werden als die i n n e r e n Geschlechtsorgane bezeichnet. A l s Grenze gegen die äußeren Geschlechtsorgane geben wir das Jungfernhäutchen, den Hymen, an.

- Glandula vestibularis major

Die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane werden k u r z als die weibliche Scham, Pudendum femininum, beAbb. 179. Schema der Harn- und Geschlechtsorgane zeichnet. Sie bestehen aus dem der Frau. Kitzler, der Clitoris, den kleinen und großen Schamlippen, Labia minora et majora fudendi. Zwischen ihnen münden noch die den Cowper sehen Drüsen entsprechenden Bartholini sehen Drüsen, die Glandulae vestibuläres majores, aus. Diaphragma urogenitale

'

II. Die Differenzierung der männlichen nnd weiblichen Geschlechtsorgane 1. Die Differenzierung der inneren Genitalien Die K e i m d r ü s e n u n d die Geschlechtsgänge bilden sich zunächst als eine indifferente Anlage aus. A n der dorsalen Leibeshöhlenwand entsteht an der medialen Seite der Urnierenanlage die Genitalfalte, in deren k a u d a l e m T e i l sich die Keimdrüse entwickelt. Sie liegt der Urniere auf. L a t e r a l v o n der Urnierenanlage entsteht durch W u c h e r u n g des Zölomepithels der Geschlechts- oder Müller sehe Gang. N a c h k a u d a l kreuzt er

227

Differenzierung der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane

den Urnieren- [Wolff sehen] Gang, zieht medial von ihm herab und mündet neben den Urnierengängen in den Sinus urogenitalis. Vom kranialen bzw. kaudalen Pol der Urnieren-Keimdrüsenanlage gehen das k r a n i a l e bzw. k a u d a l e U r n i e r e n - K e i m d r ü s e n b a n d ab (Abb. 180). Männliche Differenzierung (Abb. 181). Der Müller sehe Gang wird rückgebildet. Das kraniale Ende liefert meistens einen bläschenförmigen, kleinen Anhang am Hoden, die A p p e n d i x t e s t i s . Das kaudale Ende bildet einen kleinen Blindsack auf dem Samenhügel der Pars prostatica urethrae, den U t r i c u l u s p r o s t a t i c u s . Der Urnierengang und der Keimdrüsenanteil der Urnieren bleiben ' \ .Wraffln Niere erhalten. Die Querkanälchen treten mit dem Rete testis in Verbindung und liefern die D u c t u l i Appendix

epididymides

Niere Appendix

Testis

Kraniales Keimdrüsenund Urnicrenband - A bdominales Ende des Müllerschen Ganges ^

-

testis

Leistenband der Urniere (Gubernaculum testis)

Keimdrüse

Urnierenkörper

Müller scher Gang (:rückgebildet) U reter

U rnierengang

Ductus

Müllerscher

Gang

Ureter

Ductus deferens

deferens

Glandulae vesiculosae

Utriculus prostaticus Prostata J Ornierenbarnl Mündungen der Ureteren Mündung d. Müllerschen Gänge Sinus urogenitalis

Gland, bulbo urethrales

Kaudales

Geschlechtshöcker

Appendix testis \ '

Harnblase Mündung der Urnierengänge

Corpm cavernosum urethrae Hoden

Ductus epididymidis

-

Geschlcchtswulst —

Harnblase Corpus cavernesum penis

Appendix epididymidis Epididymis

_ Geschlechts!alte

Atter Kloake

Paradidymis Ductulus

aberrans Gubernaculum

A b b . 180. Schema der Entwicklung des Geschlechtsapparates. Indifferentes Stadium. Verändert nach Braus.

testis

A b b . 181. Schema der Entwicklung des männlichen Geschlechtsapparates. Verändert nach Braus.

e f f e r e n t e s des Nebenhodens. Querkanälchen, die keine Verbindung zum Rete testis bekommen, werden zu D u c t u l i a b e r r a n t e s . Geht auch die Verbindung zum Urnierengang verloren, so sprechen wir vom Beihoden oder P a r a d i d y m i s . Der Urnierengang liefert die Abführwege der männlichen Keimzellen, der S p e r m i e n , den Nebenhodengang, D u c t u s e p i d i d y m i d i s , den Samenleiter, D u c t u s d e f e r e n s , und den D u c t u s e j a c u l a t o r i u s . Als blindsackförmige Aussackung des kaudalen Endes des Urnierenganges entsteht die B l ä s c h e n d r ü s e . Der Anfangsteil des Urnierenganges wird zur bläschenförmigen A p p e n d i x e p i d i d y m i d i s . Die V e r l a g e r u n g d e s H o d e n s nach kaudal erfolgt zunächst ähnlich wie beim Eierstock. Das kaudale Urnieren-Keimdrüsenband (auch Leistenband der Urniere genannt) bleibt besonders

D a s B e c k e n . D e r I n h a l t des

228

Beckenraumes

s t a r k i m W a c h s t u m z u r ü c k . D a d u r c h ist b e r e i t s z u B e g i n n des 3. K e i m l i n g s m o n a t e s d e r H o d e n v o n der L e n d e n g e g e n d i n die G e g e n d des i n n e r e n L e i s t e n r i n g e s a n die v o r d e r e B a u c h w a n d v e r l a g e r t . H i e r b l e i b t er b i s z u m 7. M o n a t liegen. U n t e r d e s s e n s t ü l p t sich d a s B a u c h f e l l d u r c h d e n L e i s t e n k a n a l v o r , b i l d e t d e n P r o c e s s u s v a g i n a l i s p e r i t o n a e i . D a d a s L e i s t e n b a n d d e r U r n i e r e (auch L e i t b a n d des H o d e n s , G u b e r n a c u l u m t e s t i s , g e n a n n t ) d u r c h d e n L e i s t e n k a n a l z u r H a u t zieht, m u ß es b e i der A u s s a c k u n g d e r v o r d e r e n B a u c h w a n d z u m H o d e n s a c k b i s z u m G r u n d e des l e t z t e r e n reichen.

— Niere

Appendix

vesiculosa. —



Ostium abdominale —

Kraniales

Keimdrüsen-

u.

Urnierenband

^ - Ovarium

- Plica

suspensoria

Ovarium Tuba

uterina

Chorda uteroovarica Chorda

Uterus

uteroinguinalis

Blase Ductus Gartneri

u. Anulus

—-—

Chorda uteroinguinalis — inguin. praeperi'onaealis Vagina U rethra Clitoris

Orificium

urethrae externum

Corpus cavernosum clitoridis Glandula vestibularis

major-—-

—Ostium - Bulbus

A b b . 182.

Schema der Entwicklung des weiblichen Verändert nach Braus.

vaginae vestibuli

Geschlechtsapparates.

I n d e n l e t z t e n S c h w a n g e r s c h a f t s m o n a t e n w a n d e r t d e r H o d e n d u r c h d e n L e i s t e n k a n a l in d e n H o d e n s a c k . D i e A n w e s e n h e i t d e r H o d e n i m H o d e n s a c k wird als e i n Z e i c h e n d e r R e i f e angesehen. D i e S c h i c h t e n d e r B a u c h w a n d l i e f e r n die S c h i c h t e n des H o d e n s a c k e s (s. S . 140). W i r d die V e r l a g e r u n g des H o d e n s , d e r D e s c e n s u s t e s t i s , i r g e n d w o g e h e m m t , so h a b e n w i r die v e r s c h i e d e n e n F o r m e n des K r y p t o r c h i s m u s . D i e B i l d u n g d e r S a m e n f ä d e n ist d a b e i g e s t ö r t . B l e i b t d e r P r o c e s s u s v a g i n a l i s p e r i t o n a e i o f f e n , so h a b e n w i r die A n l a g e eines a n g e b o r e n e n L e i s t e n bruches. Weibliche Differenzierung ( A b b . 182). D e r k r a n i a l e T e i l d e s Müller sehen G a n g e s w i r d zur T u b a u t e r i n a . D e r k a u d a l e T e i l v e r s c h m i l z t m i t d e m G a n g d e r a n d e r e n Seite zu e i n e m einheitl i c h e n H o h l r a u m , d e r sich zu U t e r u s u n d V a g i n a w e i t e r d i f f e r e n z i e r t . D i e U r n i e r e n a n l a g e w i r d r ü c k g e b i l d e t . D i e Q u e r g ä n g e liefern d a s E p o o p h o r o n und P a r o o p h o r o n ; der U r n i e r e n g a n g

Die Beckeneingeweide beim Mann

229

verödet in der Regel, kann aber auch als D u c t u s e p o o p h o r i l o n g i t u d i n a l i s (Gartneri) erhalten bleiben und an der Seite des Uterus herabziehen. Das kaudale Keimdrüsen-Urnierenband verwächst am Tubenwinkel mit der Uteruswand, zerfällt damit in zwei Abschnitte, die kraniale C h o r d a u t e r o o v a r i c a und die kaudale C h o r d a u t e r o i n g u i n a l i s . Die letztere zieht durch den Leistenkanal zur Haut der vorderen Bauch wand. Da nun die Rumpfwand stärker als das Band wächst, werden die Keimdrüsen allmählich von der Lendengegend in das große Becken verlagert (Abb. 182, Stadium B). Schließlich werden die Ovarien noch an die Seitenwand des kleinen Beckens verlagert. V o m pelvinen Pol des Eierstockes zieht die P l i c a s u s p e n s o r i a o v a r i i als Rest des kranialen Urnierenkeimdrüsenbandes nach kranial ins große Becken. Der Eileiter folgt den Verlagerungen des Eierstockes (Stadium C).

2. Die Differenzierung der äußeren Genitalien Auch die ä u ß e r e n Geschlechtsorgane sind ursprünglich gleich angelegt (Abb. 180). Es sind der Sinus urogenitalis, der gemeinsame Kanal für Harn- und Geschlechtsprodukte, der G e s c h l e c h t s h ö c k e r , die G e s c h l e c h t s f a l t e n und die G e s c h l e c h t s w ü l s t e . Bei der F r a u bleibt dieses Indifferenzstadium weitgehend erhalten. Es werden der Sinus urogenitalis zum Scheidenvorhof, Vestibulum vaginae, der Geschlechtshöcker zum Kitzler, Clitoris, die Geschlechtsfalten zu den kleinen Schamlippen, Labia minora, und die Geschlechtswülste zu den großen Schamlippen, Labia majora. Beim M a n n ergibt die Bildung des für die Begattung wichtigen Gliedes, Penis, eine weitgehende Um- und Weiterbildung der ursprünglich indifferenten Anlage. Es wird der Geschlechtshöcker zum kräftigen Schwellkörper des Gliedes, Corpus cavernosum penis. Die Schamfalten beider Seiten verwachsen miteinander zu einer Röhre, die als Fortsetzung des Sinus urogenitalis die Harn- und Geschlechtsprodukte zur Spitze des Gliedes führt. Sie liefern somit einen Teil der männlichen Harnröhre, Urethra masculina, den Schwellkörper der Harnröhre, Corpus cavernosum urethrae, und die Eichel, Glans penis. Die Schamwülste verschmelzen zum Hodensack, Scrotum, der die durch den Leistenkanal austretenden Hoden aufnimmt.

III. Die Beckeneingeweide beim Mann 1. Der Mastdarm D e r M a s t d a r m , das Rectum oder Intestinum terminale, geht am kranialen Rande des 3. Kreuzbeinwirbels aus dem Sigmoid hervor. E r ist nicht, wie der Name „ R e c t u m " besagt, ein gerades Rohr, sondern er zeigt konstant 2 Krümmungen in der Sagittalebene. Die obere der beiden Krümmungen, die Flexura sacralis, legt sich der gekrümmten Beckenfläche des Kreuzbeins an, die untere, die Flexura perinealis, weist (Abb. 184) mit ihrer K o n v e x i t ä t nach vorn. Neben diesen konstanten Krümmungen in der Sagittalebene kommen noch verschiedene inkonstante in der Frontalebene vor. Das Rectum ist nämlich verschieden häufig von links und rechts eingeschnürt. Zwischen diesen Einschnürungen liegen unregelmäßige Ausbuchtungen. Es sei hier ausdrücklich betont, daß die seitlichen Krümmungen keine Funktionszustände dar stellen, sondern schon im 4. Embryonalmonat vorhanden sind.

Der 15—20 cm lange Mastdarm zeigt innen (Abb. 183, 210) meist 3 halbmondförmige Querfalten, von denen eine, die Plica transversa recti {Kohlrauschsehe Falte], r e c h t s etwa 6,5 cm oberhalb des Afters liegt und ziemlich konstant ist. 2 kleinere Querfalten liegen links und sind inkonstant. Der oberhalb der Querfalten gelegene Teil ist meist erweitert und wird Pars ampullaris genannt. Die unterhalb der Querfalten gelegene Pars analis reicht bis zum After, Anus, und bildet die Flexura perinealis. Die Röntgenologen pflegen am Mastdarm 3 T e i l e zu unterscheiden. Nur der obere Teil der Pars ampullaris wird als A m p u l l e bezeichnet. Er ist 16—20 Stunden nach einer Kontrastmahlzeit gefüllt und erscheint als Hohlkörper. Der untere Teil der Pars ampullaris bleibt bis zur Defäkation geschlossen. Pars analis ist bei ihnen nur der mit Columnae rectales versehene Teil. A n a t o m i s c h läßt sich zwischen den beiden Abschnitten der Pars ampullaris keine Grenze ziehen. Als Kotbehälter dienen aber nur das Sigmoid und die Ampulle der Röntgenologen.

230

D a s Becken. Der Inhalt des

Beckenraumes

Die Pars analis recti zeigt 6 — 8 Längsfalten, Columnae rectales, zwischen denen die gleiche Zahl von Buchten, Sinus rectales, liegt. Die Columnae rectales enthalten starke Venenpolster, die bei der Defäkation entleert werden und für den Verschluß des Afters eine wesentliche Rolle spielen (Stieve). D i e T a e n i e n d e s D i c k d a r m s fließen auf dem R e k t u m zu einer einheitlichen Längsmuskellage, die ventral und dorsal etwas stärker ist, zusammen. Einzelne Muskelfasern gewinnen Beziehung zur Nachbarschaft: zum Steißbein (Μ. rectococcygicus), zur Blase und zur Prostata. Die Ringmuskelschicht verdickt sich gegen den Anus hin zum glatten (unwillkürlichen) Schließmuskel, M. sphincter ani internus. A u f diesen legt sich v o n außen der quergestreifte (willkürliche) M. sphincter ani externus (s. Damm). Umschlagstelle des Peritonaeum

Pars ampullaris Plica transversa.

Pars

analis Columnae • rectales

M. levator ani-

Bauchfellbeziehungen. Der oberste Teil des R e k t u m ist vollständig v o m B a u c h f e l l überzogen, hat ein kurzes Mesorectum. Der folgende Abschnitt ist nur ventral und lateral und schließlich nur noch ventral überzogen. In der Höhe der Plica transversa recti schlägt das Bauchfell auf die Kuppen der Bläschendrüsen und die Rückfläche der Blase über, bildet zwischen Mastdarm und Blase die Excavatio rectovesicalis. Unterhalb der Plica transversaliegtdasRektum vollständig e x t r a p e r i t o n a e a l .

Gefäßversorgung: Die u n p a a r e A . rectalis cranialis [A. M. sphincter haemorrhoidalis sup.] (aus der A . ani ext. mesenterica caudalis) teilt sich am R e k t u m in einen linken und rechten M. sphincter am int. Anulus haemorrhoidalis Ast, die den oberen Teil der Muskulatur und nahezu die ganze SchleimA b b . 183. Mastdarm von ventral, teilweise eröffnet. haut versorgen. Sie muß bei operativen Eingriffen geschont werden. Die p a a r i g e n Aa. rectales caudales [Aa. haemorrhoidales med.] (aus der A. ilica int.) und die Aa. anales [Aa. haemorrhoidales inf.] (aus der A. pudendalis int.) versorgen vorzugsweise die Muskulatur des analen Teiles. Sinus

rectales -

Die Venen bilden am R e k t u m ein Netzwerk, den Plexus rectalis. Der A b f l u ß erfolgt zur Pfortader oder zur V. cava caudalis. Stauungen im Pfortaderkreislauf können zu Erweiterungen der Venengeflechte, zu Hämorrhoiden, führen.

Die Lymphgefäße zeigen 3 Abflußrichtungen und 3 Gruppen von regionären L y m p h knoten. Sie ziehen v o m o b e r e n T e i l mit der A . rectalis cranialis zu den Lymphonodi sacrales (in der Kreuzbeinkonkavität), v o m m i t t l e r e n T e i l zu den Lymphonodi ilici

Mastdarm, Harnblase, Harnleiter

231

interni (um A . u n d V . ilica int.) u n d v o m u n t e r e n T e i l z u d e n L y m p h o n o d i i n g u i n a l e s superficiales. I n k o n s t a n t sind n o c h die L y m p h o n o d i anorectales ( z w i s c h e n R e k t u m , B l a s e u n d P r o s t a t a ) . Sie h a b e n i h r e n A b f l u ß e b e n f a l l s z u d e n L y m p h o n o d i ilici i n t e r n i . Feinbau. D i e S c h l e i m h a u t ist gleich der des Dickdarmes. Auf den Columnae rectales geht das einschichtige Zylinderepithel in geschichtetes, nicht verhorntes Plattenepithel über, wogegen die Sinus rectales noch Dickdarmcharakter haben. Eine Z w i s c h e n z o n e im Bereich des Anulus haemorrhoidalis (Abb. 183) hat geschichtetes Plattenepithel und freie Talgdrüsen. Der Endteil hat den Charakter der äußeren Haut (Pars cutanea). Neben Haaren und Talgdrüsen finden wir hier noch die großen apokrinen Glandulae circumanales.

2. Harnblase und Harnleiter Der Harnleiter, Ureter, ü b e r k r e u z t die A . u n d V . i l i c a e x t e r n a , v e r l ä u f t m i t seiner Pars pelvina a n d e r S e i t e n w a n d d e s k l e i n e n B e c k e n s v o r d e r A . i l i c a i n t e r n a a b w ä r t s , w e n d e t sich n a c h v o r n u n d m e d i a n w ä r t s , u n t e r k r e u z t h i e r d e n D u c t u s d e f e r e n s , d u r c h b o h r t s c h r ä g v o n h i n t e n h e r die W a n d d e s Fundus der Harnblase u n d m ü n d e t m i t d e m s c h l i t z f ö r m i g e n O r i f i c i u m ureteris. N ä h e r e s s. S. 200.

Promunturium

Os sacrum et Canalis sacralis

Omentum majus

Dünndarmschlingen — Plica vesicalis transversa Vesica urinalis

- Plica recti

transversa

Excavalio rectovesicalis Rectum

Symphysis P. intramuralis

Ampulla duct, delerentis et Ductus ejaculatorius M. sphincter ani externus

P. prostatica + Prostata P. diaphragmatica P. cavernosa

M. sphincter internus

ani

Anus

Corp. cavernosum urethrae Corpus cavernosum penis mit Septum pectiniforme

Utricu'.us

prostaticus

urogenitale bulbourethral

Corona glandis

Bulbus corporis cavernosi urethrae

Glans penis

M. bulbocavernosus

Praeputium Fossa'' J naviculars 0 H f i c i u m urethrae ext.

Testis a

Epididymis

A b b . 184. Mediansagittalschnitt durch ein männliches Becken. Das Skrotum ist paramedian getroffen.

232

Das Becken. Der Inhalt des Beckenraumes

Die Harnblase, Vesica urinalis, ist ein muskulöses Hohlorgan, das den Harn sammelt und durch die Harnröhre entleert. Die physiologisch gefüllte Harnblase faßt durchschnittlich 350 ccm. Form und Lage der Blase wechseln stark mit dem Füllungszustande. Wir unterscheiden einen Blasengrund, Fundus vesicae, einen Blasenkörper, Corpus vesicae, und einen Blasenscheitel, Vertex vesicae. Vom Blasenscheitel zieht die Chorda urachi, der obliterierte Allantoisgang, zum Nabel. Der Blasengrund ist nach kaudal und dorsal gerichtet, liegt der Prostata, der Ampulla ductus deferentis und der Bläschendrüse an. Das Bauchfell überzieht den dorsalen Teil des Scheitels und des Blasenkörpers, überkleidet die Kuppe der Bläschendrüsen und schlägt sich dann auf das Rektum über. Bei l e e r e r Blase bildet das Bauchfell über der Blase eine quere Reservefalte, die Plica vesicalis transversa. Die Muskelschicht, Tunica muscularis, der Blase besteht aus glatten Muskelzellen, die netzartig verbunden sind, aber doch 3 Hauptlagen, eine i n n e r e , l ä n g s , eine m i t t l e r e , r i n g f ö r m i g und eine ä u ß e r e , l ä n g s verlaufende Schicht erkennen lassen. Eine abweichende Muskelanordnung finden wir im Bereich der Harnröhrenöffnung und des Trigonum vesicae [Lieutaudi]. Die äußeren Längsmuskelzüge der dorsokranialen Blasenfläche umfassen mit einer U-förmigen Schleife ventral die Harnröhrenöffnung und helfen bei dem Verschluß der Harnblase (Sphincter vesicae internus [Heiss] oder auch 'Detrusor [Dennig]). Die zwischen den Schenkeln der D e t r u s o r s c h l e i f e gelegenen Längsmuskelzüge durchbohren die übrigen Muskellagen und strahlen mit elastischen Sehnen in die Uvula vesicae (s. u.) aus. Sie verschieben die Uvula nach kranial und hinten und unterstützen damit die Öffnung der Harnblase. Das Trig, vesicae zeigt von innen nach außen zunächst Längsmuskelzüge, die von den Ureterenöffnungen zur Harnröhrenöffnung hin konvergieren. Darunter liegen quer verlaufende Züge, die teils bogenförmig von hinten die Harnröhre umfassen und für den Verschluß in Frage kommen (M. trigonalis [Kalischer]). Die Schleimhaut der Blase ist durch eine lockere Tela submucosa mit der Muscularis verbunden. Bei leerer Blase legt sie sich in Falten, die bei der Füllung wieder verschwinden. Nur am Blasengrunde, zwischen den schlitzförmigen Ureterenöffnungen und der Harnröhrenöffnung, liegt ein gleichschenkliges Dreieck, das Trigonum vesicae, in dem die Submucosa fehlt. Die Schleimhaut ist hier fest mit der besonders kräftigen und komplizierten Muskulatur verwachsen, so daß auch bei leerer Blase keine Schleimhautfalten auftreten. Die ventrale Spitze des Dreiecks läuft in einen Wulst, die Uvula vesicae, aus. Diese setzt sich in die Crista urethralis, eine längliche Schleimhautfalte, fort. Die Schleimhaut besitzt im Gebiet des Blasendreiecks kleine Schleimdrüsen, die Glandulae trigonales. Vereinzelt kommen in ihr noch Lymfhonoduli vor. Das Epithel besteht, wie in den Nierenbecken und Harnleitern, aus Übergangsepithel (s. S. 12). Befestigung der Blase. Sie ist durch Muskelzüge mit der P r o s t a t a verbunden. Beide ruhen auf dem Beckenboden. V o m Vertex zieht die C h o r d a u r a c h i zum Nabel. Auch das B a u c h f e l l und die B e c k e n g e f ä ß e haben wohl einen gewissen Einfluß auf die Fixation. Wir bezeichnen das in der Umgebung der Blase gelegene Beckenbindegewebe als Paracystium. E s ist ziemlich locker und ermöglicht die Lage Verschiebungen. Die im prävesikalen Bindegewebe gelegenen, stärkeren, muskulös-bindegewebigen Züge (Mm. bzw. Ligg. pubovesicalia) strahlen von der Symphyse nach k r a n i a l in die ventrale Blasenwand, in die Nähe der Harnröhrenmündung aus. Sie können ihrem Verlauf nach n i c h t z u r B e f e s t i g u n g dienen, u n t e r s t ü t z e n vielmehr (Heiss) die E r ö f f n u n g d e r H a r n b l a s e (s. unten). Gefäßversorgung. Die Arterien kommen aus dem noch durchgängigen Teil der A. umbilicalis (Aa. vesicales craniales) und aus der A. ilica interna (Aa. vesicales caudales).

233

Harnblase

— Vesica urinalis Oriticium ureteris Plica ureterica

Trigonum vesicae

Glandula vesiculosa

Crista urethralis

Prostata, Pars urethrae

Colliculus seminalis

Mündung des Ductus ejaculalorius Crista urethralis

Utriculus prostaticus Pars

diaphragmaiica

prostatica

urethrae

Glandula bulbourethral Cms dexter corp. caverttosi penis

Bulbus corporis cavernosi urethrae

Mündung d. Gland, bulbourethral

Corpus cavernosum urethrae Pars

cavernosa

urethrae

Corpus cavernosum penis

Tunica albuginea Septum pectini/orme Lacunae urethrales

Corona glandis Fossa navicularis Praeputium Glans penis

Orijicium urethrae externum

Abb. 185.

Männliche Harnblase und Harnröhre der Länge nach aufgeschnitten.

234

Das Becken. Der Inhalt des Beckenraumes

Die Venen bilden einen inneren, submukösen, und einen äußeren Plexus vesicalis. Das submuköse Geflecht liefert besonders im Bereich des Blasendreiecks und der Harnröhrenöffnung ein starkes venöses Polster, das sich zu den submukösen Venen der Harnröhre und zu dem starken Plexus vesicopudendalis entleeren kann. Dieses submuköse Geflecht spielt nach Heiss bei der letzten Abdichtung der Harnröhrenöffnung eine wichtige Rolle (s. unten). Die Lymphgefäße vom T r i g o n u m v e s i c a e verlaufen mit der A. vesicalis caud. zu den L y m p h o n o d i ilici. Die Lymphgefäße der o b e r e n W a n d ziehen zu den Ureterenmündungen, sind dort mit denen der Gegenseite verbunden und verlaufen zu L y m p h k n o t e n l ä n g s d e s N. o b t u r a t o r i u s . Die Lymphgefäße des B l a s e n s c h e i t e l s und der b e n a c h b a r t e n U n t e r f l ä c h e ziehen zu S c h a l t l y m p h k n o t e n v o r d e r B l a s e und dann weiter mit den Bahnen des Blasengrundes. Ventral und lateral von der Blase kommt eine inkonstante Zahl von Blasenlymphknoten vor. Nervenversorgung. Sie erfolgt durch den Plexus vesicalis mit sympathischen Fasern aus dem Lendenmark und parasympathischen Fasern aus dem Sakralmark (Nn. pelvici). Die Innervation des unten zu beschreibenden, quergestreiften Schließmuskels erfolgt durch den N. pudendalis. Ein vegetativer Plexus liegt in der Blasenwand, die Reflexzentren für Füllung und Entleerung liegen im Lenden- bzw. Sakralmark, übergeordnete Zentren in der Hirnrinde. Füllung und Entleerung der Blase Mechanische Faktoren (Heiss). Die Blase dehnt sich bei der Füllung zunächst in querer Richtung und erst später in vertikaler Richtung aus. Der Sphincter vesicae internus (Heiss), auch Detrusorschleife genannt, komprimiert die Harnröhrenöffnung. Die bogenförmigen Fasern des M. trigonalis (Kalischer) ziehen die Uvula in die Harnröhrenmündung und dichten dadurch weiter ab. Die stärkere Füllung der Blase k o m p r i m i e r t die im Paracystium gelegenen V e n e n g e f l e c h t e und erhöht damit die F ü l l u n g d e s U v u l a p o l s t e r s . Mit zunehmender Füllung werden die Fasern des schleifenförmigen M. sphincter vesicae internus immer stärker angespannt. Bei der Blasenentleerung kontrahieren sich die Ringfasern. Der quere Durchmesser der Blase nimmt ab, der vertikale zu. Die Blase steigt gegen den Druck der auf ihr lastenden Baucheingeweide nach oben. Der entstehende Gegendruck führt zu einer A b k n i c k u n g d e r B l a s e g e g e n die H a r n r ö h r e . Die Harnröhrenöffnung wird dabei dorsokaudal verlagert. Dadurch wird die Entfernung zwischen ihr und der Symphyse größer. Es werden hierdurch die in die ventrale Blasenwand gegen die Harnröhrenmündung ausstrahlenden Mm. p u b o v e s i c a l e s g e s p a n n t , die ihrerseits die Öffnung nach vorn erweitern. Die V e r k l e i n e r u n g d e s q u e r e n B l a s e n d u r c h m e s s e r s g i b t den A b f l u ß in d e n v e n ö s e n G e f l e c h t e n f r e i , wodurch auch das Blut aus dem U v u l a p o l s t e r abfließen kann. Die vertikale Ausdehnung spannt die in die Uvula ausstrahlenden Längsfasern (Retractor uvulae), die die Uvula aus der Öffnung zurückziehen und den Abfluß freigeben. Nervöse Faktoren. Die Blasenmuskulatur wird antagonistisch vom Sympathicus und Parasympathicus (Nn. pelvici) versorgt. Beide enthalten afferente und efferente Fasern zu den Reflexzentren im Rückenmark und den übergeordneten Zentren im Gehirn. Der Sympathikus regelt die Füllung. Sein Reflexzentrum liegt im Lendenmark. Der Parasympathikus regelt die Entleerung. Sein Kern liegt im Sakralmark. Bei gefüllter Blase entsteht das G e f ü h l des H a r n d r a n g e s . Vom Großhirn aus kann der quergestreifte Sphincter vesicae externus in Tätigkeit gesetzt und der Verschluß durch ihn zusätzlich gesichert oder die Entleerung durch Leitung zu den Rückenmarkszentren in Gang gesetzt werden. Das Gefühl des Harndranges ist nicht allein von dem

Harnblase, Hoden, Nebenhoden

235

Füllungsgrad, sondern auch von psychischen Faktoren abhängig. Aufregung führt zu Harndrang, geistige Ablenkung schiebt ihn hinaus. A u c h Haut- und akustische Reize fördern den Harndrang. Lage der Blase. A u s dem oben Gesagten ergibt sich, daß die Lage der Blase sehr stark von dem Füllungszustande abhängig ist. D i e l e e r e B l a s e liegt beim Erwachsenen (Abb. 184) hinter der S y m p h y s e im kleinen Becken. Sie ist kranial durch die auf ihr ruhenden Darm schlingen schüsseiförmig eingedellt. B e i d e r F ü l l u n g dehnt sie sich zunächst nach lateral und dann erst nach kranial aus. Sie schiebt dabei das Bauchfell nach oben. Bei starker Füllung (Abb. 192) ist die bauchfellfreie, ventrale W a n d ohne Eröffnung des C a v u m peritonaeale operativ zugänglich. Die kraniale Ausdehnung wird ermöglicht durch das lockere, prävesikale Bindegewebe (im C a v u m Retzii). E s sei noch besonders erwähnt, daß sich Blase und R e k t u m bei Füllung gegenseitig beeinflussen. B e i m N e u g e b o r e n e n steht die Blase wesentlich höher. Sie kann auch im leeren Zustande oberhalb der Symphyse erreicht werden. Bei offenem Urachus kann es zu einer H a r n f i s t e l kommen.

3. Die inneren männlichen Geschlechtsorgane Sie bestehen aus den H o d e n , der Produktionsstätte der Samenfäden, den N e b e n h o d e n , den S a m e n l e i t e r n , den B l ä s c h e n d r ü s e n und der V o r s t e h e r d r ü s e . Sie dienen der S a m e n e r z e u g u n g , - a u f b e w a h r u n g und - l e i t u n g und liefern wichtige S e k r e t e . Hoden, Nebenhoden und ein Teil des Samenleiters gelangen beim Descensus testis durch den Leistenkanal in eine Ausstülpung der Bauchwand, den Hodensack.

a) Hoden, Testis, und Nebenhoden, Epididymis Die im Hodensack gelegenen Hoden sind seitlich abgeplattete, längliche Körper, an denen wir zwei Seitenflächen, die Facies lateralis und Facies medialis, zwei Ränder, den freien Margo Uber und den befestigten Margo mesorchius, und zwei Enden, die kraniale Extremitas capitalis und die kaudale Extremitas caudalis, unterscheiden. Die Extremitas capitalis (so genannt, weil auf ihr das Caput des Nebenhodens ruht) ist kranial, ventral und lateral gerichtet (Abb. 186). Der M a r g o m e s o r c h i c u s , an dem der Nebenhoden befestigt ist, weist dorsal und etwas medianwärts, der M a r g o l i b e r entsprechend ventral und etwas lateralwärts. Der Nebenhoden sitzt dem Hoden dorsomedial auf und besteht aus einem breiten, abgestumpften K o p f , Caput epididymidis, einem dünnen, im Querschnitt nahezu dreieckigen Körper, Corpus epididymidis, und einem kräftigeren Schweif, Cauda epididymidis. Der letztere geht mit einer Umbiegung nach dorsal in den Samenleiter über. Hoden und Nebenhoden sind in den Processus vaginalis peritonaei vorgestülpt, haben einen doppelten Bauchfellüberzug, das Epiorchium und das Periorchium, erhalten. Zwischen den beiden Blättern liegt eine Abschnürung der Bauchhöhle, das Cavum scroti. Zwischen Hoden und Nebenhoden (Abb. 186) stülpt sich das Bauchfell ein, bildet eine Tasche, die Bursa testicularis. Sie wird von zwei Bauchfellfalten, der Plica capitis epididymidis und der Plica caudae epididymidis begrenzt. Neben dem Nebenhodenkopf finden wir auf dem Hoden häufig einen bläschen" förmigen, ungestielten Anhang, die Appendix testis (das kraniale Ende des Müller sehen Ganges, s. A b b . 181). Der Nebenhodenkopf besitzt häufig ein ähnliches, aber gestieltes Bläschen, die Appendix epididymidis (das kraniale Ende des Wolff sehen Ganges, s. S. 227).

Das Becken, Der Inhalt des Beckenraumes

236

Im Bindegewebe des Samenstranges, neben dem Nebenhodenkopf, kann man einige, mit Zylinderepithel ausgekleidete, allseitig geschlossene Kanälchen, den B e i h o d e n oder Paradidymis (Reste der Querkanälchen der Urniere, s. S. 227) antreffen.

Fascia cremasterica

Bau

Μ cretnaster ccut der I Tunica vaginalis testis < et funiculi spermatid | Plexus

des

Hodens.

Der

Bauchfellüberzug gibt der Oberfläche des Hodens ein spiegelndes Aussehen. Unter dem Epiorchium liegt eine feste, fibröse Haut, die Tunica

albuginea.

Von

ihr

springt in der Gegend des Nebenhodenkopfes ein bindegewebiger Fortsatz, das Mediastinum testis, gegen das Innere des Hodens vor. Vom Mediastinum testis gehen zahlreiche Bindegewebsbalken und unvollständige

pampinitormis

Ductus deferens Caput epididymides Appendix Plica capitis epididymidis

S c h e i d e w ä n d e , die Septula testis,

aus. Sie zerlegen die Drüsensubstanz des Hodens in 250—-300

Bursa Plica caudae epididymidis

L ä p p c h e n , die Lobuli testis. D e n

wesentlichen Bestandteil der epididymidis Läppchenbildenstarkgewundene, vielfach miteinander verbundene, feine Röhren (180—300 μ dick), die S a m e n k a n ä l c h e n , Tubuli contorti. Die Zahl der Kanälchen wird von der Peripherie gegen das Abb. 186. Rechter Hoden, Nebenhoden und Samenstrang (Ansicht von lateral). Die Hüllen sind schichtweise eröffnet, Innere hin kleiner, indem sie sich um das Cavum scroti, Ductus deferens und Plexus pampinispitzwinklig miteinander vereiniformis zu zeigen. gen. Sie laufen schließlich auf das Mediastinum zu und bilden in ihm ein Netzwerk, das Rete testis. Die Samenkanälchen Paradidymis sind durch ein lockeres Bindegewebe, das — Ductus deferens leicht eine Isolierung der einzelnen Kanälchen ermöglicht, verbunden. In diesem BindeDuctuli efferentes gewebe treffen wir Gruppen von rundlichen, Ductus epididymidis mit Pigment, Kristalloiden und Fett beladeRete testis nen Zellen, die Zwischenzellen des Hodens, aberrantes an. Sie haben nach Stieve keinerlei innersekretorische Bedeutung. Es handelt sich - Ductus epididymidis vielmehr um granulierte, mit Nährstoffen beladene B i n d e g e w e b s z e l l e n . —

Tubuli contorti testis

— Septulum testis — Tunica

Abb. 187.

albuginea

Schema vom Bau des Hodens und Nebenhodens.

Die W a n d d e r S a m e n k a n ä l c h e n besitzt eine feine B a s a l m e m b r a n , der außen einige Lagen von p l a t t e n B i n d e g e w e b s z e l l e n und innen das S a m e n e p i t h e l aufgelagert sind. Das Samenepithel wechselt während der Samenbildung, der S p e r m i o g e n e s e , dauernd seine Form. Da die

H o d e n , Samenbildung,

Samenfäden

237

Samenbildung in r h y t h m i s c h e n W e l l e n über das K a n ä l c h e n hin v e r l ä u f t und sie selbst stark gew u n d e n sind, finden wir im S c h n i t t die verschiedensten S t a d i e n der Spermiogenese nebeneinander.

Die Samenbildung, Spermiogenese, findet von der Pubertät bis ins hohe Alter statt. Das in den Tubuli contorti gelegene Samenepithel, Epithelium, seminale, zeigt wandständig die U r s a m e n z e l l e n oder Spermatogonien. E s sind kleine Zellen mit chromatinreichem Kern. Aus ihnen entstehen durch Teilung und Wachstum die großen Spermatozyten. Durch mitotische Teilung gehen aus diesen die kleineren Praespermatiden hervor. Durch weitere Teilung entstehen die noch kleineren Spermatiden. Während dieser Teilungsvorgänge rücken die Zellen allmählich gegen das Lumen vor (Abb. 188). Zwischen den rundlichen Samenbildungszellen liegen die langgestreckten S e r b i s c h e n Stütz- oder Fußzellen. Sie sitzen mit einem verbreiterten F u ß der Basalmembran auf. Ihr chromatinarmer Kern ist dreieckig bis oval. Die Spermatiden teilen sich nicht weiter. [Sertoli] Sie dringen in das ZytoUnentwickelte plasma derSertoli-Zellen Hodenzellen ein und bilden sich dort zu den Spermien um. Über den recht komplizierten UmbildungsSpermatide vorgang sei hier nur erSpermatozyte wähnt, daß der Kern sich zu dem Kopf, der Praespermatide Zelleib zum Mittelstück undSchwanz des SamenSpermatogon ienteilung fadens umformt. Die Sertoli- Zellen führen A b b . 188. S c h n i t t durch ein H o d e n k a n ä l c h e n eines gesunden 19 jährigen. den Spermien wahrN a c h Stieve. V e r g r . 366 X . scheinlichNährstoffe zu. Die endgültige

Reifung des

Samenfadens

findet erst

im

Nebenhoden

statt.

Der reife Samenfaden (Abb. 189) ist 60 μ lang und läßt einen Kopf, ein Mittelstück und einen Schwanz unterscheiden. D a s M i t t e l s t ü c k besteht aus Hals und Verbindungsstück, d e r S c h w a n z aus Haupt- und Endstück. Der Kopf ist abgeplattet, von der Fläche gesehen oval, von der K a n t e gesehen birnförmig mit nach vorn gerichteter Spitze. E r enthält die Kernsubstanzen und ist von einer p l a s m a t i s c h e n K o p f h ü l l e , die F i b r i l l e n und M i k r o s o m e n enthält, umgeben. Der hintere Kopfteil steckt wie die Eichel in einem Becher, in der B e c h e r h ü l s e . Den vorderen Rand der Becherhülse bildet der R a n d r e i f e n . Der Hals besteht aus dem vorderen Zentriol und einer homogenen Zwischenmasse. Das vordere Zentriol besteht aus zwei Körnchen. Von einem der beiden geht der Zentralfaden ab. Das Verbindungsstück wird vorn durch das hintere Zentriol und hinten durch den Schlußring (Sr) begrenzt. E s läßt einen A c h s e n f a d e n , einen aus M i t o c h o n d r i e n

238

Das Becken, Der Inhalt des

Beckenraumes

bestehenden Spiralfaden und eine Plasmahülle, in die Mikrosomen (Ms) eingelagert sind, unterscheiden. Der Schwanz besteht im Gebiet des H a u p t s t ü c k e s aus dem Achsenfaden und einer Mikrosomen (Ms) enthaltenden Plasmahülle, im Gebiet des E n d s t ü c k e s nur aus dem Achsenfaden. Bau des Nebenhodens (Abb. 187). V o m Rete testis streben 12—15 kleine Ausführungsgänge, Ductuli efferent es, Plasmatische dem Kopf des Nebenhodens zu. Sie Kopfhülle mit sind zunächst nur wenig geschlängelt, Fibrillen und Mikrosomen legen sich allmählich in immer stärkere Windungen und bilden kegelförmige Randreifen - ' Kopf mit Vakuole Läppchen, die Coni vasculosi. Die Spitzen der Kegel sind gegen das MeBecherhülse diastinum gerichtet. E n t f a l t e t hat ein Ductulus efferens eine Länge von Vorderes Zentriol etwa 20 cm. Das kranialste Kanälchen Zwischenmasse Hinteres Zentriol biegt in den Nebenhodengang, Ductus epididymidis, um, der in Abständen von 10 cm nacheinander die übrigen Ductuli efferentes aufnimmt. Der Ductus epididymidis ist ebenfalls stark • Verbindungsstück mit Achsenfaden, geschlängelt, hat entwirrt eine Länge Spiralfaden und Plasmahülle von 6 m. E r bildet nur einen T e i l des Nebenhoden k ö p f e s , der hauptsächlich aus Ductuli efferentes besteht, dagegen den g a n z e n K ö r p e r und S c h w a n z des Nebenhodens. Von ihm können aberrierende Gänge abgehen, die nicht das Rete testis erreichen, . Schwanz mit Achsenfaden sogenannte Ductuli aberrantes. Der und Plasmahülle Schwanzteil des Nebenhodenganges geht in den anfangs ebenfalls noch gewundenen Ductus deferens über. F e i n b a u d e s N e b e n h o d e n s . Die D u c t u l i e f f e r e n t e s zeigen auf dem QuerA b b . 189a. Reifer SamenA b b . 189b. Schema des schnitt ein u n r e g e l m ä ß i g e s , z a c k i g e s faden. Vergr. 1500 χ . menschlichen Samenfadens. L u m e n . Mit Flimmerhaaren versehene (Nach Stieve.) Vergr. 6600 χ . (Nach Stieve.) Zylinderzellen wechseln mit kubischen Zellen ab. I m L u m e n finden wir häufig Samenfäden. Auf das Epithel folgen nach außen ein feines Grundhäutchen, eine dünne Muskelschicht und schließlich ein lockeres Bindegewebe, das die Kanälchen zusammenhält. Der D u c t u s e p i d i d y m i d i s h a t ein r u n d e s , g l e i c h m ä ß i g e s L u m e n , ein sehr hohes, zweireihiges Zylinderepithel mit starren, in das L u m e n vorragenden Fortsätzen, die neuerdings als Sekret aufgefaßt und als S e z e r n e n t e n bezeichnet werden. Zwischen den Zylinderzellen liegen basale Ersatzzellen. Dem Epithel liegt außen ein feines Grundhäutchen und eine kräftige Ringmuskelschicht auf.

b) S a m e n l e i t e r , S a m e n s t r a n g u n d Bläschendriise Der Samenleiter, Ductus deferens, ein 50—60 cm langer Gang, beginnt an der Cauda des Nebenhodens, steigt zunächst dorsomedial am Nebenhoden aufwärts (Pars epididymica), tritt dann in den Samenstrang ein (Pars funicularis) und verläuft in ihm an der medialen Seite der Gefäße und gelangt durch den Leistenkanal (Pars inguinalis) in die Bauchhöhle. Hier ü b e r k r e u z t er (Abb. 109) die A . u n d V v . epigastricae,dieA.undV. ilica externa und die Chorda a. umbilicalis, verläuft unter dem Bauchfell (hier gut durchzutasten)

Samenleiter,

Bläschendrüse,

Prostata

239

an der W a n d des kleinen Beckens (Pars pelvina) abwärts, überkreuzt dabei den Ureter und zieht schließlich (Abb.190) median- und dorsalwärts zur Rückfläche der Blase. Hier erweitert er sich zur Ampulla ductus deferentis und gelangt zur Basis derVorsteherdrüse(Pros/a'

Α., N.perinealis

/

u.

Nebenhoden

r

A. bnlbi J Corpus urethrae cavernosum I urethrae urogenitale mit Faszien

Gland. bulbourethralU

Diaphragma

A b b . 191. Arterien des männlichen Beckens. Mastdarm, Harnblase, Prostata und Bläschendrüse, Hoden, Nebenhoden, Samenstrang, Samenleiter und Harnleiter in situ. Das Bauchfell ist in natürlicher Lage erhalten. Die rechte Beckenwand ist größtenteils entfernt.

Das Peritonaeum zieht von der Rückfläche der vorderen Bauchwand auf die kraniale Fläche der Blase, bildet zwischen Blase und Mastdarm eine Bauchfelltasche, die Excavatio rectovesicalis, bedeckt hier die Kuppen der Bläschendrüsen und schlägt auf die Vorderfläche des Mastdarmes um. Ein dreieckiges Feld der Blase zwischen den Ampullen der Samenleiter (Abb. 190) wird noch vom Bauchfell überzogen. E s entspricht dem Trigonum vesicae im Innern und liegt bei gefülltem Mastdarm und voller Blase dem Mastdarm d i r e k t an. W a l d e y e r . Anatomie I. 2. Aufl.

16

242

Das Becken. Der Inhalt des Beckenraumes

IV. Die viszeralen Gefäße und Nerven des Beckens 1. Die viszeralen Äste der A . ilica interna [hypogastrica] (Abb. 191) a) Die A . umbilicalis ist beim F e t u s der H a u p t a s t . Sie v e r l ä u f t beim Erwachsenen an der W a n d des kleinen B e c k e n s zwischen der A . ilica e x t . u n d der A . obturatoria zur seitlichen W a n d der Blase, gibt hier die A a . vesicales craniales a b u n d zieht als fibröser Strang, Chorda a. umbilicalis, an der B a u c h w a n d a u f w ä r t s z u m Nabel.

V. ilica communis

ntestinum terminale [Rectum] Facies auricularis ossis sacri V. ilica int. [hypogastrica] V. ilica externa •V. glutaea "*V.

cran.

obturatoria piriformis glutaea

caud.

— V. rectalis cran. —M.

coccygicus

Plexus vesicopudendalis M.

coccygicus

V. pudendalis int. —M. levator

V. dorsalis penis subfascialis

Μ. ischiocavernosus

Corpus penis

cavernosum

Μ.

ani

bulbocavernosus

Abb. 192. Venen des männlichen Beckens. Das linke Hüftbein ist weitgehend entfernt. Die Blase ist stark gefüllt, hat das Bauchfell von der vorderen Bauchwand abgehoben. b) Die A . vesicalis caudalis steigt lateral v o n der Bläschendrüse a b w ä r t s z u m F u n d u s der Blase und zur P r o s t a t a u n d versorgt die Bläschendrüse, die P r o s t a t a und den Blasengrund. c) Die A . deferentialis entspringt selbständig oder aus einer der beiden vorigen Arterien, steigt a b w ä r t s bis zur A m p u l l a ductus deferentis u n d versorgt mit einem absteigenden A s t die Bläschendrüse u n d mit einem aufsteigenden den D u c t u s deferens. D e r letztere A s t v e r l ä u f t mit dem D u c t u s deferens durch den Leistenkanal bis z u m

243

Venen und vegetative Nervengeflechte des kleinen Beckens

Nebenhoden. Sie a n a s t o m o s i e r t mit der A . spermatica. Das entsprechende Gefäß beim Weibe ist die A. uterina (s. S. 252). d) Die A. rectalis caudalis [haemorrhoidalis media] entspringt meist aus der A. pudendalis int. oder der A. vesicalis caudalis, a n a s t o m o s i e r t mit der A . rectalis cranialis und der A. analis [haemorrhoidalis inf.] und versorgt Rektum, Bläschendrüse und Prostata. e) Die A. pudendalis interna verläßt das kleine Becken mit der A . glutaea caud. durch das Foramen infrapiriforme, zieht um die Spina ossis ischii und durch das Foramen ischiadicum minus zur Fossa ischiorectalis. Hier liegt sie (Abb. 208) in der Fascia obturatoria. Sie versorgt den untersten Teil des Mastdarmes (.A. analis), den D a m m und die äußeren Genitalien. Über die feinere Aufzweigung beim Damm s. S. 267. Die parietalen Äste der A. ilica interna s. S. 324.

2. Die Venen des kleinen Beckens (Abb. 192) bilden vor und seitlich der Blase und Prostata mächtige Venengeflechte, den Plexus vesicopudendalis. E r nimmt unterhalb der Symphysedie unpaare V. dorsalis penis subfascialis auf und anastomosiert mit dem Plexus rectalis, der hauptsächlich am bauchfellfreien Teil des Mastdarmes ausgebildet ist. Der A b f l u ß erfolgt durch die mit den Arterien gleichnamigen Venen in die V. ilica interna. Der P l e x u s r e c t a l i s entleert sich durch die V. rectalis cranialis [haemorrhoidalis sup.] in die P f o r t a d e r oder durch die V. analis [haemorrhoidalis inf.] in die V . c a v a c a u d a l i s (vgl. S. 181). Über die Bedeutung der Venengeflechte für den Verschluß und die Entleerung der Blase s. S. 234.

3. Die vegetativen Nervengeflechte des kleinen Beckens (Abb. 193) Der s y m p a t h i s c h e Plexus aorticus teilt sich in den paarigen Plexus ilicus (auf den Aa. ilicae communes) und einen m e d i a n e n , u n p a a r e n S t r a n g , den Plexusaorticus caudalis (in Abb. 193 n. h. [N. h y p o g a s t r i c s ] ) , der über das Promunturium zieht und sich in ein rechtes und linkes Bündel teilt (s. S. 206). Diese sympathischen Bündel strahlen in ein mächtiges Nervengeflecht aus, das seitlich von Rektum, Prostata und Blase (bei der Frau seitlich von Cervix uteri und oberem Teil der Scheide) liegt und noch parasympathische Fasern a u s d e m q u n d A S a k r a l n e r v bp a u s aern 3 u n a 4 . S a K r a i n e r v Dek o m m t (in A b b . 1 9 3 p3 u n d pit m e i s t

Abb" I93' Die Beckengeflechte beim Mann. Ganglion pelvinum = g. p.; Plexus aorticus caudalis [N. hypogastricus]=w.Ä.; N.pelvicusaus dem 3 . u n d 4 . Sakralnerv (S 3 , S 4 ) = pz, pt. Nach Schlywitsch und Kosintzew.

16*

244

Das Becken. Der I n h a l t des Beckenraumes

als N. -pelvicus bezeichnet). In dieses Geflecht sind zahlreiche Ganglienzellen eingelagert, die wir in der Gesamtheit als Ganglion pelvinum (bei der Frau auch als Frankenhäusersches Ganglion) bezeichnen. Von diesen paarigen Beckengeflechten gehen Fasern zu sämtlichen Beckenorganen, umspinnen sie als Plexus rectalis cranialis und caudalis, Plexus prostaticus, Plexus ductus deferentis, Plexus glandulae vesiculosae (Plexus uterovaginal) , Plexus vesicalis. Sie durchbohren auch den Beckenboden und versorgen als Plexus corporis cavernosi penis und clitoridis die männlichen und weiblichen Schwellkörper. H o d e n u n d E i e r s t ö c k e werden als ursprüngliche Bauchhöhlenorgane vom Plexus spermaticus (bzw. ovaricus) versorgt. C o l o n d e s c e n d e n s und Colon s i g m o i d e s erhalten vom Plexus ihre parasympathischen Fasern.

rectalis aus

Y. Die Beckeneingeweide bei der Frau 1. Der Mastdarm Die Form des Rektum zeigt keine Besonderheiten gegenüber dem Mann. Anders sind nur die Lagebeziehungen. Sie werden bei der Gebärmutter und der Scheide besprochen.

2. Harnblase, Harnröhre und Harnleiter Die weibliche Harnblase zeigt keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der männlichen. Sie ist gewöhnlich etwas kleiner als beim Mann. Über die wichtigen Lagebeziehungen zu der Gebärmutter und der Scheide s. unten. Die 3—5 cm lange weibliche Harnblase hat einen ähnlichen Verlauf wie die Scheide, mit deren Vorderwand sie durch Bindegewebe fest verbunden ist. Sie mündet mit dem Orificium urethrae internum in die Blase und mit dem Orificium urethrae externum in den Scheidenvorhof und läßt eine Pars intramuralis (in der Blasenwand) und eine Pars cavernosa unterscheiden. Gegen die Symphyse hin macht sie einen leicht konkaven Bogen. Diese Krümmung wird bei der Kontraktion des Sphincter urethrae diaphragmaticae (externus) größer. Dieser Muskel ist nicht wie beim Manne ringförmig, sondern umfaßt hängemattenartig von dorsokranial nach ventrokaudal die Harnröhre. Es handelt sich um Fasern des M. transversus perinei profundus. Die weibliche Harnröhre ist stark dehnungsfähig, setzt dem Einführen des Katheters keinen stärkeren Widerstand entgegen. Von der Hinterwand ragt die Crista urethrales als Fortsetzung der Uvula vesicae gegen das Lumen vor. Die Schleimhaut legt sich in zahlreiche Längsfalten. In der Submucosa liegt ein ausgeprägtes Venengeflecht, Corpus spongiosum urethrae. Die T u n i c a m u s c u l a r i s läßt eine äußere Längs- und eine innere Ringlage glatter Muskulatur unterscheiden. Feinbau. D i e S c h l e i m h a u t h a t im kranialen Teil ein Übergangsepithel wie die Blase, im kaudalen Teil geschichtetes Plattenepithel. I m kaudalen Abschnitt finden sich zahlreiche tubulöse

Die Beckeneingeweide bei der F r a u

245

Schleimdrüsen, G l a n d u l a e p a r a u r e t h r a l e s . Eine größere Gruppe dieser Drüsen mündet jederseits mit längeren Ausführungsgängen, D u c t u s p a r a u r e t h r a l e s , neben dem Orificium urethrae externum Die S u b m u c o s a zeigt neben Venennetzen noch zahlreiche Lymphonoduli.

Die Harnleiter haben eine charakteristische L a g e zu den weiblichen Genitalien. Sie verlaufen ventral von der A . ilica int. ins kleine Becken, begrenzen hier v o n dorsal (Abb. 194) eine Nische für den Eierstock, treten dann in die Basis der Plica lata ein, u n t e r k r e u z e n hier die A . u t e r i n a , ziehen in der Höhe des Isthmus uteri, 1 — 1 y2 cm oberhalb des seitlichen Scheidengewölbes zur Harnblase. Die nahen Beziehungen zum seitlichen Scheidengewölbe können zu Ureterovaginalfisteln

führen.

3. Die inneren weiblichen Geschlechtsorgane Wir verstehen darunter" jene weiblichen Genitalien, die oberhalb des Beckenbodens untergebracht sind. Die Grenze gegen die ä u ß e r e n Geschlechtswerkzeuge bildet das Jungfernhäutchen. Sie bestehen (Abb. 194) aus dem Eier stock, dem Ovarium, dem Eileiter, der Tuba uterina, der Gebärmutter, dem Uterus, und der Scheide, der Vagina. Der E i e r s t o c k bildet die Eizellen, läßt sie zu reifen Eiern heranwachsen und bildet wichtige Hormone. Der E i l e i t e r nimmt das durch den Follikelsprung auf der Oberfläche des Eierstockes gelangte E i auf und leitet es zur Gebärmutter. Die Befruchtung des Eies erfolgt gewöhnlich schon im Eileiter. Die G e b ä r m u t t e r nimmt in der Regel das befruchtete E i in seine Schleimhaut auf, beherbergt die sich entwickelnde F r u c h t bis zur Reife und treibt sie bei der Geburt aus. Die S c h e i d e dient als Begattungsorgan und Geburtskanal.

a) Lage und Bauchfellbeziehungen Die inneren Genitalien schieben sich als frontalgestellte Platte, Genitalplatte genannt, zwischen Blase und R e k t u m (Abb. 194). Das Bauchfell schlägt von der oberen Fläche der Blase auf die Vorderfläche des Uterus um, überzieht ihn auch an der R ü c k fläche und gelangt bis an das hintere Scheidengewölbe, Fornix vaginae. Hier schlägt es auf die Vorderfläche des R e k t u m um. E s entstehen so zwischen Blase, Uterus und R e k t u m 2 Buchten, die flachere Excavatio vesicouterina und die tiefere Excavatio rectouterina. Eine v o m kaudalen Teil des Uterus (Cervix uteri) kommende Bauchfellfalte verliert sich zu selten des R e k t u m , Plica rectouterina, und trennt den kaudalen Teil der B u c h t als Douglas sehen R a u m ab. Von den Seitenrändern des Uterus zieht eine frontal gestellte, breite Bauchfellduplikatur, die Plica lata, zur seitlichen Beckenwand. Der obere freie R a n d dieser Falte enthält die drehrunden Eileiter, ist gewöhnlich nach dorsal umgeklappt und wird als Mesosalpinx bezeichnet. V o m T u b e n w i n k e l , jener Stelle, wo die Tube in den Uterus übergeht, zieht eine Bauchfellfalte, die Chorda uteroinguinalis, ventrolateral zur F o v e a inguinalis lat. (lateral von der Plica epigastrica). Ebenfalls v o m Tubenwinkel verläuft eine Falte, die Chorda uteroovarica, zum uterinen Pol des Ovarium. Von der d o r s a l e n Fläche der Plica lata geht ein kleines Gekröse (Meso) z u m Ovar, Mesovarium. Z u m Tubenpol des Ovarium zieht noch eine Bauchfellfalte, die Plica suspensoria ovarii, über

Das Becken, Der Inhalt des Beckenraumes

246

den R a n d des kleinen Beckens herab. Sie führt die Vasa ovarica. Bei leerer Blase (Abb. 194) finden wir auf der Blase noch eine Reservefalte des Bauchfells, Plica vesicalis transversa. Sie verschwindet bei der Füllung der Blase allmählich.

Plica

suspensoria ovarii Ureter

Α., V. ilica ext.

., V. ilica int.

Plica epigastrica

Tuba uterina

Fov. inguinales lat.

Ovarium et uteroovarica

PI. umbilicalis lat.

PI. rectouterina

Choria uteroinguinalis Plica vesicalis transversa

Uterus

Vesica urina'.is Symphysis rectouterina

Orificiutn urethrae int. Möns

pubis

Plica transversa recti

Urethra

Fornix vaginae Corp. cavernosum clitoridis Labium

Labium

minus

I

majus Oriticium

I

urethrae ext.

χ \

\

Ostium vaginae



\

ν

Μ. sphincter ani int.

Μ. sphincter ani ext.

Vagina

A b b . 194. Mediansagittalschnitt durch ein weibliches Becken.

b) Der Eierstock, das Ovarium Der E i e r s t o c k ist ein abgeplatteter, länglich ovaler, 2 , 5 — 5 cm langer, 1 , 5 — 3 cm breiter und 0,6—1,5 cm dicker Körper. E r läßt eine gegen das Beckeninnere gerichtete Facies medialis, eine der seitlichen Beckenwand anliegende Facies lateralis, einen dorsalen freien R a n d , Margo liber, einen ventralen, angehefteten Rand, Margo mesovaricus, ein kaudales, uterusnahes Ende, Extremitas uterina, und ein kraniales, tubennahes Ende, Extremitas tubalis, unterscheiden. Durch das Eierstockband, Chorda uteroovarica, ist es am Tubenwinkel des Uterus, durch das Mesovarium an der Plica lata befestigt (Abb. 194, 195). Durch die Plica suspensoria ovarii erscheint es an der seitlichen Beckenwand aufgehängt. Bis zur Pubertät ist es glatt. Durch das Reifen und Platzen der Follikel erhält es eine bucklige, mit narbigen Einziehungen versehene Oberfläche.

247

Der Eierstock

Das eigentliche B a u c h f e l l reicht bis zum Margo mesovaricus, setzt sich durch den w e i ß e n Margo limitans peritonaei gegen das rötlich-weiße Ovarium ab. Die platten Zellen des Peritonaealepithels werden zum höheren K e i m e p i t h e l der Eierstocksoberfläche. Feinbau. U n t e r d e m kubischen Keimepithel liegt eine aus mehreren B i n d e g e w e b s l a g e n bestehende T u n i c a a l b u g i n e a . A u f sie folgt nach innen die Rindenschicht m i t den Eifollikeln. Die kleinsten dieser Follikel liegen in der o b e r f l ä c h l i c h e n Rindenschicht, bestehen aus einer j u n g e n Eizelle, die v o n einem K r a n z p l a t t e r Epithelzellen u m g e b e n ist. W i r nennen sie P r i m ä r f o l l i k e l . Die Primärfollikel wachsen, indem sich die E i z e l l e v e r g r ö ß e r t und die p l a t t e n Follikelepithelzellen kubisch, d a n n zylindrisch w e r d e n und sich schließlich in mehreren L a g e n anordnen. W i r bezeichnen dieses E n t w i c k l u n g s s t a d i u m als w a c h s e n d e n o d e r S e k u n d ä r f o l l i k e l . I n d e m mehrschichtigen Follikelepithel e n t s t e h t d u r c h Flüssigkeitsausscheidung aus den Zellen und d u r c h Zellzerfall eine m i t d e m L i q u o r f o l l i c u l i ausgefüllte H ö h l e . W i r sprechen j e t z t v o m B l ä s c h e n - ,

Mesosalpinx Ampulla __ tubae

Isthmus tubae

Mesovarium

Chorda ateroovarica

Uterus

\

Epoophoron Fimbriae tubae Ostium abdominale tubae Fimbria ovarica Ovarium Appendix

vesiculosa

Plica suspensoria ovarii mit Α., V. ουαίκα

/ / Plicä

/

\ \

/

lata uteri

Plica

I

rectouterina

A b b . 195. L i n k e T u b e m i t Mesosalpinx, linkes O v a r i u m m i t Mesovarium, Chorda u t e r o o v a r i c a Plica suspensoria ovarii und Epoophoron, Uterus m i t Plica l a t a und Plica rectouterina v o n dorsal gesehen.

Graafschenoder T e r t i ä r f o l l i k e l . Mit der V e r g r ö ß e r u n g des H o h l r a u m e s wird ein Teil der Follikelzellen als M e m b r a n a g r a n u l o s a an den R a n d g e d r ä n g t , ein anderer u m g i b t als Corona radiata radienförmig das E i und bildet einen gegen die Follikelhöhle v o r r a g e n d e n und das E i tragenden H ü g e l , d e n C u m u l u s o v i g e r (oophorus). Zwischen E i und Corona radiata bildet sich die s t a r k lichtbrechende Z o n a p e l l u c i d a aus. D a s den Follikel u m g e b e n d e B i n d e g e w e b e liefert eine Hülle, die T h e c a f o l l i c u l i . Sie b e s t e h t aus einer i n n e r e n zell- und g e f ä ß r e i c h e n Schicht, d e m Stratum vasculosum, und einer ä u ß e r e n faserreichen Schicht, d e m Stratum fibrosum. Gegen die M e m b r a n a granulosa ist sie d u r c h eine G l a s h a u t abgesetzt. V g l . S. 256. Die Marksubstanz b e s t e h t aus lockerem Bindegewebe, e n t h ä l t zahlreiche Gefäße, g l a t t e Muskelzellen und evtl. R e s t e v o n Urnierenkanälchen.

Die reife Eizelle hat einen Durchmesser von etwa 150 μ. Der etwa 30 μ dicke Kern wird seit alters her als K e i m b l ä s c h e n , Vesicula germinativa, das Kernkörperchen als K e i m f l e c k , Macula germinativa, bezeichnet. In einer Periode von 28 Tagen wächst bei der geschlechtsreifen Frau jedesmal ein G r a a f s c h e r Follikel zu einem r e i f e n Follikel heran, wölbt sich über die Oberfläche des Ovarium vor und platzt schließlich. Das herausgeschleuderte Ei wird durch das Ostium abdominale tubae in die Tube aufgenommen.

248

Das Becken.

Der

Inhalt des

Beckenraumes

Der Rest des geplatzten Follikels bildet mit Blut als zentralem Kern das Corpus rubrum, das sich über das Corpus luteum in ein Corpus albicans umbildet. Die Veränderungen am Corpus luteum sollen weiter unten (S. 257) mit den Veränderungen an der Uterusschleimhaut besprochen werden. Isthmus Fimbriae tubae

Ampulla tubae

Epoophoron

Pars libera

tubae

Pars interstitialis

Fundus uteri

Canum uteri

Corpus uteri

Ovarium, Tuba uterina

\ I

Cervix

uteri -

Schnittrand d. Peritonaeum Chorda uteroinguinalis Plicae

palmatae

Fornix

vaginaeParies dorsa is vaginae

Orificium

externum canatis

cervicis^ (uteri)

Paries ventralis vaginae

Vagina ~Rugae

vaginales

Cotumna rugarum dorsahs

Carunculae

A b b . 196.

hymenales.

R e c h t e r Eileiter, G e b ä r m u t t e r u n d Scheide eines 1 8 j ä h r i g e n M ä d c h e n s v e n t r a l eröffnet. L i n k e r Eileiter und linker Eierstock in natürlicher L a g e .

I n b e i d e n O v a r i e n w e r d e n u r s p r ü n g l i c h 400000 E i e r a n g e l e g t . N u r 3 — 4 0 0 k o m m e n i n 30 J a h r e n z u r R e i f e . D e r w e i t a u s g r ö ß t e T e i l g r ö ß e r e r u n d k l e i n e r e r F o l l i k e l g e h t u n t e r B i l d u n g eines Corpus atreticum zugrunde. Gefäße und Nerven des Eierstockes. D i e A . o v a r i c a a u s d e r A o r t a a b d o m i n a l i s u n d d e r R a m u s o v a r i c u s aus der A . uterina bilden a m Margo mesovaricus eine Anastomose, die zahlreiche stark g e s c h l ä n g e l t e Ä s t e d u r c h d e n H i l u s b i s in die R i n d e s c h i c k t , w o f e i n e K a p i l l a r n e t z e s i c h b e s o n d e r s i n d e r T h e c a f o l l i c u l i i n t e r n a , a u c h Stratum vasculosum folliculi genannt, ausbreiten. Die m i t den Arterien verlaufenden V e n e n bilden im Hilus einen Plexus. D i e L y m p h g e f ä ß e b i l d e n e i n N e t z w e r k i n d e r T u n i c a a l b u g i n e a , u m g e b e n die F o l l i k e l , b i l d e n im Hilus einen Plexus und verlaufen v o n dort mit den V a s a ovarica aufwärts zu den L y m p h o n o d i lumbales. Die N e r v e n g e l a n g e n m i t den G e f ä ß e n a n das O v a r , v e r z w e i g e n sich a u c h m i t ihnen u n d gel a n g e n bis in d i e W a n d d e s F o l l i k e l s .

Nebeneierstock, Beieierstock, Eileiter

249

c) D e r Nebeneierstock, das E p o o p h o r o n , ist ein Rest des Sexualteiles der Urniere und liegt zwischen den beiden Blättern der Mesosalpinx (Abb. 195, 196). E r besteht aus einem der Tube parallel verlaufenden L ä n g s g a n g , Ductus epoophori longitudinalis [ G a r t n e r i ] , der in voller Ausbildung zu selten des Uterus und der Vagina bis zum Hymen gelangen kann, und 6—20 blindendigenden Q u e r k a n ä l c h e n . Die letzteren münden in den Längsgang und reichen bis in den Hilus ovarii. Die Kanälchen sind meist mit einem Flimmerepithel ausgekleidet und können gestielte Bläschen, Appendices vesiculosae, entwickeln. Aus ihnen können größere Zysten entstehen.

d) D e r B e i e i e r s t o c k , das P a r o o p h o r o n , besteht aus wenigen Q u e r k a n ä l c h e n , Resten der Urniere, die mit Zylinderepithel ausgekleidet sind und zwischen den Ästen der A. ovarica, nahe dem Hilus ovarii liegen. Häufig verschwindet er spurlos. e)

D e r E i l e i t e r , die T u b a u t e r i n a

(Salpinx),

hat eine Länge von 1 0 — 1 2 cm. E r verläuft in der freien K a n t e der Plica lata (Abb. 196) vom Uterus zum Ovarium. In seinem Verlauf (Abb. 194) ändert er zweimal seine Richtung, indem er zunächst horizontal lateralwärts zieht, dann rechtwinklig umbiegt, vor dem Margo mesovaricus an der seitlichen Beckenwand aufwärts zieht und schließlich spitzwinklig nach dorsal umbiegt, um mit seinen Fransen, F i m b r i e n , das Ovarium zu umfassen. Wir unterscheiden an der Tube eine Pars interstitialis, einen Isthmus tubae, eine Ampulla tubae, ein Infundibulum und Fimbriae. Die Pars interstitialis mündet mit dem Ostium uterinum tubae in das Cavum uteri, durchsetzt mit engem Lumen die ganze Uteruswand und bildet mit dem außerhalb der Uteruswand gelegenen engen Abschnitt den Isthmus tubae. Im Isthmus tubae finden sich nur wenige einfache Schleimhautfalten. E r weitet sich bald zur Ampulla tubae mit zahlreichen stark verzweigten Schleimhautfalten. Die Ampulle endet mit einer trichterförmigen Erweiterung, dem Infundibulum, in der Nähe des Ovarium. Das Infundibulum, von einem Kranz von Fransen, Fimbrien, umgeben, mündet mit dem Ostium abdominale in die Bauchhöhle. E i n e Fimbria ist besonders lang, reicht bis zum Ovar und heißt Fimbria ovarica. Liegt beim F o l l i k e l s p r u n g das Ostium abdominale an der richtigen Stelle des Ovars, so wird das E i durch wellenförmige Kontraktionen der Tubenmuskulatur und durch den Flimmerstrom der Tubenschleimhaut angesaugt und weiterbefördert. Nistet sich das befruchtete E i auf dem Ovar, in der Bauchhöhle oder in der Tube ein und entwickelt es sich dort weiter, so sprechen wir von einer Eierstocks-, Bauchhöhlen- und Eileiterschwangerschaft ( G r a v i d i t a s o v a r i c a , a b d o m i n a l i s , t u b a r i a ) . Zusätzliche abdominale Tubenöffnungen und Nebentuben können zur Tubenschwangerschaft führen. Beim Kinde sind die Tuben stark geschlängelt. Bleibt beim Erwachsenen die Streckung der Tube aus, so sprechen wir von T u b e n i n f a n t i l i s m u s . F e i n b a u . Die T u b e n S c h l e i m h a u t h a t ein einschichtiges, teils flimmerndes, teils sezernierendes Zylinderepithel. Der Flimmerschlag ist uteruswärts gerichtet (Eitransport). F l i m m e r - u n d Sekretionsstadium sind Funktionszustände derselben Zelle. Die T u n i c a m u s c u l a r i s besteht aus einer äußeren Längs- und einer inneren Ringschicht. Die S e r o s a überzieht die Tube bis auf den schmalen Anheftungsrand der Mesosalpinx. An den freien Enden der Fimbrien geht sie in die Mucosa über. Der Mucosa fehlen im Gegensatz zum Uterus die Drüsen. Die A r t e r i e n V e r s o r g u n g erfolgt durch je einen Ast der A. ovarica und A. uterina, die miteinander anastomosieren. Die V e n e n haben den gleichen Verlauf. Die L y m p h g e f ä ß e verlaufen mit denen des Eierstockes zu den Lymphonodi lumbales. Die N e r v e n stammen aus den Geflechten um die Gefäße.

250

D a s B e c k e n . D e r I n h a l t des

f)

Beckenraumes

D i e G e b ä r m u t t e r , der F r u c h t h a l t e r , U t e r u s

Der Uterus besteht aus dem Körper, Corpus, einem engen kurzen Zwischenstück, Isthmus, und dem Hals, Cervix {Collum). E r ist ein dorsoventral abgeplatteter birnenförmiger Körper, der im Cervixgebiet rundlich wird. Als Fundus uteri bezeichnen wir das konvexe, blind über das Ostium uterinum tubae hinausragende Ende des Körpers. Von den Seitenrändern gehen die P l i c a e l a t a e , oben die A d n e x e , ( T u b e und C h o r d a u t e r o o v a r i c a mit dem O v a r i u m ) und die C h o r d a u t e r o i n g u i n a l i s ab. Die T u b e (Abb. 196) bildet mit dem Uterus nahezu einen rechten Winkel, den T u b e n w i n k e l . Die Cervix ragt mit ihrem kaudalen Ende zapfenförmig in die Scheide (Abb. 194, 196, 198). Wir stellen diesen Teil der Cervix, die Portio vaginalis (kurz Portio genannt), der Portio suChorda uteropravaginal gegenüber. ovarica Das S c h e i d e n r o h r setzt Chorda uteroinguittalis in einer schrägen Linie [.Lig. teres uteri] an der Cervix an, indem es dorsal weiter an der Cervix heraufgreift als vorn. Der Raum zwischen Portio vaginalis und Scheidenwand wird als S c h e i d e n g e w ö l b e , Fornix vaginae, bezeichnet. Wir können an ihm ein h i n t e r e s , zwei s e i t l i c h e und ein v o r deres Scheidengewölbe näher unterA b b . 197. S c h e m a des Muskelfaserverlaufes im U t e r u s (nach Goerttler). scheiden. Auf dem freien Die v o n d e m H a l t e a p p a r a t einstrahlenden F a s e r n sind ausgezogen. Ende der Portio vaginalis mündet die Uterushöhle mit dem Muttermund, dem Orijicium externum uteri. Dieser ist bei N u l l i p a r e n eine runde Öffnung, bei M u l t i p a r e n ein quergestellter, oft eingerissener Spalt. Der Muttermund teilt das freie Ende der Portio vaginalis in eine v o r d e r e und h i n t e r e M u t t e r m u n d l i p p e , Labium ventrale et dorsale. Der K ö r p e r des Uterus ist im Isthmusgebiet gegen die C e r v i x nach ventral winklig abgeknickt (Abb. 194) (Anteflexio). Der Winkel ändert sich mit zunehmender Füllung der Blase und mit der Dauer der Schwangerschaft. Die Uterushöhle, das Cavum uteri, besteht aus dem Cavum corporis uteri, dem Canalis isthmi und dem Canalis cervicis. Das Cavum corporis uteri ist ein dreiseitiger, quergestellter, gegen die Tubenmündungen spitzwinklig ausgezogener Spalt, der nach unten in den engen, 8 mm langen Canalis isthmi übergeht. Dieser beginnt mit dem Orificium internum canalis isthmi und endet mit dem Orificium externum canalis isthmi (= Orificium internum canalis cervicis). Der anschließende Canalis cervicis mündet mit dem äußeren Muttermund, Orificium externum uteri (= Orificium externum canalis cervicis) in die Scheide. D e r j u n g f r ä u l i c h e U t e r u s h a t eine L ä n g e v o n e t w a 6 — 7 c m . Schon während der Periode ist der U t e r u s gewissen V o l u m s c h w a n k u n g e n unterworfen. N a c h S c h w a n g e r s c h a f t e n bleibt er in seinen sämtlichen Dimensionen vergrößert. N a c h d e m Erlöschen der Geschlechtstätigkeit bildet er sich wieder z u r ü c k .

Die Gebärmutter

251

Die Uteruswand läßt einen Bauchfellüberzug (s. S. 245), Tunica serosa oder Perimetrium, eine mächtige Muskelschicht, Tunica muscularis oder Myometrium, und eine Schleimhaut, Mucosa oder Endometrium, unterscheiden. Tunica muscularis {Myometrium). Gewöhnlich pflegt man eine äußere Längs-, eine mittlere Ring- und eine innere Längsmuskelschicht zu unterscheiden. Die Ringschicht enthält zahlreiche größere Gefäße, heißt auch S t r a t u m v a s c u l a r e . Neuere Untersuchungen (Goerttler) haben ergeben (Abb. 197), daß alle Muskelfasern in Form von S p i r a l e n von der Oberfläche in die Tiefe verlaufen. Die spiegelbildlich gleichen Muskelsysteme der beiden Seiten durchflechten sich dabei in einer medianen Raphe. Die Ebenen der Spiralen steigen gegen den Fundus in einem Winkel von 45 0 an. Muttermundwärts wird der Winkel allmählich flacher, nähert sich der Horizontalen. Auch die von dem A u f h ä n g e a p p a r a t einstrahlenden Fasern ordnen sich in das Spiralsystem ein. Diese spiegelbildlich gleichen Spiralsysteme ermöglichen während der Schwangerschaft die allmähliche Weiterstellung (angepaßt an die Größe der Frucht) und während der Geburt die optimale Gebärfähigkeit, weil die Resultierende der gesamten innerhalb der Muskulatur wirksamen Kontraktionskräfte während der Wehen genau in die Mitte des Orificium uteri fällt. Die Muskelzellen stehen nach Stieve durch Plasmabrücken in Verbindung und bilden ein dreidimensionales Netzwerk. In den oberflächlichen Lagen sind die Muskelzellkerne und auch ihre zugehörigen Plasmabezirke größer als in den tieferen. Tunica mucosa (Endometrium). Die 1 , 5 — 2 m m dicke Schleimhaut ist im C o r p u s weich, glatt und blaßgraurot. Sie geht ohne Submucosa in das Bindegewebe der Muskelschicht über. In der C e r v i x ist sie dicker, fester und bildet auf der Vorder- und Hinterwand je ein palmblattartiges Faltensystem, Plicae palmatae (Abb. 196). Die Lamina propria mucosae besteht aus einem feinfaserigen Bindegewebe, in dessen Flechtwerk sich zahlreiche spindel- und sternförmige und auch Rundzellen finden. Bedeckt wird sie im C o r p u s von einer einschichtigen Lage von flimmernden Zylinderzellen. Von der Oberfläche der Schleimhaut senken sich leicht geschlängelte oder spiralige, an den Enden teilweise gegabelte Drüsen bis in die Muskulatur, Glandulae uterinae. Sie haben eine Basalmembran und niedrig zylindrische Zellen, die zeitweise Flimmern tragen. In der C e r v i x sind die Zylinderzellen höher und blasser, ihr Zytoplasma färbt sich schlechter. Im oberen Teil sind noch Flimmerhaare vorhanden. Am Muttermund geht das Zylinderepithel in ein mehrschichtiges Plattenepithel über. Die Uterusdrüsen machen in der Cervix allmählich S c h l e i m d r ü s e n , Glandulae cervicales, Platz. Diese sind meist verzweigt und sondern ein glasiges, sehr zähes Sekret ab, das als Schleimpfropf den Zervikalkanal ausfüllt. Wird das Sekret zurückgehalten, so kommt es zu zystenartigen Erweiterungen der Drüsen, die über die Oberfläche hervorragen (Ovula Nabothi). Altersunterschiede und Abarten der Gebärmutter. B e i K i n d e r n ist der G e b ä r m u t t e r k ö r p e r v e r h ä l t n i s m ä ß i g k u r z und schmal, der H a l s lang. B i s zur Geschlechtsreife bildet sich allmählich die definitive F o r m aus. N a c h der M e n o p a u s e , s. S. 254 (im Klimakterium) bleibt der U t e r u s k ö r p e r verhältnismäßig groß. Er h a t B i r n f o r m . Die W a n d wird dünner, das L u m e n weiter. D a der U t e r u s d u r c h V e r s c h m e l z u n g der beiden Müllerschen G ä n g e entsteht, können wir als E n t w i c k l u n g s h e m m u n g e n einen U t e r u s b i c o r n i s , eine fehlende Verschmelzung im F u n d u s g e b i e t , und einen U t e r u s s e p t a t u s , eine mediane Scheidewand im Uterus, antreffen.

Gefäße und Nerven des Uterus Die arterielle Versorgung findet durch die beiden Aa. uterinae statt (Abb. 198). Sie entspringen aus der A. ilica interna, verlaufen im Bindegewebe der Plica lata z u n ä c h s t l a t e r a l v o m U r e t e r , ü b e r k r e u z e n i h n und verlaufen geschlängelt zur Uteruskante in H ö h e d e s I s t h m u s u t e r i . Hier teilen sie sich in einen kaudal zur Vagina ziehenden Ast, die A. vaginalis und den Hauptast, der s t a r k g e s c h l ä n g e l t

252

Das Becken, Der Inhalt des Beckenraumes

am Margo lateralis uteri bis zum Fundus uteri verläuft und durch einen Ramus tubalis mit der A. ovarica in Verbindung tritt. 9 — 1 4 Seitenäste auf der Facies vesicalis und Facies rectalis uteri verbinden die beiden A a . uterinae untereinander. Die starke Schlängelung ermöglicht die Uterusvergrößerung während der Schwangerschaft. Die Uterusvenen sammeln sich in einem mächtigen Geflecht zu selten des Uterus und der Vagina (Plexus uterovaginalis). Dieses steht mit dem Plexus vesicovaginalis Ureter sinister A.

lica

Aorta

M.psoas

major

Truncus

lumbosacralis

Erector

interna N.

Α , V

A. Plica

ilica

uterina,

suspensoria,

ext.

Ureter Ν., A., V. obturat.

Α., Vv. glut. cran.

Tube, Ovar Α., V. ilica ext. \

Tuba uterina

\

obluralorius

Facies auricularis ossis sacri

Excavalio reclouterina

Chorda utero-inguinalis

trunci

Plexus

sacralis

\

\

\

M.

piriformis

\

Α.,

Vv. glut. caud.

. glut.

max.

Α. vesicalis

des

IN. pudendalis, \A. pudend. int. Portio vaginalis m der eröffneten Scheide Rectum

Schnittrand Peritonaeum

Plica

iM. levator ani. -f Fascia diaphr. (int.

vesicalis transversa

Excavalio uterina +

vesicoSymphyse Uterus

Glans

Vesica

caud.

Vagina, vaginal

Sept.

pelv.

recto-

Sphincter

ani ext.

Septum

urethrovaginal

clitoridis

urinalis, Urethra

/ /

Μ V. dorsalis clitoridis subfascialis

M. bulbocavernosus, Labium mains

transversus

perinei

Diaphragma urogenitale, Corpus cavernosum clitorulis

Abb. 198. Die Beckeneingeweide eines 16jährigen Mädchens von links dargestellt (nach Lage des Ureter zur A. uterina.

W.

Waldeyer),

und Plexus pampinifor mis (zu der V . ovarica) in Verbindung. Die doppelten Vv. uterinae münden in die V . ilica interna. K l a p p e n sind in den Venen schlecht ausgebildet oder fehlen. Die Lymphgefäße v o m Tubenwinkel verlaufen mit der Chorda uteroinguinalis zu den Lymphonodi inguinales. V o m U t e r u s k ö r p e r ziehen sie zu den Lymphonodi

Die

Scheide

253

ilici (im Winkel zwischen A. ilica externa et interna). V o n der C e r v i x und dem o b e r e n T e i l d e r S c h e i d e fließt die L y m p h e zu den unteren iliakalen, den parasakralen und einem manchmal in der Plica lata, zu Seiten des Isthmus gelegenen L y m p h k n o t e n . Die Nervenversorgung erfolgt durch den Plexus aorticus caudalis (S. 243), die Plexus spermatid und aus den Sakralnerven 3 und 4. Der Plexus aorticus caudalis gabelt sich in 2 Bündel, die das R e k t u m seitlich umfassen und dann den Plexus uterovaginalis bilden. Z u diesem ziehen noch parasympathische Fasern aus den Sakralnerven 3 und 4 (N. pelvicus). Z u Seiten der Cervix sind in den Plexus uterovaginalis zahlreiche Ganglienzellen eingeschaltet {Frankenhäusersches Ganglion). A u s ihm ziehen marklose und markhaltige Fasern zum Uterus, zur Vagina und zur Blase. Die Fasern zum R e k t u m entspringen direkt aus dem Plexus uterovaginalis. Die A d n e x e bekommen ihre s y m p a t h i s c h e n Fasern durch den Plexus ovaricus, ihre p a r a s y m p a t h i s c h e n vielleicht durch den N. vagus. Die Fasern des N. pelvicus verlaufen innerhalb der Plica rectouterina. D i e sympathischen Fasern sollen a n r e g e n d a u f die M u s k u l a t u r d e s R e k t u m , des U t e r u s , d e r V a g i n a , d e r B l a s e u n d d e r G e f ä ß e ( v a s o k o n s t r i k t o r i s c h ) w i r k e n . D i e p a r a s y m p a t h i s c h e n sollen die K o n t r a k t i o n d e r g l a t t e n M u s k u l a t u r h e m m e n u n d die G e f ä ß e e r w e i t e r n ( E r e k t i o n ) .

g) Die Scheide, Vagina (Abb. 194, 196, 198) Sie ist ein 8 — 1 0 cm langes, ventral-dorsal abgeplattetes Rohr, das von vorn unten nach hinten oben verläuft und mit dem oberen Ende die Portio vaginalis so u m f a ß t , daß ein größeres d o r s a l e s , kleinere s e i t l i c h e und ein v e n t r a l e s S c h e i d e n g e w ö l b e entstehen. Sie g r e n z t vorn an die B l a s e und die H a r n r ö h r e ; hinten wird sie oben v o m B a u c h f e l l überzogen, reicht an die E x c a v a t i o rectouterina. Hinten unten liegt sie dem R e k t u m an. Seitlich liegen ihr oben die H a r n l e i t e r und weiter unten die vorderen Fasern des L e v a t o r a n i an. (Diese lassen sich an der Lebenden leicht durchtasten.) Nachdem die Vagina das Diaphragma urogenitale durchbrochen hat, legen sich ihr unten der Bulbus vestibuli und der M. bulbocavernosus an. In der J u g e n d ist die Scheidenwand weich. Sie besitzt dann auf der Vorder- und Hinterwand, Paries ventralis und dorsalis, zahlreiche quer verlaufende Falten (Rugae), die sich in einer dorsalen und ventralen medianen Leiste, der Columna rugarum ventralis und dorsalis, treffen (Abb. 196). Durch den Geburtsakt werden die Falten verstrichen und bilden sich nicht wieder. A m Scheideneingang, Ostium vaginae, liegen das Jungfernhäutchen, der Hymen, oder die Reste davon, die Carunculae hymenales (s. S. 261). Die Schleimhaut hat ein geschichtetes P l a t t e n e p i t h e l , das sich auf die Portio vaginalis uteri bis zum Muttermund fortsetzt. Die T u n i c a p r o p r i a enthält vereinzelte Lymphknötchen und zahlreiche Gefäße. Die Tunica muscularis besteht aus sich verflechtenden Bündeln glatter Muskelzellen. E s herrscht eine innere Längs- und eine äußere Ringschicht vor. Das ziemlich dichte Bindegewebe nach außen von der Muscularis bezeichnen wir als Paracolpium. Anwendung: W ä h r e n d der G e b u r t k a n n die dorsale S c h e i d e n w a n d g r a d w e i s e e i n r e i ß e n . S o l c h e D a m m r i s s e k ö n n e n sich auf die S c h l e i m h a u t b e s c h r ä n k e n , a b e r a u c h bis z u m A n u s d u r c h g e h e n . B e i V e r l e t z u n g e n u n d b ö s a r t i g e n G e s c h w ü l s t e n k ö n n e n sich F i s t e l n z u d e n (Rektovaginal-, Urethrovaginal-, Vesikovaginalfisteln) bilden.

Nachbarorganen

Gefäß- und Nervenversorgung. D e r k r a n i a l e T e i l w i r d v o n d e r A. vaginalis (aus der A . u t e r i n a ) , d e r m i t t l e r e v o n d e r A. vesicalis caudalis, der k a u d a l e v o n der A. rectalis caudalis u n d a u s d e r A. pudendalis int. v e r s o r g t . D i e V e n e n b i l d e n in d e r T u n i c a p r o p r i a und in d e r M u s c u l a r i s ein N e t z w e r k , b e t e i l i g e n sich a n der B i l d u n g des Plexus uterovaginalis und verlaufen mit den gleichnamigen Arterien.

254

Das Becken. Der Inhalt des Beckenraumes

Die L y m p h g e f ä ß e vom kranialen Teil ziehen zu den Lymphonodi ilici. Vom kaudalen Abschnitt und von der Vulva strömt die Lymphe zu den Lymphonodi inguinales. Vom mittleren Teil können die Lymphbahnen zu den Β1 a s e η 1 y m ρ h k η ο t e η und den L ymphonodi ilici ziehen. Von der dorsalen Wand kommen noch Lymphwege zu Knoten ventral und zu Seiten des Rektum vor. Die N e r v e n kommen aus dem Plexus uterovaginalis und dem N. pudendalis.

4. Die zyklischen und Schwangerschaftsveränderungen am weiblichen Genitale Gleichzeitig mit den ä u ß e r e n Z e i c h e n d e r G e s c h l e c h t s r e i f e (der Vergrößerung der Brustdrüsen, dem Wachsen von Haaren am Möns veneris, an der V u l v a und in den Achselgruben, der Größenzunahme des Beckens und der Rundung der Hüften) setzen auch am i n n e r e n G e n i t a l e t y p i s c h e V e r ä n d e r u n g e n ein. Das erste Auftreten einer Regelblutung, der Menstruation, zeigt die Geschlechtsreife, die Pubertät, an. W i r pflegen sie Menarche zu nennen. In Mitteleuropa pflegt sie zwischen dem 1 4 . — 1 6 . Lebensjahre aufzutreten. Rasse, Konstitution, Klima, Umgebung, Krankheiten usw. können sie um einige Jahre früher oder später auftreten lassen. Auf diese erste Blutung erfolgt bei der gesunden Frau, abgesehen von den Zeiten der Schwangerschaft, in einem Z y k l u s von 28 Tagen immer eine neue. Zwischen dem 45.—50. Lebensjahre wird die Regelblutung schwächer, unregelmäßiger und hört schließlich ganz auf (Menopause). Die zyklischen Veränderungen des weiblichen Genitales werden durch Hormone gesteuert. Ein Hormon des Vorderlappens der Hypophyse, das Prolan Α , regt die Granulosazellen des Follikels (siehe Ovarium, S. 247) zur Produktion des F o l l i k e l h o r m o n s an.

a) Veränderungen an der Uterusschleimhaut (Abb. 199) a) Proliferationsstadium. Unter dem Einfluß des Follikelhormons beginnt in der oberflächlichen Schleimhaut, in der Funktionalis, eine rege Zellneubildung. Die Drüsen werden länger, später spiralig. Das Epithel wird höher. Die gesamte Schleimhaut verdickt sich von 1,5 auf 3 — 4 mm. Dieses Stadium dauert v o m 5. bis 1 3 . — 1 5 . T a g . Man unterscheidet an ihm auch noch ein P o s t m e n s t r u m (5.—10. Tag) und ein I n t e r v a l l ( 1 1 . — 1 5 . Tag). Zwischen den beiden Stadien läßt sich keine scharfe Grenze ziehen. ß) Sekretionsstadium (auch P r a e m e n s t r u m genannt). Mit dem F o l l i k e l s p r u n g , der wahrscheinlich zwischen dem 1 4 . — 1 6 . Tage des Zyklus erfolgt, nach anderer Auffassung aber auch zu anderen Zeiten durch den Geschlechtsverkehr ausgelöst werden kann, beginnt die Bildung einer n e u e n e n d o k r i n e n D r ü s e , des gelben Körpers (S. 257). Ihr Sekret, das Corpus-luteum-Hormon, steuert die S e k r e t i o n s p h a s e der Gebärmutterschleimhaut und h e m m t das Wachstum neuer Follikel. In der Sekretionsphase gehen die Veränderungen in der F u n k t i o n a l i s weiter. Das E p i t h e l wird noch höher. Die Schlängelung der D r ü s e n nimmt zu. Sie sondern ein s c h l e i m i g e s S e k r e t ab. Die Drüsenschläuche werden buchtig erweitert. Die B i n d e g e w e b s z e l l e n vergrößern sich, nehmen Glykogen auf und runden sich zu epithelähnlichen Zellen ab. Durch diese Vorgänge verdickt sich die Schleimhaut weiter auf 6 — 9 mm. In der Schleimhaut sind jetzt die günstigsten Bedingungen für die E i n b e t t u n g (Nidation) und die E r n ä h r u n g eines befruchteten Eies geschaffen. γ) Desquamationsstadium (das Menstrum, die Regelblutung). Wird das E i nun nicht befruchtet oder kommt es zu frühzeitigem Eitod, so ist die geschilderte Vorbereitung der Schleimhaut zwecklos geworden. Sie wird hinfällig ( = deciduus). A u s

Die zyklischen und Schwangerschaftsveränderungen am weiblichen Genitale

255

den strotzend gefüllten Kapillaren kommt es zu Blutaustritten in das Gewebe. Das Epithel wird abgehoben und stückweise von der Unterlage abgerissen. Bei diesem Vorgang (Desquamation genannt) wird schließlich die ganze Funktionalis abgestoßen (Decidua menstruationis). Nur die unterste, direkt der Muskulatur aufsitzende Schicht, die Basialis, bleibt erhalten. Aus ihr erfolgt die R e g e n e r a t i o n des abgestoßenen Materiales. Die Regelblutung dauert gewöhnlich 4 Tage. Sie ist äußerlich gekennzeichnet durch Blutung und Abstoßung der Gewebstrümmer aus den äußeren Genitalien. Bereits am 3. Tage beginnt die H e i l u n g mit der W u c h e r u n g der in der Basialis verbliebenen Drüsenreste (Regenerationsphase). Von ihnen aus wird die Wundfläche mit neuem Epithel versehen ( e p i t h e l i a l i s i e r t ) . Follikel wachsend

sprungreif

Corpus gesprungen

-bildung

luteum

-blülestadium

-rückbildung

Ovarium

Functionaiis

Basialis Myometrium

Desquamation

Proliferation

Sekretion

Desquamation

A b b . 199. Menstruationsschema nach Schröder. Über der Uterusschleimhaut sind die entsprechenden Veränderungen im Ovarium eingezeichnet. + = Eitod.

Mit einer neuen proliferativen Phase kann die Schleimhaut wieder für eine Eiaufnähme vorbereitet werden. Nistet sich das befruchtete E i in der Schleimhaut ein (Schema A b b . 201), so werden die geschilderten Veränderungen noch gesteigert, die Funktionalis des Praemenstrum wird zur D e c i d u a g r a v i d i t a t i s . Sie wird erst bei der Geburt mit der Frucht und den Eihäuten abgestoßen.

b) Veränderungen in der Muskelwand des Uterus I m M e n s t r u a t i o n s z y k l u s finden wir neben den Veränderungen an der Schleimhaut auch solche an der Muskelwand der Gebärmutter. Nach Stieve wird im P r a e m e n s t r u m das Bindegewebe im Myometrium stark aufgelockert, weicher und ermöglicht dadurch das gleichzeitig einsetzende W a c h s t u m d e r M u s k e l z e l l e n . Die weiche Beschaffenheit gestattet während der Blutung (Menstrum) die Zusammenziehung der Muskulatur. Die Muskelzellen werden schmäler und länger. Sie gestatten eine W e i t e r s t e l l u n g d e s C a v u m u t e r i und schaffen damit R a u m für die starke (von 1,5 auf 9 mm) verdickte Schleimhaut. Während und nach der Blutung ziehen sich die glatten Muskelzellen ähnlich wie bei der Geburt zusammen. Sie werden kurz und dick. In der Proliferationsphase bilden sie sich ähnlich wie im Wochenbette zurück. Gleichzeitig verdichtet sich dabei das Bindegewebe; seine Spalten werden enger; die W a n d der Gebärmutter wird härter und derber {Stieve).

256

Das Becken.

D e r I n h a l t des

Beckenraumes

Besonders stark sind die Schwangerschaftsveränderungen an der Gebärmutterwand. Ihr G e w i c h t steigt auf das 20—3ofache. Die vorhandenen Stammuskelfasern vergrößern sich auf das 1 0 — 1 8 fache. Die Kerne vergrößern sich dabei verhältnismäßig wenig. Besonders in den t i e f e n S c h i c h t e n der W a n d entstehen aus den verschiedensten Bindegewebszellen neue, sogenannte Ergänzungsmuskelzellen (Stieve). Die Ergänzungsmuskelzellen schließen sich den Stammuskelzellen an. A u c h das B i n d e g e w e b e der Wand, sowohl Fibrozyten wie elastische und leimgebende Fasern werden vermehrt. Bei der G e b u r t ziehen sich alle Abschnitte des G e b ä r m u t t e r k ö r p e r s zusammen, während sich die W a n d des unteren U t e r i n s e g m e n t e s [Isthmus) weiter stellt. N a c h d e r E n t b i n d u n g gehen nach Stieve vorwiegend die neugebildeten Muskelzellen zugrunde, während die Stammuskelzellen sich auf ihre ursprüngliche Größe zurückbilden, aber erhalten bleiben. A u c h die bindegewebigen Elemente, sowohl Zellen wie Fasern, zerfallen zum größten Teil wieder. Nur wenige verkleinern sich und bleiben erhalten. So wird der Uterus einige Zeit nach der Entbindung nicht ganz, aber nahezu wieder auf die ursprüngliche Größe rückgebildet. — Die U t e r u s v e r ä n d e r u n g e n d e r S e k r e t i o n s p h a s e und der e r s t e n H ä l f t e d e r S c h w a n g e r s c h a f t werden durch das C o r p u s - l u t e u m - H o r m o n bewirkt.

c) Veränderungen an der Scheide und den äußeren Genitalien Während der Menstruation ist die Schleimhaut blut-, saftreicher und dicker. Während der Schwangerschaft wächst die Scheidenwand. Alle Schichten werden dicker. Das L u m e n wird weiter und länger [Stieve). Die S c h l e i m h a u t verfärbt sich blauviolett [livid). Die S c h e i d e n a b s o n d e r u n g ist verstärkt. A u c h an den ä u ß e r e n ^P^rcrc G e n i t a l i e n tritt während der Schwangerschaft jgwifei^^^h^

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Hg.

Pars tibiocalcanearis j

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Talus [Lig. talocalcaneare post.] Lig. talocalcatieare tibiale

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